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Full text of "Bonner Jahrbücher"

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V 


•  • 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


KHEINLANDE. 


HEFT  LXII. 


MIT  7  TArBliN. 


AUSGEGEBEN  AM  5.  JUNI  1878. 

BONN. 

GEDRÜCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

BOXN,  BEI  A.  lARCDS. 

1878. 


Inhaltsverzeichniss. 


I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

s«ito 

1.  Kleine  röm..  Villa  bei  Stahl     Von  E.  aus'm  Weerth.     Hierzu  Taf.  I.        1 

2.  Römische  Alterthämer  in  Heidelberg: 

I.  Zwei  röm.  Töpferöfen  und  Häusersoaterrains.   Von  Hofrath  Stark.        7 

n.  Inschriften.    Von  C.  Christ 18 

8.  Ueber  die  röm.  Befestigangen  im  Odenwald.    Yen  Pfarrer  Seeger.   .      38 
4.  Ueber  die  Limes-Frage  nnd  die  römischen  Alterthümer  aus  Obemburg. 

Von  C.  Christ 42 

6.  Datirbare  Inschriften  ans  dem  Odenwald  und  Mainthal.     Von  dem- 
selben       61 

6.  Ansgrabungen  bei  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  1876.  • 

D.  eine  gemalte  röm.  Wand.   Von  Dr.  F.  Hettner.    Hierzu  Taf.  III— VI  64 

7.  Ein  Nachbild  der  Venus  von  Milo.    Von  Dr.  Flasoh.    Hierzu  Taf.  II.  74 

8.  Erklärung  zweier  altchristlicher  Grabsohriften  ans  Aachen.    Von  Ca- 
nonicus  Kessel.    Hierzu  Taf.  VII  Fig.  1 86 

9.  Der  Ring  des  Dootor  Ypocras.    Von  C.  Binz 119 

II.  Litte ratur. 

1.  Giancarlo  Conestabile,  di  un  anello  Etrusco  u.  s.  w.    Angez.  von 

Dr.  Dätschke 122 

2.  Ad.  Michaelis,    Die   Bildnisse   des  Thukydides.    Angez.    von   dem- 
selben  124 

8.  H.  Brun,  Die  Sculpturen  von  Olympia.    Angez.  von  demselben    .  .     126 

4.  L.  ürlichs,   Bemerkungen    aber  den  olympischen  Tempel   und   seine 
Bildwerke.    Angez.  von  demselben 126 

5.  R.  Eeknle,  Griechische  Thonfigaren  aus  Tanagra.     Angez.  von  dem- 
selben  128 

6.  H.  Heydemann,    Die  Enöchelspielerin  im  Palazzo  Colonna  in  Rom. 
Angez.  von  demselben 129 

6a.  L.  Hölzermann,  Localforsobungen,  die  Kriege  der  Römer  und  Franken 

a.  s.  w.    Angez.  vop  Prof.  J.  Schneider '  .   .    .  .     lÜO 

7.  AI.  Ecker,  üeber  prähistorische  Kunst  u.  s.  w.   Angez.  von  Schaaff- 
hausen .*    140 


■<*> 


*"* 


IT  InhaltaTeneichniBS. 

Seite 
8.  A.   Conze    und   0.  Hirsobfeld,    Arohiologisch-epigraphische  Mit- 

theiluogen  aus  Oesterreich.    Angez.  von  Conze 160 

III.  MiBoellen. 

1.  Bacharaeh:   üeber  die  Wernerskirohe.     Von  F.  Sohaeider.     Hierzu 
Taf.  VII  Fig.  2 155 

2.  Bonn:  Ueber  die  Torqaes.    Von  Dr.  Mohnike 158 

8.  Ueber  Schalensteine.     Von  Schaaffhansen 171 

4.  Bonn:  Funde.    Von  van  Vleuten 171 

5.  Cöln:  Fund  von  rSm.  Gläsern.    Von  Wolff 172 

6.  Fomich:  Stiftungs-Urkunde  der  Kapelle.    Von  Dr.  G.  Terwelp  .  .   .  172 

7.  HohenBeelbaohkopf :  Ein  Steinring.    Von  Schaaff hausen 177 

8.  Kessenicb:  Funde  am  Rheinweg.    Von  £.  aus'm  Weerth 178 

9.  Kim:  Gräberfund.    Von  Dr.  med.  Butry 178 

10.  Königswinter:  Münze  von  Antonin.    Von  J.  Freudenberg 178 

11.  Niedermendig:  Das  sog.  Höhtges-Kreuz  von  demselben 179 

12.  Oberbilk:  Terra-sigUlata-Sohalen.    Von  Wolff 184 

18.  Raversbeuren:  Stempel.    Von  E.  aus'm  Weerth 185 

14.  Sponheimer  Wald:  Hügelgräber.    Von  Sohaaffhausen 185 

16.  Trier:  Fundbericht.    Von  H. 185 

16.  Ueberlingen:  Pfahlbauten 186 

17.  Wangen:  Sohienerberg.    Von  F.  Haug 187 


^^'  ■  ',:  .- 


*"■  \-  *■* 


^T.    Oescliicltte  und  DeiLkmäler. 


I.  Kleine  römische  Villa  bei  Siahl  im  Kreise  Bitburg. 

Hiezu  Tat.  I. 


Im  Zusammenhange  meiner  Ausgrabungen  des  römischen  Sommcr- 
palastes  bei  Fliessem')  und  der  damit  verbundenen  topographischen 
Umschau  im  Kreise  Bitburg,  winden  nicht  allein  die  in  diesen  Jahr- 
büchern bereits  bekannt  gemachten  kleinen  Tempel  bei  Nattenheira 
and  Neidenbach*},  sondern  weitere  römische  Bau- Anlagen.  zuStahi, 
Brecht»),  in  den  Gfirten  westlich  und  ausserhalb  der  römischen 
Umfassungsmauer  des  Castrums  Bedense*),   im   Bitburger  Ge- 


1)  Die  Wahmehmung,  dass  dio  von  unBerem  am  die  Rheinische  Alter* 
thnmelcnnde  bo  hoofaverdienten  Archi(ect«Q  Chr.  W.  Schmidt  in  Trier  in  der 
IV.  Lieferaag  seiner:  »Baudenkmäler  von  Trier  und  Umgebung,  Trier  1843« 
herausgegebene  >JagdvilIa  r.u  Fliesscmt  nicht  vollitändig  aufgedeckt  sein  könne, 
veranlasst«  meine  weitere  vor\'o]lBtandigendo  Äuagrabung  dieaes  GehÄudca,  Die 
YeröfTentlicbang  des  Resultates  wird  demnächst  gcsoheheii,  vgl.  Jahrb.  LYII.  S.  2S8. 

2)  Jahrb.  LVII,  S.  66  u.  LFX,  8.  87. 

3)  lieber  die  höchst  merkwürdige  römische  Bau- Anlage  za  Brecht  wird 
Toransaiohtlioh  das  nächste  Jahrbuch  einen  Bericht  bringen. 

4)  Unser  verehrtce  VereinsmitgUcd  Herr  P.  Wallonborn  jun.  machte 
dartTif  anfmerksam,  daaa  sich  ausserhatb  und  nahe  der  westlichen  Umrassungs* 
niBuer  des  Castrnms  die  Fundamente  römischer  Gebäude  befänden,  von  welchen 
dann  auch  1875  unter  Leitung  dos  genannten  Herrn  einzelne  Theile  aufgedeckt 
wurden,  welche  nach  ihrer  Beschaffenheit  auf  wohlhabender  Leute  Wohnungen 
flchlieasen  Ueesen  und  jedenfalls  den  Beweis  lieferten,  dass  man  Eur  Zeit  ihrer 
Erbauung,  gleichsam  unter  den  Mauern  der  Festung  eines  sichern  Friedens  sich 
erfreute.    Die  Thatsaehe  ist  deeshalb  nicht  ohne  Bedeutung. 

1 


2  Kldoe  römiaehe  YiBm  bd  StaU  jk  KrÖM  KUmrg. 

meindewaldBethard*),  m Badern*),  Oberweis*),  and  Badesheim*) 
festgestellt  und  an  den  ersten  Tier  Ortai  ancli  Aosgrabangen,  znm  Theil 
auf  Kosten  unseres  Vereins  vorgenommen.  Diejenigen  in  der  Feldflur  des 
Dorfes  Stahl,  am  rechten   Ufer  der  Nims,  etwa  20  Minuten  von 


1)  Im  Bitbarger  Gemeiodewald  Bethard  lien  aoser  Y«rein  bereits  ror  einer 
Reihe  von  Jahren  dardi  Herrn  Baumeister  Wolf  Nadigrabaogen  halten,  welche 
drei  wahrscheinlich  rasammengebörende  Gebinde  zom  T(»scbein  brachten.  Die 
YoIIendung  der  Aasgrabung  and  damit  maammenhftngend  der  Berieht  über  die- 
selbe massten  bis  dahin  ans  peraönlicben  Gründen  hinansgecchoben  werden. 

2)  Zwischen  Badem  ond  Pickliesaem  worden  im  Frölgahr  1875  mächtige 
Steinblöoke  aasgegraben,  som  Theil  mit  BelieiVernernngen.  Besondere  Be- 
achtung verdienen  einige  im  Hanse  des  Hrn.  Falter  inPieklienem  eingemauerte 
römische  Steine,  welche  ror  Tiden  Jahren  aof  dessen  Ziegelei  gefunden  wurden. 
Vor  80  Jahren  sollen  daselbst  noch  üeberreste  von  Ibaem,  einer  Holsbrücke 
und  einer  Wasserleitung  in  Bleiröhren  bestanden  haben.  —  Viele  kleine  Funde, 
ein  Messer  mit  goldenen  Nieten,  Mausen,  Eugelsteine  Ton  c  15"  Durchmesser, 
kamen  angeblich  in  das  Museum  su  Trier.  Ein  im  Keller  des  Herrn  Palxer 
eingemauertei  c.  26  cm.  breites  Insehriftenfiragment  lautet: 

lOPR 

VSC 

(pro)S  E-F(ecit) 

Die  Hklfle  dos  Steines  links  Tom  Beaehaaer  fehlt,  reehta  folgt  eine  Belief- 
venienmg  in  Form  eines  Amasonen-Sohildea. 

3)  Nach  Mittheilungen  des  Hm.  Thilmany,  früherem  Landrath  des  Kreises 
fiitburg,  wurden  schon  vor  drei  Jahraehntcn  wiederholt  römische  Alterthümer  in 
Oberweis  gefunden,  i.  B.  ein  kleiner  Hund  ron  Bronse  mit  einem  Ring  in  der 
Naso  auf  einem  Acker;  eine  gallische  Goldmünse  mit  der  bekannten  Darstellung 
einei  Pferdes,  um  welches  Storno  gestellt  sind  am  KoabSsch,  einer  Anhöhe  zwi- 
schen Brecht  und  Ilernesdorf.  Letztere  kam  in  das  Trierer  Moseum;  ob  auch 
der  kleine  Hund  ist  mir  unbekannt  Aber  auf  demselben  Felde  wurden  nach  gef. 
Miitheilung  unsoret  thitigen  Vereinsmitgliedes  des  Herrn  Pfairers  Orth  in  Wis- 
fnannsdorf  in  diesem  Horbste  Spuren  eines  röm.  Geb&udes  entdeckt  Der  Di* 
r«oior  de«  Proviniialmuseums  in  Trier  Herr  Dr.  Hettner,  dem  wir  diese  Mit- 
tboilung  sofort  mit  der  Bitte  lugehn  lieesen,  eine  Aa^r^bung  in  Oberweis  seitens 
dai  Trioror  Provtmial*Mutoums  vwanlasaen  m  wollen,  hat  diesem  Vorschlage 
ontsproohen  und  dürft«  Ober  das  interessante  Resultat  wohl  demnichst  den  Jahr- 
bttohom  ein«  Mttthoilung  lugehon  lassen.    Siehe  die  Miscelle:  Oberweis. 

4)  Im  Boiirk  von  Bfldosheim,  der  2.  Station  (Ansava)  an  der  Römerstrasse 
roa  Trier  nach  Cöln  sind  uns  die  Spuren  mehrerer  römischer  Geb&ude  unlängst 
anffOMlgt  worden,  die  voraussichtlich  demnächst  aur  Ausgrabung  gelangen.  Man 
vkI>  f^f  die  Aufkftlilung  der  Alterthümer  in  diesen  Bexirken.  Barsch'  und 
Nohnniaor's  MittheiluBgen,  Holt  I,  S.  88  und  UI,  8.  66  dieser  Jahrbücher. 


Kleine  römiaohe  VilU  bei  Stahl  im  Kreise  Bitbnrg. 


8 


Bitburg  entfernt,  führten  zur  Aufdeckung  dea  Grundrisses  einer  kleinen 
röraisehen  Villa. 

Wie  bei  den  meisten  Rheinischen  Römer- Villen  ist  der  Bauplatz 
im  aufsteigenden  Terrain  gewählt.  Südlich  sich  seukend,  gewährt  er 
den  freien  Blick  herab  in  das  liebliche  Wiesenthal  der  Forellen-reichen 
Nims;  nördlich  steigend,  erreicht  er  die  von  Bitburg  nach  Neuerburg 
führende  Staatsstrasse,  deren  theilweise  Identität  mit  einer  Römerstrasse 
aufgefundene  Gräber  bestimmen'). 

Nach  meiner  vorläufigen  Vermuthung  dürfte  es  eine  von  Bitburg^ 
ober  Brecht,  Oberweis  und  Bollendorf  nach  Ar  Ion  führende  Traverse 
der  beiden  grossen  ältesten  Militärstrassen,  derjenigen  von  Rhcims 
nach  Trier  und  derjenigen  von  Trier  nach  Co  In  sein. 

Auch  die  Gestalt  des  Grundrisses  des  Landhauses  zu  Stahl, 
ein  gebrochenes  Viereck  mit  dem  Eingange  an  der  Nordseite,  ent- 
spricht der  bisher  beobachteten  Regel. 

Wir  treten  durch  ein  —  eigenthümlicher  Weise  weder  in  der 
Mittel-Linie  des  Baues  noch  des  Atriums  liegendes  —  Vestibulum  in 
crstere«»,  ein  grosses  9,64  m.  im  Gevierte  messendes  Viereck,  das  mit 
mächtigen  Kalksteinplalten  belegt  war.  Ob  dieses  Atrium  einen  offenen 
oder  ganz  eingedeckten  Hof  bildete,  ob  es  nur  eine  rund  herum  an 
die  Wände  angelehnte  theilweise  üeberdachung  besass  und  im  Mittel« 
räum  ofi'en  war,  liess  sich  nicht  mehr  entscheiden,  da  weder  Reste  von 
Säulen-  noch  von  Pfeiler-Stellungen  zum  Tragen  der  Bedachung  auf- 
gefunden wurden.  Freilich  hat  sich  die  Raubsucht  bei  den  meisten 
römischen  Bauten,  die  nicht  plötzlich  sondern  allmählig  verschüttet 
wurden,  so  fiilhzeitig  auf  die  behauenen  Steine  geworfen,  dass  aus 
deren  Mangel  kein  Schluss  zulässig  ist.  Wie  sehr  eine  solche  Steingewin- 
nung aber  auch  in  unserer  Villa  ihr  zerstörendes  Wesen  trieb,  gewahrt 
man  aus  dem  Zustande  der  Kellertreppe  an  der  Westseite  des  Atriums, 
welche  bis  auf  eine  sämmtlichcr  Steinatufen  beraubt  war.  Durch  seine 


1)  Zwei  dioeer  Gr&bcr,  kleine  viereckigo  Kaslengr&ber  aus  vier  grossen, 
■enkrecbt  ins  Erdreich  gestellten  Steinplatten  gebildet,  deckte  ich  persönlich  auf. 
Der  Inhalt  an  gewöhnlichen  Aschen-Urnen,  kleinen  Terra-aigillata-Tellern  ohne 
Stempel  war  ohne  Belang,  lieber  ein  drittes  inhaltreicheres  Grab  berichtete 
H«rr  Peter  Wallenborn  jun.  in  Bitbarg  im  Mai  1875  folgendes:  »In  einem 
Orabe  nnforn  der  Villa  von  Stahl  fand  man  beim  Ansräumen  eine  niedrige  kleine 
Terra-sigillata-Sohale,  10  cm.  breit  und  4  cm.  hoch,  mit  verziertem  Rand;  ein 
L&mpchen  von  grauem  Thon  mit  dem  Stempel  Comunis;  einen  15  cm.  hohen 
gr»uen  kloinen  Henkelkmg  and  eine  Kupfermünze  des  Kaisers  Hadrian. 


Tu» 


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VBicnimir.  Ite  Enärarcnr  äes  ^*Tt"i^  söbs  aat  iaäit  unnMXk  za 
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Eöriäfiais.    \iiffigr  aus  cienuK  nEncc^fs  VaaÖBci«  aa 

Ecäex  Tier  WiAäex  äs  Eaüsmam»  lk^>  s.  im«  ihn  iFTiii  Waai- 

D&s  ijgaragä  xie-  «an.  £a&Br.  4c  ^iirTiii  dma  TiiTrair 
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4«TTxt»ä2L.awekiimäASr«i«^n«  weäerBiMiiiK^  »i  frin« 
Läiva  K^itn-.  Ke  DicüxU  «ieser  T¥&vifci  iijii  ■  recteieftKt  die 
AiMhce*«  cdisf  säe  zxii  ii£«  «^«siädea  TlAiai  geadtkuBOL  tber^ 
iMopt  pir  ml.'i:«  am.  V«r«eklss?  Sestixs:.  ^«Mien  nr  Bit  VoriaagcD 

I^  5ork\s«ädke  Ecke  4<5  Hmsss  u^  äe  kiÖMi  Bäobk  des 
IUa$bAde$  »«t  «»e  L»*«»  «^*  ilioäa^  ««4er  «er Vcrachnft  VitraTs 
«•t${>r.ai: :  ^F«r  i*  FJw«'  wa«  «inw«.  4«  X«nMa  a»i  Xordüsten 
»t^««aJecif«  i>rt  5«  «IW».  »ömi  «ßewar»«  EÄfcrikrlichlTOBiSid- 
wt»««  <ftMt^»i  vtits»«*':  "««wit  «&f  vVnibcU»t  dies Tcrtadot, » doch 
w«  5M»>i<>a»  wtl  d»  Z«:  «a  R»Äea  v«racsww»  die  n»  Mitag  bis 
«um  Ab«a  K4*.  »^^  «M  4«  RM<-ABUf«mder  tb*ig«  IwnKts  befind- 
IkViiVilk«  a^em»jiiÄa«*\  NxraÄsdwt  RioKaVestdit  das  üeiae 

l>  IV««  l>«v»*to*»  «*w«t  »J«^  »A«  jrft»i««  tb  Herr  Ksp.-BaÜi 
$^vrr«rl)k  4w  AuÄMÄtw  A»  «>«M»1«»  «vcwlka.   »»i   4eMhaIb  ia  letiMw 


Kleine  römiache  Villa  bei  Stahl  im  Kreise  Biiburg. 


6 


Bad,  einem  Apodyteriuin,  Tcpidarium  und  Frigidarium.  Das  wanrn- 
Wannenbad  und  das  Schwitzbad:  Caldariiim  und  Lacoiiicum  fehlen.  Als 
Anklcidezimmer  betrachteu  wir  deu  mit  wohlcriialtenem  Rstrich  versehe- 
nen Raum  östlich  des  Einganges,  aus  welchem  >s'ir  durch  einen  kleineu  Cor- 
ridor  in  das  im  EclcpAvillon  befindliche  Tepidarium,  wie  direct  durch  die 
südlich  belegene  Thrtre  zum  Kri^iidariuni  gelangen.  Das  Tei)idarium  liat 
weder  eine  Wanne  noch  Verrichtungen  zur  Erwärmung.  Aber  die 
ausserordentlich  kleine  Kauiiiausdehiiuiig,  die  Ticferlcgung  des  l'uss- 
bodens  um  eine  Stufe,  die  sorgfältig  in  allen  Käumen  rümisdier  (ic- 
luiiide,  iu  welchen  eine  Wasserverschüttung  stattfand»  wahrzunehmende 
Ausfüllung  der  Winkel,  welche  Wände  und  l'ussbÖden  gegeneinander 
bilden  durch  einen  V«  Itundstab  im  Verputz,  um  das  Ansetzen  von 
Niederschlägen  zu  verhüten,  rcsp.  die  Reinigung  zu  erleichtern,  lassen 
keinen  Zweifel  darüber  bestehen,  das.s  hier  cinestheils  schnellem  Ver- 
luste der  Wärme  vorgebeugt  werden  sollte,  andcrntheils  Wasserver- 
schilttungen  stattfanden.  Das  nüthige  warme  Wasser  für  das  lauwarme 
Bad,  d.  h.  hier  für  die  lauwarmen  Uebcrgiessungen  —  welches  vielleicht  in 
Kesseln  (Vitru  v  V,  II)  auf  den»  noch  zu  erwähnenden  ileerdc  im  Atrium 
bereitet  wurde  —  ist  wahrscheinlich  hcrbeigi?tragcn  worden.  Unter  dem 
FussbodeD,  der  wie  die  Wände  aus  hydrauUschom  Mörtel  von  scharfem 
Sand,  Ziegelbrocken  und  Kalk,  aus  opus  signinum  besteht,  läuft  durch  die 
nordöstliche  Ecke  ein  kleiuer  Canal,  der  wul  das  verschtittete  Wasser 
herausleitete.  Besondere  Beachtung  verdient  eine  in  der  nordwestlichen 
Ecke  befindliche  Wandnische,  sie  diente  dazu,  eines  jener  Kohlenbecken 
aufzunehmen,  die  häufig  anstatt  der  Fussboden-  und  Wand-Heizung  be- 
stimmt waren  die  Tcpidarien  zu  erwärmen.  Südlich  vor  dem  Tcpida- 
rium liegt  da-s  Frigidarium,  ein  Raum  von  vierfacliem  Umfang  mit  einer 
grossen  Wanne  am  östlichen  Ende  zum  Vollbad,  in  welche  drei  —  wie 
immer  sehr  steile  —  Stufen  hinabführen.  Der  V*  Rundstab  fehlt  auch 
hier  in  der  aus  opus  signinum  hergestellten  Badewanne  nicht.  Ein 
Bleirohr  unter  dem  Fussboden  des  zum  Tepidarium  fiilirendcn  Corri- 
dors,  durch  letzteres  laufend,  führte  das  Wasser  bei  a  herein.  Senkrecht 
darunter  floss  es  an  der  durch  einen  kleinen  Ring  bezeichneten  Stelle 
nach  geschehenem  Gebrauch  wieder  ab.  Der  Mangel  aller  Vorrichtungen 
zur  Erwärmung  des  Fussbodens  und  der  Wände  lässt  die  Bestimmung 
als  Frigidarium  ausser  Zweifel.    Südlich  vor  dem  Frigidarium  liegt  ein 


Stald  and  Ravenabearea  ist  demnach  irrig^.     In  Weingarten  udiI  Nennig  ist  die 
Situirung  südweBtliob;  in  FlieBsem  nordwestlich}   in  Mandersoheid  Büdöetlicb. 


6  Klüe  räMMcfe  Tib  hä  Sau  ia  KicM  Bebos. 

gros8es  Zimmer,  welcfaes  vir  nach  der  AasbdiBg  dec  södücfastai  Theiles 
desselben  and  n^ch  der  FngbodpnhpiTcng  Ifd'^icfc  dieses  TheOes  durch 
Hypocansten  für  das  Schlaigemach  imd  joMsi  Thcd  &r  den  Betten- 
Baum  halten.  Die  dorch  eine  kleine  Umsiaimu$  abgegrenzte  Hjpo- 
caosis  dieses  Raames  befindet  ach  im  Atrimn,  an  dessen  östikher  Wand. 
Neben  derselben  Tennerkoi  vir  noch  einen  mit  ZL^elpIatten  bekgtoi 
Heerd,  welcher  —  wie  schon  ai^edeotet  —  nefleidit  zur  Erwärmung 
des  Badewassers  dioite. 

Die  drei  grossem  Bäume  der  nordwestlichen  Haas-Ecke  oübrigen 
Ar  den  eigentlichen  HanshalL  Da  £(±raanL  dessen  Thöre  gegenüber 
dem  Eelleraufgang  li^t,  darf  nach  mannigfach  darin  geiimdenai  Ge- 
schirr-Bestoi  als  Küche,  einer  der  danebenli^enden  Gelasse  als  Auf- 
enthaltsort der  Dienerschaft  aagesdien  werden. 

Der  ganze  Bau  ist  aas  anrege]mää^igen  Kalksteinen  errichtet 
und  walr  mit  flachen  rothoi  Ziegeln  dngedeckt,  weldie  wie  gewöhn- 
lich über  den  Fugen  aufli^ende  Randziegd  zusammenhielten.  Der 
durchgängig  an  Aussenwänden  römischer  Gründe  Torfindliche  Ver- 
putz mit  rother  Abfarbung  zeigte  hier  noch  einen  starken  Torspringen- 
den  Sockel,  dessen  Profilschnitt  bei  b  im  Plan  beigegeben  ist 

Ob  Ställe,  überhaupt  Wirthschaftsgebäude  zur  Seite  lagen,  liess 
sich  ebenso  wenig  feststellen,  wie  der  Bering  eines  anschliessenden  Hofes 
oder  Gartens. 

Unter  den  kleineren  mir  zugekommenen  Funden  sind  einige 
Kupfermünzen  *),  das  kleine  4  cm.  mes^nde  im  Feuer  v^goldete  Bein 
einer  Bronze-Statuette,  eine  schön  geformte  Palmette  mit  Kettchen 
von  einem  Bronzc-Geräth,  zwei  Siegelringe  von  Bronze,  der  eine  mit 
zerstörter  Gemme,  der  andere  mit  gravirter  runder  Siegelplatte  einen 
Eroten  darstellend,  der  auf  einem  Seepferde  reitet,  endlich  eine  kleine 
Lampe  von  gn\ueui  Thon  mit  dem  vielfach  und  an  verschiedenen  Orten 
vorkommenden  Stempel  Cl^MVXlS ').  Unter  den  Gefässschcrbcn  kam 
der  Stompol  0*  ClllN-  vor»). 


1)  1.  lUdrian,  QroMon.  Wahnoheinlich  griechiBch,  mit  unleserlichem  Re- 
VOM.  —  a.  H Ailr i«  n,  Mitt«lon.  R.  Pont  max.  u.  s.  w.  drei  Fcldseichcn.  —  3.  Marc- 
Aurol,  (Irttasorr..  U.  ooncordi«,  Pont  max.  tr.  p.  XJII  u.  ■.  w.  —  4.  Julia 
Doinna.  MUlolora.  Kov.  uulcswlioh.  —  B.  Gallienus.  Kkinerz.  B.  Abondantia. 
-^  (i.  7,  und  H  aind  aU)n«8ohli»seu  und  anleaerlich. 

a)  Hohürmanu*!  8.  04.  Votk'I.  S.  60,  Anmerk.  1. 

»)  Htfhttrmaun«  141B,  Kröhner  787. 


Kleine  römiache  Villa  bei  Stabl  im  Kreise  Bitburg.  7 

Dem  Ucrrn  Regierungs-Baurath  Seyffarth,  dem  hier  wiederum 
die  sorgfältige  Aufnahme  vcrdaiikt  wird,  dem  Herrn  Peter  Wallen- 
born  juD.  in  Ditburg,  welcher  in  meiner  Abwesenheit  der  Mühe  der 
Leitung  der  Ausgrabung  sich  freundlich  unterzog,  sage  ich  im  Namen 
des  Vereins  gebührenden  Dank.  Auch  des  Eifers  des  Matthias 
Thomas,  Sohn  des  Besitzers  des  Villen-Terrains  sei  noch  freundlich 
gedacht.  £.  aus'm  Wecrth. 


2.  Römiscbe  Alterthümer  in  Heidelberg. 

Im  Frühjahre  des  vorigou  Jahres  wurden  in  Heidelberg  unerwartet 
eine  Ileihe  römischer  Alterthümer  aufgedeckt,  und  davon  im  vorigen 
Hefte  der  Jahrbilchcr  bereits  die  Meilensteine  tiutgetheilt.  Unser  aus- 
wärtiger Secretär  llcrr  Ilofrath  Trof.  Stark  in  Heidelberg  wird  über 
den  ganzen  Hergang  der  htaltgehabten  Ausgrabungen,  über  das  Toim)- 
graphiscbe  und  speciell  Archäologische  im  Zusammenhang  unter  Vor- 
lage eines  Situationsplanes  und  mit  beigegebenen  Abbildungen  berichten. 
Inzwischen  stehen  wir  nicht  an  weitere  Einzelraittheilungen  vorangehen 
zu  la.sscn,  indem  wir  ^^unächst  Starks  Bericht  über  zwei  römische 
Topferüfcn  und  Häusersouterrains  und  dann  C.  Christ's  Zu- 
aendangen  über  das  Inschriftliche  abdrucken. 

I. 

Zwei  römische  Töpferöfen  und  Häusersouterrains  bei 

Heidelberg. 

Bei  den  umfassenden  Erdarbeiten,  welche  im  Laufe  der  letzten 
Jahre  auf  den  dem  Neckar  benachbarten,  nun  von  den  grossartigen 
Bauten  des  akademischen  Krankenhauses  wie  der  Irrenanstalt  besetzten 
Ländereien  der  alten  Bergheiraer  Gemarkung,  jetzt  des  in  den  Stadt- 
bereich gezogenen  westlichen  Baiiviertels  vorgenommen  wurden,  sind 
wiederholt  römische  Fundstätten,  Gräber,  Brandstätten,  angebliche  Ab- 
zngskanäle,  auch  einzelne  Mauerzüge  durchschnitten  worden,  dabei 
römische  Geschirre  aller  Art,  Bronzegegenstände,  Fibeln,  Armschmuck, 
selten  Münzen,  gefunden.  Soweit  es  noch  möglich  war,  bei  den  man- 
gelhaften und  spät  erfolgenden  Kundgebungen  darüber,  ist  Wissenschaft- 


lömiscbe  Altorthämer  iu  Heidelberg. 

lieh  Notiz  genomineii  und  die  besten  der  schliesslich  abgelieferten 
Gegeustände  sind  in  die  archäologische  Sammlung  der  Universität  in 
eJDcr  besonderen  Abtheiluag  eingereiht  worden. 

Im  Dezember  (1870)  brach  bei  den  Erdabfuhren  auf  dem  für 
Gartenanlagen  bestimmten  Terrain  westlich  von  dem  Krankenhause, 
anmittelbar  neben  der  neu  augelegten,  senkrecht  auf  den  Neckar  zu- 
fuhrenden Thibautstrasse  das  Pferd  von  einem  Wagengespann  in  ein 
Loch,  in  eine  sich  öffnende  Höhlung  ein.  Die  tlberaus  nasse  Witterung 
verhinderte  die  Enäarbeiteii  an  jener  Stelle  länger  und  erst  jetzt  sind 
sie  iu  vollem  Umfang  in  Angiifi'  genommen,  das  Abtragen  der  oberen 
Erdschichte  um  mehrere  Fuss,  zumeist  für  Herstellung  breiter  Fahr- 
wege. Die  Chaussirung  der  Thibautstrasse  Hess  eine  ältere  Strassen- 
anlage  entschieden  altrömischen  Ursprunges  durchschneiden.  Weiter- 
hin hart  am  Neckar  war  eiuc  jetzt  bis  auf  das  neue  Strasscnuiveau 
abgetragene  Maueranlage  in  einem  nach  Norden  offenen  Viereck  bloss- 
gelegt;  unter  dem  dort  aufgehäuften  Baumaterial  liegen  römische 
grosse  Ziegel  herum ;  wir  sind  aber  über  den  ursprünglichen  Bestand 
bei  dem  Aufdecken  gänzlich  ununterrichtel  gebliobea. 

Durch  die  Freundlichkeit  des  jetzigen  Verwalten  des  akademischen 
Krankenhauses,  Revisor  Bau  in  er,  ward  dci- Unterzeichnete  am  7.  April 
von  jener  üefl'uung  in  ein  Gewölbe  und  dort  zu  Tage  kommenden 
Scherben  verständigt  und  es  ward  sofort  zur  Untersuchung  mit  Hülfe 
der  mit  Erdarbeiten  beschäftigten  Arbeiter  mit  Erlaubniss  der  bau- 
Icitendcn  Behörde  geschritten.  Das  archäologische  Institut  übernahm 
die  Kosten  der  Ausgrabung,  nachdem  der  Umfang  der  unter  der  Erde 
befindlichen  Gewölbanlagcn  ungefähr  festgestellt  war  und  da  keine 
andere  Kasse  dazu  die  Mittel  bot.  Am  9.  April  gelang  es  in  der 
That,  mit  energischer  Anstrengung  der  Arbeitskräfte  die  Ausgrabung 
einem  glücklichen  Abschlüsse  wesentlich  zuzuführen,  an  welcher  ein 
Icbliafteres  Interesse  der  zunächst  Betheiligten  sich  allmälig  kundgab. 
Die  ganze  bauliche  Anlage  Ist  in  einer  Tiefe  von  circa  zwei  Meter 
unter  dem  allgemeinen  Bodeuriiveau  blossgelegt,  ringsum  zugänglich 
gemacht  und  nach  Südwesten  hin,  soweit  das  dem  Krankenhaus  ge- 
hörige Terrain  reicht,  der  von  Gefässscherben  erfüllte,  nicht  gewachsene, 
sondern  aufgeschüttete  Boden  entfernt  worden.  Sofort  sind  zwei  pho- 
tographische Aufnahmen  der  Lokalität  gemacht  und  genaue  Maasse 
genommen  worden. 

Die  Form  der  Anlage  ist  die  eines  abgestumpften  Kegels 
mit  einem  nach  Südwest  in  convergirenden  Linien  von  dem  Kreisbau 


Bömische  ÄJlerthiimer  in  Heidelberg. 


aus  fortgesetzten,  schrnul  zulaufenden  kleineren  Vorbau.  Die  ganze 
Länge  beträgt  2,90  m.;  der  Kreisduiclimesser  1,79  m.;  die  erhaltene 
Höhe  durchschnittlich  0,70  in.,  ohne  die  einzelnen,  höher  anstehenden, 
aufgestellten  Mauertheilc;  die  äussere  Mauerdicke  0,25  m.,  die  Gewölb- 
dicke durchschnittlich  0,28  m.  Das  Material  besteht  wesentlich  aus 
einem  künstlichen,  tuffsteinartigen,  grauweissen  Material,  an  der  Luft 
gelrockneten  Thousteinen  und  einem  ganz  brenn endruthen  bröckeligen 
Backsteinniantel.  Das  Inneic  ist  mit  Cenieut  überkleidet,  eine  starke 
Ccmentschicht  bildet  den  Boden,  wie  die  Oberfläche  der  Decke.  -  Die- 
selbe ist  durch  die  jahrhuudcrtlange  Feuchtigkeit  nach  der  Gluth  wie 
durchsintert.  Hin  von  ßacksteinen  gewölbter  Bogen  fühi-t  von  Südwest 
in  jenen  kleinen  VotTaum,  dessen  Gewölbe  eingebrochen  ist.  Man 
stösst  sofort  in  der  Mitte  auf  einen  Stirnpfeiler,  an  den  sich  eine,  den 
Kreisbau  in"  zwei  Hälften  thetlcndc  Scheidemauer  ansdiliesst.  So  wer- 
den zwei  Feuerstätten  gebildet,  die  in  interessanter  Weise  gewölbt  sind 
durch  je  sieben  Gewölbrippen,  welche  an  die  Mittelmauer  wie  an  die 
Aussenmaner  sich  anlegen,  zwischen  denen  tiefe  Rillen  mit  regelmässig 
angelegten  runden  Löchern  angebracht  sind.  So  ist  der  obere  Kreis- 
boden regelmässig  durchlöchert,  untl  zwar  auf  jeder  Hälite  in  vier 
Reiben  von  je  7,  6,  5,  4  Löchern.  Ein  bestimmter  Kanal  zum  Abzug 
des  Rauches  hat  sich  nicht  gefunden,  ebensowenig  licssen  sich  senkrecht 
aufsteigende  öder  horizontale  Röhren  vom  Feuerraum  aus  nachweisen. 

Die,  also  siebartig  durchlöcherte,  stark  cementirte  obere  Kreis- 
tiäche  war  umgeben  von  Chamottsteinen,  die,  auf  die  schmale  Kante 
gesetzt,  sich  kegelartig  oder  gewölbartig  zusammenschlössen;  auf  der 
Nordostseitc  sind  sie  am  besten  erhalten.  In  der  Mitte  ist  dann  die 
Abzugsöffnung  für  Rauch  und  Dampf  anzunehmen,  und  dies  ist  also 
der  Raum,  wo  die  zu  brennenden  Gefässe  aufgestellt  waren,  der  eigent- 
liche Brennraura.  An  der  Ostseite  ist  um  jenen  Steinrand  noch  eine 
Lücke  zu  bemerken,  wohl  die  Oeffnung  zum  Einführen  der  Gefässe. 

Auf  diesem  oberen  Boden  fanden  sich  grosse  Gefiissschcrbcn,  eine 
Anzahl  auch  unter  den  zwei  Gewölben,  dabei  einzelne  uniegelmässig 
gebogen,  durch  die  Glühhitze  eingerissen  und  wie  verplatzte  Stein- 
platten, welche  wohl  dazu  dienten,  kleiuere  Gefässe  gegen  die  jähe 
Hitze  zu  schützen,  natürlich  viel  herabgefallene  Ccmcntmasse. 

Wie  wir  bereits  erwähnten,  zieht  nach  Nordost  sich  der  künstlich 
aufgeschöttete  Boden  hin ;  man  kann  noch  genau  die  Abstufung  der  ge- 
wachsenen auf  den  übrigen  Seiten  den  Ofen  bis  zur  Höhe  jener  Rost- 
fläche zum  Brennen  umgebenden  Erde  verfolgen.    Hier  war  der  breite 


10 


Römische  Altertbümer  in  Heidelberg. 


Zugang,  hier  finden  sich  rohe  Scherbeninassen,  ferner,  was  wichtig  ist, 
Klumpen  des  plastischen  Thoncs,  hier  auch  an  einer  Stelle  llolzkohle, 
hier  finden  sich  auch  Thierkiiüchcn.  Hier  würden  weitere  Ausgrabungen 
auf  dem  städtischen  Terrain  wahrscheinlich  uns  die  Töpferawerkstitle 
mit  ihren  Formen  selbst  neben  dein  Ofen  zu  Tage  fördern. 

Unter  den  uiassenhaftcn  Gefässscherben  begegnen  wir  all  denselben 
Formen,  demselben  verschiedenen  Material,  Farbe,  derselben  Glie- 
derung, wie  denselben,  freilich  nur  sparsam  vorhandenen  Zierrathen, 
die  in  jener  Gegend  bei  früheren  Funden  zu  Tage  traten.  Voran 
treten  die  Thoile  grosser  Amphoren  in  blassgclblichem  Thon  mit  zwei 
und  einem  kurzen,  zwei-,  drei-,  viermal  geriefelten  Henkel,  mit  trichter- 
förniigen  Mundstücken  oder  auch  nur  mit  Randwulst.  Die  Oeffnnng 
beträgt  im  Lichten  mehrfach  u,  12  ni.,  die  Dicke  der  Gcfässwand  ist  über 
0,01  ni.,  dann  folgen  die  bekannten  sogenannten  Aschenkrüge,  bauchig, 
dünn,  mit  engstem  Hülse,  von  inattgelber  oder  weisser  Färbung.  Sehr 
gross  ist  die  Zahl  der  nJedern  bauchigen  Gefdsse  mit  weiter  üeffnung, 
mannigfacher  Umrandung  theils  von  starkem  grauem,  grobem  Material, 
theils  von  sehr  dünnem  hellgeblichcm  Thon,  vielfach  rostroth  gefärbt. 
Töpfcrschalen  von  braun rothor  Färbung  mit  P'irniss  oder  silbergrau 
und  schwärzlich  schliessen  sich  daran  an.  Endlich  fehlt  es  an  ganz 
flachen,  rund  gedrehten  Platten  nicht.  Von  den  feineren  Töpferwaaren 
der  Terra  sigillata  mit  dem  fein  glänzenden  tiefen  Roth  und  der  glän- 
zend schwarzen  Färbung  fanden  sich  im  Verlauf  der  Ausgrabungen 
zwar  nicht  sehr  viele,  aber  doch  hinreichende  Bnicbstücke,  zeugend 
auch  für  die  verschiedenen  Gefässformen :  Schalen,  Tassen,  Becher, 
Teller,  bis  jetzt  aber  noch  ohne  Stempel,  die  häufig  sonst  eingedrückt 
sind.  Ein  schönes  Beispiel  einer  Reliefoniamentirung  mit  abgetheilten 
Feldern  und  Tbierjagd  ward  niuthwilüg  durch  einen  Knaben  nach  dem 
Funde  zersplittert.  Merkwürdig  ist  eine  kleine  zweizinkige  Gabel  von 
Thon,  die  dabei  gefunden  ward,  also  eine  Zange  zum  Festhalten  eines 
Gefässes. 

Von  Metall  ist  fast  nichts  gefunden,  nur  ein  eiserner,  durch  Hitze 
und  Feuchtigkeit  sehr  verrosteter  Nagel,  kleine  Bronzeplättchen  uud 
ein  kleiner  Ring. 

Ganz  in  der  Nähe  des  Ortes  war  in  diesem  Winter  eine  Bronze- 
münze gefunden,  was  wir  durch  einen  Arbeiter  zufallig  erfuhren,  mit 
bekränztem  Kaiserkopf  und  einer  ganz  undeutlichen,  stehenden  Figur 
auf  dem  Revers,  sehr  in  seiner  Oberfläche  durch  Oxydation  angefressen. 
Die  Münze  ist  uns  jetzt  übergeben  worden.    Der  Kopf  zeigt  sich   un- 


KömiBohe  Allertbümer  in  Heidelberg. 


II 


bärtig  und  sein  Profil  entspricht  am  meisten  dem  des  Doiuitian.  Auch 
von  der  Umschrift  sind  nur  wenig  Duchütaben  lesbar;  deutlich:  ...MIT 
und  weiter  COSXII.  Herr  Prof.  Zangenmeister  stellt  sie  sehr 
wahrscheinlich  der  Mittelbrüuze  bei  Cohen  Med.  Rom.  I.  p.  -133  u.  380 
gleich.    Sie  gehört  dem  Jahre  87  n.  Chr.  an. 

Das  Interesse,  welches  sich  an  diese  Ausgrabung  knüpft,  ist  ein 
doppeltes,  ein  allgemein  antiquarisches  und  ein  lokal-archäo- 
logisches. Wir  erhalten  hier  ein  sehr  anschauliches,  selten  gut  er- 
haltenes Beispiel  einer  einfacheren  Art  römischer  Topferöfen,  wie  solche 
drüben  in  Rheiuzabern,  hier  freilich  durth  vielfache  moderne  FäLschun- 
gcn  verdächtig,  dann  am  Oberrhein  zu  Heiligenberg,  zu  Ittersweiler, 
ferner  zu  Westerndorf  in  Obeibayern,  weiter  am  Wienerwald,  ebenso  in 
Chatelet  in  der  Auvergne  und  in  Northainptoushirc  in  England  nach- 
gewiesen sind  (vergl.RichDictionnaire  des  nntiquites  Rom.  s.v.  fornax, 
Brongniart  Traite  des  arts  cevamiques  I.  p.  424  fl'.,  voii  Ilefner  in 
Oberbayer.  Archiv  Bd.  XXII,  Birch  History  of  aucient  pottery  U.  p. 
303 ff.).  Hr.  Dr.  Franz  Keller,  Rektor  der  künigl.  Gewerbeschule  in 
Speier,  hat  im  letzten  Jahre  seine  interessanten  Studien  über  die  rothe 
rumische  Töpferwaare  mit  besonderer  Rücksicht  auf  ihre  Glasur  (Hei- 
delberg, K.  Groos  1876)  veröffentlicht  und  dabei  die  also  hier  nachge- 
wiesene Einrichtung  und  andere  komplizirtere,  mit  Doppelräudern  und 
aufrechtstehenden  Röhren  gut  uulerschieden. 

Das  lokale  Interesse  wird  aber  jetzt  durch  den  Nachweis  geweckt, 
dass  wir  nicht  blos  am  rechten  Neckarufer  bei  Neuenheim  eine  römi- 
sche militärische  Niederlassung,  auch  so  wichtig  durch  seine  religiösen 
Anlagen  wie  das  treffliche  in  Karlsruhe  jetzt  befindliche  Mithräum  nun 
kennen,  dass  vielmehr  auch  am  linken  Ufer,  an  der  Stätte  des  ver- 
schwundenen Bergheim,  sich  neben  Grübern  technische  Anlagen  fanden, 
zu  welchen  das  Thouniatcrial  mehrere  Stunden  weit,  von  der  Gegend 
von  Wiesloch  wohl,  herbeigeschafft  wurde.  Wir  erfahren  jetzt  zufällig, 
dASS  zwei  ganz  ähnliche  bauliche  Anlagen  —  nur  viel  schlechter  er- 
halten —  bei  der  Fundamentirung  des  Irrenhauses  längst  zu  Tage  ge- 
treten waren,  aber  nicht  weiter  untersucht  worden  sind. 

In  den  vorstehenden  in  den  Beilagen  Nr.  91,  92  (18.  19.  April) 
der  Karlsruher  Zeitung  zuerst  abgedruckten  Berichten  über  die  Auf- 
findung eines  römischen  Töpferofens  bei  Heidelberg  war  darauf  hinge- 
wiesen worden,  dass  man  mit  Sicherheit  südöstlich  von  jener  Fund- 
stätte bei  Entfernung  der  von  antiken  Bruchstücken  erfüllton  Erdmasson 
auf  weitere  analoge  römische  .Anlagen  stosseu  werde.    Diese  Annahme 


12  Römuche  Alterthümer  in  Ueidelberg. 

hat  sich  in  erfreulichster  Weise  bestätigt,  ja  ist  noch  im  weiteren 
Verlaufe  übertroffen  worden  durch  die  Funde  selbst.  Der  Sfadtrath 
von  Heidelberg,  in  dessen  Geschäftsbereich  das  angrenzende  Territo- 
rium, als  zur  neu  angelegten  Thibautstrasse  gehörig,  fällt,  hat  in 
rascher  und  richtiger  ErAissung*  der  Bedeutung  des  gemachten  Fundes, 
in  umsichtigem  und  wohlwollendem  Entgegenkommen  gegen  wissen- 
schaftliche Interessen  sofort  die  energische  Verfolgung  von  Ausgra- 
bungen auf  diesem  relativ  schmalen  Streifen  des  Bodens  angeordnet. 
Unter  der  Leitung  des  Stadtbaumeisters  Schaber  werden  die  Erd- 
arbeiten sorgfältig  überwacht,  am  Abend  auch  Wachen  aufgestellt,  die 
iuteressanten  Funde  abgeliefert,  die  Aufnahmen  sofort  gemacht  und  es 
ist  die  Absicht  der  archäologischen  Sammlung  der  Universität  freund- 
lichst Alles  schliesslich  zu  überlassen.  Es  gebuhlt  der  Stadtbehörde 
der  aufrichtigste  Dank  von  Seiten  des  gebildeten  Publikums,  dass  Gross 
und  Klein  sich  lebhaft  für  diese  Ausgrabungen  interessirt,  sowie  von 
Seiten  der  archäologischen  Wissenschaft. 

Am  20.  April  verweilte  im  Auftrag  der  Grossh.  Regierung  der 
Konservator  der  badischen  Alterthümer,  Geh.  Hofrath  Wag- 
ner, hier  und  nahm  genaue  Einsicht  von  dem  bis  dahin  Gefundenen, 
sowie  eingehendste  Rücksprache  mit  den  dabei  betheiligten  Behörden 
und  Sachverständigen.  Eine  besondere  kleine  Geldbewilligung  ist  für 
die  Förderung  der  Angelegenheit  inzwischen  bereits  vom  Grossh.  Mi- 
nisterium des  Innern  gemacht  worden  und  umfassende  Anordnungen 
im  Interesse  der  Funde  sind  getroffen  worden.  Auch  von  Mannheim 
und  Speier  hat  man  diese  merkwürdige  Stätte  mehrfach  in  Augen- 
schein genommen.  So  steht  zu  hoffen,  dass  unter  thätigcm  Hitwirken 
der  verschiedenen  Faktoren  die  jetzt  so  günstig  wie  in  Jahrhunderten 
nicht  gebotene  Gelegenheit,  das  brachliegende  Terrain  in  dieser  Ge- 
gend wissenschaftlich  zu  durchsuchen,  auch  benutzt  werde  und  ihre 
reichen  Früchte  bringe. 

Nur  wenige  Schritte  südwestlich  von  dem  jetzt  in  Trümmern  lie- 
genden ersten  Töpfer  ofen  ward  ein  zweiter  aufgedeckt,  im  Wesent- 
lichen von  ganz  gleicher  Einrichtung,  gleichem  Material,  etwas  kleiner 
in  den  Verhältnissen,  aber  im  oberen  Theile  noch  besser  erhalten.  Die 
Gesammtlänge  beträgt  2,8  M.,  der  Querdurchschnitt  1,60  M.,  die  Höhe 
des  Rostes  über  der  Basis  0,7  M.,  der  obere,  den  Brennraum  um- 
gebende Mauermantel  erhebt  sich  bis  0,65  M.  und  erweitert  sich  sicht- 
lich noch  etwas  nach  oben  zu,  um  dann  natürlich  wieder  im  steilen 
Kegel  zu  schliessen.    Die  Gesammtlage  des  Ofens  ist  von  Osten  nach 


RöoiiATfae  Altertbümer  in  Heidolborg. 


18 


Westen  und  bildet  derselbe  einen  stumpfen  Winkel  mit  dem  ersteren. 
Die  Eingänge  zur  Feuerstätte  liegen  sich  möglichst  nahe,  nur  ist  der 
Eingangsbogen  bei  dem  neuen  Ofen  ein  steiler  Spitzbogen,  dort  war 
er  fast  hufeisenförmig  gerundet,  seine  Masse  sind  0.40  M. :  0,00  M. 
Die  innere  Theilung  in  der  Läogenaxe  durch  eine  Mauer,  die  Art  der 
Wölbung  sind  gleich,  die  Zahl  der  Ocffnungen  im  Rost  ist  kleiner,  die 
auf  beiden  Seiten  wesentlich  in  drei  Reihen,  jedoch  nicht  in  strenger 
Regelmässigkeit  geordnet  sind;  es  zieht  sich  die  letzte  Löcherreihe 
haxt  am  Rande  hin.  Dieser  Ofen  ist  jetzt  uitifricdigt  und  mit  einem 
vorläufigen  Schutzdache  versehen.  Eine  Versetzung  in  Sammlungs- 
räume ist  vielfach  besprocheu,  doch  kaum  thunlich.  Auch  von  diesem 
sind  Photographien  verkäuflich.  Soeben  ist  unter  Theilnahme  der 
Grossh.  Regierung  an  den  Herstellungskosten  ein  Schirmdach  be* 
schlössen  worden. 

Die  Erwartung,  dass  auch  nach  Süden  hin  ein  dritter  Töpferofen 
sich  finden  werde,  der  vom  gleichen  Mittelpunkt  aus  besorgt  wurde, 
hat  sich  im  weiteren  Verlauf  der  Ausgrabungen  nicht  erfüllt.  Inzwi- 
schen sind  aber  in  nächster  Nähe  zwei  anders  geartete  Baulichkeiten 
aufgedeckt  worden,  die  unter  sich  die  grösste  Aehnlichkeit  haben, 
offenbar  zwei  Souterrains  römischer  Häuser,  deren  steinerner 
Oberbau  hinein  und  zusammengestürzt  ist.  Die  eine  liegt  etwa  5  Meter 
rein  westlich  vom  zweiten  Ofen,  die  andere  ein  paar  Meter  nördlich. 
Kaum  ein  Meter  unter  der  jetzigen  Erdoberfläche  tritt  uns  jetzt  nach 
der  gänzlichen  Ausräumung  ein  viereckiger  ummauerter,  aber  in  der 
Erde  steckender  Raum  entgegen  mit  längerem  engerem  Zugang  von 
Norden  heraus,  welcher  noch  deutlich  in  einer  Erweiterung  unmittelbar 
beim  Eintritt  den  Platz  für  die  einst  eingefügten  Thürgewnnde  be- 
zeichnet. Der  Raum  ist  nicht  ganz  rechteckig  und  quadratisch,  in  der 
Grösse  von  2,78  M.  :  3,3.  M.;  die  erhaltene  Mauerhöhe  beträgt  1,68  M. 
Auf  der  Westseite  befindet  sich  eine  breite,  schräg  nach  aussen  an- 
laufende, sich  erweiternde  Lichtciffnung,  auf  der  Nordscite  in  gleicher 
Höhe  zwei  zum  Theil  noch  überwölbte  kleine  Nischen  (loculi),  um 
Dinge  darin  abzustellen,  nach  Osten  hin  eine  ähnliche  kleinere,  aber 
rechteckige  flache  Nische,  Je  mehr  man  sich  mit  der  Technik  des 
trefflich  erhaltenen  Mauerwerkes  bekannt  macht,  um  so  mehr  über- 
rascht Einen  die  Sorgfalt  und  Zierlichkeit  der  Konstruktion.  Sie  be- 
steht aus  13  regelmässigen  Schichten  von  kleinen,  unseren  Backsteinen 
an  Grösse  etwa  gleichen  Bruchsteinen  (rother  und  heller  Sandstein), 
die  mit  Cement  trefflich  verbunden  sind  und  einen  durchgängigen  fei- 


14  Römisohe  Alterthfimer  in  Heidelberg. 

neu  GementTerputz  hatten,  welcher  in  künstlicher  Weise  durch  Ein- 
ritzung  quadrirt  ist;  alle  diese  künstlichen  Fugen  waren  mit  dem 
ücfen,  wohlbekannten  antiken  Roth  gefärbt.  Schon  diese  feine  Technik, 
wie  die  Sauberkeit  der  ganzen  Architektur  bei  so  kleinen,  bescheidenen 
Verhältnissen  ist  gegen  die  Annahme  etwa  eines  Bauemhansplatzcs 
aus  dem  Mittelalter  entscheidend,  abgesehen  von  der  Masse  antiker 
Scherben  im  Innern.  In  der  Mitte  dieses  Raumes  sti«is  man  auf  eine 
grosse  runde  Sandsteinplatte  von  1  M.  Durchmesser  mit  ganz  engem 
rundem  Loch  in  der  Mitte;  als  sie  abgehoben  wurde,  öffnete  sich  ein 
cylindrischer,  nach  oben  sich  mehr  verjüngender  Raum,  rings  um- 
mauert, aber  nicht  cementirt,  der  etwa  2  M.  tief  ausgeräumt  ist.  An- 
tike Scherben  und  Thierknochen,  besonders  von  Schafen,  Zi^en,  aber 
auch  Wildschweinen  fanden  sich  darin.  Man  kam  auf  Kiesboden,  auf 
dem  auch  die  Mauern  aufstehen.  Der  Gedanke  an  einen  Brunnen  oder 
eine  Zisterne  musste  bei  dieser  Beschaffenheit  bald  aufg^eben  werden, 
ebensowenig  hat  es  einen  Sinn,  eine  Senkgrube  mit  verwesenden 
Stoffen  in  der  Mitte  des  Hauses  anzunehmen.  Immer  wieder  wird  man 
zu  der  Annahme  gedrängt,  hier  unter  diesem  schweren  deckenden 
Stein  einen  Vorrathsraum  für  Gegenstände,  die  länger  aufgehoben 
werden,  zu  denken,  im  römischen  Sinn  an  eine  cella  vinaria,  condi- 
torium,  thesaurus,  deien  uns  einzelne  mit  einem  grossen  Steine  zu- 
gedeckt (sazum  ingens  quo  operitur  Liv.  39,  50)  ausdrücklich  be- 
zeugt werden. 

Der  Süden  zeigt  sehr  viele  solcher  Räume,  oft  in  den  lebendigen 
Felsen  eingehauen,  oder  ausgemauert  oder  eingesenkt,  aus  riesengrossen 
Thongefässen  bestehend.  Einer  anderen  Vermuthung,  die  uns  ausge- 
sprochen wurde,  es  sei  eine  Vorrichtung,  um  den  Stecken  fttr  die 
Töpferschdbe  möglichst  fest  zu  stellen,  ist  gerade  von  erfahrenen 
Töpfom  widersprochen  worden. 

Das  zweite  aufgedeckte  Souterrain  ist  noch  um  einen  halben 
Meter  länger,  auch  etwas  tiefer  als  das  erste,  hat  fünf  solcher  ge- 
wölbten Mauernischen,  von  denen  der  gewölbte  Bogen  der  einen  noch 
ganz  erhalten  ist  Der  Eingang  ist  hier  ebenfalls  ganz  von  Norden, 
die  Lichtöffnung  liegt  dagegen  nach  Süden,  die  Nischen  je  zwei  auf 
der  Ost-  und  Westseite  und  eine  auf  der  Nordseite  neben  dem  Ein- 
gang. Ein  solcher  tiefer  Rundraum  in  Mitten  hat  sich  hier  nicht  ge- 
funden, trotz  tieferer  Nachsuchungen.  Vollkommen  übereinstimmend 
ist  hier  die  Masse  der  den  Raum  füllenden  Mauersteine  und  römischen 
Ziegel  des  Oberbaues;  Reste  verkohlten  Holzes  sind  hier  wie  bei  dem 


Römiscbe  Altorthümer  in  Heidelberg.  16 

andern  gefunden.  Besonderes  Interesse  erweckt  aber  eine  grosse  Thon» 
platte,  zum  Fussboden  gehörig,  in  Rauten  durch  Vertiefungen  gerieselt 
mit  Resten  der  blaugrauen  und  rothgelben  Färbung.  Zu  einem  mo- 
saikartigen Fußboden  (opus  alexandrinum)  müssen  wir  noch  zwei  Rund- 
steine, auf  der  Rückseite  mit  Cementmasse  verbunden,  rechnen,  deren 
Oberfläche  radformig  mit  zwölf  Strahlen  gegliedert  ist,  auch  hier  wech- 
selt die  Bemalung,  und  zwar  zwischen  Roth  und  Gelb. 

Soeben  i^t  nördlich,  aber  unmittelbar  neben  jener  schräg  durch 
das  Terrain  streichenden,  in  konvexer  Profilirting  mit  dem  Steinpflaster 
und  Eiesschicht  etwa  25  F.  breit  gebildeten  römischen  Strasse,  welche 
in  ziemlicher  Breite  hier  abgetragen  wird,  eine  weitere  viereckige,  noch 
grössere  Hausstätte  gefunden,  die  in  den  nächsten  Tagen  der  Aus- 
grabung harrt. 

Deutlich  verfolgt  man  weithin  an  dem  Rande  der  tieferen  neuen 
Strassenanlage  die  Grenze  der  römischen  Bauten  in  den  Erdmassen, 
einzelne  Aschenmassen,  dann  Scherbenmassen  treten  dabei  immer  neu 
zu  Tage,  ja  in 'neuester  Zeit  ein  starker  Cementguss-Boden  auf 
kleineren  Sandstein-Massen  als  Unterlage. 

Unter  der  Masse  der  zu  Tage  getretenen  Thonfabrikate  nehmen 
vor  Allem  diejenigen  ein  Interesse  in  Anspruch,  welche  zugleich  durch 
Inschriften  uns  antike  Persönlichkeiten  des  Fabrikanten  oder  des  Be- 
sitzers oder  der  leitenden  Autorität  vergegenwärtigen.  Es  ist  eine  be- 
merkenswerthe  Thatsache,  dass  noch  kein  einziger  Ziegel  mit  Legions- 
stempel zu  Tage  getreten  ist,  wie  solche  jenseit  des  Neckar  in  Neuen- 
hdm  massenweise  sich  zeigen.  Unter  den  Gefässinschriften  unterscheiden 
sich  die  zierlichen,  festgeformten  Stempelinschriften  und  jene  Inschriften 
ans  freier,  oft  recht  ungeschickter  Hand  quer  über  dem  Bauch  grosser  Ge- 
fässe  angebracht,  eingeritzt,  jene  gehören  durchaus  den  feinen  Gefässen  des 
glänzenden  rothen  Thones,  diese  grauweissen,  sehr  starken  (0,3—0,5  M. 
dicken),  nngefimissten  grossen  Bauchgefässen  für  Wein,  Wasser  u.  dgl. 
So  lernen  wir  einen  MEBBICVS  zweimal  kennen  i),  so  einen  ALIBLETVS 
(ob  Alibiccus?),  so  einen  PLACIDVS,  endlich  trägt  eine  trefflich  geformte, 
im  Feuer  gebräunte,  in  zwei  Theile  gesprungen^  grosse  flache  Schale 
die  Inschrift  lANVARIVS  F  (Januarius  fecit).  Natürlich  haben  diese 
Fabrikanten  nicht  überwiegend  hier  gewohnt,  sondern  es  befanden  sich 


1)  Zu  Mcddlons  (BB)  s.  Bocker,  Inschr.-IJeberrcBte  der  keltischen  Sprache 
in  Beiträge  von  Kahn  u.  Schleicher  III,  2  ff.  Berlin  1868,  in  diesen  Jahrbüchern 
LIV,  S.  812. 


16  Römisohe  Alterthamer  in  Heidelbwg. 

in  und  bei  der  Töpferei  auch  Geschirre  anderer  Fabrikanten,  dieselben 
Namen  kommen  oft  weithin  vor  am  Rhein.  Von  der  andern  Gattung 
der  Inschriften  besitzen  wir  jetzt  eine  ziemlich  umfangreiche  und  zwei 
Fragmente;  jene  befindet  sich  auf  einem  Bruchstack  eines  weiten  be- 
trächtlich grossen  breit  gedrückten  Gefässes  aus  mattgeblich  grauen 
gebrannten  Thonc  von  0,02  m.  Dicke;  die  Buchstaben  sind  0,03—0,05  m. 
hoch.    Erhalten  ist  folgendes: 

aCENVI 
VBRNAICI 

Die  Ergänzung  des  ersten  Namens  zu  Ingenui  hat  nicht  die  ge- 
ringste Schwierigkeit,  um  so  mehr  die  des  zweiten  Namens.  Meine 
Herrn  (Kollegen  Prof.  Zangenmeister  und  Wachsmuth,  welche 
überhaupt  far  die  ganzen  Ausgrabungen  sich  lebhaftest  interessirten 
und  bemühten,  lesen  Gubematoris;  ich  kann  mich  nicht  damit  einver- 
standen erklären,  da  der  obere  Querstrich  zum  T  mir  nicht  erkennbar 
ist,  man  wird  an  ein  ubciifaici  vielleicht  (g)uben]ai  ofCficina)  gewiesen. 
Indem  ich  auf  ein  näheres  Eingehen  auf  alle  Möglichkeiten  des  Namens, 
um  die  sich  auch  Herr  C.  Christ  eifrigst  bemüht  hat,  dessen  Thätig- 
keit  in  dieser  ganzen  Angelegenheit  dankbar  zu  gedenken  ich  gern  die 
Gelegenheit  ergreife,  und  auf  die  Beantwortung  der  weitem  Frage  ver- 
zichte, ob  hier  der  Verfertiger  oder  der  Besitzer,  wie  dies  Zangen- 
meister aus  dem  Beispiel  bei  Bruzza,  Inscript.  Vercell.  p.  192  wo 
solche  Grafitinschrift  neben  dem  Stempel  erscheint,  sehr  wahrscheinlich 
macht,  zu  verstehen  sei,  bemerke  nur,  dass  andere  solche  Grafiti  im 
Verlaufe  der  weiteren  Ausgrabungen  zu  Tage  traten,  wovon  in  einem 
spätem  Bericht  zu  handeln  ist.  Das  zweite  erhaltene  Fragment  eines 
bauchigen  Gefässes  mit  Hcnkelansatz  und  Halstheil,  das  aber  etwas 
anders  röthlicher  gefärbt  ist,  im  Bruch  dunkeler  und  eine  Dicke  von 
0,025  hat,  zeigt  den  Buchstaben  M  also  M.  Ein  drittes  Fragment  in 
Dreieckform  mit  besonders  tief  eingeschnittenen  Buchstaben  hat  Vi, 
möglicherweise  das  Ende  auch  von  Ingenui. 

Zu  diesen  schriftlichen  Zeugnissen  auf  Thon  kommen  nun  auch 
mehr  und  mehr  einzelne  Münzfunde  hinzu.  Neben  dem  zweiten  Ofen 
ward  eine  trefflich  erhaltene  Bronzemünze  des  Kaisers  Hadrian 
(Mittelgrösse)  gefunden,  mit  der  Umschrift  IIADRIANVS  AVG  und 
auf  dem  Revers  COS  III  sowie  S.  C.  Eine  Salus  (Göttin  des  Heils) 
sitzt  auf  einem  Thron  und  reicht  die  Schale  der  von  einem  run- 
den Altar  sich  erhebenden  Schlange.   Die  Münze,  in  die  Jahre  zwischen 


Römisol^e  Alterth&mer  in  Heidelberg.  17 

120—127  n.  Chr.  fallend,  entspricht  ganz  der  von  CJohen  in  seinem 
grossen  Münzwerk  der  Münzen  der  Kaiserzeit  II.  p.  191  n.  731  be- 
schriebenen. Gleichzeitig  wurden  mir  auch  die  bereits  früher  von  der 
Stadt- Baubehörde  gefundenen  und  aufbewahrten  Münzen  mitgetheilt, 
die  bei  den  römischen  Hausfluren  gnnz  in  der  Nähe  am  Neckar  ge- 
funden wurden;  zwei  sind  römisch,  eine  ist  eine  frühmittelalterliche 
Silberbracteate.  Unter  jenen  ist  eine  Bronzemünze  des  Trajan  aus 
seinem  vierten  Konsalat  mit  einer  ein  Votivschild  vor  sich  haltenden 
Viktoria  leicht  bestimmbar,  jedoch  ist  aus  dem  zweiten  Konsulat  und 
der  Designation  zum  dritten  des  Kaisers  bisher  nur  eine  mit  solcher 
Darstellung  bekannt  (Cohen  Medailles  imperial  II.  p.  53  n.  325).  So 
eben  wurden  zwei  weitere  Münzen  des  Trajan  gefunden,  von  denen  die 
eine  dieselbe  Dai*stellung  mit  dem  dritten  Konsulat  aufweist,  die  andere 
in  ihrem  Revers  ganz  unkennbar  ist.  So  reihen  sich  in  glücklichster 
Weise  die  Zeiten  der  drei  bezeugten  Kaiser  Domitian,  Trajan,  Hadrian 
eng  an  einander  (81—138  nach  Chr.). 

Waren  bei  unserem  ersten  Berichte  Metallsachen  kaum  zu  ver- 
zeichnen, so  ist  dies  jetzt  reichlicher  möglich.  Wir  haben  jetzt  Gefässrän- 
der,  Instrumente,  kurze,  dolchartige  Schwerter,  ein  kleines  Gefass,  grosse 
Nägel,  einen  römischen  grossen  Schlüssel.  Früher  hat  man  bei  dem  nahen 
Strassenbau  am  Neckar  in  einer  Haasstätte  eines  jener  merkwürdigen 
rhombischen  Eisen  stücke,  4,6  Kilogramm  schwer,  gefunden,  zu 
welchen  bereits  in  früheren  Jahren  ein  Gegenstück,  welches  auf  dem 
weiteren  Gebiete  dieser  Römerstätte  sich  fand,  nachzuweisen  ist^). 
Ivlumpen  verglaster  Schlacke  mit  Kupfertheilcn  traten  in  letzter  Zeit 
zu  Tage.  Von  Gläsern  sind  kleine  Fragmente,  besonders  auch  mit 
bunten,  eingeschmolzenen  Glasfäden  gefunden  worden. 

Vergessen  wir  endlich  auch  nicht  des  interessanten  Fundes  in 
jenem  Haussoutervain,  eines  Gefäses  mit  verkohlten  Erbsen,   welche 


1)  Solche  rhomboidale  Eisenstücke  sind  in  neuster  Zeit  erst  eingehender 
ge^vQrdigt  worden,  besonders  vonFerd.  Keller  im  Anzeiger  f.  Schweizer  Gesch. 
und  Alterthumskunde  1858.  S.  88  ff ,  dann  von  H.  Genthe,  lieber  den  etnisk. 
Tanschhandel  nach  dem  Norden  S.  80,  zuletzt  von  Dr.  Lndw.  Beck,  Beiträge 
Eur  Geschichte  der  Eisenindustrie,  Annalen  nassauisoh.  Alterthumskunde.  XIV,  2. 
Wiesbaden  1677,  S.  817—830.  Taf.  VI,  1  ff.  wo  lang  gezogene  rhombische  Formen, 
(Yogelform)  abgebildet  sind.  Sie  bestehen  aus  gutem  Schmiedeeisen,  wurden 
meist  in  grösserer  Zahl  zusammen  gefunden  und  haben  meist  12  Pfund  =  6 
Kilogpramm  Gewicht,  schwanken  aber  zwischen  10  und  15  Pfund.  Vgl.  Jahrb.  LIX, 
S.  183. 

2 


18  Römiache  Alterthümer  in  Heidelberg. 

die  Untersuchung  des  Hrn.  Prof.  Pfitzer  als  Kichererbse,  diese  acht 
römische  Hülsenfrucht,  erwiesen  hat. 

.So  belebt  sich  immer  mehr  das  todte  Gestein,  der  yergcssene 
Schutt  vergangener  Jahrhunderte  und  es  steigt  ein  römisches  Kultur- 
leben, eine  Stätte  friedlichen  Gewerbefleisses  neben  der  römischen  Mi- 
litärstation am  militärisch  wichtigen  Eingang  der  engen  Gebii^schlucht 
des  Neckarthaies  in  den  verschiedenartigen  Thätigkeiten  aus  dem  2. 
Jahrhundert  nach  Chr.  vor  unserem  geistigen  Auge  empor.  Neue  Funde 
kündigen  sich  uns  soeben  an,  die  weiter  locken.  Immer  mehr  gewinnt 
das  einzelne  Interesse  unter  dem  bereits  Gewonnenen  und  die  Hoffnung 
wächst  immer  neu,  über  das  Ganze  der  Anlage  Licht  verbreitet  zu  sehen  *)• 
Heidelberg,  Mai  1877.    Neu  durchgesehen  Anfang  1878. 

Stark. 

n. 

Inschriften. 

Bei  Anlage  der  „Thibautstrasse"  des  neuen  Weges  zwischen  den 
Neubauten  des  akademischen  Krankenhauses  und  der  Irrenanstalt  fand 
man  ausser  den  vorbeschriebenen  Töpfer-Oefen  auch  die  Ueberreste 
mehrerer  kleiner  Wohngebäude  aus  rothem  Sandstein,  welche,  wie 
die  gcsammte  Fundstätte  zu  jener  römischen  Militär-Station  gehören, 
auf  deren  Terrain  später  das  Dorf  Bergheim  entstand.  Im  Mittelalter 
ist  dasselbe  aufgehoben  und  mit  Heidelberg  verbunden  worden. 

Eine  Beschreibung  der  gefundenen  Baulichkeiten  liegt  ausser 
unserer  Absicht  und  wir  beschränken  uns  auf  die  Mittheilung  in- 
schriftlicher Funde. 

Der  hervorragendste  derselben  ist  nun  der  eines  römischen  Votiv- 
altärcheos,  dicht  am  Neckar  innerhalb  eines  der  oben  erwähnten  Sou- 
terrains (am  7.  Mai  1877)  ausgegraben,  dabei  aber  leider  von  den  Arbeitern 
ein  wenig  beschädigt. 

Dieses  Haus- Altärchen  besteht  aus  rothem  Sandstein  der  hiesigen 
Gegend,  hat  eine  Höhe  von  0,80,  bei  einer  Breite  von  0,40  Metern 
und  eine  omamentirte  Krönung,  auf  deren  oberster  Fläche  inmitten 
von  WüKsten  eine  flachrunde  Höhlung  zu  Libationen  angebracht  ist. 
Die  columna  selbst  ist  nicht  mehr  vorhanden.    Sie  war  wohl  eine  frei 

1)  Der  Fortsetzung  dieser  Mittheilungen,  die  demnächst  folgen  wird,  soll 
zngleich  der  8itiiationsplan  der  (ranzon  Kundstätte  und  Abbildungen  einzelner 
wichtiger  Funde  1)eigegoben  worden. 


Röraüolie  Alterthfimer  in  Heidelberg.  19 

daneben  stehende  Bildsäule  des  Juppiters;  (bei  Orelli  1313  wird  z.  B. 
eine  columna  erwähnt).  Die  Inschrift  aber  ist  grösstentheils  noch  er- 
halten, das  Fehlende  leicht  zu  ergänzen  und  hier  mit  Klammem 
eingeschlossen.    Sie  lautet: 

lOM 
ARAM  •  ET   CO 
LVMNAM 

PRO-SE-ET  (suis) 
5  C  •  VEREIVS  •  (clo) 
MENS  •  MILES 

LECVillAVC- 
BCOS-V-S- LL-M 

was  also  zu  lesen  ist:  „Jovi  optimo  maximo  aram  et  columnam  pro 
se  et  suis  Caius  Vereins  Clemens  miles  legionis  VIII  augustae,  be- 
neficiarius  consalaris  votum  solvit  laetus  lubens  merito". 

Wir  haben  es  mithin  mit  einem  von  einem  Soldaten  der  achten 
Legion,  wahrscheinlich  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  unserer 
Zeitrechnung,  gesetzten  Votivstein  zu  thun.  f 

Wenigstens  glauben  wir  dies  aus  dem  Fehlen  späterer  Beinamen 
dieser  Legion  schliessen  zu  dürfen  unter  Verweisung  auf  einen  ähn- 
lichen Votivaltar  eines  Centurio  dieser  Legion,  gefunden  im  Odenwalde 
und  aufbewahrt  zu  Mannheim  (Brambach  G.I.Rh.  1391  und  Hang, 
„die  römischen  Denksteine  zu  Mannheim"  Nr.  22). 

Die  achte  Legion  stand  übrigens  vom  Jahr  70  bis  lange  ins 
dritte  Jahrhundert  in  Ober-Germanien  und  hatte  .ihr  Hauptquartier 
zu  Strassburg. 

In  unserer  ersten  Mittheilung  der  Inschrift  in  der  Augsb.  Allgem. 
Ztg.  Beilage  Nr.  132  v.  J.  ISV?  und  demnach  im  Correspondenzblatt  des 
Gesammtvereins  etc.  1877  no.6  war  die  Vermuthung  ausgesprochen  wor- 
den, man  könne  vielleicht  statt  VEREIVS  lesen:  VERNIVS  (mit  umge- 
drehtem V\)>  wie  z.B.  beiWilmanns  Nr.  2851  ein  Vernus  vorkommt. 
AUein  der  betreffende  Buchstabe  fallt  in  eine  blos  zufällige  Verletzung 
des  Steins  und  war  weder  ein  VA  noch  ein  T,  sondern  ein  bloses  £. 
Der  widmende  Soldat  der  VIU.  Legion,  der  also  Vereins  Clemens 
hiess,  war  Grefreiter,  beneficiarius  des  C!onsularlegaten  (consularis) 
und  genoss  als  solcher  nicht  nur  Befreiung  von  den  hartem  Arbeiten  des 
aktiven  Dienstes,  sondern  fand  auch  in  Folge  dieser  bessern  Stellung  im 


20  RSmitohe  Alterthflmer  in  Heidelberg. 

Ilccrc,  ohne  eigentlich  beamtete  Peraon  zu  sein,  tine  zeitweilige  Ver- 
wendung bei  wichtigen  Aufträgen  und  VerwiiHungsangelegenheiten. 

Der  Stein  befindet  sich  im  Archäologischen  Institut  zu  Heidelberg. 

Min  weiterer  bisher  bei  uns  selbst  aufbewahrter  Inschriftstein  be- 
(Indi^t  Mich  Jetzt  ebenfalls  am  genannten  Orte  *).  Es  ist  ein  0,76  m. 
hohnr,  oben  (),r>5  ni.  breiter  und  0,40  m.  dicker  Neptuns- Altar  mit  fol- 
gender Inschrift: 

IN    HDD 


NEPTVNO 
iEDEM  •  CVM 
SICNO   VAL- 
5  PATERNVS  • 
ARC  •  ET  AELI 
VS  •  MACER  •  EX 
VOTO  •  FEC  • 

Die  letzte  Zeile  ist  mit  kleineren  Buchstaben  geschrieben,  die 
schwierig  zu  erkennen  sind. 

Der  Fundort  des  Neptunsteines  ist  der  Thalweg  des  Neckars 
zwischen  der  jetzigen  Thibautstrasse  und  den  gegenüber  auf  dem 
rechten  Ufer,  unterhalb  Neuenheim  sich  hinziehenden  Gärten. 

Die  Neckartiefe  ist  in  dieser  Gegend  eine  sehr  geringe,  so  dass  der 
Fluss  im  Sommer  mit  leichter  Mühe  durchwatet  werden  kann.  Die 
ganze  dortige  Neckarstrecke  ftthrt  den  Namen  »die  Aul«,  so  genannt 
von  einem  früher  dort  befindlichen,  jetzt  aus  dem  Fluss  entfernten  topf- 
artigem Steine.  (Das  alte  Wort  Aul  (altdeutsch  üla)  mit  der  Bedeutung 
»Topf«  ist  dialektisch  noch  vorhanden  und  ist  dem  latein.  olla  entlehnt.) 
So  heisst  z.  B.  ein  noch  vorhandener  Stein  beim  sog.  Wehrkopf  oberhalb 
der  Bergheimer  Mühle  aus  dem  Wasser  ragend  und  mit  einer  natür- 
lichen kesselartigen  Vertiefung  versehen  »Kesselstein«. 

Noch  weiter  oberhalb  ging  nun  die  jedenfalls  hölzerne  römische 
Brücke  über  den  Neckar,  wie  die  von  uns  schon  vor  vielen  Jahren 
im  Neckar  mit  dem  Neptunsstein  entdeckten  eichenen  Hoste  beweisen, 
deren  Entfernung  von  einander  genau  36  Schritt  beträgt,  so  dass  der 
Strombreite  nach  genau  sechs  solcher  Roste  im  Wasser  vorhanden  ge- 


1)  Vergl.  unsere  Mittheilangen  Augsb.  Allgem.  Zoiig.  Beilage  No.  145.  1877; 
Heidelberger  Zeitung  vom  ersten  Juni  1877,  No.  126;  Heidelberger  Familion- 
bl&tter  No.  46  n.  47. 


Römiache  Alterthfimer  in  Heidelberg.  21 

Wesen  sein  mfissen.  Hierzu  kommt  dann  noch  auf  jeder  Seite  ein  stei- 
nernes Widerlager,  von  dem  aber  nur  noch  auf  Neucnheimer  Seite 
die  Ueberrcste  gefunden,  aber  schon  im  Jahre  1812  bei  Anlage  des 
Neckartaluts  herausgebrochen  worden  sind. 

Es  waren  also  im  Ganzen  6  Strompfeiler,  zwei  steinerne  Wider- 
halte an  den  Ufern  und  daher  7  Oefifnungen.  Der  dem  Neucnheimer 
Ufer  zunächst  gelegene  Flusspfeiler  liegt  im  Winkel  zwischen  dem  Lein- 
pfad und  einer  Traverse  und  ist  in  Folge  dieser  Wasserbauten  jetzt 
verlandet. 

Diese  Pfahlbrticke  vermittelte  nun  den  Verkehr  zwischen  den  auf 
beiden  Ufern  gelegenen  römischen  Niederlassungen  an  einem  Punkte, 
wo  einerseits  die  römische  Landstrassc  von  Spcier  ausmündete,  ander- 
seits diejenige  auf  dem  gegenüberliegenden  rechten  Ufer  nach 
Ladenburg  abbog.  An  der  Stelle  wo  beide  schnurgerade  Strassen 
im  rechten  Winkel  am  Neckar  auf  einander  zu  stossen  kamen, 
war  eben  die  Verbindung  der  beiden  Ufer  und  Strassen  durch 
eine  stehende  Brücke  hergestellt,  die  dadurch  noch  an  Bedeutung 
gewinnt,  dass  bei  ihr  (und  zwar  am  linken  Ufer)  auch  die  Meilen- 
steine aufgestellt  waren*). 

Ganz  genau  wird  die  Lage  des  römischen  Uebergangcs  durch 
eine  Linie  bezeichnet,  welche  man  von  dem  Desinfektionshause  des 
Spitals  hinübergezogen  denkt  bis  zu  dem  unterhalb  Neuenheim  ge- 
legenen Hause  des  Schneidermeisters  Geiz.  Der  dortige  Brückenbogen 
lag  an  einer  etwas  tiefern  Wasserstelle,  dem  sog.  Tflmpfel,  und 
ist  jetzt  wie  gesagt  abgeschnitten  durch  Leinpfad  und  Querdamm. 
Mitten  auf  dieser  Brücke  war  nun  zu  Römerzeiten  der  Neptunsstein 
in  einer  Art  von  Capelle  (aedes)  errichtet,  in  derselben  Art  wie  auf 
späteren  christlichen  Brücken  ein  Nepomuk  stand  um  den  Hinüber- 
gehenden zum  Schutze  zu  dienen.  Bei  der  Zerstörung  der  Brücke 
stürzte  der  Stein  ins  Strombett  und  blieb  dort  dicht  hinter  dem 
mittelsten  Pfeiler,  im  Schiffwege  liegen,  bis  er  in  neuerer  Zeit  mittelst 


1}  In  Folge  dieser  unserer  früheren  Angaben  in  Bezug  auf  die  römische 
Brücke  beantragte  der  Landesconservator  Herr  Oberschnlrath  Wagner  bei  der 
Regierung  die  systematische  Anfräumung  und  Yermessung  der  alten  Brücken- 
roste im  Neckar.  Dies  geschah  denn  auch  im  Herbst  1877  in  umfassendster  Weise 
unter  Leitung  des  Herrn  Ingenieur  H.  Bär,  der  seine  Resultate  in  einer  eigenen 
Schrift  bekannt  gemacht  hat,  welcher  wir  Betrachtungen  über  römischen  Brücken- 
baa  sowie  über  die  Neptunsateine  beigefügt  haben. 


22  Römische  Altcrthöiner  in  Ileidelberg. 

Bagger-Maschine  von  Seiten  der  Wasser-  und  Strassenbau-Inspektion 
herausgehoben  wurde  ')• 

Solche  Neptunsheiligthümer  sind  ziemlich  selten  und  kommen  io 
den  Rheinischen  Gegenden  nur  wenige  da?on  vor.  Ein  Neptunsbild  bei 
dem  römischen  Uebergang  von  Trennfurt  am  Main  nach  Klingenberg 
gefunden,  ist  leider  nicht  mehr  vorhanden.  Wenigstens  waren  alle 
unsere  Nachforschungen  danach  zu  Trennfurt  selbst,  wo  es  in  der  Kirche 
gewesen  sein  sollte,  vergeblich  (vergl.  auch  Steiner  »Maingebiet« 
S.  205).  Auch  zu  Hanau,  gleichfalls  am  Main,  war  ein  solches  Nep- 
tunsheiligthum  (Brambach  No.  1433).  Desgleichen  wurde  schon  im 
Jahre  1480  zu  Ettlingen  bei  Karlsruhe  ein  Neptunbildstein  mit  In- 
schrift von  der  ausgetretenen  Alb  an  das  Ufer  geworfen  und  nach  langer 
Irrfahrt  an  verschiedenen  Orten,  schliesslich  an  einem  ehrenvollen 
Platze  bei  der  Albbrücke  eingemauert  (Brambach  1678).  Ein  ganz 
identischer  Stein  fand  sicH*  auch  zu  Baden-Baden,  von  demselben  Mit- 
gliede  der  Schifferzunft  dem  Neptun  geweiht  (ib.  1668). 

(Aehnliche  Widmungen  von  Neptunsheiligthümern  kommen  auch 
vor  bei  Wilma nns  2325,  2373  und  2375.) 

Sonst  kommt  dieser  AVassergott  im  Rheingebict  nur  noch  in  den 
Niederlanden  und  bei  Oberwinter  vor  (vergl.  diese  Jahrbücher  LllI— IV 
S.  106,  wo  Scha  äff  hausen  ausführlich  über  ein  dort  gefundenes 
Neptunbild  handelt). 

Gehen  wir  nun  zu  unserm  Heidelberger  Neptunssteine  über,  so 
weihen  auf  demselben  zwei  Personen,  Valerius  Patemus,  den  wir,  ver- 
anlasst durch  den  Fundort,  für  den  Brückenbaumeister  (architectus) 
halten  (den  Pionier-  oder  Genietruppen  angehörig)  und  ein  gewisser 
Aelius  Macer,  dem  keine  Charge  beigefügt  ist,  dem  Neptun  eine  Ka- 
pelle mit  einer  Statue.  Die  Widmung  fand  Statt  zu  Ehren  des  kai- 
serlichen Hauses  nach  einem  gethanen  Gelübde  wahrscheinlich  schon 
vor  dem  Jahre  200  unserer  Zeitrechnung. 


1)  Der  Stein  bildet  die  Basis  zu  einer  Neptunsstatue,  die  sich  aber  nicht 
mehr  vorfand.  Allerdings  kam  noch  ein  Bildstein  aus  anderm  Material  in  der- 
selben Gegend  zum  Vorschein,  der  gerade  in  die  oberste  Fläche  der  genannten 
Basis  hineinpasst  und  mit  Recht  jetzt  auch  im  archäologischen  Cabinet  darauf  ge- 
stellt ist.  Leider  ist  aber  nur  der  unterste  Theil  dieses  Bildes  vorhanden,  und 
zwar  scheint  der  darauf  befindliche  nackte  Fuss  eher  einer  weiblichen  Figur 
anzugehören,  vielleicht  aber  auch  einem  Genius,  der  in  dem  Neptunsheiligthum 
aufgestellt  war.  Stark  nimmt  ihn  für  Neptun,  das  anscheinende,  tief  herabhän- 
gende Gowandstück  für  den  Rest  eines  Delphins. 


Bömisohe  Alierthümer  io  Heidelberg.  23 

Die  einzige  Schwierigkeit  bietet  die  Abkürzung  ARC,  die  auch 
auf  andere  Art  erklärt  werden  könnte.  Anlässlich  einer  englischen  In- 
schrift erklärt  Bergk  dieselbe  in  diesen  Jahrbüchern  LVII  S.  29 
durch  AR(moruin)  C(ustos),  eine  Charge,  über  welche  jüngst  Freuden- 
berg (ebenda  S.  76)  gehandelt  hat  (Auch  bei  Wilmanns  II  p.  596 
sind  Verschiedene  Beispiele  derselben  zusammgestellt.)  Da  aber  jene 
Sigle  ARG'  auf  unserer  Inschrift  eine  von  den  folgenden  Worten  deut- 
lich durch  einen  Punkt  getrennte  Gruppe  von  Buchstaben  bildet,  so 
kann  dieselbe  hier  nur  ein  einziges  Wort  ausdrücken,  sonst  müsste  doch 
wohl  AR-  G'  getrennt  sein,  was  aber  durchaus  nicht  der  Fall  ist. 

Auph  bei  jener  englichen  Inschrift  scheint  nun  aber  die  gleiche 
Funktion  eines  architectus  vorzuliegen,  denn  in  dem  dortigen  ARCX. 
ist  X  vielleicht  griechisch  für  GH,  so  dass  also  hier  ARCCH)itectus)  ge- 
schrieben wäre. 

Das  Material  unseres  Steines  ist  rothö(« Sandstein  aus  hiesiger 
Gegend,  der  aber  durch  das  lange  Liegen  im  Wasser  ein  etwas  ver- 
ändertes Aeussere  und  bedeutende  Härte  erlangt  hat.  Auf  seiner  ober- 
sten Fläche  ist  der  Stein  platt,  hat  aber  ringsherum  einen  Rand,  in 
welchem  man  noch  die  Spuren  der  Befestigung  des  ehemals  darauf  ge- 
stellten Neptunsbildes  sieht.  Die  Seiten  des  Altars  enthalten  weder 
irgend  ein  Symbol  des  Neptun  (dessen  gewöhnliches  Abzeichen  der 
Dreizack  ist),  noch  die  sonst  üblichen  Opfergeiilthe;  sie  sind  vielmehr 
ganz  glatt. 

Die  Inschrift  ist  stark  verwittert,  so  dass  sie  nicht  überall  gleich 
deutlich  erscheint  Die  Schriftzüge  sind  indessen  von  gutem  Typus, 
wie  sie  zu  der,  freilich  nicht  mehr  genau  zu  bestimmenden  Zeit  der 
Abfassung  der  Inschrift  noch  allgemein  üblich  waren.  Die  Form 
EDES  für  ^DES,  die  vielleicht  anzunehmen  ist,  wäre  vulgäre  Schrei- 
bung, allein  sie  ist  nicht  sicher,  da  der  Stein  an  dieser  Stelle  etwas 
verletzt  ist 

Die  vielfachen  Schwierigkeiten,  welche  sich  der  Erklärung  der 
Sigle  ARC  und  der  richtigen  Deutung  dieser  Abkürzung  entgegen- 
stellen, veranlassten  uns  schon  bei  unserer  ersten  Mittheilung 
der  Neptunsinschrift  noch  einige  andere  Versuche  sie  zn  erklären 
aufzustellen.  In  dieser  Hinsicht  konnten  wir  aber  (in  der  Augs- 
burger Allg.  Zeitung  Ende  Mai  1877,  Beilage)  kaum  die  Frage  er- 
heben, ob  dieselbe  nicht  ARG.  laute,  was  (faber)  argentarius  bedeuten 
würde  und  oft  in  dieser  Weise  auf  Inschriften  abgekürzt  erscheint, 
wo  es  in  der  Regel  einen  Silberarbeiter  bezeichnet    Es  war  das  ein 


24  Bömisohc  Altcrthümer  in  Heidelberg. 

Privatgeschäft,  zumeist  von  Freigelassenen  ausgeübt,  das  übrigens  auch 
als  collegialisches  Amt  bekannt  war,  s.  Wilmanns  no.  988,  no.  1727 
und  II,  p.  645.  Da  die  Silber-  und  Goldschmiede  auch  zugleich  Handel 
mit  edlem  Metalle  trieben,  so  wurde  argentarius  in  späteren  Zeiten 
indessen  gewöhnlieh  ein  Banquier  genannt 

Da  aber  die  L^ung  ABC.  doch  zu  deutlich  ist,  so  wird  mall  also 
bei  einer  der  anderen  vorgeschlagenen  Erklärungen  bleiben  masseu, 
als  deren  wahrscheinlichste  wir  architectus  unter  Berücksichtigung  des 
Fundorts  und  anderer  Umstände  aufgestellt  hatten.  In  analoger  Weise 
wird  z.  B.  archimimus  bei  Wilmanns  exempla  inscr.  no.  1501  ebenfalls 
abgekürzt  durch  ARG;  architectus  ebenda  1563  durch  AKGITEGT. 
gegeben,  desgl.  728  *).  Dagegen  ist  kein  sicheres  Beispiel  zu  finden, 
worin  ARG  wirklich  Abkürzung  für' architectus  wäre,  wohl  aber  kommt 
dieselbe  für  ein  anderes  Amt  vor,  was  wir  denn  auch  gleich  zu  Anfang 
(Heidelberger  Zeitung  volh  1.  Juni  1877  und  in  der  Beilage  dazu  »Fa- 
milienblätter« No.  47)  ausgesprochen  haben. 

-Es  ist  dies  nun  der  Vorstand  irgend  einer  arca  (avka),  ein  arca- 
rius,  oder  wie  er  vielfach  auch  geschrieben  wird  arkarius,  in  der  Regel 
durch  ARK.  gekürzt,  was  indessen  ebensowenig  ernstlich  gegen  diese 
von  uns  in  zweiter  Linie  vorgeschlagene  Lesung  sprechen  kann,  wie  der 
Umstand,  dass  kein  weiteres  rheinisches  Beispiel  dieser  Art  vorliegt. 

Ganz  in  unserer  Nähe,  zu  Ladenburg,  findet  sich  nämlich  auf 
einem  römischen  Grabstein  ein  ähnliches  Amt  belegt,  d.  h.  dasjenige 
eines  dispcnsator,  worunter  ein  Kriegscassier  oder  Stcuerbeamter  zu 
verstehen  ist.  Wie  die  Dispensatores  überhaupt  keine  Soldaten,  son- 
dern Sclaven  waren  (vgl.  Wilmanns  II  p.  646),  so  war  auch  derjenige, 
welcher  dieses  Amt  zu  Ladenburg  bekleidete,  ein  Sciave  Namens  Eu- 
tyclias,  welcher  dem  Paris,  seinem  verstorbenen  Stellvertreter  (vicarius, 


1)  Wirkliche  Bräckenbauineiiiter  sind  bei  Wilmanns  No-  804  und  2144 
genannt,  der  überhaupt  II  p.  645  noch  mehrere  solcher  Privatingenieure  au£führt, 
die  indessen  allerdings  selten  erwähnt  werden.  Abgebildet  ist  ein  solcher  auf 
einem  Ileidelbcrger  Grabstein  (Brambaoh  1710)  mit  Messwcrkzeugun  in  den  Händen, 
hone  dass  freilich  sein  Stand  inschriftlich  erwähnt  wäre.  Aber  nicht  allein  Archi- 
tockteu  civilen,  sondern  auch  militärischen  Characters  kommen  vielfach  vor,  wie 
J.  Becker  in  diesen  Jahrbüchern  LUI— IV  S.  146  und  in  seinem  Mainzer  Catalog 
No.  72  zeigt.  Man  wird  wohl  auch  in  unsei-m  Falle  an  einen  militärischen 
Architeckt  der  22.  Legion  zu  denken  haben,  die  so  lange  am  Mittelrhein  und  so 
auch  zu  Heidelberg  stationirt  war. 


Römiiche  Alterthümer  in  Heidelberg. 

abgekürzt  durch  VIK.  wie  arcarius  sonst  durch  ARK.)  einen  Grabstein 
setzte.  Derselbe  wurde  merkwürdiger  Weise  ebenfalls  im  Neckar  ge- 
funden. (Vergl.  Brambach  C.  I.  Rh.  no.  1712)  und  zwar  im  Jahre 
1845  beim  Brückenbau,  gegen  Neckarhausen  zu,  aber  nicht  auf  dem 
Unken  Ufer  (wie  die  bisherige  Angabe  lautete),  sondern  beim  rechten, 
auf  Ladenburger  Seite. 

Ganz  in  derselben  Weise  erscheint  nun  z.  B.  auf  einer  vcuctia- 
nischcn  Inschrift  ein  arcarius,  Namens  Philoxenus,  ein  Hausclave  der 
Kaiserlichen  Familie,  der  ebenfalls  seinem  verstorbenen  Sclaven  und 
A.mt"?gehülfen  (vicarius),  Ascanius  genannt,  einen  Denkstein  setzte.  Ue- 
berhaupt  kommt  der  »iservus  arcarius«  häufig  vor,  meistens  als  niederer 
Municipulbeamter,  soz.  B.  bei  Wilmanns  1833,  2762  c  und  d.  Eb^2nda 
no.  1^:30  erscheint  ein  publicus  Tusculanorum  arcarius;  no.  15(52  Volceia- 
norum  ARK.  u.  s.  w. 

Nimmt  man  nun  auch  für  unsern  Neptühsstein  diese  Erklärung 
nn,  dann  ist  wohl  auch  hier  ein  solches  kleineres  Municipalamt  gemeint, 
d.  h.  der  eine  der  beiden  Dedicircndcn  funktionirtc  als  Gemeindecassier 
des  leider  nicht  genannten  vicus  bei  Heidelberg,  welcher,  wie  die  ganze 
Umgegend  überhaupt,   zum  Muuicipalgebiete   von  Ladenburg   gehörte. 

Wäre  das  Amt  eines  arcarius  unter  den  Freigeborenen  nachweis- 
bar, so  würde  es  freilich  am  nächsten  liegen  Valerius  Pateruus,  der 
seinem  Namen  nach  römischer  Bürger  war,  für  einen  Militär  zu  nehmen. 

Die  arcarii  waren  nun  aber  in  der  Re^el  Sclaven'),  haben  Sclaven- 
namcn  und  entbehren  daher  des  Gcschlechtsnamens,  während  unser 
Valerius  Paternus  einen  solchen  fülirt.  Derselbe  war  also  entweder 
ein  Römer  oder  ein  Fremder,  der  durch  ein  Mitglied  der  gens  Valeria, 
das  römische  Bürgerrecht  erhalten  hatte  und  in  Folge  davon  den  Gen- 
tilnamen  desjenigen  annahm,  welcher  ihm  da/u  behülflicli  gewesen  war. 

Die  Vornamen  beider  Dedicanten  fehlen,  eine  gewöhnliche  Er- 
scheinung bei  Nichtrömeni. 

Die  arcarii  dagegen  waren,  wie  gesagt,  und  wie  dies  auch  Wil- 
manns anlüsslicli  einer  Inschrift  aus  Rom,  No.  365  von  denjenigen  des 
kaiserlichen  Hauses  bestätigt,  fast  immer  Sclaven. 

Der  an  dem  genannten  Orte  erwähnte  arcarius,  Namens  Sabiuus 
wird  zwar  Augusti  libertus  genannt,  jene  erstere  Würde  stammt  aber 
aus  der  Zeit  her,  als  er  noch  Sclave  war,  wenn  man  nämlich  annimmt, 


1)  üeLer  Sciavenaamcn  von  Künstlern  und  Ilandwerkem  im  Allgemoincn 
rergl.  WilmanuB  No.  2620.     Diese  Art  Namen  war  vielfach  griecbiflch. 


36  Römische  Alterthumer  in  Heidelberg. 

(lass  er  arcarius  der  Livia  gewesen  war.  Wahrscheinlich  bekleidete 
er  aber  dasselbe  Amt  erst  bei  dem  Collcgium  des  Golambariums  der 
Livia,  in  welches  er  eine  Urne  stiftete,  also  erst  nach  ihrem  Tode.  Im 
letzteren  Falle  war  er  freilich  Freigelassener  der  kaiserlichen  Familie 
zur  gleichen  Zeit,  wo  er  auch  arcarius  des  genannten  Collegs  war,  eine 
Würde,  die  hier  ungefähr  dasselbe  bedeutete,  wie  der  Quaestor  anderer 
GoUegien  >).  Eine  ganze  Rahe  solcher  collegialischen  Qu&storen  gibt 
Wilmanns  II,  p.  643.) 

Der  arcarius  eines  anderen  Collegiums,  P.  Tamudius  Venustas, 
bei  Wilmanns  No.  1488  (nota  21)  scheint  seinem  Namennach  in  der 
That  ein  Freigelassener  gewesen  zu  sein,  wenn  er  auch  nicht  ansdrOck- 
lich  als  solcher  bezeichnet  wird.  Die  Charge  desselben  ist  hier  aber 
durchaus  zweifelhaft,  indem  sie  lautet  DAR.ARCAR,  was  Renier  so 
erklären  möchte:  discens  a rationibus  arcarii  (?);  Wilmanns  dag^en: 
discens  armaturae,  arcarius  (seil,  cotlegii  Yeteranorum).  Indem  aber 
auf  derselben  Inschrift  (nota  12)  der  Ausdruck  ex  armatura  bei  einem 
Veteranen  in  etwas  anderer  Bedeutung  und  fast  ganz  ausgeschrieben 
vorkommt  (wie  auf  zwei  Mainzer  Inschriften,  wo  armatura  leg.  gleich- 
bedeutend  ist  mit  miles  vergl.  J.  Becker  in  diesen  Jahrbüchern 
LIII— LIV,  S.  147  Anmerk.)  so  ist  auch  die  letztere  Erklärung  nicht 
wahrscheinlich. 

Auch  unter  den  niedem  Magistratspersonen  (vgl.  bei  Wilmanng 
II  p.  569  die  officia  publica  civilia  minora)  finden  wir  arcarii.  So  den 
arkarius  provinciae  Africae,  einen  kaiserlichen  Haussciaven  Namens 
Antiochus  Lucconianus,  der,  was  bei  derlei  Sclaven  öfters  vorkommt, 
ausnahmsweise  zwei  Namen  trägt  (vergl.  Wilmanns  II  p.  405). 

Der  arkarius  stationis  Siscianae  (seil,  ferrariarum)  trägt  wieder 
einen  gewöhnlichen  Sciavennamen  Asclepiades.  Desgleichen  ein  weiterer 
niederer  Staatsbeamter,  Quintianus,  der,  ein  vcrna  Augusti,  als  vilicus 
et  arcarius  bezeichnet  wird.  Ebenso  waren  die  weitem,  bei  Wilmanns 
No.  1391  und  1395  erwähnten,  bei  einem  Collegium  thätigen  arkarii, 
Victor  und  Theopompus,  beide  Sclaven. 

Durchgängig  Sclaven  waren  auch  die  dispensatores ,  deren  Wil- 
manns II  p.  570  eine  ganze  Reihe  unter  seinen  niederen  Staatsbeamten 
aufzählt.  (Dass  sie  auch  desshalb  keine  Soldaten  sein  konnten,  be- 
stätigt derselbe  No.  1489  nota  3.) 

1)  Wilmaant  3G5  drückt  sich  wörtlich  so  aus:  «aut  cum  servos  etiamtum 
esset,  arcarius  fuerat  Liviae,  aut  arcarius  coUegii,  quod  mihi  magis  plaeet."  — 


Bömiflcbe  Alteiihümer  in  Heidelberg.  27 

Von  Wichtigkeit  für  uns  wegen  der  Aelinlichkcit  mit  dem  oben 
erwähnten  Ladenburger  Grabstein,  worauf  ein  Sciave  Eutychas  erscheint, 
ist  hierbei  No.  1355  (vergl.  auch  1356),  wo  einem  Sciaven  Entyches 
za  Born  ein  Grabstein  gewidmet  wird  von  einem  Mitsclaven  der  kaiser- 
lichen Familie,  Namens  Daphnus,  der  dispensator  fisci  castrensis  war. 
Ein  Sciave  Eutyches  als  Privat-Dispensator  kommt  ibid.  No.  145  vor. 
In  gleicher  Eigenschaft  ein  Freigelassener  L.  Junius,  Silani  libertus, 
Paris,  No.  1333.  Auch  kaiserliche  Privatschatzmeister  werden  erwähnt, 
wie  Fortunatus,  ib.  2762^  und  Aepolus  Galbianus,  kaiserlicher  Haus- 
sclave,  der  wieder  gegen  die  sonstige  Regel  zwei  Namen  trägt,  ib. 
2702.  Ebenso  ist  dies  der  Fall  bei  einem  Privat-ai'carius,  Namens 
Epaphröditus  Yginianus,  der  gleichfalls  als  kaiserlich  trajanischer  Haus- 
sclave  bezeichnet  wird  ib.  No.  2643,  vergl.  II  p,  405. 

Auch  die  municipalen  arkarii  sind  Sciaven,  so  Apronianus,  arkar. 
rei publicae  Aequicul.  (WilmannsNo.  84);  Albanus,  colonorum  coloniae 
Augustae  Aiexandrianae  Abellinatium  servus  arkarius;  desgleichen 
EttBUS,  coloniae  Beneventi  arkarius  (ib.  2762);  Moutanus,  popnli  Anti- 
natiom  Marsorum  servus  arcarius  (608).  Weiter  Liberalis  colonorum 
coloniae  Sipont.  servus  arckarius  (sict)  qui  et  ante  egit  rationem  ali- 
nientariam  sub  cura  praefectorum;  gewidmet  ist  die  betreffende  Inschrift 
seinem  Mitsclaven  Augurinus,  reipublicae  ^ervus  vcrna  mensor  (ib.  1833). 
Ferner  wird,  wie  schon  oben  gesagt  wurde,  einem  servus  publicus  mit 
dem  Doppelnamen  AntiochusAemilianus  (vergl.  desshalb  WilmannsII,' 
p.  405)  von  seinem  Mitsclaven  Primus,  einem  publicus  Tuscul.  arcarius 
ein  Denkinal  gesetzt  (ib.  No.  1330).  Endlich  trägt  auch  Nymphicus, 
als  arcarius  von  Volceji  ebenfalls  schon  erwähnt,  einen  Sclaven- 
namen. 

Aus  diesen  Beispielen  geht  zur  Genüge  hervor,  dass  sowohl  die 
dispensatores  wie  die  arkarii  fast  immer  Sciaven,  selten  Freigelassene 
waren.  Man  wird  daher  den  Heidelberger  Valerius  Patemus  arc.  auch 
nicht  blos  desshalb  als  Freigelassenen  betrachten  dürfen,  um  dadurch  die 
Lesung  arcarius  zu  erzwingen.  Auch  liegt  hier  natürlich  nicht  ein  ganz 
exceptionellerFall  vor,  den  Hcnzen  (und  nach  ihm  Wilma nns  No.  381, 
385a  u.  2644)  bei  einigen  kaiserlichen  Haussclaven  beschrieben  hat, 
dass  nämlich  die  bekannten  Beinamen  Patemus  und  Maternus  in  ge- 
wissen Fällen  als  Beiwort  eines  Amtes ,  wie  z.  B.  Epelys,  dispensator 
maternus  verwandt  sind,  um  bei  Sciaven  und  Freigelassenen  den  gegen- 
wärtigen oder  früheren  Herrn  in  ähnlicher  Weise  anzudeuten,  wie 
dies  sonst  die  agnomina  auf  -anus  thun. 


28 


Römische  Altertb&mer  id  Heidelberg. 


Was  nun  die  ho  häufigen  cog:noaiina  Patern us  und  Mat«rnus  an- 
betrifft, 80  sind  dieselben  nicht  nur  römi:^h,  sondern  auch  keltische 
Persoucnnaioen,  wie  dies  Franz  Stark  in  seinen  keltischen  Forschungen 
(enthalten  in  den  Wiener  Sitzungsberichten,  Jahrgang  1869,  Februar 
S.  262  und  Juli  S.  254)  nachgewiesen  hat. 

Wir  finden  deshalb  diese  Namen  auch  häufig  unter  den  rheini- 
schen Töpfeni,  die  gröastentheils  Gallier  waren.  — 

Wie  dem  nun  aber  auch  sei,  so  ergibt  sich  aus  dem  oben  Aus- 
geführten, dass  die  Sigle  ARC.  unserer  Heidelberger  Inschrift  nicht  wohl 
anders  als  architcctus  aufgelöst  werden  kann,  und  zwar  wäre  militäri- 
scher Charakter  desselben  anzunehmen,  denn  sonst  tritt  auch  hier 
wieder  der  Umstand  entgegen,  dass  Privat-Architecten  vielfach  Sclaven 
oder  doch  Freigelassene  sind. 

So  erscheint  zu  Pompeji  ein  Privatarchitekt  Namens  M.  Artorius 
M.  libertus  Primus  (Wilmanns  2557);  ein  anderer  zu  Tarracina  C.  Po- 
stuniius  C.  fiiius  Pollio  (ib.  2558).  Ein  A.Bruttius  A.  libertus  Secundus 
(ib.  2144)  ist  zu  Concordia  als  Privatingenieur  bei  einem  Brückenbau 
thätig.  Ein  anderer,  Namens  Hospes,  wird  anderwärts  ausdrücklich  als 
Sclave  einer  gewissen  Appia  bezeichnet;  er  schreibt  sich:  ARCITECTVS 
(ib»  727),  gerade  wie  ein  weiterer  Privatbaumeister,  L.  (3occeius, 
L.  C.  Postumi  libertus,  Auctua,  dessen  Name  ein  Beispiel  eines  Frei- 
gelassenen bietet,  der  einen  andern  Gcntilnamcn  führt  als  sein  Patron 
Claudius  Poötunuis  (ib.  728).  Bei  dieser  Gelegenheit  sagt  nun  Wil- 
manns, der  Werkmeister  (architectus),  der  ein  Gebäude  errichtete, 
würde  inschriftlich  selten  erwähnt.  Im  Allgemeinen  ist  dies  sicher  richtig. 

Ein  solcher  Künstler  (Lacer  mit  Namen)  nennt  sich  aber  doch 
auch,  freilich  ohne  ausdrückliche  Bezeichnung  als  architectus,  an  der 
Brücke  zu  Akäntara  in  Spanien,  und  zwar  ähnlich  wie  dies  auf  der 
Heidelberger  Brücke  der  Fall  war,  auf  einer  dabei  gelegenen  Capelle, 
deren  Krbauer  er  gleichfalls  war,  während  auf  dem  Mittclpfeiler 
sich  die  Widmung  an  Kaiser  Trajan  befindet.  Vergl.  Wilmanns 
No.  804.  Auch  zu  Heidelberg  nennt  sich  ja  nicht  direkt  der  Erbauer, 
sondern  er  widmet  blos  als  solcher  einen  Altar. 

Noch  weitere  architecti  civilerFimktion  führt  wie  schon  oben  ge- 
sagt wurde,  Becker  auf  (Jahrb.  LIII— LIV,  147),  aber  auch  solcher 
militärischen  Charakters  gibt  es  eine  Reihe,  die  als  Soldaten  Freige- 
borene, waren. 

Solch  ein  militärischer  Ingenieur  war  T.  Flavius  T.  f.  Pupinia 
RofoS;  Soldat  zweier  prätorischen  Gohorten  und  zugleich  als  ordinatos 


Römische  Alterlhümer  in  Heidelberg. 


29 


architectus  tesserarias  in  ccnturia  bezeichnet  (Wilmanns  1588).  Auch 
von   der  Flotte  zu  Misenurn   wird  ein  architectus  erwähnt  {ib.  1062). 

Becker  führt  auch  weitere  Beispiele  aiL'!gedienter  Soldsiten  der 
prätorischen  Cohorten  und  Legionen  auf,  die  derselben  Genie-Truppen- 
gattung angehörten.  Darunter  einen  ARCITIvCT.  armamentarii  inip. 
d,  h.  des  kaiserlichen  Zengha(i.qes  (Wilmanns  15():3)  und  aussenleni 
eincD  solchen,  der  sich  gornde/u  als  architectus  Augustoi'um,  d.  h.  des 
kaiserlichen  Hauses  bezeichnet. 

Am  meisten  Verwandtschaft  mit  dem  Heidelberger  Neptunsateine 
hat  aber  der  schon  oben  ei-wUhntc  und  zuletzt  von  Becker  in  seinem 
Mainzer  Museum  No.  72  (vorher  in  diesen  Jahrb.  LUI— LIV,  S.  14r»ff.) 
beschriebene  Votivaltar  den  Adius  Verinus,  architectus,  und  Gcminius 
Priscus,  custos  armorum  zu  Mainz  wo  er  1872  gefunden  wurde,  errichten 
liessen '). 

Auch  bei  dieser  Inschrift  i.st  die  Weglassung  des  betreffenden 
Truppenkörpei-s  der  beiden  De<likanten  zu  constatiren,  die  sicher  wie 
wohl  auch  die  2  Altarspender  zu  Heidelberg,  zunächst  Soldaten  waren. 

Die  Legion,  wozu  sie  alle  gehörten,  war  höchst  wahrscheinlich  in 
beiden  Fällen,  zu  Mainz  wie  zu  FlotdclTjorg,  die  22.,  die  so  lange  Zeit 
am  Mittelrhein  mit  dem  Hauptquartier  Mainz  .stand,  dass,  wie  Becker 
sagt,  die  ausdrückliche  Bezeichnung  derselben  auf  solchen  Votivsteinen 
als  fa.st  selbstverstäindJich  leicht  weggelassen  werden  konnte*).  Diese 
Legion  stand  überhaupt  am  längsten  unter  allen  und  zwar  bis  nach  der 
Mitte  des  dritten  Jahrhunderts  in  (iertnanien  und  erscheint  daher  weit- 
aus am  häufigsten  auf  den  rheinischen  Inschriften. 


1)  Was  das  militärische  Amt  eines  custos  armorum,  d.  h.  eines  Waffen- 
wartcs  betrifft,  eo  hat  ausser  Becker  auch  FreuJonborg  (Jahrb.  LVIl,  7C) 
dar&ber  gcbaadolt,  wie  schon  obna  bemerkt  wiirda. 

9)  Dasselbe  ist  der  Fall  such  anf  nndcron  Maiiu-or  Centuricn-Inschriflen, 
Becker,  M.  Museum  No.  70  und  74  und  sodaun  bei  IIau|2f  iMannheimcr  Doak- 
siein  No.  64,  wo  gleichfalls  nur  die  22.  Legion  genannt  sein  dürfte.  Anläss- 
lich dieses  letzteren  Falles,  dem  Grabstein  eines  Legionars,  zweifelt  Hübner  in 
4er  Jenaer  Literaturzeitung  1877,  Artikel  3flC,  ob  die  obi^e Erklärung  ilea  Fehlens 
der  Bezeichnung  der  Legion  hier  die  richtige  sei,  indem  dann  doch  mindestona 
beigefügt  worden  wäre  „miles  legionis''.  Er  moint,  dass  vielleicht  auf  einem 
gemeinsamen  Begräbnissplatz  nur  Legionäre  einer  Legion  beigesetzt  worden 
wären.  Man  beachte  indessen,  wie  auf  anderen  Mainzer  Insehriften  (Becker 
No.  I,  169  u.  212),  anoh  die  blosse  Würdo  des  Ceuturionnts  obn«  BeKcichmnig 
de«  Truppentheils  Bt«ht.  Ebenso  fehlt  zu  Milleidierg  (.lahrh.  LII^  75  n.  LX,  &2) 
die  LegiouBzahl. 


j>>  Bömiscbe  AU«iihänm  in  Heidelberg. 

Uebrger«  könnte  neben  dieser  regelmässigen  Besatznng  Ton  Mainz, 
n.^i  des  Dekumatenlandes,  der  XXII  priroigenia,  auch  die  andere  der 
röiei  c-bersennaniichen  Legionen  in  Betracht  kommen,  die  legioYIIl 
A::g-J5:a.  Um  das  Jahr  170  p.  Chr.  waren  nämlich  nach  der  Ans- 
fihr^Eg  T»>n  Urlichs  ^Jahrb.  LX,  5P)  nnr  diese  beiden  Leonen  in 
•-"^c^Tjeraaniea  zaräck  geblieben,  welche  mit  ihren  Halfstnippen  etwa 
:».■>'•>  M:iS3  suirk  sein  mochten,  und  sich  in  die  Vertheidignng  der 
Iisgen  Linie  des  Grenzlandes  the>!en  roussten.  —  Bald  darauf,  etwa 
33:  das  Jahr  ISO.  scheint  nun  aber  in  den  Garaisonen  des  unteren 
Neckars  wie  überhaupt  des  oberen  Theils  des  Deknmatenlandes  ein 
Wev'hs«!  der  It-'shergen  Disloofrun^en  der  beiden  Legionen  vorgenommen 
Word«  m  sein.  Während  nämlich  bfs  dahin  hauptsächlich  die  achte 
:n  liicsen  Go-^eaden  staiiocin  war  und  sich  ja  auch  der  oben  be- 
schriebene He:delberv:er  Votivsiein  des  Vereius  Clemens  in  diese  Zeh- 
periAle  stollea  lässt  —  abgesehen  von  eiczelnen  dem  1.  Jahrh.  ange- 
höngen  Abtheilnngen  der  XIV.  usd  der  XXI.  Rapax  wovon  wir  Ziegel  aus 
Heidelberg  bei  Brambaoh  mitgelheili  haben,  vorgl.  dessen  »Baden  unter 
römischer  Horrschailt  S.  lo  u.  17)  —  so  scheint  der  grössoe  Theil 
der  achten  Legion  um  l>*>  aus  den  verbälin^ssmässiz  sicheren  sfld- 
liehen  I^ndstriohen.  weiter  nördlich  vorgeschoben  wonien  zu  sein,  nm 
die  gofährliohon  Chatten  zu  beobitchten. 

In  die  frühotvn  Stellusgta  dieser  I.eg:i>::  richte  danü  die  22.  ein, 
welche  vor.  ran  aa  die  einrice  :r.  diesem  Thc^le  des  rVkuT.atenlandes 
stativvi.rte  bilvJeto.   «oiv.'.    Ksr.  auch  ru^e^^ec  nirss»    iass    :m  Allge- 
mo.uen   vnui   '.vr.r.v.eU  d:e  ?.ohie  [.eg.:::  to:u  Jibr;  7"^—?»  mit  dem 
Standlaj^T  Sti^fc^sburg  .-uii  OVcrrr.c:"  s:äz.:. 

l  u*cr  Nop;uji!*to:r.  rc.^:  aber  s<'h;".i  djrch  eic^T  .^iimUsisaiid  an, 
d,\ss  er  nicht  \or  der  M:;:e  dt-s  -.  jÄhrr..  ctsi«:  <*■  i  ks".  iu-iem  die 
K»n}iAn»».toi nu'l  dts.M**.b*".i  t.a  ho:;cr<":v.  dvU'.:;s  .i^v-^ü»  v:r  .ieiier  Zeit 
nicht  voikxMinut.  V':'s:  e:w»  se  :  dc:v.  ,*Ai:r  -.T."*  --.t.-h  C:.t.  «.ri  dieselbe 
.Alis  VKv<ov  SCkiivo choic:  »rx^^ien  diis  r..c  ru  vt^pssstnls  Jiii*rbaus  bei 
KrvichJusvi;  \oiU'ie\5ii:dvr..  A'.tArc::  ur.d  Afr.v."  .:J:f7.- r.i-r.^  v-c-rsügestellt, 
So  s;oV.{  s  Vv  üvV.OÄ  ÄUi  c  -.e'.  .Utir'.i"  Vr.'.cr  '.v^shrf:  I-^f  JiirxTS  1S«\ 
Iv;  \\.h«,iv.us  No.  I.V7  v^>*.^'.  .v«;>.  4:<"-.li.  v  i.r  Irr  C.:xmödi 
Niv  us.\'  VN':  luvh  c.u  .^v.dxTc*  M.::t\  y-.::  e^  d;~  Kt  ier:<-i^"'r 
Nopt4'.n>;e;tt  .iu«.^V,w.;d  si;  .iA:.:x'v.  uv.a  :>*ir  x-sui;  diÄttlx  -  dem 
Ge!»tl«.««c«  VoU;;s.  H.Whv:  .<;:•.  c  :u-v.  \.t  S';*r  .•..es^^^  Ni-":=5  deutet. 
IV«  os>',o  N\>  ♦:\»«.*M".u«  *,^j  r.;r.^  V  Vci  .;s  :-.,v;t  .'.v-s.  .i«r  «'c<?r  schon 
11."     l;'S  ivsioiv.^K  !v.o:  «,>.;  »vM   *.•  V-s::rÄx>:  v.r.v.Vir  fcir=.    Eine 


Bömisohe  Alteriliümer  in  Heidelberg. 


31 


grosse  Menge  Parbaren  und  Freigelassene  nannten  sich  nach  ihm  P. 
Aelius  unter  Beifügung  ihres  früheren  Barbaren  —  Sdaveii  —  oder 
auch  beliebigen  andern  Namens  als  cognomen  (vergl.  z.  B.  das  Vcr- 
seichnisB  hei  Wilmanns  II  p.  302), 

Seinem  Nachfolger  wurde  als  seinem  Adoptivsohn  derselbe  Gen- 
tilname  beigelegt,  während  sein  Vorname  Titiis  war;  er  hiess  demnach 
^  T.  Aelius  Antoninus  PiuB  und  regierte  bekanntlich  von  138—161.  Nach 
ihm  setzte  in  analoger  Weise  eine  Anznhl  I'^emdor  und  Freigelassener 
ihrem  Namen  ein  T.  Aelius  vor.  Des  letzteren  Adoptivsohn  war 
Marcus  Aurelius,  der  von  161  —  180  als  Aiigustus  heirschte.  Schon  im 
Jahr  139  war  derselbe  zum  Caesar  ernannt  worden  und  hiesa  als  solcher 
M.  Aelius  Aurelius  Verus  Caesar;  als  Augustus  hiess  er  gewöhnlich 
blos  imp.  M.  Aur.  Antoninus  Aug.  (Wilmanns  No.  940  und  II  p.  512.) 

Kine  ganze  Reihe  von  allerhand  Leuten  ndoptirten  nach  ihm  den 
N&men  M.  Aurelius  (vergl.  ib,  p.  310.) 

Dieser  Kaiser  könnte  es  übrigens  auch  gewesen  sein,  welcher 
rioeni  gewissen  ^f.  Aelius  Titus,  dem  Dedikanten  einer  neuen  Milten- 
berger Inschrift,  das  Bürgerrecht  verlieh  and  ihm  damit  ihn  üblichen 
Anlass  gab  zur  Annahitn-  des  fJeschlecht^nainens  Aelius.  Wahr- 
scheinlich ist  es  aber,  dass  sich  derselbe  nach  Antonmus  Pius  An- 
fangs Titus  Aelius  nannte,  unter  Mark  Aurel  aber  das  praenomen 
des  letzteren  vor  und  in  Folg«  dessen  Titus  als  cognomen  nach- 
B<^zle.    So  verband  er  die  Namen  zweier  Kaiser  in  dem  seinigon '). 

Es  war  nämlich  Sitte,  dass  Nichtrüraei-,  wenn  ihnen  von  dem 
Kaiser  das  römische  Bürgerrecht  verliehen  wurde,  den  Geschlechts- 
namen  (gewöhnlich  auch  den  Vornamen)  des  verleilienden  IkTi-schers 
zu  dem  ihrigen  machten  und  ihren  ursprünglichen  Persoualnamcn,  der 
bei  Kelten  und  andern  Fiarharen  in  der  Regel  nur  ein  einziger  war, 
als  cognomen  beifügten  (vergh  Jahrliüclier  LH,  68).    ' 

In  dieser  Hinsicht  könnte  vielleicht  hei  unserm  Heidelberger  Steine 
auch  Mark  Aureis  Adoptivbruder  und  Mitregent,  der  übrigens  schon 
lOÖ  umgekommene  Lucius  Verus  in  Betracht  kommen,  der  als  Caesar*) 


1)  Vergl,  UrlicliB  in  diesen  Jahrbäcbern  LX,  72  und  Conrady  indcaNas- 
s&uischen  Annalen,  Band  XIV.  Da»  cognomen  Titu»  kommt  übrigens  oftur  vor 
■la  der  letztere  annimmt;  vergl.  Wilmanna  II  p.  400.  Auch  ist  tlie  Iiiachrin,  atia 
Oaterbuokea,  worauf  Calviniui  Titus  erscheint,  nach  meiner  Aiitoptie  diircliatis 
xweilclloa;  dieselbe  ist  nach  meiner  früheren  Eililion  in  der  Arch.  Zeitung  von 
1889  S.  75  auch  in  diesen  Jahrb.  LV— LYI,  \M  von  TTaug  wiedergegeben. 

S)    Dieter    L.   Aelius    Aureliua    Venia    hiesa    übrigena    uie   Cäs»r    allein, 


S3  RömiBche  Alterthüm^  in  Heidelberg. 

gloichfalls  den  Geschlechtsnamen  Aelius  führte  (vergl.  Wilmanns  n 
p,  r»l4).  Auch  Mark  Aureis  Sohn,  der  Kaiser  Commodus,  der  von 
ISO— li>2  herrschte,  nennt  sich  hie  und  da  noch  wie  er  als  Caesar 
hioss,  Aelius  (soWilmanns  No.  76, 957u.  969)  neben  seinem  gewölm- 
liohou  Namen  L  Aurelius.  Besonders  seit  dem  Jahre  191  führte  er 
den  vollständigen  Namen  Imp.  Caes.  L.  Aelius  Aurelius  Commodus. 

Gleichwohl  weist  Aelius  am  Wahrscheinlichsten  auf  Antoninus  Plus, 
wir  dies  auch  Urliehs  in  Bezug  auf  die  schon  genannte  neue  Milten- 
berger Inschrift  annimmt  (Jahrb.  LX,  72).  Der  Heidelberger  Neptuns- 
dtHÜkant  Aelius  Macer  wClrde  bei  dieser  Annahme  also  am  die  Mitte 
des  zweiten  Jahrhunderts  seinen  Namen  erhalten  haben,  während  er 
S|Mter,  d.  h.  in  den  letzten  Decennien  dieses  selben  Jahrhunderts  die 
Inschrift  setzen  half,  die  wohl  auch  die  Gründungszeit  der  Heidelberger 
BrAcko  anzeigt,  wenn  man  nämlich  die  Sigle  ARG',  die  seinem  Collegen 
als  Charge  beigoschrielK'n  ist,  in  der  angegebenen  Weise  als  Bezeich- 
nung dos  Baumeisters  erklärt.  Aber  auch  wenn  man  Valerius  Patemus 
etwa  fftr  einen  militärischen  arcArius  erklärt  und  Aelius  Macer  als 
seinen  Gehülfon  (optio),  so  könnte  die  Brücke  aus  den  Mitteln  der  Gasse 
errichtet  sein,  welcher  joner  vorstand. 

Nach  dieser  hier  entwickelten  Zeitbestimmung  fallt  die  Errichtung 
der  Brücke  in  eine  frühere  Zeit  als  die  Meilensteine,  deren  frühster  vom 
Jahr  2Ui^  uud  deren  spätester  von  253— äi»«.^  stammt.  Der  letztere  ist 
:ib«n'  nicht  nur  der  spateste  aus  hiesiger  liegend,  sondern  überhaupt 
die  letzte  d«tirl»aiv  itvlit-'^rhoinische  Injichrirt.  die  man  überhaupt  kennt, 
^abgesehen  von  der  rtimischon  Trininz  Bätien\ 

In  diesi^r  Zeit,  d.  h.  unter  Gallienus  wunlen  die  römischen  Be- 
sittuiigon  auf  dorn  roi'hton  l'fer  unsicher  uud  konnten  nur  durch  die 
Tilchtigkoit  do>*  iJegenkaisors  Tostumus  ^JC»^^— 20^'  der  bei  Galliern 
uud  deutschen  sich  Achtung  und  Gohorsani  zu  verschaäien  wosste, 
gehalton  wenten. 

IVstumus  wirkte  «war  n^vh  wahrend  seiner  lehcjährgen  Regierung 
<\\v  die  VerthoidiguMg  dei  rwhtcu  l'foii>  durch  Frbauupg  von  Kastellen, 
aber  kaum  war  er  enuv>nlct  ^^^a'«  in  ooiv.st'Ibcu  Jahre  stattfand,  wo 
HU\-h  tJaUienuH  umkan«.  d.  h.  uVv<  vgl.  W^wanus  No.  l'Xv»\  so  fielen 


(Hl  ioH»'V  K)s>olu«  ^«>KA»u(hoh  ko\i»  IVitumo  Wv»^^.  *,»s!d#r5  blo«  t»ia  Titel,  d.  h 
IIii\viiU>IkoO  K\  »»i1>wU  \x>u  \uUmuuu«  ^^•.:*  \<.»a  *-i=vr  Adoptiva  an  bloss  den 
i\W\  \uKu«»t  i»l»»i..  U«>ii  S-»  aIU'xu  Ivi'sv^v.  A»  **.':^c  ä-.«f*rr  bL^wr  I«l>t«.  nach 
tUvtaoM  Vvsl  V«»  M«lki«kav>i  uut  »low  Uiol  \u^u»tu«  wurde  ^v^L  W:'.m*BDs  no- 947). 


üeber  die  römiscben  liefeBiiguogcti  Jm  Odenwald. 


3S 


die  Deutschen  aber  dieselben  her  und  zerstörten  sie.  Ja  schon  unter 
Gallienas  selbst  wird  uns  der  Verlust  der  rechtsrheinischen  Besitzungen 
ansdrücklich bezeugt  (vergl.  Brainbach  »Baden  unter  römischer  Herr- 
schaft« S.  7),  sodass  der  letzte  der  Heidelberger  Meilensteine  in  der 
That  das  Ende  der  Römerherrschaft  im  Dekumatenlande  bezeichnet. 

Zu  derselben  Zeit  d.  h.  um  die  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts 
räumten  die  Römer  auch  die  nördlich  vom  Main  am  Pfahlgraben  ge- 
legenen Positionen  (vergl.  diese  Jahrb.  LVni,  213).  Der  Alemannen- 
sturm unter  Aurelianus  um  270  vollendete  die  Austreibung  der  Römer 
aus  dem  Grenzlande. 

Heidelberg.  C.  Christ 


3.  Ueber  die  römfschen  Befestigungen  im  Odenwald. 

Die  Richtung  der  von  einem  Strassenzug  gefolgten  römischen  Be- 
festigungslinie von  Obernburg  a.  M.  zum  Neckar,  über  Eulbach,  Würz- 
-berg,  Bullau,  Schlossau  ist  im  Allgemeinen  bekannt;  aber  vkie  viel  im 
Einzelnen  noch  zu  erfoi-ifchen  ist,  davon  möchten  die  nachfolgenden 
Mittheilungen  den  Beweis  Hefern,  deren  Verfasser  eine  kleine  Strecke 
dieser  Linie,  nämlich  die  von  Obemburg  bis  zu  dem  sogenannten 
»Heunenhaus«  seit  mehreren  Jahren  sorgfältig  untersucht  hat.  Die 
Veranlassung  hierzu  war  die  Auffindung  einer  bisher  gänzlich  unbe- 
kannten, römischen  Niederlassung  in  der  Nähe  meines  Wohnortes, 
Seckmauern,  welcher  in  einem  schmalen  Seitenthälchen  des  Mains,  an 
der  östlichen  Grenze  des  Grossherzogthums  Hessen,  2  Kilom.  von  dem 
baierischen  Städtchen  Wörth  a.  M.  entfernt  liegt.  An  der  neuen,  im 
romanischen  Styl  erbauten  Kirche  in  Seckmauern  führt  ein  Feldweg 
in  nördlicher  Richtung  nach  den  sogenannten  n Gemeindehecken«,  einem 
derzeitig  noch  niedrigen  Kiefernwald,  in  welchem  mir,  einige  Schritte 
neben  dem  Wege,  wo  diese  »Gemeindehecken«  au  den  w Wörther  Stadt- 
waldtt  grenzen,  schon  früher  eine  von  Baumwuchs  entblösste,  mit  Im- 
mergrün bewachsene  Stelle  aufgefallen  war,  an  welcher  hisweilen  Stein- 
und  Mörtelreste  zum  Vorschein  kamen  und  auf  die  Vermuthung  führ- 
ten, dass  hier  in  früheren  Zeiten  ein  Gebäude  gestanden  habe.  Jeden- 
falls niusste  dieses  aber  lUngst   zerstört  worden  sein,    denn  Niemand 

3 


34 


üebar  die  römiecheu  Befeatiguogea  im  Odenwald. 


konnte  auf  meine  Erkundigungen  die  geringste  Auskunft  geben.  Auf 
einem  Spaziergang  nahm  ich  eines  Tags  ohne  Werkzeug  eine  ober- 
flächliche Untersuchung  der  Stelle  vor,  entfernte  Immergrün  und  Moos 
und  grub  mit  dem  Stock  etwas  tiefer,  als  mir  gleich  zufälliger  Weise 
einige  römische  Gefässscherben  entgegenfielen.  Freudig  überrascht  durch 
diescu  glückliciien  Fund,  der  mir  sogleicli  die  Beweisstücke  in  die  Haml 
lieferte,  dass  au  dieser  Stelle  ein  römisches  Gebäude  gestanden  habe, 
dessen  Auffindung  ein  neues  Licht  über  die  Richtung  des  limes  im 
Odenwald  verbreitete,  begab  ich  mich  selbstverständlich  an  den  folgen- 
den Tagen  mit  den  erforderlichen  Arbeitskräften  an  die  nähere  Unter- 
suchung der  Stelle,  welche  nachfolgendes  Resultat  ergab.  Wir  fanden 
die  noch  wohl  erhaltenen  Fundamente  eines  römischen  Gebäudes,  9  Meter 
lang  und  5  Meter  breit  Die  Mauerreste  waren  theilwcise  noch  mit 
gelblichem  Tünch  oder  Mürtelbewurf  verschen,  welchen  inzwischen  der 
Regen  meistentheils  abgelöst  hat.  Bei  der  Aufsuchung  der  Mauerrich- 
tungen kam  eine  Reihe  von  nicht  uninteressanten  Funden  zum  Vor- 
schein, über  welche  ich  in  Nr.  301  und  302  der  »Neuen  Frankfurter 
Presse«  vom  3.  und  4.  November  1876  berichtet  habe,  die  sich  aber 
seitdem  noch  vermehrten.  Erwähnenswerth  erscheint  hier  ein  Stück 
einer  Amphora,  auf  welchem  sich  eine  Inschrift:  PATER  eingeritzt 
tindet.  Hinter  dem  R  ist  das  Gefassstflck  abgebrochen,  so  dass  die 
untere  Hüllte  dieses  Buchstabens  nicht  mehr  ganz  sichtbar  ist.  Wäh- 
rend ich  in  dem  oben  erwähnten  Aufsatz  dieses  PATER  für  den  Anfang 
einer  Widmung  oder  für  PATERA  hielt,  erklärte  Herr  Karl  Christ, 
der  kürzlich  mit  mir  diese  Stolle  und  meine  Fundstücke  besichtigte, 
es  bestimmt  für  den  Töpfernamen  Paternus,  der  häufig  vorkomme. 
Wichtig  ist  aber  dieses  Bruclistück  deshalb,  weil  die  eingeritzten  Buch- 
staben, etwa  3  Ccntimeter  hoch,  theihveise  eine  eigcnthümliche  Ge- 
stalt haben,  woraus  sich  vielleicht  Schlüsse  bezüglich  des  Alters  des 
Gefasses  und  der  Entwickelung  der  römischen  Cursivschrift  ziehen 
lassen.  Auf  einem  Terrasigillatagcfäss-Bruchstück  befiadet  sich  ent- 
weder ein  Satyr,  der  eine  Nymphe,  die  das  Gewand  fallen  lässt,  ver- 
folgt, kaum,  unter  Zuziehung  eines  anderen,  dazugehörigen  Bruchstückes, 
der  die  Daphne  verfolgende  Apollo.  Auf  zwei  aa<leren  Bruchstücken 
befindet  sich  ein  Vogel  (Adler?).  Ausserdem  wurden  eine  grosse  An- 
zahl von  Nägeln  in  allen  Grössen,  Eisenbruchstückc,  unter  denen  sich 
einzelne  als  Schlüssel,  Me.sser,  Pfeilspitzen  bestimmen  lassen,  dann  ein 
glattes,  viereckiges  Stück  Talkschiefer,  ein  Stück  Gelberde,  ein  Stück 
Eisenerz  und  Anderes  aufgefunden. 


üeber  die  römiaohen  Befeatigangen  im  Odenwald. 


86 


Wichtiger  als  die  Bestimmung  dieser  einzelnen  Jiindstücke  ist  die 
Frage  nach  der  ehemaligen  Bestimmung  der  ganzen  Niederlassung.  Denn 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  sind  die  bis  jetzt  aufgedeckten  Mauern 
nlnnenmaiiernu  zur  Abtheilung  der  inneren  liäume  des  Gebäudes,  während 
der  Umfang  des  Gebäudes  viel  grösser  war.  Denn  rings  um  die  aufge- 
deckte Stelle  finden  sich  noch  weitere  Trümmer  von  grösserem  Umfang, 
während  sich  etwa  10  Schritte  weiter  rechts  im  Walde  auf  einer  eben  so 
grossen  Fläche  die  Trümmer  eines  anderen  Gebäudes  zeigen,  Ton  dem  bis 
jetzt  nur  ein  kleines  Stück  Fundamentmaueru  aufgedeckt  ist.  Gehörten 
beide  Theile  zusammen,  so  bildeten  sie  ein  Gebäude  von  der  Grösse 
der  übrigen  Odenwaldkastelle;  da  nun  kein  anderes  Castell  in  der 
Nähe  ist,  an  dass  sich  die  Gebäude  als  bürgerliche  Niederlassungen 
angeschlossen  hätten,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  sie  selbst  ein 
solches  Castell  gewesen  seien.  Gewiss  ist  aber,  dass  die  römische  Be- 
festigungslinie an  dieser  Stelle  vorübergezogen  ist.  Eine  kürzere  Mit- 
theilung  über  diese  Auffindung  römischer  Gebäude  bei  Seckmauern  in 
Nr.  I2ö  der  »Mainzoitung«  von  1876  schloss  ich  mit  den  Worten:  So- 
mit ist  die  Ableitung  des  Namens  «Seckmauernu  von  dem  auf  einer 
römischen  Inschrift  zu  Waldbullau  im  Odenwald ')  vorkommenden  römi- 
schen Centurio  «Seccianus^i  sehr  wahrscheinlich ;  indessen  durch  Herrn 
K.  Christ  unterrichtet,  dass  Secco  ein  celtischer  Personenname  sei, 
müchte  ich  diese  Vermuthung  hier  dahin  präcisircn,  (da  ohne  Zweifel 
der  Ort  seinen  Namen  von  diesen  alten  Mauern  erhalten  hat,)  dass  eben 
dieser  Centurio  Seccianus  von  celtischer  Abkunft  gewesen  sei.  Da 
derselbe  nun  in  der  Nachbarschaft  einen  der  Fortuna  gewidmeten  Vo- 
tivstein  gesetzt  hat,  so  liegt  es  doch  nahe,  au  ihn  als  Gründer  oder 
Aufseher  bei  der  Erbauung  dieser  Bcfeatigungswerke  zu  denken.  Wie 
dem  nun  auch  sei,  die  Auffindung  dieser  römischen  Gebäudetrümmer 
bietet  einen  bisher  unbekannten  Anhaltspunkt  bei  der  Bestimmung  der 
Richtung  der  römischen  Befestigungslinie  und  nachdem  dieser  Punkt 
aufgefunden  war,  lag  selbstverständlich  das  Interesse  nahe,  die  Rich- 
tung dieser  Linie  nach  dem  von  hier  eine  Stunde  entfernten  Obem- 
bttsg  a.  M.  aufzufinden.  Zu  diesem  Behufe  durclisuchte  ich  wiederholt 
das  Terrain,  das  hier  meistentheils  mit  Wald  bedeckt  ist,  bis  ich  2  Kilo- 
meter von  der  römischen  Niederlassung  in  Seckmauern  in  nordöstlicher 
Richtung  in  dem  Wörther  Stadtwalde   einen  Punkt    fand,   der   ohne 


1)  Aufbewahrt  zu  Mannheim,  vgl.  Haag'a  Catalog  Nr.  22.  Auch  Knapp 
§  SS  env&hut  die  alte  Sage,  dass  Seckmauern  ^  mnras  Secciani  sei  (?).  Als 
Töpfernamen  kommt  Secco  nach  Christ  zu  Ileidelberg  vor. 


ü«ber  dia  r&miseheD  Befestiguugen  im  Odemvmld. 

ZmdUL  aadi  doe  römische  Befestigung  war    Die  Gestalt  des  1,5  M. 
ht^m  WiOes,  der  von  eioem  Graben  umgeben  ist,  ist  viereckig,  etwa 
6  Meter  in  Quadrat ;  der  Eingang,  der  ganz  kenntlich  ist,  befand  sicli 
mä  der  dem  Main  zugewend^n  Seite.  Diese  Stelle,  ganz  von  Gestrüpp 
ood  Waldbäamen  bewachsen,  war  bisher  ebenfalls  unbekannt.    Der 
Wall  iit  mit  liascn  und  Moos  bedeckt,   unter  dem  sich  das  noch   in- 
tad/t  Maucnrerk   befindet.    Dieses    kleinere,  römische   Gebäude    woi- 
offenbar   eines  jener  kleineren  Wachthäuser,  wie   sie  an  der  ganzen 
Linie  in  gleicher  Entfernung  vorkommen.    Aber  in   der  Ecke  der  hier 
an  den  Wald  angrenzenden  Felder  liegt  ebenfalls  ein  Trümmerhaufen, 
fto  dass  an  dieser  Stelle  sich  noch  ein  anderes,  grösseres  Gebäude  be- 
funden zu  haben  scheint    Von   hier  aus  suchte  ich  in  der  Richtung 
nach  Obemburg  lange  vergeblich  nach   einer  weiteren  Spur  römischer 
IkfeMtip^ung;   ich  vurroutbete  dcsshalb,  dass  sich  von  hier  aus  die  Be- 
feitigungßltnic,  den  Wald  verlassend,   schon  in  das  Mainthal  hinabgc- 
xogen  habe   und  dass   ihre  Spur   in   dem   cultivirten  Ackerlande  ver- 
lebwuridcn  sei.    Endlich  nach  vielen  Wanderungen  im  Walde  fand  ich 
dstn   weiteren    Anhaltspunkt   an   einer   höchst   merkwürdigen    Stelle, 
etwa  2  Kilometer  von  der  vorher  genannten  entfernt;  wo  die  Sandstein- 
fvlsen  des  Mainthals  nahe  an  den  Fluss  sich  herandrängen,  finden  sich 
auf  einem  Vorsfirung   mit   ausgedehnter  Aussicht   über  das  Mainthal 
und  den  Spcssart  Uehcrreste  einer  grossen  Befestigung  mit  wohlerhal- 
lenem  Wall  und  Graben,   aber  nicht  in  der  üblichen  viereckigen  Qe« 
Htalt,  Homlern  sich  an  die  Beschaffenheit  des  Terrains  anschliessend, 
welches  hier  steil  zum  Main  abfallt.    Ist  auch  diese  Befestigung  röraU 
Bchen  Ursprungs,  wofür  ich  freilich  keinen  werteren  Beweis  anführen 
kann,  als  den,  dass  sich  der  Graben  auswendig  und  der  Wall  inwendig 
bettndot,  wiUircnd  es  sich  bei  Verschanzungeii  germanischen  Ursprungs 
umgekehrt  vcrhiilt   und   dass  dieser  Punkt  vortrefflich   in    die  ganze 
liinia  passt,  auch  ganz  nach  denselben  strategischen  Rücksichten  aus- 
gcwtthlt  Ist,  die  ich  sonst  beobachtet  fand  und  die  ich  später  erörtern 
werde,  dann  ist  die  Richtung  der  römischen  Befestigungslinie  von  Obem- 
burg A.  M.  bis  zu  der  Seckmaurer  Niederlassung  im  Detail  festgestellt 
und  eine  kartographische  Aufnahme  kann  nach  unseren  Aultindungen 
kdae  Schwierigkeit  mehr  verursachen. 

Von  den  überraschenden  Resultaten  unserer  Nachforschungen  haben 

wir  seinerzeit  dem  Secretär  des  historischen  Gesammtsvereins,  Herrn  llof- 

gcrichi«advocatc.n  Dr.  Wörner  in  Darmstadt  Kenntniss  gegeben,  der 

_icht>n  auf  der  (Seneralvcr&immlung  der  historischen  Vereine  in  Wiesbaden 

\p\\  dort  einstimmig  angenommenen  Autrag  vorbeixMtcte,  dass  die  römische 


lieber  die  römiMben  Befestigangcn  im  Odenwald. 


S7 


Befestigangslinie  im  Odenwald  ueu  untersucht  und  aufgenommen  werde. 
In  Nr.  10  des  Correspondenzblattcs  des  GcsammtvereiDS  der  deutschen  Gc- 
schichts-  und  Alterthumsvcreinc  von  1876  ist  die  an  den  Verein  gestellte 
Frage  14,  also  lautend,  enthalten:  Westlich  hinter  dem  graden,  durch 
Würtcmberg  ziehenden  Pfahlgraben  liegt  auf  der  Höhe  des  Odenwalcles  vom 
Main  zum  Neckar  eine  Ileihc  von  römischen  Castellcn  und  Wallstücken, 
welche  zwar  von  Knarpp  1814  beschrieben  worden  sind,  aber  noch 
viele  Fragen  offen  lassen.  Durch  die  fortschreitende  Cultur  werden 
]hre  Spuren  immer  mehr  verwischt  und  es  müsste  als  ein  unwieder- 
bringlicher Verlust  betrachtet  werden,  wenn  das  Vorhandene  nicht  noch 
kartographisch  und  in  Dctailzeichnung  und  Beschreibuogen  festgestellt 
und'  publicirt  würde.  Es  ergeht  daher  der  Antrag,  die  Versammlung 
möge  beschliesscn,  was  sie  in  dieser  Sache  thun  kann  und  will.  Indem 
f»ir  in  dieser  Frage  nur  das  berichtigen,  dass  weder  von  den  oben  be- 
schriebenen Punkten  römischer  Befestigungen  im  Odenwalde,  noch  von 
einigen  anderen,  die  wir  noch  weiterhin  beschreiben  werden,  weder 
Knapp  noch  ein  anderer  Forscher  eine  Ahnung  hatten,  bemerken  wir, 
dass  in  Folge  jenes  Antrages  das  Präsidium  des  Gesammtvereins  der 
historischen  Vereine  beauftragt  wurde,  die  erforderlichen  Anträge  bei 
den  Regierungen  von  Baden  und  Hessen  bezflglich  der  Verwilligung 
der  nöthigen  Geldmittel  zu  stellen,  Diess  ist  geschehen;  beide  Regie- 
rungen haben  dem  Autrag  bereitwilligst  entsprochen.  Zur  Vorbereitung 
der  Untersuchung  wurden  auch  im  Mai  1877  Fragebogen  an  gcschichts- 
und  localkundige  Personen  in  der  Nähe  der  in  Frage  stehenden  Linie 
zur  Beantwortung  versendet  und  beantwortet;  aber  die  4m  Laufe 
des  Sommers  erwartete  Untersuchung  durch  den  auf  diesem  Forscher- 
gebiete rühmlichst  bekannten  Herrn  v.  Coliauaen  in  Wiesbaden  hat 
wegen  eingetretener  Hinderaisse  nicht  stattfinden  können.  Es  sind 
also  alle  unsere  Niichforschnngeu  bis  jetzt  lediglich  aus  wissenschaft- 
lichem Interesse  mit  privaten  Mitteln  bewerkstelligt,  wobei  übrigens 
der  historische  Verein  fftr  das  Grossherzogthum  Hessen  durch  gefälliges 
Schreiben  seines  Secretürs  vom  21.  Januar  1877,  des  Dr.  Freiherrn 
von  Schenk  zu  Schweinsberg  uns  zu  weiterer  Erforschung  der  rönii- 
sAen  Altcrthftmer  im  Odenwalde  im  Interesse  der  Sache  ermunterte 
und  die  bisher  bewiesene  geringe  Theilnahme  mit  der  Entfernung  und 
mit  der  geringen  Anzahl  von  Vereinsmitgliedern  entschuldigte,  welche 
fÄr  derartige  Arbeiten  die  erforderlichen  Kenntoisse  besitzen.  Ob- 
wohl wir  daher  eigentliche  Nachgrabungen  nur  mit  beschränkten 
Arbeitskräften  vornehmen  konnten,  ja  dieselben  hätten  ganz  unterlassen 
müssen,  wenn  mir  nicht  die  unermüdliche  Augdauer  meines  Sohnes, 


UelMT  dio  römtsobeo  B«fcsliguDgen  im  Odenwald. 


stud.  juris  Karl  Seeger  und  zweier  Zöglinge  zur  Seite  gestanden 
hätte,  fuhren  tvir  unverdrossen  bei  günstiger  Witterung  in  unseren 
Arbeiten  fort.  Es  handelte  sich  um  weitere  Feststellung  der  Linie  von 
Seckmauem  aus  in  südlicher  Richtung.  Etwa  1  Kilometer  von  der 
römischen  Niederlassung  in  den  Seckuiaurer  »Gemeindehecken«  in  süd- 
westlicher Richtung  waren  die  Trümmer  zweier  Gebäude  im  Wörtber 
Stadtwald  bekannt,  welche  etwa  20  Schritte  von  einander  entfernt  sind 
und  die  im  Volksmund  »Feuchte  Mauer«  genannt  werden,  ein  Ausdruck, 
welcher  wohl  dasselbe  wie  der  Ortsnamen:  Seckmauem  bedeutet.  Es  sind 
die  Trümmer  von  zwei  ganz  gewaltigen  Gebäuden ;  denn  von  der  einen 
Seite  liegen  die  Steine  4 — 5  Meter  hoch.  Die  Frage,  ob  diese  Trümmer 
römischen  Ursprungs  sind,  kann  unbedingt  bejaht  werden  ;  denn  ich 
fand  dort  di&selben  Sandsteinplatten  mit  Falz,  wahrscheinlich  Raste  einer 
Wasserleitung,  wie  in  dem  Castell  bei  Lützel-Wiebelsbach.  Dem  runden 
Umfang  der  Trümmer  nach  waren  beide  Gebäude  zwei  grosse  Wartthürnie 
(speculae)  Doppelthürme,  wie  sie  öfter  an  Rumerstrassen  vorkommen. 
Es  ist  also  nicht  zweifelhaft,  dass  die  Römerstrassc  hier  vorüberführte. 
Aber  während  die  früher  beschriebenen,  befestigten  Punkte  aUo 
einen  weiten,  freien  Ausblick  in  das  Mainthal  und  in  den  Spessart 
weit  über  die  Grenzen  des  Dekumatlandes  hinaus  gewähren  und 
offenbar  mit  der  Rücksicht  auf  die  Beobachtung  der  feindlichen 
Grenze  ausgewählt  sind,  was  auch  bei  den  übrigen,  früher  bekannten 
der  Fall  ist,  so  dass  z.  B.  Knapp  in  seinen  römischen  Denkmälern 
des  Odenwaldes  sie  schwerlich  aus  eigener  Anschauung  kannte,  wenn 
er  sie  für  rümiache  Grabthürmchen  halten  konnte,  so  gewährt  der 
letzterwähnte  Punkt,  die  »feuchte  Mauer«  keinen  Ausblick  in  das 
Mainthal;  dagegen  mündet  hier  eine  in  das  Mümlingthal  führende 
Schlucht  aus,  mit  Rücksicht  auf  welche  diese  Stelle  befestigt 
und  bewacht  wurde.  Sicher  liegen  unter  diesen  grossen  Trümmer, 
häufen  noch  viele  interessante  römische  Alter thümer  verborgen.  Von 
hier  zog  sich  die  befestigte  Linie  wieder  1  Kilom.  in  südwestlicher 
Richtung  hin  bis  zu  der  Stelle,  wo  der  Obernburgerwald  an  den  Wör- 
ther Stadtwald  angrenzt,  wo  sich  auf  dem  anstossenden  Felde  in  der 
Gemarkung  Seckmauem  eine  weitere  römische  Befestigung  befand.  Der 
Eigenthümer  dieses  Grundstücks  grub  vor  einigen  Jahren  die  grösse- 
ren Steine  aus  und  verwendete  sie  zum  Bauen;  doch  sind  die  tiefer 
liegenden  Fundamente  noch  vorhanden.  Dieses  Gebäude  war,  wie  es 
scheint,  ein  gcwühntiches,  römisches  Wachthaus.  Grössere,  geschwärzte 
Sandsteinplatten  mit  Falz,  die  jetzt  nicht  mehr  vorhanden  sind,  scheinen 
einem  unterirdischen  Heizaparat  (Uypoeaustum)  angehört  zu  haben. 


Deber  die  römisohen  BefcsliguDgea  im  Odenwald. 


30 


Dieser  Punkt  liegt  nun  wieder  ganz  auf  dem  Höhenzug  mit  weitem 
Ausblick  in  das  Maintlial  und  den  Spessait  Von  hier  ging  die  Rtch- 
t4ing  der  Linie  rein  südlich,  macht  also  einen  Bogen,  und  senkt  sich 
an  der  Grenze  der  Gemarkungen  Seckmauern  und  Lützel-Wiebelsbach 
in  eine  Schlucht,  den  sogenannten  «Kirschgraben«.  Hier  nämlich  fand 
ich  diesen  Sommer  die  weiteren  Spuren  einer  römischen  Befestigung 
aaf,  wodurch  eben  die  Richtung  der  Linie  in  der  angegebenen  Weise 
bestimmt  wird.  Auch  dieser  Punkt  ist  wieder  mit  bewunderungswür- 
digem Scharfblick  ausgewählt.  Denn  er  ist  von  der  einen  Seite  durch 
die  tiefe  Schlucht  geschützt,  deckt  den  Eingang  zum  LützelbacherThal 
aod  gewährt  einen  weiten  Uebcrblick  über  das  vorliegende  Land. 
Von  hier  geht  die  Dichtung  des  limes  in  südlicher  Richtung  weiter 
über  den  Kirschberg  hinweg  nach  dem  Lützelbacher  Castelle.  LUeses 
letztere  ist  ja  nach  seiner  Lage  und  Grösse  bekannt  und  schon  öfter 
beschrieben,  wesshalb  wir  es  hier,  wo  wir  uns  nur  mit  den  von  uns  neu 
aufgefundenen  befestigten  Punkten  bescbäftigen,  iftergehen.  Nur  das 
wollen  wir  im  Vorübergehen  bemerken,  dass  in  dem  Lützelbacher  Castell 
in  der  letzten  Zeit  recht  interessante  Funde  gemacht  worden  sind. 
So  eine  Victoria  mit  einem  Siegeskranzc,  ein  Eber  mit  einem  zu  Boden 
getretenen  Manne,  aus  dem  in  der  Gegend  vorkommenden  rothen  Sand- 
stein,' die  beide  in  das  Museum  nach  Wiesbaden  gekommen  siud. 
Neuerdings  ist  eine  1,5  Meter  lange  und  1  Meter  breite  Sandsteinplatte 
theilweise  blosgelegt  worden,  welche  zu  heben  und  bezüglich  darauf 
befindlicher  Inschrift  oder  Bild  zu  untersuchen  ich  bis  jetzt  noch  nicht 
zulängliche  Muse  gefunden  habe.  Dagegen  wurde  etwa  120  Schritte 
von  dem  genannten  Castell  in  südöstlicher  Richtung,  also  nach  der  dem 
Feindesland  zugewendeten  Seite  neuerdings  ein  römisches  Haus  blos- 
gelegt, dessen  etwa  2  Meter  tiefer  Kellerraum  mit  regelmässigem 
Schichteumauerwerk  noch  wohleihalten  ist.  In  diesem  Souterrain 
befinden  sich  einige  nach  Innen  abgerundete  Nischen,  eine  nach  Innen 
sich  erweiternde  KelleröfFnung,  wohl  zum  Einschütten  von  Vonäthcn 
dienend.  Leider  ist  dieses  römische  Haus  trotz  wiederholter  Abmah- 
Dungen  des  Verfassers  von  dem  Eigenthümer,  der  die  Steine  zum  Bauen 
benutzte,  ziemlich  devastirt  worden.  Das  Haus  war  etwa  9  Meter  lang 
und  7  Meter  breit.  Manche  bei  dem  Graben  des  Eigenthümers  zum 
Vorschein  gekommene  werthvolle  Gegenstände  sind  zerstreut  oder  zer- 
schlagen worden.  So  z.  B.  der  Stein  einer  römischen  Handmühle  aus 
rheinischer  Lava,  dessen  Bruchstücke  wir  dieser  Tage  retteten.  Auch 
die  übrigen,  in  dem  Kellerraum  zum  Vorschein  gekommenen  Gegen- 
stände habe  ich  von  dem  Eigenthümer,  um  sie  vor  Verschleuderung 


40 


Deber  die  römiecben  Befestiguogien  im  Odenwald. 


ZU  retten,  acquirirt.  Es  befinden  sich  darunter  2  höchst  interessante 
römische  Waffen,  eine  hasta  und  ein  pilum  (letzteres  zweifelhaft);  viele 
andere  Gegenstände  aus  Eisen,  deren  Bestimmung  ich  der  demnäch- 
stigen Untersuchung  durch  Fachmänner  Oberlassen  muss;  eine  grössere 
Vase  aus  terra  sigiJlata  mit  einem  Jagdstück;  ein  abgerosteter  oder 
al>gebrannter  Theil  eines  grösseren  Scbmuckgegenstandes  aus  Bronze 
oder  Silber,  eine  Gewandnadel  (fibula),  ein  Stilua,  eine  silberne  Münze 
(Denar);  leider  ist  auf  dieser  keine  Insrhrift  mehr  zu  erkennen;  nur 
auf  der  Reversseite  das  Labarnm  mit  dem  römischen  Ad  Irr  und  auf 
beiden  Seiten  zwei  Feldzeichen.  Üeber  eine  grössere  Anzahl  römischer 
Münzen,  die  bei  Miltenberg  aufgefunden  wurden,  habe  ich  in  Nr.  153  der 
N.  Frankfurter  Presse  vom  10.  Juni  1877  eingehend  berichtet  und 
namentlich  auf  die  merkwürdige  Thatsache  aufmerksam  gemacht,  dass 
diese  MQnzen  in  fast  ununterbrocher  Reihenfolge  der  Kaiser  bis  zum 
Jahre  883  vorkommen,  woraus  ich  den  Schluss  zog,  dass  die  römische 
Occupatfon  dieser  Gegenden,  wenn  auch  mit  Unterbrechungen  durch  ger- 
manische F^intälle  länger  gedauert  habe,  als  man  bisher  angenommen  hat. 

Diese  unsere  Ansicht  scheint  uns  bestätigt  zu  werden  durch  das, 
was  Herr  Karl  Christ  in  ^iner  werthvoUen  Abhandlung  über  die 
datirbaren  Inschriften  des  Odenwaldes  (in  den  Bonner  Jahrbüchern  LH) 
mittheilt  Die  dort  (Seite  94)  mitgetheilte  Inschrift,  worin  es  für  ex, 
letus  für  laetus,  libes  für  libens  geschrieben  ist,  scheint  mit  dieser  erst 
später  vorkommenden,  corrumpirten  Schreibweise  jiuch  auf  das  dritte 
oder  vierte  Jahrhundort  hinzuweisen.  Jedenfalls  findet  das  Vorkommen 
römischer  Münzen  in  einem  römischen  Castell  bis  383  p.  Chr.  die  na- 
türliche ErkUlrunp  dadurch,  dass  um  diese  Zeit  noch  oder  wieder  eine 
römische  Besatzung  vorhanden  war.  Die  Erklärung,  welche  ihr  Kreis- 
richter Conrady  in  der  Abhandlung  über  »die  römischen  Inschriften 
der  Altstadt  bei  Miltenberg«  gibt  (vgl.II.'Heft,  Band  XIV  der  Nassaui- 
schen Annalen  sub  BMünzen«)^  dass  dieses  Vorkommen  römischer  Münzen 
in  dieser  Zeit,  in  dei^angeblich  dieselGegend  schon  dauernd  in  den 
Besitz  der  Alemannen  übergegangen  war,  sich  aus  dem  Handelsverkehr 
erkläre,  der  noch  lange  zwischen  Germanen  und  Römern  bestanden 
habe,  scheint  uns  sehr  problematisch,  weil  eben  trotz  dieses  Handels- 
verkehrs bis  in  das  8.  Jahrhundert  aus  dieser  Zeit  keine  römischen  Münzen 
n>ehr  vorkommen  und  weil  es  unseres  Wissens  unerwiesen  ist,  dass  sich 
die  Germanen  nach  Vertreibung  der  Römer  römischer  Münzen  bedienten. 

Doch  kehren  wir  nach  dieser  t  Abschweifung  zu  unserer  Be- 
festigungslinie'im  Odenwald  zurück.*' Verfolgen  wir  die  Richtung  der- 
selben, welche'rein' südlich  geht,  weiter,   so  begegnen  wir  da,  wo  die 


Ueber  die  römiBcbcn  Befestigungen  im  Odenwald. 


41 


beiden  Thäler  von  Heunengrund  und  Brcitenbninn  zusaramenstossen,  und 
wo  sich  auf  dem  Kamm  des  ganzen  Höhenzuges  die  Römerstrasse  hin- 
zog, weiteren  Wachthürmen,  die  bis  zum  »Ileunenhaus«,  wo  bekanntlich 
ebenfalls  ein  römisches  Castell  war,  in  regelmässigen  Entfernungen 
wiederkehren.  Mehrere  dieser  Wachtthiirme  wurden  1877  im  Sommer 
untersucht;  es  wurden,  wie  gewöhnlich,  eine  Menge  römischer  Ziegel, 
sowie  Bruchstücke  aus  terra  sigillata  und  andere  üeberreste  von  Ge- 
lassen, aber  ohne  Legions-  oder  Töpferstempel  aufgefunden.  Noch 
müssen  wir  über  eine  ebenfalls  neu  aufgefundene  Niederlassung,  welche 
etwa  1  Kilometer  hinter  der  Richtung  der  Linie  westlich  zurückliegt, 
berichten.  Dieselbe  liegt  in  unmittelbarer  Nähe  der  Kirche  zu  Breiten- 
bmon,  auf  einer  kleinen  Anhöhe,  Steinberg  genannt.  Ks  war,  wie  es 
scheint,  eine  bürgerliche  Niederla-ssung  von  grösserem  Umfang.  Doch 
beherrscht  dieser  Punkt  das  Breitenbrunncr  Thal  und  kennte  auch 
eine  militärische  Aoiage  gewesen  .sein.  Das  Gebäude  war  nach  den 
Fundameuten,  die  diesen  Sommer  aufgedeckt  worden  sind,  etwa  22  M. 
lang  und  15  M.  breit.  Dieser  Tnnenraum  war  nun  durch  viele  Zwischen- 
mauern in  kleinere  Räumlichkeiten  abgetheilt.  Früher  wurden,  wie 
mir  der  Besitzer  des  Grundstückes  erzählte,  hier  grössere  Sandst^ein- 
platten,  mit  Sculpturen  oder  Inschriften  versehen,  denen  Niemand  Be- 
achtung schenkte,  zertrümmert  oder  zum  Bauen  verwendet, und  so  sind 
denn  auch  hier  vielleicht  recht  werthvolle  Schätze  unwiederbringlich 
verloren  gegangen.  Da  im  Jahre  1771  in  der  unmittelbaren  Nähe 
dieses  Gebäudes  an  die  Stelle  einer  kleinen  J^P^He  die  jetzige  Kirche 
gebaut  wurde,  liegt  der  Gedanke  nahe,  dass  auch  zum  Kirchenbau  die 
grösseren,  ip  der  Nähe  betindlichen  römischen  Steine  verwendet  wurden. 
Ja  es  ist  gewiss,  dass  an  der  Kirche  sich  derartiges  Material  befindet, 
da  sieb  an  vielen  Stellen  ältere,  theilweise  verkehrt  stehende  Buch- 
staben eingehauen  zeigen.  Aber  eine  zusammenhängende  Inschrift  konnten 
wir  nicht  auffinden,  was  auch  durch  den  Bewarf  der  Kirche  erschwert  ist. 
Bei  dem  Graben  nach  den  Fundamenten  kam  ein  wohlerhaltener  Teller  aus 
terra  sigillata  zum  Vorschein,  der  den  Töpferstempel :  TOCCA  f.  hat,  ein 
Töpfername,  der  an  anderen  Niederlassungen  wiederholt  aufgefunden 
wurde.  Ziegel,  Gefässstücke,  Eisentheile  u.  s.  w.,  die  ebenfalls,' den 
römischen  Ursprung  dieses  Gebäudes  unzweifelhaft  bekunden,"  sind 
ausserdem  hier  gefunden  wurden.  Es  geht  aus  unseren  Mittheilungen 
hervor,  dass  die  römischen  Niederlassungen  im  Odenwald  in  der  NUhe 
des  Uraea  viel  zahlreicher  gewesen  sind,  als  man  bis  jetzt  wu!33te."Wenü 
es  mir  gelungen  ist,  in  dem  kleinen  Umkreis  meines  Kirchensprengels 
80  fiele  bisher  unbekannte  römische  Niederlassungen   aufzufinden,  so 


43  Uob«r  die  römuohon  Befostiguogen  im  Odenwald. 

ist  gewisM  dio  Annahme  gerechtfertigt,  dass  an  der  weiteren  Unie  eben 
«0  viel  noch  unbekannt  und  unerforscht  ist.  Die  bisherigen  Anschau- 
ungen nbcr  den  Aufenthalt  der  Römer  im  Odenwald  werden  durch  die 
nfttcrn  Kutdockungon  und  Ausgrabungen,  wie  sie  namentlich  im  ver- 
floMoncn  Jahre  auch  bei  Miltenberg  stattgefunden  haben,  bedeutend 
erwcitt^t,  xum  Thcil  auch  cerrigirt  und  dürfte  sich  Tür  die  vaterlän- 
diMtho  (^«ichichtaforschung  kaum  ein  lohnenderes  und  wichtigeres  Ge- 
biet (larbiotcn,  als  der  limcs  im  Odenwald. 

Sockmaucra  i.  0.  P£arrer  Seeger. 


4>  UtMr  (0«  llMM^Frage  und  die  rtaiwbM  AtterthiMr 


IVr  w^nitohondcn  hScbst  schitibami  Abhandlung  des  Herrn 
Vfiirvxv^  $<^<»ger,  die  «ohl  gi^cignot  i$u  dieAusdctoung  and  ¥annirh- 
Cal(^tk«'<t  der  in  dopivltmn  Ijiuie  dancb  den  Odenwald  zidieikdai 
litt',<«  Anla^n  s^a  sxigxii.  mj^n»  hier  noch  einübe  F^nerkongen  beige- 
tU$<  M«K>  dy'  pNi^nM  »ein  ddnVs,  d^e  La^??  der  hes^xiebeBcs  Befesti- 
p(:!t^s  sxi  «Ser  il'sprsMi::e£  S;:sai:v'n  des^  ^lirie^  inperü  innsrbeianiis« 
jikVr  «  jei.-SÄTfff^  ier  er.  j^irjyrä:  ^s^rer.  v^r  OTWtrwfi::«»  enthielt 

SivixrjiBfrr  xxi  i>f  is>T^^r.  Kv'r.irscati.'Ka:.  a5e  r.a.r'b  Seeger 
<t>f«  i^rwi  i  ^5J:lC(^fa  >«•  tf-T  bcfftS-itec  OirU'i  Viifit.  zu:^s  TÄmtirh 
T)ar  <^i>f!T.  7'ie«;™  «c  Axf  i«-  K:Äe  c<*  CvicEr.^rjLCis  iiöeiaoie*  Forti- 

ne  3Lm»f  jynäsäSw  -rrrur  "iiifc  i>fr  X3,-i;  -»vr^T«»«!  äi.t  srü 

Tsrnit  hnm:'.n     .».  »rj  tjc  ihr  Si''  iar  ^Sn'sixyxmf.  «^  TiftoaniaHLaaies 
airra  liu  jumw  »"ifv  tx  iujc  U',iri»r«;in  tw7. 

Itiss  £.j.s:r  :*rf»nis  ütf  JLifjmuaor   it  7^£rg  ü~  t>«!r  Bat  I311» 

.    ^»r  •fiT'sp.üiaB   :3rs"&  i.    t.   ätf  "n"v««.''JV''Sw««v  Sjw   ivtm^im.   ««eis« 
IM.  li 


Ueber  die  litno»-Frag6  u.  die  römischen  AUortfaümor  aus  Obernburg  a.  Main.    43 


zarückgedräDgt  habe,  ist  ganz  unerwiesen.  Die  Alemannen  waren  viel» 
mehr  um  das  Jahr  270  unter  Aurelian  in  das  dekumatische  Land 
hereingebrochen  und  von  da  an  im  dauernden  Besitze  desselben. 

Dass  aber  gar  Kaiser  Constautin  der  Grosse  die  ganze  Ver- 
theidigungslinie  zwischen  Main  und  Donau  wiederhergestellt  habe,  und 
^äter  Julian  dies,  nachdem  sie  durch  erneute  Einfälle  der  Deutschen 
'wieder  zerstört  worden  sei,  nochmals  versucht  habe,  dies  ist  geradezu 
unrichtig.  Einzelne  Züge  dieser  und  anderer  Kaiser  über  den  Rhein 
können  hier  nicht  in  Betracht  kommen.  Jedenfalls  betrat  keiner  von 
ihnen  mehr  die  oberen  Maingegenden.  Wenn  auch  einzelne  seit  den 
Zeiten  Aurelians  verlassene  Castelle  des  rechten  Rheinufers  wiederher- 
gestellt sein  mögen,  so  war  doch  an  eine  dauernde  Besetzung  des  Zehnt- 
laades  zwischen  Rhein,  Main  und  Neckar,  sowie  des  Spessarts  nicht 
mehr  zu  denken.  Dies  bestätigen  denn  auch  durchweg  die  datirbaren 
Inschriften,  die  mit  dem  Beginn  der  zweiten  Hälfte  des  dritten  Jahr- 
hunderts hier  gänzlich  aufhören. 

Wenn  sich  nun  aber  trotzdem  spätere  römische  Münzen  in  diesem 
Gebiete  vorfinden,  ja  sogar  solche,  die  bis  in  die  letzten  Decennien  des 
vierten  Jahrhunderts  reichen,  so  dürfte  die  Erklärung  durch  den  Han- 
delsverkelir  der  Germanen  sowie  durch  von  ihnen  gemachte  Kriegsbeute 
gewiss  die  richtigste  sein, 

Die  äusserste  Grenze,  'die  man  etwa  gelten  lassen  könnte,  bis  zu 
welcher  sich  die  festen  Plätze  des  limes  mühsam  gehalten  hätten,  wäre 
der  Beginn  des  vierten  Jahrhunderts. 

Nimmt  man  dazu,  dass  dieselben  etwa  um  das  Jahr  100  p,  Chr. 
erbaut  wurden,  so  ergäben  sich  also  bis  zum  Jahr  300  volle  zwei  Jahr- 
hunderte der  Anwesenheit  der  Römer  in  diesen  Gegenden. 

Dies  spricht  denn  auch  Walt  her  in  seinen  trefftichen  hessischen 
Alterthümern  (Darmstadt  1869)  aus,  indem  er  sagt,  dass  die  limes-Be- 
Festigungen  bis  dahin  wohl  noch  nicht  definitiv  aufgegeben  waren,  aber 
das  freie  Land  sei  bereits  von  den  Alemannen  überschwemmt  gewesen, 
sodass  nun  die  Verbindungen  der  limes-Castelle  nach  dem  Rheine  und 
der  Donau,  die  faktisch  seit  270  wieder  nur  die  eigentlich  haltbare 
Reichsgrenze  waren,  zu  oft  und  zu  lange  unterbrochen  worden  sei. 

Was  die  Zeit  der  Errichtung  des  limes  betrifft,  so  wird  auch 
wieder  von  Kittel  die  ungenaue  Angabe  wiederholt,  derselbe  sei  erst 
unter  Hadrian  angelegt  worden,  während  derselbe  unter  Trajan,"um  das 
Jahr'lOOJunserer  Zeitrechnung  im  Grossen  und  Ganzen  bereits  vollen- 
det ist  ;(vgl.  meine  Bemerkungen  in  diesen  Jahrbüchern  LU,  S.  67). 
Der  weitere  Ausbau  mag  allerdings  längere  Zeit  in  Anspruch  genommen 


44    Ueber  die  Umet-Fnge  u.  die  römiacben  Alterthämer  am  Obembnrg  a.  Main. 

haben.  Man  hat  in  neuerer  Zeit  den  limes  nicht  als  eigentliches  mili- 
tärisches Werk,  sondern  blos  als  eine  Art  von  todtem  Schutzwerke  be- 
trachten wollen  fflr  das  vom  Rhein  landeinwärts  abgeschlossene  Gebiet 
(s.  Schneider  in  der  Jenaer  Literatnrzeitnng  von  1877  No.  38  gegen- 
über der  neuen  Schrift  von  Rössel  aber  den  Ffahlgraben  im  Taunus), 
dies  konnte  sich  aber  höchstens  auf  den  äussersten  vorgeschobenen  Zug 
derselben  beziehen,  den  auch  Paulus  als  blose  Demarkations-  und 
Allarmlinie  auffassen  wolKe.  Diese  vorliegende  Grenzwehr  soll  nach 
ihm  schnurgerade  gezogen  sein,  was  im  Einzelnen  nicht  mit  meinen  Unter- 
suchungen stimmt  und  auch  gegen  alle  strategischen  R^ln  verstiesse. 
Nur  die  Hanptrichtnng  war  im  Allgemeinen  gerade,  im  Besondcm  aber 
den  Terrainverhältnissen  anbequemt 

Ueberblickt  man  nun  die  parallelen  durch  Castelle,  ständige  Lager, 
kleinere  Verscfaanzungen  und  Signalthärmchen  gedeckten  beiden  Linien, 
die  zusammen  den  lime  im  Odenwalde  ausmachen,  so  muss  man  nn* 
bedingt  von  jener  Ansicht  zurückkommen  und  in  diesen  beiden  Ketten 
von  Befestigungen,  deren  jede  selbst  wieder  mehrere  Abstufungen  zeigt, 
und  die  dadurch  wieder  unter  einander  zusammenhängen,  ein  militäri- 
sches Werk  von  höchster  Vollendung  erkennen.  Die  Operationsbasis 
war  die  Linie  des  Rheines,  auf  welche  sich  die  Römer  wie  gesagt  schon 
vor  3i»  zuröckgezogen  haben,  indem  sie  nur  noch  das  linke  Rheinofer 
durch  Vorwerke  und  Allannposten  auf  dem  rechten  Uferrande  zu  decken 
suchten.    Namentlich  that  dies  Valentinian  (.369). 

Im  Jahre  371  griff  derselbe  einen  alemanni>chen  Fürsten  an, 
Makrian,  der  in  dem  Mainz  gegenüberliegenden  Landstriche  sich  nieder- 
gelassen hatte  und  schloss  einige  Jahre  später,  374  einen  Friedensbund 
mit  dem  letzten.  Seit  jener  Zeit  fand  kein  Rheinübergang  der  Römer 
in  das  Dekumatenland  mehr  Statt. 

Wenn  nun  aber  Kittel  S.  10  behauptet,  dass  seit  dem  Jahre 
374  keine  Römerherrschaft  auch  auf  dem  linken  «Rheinufer«  mehr  be- 
standen habe,  so  ist  dies  vollständig  unrichtig.  Wahrscheinlich  wollte 
derselbe  »linkes  Mainufer«  sagen. 

Ueber  alle  diese  Dinge,  besonders  über  die  tRheinuberg&nge  der 
Römer«  hat  Becker  in  so  hervorragender  Weise  in  den  Nassauischen 
.\nnalen  EVI.  X  gehandelt,  dass  sich  kaum  irgendwie  Neues  noch  hin- 
zutügen  lassen  dürfte.  .VUe  diejenigen,  welche  sich  mit  der  Geschichte 
der  Maingegendon  befassen,  müssen  diese  .Vrbeit  zu  Grunde  l^en. 

Jetzt  noch  eine  Houierkung  in  l^ezug  auf  den  obigen  Aufsatz 
von  Seeger.  Wenn  derselbe  S.  ;V>  den  Namen  eines  unbedentendcn 
Ortes  wie  Seckmauern  von  einem  römischen  Centurio  oder  gar  ans  dem 


U^ber  die  Umoa-Fnige  u.  die  römischen  Alterthümcr  aus  Obemburg  a.  Main.    46 

Keltischen  ableiten  will,  so  ist  das  sehr  kübn.  "Wie  die  Seckach  im 
t>adischen  Odenwald  und  Scckbach  bei  Frankfurt  ist  auch  Seckmaueni 
sicher  deutsch  und  verwandt  mit  dem  Worte  »sickern«  und  altdeutsch 
sSkan,  slgan,  slgen  =  versiegen,  sich  senken,  versinken,  tropfend  sich 
.'bwärts  bewegen  oder  niederrieseln,  so  dass  die  obigen  Benennungen 
af  feuchte  Lagen  deuten,  gerade  wie  die  bei  Seckmauern  im  Walde 
e^elegene  Römerstätte  »feuchte  Mauer»  (vgl.  oben  S.  38).  Seckmauern 
l^eisst  urkundüch  Sickmuren  (vgl.  Wagners  hessische  WüstuogenS.  199). 
XJies  kann  aber  auch  aus  Sickenmuren  entstanden  sein,  in  welchem  Falle 
^^s  soviel  bedeutete  wie  »zu  den  Mauren  des  Sicko*  (Kürzung  der  alt- 
<aeutschen  Mannsnamen  Sikilo,  Sigüo,  Sigfrid).  Ein  deutscher  Ansiedler 
^Bicko  (im  (Jeuitiv  Sickin)  hätte  sich  bei  den  römisclien  Bauresten,  die 
l::aier  wie  sonst,  durch  den  Ortsnamen  Mauren  (alt  mCtron  im  dat.  plur.) 
t>ezeichnet  wurden,  niedergelassen  und  so  die  Namen  »Sickin  müron« 
"^^eranlasst.  Ebenso  heisst  Seckenheim  bei  Heidelberg  urkundlich  Sickin- 
Itieim,  d.  h.  Heimstätte  eines  gewissen  Sicko. 

Gehen  wir  jetzt  zu  der  Besprechung  der  römischen  Alterthümer 
«AUS  Obernburg  über. 

Obernburg  war  eine  der  wichtigsten  Römerstationen  des  Mains 
^jnd  ist  in  Folge  dessen  auch  bekannt  durch  eine  grosse  Menge  hier 
gefundener  Antiquitäten,  worüber  die  i>Bavaria«  IV,  1.  S.  531;  Knapp 
-§44  seiner  Denkmäler  des  Odciiwaldes  (=S.  63f.  der  zweiten  Auflage 
"Von  Scriba);  Steiner  »Maingebiet«  S.  199  ff,  und  verschiedene  andere 
Schriften  zu  vergleichen  sind,  wozu  in  neuerer  Zeit  die  oben  erwähnte, 
«luf  Kosten  der  Stadt  Obemburg  veranstaltete  und  von  ihr  verlegte 
jiGeschichte  der  Stadt  Obemburg«  von  Kittel  kommt. 

Schon  durch  die  Betrachtung  des  Terrains  unterhalb  der  Stadt, 
«lern  Ausflüsse  der  Elsava  gegenüber  ergiebt  sich,  dass  hier  ein  römi- 
sches Castrum  stand.  Darauf  weist  auch  die  Lage  am  Ausgangspunkte 
«ler  römischen  Fortificatiouslinie,  die  von  hier  aus  auf  der  Mimlinghöhe, 
dem  Kamme  des  Odenwaldes  bis  nadiMudau  lief  und  die  zweite  Stufe 
des  limes  bildete,  dessen  äusserste  Demarkatiousllinic,  ebenfalls  durch 
Castelle  geschützt,  weiter  Östlich,  bei  Freudenberg  über  den  Main  zog. 
Diese  äusserste  Front  war  am  Main  durch  das  Castell  bei  Miltenberg 
geschützt.  Das  nächste  grössere  Castell  mainabwärts  an  dem  besagten 
2iTeiten,  rückwärts  liegenden  Trakte  des  limes,  war  eben  Obernburg. 
Eine  Karte,  wie  die  in  Walthers  hessischen  Alterthümern  (Darmstadt 
1869)  befiadliche,  versinnbildlicht  am  Besten  die  allgemeine  strategische 
Situation  dieser  den  limes  transrhenanus  in  so  hohem  Maasse  zu  einer 
vertbeidiguiigsfdhigen  Linie   machenden  Befestigungen,  und  gibt  auch 


46    üeber  die  liraes-Frage  u.  die  römischen  Alterthütner  aas  Oberttburg  a.  Main 

ein  deutliches  Bild  der  zugehörigen  Strassenläufe,  die  selbst  wieder 
armirte  Linien  bildeten. 

Muss  nun  hier  in  Bezug  auf  die,  auf  der  sog.  Orleshöhe  gelegenen 
Befestigungen  bei  Obernburg  auf  Kittel  verwiesen  werden,  so  ist  auf 
der  andern  Seite  Kittels  gänzlich  unhaltbarer  Ansicht  cntgegcnzu> 
treten,  dass  die  Hauptthore  des  römischen  Lagers  noch  bestünden  und 
die  jetzigen  Stadtthorc  wären!  Leider  trifl't  man  in  allen  Lokalschriflen 
dergleichen  schiefe,  längst  wicderlegte  Anschauungen  immer  und 
immer  wieder.  Die  Stelle  des  Standlagers  war  gar  nicht  die  der 
heutigen  Stadt,  sondern  liegt  wie  gesagt  vor  dem  untern  Thore  bei 
dein  neuen  Bezirksamte. 

Wie  oft  soll  es  noch  widerholt  werden,  dass  in  den  dekumati- 
schen  L'ändcrn  nirgends  mehr  ein  römischer  Bau  über  der  £rde'steht. 

Was  nun  die  standige  Besatzung  dieses  stehenden  Lagers  zu  Obern- 
burg betrifft,  60  geht  aus  den  daselbst  gefundenen  Inschriften  hervor, 
dass  zunllchst  ein  Theil  der  XXII.  Legion  dort  lag. 

1)  Der  betreffende  Stein  (bei  Brambach  1749)  wurde  schon  im 
Jahre  1760  oder  C7  gefunden  und  soll  in  die  Grafschaft  Erbach  ver- 
bracht worden  sein.  Von  Erbach,  wo  er  im  dortigen  Schlosse  nicht 
aufziifuideu  ist,  scheint  er  uns  vielmehr  damals  als  Geschenk  des 
Grafen  von  ICrbach  nach  Mannheim  gekommen  und  der  im  dortigen 
Antiquarium  no.  C2b  befindliche  Legionsstein  zu  sein  (vgL  den  Mann- 
heimer Catalog  von  Ilaug  S.  46). 

2)  Hodann  lug  zu  Obernburg  die  IV.  Cohorte  freiwilliger  römi- 
«Kther  Bürger  ( H  r  a  m b ac h  1750).  Die  cohortes  voluntariorum  civium  Ro- 
man«» um  gehörten  zu  den  Auxiliar-Cohorten  und  diese  bildeten  nicht  inte- 
grlfiind«'.  Berttniidthüilu  der  Legionen,  sondern  standen  vielmehr  als  selb- 
lUmtiK«  klüitiere  Corps  neben  denselben.  Mau  wird  nun  hiernach  leicht 
biurtlieilon  ktiniiiMi,  wie  verkehrt  es  ist,  wenn  Kittel  die  genannte 
v)«rt«  Cohorto  der  Freiwilligen  als  eine  Cohorte  der  22.  Legion  betrachtet 
und  AUii«ord(Mti  Jone  Cohorte  wieder  mit  den  gleichfalls  zu  Obemburg 
güHAndiiiien  Ahtheilungcn  der  vierten  aquitauischen  Reitercuhorte  ver- 
nMOKit  die  nur  daH(Jcuieiusume  damit  hat,  dass  sie  gleichfalls  zu  den 
illlfiicohürton  gehört. 

Vl«l  l»CMH«r  wäre  es  gewesen,  wenn  Kittel,  anstatt  diese  und 
Vlfl«  Andor«  ungenaue  Angaben  zu  machen,  nachzuforschen  versucht 
h)M(#(  WO  denn  die  von  Steiner  erwähnten  drei  Ziegelsteine,  worauf 
)#•«  ITMtltvIiilgoncoliorto  sich  nannte,  hingekommen  sind. 

IW  Jlürgei'iuoihtrr  von  Obernburg,  Herr  Krcss,  versicherte  uns, 
(H«  »ffiMi  Rchon  vor  üü  Jahren  vuti  unbekannter  Hand  aus  der  Scheune, 


üeber  die  Umes-Frage  u.  die  rönÜBoben  Aliertli&mer  aus  Obenibarg  a.  Main.    47 

WO  m  eingemauert  waren,  entführt  worden.  In  Obernbai^  befinden 
sie  sich  jedenfalls  nicht  mehr. 

Hinsichtlich  der  FreiwUligen-Cohorten  überhaupt  ist  noch  zu  be-. 
merken,  dass  sie  aus  römischen  Bürgern  aus  Italien  bestanden,  die 
Kriegsdienste  unter  den. Hilfstruppen  thaten  und  die  seit  dem  Beginn 
der  Eaiserzeit  aufkamen,  als  die  ordentliche  Rekruten-Aushebung  für 
die  Legionen  in  Italien  aufgehöi-t  hatte. 

3)  Was  nun  die  erwähnte  vierte  Reitercohorte  aus  Aquitanien  im 
südlichen  Frankreich  betrifft,  so  sind  zwei  Steinschriften  von  derselben 
zu  Obemburg  gefunden  worden. 

Die  eine  derselben  befindet  sich  noch  daselbst  eingemauert,  neben 
dem  Gasthans  zum  bayrischen  Hol  Sie  lautet  nach  unserer  dort  ge- 
nommenen Abschrift  genau  so: 

I     O-   M- 
LPETRONIVS 
FLORENTINVS 
DOMO  SALOAS 
PRAEF-COH-ilii 
AQ»EQ'-CR- 
V-SLLM 

also  =  Jovi  optimo  maximo,  Lucius  Petronius  Florentinus  domo  Sal- 
das,  praefectus  cohortis  quartae  Aquitanorum  equitatae  civium  Roma- 
norum,  votnm  solvit  laetus  libens  merito. 

Was  das  Aeussere  des  Denkmales  betrifft,  so  ist  dasselbe  ein  Altar, 
der  aber  oben  an  der  Krönung  als  Baustein  hergerichtet  ist  um  in  die 
besagte  Hausmauer  zu  passen.  Das  Inschriftfeld  ist  55  cm.  hoch  und 
ebenso  breit;  das  Material  rother  Sandstein. 

Die  Buchstaben  sind  zwar  von  gutem  Typus,  aber  ä\e  P  durchaus 
geschlossen  (vgl.  unsere  Bemerkungen  hierüber  in  diesen  Jahrbüchern 
LH,  87  u.  LXI,  16).  Die  Punkte  sind  dreieckig  und  stehn  wie  sie 
hier  angegeben  sind. 

Von  den  Buchstaben  fehlt  kein  einziger,  auch  sind  sie  alle,  abge- 
sdien  von  den  unwesentlichen  Beschädigungen  des  Steines,  ganz  deutlich, 
sodass  hiemach  Brambachs  Edition  derselben  no.  1748  etwas  zu 
modificiren  ist 

Der  donator  dieses  Altars  war  ein  Afrikaner  aus  Saldae  in  Uaure- 
tanien,  auch  Saide  genannt,  seit  Augustus  römische  C!olonie.  Die  Form 
Saldas  ist  der  daraas  gebildete  Volksname,  wofür  sonst  Salditanus  oder 


48    üeber  die  limeB-Frftge  a.  die  römiBcben  Alterthumer  aua  Obernburg  a.  Msia. 


Saldeneis  gebraucht  wird  (vgl.  Wilma nns  II,  p.  458).  Die  Heimats- 
bezeiclmung  wird  hier  durch  domo  ausgedrückt,  wie  sonst  in  der  Regel 
durch  natiooe. 

£s  hätte  auch  geschriebea  werden  können  domo  Saldis,  wobei 
der  Städtename  im  Ablativ  auf  domo  gefolgt  wäre,  oder  man  hätte 
denselben  auch  in  den  Genetiv  setzen  können,  sodass  man  Saldas  selbst 
als  griüclusclien  Genitiv  von  Saide  ansehen  könnte,  obwohl  dies  weniger 
wahrscheinlich  ist  (vgl.  Wilmanns  II,  p.  410). 

4)  Eine  weitere  Inschrift  aus  Obernburg  befindet  sich  jetzt  zu 
Aschaffenburg,  wo  sie  Brambach  verglichen  hat  (vgl.  seine  add. 
ad  no.  1747,  p.  XXXU). 

Hier  löst  nicht  der  Spender  der  obigen  ara,  d.  h.  der  Präfekt  der 
vierten  Gehörte  der  berittenen  Aquitanier  sein  Gelübde  selbst,  sondern 
dies  crfüDt  der  Cohorten-Arzt  Uubrius  Zosimus  aus  Ostia  für  des 
ersteren  Genesung.  Der  betreffende  Altar  ist  zwar  ebenfalls  dera  Jupi- 
ter in  erster  Linie  gewidmet,  aber  auch  einer  Familie  von  Heil-  und 
Badc-Gotthciten,  die  über  die  Gesundheit  der  Menschen  wachten.  Er 
ist  nämlich  dem  Apollo  und  seinem  Sohne  Aesculaptus,  der  Salus, 
des  letzteren  Tochter  und  der  Fortuna  inschriftlich  geweiht  und  ent- 
hält ausserdem  noch  die  Bildnisse  der  Fortuna,  sowie,  was  besonders 
bemerkenswerth  ist,  des  Neptunus. 

Diesen  Wassergott  trifft  man  sonst  häufig  bei  alten  römischen 
Flussübergängen,  wo  er  zum  Schutze  der  Ueberfahrenden  diente.  Eine 
solche  üebcrfalirtsstelle  mit  Neptuubikl  bi'fand  sich  auch  weiter  oben 
am  Main,  zu  Trenniui-t.  Desgleichen  stand  ein  Neptuiisheiligthum  auf 
der  römischen  Brücke  bei  Heidelberg.  Zu  Obeniburg  könnte  daher  dieser 
Altar,  der  bildlich  zugleich  dem  Neptun  und  der  Glücksgöttin  er- 
richtet war,  in  gleicher  Weise  bei  dem  römischen  üebergang  über  den 
Main  nach  dem  gegenüberliegenden  Brückenköpfe  bei  Elsenfeld  ge- 
Btanden  haben.  Fortuna  hätte  also  hier,  wie  jedes  glückliche  Ereigniss, 
80  auch  den  sichern  Üebergang  zu  leiten  gehabt.  Da  es  sich  aber  um 
die  Heilung  des  Fräfekten  handelt,  so  bezieht  sich  ihre  Function,  wie 
die  des  Neptun  auf  die  Hülfe  bei  einer  Badekur  (vergl.  Becker  im 
Frankfurter  Archiv  1865). 

Der  Name  des  Arztes  Zosimus  ist  ein  bekannter  Sklavenname. 
Sein  Gentile  Rubrius  bezeichnet  ihn  als  einen  Freigelassenen  der 
Familie  Rubria.     üeber  solche  Militärärzte,  vgl.  Jahrb.  L,  186. 

Der  Beisatz,  den  die  vierte  berittene  aquitanischc  Cohorte  neben 
dem  Volksnamen  hier  führt,  nämlich  civium  Ilomanorura,  bezieht  sich 
auf  das  römische  Bürgerrecht,  welches  dieses  Corps  von  Peregrinen 


C«ber  die  limee-Frage  n.  dje  römischen  Alterthfimer  aus  Ob«rnburg  a.  Main.    49 


oder  Nicbt-Italikem  wohl  als  Auszeichnmig  erhielt,  wie  dies  mehrfach 
bei  aas  PrcJ^nzialen  ausgehobener  Reiterei  Yorkomint 

Die  Eigenschaft  römischer  Bürger  findet  man  zwar  gewöhnlich, 
aber  nicht  immer  nur  bei  Reitercohorten  angeführt,  wie  Lehne  I,  S.  121 
meint.  Schon  ein  von  ilim  selbst  gebrachtes  Beispiel,  d.  h.  die  cohortcs 
Thracum  civ.  Roman.  (Wilmanns  2867)  spricht  dagegen.  Vollkommen 
jcht  hat  aber  Lehne,  wenn  er  sagt,  Inschriften,  wie  die  Obemburger, 
kuf  welchen  die  genannte  Eigenschaft  erwähnt  werde,  fielen  in  die  Zeit 
vor  Caracalla,  da  derselbe  allen  Provinzen  das  Bürgerrecht  verlieh,  so- 
dass von  da  an  der  Beisatz  civ.  Rom.  gegenstaodlos  geworden  wäre. 

5)  Zu  den  voi-stehenden  Inschriften,  von  denen  bei  Kittel  keine 
such  nur  erwähnt  ist,  kommt  nun  noch  eine  neue,  die  noch  nirgends 
bekannt  gemacht  wurde. 

Wir  sahen  dieselbe  bei  einem  Besuche  zu  Oberaburg  im  Sommer 
dieses  Jahres  (1877)  als  sie  gerade  von  ihrem  Fundorte,  am  Waldrande 
bei  der  Strasse  mitten  zwischen  Wort  und  Obernburg,  in  das  Stadt- 
haus letzteren  Ortes  eingebracht  worden  war.  Der  Stein  stellt  ein  Relief- 
bild des  Hercules  vor,  das  leider  zerbrochen  ist  und  darunter  steht  die 
Inschrift  auf  dem  38  cm.  breiten,  14  cm.  hohen  und  30  cm.  dicken  Sockel : 


HERCVLI 
MALIATOR 


Also  =  Ilerculi  mal(l)iator(es),  wobei  das  eine  fehlende  L  nie  auf  dem 
Sterne  gestanden  hat,  wie  ja  überhaupt  die  volksthiimliche  Form  statt 
malleatores  gebraucht  ist.  Von  der  Inschrift  fehlt  nichts,  sodass  die- 
selbe durch  ihre  Kürze  auffallend  erscheint  Dass  hier  der  Her- 
cules der  Steinbrüche  und  Bergwerke  vorliegt,  welcher  unter  dem  Bei- 
namen Saxanus  vorzugsweise  im  Brohlthal  und  seinen  Tuffsteinbnlchen 
bei  Andernach  verehrt  wurde  (seit  Römerzei ton  bekannt  durch  die  be- 
rühmten von  dort  stammenden  Lava-Mühlsteine)  ist  wohl  unzweifelhaft. 
Vgl.  Jahrb.  L,  192  und  Haug,  Mannh.  Denkst,  no.  27. 

Die  Steinbrüche  bei  Obernbürg  bestehen  dagegen  aus  gewöhn- 
lichem rothen  Sandstein,  wie  auch  unser  Denkmal. 

Hinsichtlich  des  zweiten  Worts  könnte  man  nun  die  Frage  er- 
heben, ob  dasselbe  nicht  etwa  auch  solch  einen  Beinamen  des  Hercules 
enthielte,  sodass  hier  eher  MALIATOR(i)  zu  verstehen  wäre.  Statt 
dessen  ist  aber  wie  gesagt  einfacher  maliator(es)  zu  ergänzen,  indem 
der  deutUche  Punkt  nach  dem  11  eine  Abkürzung  von  doch  wenigstens 
zwei  Buchstaben  anzuzeigen  scheint.  Hiernach  widmeten  hier  also  die 
Steinhauer,    wohl   mit  dem  ^Steinbrechen   beauftragte  Soldaten,   dem 


60    üeber  die  limea-Frage  u.  die  römischen  Alterthümer  aoB  Obernbnrg  a.  Main 

Hercules  ein  Bild,  wie  zu  Rom  die  in  der  kaiserlichei^  Münze  be- 
schäftigten Ilammerarbeiter  »malliatores«,  wie  sie  sich  dort  sdireiben, 
ebenfalls  dem  Hercules  weihen  (Wilmanns  1378  c). 

Die  Dcdikationsforroel  fehlt  hier  gänzlich,  was  öfters  vorkommt 
(z.  B.  ib.  1929  wo  die  fuUones  ebenso  widmen).  Bei  der  Annahme 
eines  Hercules  Maliator  würde  auch  der  Dedikant  fehlen. 

G)  Ein  an  gleicher  Stelle  gefundener  und  von  uns  im  Stadthaus 
zu  Obernburg  eingesehener  Stein  enthält  keine  Inschrift,  sondern  blos 
ein  Keliefbild,  aus  demselben  rothen  Sandstein  bestehend,  80  cm.  hoch, 
40  cm.  breit  und  20  cm.  dick.  Dieses  Bildwerk  stellt  den  Apollo  vor, 
jugendlich,  in  edler  Haltung  und  gutem  Style,  das  lang  herabfallende 
dichtgelockte  Flaupthaar  von  einem  hohen  runden  Haarschopfe  bekrönt. 

Die  nackte  Figur  ist  wie  gewöhnlieh  stehend  dargestellt,  auf  dem 
rechten  Beine  ruhend  und  mit  übergeschlagenem  linken  Beine.  Das 
M&ntelchen  (die  chlamys)  ist  auf  der  rechten  Schulter  befestigt,  be- 
deckt die  linke  und  fällt  hinten  hinab.  Neben  dem  Grotte  auf  seiner 
linken  Seite  steht  auf  einer  Console  die  von  ihm  gehaltene  viersaitige 
grössere  Lyra  (cithara). 

Die  KOrpcrformen  treten  in  starker  Rundung  hervor  und  sind  in 
durchaus  kAustlerischer  Weise  behandelt,  sodass  eine  photographische 
Anfnalmie  des  Bildwerkes  sehr  am  Platze  wäre. 

7)  Kinigo  zu  Obemburg  an  der  Stelle  des  römischen  Standlagers, 
beim  .\mthausc  gefundene  Töpfcrwaaren  sind  im  Besitz  des  dortigen 
Bezirksamtmannes,  bei  welchem  wir  die  mit  Namen  abschrieben: 

a)  auf  einem  schonen,  ganz  erhaltenen  Teller  von  terra  sigillata, 
der  20  cm.  Durchmesser  hält,  steht  BITVNA'S  F(ecit)  auf  der  innem 
Boitenfläohe,  wie  gewöhnlich; 

h)  auf  einem  Bruchstücke:  MARTTNVS  F,  mit  Ligatur  von 
M,  A  und  R. 

c)  auf  dem  äussern  (nntem>  Boden  zweier  lüropchen  aus  ge- 
wöhnlichem Thon  steht  einmal  NERl.  das  zweite  Mal  SATTOMS  = 
Sattonis  (.officina^  mit  Ligatur  von  A  und  T.  von  .X.  l  und  S. 

Alle  sind  bekannte  Töpfemamen.  Ueber  Nerus  vgl.  L  Becker 
im  l-Yankfurter  Archiv  von  ISiv». 

Nach  Aussage  des  Herrn  Bürgermeisters  Hess  ein  bayrischer  Major 
vor  längeren  Jahren  durch  Si^ldatcn  an  derselben  Stelle  Nach- 
grabangen  veranstalten  und  fand  dabei  eine  so  grctsse  Menge  römischer 
Töpferwaaitn,  dass  er  sie  in  einem  gn>sson  Güterwagen  wegführen 
uanto.   Wo  sind  dieselbe»  hingekommen? 

Carl  Christ 


Dattrbare  Inscbriften  ans  dem  Odenwald  und  Mainthal. 


51 


5.  Datirbare  Inschriften  aus  dem  Odenwald  und  Mainthal. 

(Fortsetzung  aus  Jahrbuch  LII  8.  62—96.) 

Bei  der  Anordnung  des  epigraphischen  Stoffes  kann  man,  je  nach 
den  spcciellen  antiquarischen  Fragen  die  man  dabei  verfolgt,  von  ver- 
schiedenen Standpunkten  ausgehn.  Während  in  den  grösseren  In- 
scliriftenwerken  die  rein  örtliche  Reihenfolge  überall  Anwendung  findet, 
muss  bei  historisch-topograpischen  Studien,  die  sich  ein  bestimmtes 
kleineres  Gebiet  als  Object  auscrwiLhlt  haben,  vor  Allem  der  chrono- 
logische Gesichtspunkt  ins  Auge  gefasst  werden. 

Nur  auf  diese  Weise  kann  die  Geschichte  eines  Gebietes  allmäh- 
lich aus  den  Quellen,  d.  h.  dem  datirbaren  inschriftlichen  Materiale 
aufgebaut  werden.  Diese  Art  der  Erforschung  der  Territorialgeschichte 
ist  um  so  mehr  angezeigt,  wenn  (wie  dies  beim  Dekumatenlande, 
dessen  nördlichster  Theil  hier  zum  Vorwurfe  dient,  der  Fall  ist)  andere 
Quellen  fast  gJlnzUch  schweigen. 

Nach  diesem  selben  chronologischen  Principe  soll  denn  nun  nach 
längerer  Unterbrechung  mit  der  Ausbeutung  der  inschriftlichen  Denk- 
mäler fortgefahren  werden,  die  aber  nicht  selbst  wieder  unter  sich  in 
zeitlicher  Ordnung  aufgezählt,  sondern  zusammengelesen  sind,  wo  und 
wie  sich  gerade  die  beste  Gelegenheit  fand  sie  unterzubringen.  Auf 
diese  Weise  mag  denn  im  strengen  Anschluss  an  die  erste  Serie  von 
Inschriften,  die  fünf  Abschnitte  enthielt,  hier  zunächst  folgen: 

VI. 
Votivaltar  aus  Trennfurt. 
In  seinem  bekannten  Werke  über  das  römische  Maiogebiet  (1834) 
S.  204  f.  handelt  Steiner  über  den  Ort  Trennfurt  am  Main  und  dessen 
Alterthümer.  Mit  Recht  weist  er  zunächst  die  lächerliche  Ableitung 
des  Namens  dieses  Ortes  von  Trajan  zurück,  indem  er  die  alte  Form 
desselben  Tribun-,  Tribin-,  Tribenford  (-fürt)  als  allein  massgebend  be- 
trachtet. Aus  dieser  älteren  Form,  die  sogar  noch  im  15,  Jahrhundert 
gebräuchlich  war  (vgl.  Wagner  »Hessische  Wüstungen«  S.  199) '),  hat 

1)  Ad  gleicher  Stelle  wird  auch  eiae  Flurbenennung  iMiltehege*  genannt, 
die  an  den  Ortsnamen  Miltenberg  erinnert;  Bodann  der  in  der  Nähe  gelegene 
Ort  Scckmauern  in  seiner  urkundlichen  Form  »Sickmnrent,  später  »Sickmauem« 
aufgeführt,  wodurch  unsere  IlerleJtung  von  dem  Worte  i  sickern •  gerechtfertigt 
wird.  Auch  wird  gleichzeitig  das  benachbarte  Wort  am  Main  in  eoiner  älteren 
Form  Werda  genannt  (Wert  =  FluBainsel). 


52 


Datirbare  Intchriften  ans  dem  Odenwald  ond  Maiothal. 


sich  die  heutige  erst  allmählich  abgeschliffen.  Die  Herleitung  des  Na- 
mens ergibt  sich  von  selbst,  wenn  man  die  durch  die  dortige  Boden- 
senkung hervorgerufene  starke  Strömung  des  Maines  beachtet,  wie  dies 
denn  auch  schon  Steiner  (ib.  S.  316)  richtig  andeutet.  Nur  hätte  er 
das  altdeutsche  Wort  trib,  das  allgcntcin  für  unser  heutiges  »Trift», 
d.  h.  Stromschnelle  gebräuchlich  war,  anführen  sollen.  Hiervon  ist  ein 
Ortsname  gebildet  mittelst  der  alten  Ableitungssilbe  -un,  um  ihn  mit 
dem  zweiten  Elemente  der  Zusammensetzung,  dem  Worte  Furt  zu 
verbinden. 

Dass  Trennfurt  schon  zu  Römerzeiten  wegen  des  seichten,  schmalen 
und  daher  eben  heftig  strömenden  Maines  eine  bequeme  Uebergangs- 
stelle  nach  dem  schräg  gegenüber! legenden  Klingenberg  gebildet  habe, 
zeigt  schon  das  daselbst  gefundene  Neptunbild  an,  das,  wie  Steiner 
richtig  bemerkt,  den  Ueberfahrenden  zum  Schutze  aufgestellt  war. 
Leider  ist  keine  Spur  mehr  von  demselben  an  der  dortigen  Kirche 
aufzufinden  und  enthalten  selbst  die  Dorfurkunden  keinen  Aufschluss 
darüber.  Vielleicht  dass  sich  im  Kirchen- Archive  des  benachbarten 
Wort  Notizen  von  dem  damaligen  Pfarrer  Zöller  vorfänden.  Nach 
ihm  war  das  Bildwerk  in  der  alten  Kirche  zu  Trennfurt  eingemauert 
gewesen,  an  deren  Stelle  aber  seitdem  eine  neue  entstanden  ist.  Nep- 
tun hielt,  wie  gewöhnlich,  darauf  den  Dreizack  in  der  Hand.  Ein 
anderes  zu  Grosskrotzenburg  weiter  unterhalb  am  Main  gefundenes 
Denkmal  Neptuns,  lässt  überhaupt  nur  noch  dies  Attribut  Neptuns  er- 
kennen (Vergl.  Steiner  ib.  S.  165). 

Zu  Trennfurt  wurde  nun  aber  im  vorigen  Jahrhundert  ausser 
jenem  Neptunsbilrie  auch  ein  römischer  Votivaltar  gefunden,  der  leider 
lange  Jahre  einer  durchaus  unwürdigen  Behandlung  durch  üeber- 
Btreichung  mit  Kalk  und  sonstiger  Verunreinigung  ausgesetzt  war.  Der- 
selbe ist  heutigen  Tags  aber  wieder  gereinigt  und  in  angemessen- 
ster Weise  freistehend  neben  dem  Eingang  zur  Kirche  aufgestellt  und 
zwar  in  ei;ier  Aussenecke  der  nördlichen  Seite  derselben.  Durch  diese 
Stellung  wird  aber  das  Sonnenlicht,  welches  man  zur  Lesung  der  fast 
ganz  verloschenen  Inschrift  dringend  bedarf,  abgehalten  und  waren 
wir  desshftlb  genöthigt  uns  eines  Spiegels  zu  bedienen  um  die  Strahlen 
aufzufangen  und  auf  den  Stein  unter  wechselndem  Winkel  refiektiren 
zu  lassen.  Nur  so  ist  es  überhaupt  möghch  noch  einige  Reste  der  In- 
schrift zu  lesen. 

Ausser  der  Schrift  ist  der  Stein  sonst  sehr  gut  erhalten  und  be- 
steht aus  gewöhnlichem  rothen  Sandstein.    Seine  Höhe  beträgt  1,10  m., 


Dfttirbare  Inschriften  ans  dem  Odenwald  und  Mainthal. 


68 


seine  grös»te  Breite  an  den  Ansladungoi  ist  70  cm.  und  die  grösste 
Did^  ebenda  43  cm.  Das  Mittelfeld  mit  der  Inschrift  ist  53  cm.  breit 
und  30  cm.  dick.  Oben  ist  der  Altar  platt,  so  dass  anzunehmen  ist 
es  habe  ein  Götterbild  darauf  gestanden.  Die  Inschnft  ist  von  einer 
eingehaaenän  Leiste  eingefasst  und  lautet  dermalen  noch  so,  wenn  man 
de  auf  die  ang^ebene  Weise  untersucht: 

I    •  O   •   M    . 

SI(L)VA(N)OCO 
N////-  DI(A)NAE 
A//////////////C 
XXIIP////////// 
AC/////N///PSVB 
CVR/////ERTIN 
IVSTIOPTDIIASPR 


COS 

Bei  der  Entdeckung  des  Steines  im  vorigen  Jahrhundert  war  die 
Schrift  desselben,  wje  sich  aus  Hans  seimann  (vgl.  Brambach  no. 
1746)  ergibt,  noch  viel  besser  erkennbar  und  müssen  daher  die  damals 
noch  vorhandenen  Buchstaben,  soweit  sie  richtig  mitgetheilt  sind,  da- 
nach ei^änzt  werden.  In  mehreren  Fällen  sind  aber  bei  jener  ersten 
Edition  gewaltige  Fehler  begangen  worden,  sowohl  in  der  Abschrift, 
als  auch  ganz  besonders  in  der  Erklärung.  Bevor  dieselben  aber 
näher  betrachtet  werden  sollen,  mag  zuerst  der  Text  folgen,  wie  er 
nach  unserer  Ansicht  ursprünglich  wirklich  gelautet  zu  haben  scheint: 


1  •  0  • 

M  . 

SILVANO 

•  CO 

N  S  •  0 1 A  N  AE        1 

AVC-VEX- 

LEG 

XXII  P  •  PF 

•ARAM 

ACSICNA 

PSVB 

CVR- MAMERTIN | 

IVSTIOPTO 

iT-ASPR 

C  •  0 

S 

a.  p.  Gbr.  212. 


•4 


DatirbarB  Inachriften  au  dem  Odenwald  und  Maiuihal. 


Diese,  unsere  Restauration  wäre  folgender  Massen  aufzulösen: 
.l(oTi)  o(ptimo)  in(aximo),  Silvano  cons(ervatori),  Dianae  ang(ustae) 
Tex(il]atio)  leg(ioni8)  XXII  p(riniigeniae)  p(iae)  £[idelis)  aram  ac  Signa 
p((Mait)  sub  car(a)  Mamertin(ii)  Justi  opt(ionis)  d(ecurionis),  n('daobus) 
A^itis)  co(D)s(iiltbQs).'' 

Die  Widmung  an  die  drei  genannten  Gottheiten  ist  nach  Hanasel- 
manns  Wiedergabe  vom  Jahr  1771  (enthalten  in  der  »Fortsetzung 
seines  Beweises«  p.  245,  gedruckt  1773)  wo  die  oberen  Zeilen  noch 
vollkommen  erhalten  waren,  unzweifelhaft.  Juppiters  Name  ist,  wie 
in  der  Regel  bei  Vereinigungen  mehrerer  Gottheiten  den  beiden  folgenden 
blos  als  oberster  Gott,  gleichsam  aus  Hochachtung  vorangestellt.  Die 
eigentliche  Widmung  galt  dagegen  den  Göttern  des  Waldes  und  der 
Jagd.  Silvanus  führt  hier  den  Beinamen  conservator  d.  h.  des  Beschützers 
vor  den  Gefahren^  welche  die  Jagd  auf  wilde  Thicre  damals  in  unseren 
Gegenden  mit  sich  brachte.  Auf  andern  Inschriften  führt  er  häufig 
ähnliche  Beinamen,  die  sich  ebenfalls  auf  den  Schutz  beziehen,  den 
er  als  Wald-  und  Feldgott  vor  Raubthieren  gewährte.  So  heist  er 
z.  B,  auch  Silvanus  Silvester,  sanctissimus  pastor  u.  s.  w.  (vgl.  Wil- 
manns  II  p.  479).  Hauptsächlich  wurde  er  als  Wölfeverscheucher 
\erehrt,  wie  ihm  denn  auch  für  Erhaltung  der  Heerden  Herbstopfer 
gebracht  wurden. 

Auf  einer  zu  Rom  gefundenen  ara  wird  er  »Silvanus  caelcstis«  ge- 
nannt (Wilmanns  no.  2481),  was  Lehne  I  S.  193  für  eine  Identifi- 
cirung  mit  Mars  caelestis  erklärt,  da  nur  Götter,  welche  einem  Pla- 
neten am  Himmelsgewölbe  vorstanden,  den  Beinamen  caelestis  » himm- 
lische geführt  hatten.  (Die  du  caelestes  sind  überhaupt  bei  Wilmanns 
no.  253  erwähnt). 

Von  besonderem  Interesse  ist  eine  niederrheinische  Inschrift,  die 
diesem  Gotte  von  einem  »ursariusa  der  30.  Legion  gewidmet  ist  und 
worauf  deon  auch  ein  Bär  als  Symbol  abgebildet  ist  (Brambach  211). 

In  ähnlicher  Weise  weihen  die  »»venatores  immunes«  der  cohortes 
praetoriae  et  urbanae  zu  Rom  der  Diana  Augusta  ein  Denkmal  (Wil- 
manns no.  1505).  unter  den  Inschriftstiftern  wird  speciell  auch  deror- 
dinatus  custos  vom  vivarium  dieser  Cohorteu  genannt,  also  von  einer 
Art  Tbiergarten,  wovon  ein  Beispiel  auch  auf  einer  an  Silvan  gerichteten 
andern  italienischen  Inschrift  erscheint  (Wilmanns  no.  95). 

Aus  diesen  und  andern  Beispielen  geht  hervor,  dass  die  römischen 
Soldaten,  die  wir  zur  Zeit  des  Friedens  sogar  auch  in  den  eigentlichen 
bürgerlichen  Gewerben  antreöen,  die  mit  dem  mihtärischen  Dienste  so 


Daiirbare  laschriftoii  aus  dorn  Odenwald  und  Maintbal.  55 

nahe  verwandte  Jägerei  walirsclieialkb  zunftmässig,  d.  h.  als  militä- 
rische Collegien  geordnet  betrieben '). 

Ein  besseres  Terrain  zur  Ausübung  dieser  Kunst  konnte  aber 
kaum  gefunden  werden,  als  dies  am  mittleren  Main  zwischen  Odenwald 
und  dem  wegen  seines  Wüdreichthums  noch  heute  hochberilhmtcn 
Spessai't  vorhanden  ist. 

So  sehen  wir  denn  auch  weiter  unterlialb  am  Main  noch  andere 
Widmungen  an  Diana  gerichtet.  Eine  Abtheiloug  d.  h.  ein  numerus 
Brittonum  et  exploratorum  Nemaningensiuui  erfüllt  ein  Gelübde  dem 
Apollo  und  der  Diana  unter  einem  centurio  der  22.  Legion  im  Jahr 
178  nach  Chr.  zu  Aschaffenburg  (Brambach  1751,  cf.  add.  ^  Wil- 
manns  1525).  Die  betreffenden  Truppentheilc  stammten  aus  England 
and  gehörten  zu  den  Hilfstruppen,  die  man  mit  den  heutigen  Fremden- 
legionen vergleichen  kann. 

Wie  diese  z.  B.  tu  Algier  auf  gefährliche  Posten,  wie  die  Grenzen 
barbarischer  Völkerstämme  vorgeschoben  werden,  so  geschah  es  auch 
mit  den  römischen  Auxiliartruppen,  die  zu  einem  grossen  Thcil  aus 
Reiteiei  bestehend,  (welche  ja  auch  heutigen  Tages  wieder  vorzugsweise 


I)  Da  di&  Widmung  an  bestimmte  Gottheitoo,  wie  wir  dies  an  den  ange- 
führten Inschriften  in  Bezug  auf  Diana  sehen,  in  der  Regel  einen  Bezug  auf  den 
Inhalt  derselben  zeigt,  so  darf  man  dies  wohl  auch  bei  einem  zu  Mannheim  auf- 
bewahrten Mainzer  Votivstoiu  annehmen,  den  Haug  nouerdiags  in  suinon  «rö- 
mischen  Denksteinen  in  Mannheim«  no.  5  besprochen  hat.  Derselbe  ist  nSmlioh 
der  Diana  geweiht  von  einem  Soldaten  der  22.  Legion,  der  das  Amt  eines 
»oustOB  basilicaec  versah.  Unter  dem  Ausdruck  basilica  wurden  in  der  Regel 
grössere  Prachtgebäude  verstanden,  besonder»  Gerichtahäuser,  aber  auch  mili- 
tärische Gebäude  von  ähnlicher  Gestalt  oder  überhaupt  von  grösseren  Dimen- 
sionen. So  wird  in  En^^land  einer  militärischen  Reitschule  dieser  Name  beigelegt 
und  dieselbe  ausdrücklich  durch  den  Beinamen  equestris  als  solohe  gekennzeichnet 
(WilmanuB  no.  755 1^ ).  Da  dies  zu  Mainz  niobt  der  Fall  ist,  so  kanu  die  Be- 
stimmung der  dortigen  basUioa  vielleicht  aus  der  Widmung  an  Diana  errathen 
werden.  Wir  hätten  hier  somit  eine  zu  Jagdzwocken  (zur  Aufbewahrung  d^r 
Waffen,  Beute  u.  a,  w.).  nach  Art  unserer  Jagdschlösschen  errichtete  und  zu 
einem  Jagdrevier  oder  Thierpark  gehörige  grössere  Gebänlicbkeit  der  22,  Legion 
vor  uns  und  der  Aufseber  derselben  hätte  ungefähr  dieselbe  Funktion  bekleidet, 
wieder  oben  genannte  Wächter  eines  Tbicrparkes.  Freilich  kanu  er  auch  mit  dem 
oastos  armorum,  dem  mililärischon  Waffen-  und  Zeugwart  vieler  andern  In- 
•oluiften  verglichen  werden,  sodass  basilica  hiernach  ein  Arsenal  im  Allgemeinen 
bezeichnen  würde,  in  welchem  wohl  auch  die  Jagdtrophaen  und  -Geräthschadea 
verwahrt  wurden. 


56  Dldiilwre  Insehriften  warn  dem  Odenwald  und  Mamtbal. 

mit  dem  Sicherhdts-  und  Aofklänrngsdienste  betraut  ist),  den  Yor- 
postendienst  in  den  Gegenden  des  limes  zn  versehen  hattet 

Die  Brittones  überhaupt,  wie  auch  die  speciell  genannten  Kund- 
Schalter  (exploratores)  aus  Brittannien  waren  als  leichte  Truppen  in 
waldbedeckten  und  gebirgigen  G^enden  hauptsächlich  zum  Siwhen 
brauchbar  und  nothwendig.  Sie  mussten  verhindern,  dass  die  Grenz- 
befestigungen nicht  unversehens  angefieülen  und  dieVertbeidigungstruppen 
nicht  flberrascht  wurden.  Ihr  Dienst  brachte  daher  schon  von  selbst 
die  Beschäftigung  mit  der  Jagd  mit  sich,  der  sie  denn  auch  wie  gesi^ 
in  den  wdten  Waldungen  des  Spessart  ganz  vorzüglich  obliegen 
konnten.  Hierauf  machte  anlässlich  der  zuletzt  genannten  Inschrift, 
hauptsachlich  der  verdienstvolle  Lehne  seiner  Zeit  aufmerksam.  Yergl. 
das  von  ihm  in  seinem  Werke  no.  63  über  die  römischen  Jagdgebräuche 
Gesagte. 

Folgen  wir  dem  Lauf  des  Hains  nun  noch  etwas  weiter  abwärts, 
so  treffen  wir  unterhalb  Aschaffenburg  auf  Seligenstadt,  wo  schon  viele 
römische  Alterthümer  zu  Tage  gekommen  sind.  Das  wichtigste  da- 
runter ist  ein  Yotivaltar,  den  ein  centurio  der  22.  Legion  im  Jahr  204 
der  Diana  Augusta  zu  Ehren  setzte  (Brambach  1406).  Die  beiden 
Seitoiflächen  desselben  sind  mit  Hirschen  und  sonstigen  Waldthieren 
geschmückt,  während  sie  bei  unserm  Trennfurter  Altare  ganz  frei  von 
bildlichen  Darstelungen  sind.  Die  beiden  Altäre  stimmen  aber  darin 
überein,  dass  sie  beide  die  Diana  »Augustau  nennen.  Mehrere  weitere 
Beispiele  derselben  stellt  Lehne  (no.  125)  zusammen.  Darunter  auch 
zwei  Inschriften  aus  Rom  (=  Wilma nns  no.  1716  und  1505,  letztere 
schon  oben  erwähnt,  aus  Gordians  K^ierungszeit,  vom  Jahr  241;  vgl 
auch  no.  235S  aus  Afrika)  u.  s.  w. 

Den  Beinamen  Augustus  und  Augusta  gab  man  aus  Schmeichelei 
gegen  das  Kaiserhaus  fast  allen  Gottheiten,  ohne  dass  ihnen  derselbe 
jedoch  als  Regel  beigelegt  worden  wäre. 

Wie  die  Herrscher  nach  ihrem  Tode  selbst  vergöttert  wurden  und 
dabei  den  Beinamen  divi  erhielten,  der  indessen  schliesslich  nichts  weiter 
als  etwa  «selig«  bedeutete,  so  gesellten  die  Römer  durch  den  Beinamen 
Augustus  ihre  Gebieter  gleichsam  lebend  den  Göttern  bei,  wie  sich 
Lehne  ausdrückt.  Offenbar  verflachte  sich  aber  auch  dieser  Ausdruck 
durch  den  häufigen  Gebrauch  zur  blossen  Formel. 

Auch  der  zu  Trennfurt  genannte  SUvanus  führt  anderwärts  viel- 
fach den  Beinamen  Augustus,  >vährend  er  an  diesem  Orte  den  sonst 
in  der  Regel  bei  Juppiter  vorkommenden  Beinamen  conservator  trägt 


Datirbare  Inachriften  aus  dem  Odenwald  itnd  Mointbal. 


67 


Vergl.  z.  B.  die  Mainzer  Inschrift  in  Beckers  Catalog  no.  6  =  Wil- 
manns  2269.  Bei  Letzterem  wird  no,  2100  auch  ciu  .Ju[»iiiter  custos 
conseryator  aufgeführt;  no.  92  und  1415  ein  Juppiter  aetemus  con- 
servator;  no.  1004  wird  derselbe  als  Erhalter  des  Kaisers  und  de^ 
ganzen  kaiserlichen  Hauses  gefeiert.  Ebenda  1481  erscheinen  in  gleicher 
Eigenschaft  überhaupt  die  »dii  conservatores  eoruma  (seil.  Augustorum). 
Auch  Mars  conser(vator)  wird  genannt,  ib.  1349. 

Nachdem  nun  die  Gottheiten,  welchen  unser  Trennfurter  Altar 
gewidmet  ist,  des  Nähern  betrachtet  wurden,  ist  es  an  der  Zeit  die 
Frage  zu  untersuchen,  wer  die  Widmenden  selbst  waren. 

Da  die  vierte  Zeile  der  Inschrift  heutigen  Tages  fast  ganz  un- 
kenntlich ist,  so  bleibt  nichts  übrig,  alsdic  bei  Uansselmann  stehende 
alte  Abschrift  zu  consultiren.  Dieselbe  bietet  nun  die  Lesung 
V1X////////R,  wobei  aber  der  letzte  Buchstabe  nicht  sicher  war,  denn 
er  soll  auch  wieder  P  vorstellen.  Hiervon  ist  aber  keines  richtig,  denn 
der  fragliche  letze  Buchstabe  der  vierten  Zeile  ist  noch  heute  in  seinem 
üntertheil  erkenntlich,  welches  nur  zu  einem  G  gehören  kann.  Ebenso 
kann  das  Hansselmann'sche  VIX  nur  unrichtig  gelesen  sein  statt 
VEX"  was  die  ganz  gewöhnliche  Abkürzung  von  vesillatio  oder  vexil- 
larius  ist  (im  Sinuc  von  Mitglied  einer  vexillatio  oder  von  Fülmdrich) 
(vergl.  Wilma nns  II  p.  735).  Das  Wort  kann  kaum  weitere  Buch- 
staben gehabt  haben  ( —  es  kommt  nämlich  auch  in  der  Abkürzung 
VEXILL  vor  — )  da  sonst  kein  Platz  auf  dem  Steine  wäre  für  ein  in 
derselben  Zeile  noch  folgendes  LEG,  dessen  letzter  Buchstabe  wie 
gesagt  noch  erkennbar  ist. 

Die  vexillationes  waren  ursprilnghch  die  Veteranencorps  der  Le- 
gionen, bei  welchen  nach  20  Dienstjahren  belcanntlich  in  der  Regel  die 
ehrenvolle  Entlassung  aus  dem  Kriegsdienste  stattfand. 

Dies  war  jedoch  nicht  immer  die  völlige  Verabschiedung,  denn  es  blie- 
ben die  ausgedienten  Soldaten  oft  auch  noch  als  besondere  Mannschaft  bei 
dem  vexillum  ihrer  Legion  im  Dienst,  wobei  sie  jedoch  von  allen  ge- 
wöhnlichen Lasten  frei  waren  und  wie  Lehne  meint  nur  den  Feldzügen 
als  «Snbsignaniu  beizuwohnen  hatten. 

Wie  nun  das  letzte  Aufgebot  als  vexillationes  zu  Abtheilungen 
vereinigt  erscheint,  so  machten  auch  die  nach  den  Völkern,  von 
welchen  sie  gebildet  wurden,  benannten  Rekruten  oder  jungen  Soldaten 
in  ihren  ersten  Dieustjahren  als  numeri,  kleinere  Hecresabtheilungen 
von  schwankender  Grösse  aus,  die  auch  Reiterei  einschlössen.  Vergl. 
Lehne  I  S.  225,  II  S.  323;  sodann  Orelli-Henzen  no.  6i393;   Diese 


58 


Datirbare  InachriileQ  aus  dem  Odenwald  und  Maiathal. 


Jahrbücher  LIl  S.  79  und  LX,  74;  Härtung  »Rom.  Auxiliartruppen 
am  Rhein«  I  S.  5  und  II  S.  7;  Wilmanns  II  p.  594—596,  wo  er 
als  dritten  Bestandtheil  der  Auxüiares  (d.  h.  neben  den  geschlossenen 
Cohortes  und  alae  derselben)  nicht  nur  die  verschiedenen  »numeri« 
der  an  sich  schon  zu  den  Hülfstruppen  gehörigen  Mannschaften  an 
Reiterei  und  Fussvolk  aufführt,  (darunter  auch  blosse  Vereinigungen 
und  Genossenschaften  von  gleichfallä  dazu  gehörigen  Soldaten  ohne 
jede  Angabe  einer  taktischen  Einheit)  sondern  auch  die  vexillationes 
im  weiteren  Sinne.  Hierunter  sind  aber  zu  besonderen  Diensten  de- 
tachirte  Abtheilungen  einer  Legion  oder  auch  eines  HüJfstruppentheUs 
zu  verstehn. 

Auf  unserer  Trennfurter  Inschrift  scheint  nun  eine  naher  be- 
stimmte Auzabl  solcher  zu  einer  vcxillatio  gehöiigen  Militärs  sich 
vereinigt  zu  haben. 

Der  grössere  Truppenkörper,  wozu  sie  gehörten,  war  die  am  läng- 
sten  unter  allen  in  Germanien  gestandene  legio  XXII  primigenia,  die 
daher  auch  weitaus  am  häufigsten  auf  den  rheinischen  Inschriften  vor- 
kommt. Besonders  in  der  späteren  Zeit  bildete  sie  die  Hauptbesatzung 
des  Dekumateulandes  bis  zum  Einbrüche  der  Alemannen  in  dasselbe 
nach  der  Mitte  des  dritten  Jahrhunderts.  Meistens  führte  sie  auch  die 
Ikinamcn  pia  Melis  (vergl.  die  Beispiele  bei  Wilmanns  II  p.  584) 
die  wir  auch  hier  ergänzen,  wenn  schon  sie  vielleicht  wegbleiben  köunten. 

Es  schien  uns  nämlich  Anfangs  beinahe  als  stände  auf  dem  Steine 
am  Schluss  der  fünften  Zeile  ein  letzter  Schimmer  von  r(IÜMI)GEN 
(also  fast  ausgeschrieben,,  wie  dies  Wort  mehrfach  auf  Inschriften  vor- 
kommt). Da  sich  aber  bei  der  gänzlichen  ÄbgeschlifFenheit  des  Endes 
dieser  Zeile  über  den  letztern  Punkt  absolut  nichts  bestimmtes  sagen 
lässt,  so  mag  nur  soviel  als  ganz  sicher  behauptet  werden,  dass  vor 
der  Zahl  am  Anfange  derselben  sich  keinerlei  Lücke  befindet,  die  mehrere 
Editionen  irrig  augeben. 

Bemerkt  mag  -m  dem  Vorhergehenden  nachträglich  noch  werden, 
dass  einzelne  Äbtheilungen  oder  Mitglieder  der  vexiUatio  der  22.  Le- 
gion auch  auf  andern  rheinischen  Inscbriftcu  crscheiucu  (so  Bram- 
bach  Ü72  und  1283).  Ebenso  eine  vexillatio  veterauorum  speciell 
(ib.  1543). 

Betrachten  wir  nun  weiter  die  6,  Zeile,  so  ist  auch  von  ihr  nur 
noch  das  Wenige,  was  oben  angegeben  ist,  sichtbar. 

Nur  der  erste  Buchstabe  ist  noch  ganz  erhalten.  Darauf  folgt, 
wie  uns  scheint,  das  llntertheil  eines  C.    Vielleicht  war  es  auch,  wie 


Datirbare  Inschriften  aus  dem  Odenwald  und  Maintbal. 


59 


Hansselmann  will,  eiu  G,  nach  welchem  ihm  zu  Folge  niui  LIGN 
kommen  solL 

Dies  soll  nach  AnderQ  bedeuten  AC  LIGNarii,  allein  offenbar  ist 
hier  falsch  gelesen  worden.  Ein  Privatgeschäft  wie  das  von  Zimnier- 
leuten  oder  Holzhändlem  (lignarii)  in  dieser  Weise  einer  militärischen 
Charge  coordinirt,  ginge  liaum  an.  Zudem  erscheinen  die  Zimraer- 
leate  inschriftlich  nicht  unter  diesem  Namen,  sondern  als  »fabri  tignarii« 
oder  «tignoarüti  gewöhnlich  unter  der  Abkürzung  TIGN.  Vergl.  bei 
WLlmanns  II  p.  633  die  collegia  fabrum  tig.  et  dendrophoruiu. 

Auch  auf  einer  Inschrift  aus  üedderoheim  bei  Frankfurt  (Brara- 
bach  1447)  ist  die  Zunft  der  Zimmerleute  bezeugt  als  coUegium 
TIGN.  Ihr  gewöhnliches  Vorkommen  als  Iiiuimg  beweist,  wie  wichtig 
dieselben  als  Bauführer  und  Bauunternehmer  waren. 

Aber  nicht  allein  als  civiles,  sondern  auch  als  militärisches  CoUeg, 
kommen  derlei  Architekte  vor,  denn  die  baioli  einer  anderen  rheinischen 
Inchrift  sind  eine  Gesellschaft  von  Pionicrn  und  vielleicht  dieselben, 
welche  anderwärts  tignarii  und  dendrophori  genannt  werden.  Auf  der 
betreffenden  Inschrift  (Brambach  602  =  Wil mann s  1520)  vom  Jahr 
246,  sowie  auf  einer  zweiten  vom  Jahr  239  (Branib.  693  =  Wil m, 
1527)  erscheinen  überhaupt  eine  ganze  Reihe  solcher  militärischen  Ge- 
nossenschaften, hauptsächlich  von  Fahnenträgern. 

An  der  Spitze  steht  das  collegium  Victoriensium  signiferorum,  zu 
Ehren  der  Schutzgöttin  Victoria  genannt.  Hierauf  folgen  die  imaginifcrl 
dcrCohorten  und  die  vexillarii  der  Centurien,  endlich  die  baioli.  Statt 
der  Signiferi  erscheinen  auf  der  zweiten  der  genannten  Inschriften 
neben  den  vexillarii  die  imaginiferi,  offenbar  in  gleicher  Bedeutung, 
wie  dies  Urlichs  in  diesen  Jahrbüchern  LX  S.  G5  vortrefflich  ausfuhrt 
(Ein  baiulus  auch  auf  einer  Mainzer  Inschrift,  bei  Brambach  1008.) 

Betrachten  wir  nun  die  6.  Zeile  unserer  Trennfurter  Inschrift  mit 
Rücksicht  auf  das  eben  Gesagte,  so  wird  man  hiernach  zu  der  An- 
aahme veranlasst,  es  habe  hier  AC"  SIGN"  gestandeD,^sodass  also  statt 
S  ^chUch  ein  Lvon  Hansselmann  überliefert  worden  ist.  Da  nun 
aber  die  Sigle  SIGN*  für  signiier  ganz  gewöhnlich  ist,  so  würden  sich 
vexillarii  (Fähndriche)  AC  SIGNiferi  ergeben.  So  scheint  in  der  That 
Knapp  im  Jahr  1813  (§  107_seiuer  Denkmäler  des  Odenwaldes)  wo  er 
von  einem  Signifer  der  22.  Legion  spricht,  ohne  unsere  Inschrift  indessen 
mitzutheilen,  noch  gesehen  zu  haben.  Heutigen  Tages  ist  aber  wie  gesagt, 
nur  noch  das  N  von  diesem  Worte  zu  erkennen,  vor  welchem  der  Raum- 
vertheilung  nach  gerade  drei  Buchstaben  gänzlich  abgeschliffen  sind. 


€0 


Dutirbare  laBctuiften  aus  dem  Odenwald  und  Mainthkl. 


Da  nun  aber  auch  nach  jenem  N  Raum  für  einen  odei*  zwei  Buch- 
staben voi'bamien  ist  und  wie  wir  constatirt  zu  haben  glauben,  dort  ein  P 
stand,  dessen  Haken  noch  übrig  ist,  so  ist  doch  hiermit  wohl  be* 
vdesen,  dass  die  Dedikatiousformel,  für  welche  sonst  nirgends  auf  der 
Inschrift  Platz  wäre,  in  der  G.  Zeile  an  der  angegebenen  Stelle  ge- 
standen hat. 

In  vielen  Fällen  bestand  dieselbe  nun  aber  nicht  allein  in  dem 
die  Widmung  aussprechenden  Zeilworte  (posuit)  sondern  auch  der  Ge- 
genstand derselben  wurde  ausdrücklich  benannt,  wenn  derselbe  auch  in 
der  Regel,  weil  er  sich  selbst  der  Wahrnehmung  darstellte,  wegblieb. 

Nun  ist  die  Sigle  A  welche  diese  Zeile  anfängt  in  der  Geltung  ara 
bekannt;  das  folgende  C  könnte  für  cum  stehn,  worauf  dann  wie  gesagt, 
SIGN.  P.  kommen  wilrde,  also  im  Ganzen  naram  cum  signis  posuit«, 
eine  sehr  bekannte  Formel. 

Die  Signa  würden  die  ehemals  jedenfalls  darauf  gestandenen  Götter- 
bilder oder  Stallten  des  Silvanus  und  der  Diana  bedeuten.  Noch  wahrschein- 
licher wird  mau  annehmen,  dass  das  Wort  aram  (vielleicht  auch  aedem) 
ausgeschrieben  oder  abgekürzt  zu  AR.  (resp.  zu  AED.)  noch  am  Ende 
der  !).  Zeile  stand  und  dass  dann  in  der  6.  folgte  AC  SIGNA  P(osuit) 
SVB  II  CVIl(a)  etc.  Möglich  wäre  hier  aber  auch  AG(rum)  SIGNA  etc. 
(vcrgl.  solche  agri  bei  Wilm.  no.  95  und  862'). 

Von  dem  nun  in  der  7.  Zeile  stehenden  Namen  Mamertin.  (viel- 
jptcht  Geschlochtsnamen  Mamertinius)  sind  leider  heutigen  Tages  die 
drei  engten  Buchst^ibeii  gänzlich  verwischt,  während  zu  Hansseim anns 
Zciicti,  wenigsttnis  noch  das  erste  M  vorhanden  war.  Von  den  drei 
folgenden  ERT  sind  nur  noch  Spui-en  vorhanden  und  bloss  die  beiden 
letzten  d.  h.  IN  stehen  noch  ganz  da. 

1)  Daa  Wort  ager  (agrum)  findet  man  auch  sonst  in  der  Abkürzung  AG. 
(ro«p.  AOR.)  Vorgl.  Wilraanns  II  p.  711,  besoaders  aber  eine  iDschrift  aoa 
ObrlKbnim  am  Ncolcar  und  «u  Mannheim  aufbewahrt,  auf  welcher  steht:  AED. 
BltJN.  AGIl,  1  IUI.  Hier  ist  einer  Kapelle  Merkurs  mit  Götterbild  noch  ein  ager  bn- 
gofflgl,  il.  b.  oin  kleiner  Becirk  um  das  IJeiligthum,  ähnlich  wie  besonder«  bei 
OmbiloineQ  ,'ftr«a,  locus  u.  dgl.  vorkommen  (vgl.  Wilm,  II.  p.  678  f.  wo  z.  B. 
nu.  9084.  »Jugern  agri  plus  minus  IUI,  ita  uti  dcpalatum  est«  auf  einer  italie> 
iilaobiiii  Inscltrirt).  Der  geweihte  Bezirk  wird  hier  bestimmt  durch  das  bekannte  Zeichen 
iliiN  «oimt  tv'iiturift  btnloutct.  Da  nun  aber  dieses  Wort  in  der  hier  allein  raög- 
Jlcluin  llcdiMitung  von  Laudtnaass  eine  ganze  Landschaft  ergeben  würde,  so  haben 
wir  b«i  Iluug  QO.  10  Jenes  Zeichen  für  einen  Sicilicus  erklärt,  was  als  V4» 
«biiHmuiit  mohrfauh  vorkommt  (z.  B.  bei  Wilm.  2875).  Hier  wäre  es  =  '/«e 
Jugprum,  was  mit  4  multiplioirt  =3  Vis  =*  1  "'^•»a  macht. 


Datirbare  Inschriften  bub  dem  Odenwald  und  Mainthal. 


61 


Als  cognomen  kommt  Mamcrtinus  (bei  Wilraanns  no.  134  und 
1419)  auch  im  Namen  römischer  Consuln  vor.  Die  Consuln  des  Jahres 
182  nach  Chr.  waren  nämlich  Maraertinus  und  Rufus;  die  des  Jahres 
362  waren  Mamertinus  und  Nebitta.  liier  gilt  Mamerlinus  als  Stamm- 
name, obgleich  er  eigentlich  wie  das  folgende  zweite  cognomen  Justus 
Personalnfime  ist.  Ebenso  z.  B.  hcisst  der  Stifter  eines  zu  Mannheim 
befindlichen  Altars  Mansufetus  Natalis  (bei  Hang  no.  83).  Beispiele 
hierzu  gibt  es  überall.  Mau  kann  aber  auch  Justi  als  Genitiv  fassen 
und  filius  ergänzen  wie  beim  Namen  Cambo  Justi  des  dortigen  Mu- 
seums (Haug  9).  Die  Formel  sub  cura  hczeiehnet  den  Auftrag,  welchen 
der  Genannte  von  Seiten  des  Detachements  erhalten  hatte  das  Denkmal 
ODter  seiner  Ohsorge  zu  errichten.  (Vergl.  über  diese  und  ähnliche 
Formeln  Wilmanns  II  p.  706.)  Diese  Corporation  tritt  hier  in  der- 
selben Weise  als  Dedikantin  auf  wie  der  dedicirende  numerus  anderer, 
schon  erwähnter  Inschriften. 

Betrachten  wir  nun  schliesslich  die  mit  etwas  kleineren  Buch- 
staben geschriebene  und  noch  ziemlich  gut  erhaltene  8.  Zeile,  so  wird 
darin  zunächst  die  Charge  des  Mamertinus  Justus  aufgeführt,  und 
zwar  in  der  Sigle  OPT*  D*  die  von  dem  Correspondenten  Hanssei- 
manns nicht  erkannt  wurde,  da  er  den  ersten  Buchstaben  irrthümlich 
für  ein  G  hielt,  während  er  gauz  deutlich  das  Untertheil  eines  0  ist. 
Auch  von  den  folgenden  3  Bachstaben  sind  die  Köpfe  heutigen  Tages 
abgeschliffen,  so  dass  ihre  sichere  Bestimmung  nur  mit  Hülfe  jener 
froheren  Abschrift  ermöglicht  wird.  Der  erste,  welcher  erkannte,  dasa 
die  Sigle  OPT  hier  wie  gewöhnlich  optio  bedeute,  war  Wiener  in 
seiner  Schrift  «de  legione  XXII«  (Darmstadt  1830)  p.  110. 

Ganz  unerklärt  wurde  aber  bisher  die  folgende  Sigle  D  gelassen, 
deren  Obertheil  übrigens  wie  gesagt  ebenfalls  abgerieben  ist.  In  ihr  kann 
nur  eine  nähere  Bestimmung  des  optio  enthalten  qein  und  zwar,  da 
sie  sonst  in  der  Regel  decurio  bedeutet,  wird  man  also  hier  einen  optio 
decurionis  anzunehmen  haben. 

Ein  decurio  war  bekanntlich  bei  der  Legions-  wie  Hilfs- Reiterei 
ein  Befehlshaber  von  anfangs  10  Reitern.  In  der  spätem  Zeit  waren 
es  aber  mehr,  besonders  bei  der  leichten  oder  Hilfsreiterei,  die  meistens 
stärker  war  als  die  legionäre.  Lehne  II  S.  283  nimmt  an,  dass  unter 
den  Kaisem  ein  decurio  33  Mann  d.  h.  die  Hälfte  einer  turma  oder 
Schwadorn  befehligt  habe,  da  bei  jeder  turma,  die  damals  aus  6G  Reitern 
bestanden  habe,  drei  Dekurionen  gewesen  seien,  wovon  der  erstgewäblte 
•ber  die  ganze  turma  commandirte.  Die  Zahl  der  Mannschaft,  wie  er  richtig 
beifügt,  war  aber  unter  den  Hdfstruppen  wahrscheinlich  sehr  ungleich. 


Ca  Osliriiare  Intdriftoi  aoa  dem  Odenwald  und  MainthaL 

Zn  den  letzt»«n  irerden  non,  wie  gesagt  die  TexiDatianes  (jaa 
Shme  TOD  Detachements  im  AllgemeineD  gerechnet}  venn  sie  andi  nnr 
anxiKi  im  ireiter»  Sinne,  d.  h.  L^onssoldaten  and  ik  solche  römiache 
Baiser  varen  und  nicht  Peregrinen  (oder  Nicht-ItalikerX  wie  die 
c^ntlichen  aoxilians. 

Da  eine  Rotte  derselben  auf  unserer  Inschrift  onter  einem  decnrio 
steht,  so  sind  sie  hier  als  Reiter  charaktefisirt  wie  sie  ja  überiianpt 
zum  gfossten  Theil  ans  Reiteret  bestanden,  die  als  besondere  Abthei- 
Inngen  von  den  Legionen  nndCohorten.  die  dieBesatrong  einer  Proyinz 
hildHen,  an  bedrohte  Pimkte  und  zn  Expeditionen  in  benadihaite  Pro- 
Tinzen  detachirt  wnnlen. 

Das  Detachement  in  sdner  Gesammtheit  stand  anter  einem  dnx, 
der  als  solcher  inschriftlich  Tcrschiedene  Male  erwähnt  wird  (veigl. 
Wilmanns  II  p.  ö^).  Man  künme  dem  zn  Folge  annehrn*«,  es  nenne 
sich  anf  unserer  Trennfarter  Inschrift  ein  optio  dncis.  wogegen  sachlich 
wohl  nichts  einzuwenden  w-2re.  allein  der  Umstand,  dass  doch  nicht 
die  ganze  Tcxillatio  der  22.  Legion  hi«r  am  Maine  gestanden  haben 
wild,  indem  sie  ja  auch  noch  anf  andern  rheinischen  Ibsduiften  nach- 
wäsbar  ist,  spricht  doch  gegen  die  .Annahme  einer  so  hohen  Giaige. 
Ausseidem  wire  in  diesem  Falle  das  Wort  sich«-  der  Deatlichk^t 
wegen  in  Doc  abgekflrzt  worden. 

Bfittelst  D  alkin  konnte  man  hier  doch  wohl  nnr  an  decorio 
denken. 

Nach  dieser  .Annahme  hätte  also  ein  kleineres  an  den  Main  de- 
tachirtes  Commando.  eine  einzelne  decoria  der  ganzen  vexiDatio,  anter 
Obsorge  des  optio  d.  h.  nach  heutigem  miüläriachän  .Aosdinck  des 
locum  tenens  oiior  Lieuui.uts  des  Decuronen  ^^t«^  des  Rittmeisters) 
unser  Denkmal  errichtet. 

Die  decuria  war  die  kleinste  Abtheilung  die  bei  der  Rdterd  über- 
haupt bestand.  Wie  oben  bemerkt  wunie.  war  si-e  die  Hälfte  einer 
turma  und  wurvle  wie  dies^  gewöhnlich  nach  ihr»  Dekurionen  benannt; 
Tergl.  z.  R  tunna  Longin:  «.l^eckor.  Mainxer  Museam  no.217);  turma 
Sillari  (ib.  li^^k  eN*n?o  decuria  Capitonis  aoi  eicer  verlorenen  3laiazer 
Inschrift  O'^rambach  UV^l. 

Die  bCH4i$te  K:nboit,  d.  h.  die  al^u  Jas  ganze  Reite?«!irps  wurde  dm- 
gegen  in  der  Regel  nach  den  Vc»Ikerscha:^en  becacnt.  aus  denen  es  ge- 
hiViet  war.  s.  R.  dit'  a!a  H-^'uxa  oder  HispaBorun  i^rergL  Hang, 
Mannheimer  Denksteine  «a  4P  aScr  auA  a!a  .Aurana  genannt,  so 
auf  einem  Militärviiplom  v.^Viimancs  a«x  :^7V  • 


Datirbare  Inachriften  ans  dem  Odenwald  und  Mainthal. 


63 


Es  kommen  nämlich  verschiedene  Fälle  vor,  dass  auch  die  alae 
nach  ihren  Führern  (Präfekten)  genannt  wurden;  so  z.  B.  ala  Rusonis 
(Haag  no,  42).  Gewöhnlich  ist  in  diesem  Falle  ein  Adjektiv  auf  -iana 
gebildet,  z.  B.  ala  Indiana,  eine  der  beiden  alaeTrcvcrorum,  nach  einem 
Trierer,  Namens  Julius  Indus  benannt  (vergl.  Wilmanns  II  p.  593, 
wo  auch  eine  ala  Longinia  genannt  wird). 

Endlich  bleibt  noch  eine  Möglichkeit  übrig,  auf  unserer  Trennfurter 
Inscbriil  den  optio  D.  zu  erklären,  nämlich  durch  »optioduplariorum«. 

Die  duplarii  oder  duplicarii  waren  bekanntlich  Doppelsöldner, 
Soldaten  die  zur  Belohnung,  wenn  sie  sich  ausgezeichnet  hatten,  mit 
doppelter  Getreideration  und  doppeltem  Solde  begünstigt  wurden  (vgl, 
diese  Jahrbücher  LVII,  S.  7G  und  die  Beispiele  bei  Wilmanns  II, 
p.  507—598). 

Diese  Auszeichnung  wurde  auch  Veteranen  zu  Thcil,  wie  denn 
z.  B.  zu  Mainz  einem  solchen  duplarius,  einem  Veteranen  der  22.  Legion 
von  einem  optio  derselben  Legion  ein  Grabstein  gesetzt  wurde 
(Brambach  no.  1081). 

Für  unsern  Fall  würde  dies  also  vortrefflich  passen,  indem  die 
vexillationes  in  engerer  Bedeutung  ja  ebenfalls  Veteranen  waren. 

Auf  einem  andern  Mainzer  Monument  (Brambach  1304)  scheint 
zudem  dieSigleD  ebenfalls  duplarius  zu  bedeuten.  Wenigstens  nimmt 
diesUrlichs  in  diesen  Jahrbüchern  LX,  S.  G8  an,  wie  in  einem  zweifel- 
haften Falle  auch  Wilmanns  no.  1489.  Da  dies  Wort  sonst  aber  in 
der  Regel  durch  dup.  oder  dupl.  abgekürzt  wird  (vgl.  Wi Im.  II,  p- 718), 
80  kann  diese  Conjektur  natürlich  nur  mit  Reserve  in  Aussicht  ge- 
nommen werden. 

Wäre  auf  unserer  Inschrift  die  Sigle  D  nicht  so  sicher  durch  die 
inehrerwähnte  Abschrift  aus  dem  vorigen  Jahrb.  überliefert,  so  könnte 
man  bei  dem  heutigen  Zustand  derselben  beinahe  versucht  sein,  sie  für 
ein  S  zu  halten.  Hierdurch  hätten  wir  in  Verbindung  mit  der  obigen 
Lesung  vexillarii  etc.  AC  SIGN(iferi  legionis)  einen  Gehülfen  der 
Fahnen-  oder  Zeichenträger  gewonnen.  Ein  solcher  optio  signiferorura 
kommt  auf  einem  Grabstein  zu  Mainz  vor  (Brambach  1048).  Vgl.  da- 
zu Lehne  no.  318,  wo  er  bemerkt,  die  »römischen  signa  waren  so 
schwer,  daSs  es  natürlich  ist,  dass  die  Träger  (die  übrigens  nur  aus 
den  besten  und  tapfersten  Kriegern  genommen  wurden)  eines  Stellver- 
treters bedurften,  der  ihnen  die  Mühe  erleichterte  und  sie  überhaupt 
bei  Verhinderung  ersetzen  rausste«. 

Ueber  die  Bedeutung  des  Wortes  optio  im  Allgemeinen  handelt 


64  DfttirlMre  Inaohriften  sna  dem  Od^iwftld  und  Mküithal. 

derselbe  no.  23  (=  Brambach  1301).  Eine  ganze  Reihe  solcher 
optiones  militärischen  Charakters  zählt  Wilmanns  II,  p.  600  aul. 
Ebenda  p.  571  sind  solche  als  Verwalter  von  Civilämtem  zasammen- 
gestcUt    Eine  Anzahl  Signiferi  und  vexillarii  vgl.  ib.  p.  602. 

Was  endlich  die  Datirung  unserer  Trennfurter  Inschrift  betrifll, 
so  f&llt  dieselbe  unzweifelhaft  in  das  Jahr  212,  wo  die  zwei  Aspri  Con- 
suln  waren  (U  hier  in  Ziffern  geschrieben,  ohne  dass  aber  der  gewöhn- 
liche wagerechte  Strich  aber  der  Zahl  noch,  wie  z.  B.  bei  Brambach 
no.  385,  erhalten  w&re).  Das  R  in  dem  Namen  derselben  ist  hier 
ebenso  wenig  wie  das  B  am  £nd^  von  Zeile  6,  kleiner  als  die  flbrigen 
Buchstaben.  In  der  letzten  Zeile  ist  die  Sigle  OOS  (consulibus)  durch 
Punkte  getrennt,  was  sonst  nicht  gebräuchlich  ist.  Der  Grund  war 
offenbar  nur  der  die  drei  Buchstaben,  welche,  obwohl  nicht  grosser  wie 
die  andern,  doch  fast  die  ganze  Breite  des  Raumes  unter  der  fibrigen 
Inschrift  einnehmen,  dadurch  weiter  auseinanderzuzidben  und  so  richtig 
tu  vertheUen. 

Heidelberg.  Carl  Christ 


6.  Die  AusgrabuRgea  bei  Bonn  vor  dem  Cöhier  Thor  in  Heriwtl876  ')• 

HiersQ  Tafel  lU— H. 

D.    Eine  römische  gemalte  Wand. 

Bei  den  Grundarbeiten  für  die  neue  Klinik  in  Bonn  sind  im 
Herbste  ISTO  eine  grosse  Anzahl  Bruchstücke «)  von  römischem  Wand- 
bewurfe  aufgefunden  worden.  Da  sich  durch  Zusammensetzen  derselben 
die  Composition  der  gesammten  Zimmerdecoration  wenigstens  im  Allge- 
meinen feststellen  liess,  so  sind  diese  Stücke  für  die  Beurtheilnng  der 
römischen  Wandmalerei  in  den  Rheinlanden  von  hervorragendem  In- 
teresse, Wir  werden  es  daher  dem  Vorstände  unseres  Vereins  Dank 
wissen,  dass  er  keine  Kosten  gescheut  hat,  um  dieselben  durch  eine 
wflTxiige  Publication  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen  und  sie  der 
Wissenschaft  selbst  dann  zu  erhalten,  wenn  die  Originale  zerfallen 
sein  sollten. 

Die  Bruchstücke  sind  2.30  M.  unter  der  heutigen  Erdoberfläche  längs 
der  Säd-  und  Westmauer  des  östlicheren  der  beiden  römischen  Gebäude 

V  S.  Hoft  UX  S.  29  ff.,  LX  &  Tö. 

2^  Oi<wlb«B  beficden  sich  im  rniver»it«t£inujeam  riwiaisrlifr  AHcrthümer 
ni  Bonn. 


Die  AusgrabuD^n  bei  Bonn  vor  dem  Cölnor  Thor  im  Herbat  1876,       65 

aufgefunden  worden  '),  deren  Grundrisse  im  59.  Heft  Taf.  II  abgebildet 
sind,  und  haben  daruTn  walirscheinlich  den  von  diesen  Mauern  einge- 
schlossenen Raum  geschmückt.  Eine  kleine  Ausgrabung,  welche  im  Fe- 
bruar vorigen  Jahres  auf  Kosten  des  bonner  Provinzialmuseums  unter 
meiner  Leitung  angestellt  wurde,  ergab  für  beide  Mauern  eine  Länge  von 
sechs  Metern  im  Lichten.  Im  Uebrigen  verweise  ich  für  die  architek- 
tonischen Fragen  auf  den  Aufsatz  des  Herrn  General  von  Veith  (Bon- 
ner Jahrbücher  59  S.  31  ff.).  Ich  beschränke  mich  auf  die  Beschrei- 
bung der  Malereien  selbst  und  auf  die  Darlegung  der  Gründe,  welche 
mich  bei  der  Zusammensetzung  der  Bruchstücke  leiteten. 

Schwarze  mit  farbigen  Ornamenten  gezierte  .Pilaster  theilen  die 
VVandtläche,  welche  roth  gestrichen  ist,  in  einzelne  Felder,  Ueber  den 
rothen  Feldern  befinden  sich  Friede  von  schwarzem  Grund  mit  weissen 
Ranken  und  Amazonenkämpfen,  über  den  Pilastern  gelbe  Felder  mit 
rothen  Verzierungen.  Die  gelben  Felder  und  Friese  begrenzt  ein  grüner 
Streifen;  an  diesen  stüsst  das  Gesims  an,  welches  die  Decke  trug.  — 
Unter  den  rothen  Feldern  und  den  schwarzen  Pilastern  zog  sich  ein 
breiter  Sockel  liin,  welcher  schwarz  gefärbt  ist  unter  den  rothen  Fel- 
dern, roth  .unter  den  schwarzen  Pilastern.  Die  Decke  war  weiss  ge- 
strichen und  mit  rothen,  grünen,  schwarzen  Einfassungslinien  und  rothen 
Ranken  mit  grünen  Blättern  geziert '). 

Den  Beweis  für  diese  Beschreibung  soll  eine  Besprechung  der 
Tafeln  III  und  IV  erbringen»  auf  weichen  die  Bruchstücke  in  sechs- 
facher Verkleinerung  abgebildet  sind.  Die  rothen  von  weissen  Linien 
«ngefassten  Flächen  werden  durch  einen  schwarzen,  0,30  M.  breiten 
Pil&ster  getrennt.  Auf  diesem  erhebt  sich  ein  Aufhau,  welcher  am 
ehesten  aufeinander  gestellten  Schirmen  gleicht,  aber  in  die  Reihe  der 
phantasti-sch  umgebildeten  Kandelaber  gehört,  welche  sich  sehr  zahl- 
reich auf  den  pompejanischen  Wänden  finden.  Vögel  und  geflügelten 
Panthern  ähnliche  Thiere  mit  phantastischen  Köpfen  sitzen  auf  Ranken, 
welche  aus  dem  Stamme  des  Kandelabers  hervorwachsen,  unter  den 
Schinnd&chern.     Auf  dem  obersten  Schirmdach  steht  eine  Schale,  aus 


,  1)  Nor  die  auf  Taf,  V  und  "VI  als  Nummer  7  nnd  ß  aligebildeten  Stücke 
■ind  am  weetlichea  Gebäude  gefunden  ;  sie  sind  von  Herrn  Geaeral  von  Veith 
s.  B.  0.  S.  37  bcapruchen.  Sie  ^büren  einer  viel  Bpäteren  Zeit  als  die  Brticb- 
stficke  des  ÖBilichen  Gebäudes  an;  dio  Farben  Bclieinen  mir  nicht  a  fresco  aufge- 
tragen zu  Min. 

2)  Die  zur  Decke  geUöreuden  Stücke  haben  nur  eine  Stftrke  vün  0,006  M. 

5 


66       Die  Änsgimlmi^ten  bei  Bonn  tot  dem  Cölner  TlK>r  im  Herbet  1876. 

der  ein  Vogel  zu  trinken  scheint,  anf  den  folgenden  zwei  perspectirisch 
gezeichnete  Scheiben. 

Ueber  dem  Pilaster,  von  ihm  darch  eine  weisse  Linie  geschieden, 
befindet  sich  ein  0,18  M.  hohes  gelbes  Fdd,  auf  welchem  man  Theile 
Ton  roth  gemalten  Gegenständen  gewahrt  Der  Yei^leich  mit  Frag- 
menten von  zwei  anderen  dieser  gelben  Felder  (Taf.  Y  and  VI  6a 
und  b)  macht  es  wahrschdnlich,  dass  ein  stehendes  and  ein  li^endes 
zierliches  Deckelgef&ss  daT^estellt  ist,  wie  sich  solche  auf  pompejani- 
schen  Wänden,*  and  zwar  an  ähnlichen  Stdlen  Tiel&ch  finden.  An  da» 
gelbe  Feld  schliesscn  rechts  und  links  schwarze  Friese  an:  der  linke 
ist  mit  einer  weissen  Ranke  geziert,  der  rechte  mit  Amazonenkämpfen. 
Anf  die  Besprechung  der  letzteren  komme  ich  unten  zurück. 

Ueber  den  Friesen  und  dem  gelben  Felde  läuft  ein  etwa  0,045 
M.  breiter  grflner  Streifen.  An  diesen  Streifen  stösst  das  Gesims  an. 
Dasselbe  hat  eine  Höhe  yon  0,17  M.  und  erhebt  sich  0,015—0,08  M. 
aber  die  Wandfliche;  es  ist  mit  einer  graugelben  Farbe  übenM^en 
und  auf  seiner  unteren  geradflächigen  Hallte  sind  aufsteigende  Pal- 
metten eingepresst  Dass  das  Gesimsstück  unmittelbar  an  den  grünen 
Streifen  ansetzt,  beweist  ein  Rest  grüner  Farbe,  welcher  sich  an  einem 
Gesimsbruchstflck  erhalten  hat  Und  noch  zwingender  ist  folgender 
Grund.  Die  oberen  Schichten  des  Gesimses  besteben  aus  einer  rüth- 
liehen  Masse,  der  Bewurf  der  übrigen  Wand  ist  weiss;  nur  in  dem  grünen 
Streifen  und  in  der  anstossenden  Hälfte  der  Friese  finden  sich  einzelne 
Stellen,  wo  der  Bewurf  ebenfalls  theilweise  aus  jener  röthlichen  Masse 
besteht.  Das  findet  nur  seine  Erklärung,  wenn  die  genannten  Theile 
unmittelbar  unter  dem  Gesims  lagen.  Beim  Auftragen  der  Masse  für 
das  Gesims,  welches  fnlher  gearbeitet  wurde  als  die  oberen  Schichten 
der  übrigen  Wand,  ist  der  Bewurf  an  einigen  Stellen  zu  tief  aufgetragen 
worden.  —  Oben  auf  dem  Gesims  sieht  man  deutlich  Einschnitte 
zur  Aufnahme  von  Latten,  welche  die  Decke  tragen. 

Aus  dem  unteren  Theile  der  Wand  sind  nur  wonige  Bruchstücke 
erhalten,  aber  allgemeinere  Erwägungen  werden  uns  auch  hier  die 
Composition  erkennen  lassen.  Selbstverständlich  reichten  die  rothen 
Wandfelder  und  die  Pilaster  nicht  bis  unmittelbar  auf  den  Fussboden, 
sondern  es  waren  diese,  wie  es  ein  gesunder  Sinn  für  Decoration  for- 
dert und  sämmtlichc  pompejanische  Wände  zeigen,  auf  einen  hohen 
Sockel  gestellt.  Nun  ist  für  einige  Bruchstücke  mit  rothen  und  schwarzen 
Feldern,  welche  durch  einen  grünen  IStreifen  getrennt  werden,  in  der 
oberen  Abtheilung  der  Wand  schlechterdings  kein  Platz  zu  finden;  sie 


Die  Aolgrabungen  bei  Bonn  vor  dem  C51n«r  Thor  im  Herbst  1876.        67 


müssen  dem  unteren  Theile  derselben  angehört  haben,  und  hier  finden 
sie  leicht  ihre  Einordnung.  Die  rothen  Felder  sind  die  untersten  Theile 
der  rothen  Wandfläehen,  die  schwarzen  die  obersten  Theile  des  Sockels. 
Denn  dass  der  Sockel  vrenigstens  zum  Theil  schwarz  gefärbt  war,  lehrt 
sowohl  das  Stück  k,  wie  die  Stacke  g,  h,  i.  Diese  haben  unzweifelhaft 
zam  Sockel  gehört:  das  Stück  k,  weil  seine  ilntere  Hälfte  unbemalt 
ist,  also  an  den  Fussboden  angestossen  haben  muss;  die  anderen,  weil 
sie  mit  einer  grossen  grünen  Blattpflanze  geziert  sind,  die  nach 
Massgabe  der  pompejanlschen  Malerei  ausschliesslich  zum  Schmuck 
des  Sockels  verwendet  worden  ist.  —  Andererseits  aber  wird  durch 
das  Fragment  m  gezeigt,  welches  ebenfalls  an  den  Fussboden  anstiesB, 
dass  der  Sockel  theil  weise  auch  roth  gefärbt  war.  Die  Schwierigkeit, 
in  der  wir  uns  zu  befinden  scheinen,  löst  das  Stück  l,  welches  nur 
dabin  erklärt  werden  kann,  dass  der  Sockel  schwarz  gestrichen  war 
QQter  den  rothen  Feldern,  roth  unter  den  schwarzen  Pilastern,  — 

Dies  ist  die  Composition  der  Wand  in  ihrer  Ausdehnung  von 
oben  nach  unten.  Für  die  Frage  nach  dem  Schmuck  der  Wände  in 
ihrer  Längenausdehnung  wird  es  vortheilhaft  sein,  zunächst  die  noch 
nicht  erwähnten  Bruchstücke  einzeln  zu  betrachten. 

Ausser  dem  beschriebenen  Pilastcr  sind  noch  Fragmente  von  drei 
anderen  Pilastern  aufgefunden  worden;  von  diesen  haben  zwei  dieselbe 
Breite  wie  der  schon  beschrieliene,  der  dritte  überragt  dieselben  um 
zehn  Centimeter.  Alle  weichen  in  Einzelheiten  von  einander  ab,  aber 
gleichen  sich  insofern,  als  auf  allen  ein  stilisirter  Candelaber  mit  grossen 
Schirmdächern  dargestellt  ist. 

Von  den  schmäleren  Pilastern  bietet  das  grössere  Interesse  der- 
jenige, von  welchem  auf  Taf.  V  'unter  n.  2  vier  unzusammenhäogende 
Theile  abgebildet  sind.  Hier  werden  die  Schirmdächer,  auf  welchen 
tbeils  Fültliönier  theils  Urnen  stehen,  von  langgeatreckten  stilisirten 
Figuren  auf  dem  Kopf  getragen.  Die  Figur  b  c  ist  unzweifelhaft  männ- 
lich, ein  Chiton  hängt  über  ihrer  linken  Schulter.  Die  Figur  d 
ist  vollkommen  nackt  und  auf  dem  Kopfe  mit  einer  rothen  Mütze  be- 
kleidet. Auf  dem  Fragment  a  ist,  wie  ich  glaube,  der  Kopf  einer 
Schlange  zu  erkennen. 

Einfacher  ist,  soweit  die  arge  Verstümmelung  einen  Schluss  erlaubt, 
die  Malerei  des  anderen  schmalen  Pfeilers  (Taf.  V  u.  VI,  3).  Zwischen 
je  zwei  Schirmdächern  grosse  Rankenornamente,  an  den  Enden  der 
Schirmdächer  herabhängende  Schleifen.  An  dem  Stamm  des  Cande- 
labers  ist  mit  einem  Bande  ein  grüner,  gelb  eingefasster  Gegenstand 


68       Die  Ausgrabungen  bei  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  ini  Ilerbat  1876. 

angehußden,  welcher  leider  zu  stark  fragmentirt  ist^  als  dass  man  seine 
Bedeutung  erkennen  könnte. 

Am  reichsten  ausgestattet  ist  der  breiteste  Pfeiler  (Taf.  V  u.  VI,  4). 
Auf  eckigen  Postamenten,  welche  auf  das  Schirmdach  aufgesetzt  sind, 
stehen  rechts  und  links  vom  Candelaberschaft  je  ein  Amor  —  von  dem 
rechten  sind  nur  die  Beine  bis  zum  Knie  erhalten  —  und  giessen  aus 
Urnen  Wasser  herab.  Unter  den  Schirmdächern  sieht  man  jugeudliche 
Köpfchen  mit  grünen  Mützen.  Da  diese  Köpfchen  nicht,  wie  es  auf 
den  ersten  Blick  scheinen  könnte,  an  den  herabhängenden  Biändern  be- 
festigt -eind,  80  müssen  sie  zu  freistehenden  Figuren  gehurt  haben. 

Die  drei  Fragmente,  welche  als  Nummer  5  der  genannten  Tafeln 
abgebildet  sind,  rühren  von  der  Einfassung  einer  Thiir  her.  Dies  zeigt 
das  abgestumpfte  Profil. 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Beti'achtung  der  mit  Kämpfen  von 
Amazonen  und  Griechen  geschmückten  Friese.  Die  Amazonen  sind  an 
der  rothen  Mithra,  an  den  Doppeläxten  und  den  ovalen,  oben  ausge- 
schnittenen Schilden  kenntlich  und  meist  mit  einem  grünen  oder  grau- 
grünen Chiton  bekleidet.  Die  Griechen  sind  in  voller  Rüstung.  Sic 
tragen  stiiblerne  Helme  mit  grossen  Federbüschen,  stählerne  Brust- 
'  hämische,  unter  welchen  der  Chiton  herabhängt  und  stählerne  Bein- 
schieneUj  an  den  Füssen  Saodalen.  Das  Schwert  hängt  bald  an  der 
rechten,  bald  an  der  linken  Seite.  In  der  Rechten  führen  sie  Lanzen, 
am  linken  Arm  länglich  runde  Schilde.  Die  Griechen  kämpfen  nur 
ZU  Fuss,  die  Amazonen  zu  Fuss  und  zu  Pferde.  Die  Pferde  sind  über 
der  Stirn  mit  einem  Hurn  geschmückt.  Das  Hörn  ist  deutlich  zu  er- 
kennen und  es  bleibt  der  Gedanke  ausgeschlossen,  es  sei  etwa  nach 
der  in  der  Campanischen  Malerei  gebräuchlichen  Manier  die  Mähne  auf 
der  Stirn  in  ein  Büschel  zusammengenommen.  Freilich  weiss  ich  für 
das  Hörn  als  Stirnschnmck  aus  den  antiken  Monumenten  kein  Bei- 
spiel anzuführen,  dagegen  sah  ich  denselbe  vor  Kurzem  in  Rom  am 
Pferde  eines  Campagnolen. 

Von  dem  Amazonenkampfe  sind  uns  vier  unzusammenhängende 
Bruchstücke  erhalten. 

Taf.  Ol  u.IV  zeigt  uns  zwei  Einzelkämpfe  zwischen  je  einem  Griechen 
und  einer  reitenden  Amazone.  Links  erwartet  ein  Grieche  in  fester 
Stellung  eine  mit  geschwungener  Doppelaxt  auf  ihn  zustürmende  nackte 
Amazone.  Rechts  wird  eine  Amazone  von  einem  (»riechen  verfolgt.  Die 
Amazone  wendet  sich  fliehend  nach  dem  Verfolger  um,  um  sich  zu  ver- 
thetdigen. 


Die  Änsgrabungen  bei  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  im  Herbst  1876.        69 

Eine  Gruppe  von  drei  Figuren  enthält  das  Stück  P  auf  Taf.  V, 
welches  in  den  Farben  am  besten  erhalten  ist.  Ganz  links  eine  Ama- 
zone zu  Fuss,  deren  Chiton  auf  der  Schulter  gelöst  ist  und  die  linke 
Seite  frei  lässt.  Die  Doppclaxt  in  der  Rechten  schwingend  eilt  sie 
ihrem  Gegner  entgegen.  Nach  ihrer  Gefährtin  zurückblickend  reitet 
eine  andere  Amazone  nach  rechts  gegen  einen  Griechen,  der  mit  ein* 
gestemmter  Lanze  ihren  Anprall  erwartet. 

Die  Stücke  1*  und  1"  sind  stark  fragmentirt.  !•  enthält  einen 
Zweikampf  zwischen  einer  Amazone  zu  Fuss  und  einem  Griechen,  1°  eine 
nach  links  reitende  Amazone. 

Dies  sind  die  Stücke,  welche  uns  für  die  ßeconstruction  der 
Längenaosdehnung  zur  Vei^ügung  stehen.  Leider  hat  man  auf  die 
Fundorte  derselben  nicht  genügend  geachtet  und  dadurch  der  Recon- 
struction  die  sichersten  Anhaltspunkte  entzogen.  Nur  wird  mit  Be- 
stimmtheit versichert,  dass  die  auf  Taf.  III  und  IV  abgebildeten  Pi- 
lasterfragmente  a,  b,  c,  d  einige  Meter  entfernt  von  den  andern  mit 
Pantfaern  und  Vögeln  gezierten  Pilastcrstücken  gelegen  hätten;  so  wird 
es  wahrscheinlich,  dass  diese  Stücke  nicht  alle  zu  einem  Pfeiler  gehurt, 
sondern  dass  zwei  gleiche  Pfeiler  vorhanden  waren.  Ferner  hat  zweifellos 
der  Amazonenfries  die  Mitte  der  Wand  eingenommen,  dagegen  ist  der 
Bankenfries  in  die  £cke  der  Wand  verlaufen.  Demnach  ist  der  auf  Taf.  III 
und  IV  abgebildete  Pfeiler  ziemlich  an  das  FiUde  der  Wand  zu  setzen  und 
ein  ihm  entsprechender  Pfeiler  mit  anschliessendem  Rankenfries  für  das 
andere  Ende  der  Wand  anzunehmen.  Da  nun  die  Länge  des  Ranken- 
frieses etwa  0,45  M.,  die  Breite  des  Pilasters  0,30  M.  beträgt  und  anderer- 
seits die  ganze  Wand  wahrscheinlich  eine  Länge  von  6  Meter  hatte,  so 
liegt  zwischen  den  Pilastern  eine  freie  Wandfiäche  von  4,50  M.  Diese 
grosse  Fläche  fordert  noch  eine  weitere  Gliederung,  aber  sie  giebt  Raum 
nicht  für  zwei,  sondern  nur  für  einen  Pilaster.  Für  diesen  Pilaster,  welcher 
die  Mitte  der  ganzen  Wand  einnehme,  würde  sich  der  breite,  reich 
ausgestattete  Pilaster  auf  Taf.  V,  4  besonders  eignen.  Wir  erhielten  als- 
dann eine  Breite  von  2,05  M.  für  die  zwischen  den  Pilastern  liegenden  Felder. 

Trifft  diese  Anordnung  das  Richtige,  so  bildeten  die  Pilaster  auf 
Taf.  V  n.  2  und  3  den  Schmuck  der  anderen  Wände.  Aber  wie  ich 
die^  nur  als  Vermuthung  hinstelle,  so  bemerke  ich  auch,  dass  die 
auf  der  Taf.  III  angenommene  Höhe  der  Wand  durchaus  auf  keinem 
Beweise  beruht:  denn  wir  können  nicht  ermitteln,  wie  hoch  der  Sockel, 
wie  hoch  die  Pilaster  waren. 

Noch  ist  die  Frage  zu  beantworten,  ob  die  rothen  Flächen  unserer 


M         Die  Ajflgrakiacsa  ieL  Bobl  «qc  isB.  Cäinar  Gor  3il  Hbö«  L?3IL 


Waad  mit  GenäldoL  &  freaeo  s^,en  weil  Di^  i«s  aoeb  is 
Germanien  daa  Verf^Itrei  Genäliie  aof  £e  Wud  xz  maLea  ibEck  «w, 
basen  äch  axhere  Beveiae  aikfibreo. 

Zanädisc  die  sedete  HjQe  des  Aasoosc  £«ui  äese  ist  die 
p<>eciacbe  Aiciaiining  eäes  fiznrairadifli  Waalaenüläes.  «ek&es  Aswa 
im  Treiimom  exnea  Trierer  Hxoäes  ^eaäen  hat.  D«ägefise  5ttlhe  Amor 
dar,  vie  er  ron  den  Heroinen,  wekae  a.  Lebzecen  iKrch  Lesern  G«tt 
geUUea,  um  in  der  üotervdt  aas  Badie  an  eine  Mrrtke  feagämi- 
den  wird. 

Ferner  Bmchstficke  toq  zwei  Gemilden.  Das  eiae  ist  die  tob 
Bone ')  im  Torigen  Hdte  dieser  Jahrtücha'  pabbcirte  I^usceilung  etnor 
weiblichen  Figur,  welche  nenenüngs  Eigenthom  des  ProfiuialmBäewms 
zu  Trier  gewordea  iit.     Erhalten  öt  der  Koi^  der  en  £ue  ge^Qt 

l)  VAer  die  Aoffindong  dieses  Bfldriifiw  od  dca  in—  1 1  ii  ZwUad 
deaaelben  buh  ick  den  Aogmlxn  Bone'«  ein^ea  lüz^zoföfen.  Dm  IMiirhrn  iat 
TOT  etw»  zwanzig  Jahren  ron  einem  noch  jetzt  in  Trier  lebenden  Herra.  »ekhei 
daanla  allerlisnd  Alterthöaier  Hunmelte,  in  Trier  Ton  einem  Etiler Baoem  an- 
gekauft worden.  Wober  der  Bauer  dasKlbe  erbahea.  wnaate  mir  jener  Herr 
iriefat  aazogeben  nnd  die  Äuaage  Bone'i,  der  Baoer  bsbe  ericiärt.  es  ilannnft 
aas  FliesseaSr  mnis  demnach  fnr  einen  Irrthnm  gdten.  Dagegen  macht  der 
Umstand,  dasi  ein  einfacher  Baoer  das  Klddien  verkaoft  hat  und  nodi 
dazu  für  einen  Spottpreis,  es  onzweifdhaft,  dass  dasselbe  einheimischen  Fand- 
ortes ist  und  nicht  etwa  aas  Italien  stammt.  Herr  Domcapitolar  T.Wilmowskj 
hatte  die  grosse  Freundlichkeit  mir  mitzutheilen,  daas  nach  seinem  Dafürhalten 
das  Stück  in  Trier  beim  Baa  des  Redemptoristen-Klosters  gefunden  sei:  wenig- 
stens seien  um  jene  Zeit,  als  das  Bildchen  aoflaachte,  ebenda  riele  Freseobruch- 
■tücke  Tvon  einem  derselben :  einen  Olivenzweig  mit  grünen  Blättern  und  weissen 
Früchten  auf  schwarzem  Gründe,  besitzt  Herr  T.Wilmowskj  eine  Abbildung)  ge- 
funden worden,  deren  Technik  mit  diesem  genau  übereinstimmte.  Ehemals  war 
das  Bildchen  ein  vielzackiges  Bruchstück;  seine  jetzige  Medailionfonn  erhielt  es 
erst  durch  Herrn  Maler  Steffgens  hierselbst.  Um  die  ovale  Form  zu  gewinnen 
hat  derselbe  den  linken  Ellenbogen  mit  einem  Thcil  des  Unterarmes  abgesehlagen 
und  den  gröastcn  Tbcil  der  Brust  und  einen  Theil  des  schwarzen  Grundes  er- 
gänzt. Die  Linie,  welche  das  Moderne  vom  Antiken  trennt,  bewegt  sich  vom 
untersten  Theile  des  linken  Armes  nach  der  rechten  Schulter  und  zieht  sich 
alsdann  in  einiger  Entfernung  vom  Kopfe  nach  dem  Scheitel  hin.  Der  Unterschied 
des  Antiken  und  Modernen  ist  an  Farbe  und  Technik  ein  so  stark  in  die  Augen 
fallender,  dass  er  selbst  im  Lichtdruck  deutlich  erkennbar  ist.  Ueber  den  ehe- 
maligen Zustand  des  Bruchstückes  konnte  ich  mich  aus  einer  farbigen  Copie, 
welche  Herr  v.  Wilmowsky  noch  vor  der  Restauration  angefertigt  hat,  genau 
ttoterrichten. 


Die  Auxgrabimgeu  boi  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  im  Herbst  1876,      71 

ist  und  ein  Theil  der  Brust.  Der  Kopf  ist  mit  einem  Kranze  geschmückt. 
Das  Haar  ist  hinter  den  Ohren  in  je  zwei  FJechtcn  zusammen  gc- 
uonimen,  welche  mit  einem  weissen  Bande  durchwunden  sind  und  an 
, beiden  Seiten  des  Halses  herabhängen.  Der  Körper  ist  mit  einem  röth- 
lichen  Chiton  bekleidet,  dessen  Falten  dunkelroth  gemalt  sind.  In  der 
erhobenen  J..inkcn  hält  das  Mädchen  einen  Korb.  Das  Bildchen  int 
mit  einer  sicheren  gewandten  Hand  gemalt  und  steht  den  besseren 
Malereien  Pompeis  nicht  nach. 

Zweitens  sind  hier  ntehrere  Fragmente  einer  Landschaft  ^u 
erwähnen,  welche  neuerdings  dem  hiesigen  Museum  von  Herrn  Dom- 
capitular  von  Wilmowsky  als  Geschenk  übergeben  worden  sind. 
Dieselben  sind  im  Schutte  der  Basilica  gefunden  und  haben  wahrschein- 
lich zugleich  mit  einer  Menge  Bruchstücke  einer  vielfarbigen,  reich 
decorirten  Wand  und  eines  Sockelstückes,  auf  welchem  eine  Wasser- 
pflanze und  ein  Delphin  gcmult  sind,  ehemals  die  Wände  der  Basilica 
geschmückt*).  Da  die  Bruchlinien  der  einzelnen  Stücke  dieses  Land- 
schaftsbjldes  nicht  aneinander  passen,  so  vermochte  ich  nur  mit  Rück- 
sicht auf  die  dargestellten  Gegenstände  und  die  Farbenabtönungen  eine 
Zusammensetzung  zu  vei'suchen.  In  der  rechten  oberen  Ecke  ein 
kleines  Haus  mit  einem  Giebeldach,  vor  diesem,  etwa  die  Mitte  des 
Bildes  einnehmend,  eine  Wiese,  auf  welcher  eine  Ziegenheerde  unter 
der  Obhut  zweier  Hirten  weidet.  Von  hier  ab  senkt  sich  das  Terrain: 
In  der  unteren  linken  Ecke  ein  See,  welcher  von  Felsen  umgeben  ist; 
im  See  steht  eine  Kuh. 

Diese  Beispiele  zeigen,  dass  es  auch  in  Deutschland  Maler  ge- 
I  geben  hat,  welche  im  Stande  waren,  nicht  nur  ornamental  gehaltene 
Figuren,  sondern  aucK  Gemälde  a  ire.sco  auszuführen.  Demnach  liegt 
e^  nahe  zu  glauben,  dass  auch  bei  der  booner  Wand,  deren  Friese  und 
Pilaster  reich  ausgestattet  sind,  die  Felder  mit  Bildern  geschmückt 
waren.  Trotzdem  halte  ich  dies  für  unwahrscheinlich.  Wäre  es  doch 
eio  sonderbarer  Zufall,  wenn  uns  auch  nicht  das  kleinste  Bruchstück 
eines  Bildes  erhalten  wäre^  während  aus  allen  übrigen  Theilen  der 
Wand  Stücke  auf  uns  gekommen  sind.  Auch  möchte  ich  die  Vernm- 
thung  wagen,  dass  gerade  damals  als  diese  Waaddecorationen  ange- 
fertigt wurden,  in  Bonn  kein  Maler  zur  Hand  war,  welcher  der  Aus- 
führung von  eigentlichen  Gemälden  gewachsen  war.    Sonst  hätte  man 


1)  Oie«elb«Q  befinden  liob  im  Provinzialmuseuin  zu  Trier.  Vgi.  Wilmowsky: 
Die  römiacbe  Villa  zu  Ncuaig  18(18.  S.  HO  ü. 


72       Die  Aosgrabungea  bei  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  im  Herbei  1876. 

diesem  wohl  auch  die  Amazonenfriese  übertragen.  Wenigstens  war  der- 
jenige, welcher  sie  gemalt,  offenbar  dieser  Aufgabe  nicht  würdig.  Denn 
diese  Darstellungen  sind  bar  jeder  Ck)mposition,  sie  sind  steif  und  ohne 
Leben.  Vergleichen  wir  sie  auch  nur  mit  der  der  Technick  nach  nächst- 
verwandten  Amazonendarstellung,  mit  dem  Amazonenfriese  im  Hause 
des  tragischen  Dichters  in  Pompei  (Hei big,  Wandgemälde  No.  1250), 
so  sehen  wir  dort  eine  reiche  Mannigfaltigkeit  in  Stellungen  und  Grap- 
pirungen,  ein  wirkliches  Toben  des  Kampfes,  hier  nur  ein  Gegenflber- 
stvhen  der  streitenden  Parteien.  Diese  Steifheit,  die  ihren  Grund  hat  in  dem 
Unvermögen  unseres  Decorationsmalers,  einen  Körper  in  starker  Be- 
wegung darzustellen,  zeigt  sich  am  deutlichsten  an  der  einzigen  Ama- 
zone, welcher  eine  etwas  kühnere  Bewegung  gegeben  ist,  an  der  sich 
Umwendenden  auf  Taf.  lU  und  IV.  Der  Körper  dieser  Figur  ist  voll- 
kommen verkrüppelt  und  den  Schild  trägt  sie  am  rechten  Arm,  die 
Lanze  in  der  Linken. 

Dagegen  muss  im  Hinblick  auf  die  Ornamente  die  Gewand- 
heit  der  Decorateurs,  mit  wenig  Alitteln  einen  vollen  Eindruck  zu  er- 
reichen und  die  Sauberkeit  der  Ausführung  anerkannt  werden. 

Der  Auftrag  der  Farben  auf  den  Wandbewurf  ist  ganz  der 
in  Pompei  gebräuchliche  und  darum  unzweifelhaft  a  fresco  ausge- 
führt. 

l>cr  Bewurf  besteht  in  der  obersten  0,002  M.  hohen  Schicht, 
auf  woleher  die  Farbe  aufgetragen  ist,  aus  feinstem  Kalkmörtel  und 
Kalkspatkürnchen,  darauf  folgt  eine  0,0')7  M.  breite  Schicht  weissen 
Sandmörtols  und  zwei  Schichten  gröberen  Mörtels,  eine  jede  von  einer 
Breite  von  0.02  M.  Der  Bewurf  entspricht  demnach,  wie  alle  rheinischen 
FrtwoarlHMton,  an  Güte  nicht  den  Forderungen  des  Vitruv  und  Plinius 
(Donner  bei  llelbig  S.  XXXIW  zeichnet  sich  aber  immerhin  unter  den 
mir  Wkanuton  einheimischen  Froscobruchstttcken  aus.  Vielleicht  ge- 
lingt OS  später,  wenn  eine  reichhaltigere  Sammlung  des  Materials  vor- 
liegt, gwtittzt  auf  die  Twhnik  dos  Bewurfes  die  Zeit  der  Entstehung 
dieser  Wand  annähernd  zu  bestimmen. 

Die  (.\MuiH>sitiou  der  lK>nner  Wand  untenjcheidet  sich  in  einem 
Punkte  wossoutlich  vv>n  sämmtllchen  iH>mi>ojania*hen  Wänden.  Unsere 
Wand  ist  i:weitlioilig.  sie  zerfällt  in  einen  Sockel  und  eine  breite  Wand- 
tläche.  welche  mit  einem  Friese  abschliesst.  Dagegen  sind  die  pom- 
|>ejauische«  Wanvie  dnnt  heilig,  sie  bestehen  aus  einem  Sockel,  einer 
Mittelwaud  uu\l  einer  dem  Sivkel  an  Hohe  etwa  gleichen  Oberwand. 
Die  iH>erwaud  ist  in  heller  Farbe  gehalten  und  durch  ein-  gemaltes 


Die  Antgrabungen  bei  Bonn  vor  dem  Cölner  Thor  im  Herbut  1876.        73 

oder  in  Stuck  ansgefdhrtes' Gesims  von  der  Mittclwand  abgetrennt. 
Dass  die  bonner  Wand  auf  keinen  Fall  in  dieser  Weise  coinponirt  war, 
hoffe  ich  durch  das  oben  über  das  Gesims  Bemerkte  bewiesen  zu  haben. 
Leider  lässt  sich  nicht  beurtheilen,  ob  hierin  ein  allgemeiner  Unter- 
schied italienischer  und  germanischer  Wandmalerei  liegt.  Denn  bei 
den  beiden  einzigen  rheinischen  Wänden,  deren  Composition  wir  ausser- 
dem wenigstens  im  Allgemeinen  kennen,  lässt  sich  gerade  über  den 
oberen  Theil  nichts  aussagen. 

Trotzdem  werde  ich  im  Folgenden  diese  Wände  kurz  beschreiben, 
da  sie  einige  Aehnlichkeit  mit  unserer  Decoration  haben. 

Die  eine  dieser  Wände,  von  der  auch  nicht  ein  Bruchstück  mehr 
erhalten  ist,  ist  von  Wilmowsky  in  den  Jahresberichten  der  Gesellschaft 
für  nützliche  Forschungen  in  Trier,  für  1865—1868  S.  56,  besprochen 
voideu.  Sie  befand  sich  an  den  Mauern  eines  an  der  Südallee  in 
Trier  gelegenen  Gebäudes.  Die  Grundfläche  auch  dieser  Wand  war 
roth  und  durch  schwarze  ebenfalls  0,30  M.  breite  Pilaster  in  einzelne 
Felder  getheilt.  Unter  den  Feldern  und  Pilastern  befand  sich  ein  ge- 
malter Sims,  welcher  die  obere  Wand  vom  Sockel  abhob.  Dieser  Sims 
bestand  aus  einer  vorstehenden  Platte  und  aus  einem  darunter  lie- 
genden Wulst.  Die  Platte  war  wie  Giallo  antico,  der  Wulst  wie  grün- 
lich weisser  Marmor  behandelt.  Der  Sockel  war  zweitheilig.  Unmittelbar 
am  Boden  lief  ein  0,25  M.  hohes  rothlich  braunes.  Band ;  der  darüber 
liegende  Theil  des  Sockels  war  von  schwarzer  Farbe,  nur  unter  den 
schwarzen  Pilastern  befanden  sich  0,42  M.  breite  rothe  Felder.  Also  wie 
bei  der  bonner  Wand  ist  auch  hier  unter  das  Roth  der  oberen  Wand 
im  Sockel  Schwarz,  unter  das  Schwarz  der  oberen  Wand  im  Sockel  Roth 
gestellt.  Die  schwarzen  Felder  des  Sockels  waren  mit  grünen  aloeartigen 
Pflanzen  und  grossen  Wasservögeln,  die  rothen  Felder  mit  gelben  Vasen 
verziert*). 

In  unmittelbarer  Nähe  von  dem  Fundort  dieser  Wand  wurden 
im  August  vorigen  Jahres  bei  der  vom  hiesigen  Provinzialmuseum  vor- 
genommenen Freilegung  eines  grossen  römischen  Gebäudes  in  St.  Barbara 
eine  Anzahl  von  Wandbewurfsstücken  aufgefunden,  deren  Zusammen- 
setzung ergab,  dass  die  Hauptfläche  der  Wand  wiederum  roth  gemalt 
und  durch  schwarze  Pilaster  in  Felder  getrennt  war.   Auf  den  Pilastern 


1)  Aach  in  Mainz  ist  neuerdings  im  römischen  Castrum  ein  schwarz  ge- 
malter Sockel  mit  Pflanzen  und  Vögeln  aufgefunden  worden,  welcher  im  Museum 
daselbat  aunMWahrt  wird. 


74      Di»  AiagcabwiKan  bä  Bonn  rar  dem  Cöfaisr  Tbor  im  Heitei  1876. 

befindet  sich  ein  Aufbau,  welcher  dem  toi  den  Pflastom  der  bonner 
Wand  sehr  gleicht  Aach  hier  die  Schirmdacher  und  von  den  Schirm- 
didieni  heraUängende  Bändw .  Aber  der  Stamm  ist  nach  Art  einer 
Pflanxe  stilisirt  und  in  grüner  Farbe  mit  granbraonoi  Schattenlinien 
gcmak. 

Xkht  ohne  Grand  habe  ich  bei  der  Besprechong  der  bonner 
Wand,  so  weit  es  möglidi  war,  auch  andor«'  einheimischer  Frescomale- 
reien  Erwähnung  gethan.  Es  galt  der  vielfach  veitreiteten  Meinoiig 
eatgegen  n  treten,  als  ob  die  Rheinlande  Ton  dieser  Kunstgattung  des 
AJierthnms  nichts  anfraweisen  hätten.  Xatürlich  können  wir  in  unseren 
GcgeniioL,  wo  ron  den  meisten  römischen  Getüaden  nur  noch  die 
Fuftiamaite  erhalten  sind  und  die  beser  conservirten  Bauten  die 
langen  Umwandlangen  des  Mittelalters  und  dar  Xeozeit  lu  erdulden 
gehabt,  nicht  erwarten,  die  Wände  in  guter  Erhakuig  auünfinden, 
wir  müssen  uns  mit  Bruchstackea  begnflgen.  Aber  wom  man  der  Zn- 
sammensetiung  derselben,  womC^lich  gleich  ho.  der  Auffindung,  die  ge- 
hörige Sorgfalt  widmet,  werden  wir  in  nicht  allzu  langer  Zeit  hoffent- 
lich in  den  Stand  gesetzt  sein,  den  Verlauf  der  Decorationsmalerei  auch 
in  den  Rheinlanden  zu  überblickea. 

Trier  im  Januar  ISTS.  Felix  Hcttner. 


7.  Ehi  NachMId  d«r  ViMi  vm  Kto. 

Ui«ntt  T«M  II. 

Voll  freudiger  Erw^inung  nahm  ich  den  Marmor  zur  Hand,  der 
auf  Tafel  II  nach  einer  Vhou^tnraphie  lithograph£«h  wi<dergegeb«i  ist; 
ennäiLscht  habe  ich  ihn  <ur  Seite  ^k^t. 

Das  Monument  ist  im  Jahr«  IS74  bei  Tieierlegung  der  Boden- 
&khe  der  Porta  a:$r»  auf  dem  alten  IMaster  von  Trier  zum  Vorschein 
sekocuuen.  Herrn  Kcg.-l^urath  Setffarth,  vier  uns  dasselbe  freund- 
Lchät  zum  Studium  Ubermittt^U  hat«  erstatten  «ir  hiermit  unseren  Dank. 

E^r  Marmor  :$t  i>ahÄ'h.  S^iue  Höhe  beträft  OjIS;  unsere  Ab- 
bildung g-.bi  -.ho  also  iu  halber  Ori)«>$e.  Auf  seiner  Vorderdiche  sieht 
man  ihn  mit  einem  br^jiuaen  l'ebersu^  N>d«\'kt>  hier  «iUcker  dort  dünner, 
der  sich  fest  mit  dem  Marmor  verbunden  hat    1^  ist  esenechüssiger 


Ein  Nachbild  üer  YeDus  voa  Milo. 


7ß 


Thon,  in  den  zahlreiche  Quarzkörner  eingebettet  sind').  Das  Bild  wird 
also  bei  seinem  Sturze  mit  der  Vorderseite  auf  eine  so  beschaflene 
Erdschicht  zu  liegen  gekommen  sein  und  duich  lauge  Lagerung  darin 
den  Ueberzug  erhalten  haben. 

Dargestellt  ist  in  leidlicher  Arbeit  eine  Frauengestalt,  an  der  fol- 
gende Theile  verloren  gegangen  sind:  Kopf  mit  Hals;  der  linke  Vor- 
derarm mit  dem  grössten  Theile  des  angrenzenden  Oberarms; 'der 
rechte  Vorderarm;  die  untere  Hälfte  der  ünterbeine  mit  der  Basis. 

Thorax  und  Leib  der  Figur  sind  bis  zu  den  Hüften  hinab  nackt; 
von  dort  abwärts  aber  ist  der  Körper  in  ein  Gewand  (llimation)  ge- 
hüllt. Dasselbe  ist  ausgehend  gedacht  von  der  linken  Flanke,  sodann 
nm  die  rechte  Hüfte  und  den  Rücken  gezogen,  so  dass  es  Ober  der 
linken  Hüfte  wieder  zum  Vorschein  kommt,  worauf  das  Ende  über  das 
linke  Bein  nach  innen  geschlagen  ist  und  ruhig  abfällt.  An  der  rechten 
Seite,  wo  das  Gewand  keinen  gleich  festen  Halt  hat  wie  links,  sehen 
wir  es  etwas  abgeglitten  und  einen  schwachen  Wulst  mit  mehreren  Pa- 
rallelfalten bilden.  Daher  erscheint  die  Figur  hier  um  ein  geringes 
tiefer  hinab  entblösst  als  links,  wo  dasHimation  fast  bis  zur  Höhe  des 
Nabels  hinaufreicht. 

Das  Gewicht  des  Körpers  ruht  auf  dem  rechten  Beine.  Das  linke 
ist  im  Knie  gebogen  und  vorgesetzt,  zugleich  so  viel  gehoben,  dass  wir 
schliessen  müssen,  es  habe  bloss  mit  der  vorderen*  Fläche  des  Fusses 
den  Boden  berührt  oder  sei  auf  irgend  einer  Erhöhung  der  Basis,  kurz 
nicht  auf  gleichem  Boden  mit  dem  rechten  Beine  aufgetreten. 

Der  Unterkörper  ist  dem  Beschauer  so  ziemlich  in  seiner  vollen 
Breite  zugekehrt.  Dagegen  vollführt  der  Oberkörper  eine  Wendung  nach 
links,  folgend  den  Armen,  die  sich  gleichfalls  nach  dieser  Seite  bewegen. 
Der  linke  Arm  war  nämlich  gehoben  und  ging,  wie  sich  aus  dem  er- 
haltenen Stumpf  noch  erkennen  lässt,  zunächst  ungefähr  in  gleicher  Höhe 
mit  der  Schulter  seitwärts.  An  dieser  Bewegung  nehmen  nicht  allein 
der  gesammtc  Thorax  Theil,  sondern,  wie  schon  erwähnt,  auch  der 
rechte  Arm,  dessen  erhaltenes  Stück  an  den  Busen  angedrückt  liegt 
and  zwischen  Brustkorb  und  Becken  sich  weiter  quer  nach  der  Seite 
bewegt  haben  muss.  Auch  das  Haupt  folgte  dieser  Gesammtrichtung 
des  oberen  Theils  der  Statuette,  wie  wir  aus  der  Form  des  Bruches 
noch  ersehen  können,  und  zwar  in  solchem  Grade,  dass  es  dem  Profil 


1)  Nach  Prof.  F.  Saadborger'B  Angabe. 


76 


Ein  Nachbild  der  Veous  von  Milo. 


nahe  gekommen  sein  muss,  was  sich  im  Verlaufe  unserer  Betrachtung 
auch  noch  anderweitig  ergeben  wird. 

Unsere  Figur  eiitsprkht  also,  wie  in  die  Augen  fallt,  in  allen 
wesentlichen  Motiven  einer  vielgenannten  und  wohl  bekannten  Statue, 
der  Venus  von  Milo.  Dieses  berühmte  Bildwerk  zeigt  die  gleiche 
Körperanlagc  d.  h.  die  unteren  Partien  mehr  gegen  den  Beschauer  ge- 
richtet, die  oberen  nach  der  linken  Seite,  zugleich  mit  dereelben  Be- 
wegung beider  Arme,  von  denen  der  linke  sicherlich  zunächst  in  Schul- 
terhöhe  seitwärts  führte,  der  rechte  zwischen  Thorax  und  Becken  quer 
den  Körper  durchschnitt.  Dazu  gesellt  sich  das  gleiche  Verhältniss 
von  Nacktem  und  Draperie,  ja  selbst  die  gleiche  Anordnung  dieser 
letzteren,  zuletzt  jene  charakteristische  Stellung  des  linken  Beins,  die 
an   beiden  Werken  sich    wiederholt. 

Da  also  alles  Wesentliche,  was  bei  Komposition  eines  Jßildwerkes 
in  Betracht  kommt,  dem  Trierer  Marmor  mit  dem  von  Melos  gemeinsam 
ist,  so  müssen  wir  annehmen,  unser  eben  publicirtes  Bildwerk  sei  nicht 
unabhängig  von  jenem  entstanden,  sondern  gehöre  in  die  schon  be- 
trächtliche Reihe  von  besseren  und  geringeren  Nachbildungen  jenes  fm 
Altcrthumc  wie  in  der  Neuzeit  hoch  angesehenen  Originals. 

Keine  der  zahlreichen  Wiederholuiiigen  stimmt  bekannthch  in  allen 
Kinzeihdten  mit  der  Statue  im  Louvre  überein.  Hier  ist  dieses,  dort 
jenes  Motiv  voränd^i't,  hier  dieser,  dort  jener  Charakter  in  das  Nackte 
oder  in  die  Gewandung  gebracht.  Wir  brauchen  die  Pariser  Statue 
nicht  als  das  Original  zu  betrachten,  als  künstlerische  Leistung  steht 
»ie  jedenfalls  so  hoch  über  den  übrigen  Wiederholungen,  dass  wir  filr 
jetzt  wenigstens  die  Motive  und  den  Kunstcharakter  des  Originals  am 
richtigsten  und  treffendsten  in  ihr  ausgeprägt  anerkennen  müssen. 

Mit  ihr  nun  darf  das  Trierer  Werk  als  Kunstwerk  kaum  in  Vergleich 
gesetzt  werden.  Niemand  entgeht,  wie  wenig  exakt  die  einzelnen  Partien 
gezeichnet  sind,  wie  der  Künster  weder  ein  tieferes  Verständniss  des 
Nackten  noch  der  Gewandung  bcsass,  wie  wenig  er  um  genaue  Verhält- 
Di88e  bekümmert  war.  Die  ganze  Arbeit,  eher  eines  besseren  Stein- 
metzen al»  eines  eigentlichen  Künstlers  würdig,  ist  eben  nur  auf  eine 
gewiflwGesammtwirkung  berechnet,  will  einen  im  aHgcmcinen  rich- 
tigen und  naturentsprccheudeu  Eindruck  machen,  nicht  mehr.  Dies  ist 
auch  erreicht;  für  kritische  Augen  aber  ist  das  Werk  nicht  geschaffen. 

Wenn  wir  dennoch  kurz  die  Verschiedenheiten  anmerken,  welch« 
der  Marmor  gegenüber  der  als  Original  betrachteten  Statue  aufweist, 
«0  gescliiebt  c»,  um  Anhaltspunkte  zu  erlangen  dafür,  ob  wir  ihn  uns 


Bhi  Ntohbitd  der  Venu«  von  Milo. 


77 


ZU  ergänzen  haben  im  Sinne  des  Originals,  oder  ob  gewisse  Aenderungen 
auch  eine  veränderte  Bedeutung  und  Handlung  mit  sich  geführt  haben. 
Im  ersten  Falle  aber  würde  das  Trierer  Bildwerk  trotz  seines  un- 
tergeordneten Kunstwcrthes  ungemeinen  Werth  erhalten,  insofern  ein 
nicht  zum  Körper  gehöriger  grösserer  Marmorrest,  der  am  linken  Ober- 
Arm  anliegt,  vorausgesetzt  dass  seine  Erklärung  glückte,  endlich  Auf- 
scbluss  geben  würde  über  die  noch  immer  in  Dunkel  gehüllte  Hand- 
lung des  Originals  selbst.  Dieser  Gesichtspunkt  war  es,  der  mich  beim 
Anblick  des  Trierer  Marmors  in  freudige  Erwartung  versetzt  hat. 

Einigermassen  variirt  ist  sowohl  die  Haltung  des  Oberkörpers  als 
die  Stellung  der  Beine.  Die  Aphrodite  von  Melos  nämlich  hat  zwar 
ebenfalls  mit  ihrem  Rumpfe  eine  Wendung  nach  links  eingeschlagen, 
doch  ist  dieselbe  weniger  bedeutend  als  in  der  vorliegenden  Imitation. 
Der  rechte  Arm  der  Melischen  Statue  berührt  den  Busen,  doch  sanft  sich 
anlegend,  ohne  ihn  wie  hier  zusammenzupressen.  Auch  ihr  Kopf  bleibt 
zwar  nicht  unberührt  von  der  Uauptwendung,  allein  der  Beschauer,  wel- 
cher sich  gerade  vor  dem  Bildwerke  aufgestellt  hat,  umfasst  mit  seinem 
Bücke  immerhin  einen  beträfbtiichüu  Tlieil  der  linken  Gesichtshälfte. 
Anders  unsere  Replik,  wo  wir  den  sichern  Beweis  liefern  können,  dass 
der  Kopf  weit  mehr  dem  Profil  sich  näherte. 

Auf  dem  rechten  Schulterblatt  der  Trierer  Figur  sind  nämlich 
zwei  Pflöckeben  (puntelli)  mit  Bruchliäche  zu  gewahren,  die  in  einer 
Flucht  von  oben  nach  unten  liegen.  Sie  sind  durch  einen  geringen 
Zwischenraum  von  einander  getrennt;  das  obere  ist  geräumiger  — 
man  erkennt  es  auch  in  unserer  Abbildung  auf  der  Hölie  der 
rechten  Schulter  — ,  das  untere  geringer.  Ohne  Zweifel  gehören  sie 
zusammen,  d.  h.  rühren  von  einer  und  derselben  Sache  her,  die 
hier  auflag.  An  dem  kleineren  puntello  sass  das  Ende  dieser  Sache 
auf,  an  dem  grösseren  ein  bedeutenderes  Mittelstück;  die  kurze 
LDtexbrechung  aber  zwischen  ihnen  zeigt  eine  Entfernung  der  Sache 
au  von  dem  Körper  hinweg,  so  dass  der  Meissel  unter  ihr  hingeführt 
werden  konnte.  Nach  der  Richtung  zu  schliessen  ums.ste  der  Gegen- 
stand, von  dem  diese  puntelli  Ueberreste  sind,  von  dem  Haupte  herab- 
hängen oder  sich  herabziehen,  wobei  für  die  Betrachtung  von  vorne  nur 
derTheil  zwischen  Haupt  und  Schulter  sielitbar  hWch.  Fassen  wir  dazu 
die  erwähnte  Unterbrechung  ins  Auge,  so  ergibt  sich  nichts  wahr- 
scheinlicher, als  dass  vom  Kopfe  ein  langer  Haarschopf  niederwallte, 
von  dem  eine  Welle  an  der  oberen  breiteren  Bruchflächc  ansass,  eine 
andere  und  zwar  die  letzte  an  der  unteren.   Auch  die  Statue  vuu  Melos 


TB 


3ia  Nachbild  der  Venus  ron  Milo. 


trägt  einen  in  Wellen  abfliessenden  Schopf,  jedoch  reicht  er  weniger 
tief  hinab.  Da  nun  die  Bruchflächen  dieses  Schopfes  an  der  Trierer 
St^ntuette  sehr  weit  aussen  auf  dem  Schulterblatte  sitzen  und  mit  der 
Richtung  derselben  jedenfalls  die  Mitte  des  Hinterkopfes  bezeichnet  ist, 
so  nms3  das  Haupt  der  Figur  nothwendig  stark  ins  Profil  gerückt  ge- 
wesen sein ,  stärker  als  an  der  als  Original  angesehenen  Statue 
und  vielleicht  selbst  an  der  aus  Capua  stammenden  Replik*). 

Mit  ihrer  Wendung  nach  links  verbindet  die  Statue  von  Mclos  eine 
Hebung  der  linken  und  eine  Senkung  der  rechten  Rurapfseite  oder  eine 
schiefe  Haltung  des  Rumpfes,  die  nothwendige  Folge  ihrer  Annbewe- 
gong,  so  lange  vorausgesetzt  wird,  dass  der  linke  Arm  ziemlich  hoch  ge- 
griffen hat.  In  dem  daraus  entstehenden  rhythmischen  Gegensatre  der 
Rumpfpartie  zu  den  Bauchtheilen  beruht  ein  Hauptverdienst  des  erfin- 
denden Künstlers.  Diese  Schönheit  fehlt,  wie  sich  wohl  denken  lässt, 
in  dem  Trierer  Marmor  gänzlich;  Ist  sie  ja  selbst  in  den  meisten  libri- 
gen  Wiederholungen  grösseren  Formats  und  künstlerischeren  Werthea 
kaum  angedeutet  und  sogar  in  der  Replik  von  Gapua  nicht  kräftig  genug 
betont.  Hier  aber  sind  die  Schultern  nicht  einmal  richtig  gezeichnet,  ge- 
schweige denn  rhythmische  Antithesen  zur  Schau  gestellt. 

Auch  der  Unterkörper  zeigt  innerhalb  der  schematischen  Uebcr- 
einstimmung  namhafte  Verseil iedenheiten,  besonders  das  linlie  Bein. 
An  der  Melischea  Statue  biegt  sich  der  gehobene  Oberschenkel  sanft 
nach  innen,  um  vom  Knie  ab  schräg  nach  aussen  zu  gehen.  Welch* 
eine  Festigkeit,  welch'  eine  gesicherte  Ruhe  verleiht  dies  der  B'igur, 
die  damit  ein  treffliches  Gegengewicht  gegen  die  dramatische  Wendung 
zur  Seite  und  die  Schiefstellung  des  Thorax  erhält  I  Diesen  wirksamen 
Koutraat  von  Ober-  und  Unterschenkel  kennt  das  Trierer  Bildwerk  nicht 
der  Unterschenkel  scheint  sogar,  wie  wir  nach  der  Wade  schliessen 
müssen,  vom  Knie  leicht  einwärts  sich  erstreckt  zu  haben.  Das  linke 
Bein  muss  also  näher  dem  rechten  auf  dem  Boden  geruht  haben  als 
in  der  Pariser  Statue,  und  es  leuchtet  ein,  dass  dieser  Mangel  an  ver- 
ständiger Anordnung  eine  gewisse  Unsicherheit,  Unruhe  in  der  Stellung 
der  Figur  zur  Folge  hate.  Denselben  Fehler  sehen  wir  übrigens  auch 
an  bedeutenderen  Repliken  wiederkehren,  wenn  auch  weniger  derb  und 
verletzend,   so  z.  B.  an  der  Replik  Torlonia  (s.  Valentin,  Die  hohe 


1)  DmsB  der  Haarschopr  im  VerhlUiiisa  «ur  Fijur  etwas  lang  erscheint, 
darf  uDs  bei  der  geringen  AufmerksaTukeit,  welche  der  Bildhauer  für  richtige 
Yerh&ltnisRe  bekundet,  nicht  Wunder  nebinen. 


Ein  Nachbild  der  Venna  von  Milo. 


79 


Frau  von  Milo,  Taf.  IV,  10),  an  der  Kopie  aus  Capua,  die,  wie  sie  das 
ganze  Werk  überzuckert  wiedergibt,  so  auch  die  Position  schwächlicher 
ttud  weniger  entschieden  gehalten  hat.  Frische  der  Auffassung,  Energie 
der  Kontare  ist  eben  unter  allen  Repliken  nur  der  Melischen  eigen- 
thümlich,  die  wenn  sie  nicht  das  Original  ist,  so  doch  zeitlich  dem- 
selben am  nächsten  stehen  muss'). 

In  der  Draperie  finden  wir  eigentlich  nur  den  Grundgedanken 
wiedergegeben.  Schief  sich  hinziehende  Falten  folgen  dem  Wurfe  des 
Gewandes,  und  da  das  auf-  und  vorgesetzte  Bein  das  eng  um  den 
Körper  geschlungene  Hiraation  nur  noch  mehr  spannt,  so  ziehen  sich 
die  Falten  an  den  hohl  liegenden  Theilen  straff  und  umschreiben,  wo 
unmittelbar  darunter  Körper  liegt,  denselben  knapp.  Wie  jede  Dra- 
perie, so  zeigt  auch  diese  so  einfache  der  Melischen  Statue  einige  mehr 
müssige,  spielende  Faltcnpartien,  Partien  nur  zum  künstlerischen  Be- 
hagen, nur  zur  ästhetischen  Befriedigung  an  und  in  die  noth  wendigen 
Draperiezüge  eingelegt  oder  eingewebt.  Jene  sind  selbstverständlich  in 
dem  Trierer  Bildwerk  ausserordentlich  verkürzt  worden.  Der  Ueberfall  des 
einen  Hinjationcndes  über  das  liakc  Bein  ist  äusserst  schmal  gehalten 
und  mit  einer  einzigen  groben  Faltenfurche  bedacht.  Mehrere  plumpe 
Parallelfalten  gliedern  den  Himationabfall  am  rechten  Schenkel,  der  an 
der  Melischen  Statue  so  überaus  originell  in  gross  und  scharf  gehal- 
tenen Brüchen  angelegt  ist,   auf  die  primitivste  Weise. 

Alle  diese  Varianten  berechtigen  uns  tlbrigens  nicht,  daraus  ohne 
weiteres  auf  eine  andere  Bedeutung  und  eine  andere  Handlung  der  Trierer 
Figur  zu  schliessen,  als  für  die  Melische  vorausgesetzt  und  vermuthet  wird. 
Alles  Wesentliche  des  Vorbildes  ist  geboten,  also  müssen  wir,  so  lange 
Dicht  das  Gegentheil  erwiesen  ist,  daran  festhalten,  das  Abbild  habe  die 
gleiche  göttliche  Person  und  zwar  in  der  gleichen  Handlung  begriffen  dar- 
gestellt wie  das  Vorbild.  Es  überkommt  mich  ohnedies  manchmal  ein 
Grauen,  wenn  ich  sogar  die  Melische  Statue  und  jene  von  Capua  wegen 
einiger  kaum  das  Wesen  der  Erfindung,  sondern  nur  den  Charakter 
des  Kunstwerks  berührender  Differenzen  so  getrennt  behandelt  tinde, 
Als  ob  sie  nie  das  gleiche  Original  gehabt  hätten,  wenn   ich    für  die 


1}  So  bedeutend  ist  die  Variante  jedoch  nicht,  das«  daü  Unke  Sein  über 
das  rechte  hinäbergegriffen  und  dnnn  auf  der  Spitze  des  Fussea  geruht  hätte, 
womit  eine  wesentliche  Veränderung  des  OriginalBcbemaa  constatirt  und  eine 
fremde  Position  (vgl.  Clarac  Mua.  d.  ac.  296,  1670-1671.  295,  1018.  »00,  Ia59. 
548,  1151  B.  600,  1518  o.  ä.)  an  SteUe  der  unprünglicheQ  gesetzt  w&re.  Dazu 
•t«ht  das  linke  Bein  doch  tu  weit  entfernt  von  dem  Aussenkontur  des  rechten 


80 


Ein  Nachbild  der  Veoas  von  Milo. 


eine  (die  Capuaniscfae)  eioe  Restauration  (mit  dem  Schilde)  als  höchst 
wahrscbetnlich,  für  die  andere  aber  als  unmöglich  bezeichnet  lese;  al3 
ob  eine  Hebung  oder  Senkung  des  Kopfs,  eine  Wendung  mehr  nach 
links  oder  rechts  von  einem  kundigen  Künstler  nicht  durch  entsprechend 
verschiedene  Anordnung  der  Arme  oder  des  gehaltenen  Gegenstandes 
hätte  ausgeglichen  werden  können!  Auch  der  Umstand,  dass  unser 
Werk  an  der  liukeji  Schulter  diciieste  eines  nicht  zum  Körper  gehöri- 
gen Gegenstandes  zeigt,  trennt  es  noch  nicht  von  seinem  Vorbilde. 
Dort  konnle  ja  dieser  fragliche  Gegenstand  separat  in  Marmor  gear- 
beitet oder  in  Bronze  hinzugefügt  gewesen  sein,  wie  diesz.B.  bestimmt 
für  den  Schild  vorauszusetzen  wäre. 

Doch  beschreiben  wir  nun  jenes  Fragment!  An  der  inneren  Seiten- 
fläche des  erhobenen  linken  Arms,  der  bis  auf  eine  Länge  von  0,ö  frei- 
lich verstümmelt  erhallen  ist,  und  dem  linken  Busen  liegt  ein  aus 
demselben  Stück  gearbeiteter  fremder  Körper  an,  dessen  Oberfläche  in 
der  Hauptsache  Bruchfläche  ist.  Die  ehemalige  OberÖäche  des  frag- 
lichen Gegenstandes  habe»  wir  also  nicht  mehr  vor  uns,  sie  ist  durch 
einen  Bruch  verloren  gegangen.  Der  Gegenstand  folgt  scharf  anliegend 
dem  ümriss  des  nien?>chlichen  Körpers  und  beschreibt  gegen  die  Figur 
hin  eine  Kurve.  Nach  der  andern  Seite  lässt  sich  seine  Form  wegen  zu 
sta.rker  Verstümmelung  oben  niclit  mehr  ermessen,  wohl  aber  hat  sie 
sich  unten,  da  wo  der  gehobene  Arm  mit  derErusteincn  Winkel  bildet,  wenn 
auch  nur  auf  eine  kurze  Strecke,  so  doch  unversehrt  erhalten.  Wir  unter- 
scheiden einen  schmalen  Streif  der  Seitenfläche  von  glatter,  unver- 
sehrter Bearbeitung,  wie  sowohl  durch  das  Vergrosser ung.sglas  als 
mit  dem  Finger  zu  constatiren  ist.  Weiter  nach  oben,  schon  am  Arme, 
zeigt  sich  diese  Seitenfläche  umgebogen,  so  dass  sie  sich  mehr  nach 
der  Seite  entwickelt  und  zwischen  ihr  und  der  dem  Beschauer  ent- 
gegengekehrten oberen  Bruchflüche  deutlich  ein  trenneuder  Grat  oder 
scharfer  Rücken  sich  bildet.  Dieser  charakteristische  Gang  des  fra^;- 
lichen  Gegenstandes  in  Verbindung  mit  der  Kurvenbewegung  seines 
inneren  Umrisses  gibt  uns  völlige  öicherhcit  zu  entscheiden,  was 
dargestellt  war.  Doch  zuvor  wollen  wir  an  der  Hand  der  bis  jetzt 
gewonnenen  Anzeichen  noch  einige  negative  Entscheidungen  treffen. 
Unser  Resultat  wird  dadurch  nur  um  so  zweifelloser  dastehen. 

Erst  jetzt  nämlich  können  wir  behaupten,  dass  unsere  Figur  eine 
andere  Handlung  vornehme  als  man  ihrem  Vorbilde  zumuthet,  oder 
mit  anderen  Worten,  dass  keiner  der  für  die  Venus  von  Milo  und 
ihre  Nachbilder  gemachten  Hcstaurationsvorschläge  auf  sie  passt.   Oder 


Ein  Nachbild  der  Yeuus  von  Milo. 


81 


Itann  der  beschriebene  Rest  Bestandthcil  eines  Schildes  gewesen  sein? 
Das  Weib  musste  den  Schild  mit  der  konvexen  Seite  sich  zugekehrt 
halten.  Wie  sollten  da  auch  nur  annähernd  ähnliche  Knrvaturen  sich 
ergeben,  ja  wie  hätte  überhaupt,  da  der  Schild  von  der  vorgestreckten 
Linken  am  oberen  Rande  gefasst  werden  musste,  derselbe  bis  zu  dieser 
Stelle  sich  erstrecken  sollen  ?  — Oder  kann  eine  zweite  Figur  neben  dem 
Weibe  gestanden  haben?  Nach  den  Wiederholungen  aus  römischer 
Zeit,  in  denen  mit  dem  Weibe  eine  Marsgestalt  verbunden  ist,  könnte 
der  Rest  nur  zur  Schulter  der  männlichen  Figur  gehört  haben,  ent- 
weder direkt  oder  indirekt.  Allein  die  greifbaren  Konture  des  Frag- 
mentes lüugnen  durchaus  die  Möglichkeit,  dass  dasselbe  irgendwelcher 
Partie  eines  menschlichen  Körpers  zugehört  haben  könne.  Und  es 
läset  sich  auch  nichts  denken,  was  irgendwie  zu  dem  männlichen  Kör- 
per hätte  hinzugehören  und  annähernd  gleiche  Form  haben  können.  — 
Oder  könnte  ein  Dritperiestück  gemeint  sein?  Unmöglich;  denn  wie 
sollte  es  so  schmal  und  dick  sich  zusammenschieben,  wie  so  eng  an 
Arm  und  Busen  sich  anlegen,  wie  Kurven  beschreiben  denen  unseres 
Fragmentes  gleich? 

Wir  sind  also  auf  neue  Wege  angewiesen,  und  diese  zeigt  uns 
das  Fragment  erkennbar  genug.  Fragen  wir  zunächst  noch:  Lässt 
sich  der  Stoff,  die  Materie  bestimmen  oder  vermuthen,  woraus  der 
Gegenstand?  Derselbe  liegt  allenthalben  so  eng  an  den  Körper  ange- 
schmiegt, dass  er  unmöglich  von  hartem,  stÄrrem  Stoffe,  z.  B,  Holz, 
Metall  gewesen  sein  kann,  selbst  angenommen,  was  an  und  fttr  sich 
ganz  unwahrscheinlich,  dass  der  Gegenstand  angedrückt  worden  sei.  Der 
Stoff  muss  veränderlich,  oder  für  Druck  empfänglich  gewesen  sein,  wie 
jene  durch  den  Busen  veranlasste  Biegung  unzweifelhaft  dartbut. 
Zugleich  aber  muss  der  Gegenstand  eine  gewisse  Massigkeit  besessen 
haben.  Sonst  könnte  er  nämlich  bei  jener  Umbiegung  der  Seitenfläche 
sich  nicht  so  hohl  halten,  wie  er  thut,  sondern  musste  schärfer  und 
leichter  umgebrochen  sein ;  ein  Stück  dicken  Leders,  nicht  ein  leichtes 
Band  könnte  solche  Biegungen  beschreiben.  Wir  haben  also  einen 
biegsamen  und  doch  widerstandsfähigen  Körper  vor  uns,  von  dem  zwei 
"Windungen  zu  sehen  sind. 

Unsere  Wahrnehmungen  sind  damit  noch  nicht  zu  Ende.  Auch 
die  ehemalige  Beschaffenheit  der  dem  Beschauer  zugekehrten  Ober- 
fläche lässt  sich  genauer  bestimmen.  Das  abgesprungene  Stück  war 
nicht  Oberall  gleich  tief.  Gegen  den  Körper  hin  war  es  weniger  er- 
haben als  nach  aussen.    Das  ergibt  sich  durch  eine  Betrachtung  der 

6 


Ein  Naclibild  der  Venas  von  Milo. 


Körperstellen,  wo  das  Stück  anliegt  Oben  sehen  v?ir  nämlich  den  Kontur 
anheben  in  einer  sanft  gefichwungetien  Linie;  an  der  Mammelle  aber 
Diuss  dasselbe  der  Fall  gewesen  sein,  weil  sie  bis  dicht  an  die  Bruchfläche 
hinan  glatt  und  unbehindert  gearbeitet  ist.  Führen  wir  im  Geiste  diesen 
von  innen  ansteigenden  Kontur  sanft  gebogen  bis  zu  jenem  Grat  zwischen 
den  beiden  Flächen  und  beachten  wir,  dass  die  Seitenflädie  unten,  so  weit 
sie  erhalten  ist,  ebenfalls  eine  geschwnngene  Begrenzung  muthniassen 
lässt,  so  erhalten  wir  einen  wurstartigen  Gegenstand,  aber  dennoch  von 
scharf  sich  begrenzenden  Seitenflächen,  der  eng  am  Körper  anliegend 
zwei  Windungen  beschreibt  und  einmal  *eine  andere  Fläche  vorkehrt. 
Das  aber  darf  mit  völliger  Gewissheit  für  nichts  anderes  betrachtet 
werden  als  den  Rest  einer  Schlange.  Bei  ihr  erklärt  sich  das  An- 
schmiegen an  den  Körper  sofort  von  selbst.  Vgl,  die  Schlangenwin- 
dungen bei  Clara c  Mus.  d.  sc.  545,  1145.  547,  1152.  549,  1159.  552, 
1172  C.  552,1172.  555,1176.  550,1174.  557,1185. 

Die  Schlange  setzte  sich  ursprünglich  noch  weiter  nach  unten  fort; 
eine  genaue  Untersuchung  der  unteren  Fläche  des  Fragments  kann 
keinen  Zweifel  darüber  lassen.  Jedoch  muss  dieselbe  von  dort  ab  sich 
wieder  nach  aits.5en  gewandt  haben,  da  gleich  unterhalb  der  Bruch- 
fläche das  Nackte  des  Körpers  ungehindert  zur  Ausarbeitung  kommen 
konnte.  Die  Schlange  wird  sich  demnach  bis  zu  der  Stelle,  wo  pie 
die  rechte  Hand  der  Figur  erreichte,  fortgesetzt  haben. 

Sehr  beengt  war  die  Hand  des  Bildhauers  in  dem  Winkel  zwischen 
der  äusseren  Fläche  der  Schlange  und  dem  Arme,  beengt  bis  zu  dem  Grade, 
dass  dieser  Winkel  nur  in  der  rohestcn  Weise  ausgehöhlt  worden  ist.  Ver- 
ursacht konnte  dies  nur  sein  durch  eine  Stütze,  an  und  auf  welcher 
der  linke  Arm  aufgelegen  sein  muss.  Unten  am  Arme  gewahren  wir 
nämUch  noch  ein  Stück  Marmor,  das  kein  Theil  des  Armes  gewesen 
sein  kann,  wie  die  Form  sowohl  als  die  Richtung  besagt.  Wir  werden 
aber  auch  kaum  irregehen,  wenn  wir  mit  dieser  Stütze  einen  grösseren 
Marmoraussprung  (0,4  hoch,  0,5  breit)  an  der  Hinterseite  des  linkeu 
Beins  ungefähr  in  Km'ehöhe  in  Verbindung  bringen.  Der  Aussprung 
befindet  sich  in  der  Richtung  jenes  Ansatzes  unter  dem  Arm,  so  dass 
anzunehmen  ist,  dass  eine  hohe  Stütze  zur  Linken  des  Körpers  gewiss 
mit  der  rechten  Hand  in  Verbindung  stand  und  wahrscheinlich  auch 
den  erhobenen  Vorderarm  überragte.  Wenigstens  scheint  darauf 
die  eigenthümliche  Behandlung  des  Armes  auf  der  Rückseite  zu 
deuten,  so  dass  also  auch  der  gegen  die  Schulter  zurückgebeugte 
linke  Vorderarm  an  ihr  geruht  hätte.    So  erklärt  es  sich  wohl,  dass 


Ein  Naobbild  der  Venas  von  Milo. 


88 


mit  der  Stütze  sowohl  der  aDlicgende  rechte  Arm,  so  weit  er  frei 
gearbeitet  war,  als  auch  der  grösste  Theil  der  Schlange  und  des  linken 
Arriies  wegbracb. 

Für  die  Richtung  des  linken  Vorderarms  haben  wir  als  Anhalts- 
punkt nur  die  Schlange  oder  ihre  Windungen.  Dieselbe  rauss  von 
der  Hand  gefasst  gewesen  sein,  da  sonst  keine  weitere  Spur  von  dem 
Tbiere  mehr  zu  finden  ist,  und  demnach  wäre  wie  am  natür* 
iichsten  so  nm  wahrscheinlichsten,  dass  der  linke  Vorderarm  sich  nach 
oben  gegen  das  Haui)t  einwärts  bog,  wobei  die  Schlange  sehr  wohl  an 
der  Stelle  sich  hinabwindea  musste,  wo  wir  das  Fragment  von  ihr 
vorfinden. 

Die  Situation  oder  Handlung  der  Trierer  Figur  ist  nunmehr  all- 
seitig genug  aufgeklärt  und  damit  auch  ihre  Bedeutung.  Dargestellt  ist 
Hygieia,  die  in  der  erhobenen  Linken  ihr  heiliges  Thier  gefasst  hält, 
das  sich  ihr  an  der  Brust  hinabwindet,  um  aus  der  Schale  getränkt 
zu  werden,  welche  die  Rechte  der  Göttin  entgegenbietet, 

Ist  aber  dieaes  Resultat  etwa  auch  massgebend  für  die  übriget» 
Repliken  dieses  Typus  oder  gar  für  die  Statue  von  Melos  selbst?  Wir 
müssen  diese  Frage  um  so  mehr  kurz  berühren,  als  an  der  ursiirüngiichen 
Bedeutung  des  Originals  noch  immer  gezweifelt  oder  gerüttelt  werden 
kann,  als  die  Verwendung  der  Originalmotivc  zur  Schöiifung  einer  Nike 
schon  früher  irregeleitet  hat,  um  so  mehr  schliesslich  als  sich  die  Kom- 
position auf  den  ersten  Blick  wohl  /.ur  Handlung  der  Hygieia  zu 
eignen  scheint. 

Genau  betrachtet  jedoch  hält  das  Bildwerk  nicht  Stich.  Man 
sieht  den  Grund  nicht  ein,  wesshalb  Hygieia  die  Schlange  mit  dem 
Arme  erbebt,  wenn  sie  dieselbe  unten  aus  der  Schale  tränken  will. 
Ebenso  wenig  lag  irgend  eine  Veranlassung  vor,  die  Figur  zur  Vornahme 
dieses  Akts  nach  der  Seite  sich  drehen  zu  lassen.  Was  soll  der  mensch- 
liche Körper  der  leicht  hierhin,  leicht  dorthin  sich  windenden  Schlange 
zu  Liebe  eine  so  bedeutende  Wendung  vollführen?  Diese  Gesichtspunkte 
allein  schon  haben  Bedeutung  genug  zu  erhärten,  dass  die  Statue  nicht 
für  die  dargestellte  Handlung  erfunden,  sondern  nur  für  dieselbe  be- 
nutzt worden  ist,  weil  ihre  Motive  im  allgemeinen  entsprachen,  weil  eine 
solche  Umwandlung  vom  technischen  Standpunkte  aus  möglich  schien. 
Um  die  höheren  Anforderungen  an  eine  Komposition  aber  war  derjenige, 
der  zum  ersten  Mal  diese  Variante  schuf,  weniger  bekümmert  oder  über- 
haupt mit  ihnen  unbekannt. 

Die  vollständige  Nacktheit  des  Okerkörpers  vollends  bis  zur  Scham 


84 


Ein  Nnchbild  der  Tenna  von  Milo. 


hin  ist  durchaus  unpassend  Tür  eine  Hygieia.  Diese  Göttin  kann  ja 
immerhin  als  Personifikation  der  blühenden  Körpergesundheit  (fttxa 
a€io,  fiäy.ai^'  'YyUia,  xiÖuXt  nuviu  xal  läfinti  Xaghiov  tag  Ariphroü 
b.  Athen.  15, 702)  ihren  jugendfristheu  Körper  zeigen.  Allein  die  grie- 
chische Kunst  hat  in  der  Enthlössung  schon  angesichts  dessen,  dass  die 
Göttin  als  Mädchen  galt,  immer  Mass  gehalten.  In  ihren  bedeuten- 
deren Bildwerken  sehen  wir  sie  daher  mit  dem  Chiton  augethan  oder  mit 
Chiton  und  Hintation  und  hüchstens  einen  Busen  entblösst  (O.  Müller 
Hdb.  d.  Arch.  d.  K.  §.  394,3.  Clara c  Mus.  d.  sc.  pl.  552—558  A. 
Ann.  d.  Inst,  187:^  tav.  d'agg.  A  p.  4  sgg.  (A.  Flasch)).  Hygieia 
blieb  den  Hellenen  stets  ein  züchtiges  jugendliches  Wesen,  und  mit 
dieser  Anschauung  stimmt  eine  so  derbe  Entblössung  wenig  überein. 
Sie  oiTenbart  vielmehr  die  grobe  Anschauung  der  römischen  Epoche 
und  einen  Bildhauer,  dem  es  nicht  um  innere  Charakteristik,  sondern 
nur  um  Charakteristik  mit  Hülfe  von  Attributen  zu  thun  war.  Kurz 
auch  das  Verhältniss  von  Nacktem  und  Draperie  zeigt,  dass  die  Figur 
ursprünglich  für  ein  anderes  Wesen  geschaffen  war,  als  wofür  sie  der 
Imitator  benutzt  hat. 

Auf  die  Bedeutung  des  Originals  hier  weiter  einzugehen,  scheint 
mir  keine  Veranlassung  gegeben.  Für  die  verschiedenen  untergeord- 
neten Repliken  aber  ist  nach  Auffindung  dieser  Variante  geboten 
(Bernouüi,  Aphrodite  p.  172— 177),  mm  auch  diesen  neuen  Gesichts- 
punkt behufs  Feststellung  ihrer  Bedeutung  im  Auge  zu  behalten.  Diess 
um  30  mehr,  weil  schon  ein  anderes  Bildwerk,  welches  seinen  Zusammen- 
hang mit  der  Melischen  Statue  nicht  verleugnen  kann,  dieselbe  Variante 
bietet,  zugleich  aber  den  eben  gerügten  Felder  allzugrosser  Nacktheit 
beseitigt.  Es  ist  dies  die  Durand'sche  Terracotta:  Clarac,  Mus.  d. 
Bc.  556,  1175.  Die  Kompositionsmotive  der  Terracotta  sind  die  be- 
kannten: Da.s  linke  Bein  ist  auf  eine  Erhöhung  gesetzt;  zur  Seite  steht  ein 
Pilaster,  wie  er  sich  üfter  in  den  Hcpliken  findet  und  wie  er  (wenigstens 
sicher  eine  Stütze)  auch  neben  der  Trierer  Figur  vorausgesetzt  wurde; 
der  Oberkörper  ist  nach  links  gewandt  mit  erhobener  Linken  und  nach 
derselben  Seite  folgender  Rechten ;  das  Haupt  hat  die  gleiche  Wendung 
und  ist  mit  einer  Stephane  bekrönt;  die  Linke  hält  die  Schlange  fest,  die 
Rechte  die  Schale,  aus  der  dieselbe  getränkt  wird,  also  genau  die  An- 
ordnung, zu  welcher  wir  das  Trierer  Bild  nach  den  Fragmenten  er- 
gänzen mussten. 

Das,  was  ich  oben  tadelnd  hervorgehoben  habe,  nämlich  dass  die 
ganze  Handlung  zu  demonstrativ  wirke,  dass  man,   um  eine  Schlange 


Ein  Nachbild  der  Yeniui  von  Milo.  86 

zu  tränken,  nicht  den  ganzen  Körper  verdrehen  dürfe,  tritt  in  der 
Terracotta  ordentlich  grell  und  verletzend  zu  Tage,  fUr  mich  wenigstens. 

Das  Himation  der  Dur  and'schen  Figur  lässt  seinen  Ursprung  noch 
erkennen,  aber  auch  kaum  mehr;  es  ist  zum  sinnlosen  Dekorationsstück 
geworden.  Dagegen  ist  der  Bildner  der  Terracotta  einer  besseren  Tradition 
gefolgt,  indem  er  nicht  die  Nacktheit  des  Originals  übernahm,  sondern 
seiner -Figur  jenen  Hülfschiton,  wenn  ich  ihn  so  nennen  darf,  an- 
zog, den  wir  von  den  Replikatoren  gebraucht  sehen,  so  oft  es  galt  den 
Typus  für  eine  Darstellung  zu  verwenden,  in  der  so  umfangreiche  Nackt- 
heit nicht  am  Platze  war,  so  z.  B.  bei  Umbildung  zu  einer  Nike, 
bei  Gruppirungen  mit  Ares,  wo  zwar  Aphrodite  dargestellt  sein  sollte, 
aber  unter. dem  Porträt  einer  ehrbaren  römischen  Matrone,  für  die 
dne  so  ostensive  Nacktheit  weniger  passend  erschien  (Glarac  Mus.  d. 
8C  634,  1428:  Gruppe  im  Kapitel,  Porträts;  326,  1431:  Gruppe  im 
Louvre,  ebenfalls  Porträts).  So  hat  der  Bildner  der*  Terracotta  der 
Umbildung,  die  er  erstrebte,  oder  dem  Wesen  der  Hygieia  mehr  Rech- 
nung getragen,  der  Bildhauer  der  Trierer  Replik  aber  dem  Aussehen 
des  Vorbildes. 

Nach  dem  Stilgefühl  oder  richtiger  nach  dem  Mangel  an  Stilgefühl, 
welcher  durch  die  Statuette  geht,  nach  der  oberflächlichen  Darlegung 
des  Nackten  und  der  schematischen  Faltenbehandlung  zu  urtheilen^ge- 
hört  das  Werk  gewiss  nicht  vor  die  Zeiten  des  Septimius  Severus,  am 
wahrscheinlichsten  in  die  Zeit  von  200—250  n.  Chr.  Ich  mache 
schliesslich  darauf  aufmerksam,  dass  schon  eine  andere  Replik  des- 
selben Originals  aus  Trier  stammt  (Jahrbücher  d.  V.  XIII,  T.  2). 

Wenn  wir  uns  auch  getäuscht  sahen  in  der  Hoffnung,  neue  Ge- 
sichtspunkte für  die  Statue  von  Melos  aus  dem  Trierer  Marmor 
zu  gewinnen,  seine  eingehende  Betrachtung  war  uns  lohnend  genug  in 
Hinsicht  auf  die  Rolle,  die  das  Original  in  den  Werkstätten  der  römi- 
«hen  Reproducenten  gespielt  hat. 

A.  Flasch. 


86    Erklsnmg  zweier  altohristlicher  Ghrabsohriften  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen. 

8.  ErMärung  zweier  altchristlicher  GrabschrHteB  In  der  Stiftskirche 

zu  Aachen, 

zugleich  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des,h.  Spes,  Bischofs 
von  Spoleto  (f  c  400). 

ffierzQ  Taf.  VII,  Fig.  1. 

Als  ich  mich  im  Winter  des  Jahres  1873/74  mit  der  kritisch-hi- 
storischen Untersuchung  über  die  ^Echtheit  und  Herkunft  der  Aachener 
Heiligthümer  beschäftigte,  musste  es  mein  erstes  Bestreben  sein,  die 
Art,  Zahl,  Grösse  und  Beschaffenheit  derselben  genau  festzustellen,  um 
so  fflr  die  einschlägigen  Forschungen  die  nöthige  Grundlage  zu  ge- 
winnen. Zu  diesem  Zwecke  wurde  auf  mein  Gesuch  im  Schöosse  des 
Stiftskapitels  eine  Commission  gebildet,  bestehend  aus  den  Herren  Dr. 
Grafen  von  S^fiG,  Dr.  Bock  und  mir,  welche  sämmtliche  Gefässe, 
Kapseln  und  Beutel,  worin  die  Heiligthttmer  verschlossen  aufbewahrt 
werden,  öffnen  und  über  den  Befund  der  Reliquien  ein  genaues  Proto- 
koll aufnehmen  sollte.  Auf  diesen  Untersuchungen,  welche  vier  Wochen 
hindurch  mit  grosser  Sorgfalt  vorgenommen  wurden,  beruhen  die  in 
meiner  Festschrift^)  zur  Heiligthumsfahrt  des  Jahres  1874  mitgetheil- 
ten- Notizen  über  die  Beliquien  selbst,-  sowie  über  alle  Funde,  welche 
bei  dieser  Gelegenheit  in  den  Reliquiarien  gemacht  wurden. 

Nicht  wenig  war  die  Commission  erstaunt,  in  der  mit  kostbaren 
Klfcnbeintafeln  bekleideteu  Reliquienladc  des  h.  Spes  einen  Zettel  zu 
finrlcn,  welcher  unzweifelhaft  constatirte,  dass  diese  Lade  über  400 
Jahre  nicht  mehr  war  geöffnet  worden ;  denn  auf  demselben  waren  die 
Namen  der  Canonici  des  Krönungsstifts  verzeichnet,  welche  den  Inhalt 
zum  letztenmal  im  Jahre  1454  einer  näheren  Untersuchung  unterworfen 
hatten.  Dass  übrigens  seit  dieser  langen  Zeit  eine  Eröffnung  des 
Schreines  nicht  mehr  stattgefunden  hat,  ist  nicht  auffallig.  Seltene  Er- 
öffnung der  Rcliquienschreine  war  Brauch  der  alten  Zeit.  Im  Jahre 
l.'ilO  hatte  man  in  Trier  den  in  dortiger  Domkirche  aufbewahrten 
heiligen  Rock  solange  nicht  mehr  gesehen,  dass  seine  Existenz  daselbst 
vielfach  bezweifelt  wurde  und  erst  Kaiser  Maximilian  diese  durch  eine 
licsondere  Untersuchung  constatiren  liess*);  im  10.  Jahrhundert  wusste 


1)  Geschichtliche  Mittheilungen  über  die  Heiligthümer  der  Stiftskirche  zu 
Aachen.  Köln  and  Neuss  bei  L.  Schwann. 

2)  Ein  Yerzeicbniss  der  bei  dieser  Gelegenheit  in  der  Domkirche  aufge- 
fundenen Ileliquien,  das  nach  Art  eines  Protokolls  vom  Kaiser  und  vielen  Reichs- 


Erklärung  zweier  allchrisüicber  Grabsohriflon  in  der  Stiftskirobo  »u  Aaohen.    87 

man  in  Chartres  nicht  mehr,  ob  die  dortige  Domkirctie  den  Schleier 
der  Gottesmutter  und  das  Unterkleid  derselben,  oder  bloss  eine  dieser 
Reliquien  besitze;  man  machte  nämlich  aus  der  Umhüllung  des  Schleiers 
eine  zweite  Relitiuie  und  nannte')  sie  tunica  oder  supparuni  U.  M.  V. 
Auch  in  Aachen  ist  man  von  dem  alten  Gebrauch  der  seltenen  Eröff- 
nung der  Rehquiarien  nur  dann  abgegangen,  wenn  die  höchsten  Wür- 
denträger der  Kirche  und  des  Staates  es  verlangten,  und  so  erklärt 
gich  auch  die  Thatsache,  dass  die  Elfenbeiulade  des  h.  Spes  seit  400 
Jahren  nicht  mehr  war  geöffnet  worden. 

Bei  der  Aufschlieasung  derselben  durch  den  Goldschmied  Herrn 
Witte  traten  zuerst  drei  Gewäuder  zum  Vorschein,  die  durch  ihre 
alten  Musterungen  und  durch  ihre  characteristiache  Webeart  die  Auf- 
merksamkeit der  Commission  fesselten,  Das  erste  Gewand  gehörte 
unzweifelhaft  dem  XII.  Jahrhundert  an,  da  die  Musterungen  in  sehr 
bekannten  Laubformen,  wie  sie  der  si/iltanischeii  Weberei  eigenthUmlich 
sind,  auftreten').  Das  zweite  Gewand  war  ein  weisser  Seidenstoff, 
welcher  an  den  Rriudern  mit  breiten  bunten  Längcustreifcn  verschen 
war;  die  Bänder  waren  von  abwechselnder  Breite  und  verschiedener 
Musterung  und  aus  ruthen  und  grünen  Seidenfädeu  gebildet,  in  deren 
Mitte  schmale  und  breite  Goldfäden  mit  einander  abwechselten.  Auf 
diesem  äusserst  delicaten  Seidenzeug  ^)  war  eine  Pergamentschrift  aus 
der  zweiten  Hälfte  des  XII.  Jahrhunderts  oder  aus  dem  Anfange  des 
Xlll.  herstammend  aufgenäht,  also  lautend:  Reliquie  sei  Spei  Episcopi. 
Der  Stoff  selbst,  der  an  einigen  Stellen  rissig  geworden,  liess  sich  als 


förstea  unterzeichnet  ist,  fand  ich  in  einAr  Handacbrift  dca  Klosters  zur  h.  Drei- 
faltigVeit  in  Wiener-Neustadt  XII.  D.  21;  letztere  gehörte  ehedem  dem  Kloster 
B.  M.  V-  in  Bardesholm,  Diöze«e  Bremen. 

1)  Melangee  d'ArcheoIogie  von  Cahier  et  Martin  I,  p.  67.  62;  Gallia 
chrutiana  lib.  VII,  p.  1108,  Kessel,  Aachener  Ileiligtbümer  S.  138. 

2)  Diesus  Gewaiid  kann  als  äusseres  Umfaüllungst^icU  betrachtet  werden. 
Ee  bat  eine  Länge  von  4ö"  rhein,  und  eine  Breite  von  27"  rheiu.  Die  Dosuius 
sind  gebildet  aus  Weinlaub  mit  Kronen  über  sitzenden  Thierunholden,  die  in 
Goldfaden  cinbrochirt  sind.  Der  Stoff  selbst  besteht  aus  gclbrolber  Seide  mit 
dunkelrothem  Muster;  eine  Borde  von  grünem  Sammet  an  einer  Langseite  ist 
Zusatz  späterer  Zeit. 

3)  Dasselbe  hatte  eine  Breite  too  28"  rhein.  und  eine  Länge  von  43"  rhein. 
Nach  der  Ansicht  des  Herrn  Dr.  Bock  ist  dieser  Stoff  zu  den  pallia  holoserica 
trifata  mit  eingewirkten,  rotben,  grünen  und  goldenen  Streifen  von  dereelben 
Textur  und  Dessinirung  zu  z&bjeo,  wie  solche  die  tibialia  der  Bisohöfe  im  13. 
und  13.  Jahrhundert  ^seigen- 


88    Erkl&ruog  sweier  allohristlicher  Grabsobriften  in  der  Stiftskirche  su  Aachen. 

eine  ad  hoc  neugewirkte  Umhüllung  erkennen.  In  diesem  zweiten 
Tuche  eingewickelt  befand  sich  das  dritte,  bestehend  aus  einem  hoch- 
rothcn  Seideutaffet,  wie  er  als  Futterzeug  in  kostbaren  liturgischen  Ge- 
wändern des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  häufig  vorkommt.  Die  ganze 
Anlage  dieser  dritten  Umhüllung  mit  einer  zusammengezogenen  Borde 
und  einem  kupfernen  Krampen  am  Obertheil  sowie  einem  umbordeten 
Einschnitt  zum  Durchlass  der  rechten  Hand  gibt  deutlich  zu  erkennen, 
dass  dieses  Gewandstiick  abs  Bekleidung  einer  Madonna-Statuette  im 
XV.  Jahrhundert  gebraucht  worden  ist. 

In  dieser  letzten  Umhüllung  befanden  sich  die  Gebeine*)  des  b. 
Bischofs  Si>es  und  beiliegend  eine  wohlerhaltene,  aus  frühkarolingischer 
Zeit  stammende  Fergamenttafel  mit  zwei  altchristlichen  Inschriften, 
deren  nähere  Erläuterung  den  Gegenstand  dieser  Abhandlung  bildet. 

I.  Die  Inschrifttafel.  Die  in  Rede  stehenden  altcbristlichen 
Inschriften  sind  nicht  bloss  an  sich,  sondern  auch  in  Buchung  auf 
die  Frage  ihrer  Herkunft  von  grosser  Bedeutung.  Wenn  Inschriften 
schon  im  Allgemeinen,  wie  Mommsen  sagt,  von  grosser  Widitigkeit 
sind,  indem  sie  für  die  Keuutniss  des  Alterthums  einen  ähnlichen  Ge- 
winn abwerfen,  wie  für  die  Kenntniss  eines  aus  Büchern  bekannt^i 
Landes  das  Beisen  in  demselben  erzeugt*),  so  sind  Inschriften  wie  die 
vorliegenden  von  doppeltem  Nutzen,  weil  sie  nicht  bloss  über  einen 
bisher  weniger  bekannten  Gegenstand  Licht  verbreiten,  sondern  auch 
zur  Aufhellung  anderer  wichtiger  Fragen  sichere  Wege  zeigen.  Ksher 
war  der  h.  Spes  i^eiuem  .\mte  nach  in  Deutschland  so  gut  wie  unbe- 
kannt und  selbst  sein  Name  wurde  in  Aachen  unrichtig  genannt:  man 
nannte  ihn  i^peus,  und  unter  diesem  Namen  kommt  er  auch  schon  iu 
den  -Vinuileu  dos  I^imbertus  von  AschafFeuburg  vor');  in  manchen 
MiUtyrologion  und  hagiologisohon  Werken  wurde  er  bald  als  Bekenner, 
baUl  als  Marivrer  Uvoichuet.  Unsere  Inschrift  nennt  ihn  Bischof,  nicht 
Märtyrer.  Aus  der.»  Todestag  desselben  und  aus  anderen  Notizen  er- 
gibt sich,  dass  derselbe  mit  dem  h.  Bischof  Spes  von  Spoleto,   der  c 


1'  Aus*or  ilor  IVr^HmonttÄtVl  I»g«n  Uvvh  rwei  Pcryiaientretctfi  l-ei  den  G«- 
Ivii^er  IVr  oxvo  l*u:oto;  Corj"j*  *ci  VY'.swp  Sj'^i;  der  ludert:  IS:!vercs  reü- 
v;«'.*r«iu  «v'i  Sjv»  l"?\»\*copi.  l"*«.**«-  luschnftxeilel  »iud  uaob  Stil  usd  Alter  rer- 
»^•hi<^^e■.!.  dov-lt  rx>u-h',  kosv.i'r  ulvr  U**  Xlll,  JAhrhviuden  turück. 

-"    Ih   MvnMiujo«.   Vi«rh*isdlvi:\j:x'u  dor  k.  »«obtischea  G««e4elI$cluLfl    der 

.<^  t.«v.-.\vrti  Aiiis*lM  ad  *.  I07i  la  IVru  ntonuB!.  0.  seript.  tsm.  Y.  p.  190. 


ErkläruDg  aweier  altchriBllicbei*  Grabschriftei^  in  der  Stiftakirobe  zu  Auchen,     80 

400  gestorben  ist*),  ein  uDil  dieselbe  Person  Ist,  and  so  haben  wir 
einen  neuen  Beleg  für  die  Wahrheit  des  An  gilbe  rt 'sehen  Zeugnisses"), 
»dass  Karl  der  Grosse  für  den  kaiserlichen  Palast  zu  Aachen  eine 
grosse  Anzahl  von  Ueiligthünierü  gesammelt  habe,  und  zwar  nicht 
bloss  zu  Rom,  Constantinopel  und  Jerusalem  sondern  überhaupt  aus 
den  verschiedenen  Theilen  der  ganzen  Christenheit,  naqientlich  aus 
Italien,  Deutschland,  Burgiind  und  den  gallischen  Piovmzen«.  Jeder 
Beitrag  aber  zur  Geschichte  dieses  grossen  Kaisers,  der  als  Baumeister 
eines  Weltreiches,  als  Gesetzgeber  vieler  Nationen  und  als  leuchtendes 
Meteor  in  der  Nacht  der  Zeiten  wie  kein  zweiter  Gewalthaber  der  Erde 
glänzt,  muss  um  so  freudiger  bcgrüsst  werden,  je  mehr  seine  Helden- 
gestalt schon  im  zweiten  Jahrhundert  nach  seinem  Tode  in  das  Zwie- 
licht der  Sage  gezogen")  und  daher  für  unsere  Zeit  Manches  dunkel 
geworden  ist,  was  ehedem  in  halb  Europa  bekannt  war. 

Die  beiden  Inschriften  auf  der  gedauhtea  Pergamenttafel,  sind 
auf  Taf.  VII,  Fig.  1  facsimilirt. 

Es  musste  auftäHig  erscheinen,  bei  den  Gebeinen  des  h.  Bischofs 
Spes  eine  Sepulcralinschrift  von  einem  verstorbenen  Kinde  zu  finden; 
daher  hatte  Herr  Dr.  med.  M.  II.  Debey  dahier  auf  Ersuchen  der 
Commission  die  Gefälligkeit,  dieselben  einer  osteologischen  Unter- 
SQchung  zu  unterziehen,  um  sicher  zu  ermitteln,  ob  sich  etwa  unter 
denselben  auch  Kindesgebeine  befänden.  Es  stellte  sich  aber  nach 
sorgfältiger  Prüfung  bis  zur  Evidenz  heraus,  dass  alle  Gebeine,  57  an 
Z*hl,  wie  sie  vorliegen,  von  einem  erwachsenen  Manne,  und  zwar  nur 
von  einem,  herrühren.  Ihr  Zustand  war  zwar  zum  Theij  trümmerhaft 
und  meistens  frei  von  organischen  Resten,  aber  die  einzelnen  Gebeine 
lie&seu  sich  alle  noch  wohl  erkennen  und  in  ihrer  Zusammengehörigkeit 
constatiren.  Alle  zeigten  eine  ziemlich  dunkelbraune  Färbung  mit  Aus- 
nahme zweier  Bruchstücke  des  rechten  Oberschenkels,  bei  welchen 
durch  starke  Zertrümmerung  die  Obertiäche  des  Knochens  fast  ganz 
zerstört  war  und  eine  weisse  P'arbe  der  unterliegenden  Koochensubstanz 
vorherrschte.    Das  Haupt  des  Heiligen  fehlte. 

Hiernach  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  jetzt  in 
der  Elfenbeinlade  des  h.  Spes  aufbewahrten  Reliquien  von  keinem  an* 


1)  Wir  werden  dies  später  aus  italienisobeu  Quellen  darthun. 

2)  Mabillon.  Act.  Sanct.  Ord.  a.  Benedicti  ed.  Venet.  V.  p.  108. 

3)  Chronik  des  MöQobs  Benedict  im  Kloster  St.  Andreas  am  Berge  Soracta, 
und  Perla,  Archiv  V,  148  f. 


90    Erklftrang  zweier  i^iohristlicher  Orabsohrifleu  in  der  Stiftskirehe  xa  Aachen. 

deren  Heiligen  herrflhren  als  vom  h.  Spes  selbst.  Wo  aber  die  Gebeine 
des  Kindes,  das  vielleicht  ein  Märtyrer  gewesen,  hingekommen  oder  ge- 
blieben sind,  ist  unbekannt  0* 

II.  Deutung  und  Erklärung  der  Kindes-Inschrift    Wir 

lesen:  Accipite,  Sancti,  vobis  venerabile  dignumque  minestrium 

Tnllium  Anatolium  Artemium  c(um)  p(ace)  p(aus^t) 

qui  vixit  annos  sex,  menses  octo  dies 

XXni.  Depositus  die  III.  Idus  Octuber 

Ricomere  et  Clearcho  viris  clarissimis  conss. 

Sancti,  dieses  Wort  bezeichnet  im  Sinne  des  neuen  Testaments 
und  der  ersten  Jahrhunderte  nicht  bloss  heilige  Personen,  sondern 
überhaupt  alle  Christen  *),  eben  weil  dieselben  durch  Christus  zu  einem 
neuen  Leben  der  Gerechtigkeit  und  wahren  Heiligkeit  erschaffen  sind'). 

uobis  far  euch;  das  Pronomen  ist  abhängig  von  venerabile;  es 
wird  dadurch  den  Christen  zugleich  der  Gegenstand  der  Verehrung 
ans  Herz  gelegt. 

t  Dieses  Kreuz,  crux  immissa  oder  lateinisches  Kreuz  genannt, 
kommt  auf  den  uns  erhaltenen  Monumenten  des  christlichen  Alterthums, 
auf  Grabsteinen,  Münzen,  Gemälden,  Mosaiken,  Lampen,  Trinkgef&ssen 
u.  s.  w.  der  acht  ersten  Jahrhunderte  am  häufigsten  vor'). 

Vre  =  venerabile,  d.  i.  verehrungswürdig  im  kirchlichen  Shme, 
wie  aus  dem  Folgenden  sich  ergeben  wird.  In  den  »geschichtlichen 
Mittheilungen  über  die  Aachener  Heiligthümeru  habe  ich  vorstehende 
Abkürzung  des  Originals  durch  vestre  gedeutet  und  in  dem  darauf 
folgenden  Herzzeichen  <^  einen  symbolischen  Ausdruck  für  Liebe 
(charitas)  gefunden').  Herr  Professor  Dr.  Becker  aber,  der  grfUid- 
liche  Kenner  profaner  und  christlicher  Inschriften,  hatte  die  Freund- 


1)  Da  dor  karolingisube  Reliquicnschate  des  Aachener  Münaters  im  Laufe 
der  Zeit  manchmal  bedeutende  Einbusso  erlitten  hat,  so  ist  es  nicht  unwahr- 
scheinlich, daas  diese  Gebeiue  zu  den  verlorenen  gehören.  Das  Stiftsarchiv  gibt 
keine  Auskunft  über  dieselben. 

2)  I.  Petr.  1,  15. 
8)  Ephes.  i,  24. 

4)  Ciampini  vet.  monument.  tom.  I,  lab.  14.  Münz,  archäolog.  Bemerkun- 
gen über  das  Kreuz,  Monogramme  Christi  u.  s.  w.  Annalen  des  Vereins  für 
nassauische  Alterthumskunde  Bd.  YIII,  18. 

6)  Pellicin  de  christianae  ecclesiae  primae  mediae  et  novissimae  aetatis 
politia  III.,  169.  Auch  der  Jesuit  Papobrock  meinte  diese«,  et  aoi  SS.  BolL 
Mali  tom.  V.  p.  223. 


Erkl&ruDg  zweier  aUobristUcher  Grabschriften  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen.    91 

liebkeit,  mich  zu  belehren,  dass  das  fragliche  Zeichen  des  Herzblattes 
nichts  Auderes  sei  als  ein  auf  heidnischcu  und  christlichen  ItiHchriften 
häafig  vorkommendes  Mittel  zur  Zierrath,  Raumansfülliinp,  vielleicht 
sogar  Interpunction ').  Unsere  Inschrift  spricht  für  diese  Deutung  als 
die  richtige  dadurch,  dass  sich  das  Herzblatt  in  dcrselbca  vierzehumal 
wiederholt»). 

dignumque.  venerabile  und  diguura  beziehen  sich  auf  minestriura. 
Die  anscheinend  störende  Tautologie  derselben  schwindet,  wenn  man 
venerabile  im  liturgischen  Sinne  als  vcrehrungswerth  nimmt,  wie  es 
auch,  falls  der  Knabe  als  Märtyrer  gestorben  ist,  mit  Rücksicht  auf 
dessen  heilige  Gebeine  genommen  werden  muss.  Desshalb  aber  möchte 
ich  ihn  als  Märtyrer  ansehen"),  weil  auf  der  Pergamenttafel  seine  Grab- 
schrift mit  der  des  Bischofs  Spes  vereinigt  erscheint,  was  vielleicht  auf 
den  m  altchristlicher  Zeit  herrschend  gewesenen  Gebrauch  der  Christen 
hinweist*),  ihre  letzte  Ruhestätte,  wo  möglich,  in  der  Nähe  der  Mar- 
tyrcrgräber  zu  wählen. 

minestrium  =  minister ium.  Dieses  Wort  ist  offenbar  die 
lateinische  üebcrsetzung  des  griechischen  SovXeia.  Nach  Lehre  der 
katholischen  Kirche  in  Betreff  der  Heiligenverehrung  gebührt  den 
Heiligen  die  dovhia,  Gott  dem  Herrn  aber  ist  die  XazQtia  d.  i. 
der  höchste  Cult,  zu  erweisen.  Zwar  ist  diese  Unterscheidung  an 
sich  bloss  eine  begriffliche,  da  dovkevuv  und  largecety  sprachlich  sy- 
nonyme Begriffe  sind;  aber  in  der  Kirchensprache  oder  iu  der  Sprache 
der  Theologen,  die  in  vorliegendem  Falle  dogmatisches  Ansehen  ge- 
wonnen hat,  dient  diese  begriffliche  Unterscheidung  dazu,  die  sachliche 
desto  genauer  festzuhalten  oder  schärfer  hervorzuheben*). 

Wie  nun  minestrium  grammatisch  aufgefasst  das  Object  des 
Satzes  ist,  so  ist  es  auch  logisch  genommen,  als  Object  der  Verehrung 


1)  So  deutet  dieses  Zeicheo  aucb  schon  Lupi  S.  J. :  Dissertatio  et  animad- 
versiones  in  mipor  inventum  Severae  martyris  epitapbinm.  Panormi  1734  p.  56. 

2)  Eine  beidniscbe  Inschrift  mit  zehn  derartigen  Herzblätteru  s.  in  deu 
Jahrbüchern  der  rhein.  Alterthumsfrounde,  H.  XXYI,  8.  202. 

3)  Beruoksicbiigcu  wir,  dass  von  einem  sechsjährigen  Kinde  kaum  ein  mit 
vollem  Bewusatscin  abgole^ca  Bekenntniss  der  Lehre  Christi  zn  erwarten  ist 
und  dass  in  den  ersten  Jahrhunderten  des  Christenthums  der  dulische  Cult  vor- 
sugsweise  den  Märtyrern  gezollt  wurde,  so  erscheint  die  Annahme,  dass  dasselbe 
«in  Märtyrer  gewesen,  wohl  begründet. 

4)  et  Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfrennden  im  Rheinland 
XXVI,  167. 

5)  Vgl.  AugnstinuB,  de  oivit.  Dei  I,  6. 


92    Erklärang  zweier  altohristlioher  Grabsohriften  in  der  Stiftskirche  sa  Aaohea. 

ZU  erklären  und  dieses  Object  ist  das  sechsjährige  Kind  ToUius  Ana- 
tolius  Artemius. 

X  Diese  überzwerge  schräge  l^orm  des  Kreuzes,  crux  decussata, 
auch  Andreas-Kreuz  *)  genannt,  war  als  solches  viele  Jahrhunderte  vor 
Christus  bekannt  Da  im  Griechischen  der  Name  Christus  mit  diesem 
Buchstaben  beginnt  (xQtarng),  so  liegt  darin  unzweifelhaft  der  Grund, 
warum  X  die  heilige  Chififre  fflr  den  Namen  Christi  sowohl  wie  für  das 
Kreuz  geworden  ist*). 

Füglich  knüpft  sich  hieran  die  Erläuterung  des  Monogramms 
Christ]  Q^,  welche  unsere  Inschrift  in  derselben  Zeile  bringt  und 
ausserdem  noch  viermal  im  Contexte  wiederholt 

Die  das  Kreuz  symbolisirende  Figur  des  X  verband  sich,  wie 
Cavaliere  de  Rossi  auf  Grund  der  in  den  Katakomben  entdeckten 
Denkmäler  nachweist'),  im  dritten  Jahrhundert  mit  einem  I,  so  zwar, 
dass  letzteres  senkrecht  in  die  Mitte  kam  ^.  Diese  beiden  Symbole,  die 
in  die  Arcanlehre  der  alten  Christen  aufgenommen  wurden,  bezeichnen 
den  Namen  ^Ir^aoig  XQiaxog  und  bilden  das  älteste  Monogramm  des  Er- 
lösers, d.  h.  die  älteste  Namenschiffre,  wodurch  Name  und  Amt  des- 
selben bei  den  Christen  kurz  pflegte  ausgedrückt  zu  werden.  Diese 
Entwicklung  hatte  sich  schon  um*s  Jahr  250  vollzogen.  Später, 
vor  dem  Jahre  298,  setzte  man  an  Stelle  des  I  den  zweiten  Buch- 
staben des  Wortes  x^ioroc,  also  P,  und  so  entstand  jenes  Monogramm 
Christi,  wie  es  Kaiser  Constantin  vor  der  Schlacht  mit  seinem  Gregen- 
kaiser  Maxentius  im  Jahre  311  am  Himmel  gesehen  haben  soll')  und 
welches  dadurch  erst  unter  den  Christen  allgemeine  Berühmtheit  und 
Verehrung  erlangt  hat*).  Durch  das  ganze  vierte  Jahrhundert«)  prangt 
es  auf  den  Bannern  des  Reiches  wie  der  Kirche,  an  Tempeln  und 
Altären,  an   öffentlichen   und  Privatgebäuden,   auf  den   Münzen  der 


1)  Weil  eine  alte  aber  höchst  sagenhafte  Tradition  den  h.  Apostel  An- 
dreas an  einem  solchen  Kreuze  gemartert  werden  lässt. 

2)  Münz,  archäolog.  Bemerkungen  über  das  Kreuz,  Monogramm  Chrisii 
u.  8.  w.  (Bd.  VII.  S.  27  der  Annalen  für  nassauische  Altcrthomskunde) ;  femer 
derselbe  im  Katholik  1867,  S.  216. 

3)  De  Kossi,  insoriptiones  I,  16  No.  10. 

4)  Eusebius,  vita  Constantini  I,  c.  27— SO. 

b)  Krliess  doch  der  Kaiser  Constantin,  wieSozomenes  berichtet  (bist.  trip. 
hb.  I.  0.  i>\  die  Verordnung,  dass  das  göttliche  Symbol  auf  den  Reichamünzen 
und  Kriegsfahnen  dargestellt  werden  sollte. 

6)  Die  einzige  Erweiterung,  die  das  Monogramm  Christi  anter  Conataatin 


ErklfiruTig  zweier  (Jtchri«tliclier  Grabachriften  in  der  Stift«kirche  zu  Aachen.     93 

Kaiser*)  wie  auf  den  Helmen  und  Schilden  der  Krieger;  am  meisten  aber 
kommt  es  auf  Grabschriften  jener  Zeit  vor,  wo  es  recht  sinnig  den  Glauben 
an  Christus  und  die  durch  das  Kreuz  erworbene  Erlüsungsgnarie  des- 
selben ausdrückt.  Und  wie  auf  den  Münzen  Constantins  d.  Gr.,  so 
erscheint  es  auch  auf  den  Münzen  seiner  Nachfolger  bis  auf  Arcadius, 
wo  es  in  andere  Formen  übergeht.  Interessant  ist  dabei  die  Wahr- 
nehmung, wie  mit  dem  Siege  des  Christenthums  die  symbolische  Halle 
allmählich  abfällt  und  ihre  Bedeutung  verliert.  Schon  im  Jahre  li'S 
findet  sich  das  Monogramm  Christi  in  der  Form  dercrux  immissa")  -p, 
die  mit  dem  gradcn  Balken  des  P  schon  das  Kreuz  erkennen  Ifisst, 
bis  dieses  ums  Jahr  409  wenigstens  zu  Rom  ganz  aus  der  symbolischen 
Hfille  heraustritt.  Das  Constantinische  Monogramm  kommt  nämlich  zu 
Rom*)  auf  Inschriften  vom  Jahre  298  bis  474  vor,  in  Gallien ')  vom 
Jahre  377  bis  493,  das  Monogramm  in  der  Form  der  crux  immissa 
zu  Rom')  vom  Jahre  355  bis  505,  in  Gallien«)  von  c.  400  bis  c.  540. 
Gleichwohl  tritt  an  die  Stelle  der  abgefallenen  Hülle  noch  nicht  das 
Bild  des  Gekreuzigten.  Zuerst  erscheinen  als  Sinnbilder  der  Erlösungs- 
gnade  Blumen,  Edelsteine  und  Sterne,  dann  das  unter  dem  Kreuze 
stehende  Lamm,  des  Martertodes  unschuldiges  Opfer,  das  recht  eigent- 


dem  Or.  erfuhr,  beftia&d  darin,  daes  man  um  825,  nachdem  die  Irrlehre  des 
Arial  vemrtheilt  worden  war,  deimaelbeii  die  Buchstaben  n  und  to,  entweder  allein 
oder  in  Dreiecken  eingeschlossen,  hiDEaluglo. 

1)  Besonders  interessant  und  zur  Yersinnbildung  des  dnrch  daa  Cbristen- 
thum  überwundenen  Heidenlhumt  geeignet  ist  eine  Kupfermünze  Constantin  des 
Gr.^  dieH.  Cohen  (les  monnaiea  roniaines  VI,  IGO)  mittheilt.  DaaLabarum  stellt 
nämlich  auf  einer  durchbohrten  Schlange.  Letztere  steht  ulTenbar  in  BezIehuDg 
XU  jenem  Gemälde,  welches  der  Kaiser,  wie  Easobius  berichtet  [vitä  Conslantini 
111,  3),  nach  dem  Siege  über  Maxcntius  anfertigen  und  in  seinem  Pallaste  auF- 
■tellen  Hess.  Er  selbst  war  auf  demselben  als  siegprangender,  bewaö'neter  Deld 
mit  dem  Krenze  dargestellt,  während  sich  zu  seinen  Füssen  ein  durchbohrter 
Drache  windet. 

2)  De  Rossi,  inscripHones  I,  N.  121. 

3)  Do  Rossi,  inscripliones  I,  N.  26—758;  im  Jahre  409  ist  es  schoD 
•elten  geworden;  de  Rossi,  de  ohristianis  tttulis  Carthagin,  1.  c.  N.  39. 

4)  Le  Blant,  inscriptions  chretiennes  de  la  Gaule  anterieures  au  VIII. 
•iede.  Paris  18&6.  I.  p.  XIY. 

6)  De  Rosai,  inscriptiones  I,  N.  121 — llOO. 

6)  Le  Blant,  I.e.  I,  p.  11.5,  N.  55;  11,  p.  62,  N.  412.  Vgl.  auch  die  gründ- 
lichn  Schrift  des  Herrn  Capinn  Dr.  MiJnz,  Archäolog.  Bemerkungen  etc.  S,  4G. 


94    Erkl&rang  zweier  tltohristlicher  GrabBchriften  in  der  Stiflskirohe  ta  Aaoheii. 

lieh  zu  einem  liturgischen  Kirchenbilde  geworden  ist ') ;  erst  im  sechsten 
Jahrhundert  zeigt  sich  das  Grucifixbild  vollständig  und  un verschleiert'). 

Tulliü  Anatolium  Artemis.  So  lautet  der  Name  des  Kindes 
dem  die  Grabschrift  gewidmet  ist.  Da  alle  Ortsbezeichnung  fehlt,  so 
bildet  derselbe  die  einzige  Quelle,  an  welche  sich  die  Untersuchung 
über  die  Herkunft  des  Kindes  anschliessen  kann. 

Seit  Vertreibung  der  Könige  führten  die  Römer  gewöhnlich')  drei 
Namen:  1)  einen  Vornamen  (Praenomen),  der  meistens  abgekürzt  ge- 
schrieben wurde;  2)  einen  Geschlechtsnamen  (Nomen),  der  gewöhnlich 
auf  ius  oder  aeus  ausging,  z.B.  Fabius,  Poppaeus;  3)  einen  Familien- 
namen (Cognomen),  der  die  verschiedenen  Zweige  des  Geschlechts  be- 
zeichnete. Hierzu  kamen  bisweilen  noch  Zunamen,  doch  waren  diese 
lediglich  zufällig  und  meistens  durch  merkwürdige  Thaten  oder  durch 
Adoption  veranlasst;  z.B.  P.  Cornelius  Scipio  Africanus.  Hiernach  haben 
wir  Anatolius  als  den  Geschlechtsnamen  des  Kindes  zu  betrachten, 
TuUius  als  Vornamen  und  Artemius  als  Familiennamen;  denn  wenn 
auch  die  genaue  Gliederung  der  Elemente  jedes  Personennamens  sowohl 
bei  den  Römern  als  bei  den  Grieclien  im  Laufe  der  Zeit  öfters  ver- 
nachlässigt worden  ist^»  so  haben  wir  doch  bezüglich  des  in  Rede 
stehenden  Kindesnamens  keine  Veranlassung,  eine  Anomalie  anzunehmen. 
Der  Vorname  TuUius  ist  zweifellos  lateinisch,  Artemius  und  Anatolius 
sind  zwar  ihrer  Herkunft  nach  griechisch,  kommen  aber  auch  auf 
lateinischen  Inschriften  häufig  vor.  Als  Geschlechtsname  findet  sich 
Artemius  in  einer  lateinischen  Inschrift'  der  römischen  Zeit,  die  zu 
Brixen  in  Tirol  gefunden  wurde');  als  Geschlechtsname  erscheint  Ar- 
temia  in  einer  lateinischen  Grabschrift  derselben  Zeit,  die  zu  Köln  ge^ 
funden  wurde").    Ein  h.  Bischof  Anatholon  regierte  im  vierten  Jahr- 


1)  Ktmstgcschiohto  des  Kreuzes  von  Dr.  J.  Stockbauer  S.  1S8. 

2)  Kunstgeschichte  des  Kreuzes  von  Dr.  J.  Stockbauer  S.  148  f. 

3)  »Drei  Namen  habenc  hoisst  daher  soviel  als  ein  Freier  sein;  daher 
sagt  Juvenal  Sat.  V,  126: 

Et  ponere  foris,  si  quid  tentaverie  umquara 
Hiscere,  tamquani  habeas  tria  nomina. 

4)  H.  Cannegieter,  üb.  singul.  de  mutata  romanorum  nominum  sub 
principibns  ratione.  Traiecti  ad  Rhenum  1766.  Orelli,  inscript.  lat.  I.  N.  2703. 
Boeckh,  Corpus  inscript.  graec.  I.  200,  1248,  1782.  II,  2900,  3676. 

6)  Jani  Gruteri  inscriptioncs  lat.  totius  orbis  romani,  ed.  d.  G.  Oraevius. 
Amstelaedami  17U7,  II.  p.  863. 

6)  L.  L  e  r  8  ü  h ,  Ccntralmuseuiu  rheinl&nd.  Inschriften  1842 1,  S.  66  (III.  S.  36). 


Ericänmg  zweier  altcbrisüioher  OrabBohriften  in  der  Stiftakirche  zu  Aachen.    96 

himdert  zu  Mailand;  seine  Grabschrift  ist  bei  Gruter  zu  lesen  *);  ein 
G.  Pantuleins  Anatellon  kommt  in  einer  römischen  Inschrift  zu  Nismes 
Tor,  ein  Aug.  Lib.  Anatellon  zu  Präneste;  die  bezüglichen  Inschriften 
finden  sich  ebenfalls  bei  Gruter').  Ja,  es  gibt  sogar  einen  römischen 
Consnl,  der  den  Namen  Anatolius  führte ").  Diese  Romanisirung  grie- 
chischer Personennamen  ist  nichts  Auffalliges.  Seitdem  man  in  Rom 
mit  besonderem  Eifer  angefangen  hatte,  griechische  Bildung,  nament- 
lich Philosophie,  zu  lernen  und  auf  römischen  Boden  zu  verpflanzen,  und 
dies  war  schon  zur  Zeit  Cicero*s  der  Fall^),  entspann  sich  unter  beiden 
Völkern  ein  lebhafter  allseitiger  Wechselverkehr,  der  durch  die  Herrschaft 
der  Römer  ttber  Griechenland  und  Mazedonien  mächtig  gefördert  wurde. 
Die  berühmtesten  und  reichsten  Familien  Italiens,  namentlich  der  Stadt 
Born,  umgaben  sich  mit  griechischer  Dienerschaft  und  liebten  es,  grie- 
chische Gelehrte  in  ihren  häuslichen  Kreis  zu  ziehen.  Es  gehörte 
fast  zum  guten  Ton  der  Gesellschaft,  von  griechischen  Lehrern  gebildet 
worden  zu  sein  '^).  Dass  sich  demnach  in  Italien  griechische  Geschlechts- 
namen  finden,  obgleich  die  Personen  selbst  römisch  sind,  kann  nicht 
aaffällig  erscheinen,  und  so  ist  auch  der  Name  des  in  unserer  Inschrift 
gaannten  Kindes  ein  römischer,  wenngleich  der  Geschlechtsname  ur- 
sprünglich aus  Griechenland  stammt. 

c  p.  p.   Diese  Abkürzungen  kommen  in  christlichen  Inschriften 
hinfig  vor;    sie  lauten  aufgelöst*):  cum  pace  pausat  und  besagen^). 


1)  Omteri  inaoript.  lat.  II.  p.  1161. 
-    2)  Oroteri  inaoript  lat  II,  p.  895;  I,  p.  889. 
8)  Derselbe  regierte  mit  Valentiuian  im  Jahre  440. 

4)  Prof.  Dr.  Cromo  Abhandlung:  Quid  Graecis  Cicero  in  philosophia, 
qoid  aibi  debuerit.  Düsseldorf  1855. 

5)  Daher  lesen  wir  in  Cicero's  Werke  de  oratore  II,  87:  Et  certe  non 
tolit  nlloa  haec  civitaa  aat  gloria  clariores  aut  auctoritate  graviores  aat  huma- 
nitate  politioroa  P.  Africano,  C.  Laelio,  L.  Furio,  qui  secum  eruditissimos  homi- 
naa  in  Oraecia  palam  semper  habuerunt.  Cicero  selbst  hatte  zum  Lehrer  den  be- 
rfifamten  griechiaohen  Dichter  Liciniua  Archias. 

6)  Steiner,  Sammlang  und  Erkl&rung  altohristlicher  Inschriften  N.  8, 
16,  21,  80,  74. 

7)  Morcelli,  de  stylo  vet.  inacriptionnm  p.  168.  Am  bestimmtesten  drückt 
sieh  darüber  Mazoochi  aus  (dissert.  epist  ad  titulam  Hilari  Romae  1745,  p.  4,N.  6), 
indem  er  sehreibt:  Illud  in  pace,  quod  chriatianis  titulis  vix  unqaam  deest, 
noa  dabito,  quin  de  pace  ecclesiaatioa  sit  accipiendam  aive  de  communione,  per 
qoam  veluti  glutinnm  membra  in  unum  corpua  coalescebant.  Reperitur  et  non- 
nomqnam  matila  formnia:    Te  in  pace,  qaae  mihi  videtur  initium  hymni  aot 


96    Erkläriin«;  «weier  Ritchristlicher  Grahschriften  in  der  Stiftskirche  zn  Aachen. 

daas  der  Verstorbene  im  Frieden  mit  Gott  und  der  Kirche  verschieden 
sei,  namentlich  soll  das  Letztere  besonders  hervorgehoben  werden,  wie 
aus  zahlreichen  Inschriften  erhellt.  Der  genannte  Ausdruck  hebt  also 
sehr  bezeichnend  die  kirchliche  Genieiuschaft  hervor,  in  welcher  der 
Verstorbene  während  seines  Lebens  gestanden  und  bis  zu  seinem  Tode 
verblieben  ist.  In  seinem  schönen  Aufsatze  *) :  »Die  Grabßchriften  der 
alten  Christen«  begleitet  Prof  Dr.  Piper  diese  Erklärung  mit  treffenden 
Belegen  und  Bemerkungen. 

qui  uixit  annos  sex.  menses  octo.  dies  XXIIl  —  eine  be- 
kannte Redeformel,  die  sich  in  ht^idnischen  und  christlichen  Grab- 
Bchriftcn  häufig  findet.  Die  Genauigkeit,  mit  welcher  die  Alten  die 
Lebeu-sdauer  eines  Verstorbenen  in  (Irabschriften  anzugeben  pflegten  und 
die  sich  bisweilen  nicht  bloss  auf  Jahr  unil  Monat,  sondern  sogar  auf  Tag 
und  Stunde  erstreckt,  erscheint  unserer  Auflassung  fast  übertrieben. 
Einen  andern  Grund  als  den,  dass  dadurch  die  Hinterbliebenen  das 
Andenken  lies  Verstorbenen  in  seinen  letzten  Lebensmomeuten  fixiren 
wollten,  habe  ich  nicht  finden  können. 

dopositus  d.  i.  beigesetzt.  Das  Wort  deponere  ist  der  stereotype 
Terminus  für  die  Bestattung  eines  verstorbenen  Christen  in  den  ersten 
Jahrhunderten;  ihm  entspricht  im  Griechischen  das  Wort  natcni&ivat. 
Die  ursplingliche  Bedeutung  desselben  ist  niederlegen,  ablegen  und 
dieser  Bedeutung  enssprechend  wurde  dasselbe  ohne  Zweifel,  wie  Dr.  Kraus 
hervai'hebt,  ursprünglich  rein  technisch  verstanden,  gerade  wie  positus 
est,  hie  Situs  est,  tttmulatus  est,  hie  iacet  u.  s.  w.,  lauter  termini,  die 
eigentlich  der  heidnischen  Epigraphik  angehciren,  wenn  sie  auch  auf 
christlichen  Grabsteinen  sporadii<ch  nachweisbar  sind»).  Da  indessen 
der  Ausdruck  depositiis  est  auf  heiduischen  Grabsteinen  gar  nicht,  oder 
doch  enorm  selten  sich  findet^),  wie  anderseits  das  Wort  sepultus  est  in 
cbristlicheu  Inschriften  jener  Zeit  noch  nachzuweisen  ist,  so  kann  auch  nur 
die  christliche  Auffassung  des  Todes  den  Maassstab  zur  Erklärung  dieser 


precationis  fuisse,  quam  defnncto  in  ecclesiae  paoe  fidelea  accinere  conBoeTerant, 
farmo  ut  nos  carmon  Requiem  aeternaoi  etc.  aot  aimilia  modulamar.  Apud 
Rcinoaiuin  tamon  expresse  habetur:  In  paoe  Christi. 

1)  Dr.  Piper,  erangelischer  Kalender  1666,  S.  48. 

2)  Gruter,  inacript.  lat  1,562»,  662»,  577',  643»,  446»,  569",  676»,  840*. 
8}  Dr.  Kraaa  fuhrt  in  leiner  vortrefflichen  Schrift  Koma  aotteranea  S.  424 

ita*  Qrab*elihft  aus  Koppaoh  in  Oeaterrcich  an,  welche  die  Sigle  DP  haben  soll. 
AlWn  dieMt  eine  Beispiel,  wenn  es  richtig  gelesen,  was  ich  sehr  besweüle, 
iai  nicht  beweisend ;  ein  «weites  aber  weiae  derselbe  nicht  ancnftihren. 


Erklärung  zweier  altcfaristUcber  Grabsohriftea  in  der  Stiftskirche  zu  Aacheu.     97 

Erscheinung  abgeben.  Der  Christ  betrachtet  den  Tod  oder  die  Tren- 
nung der  Seele  vom  Leibe  als  eine  Ablegung  der  sterblichen  Hülle, 
die  erneuert  oder  verklärt  er  nach  Abschluss  der  Zeit  wieder  annehmen 
wird.  Die  Todten  werden,  wie  Cardinal  Wiseman  bciucrkt').  Qur  fiir 
einige  Zeit,  nämlich  bis  sie  wieder  gefordert  werden,  dem  Grabe  an- 
vertraut, wie  man  ein  Unterpfand  oder  eine  Kostbarkeit  zur  sichern, 
aber  nur  -scitweisen  Bewahrung  irgendwo  hinterlegt.  Indessen  haben 
nicht  erst  die  Christen  dem  Worte  deponere  diesen  Begriff  untergelegt, 
sondern  derselbe  ist  ihm  eigenthümlich,  auch  bei  classischen  Schrift- 
steilem.  Cicero  braucht  häufig  die  Redensart;  pecuniam  apud  aliquem 
deponere.  Cornelius  Nepos")  sagt:  Amphoras  deponit  in  templo 
Dianae.  Livius:  Corinthum  ut  ibi  obsides  deponerentur  coiivenitur. 
Suetonius:  Testamentum  deposituoi  apud  Virginea  Vestales.  Der  Ort, 
wo  dieTodten  ruhen,  heisst  in  altchristhchen  Grabschriften  Coemeterium 
(Schlafetütte) ').  »Schon  dieser  Name,  sagt  mit  Recht  Wiseman,  weist 
darauf  hin,  dass  es  nur  ein  Ort  ist,  wo  Viele  ruhen,  wie  in  einem 
Schlafsaale,  eine  Zeit  lang  schlummernd,  bis  die  Morgenruthe  kommt 
und  der  Posaunenschall  sie  weckt.  Darum  wird  das  Grab  auch  schlecht- 
hin der  Platz  (locus)  oder  noch  gewöhnlicher  das  Plätzchen  (loculus) 
der  in  Christus  Gestorbenen  genannt. 

Die  weitere  Begründung  der  chi-istlichen  Bedeutung  des  Wortes 
depositio  und  die  Ausdehnung  dieser  Beileutuiig  in  spätrömischer  Zeit 
wird  später  bei  Besprechung  der  zweiten  Inschrift  erfolgen. 

die  III.  idus  Octuber,  d.  i.  am  13.  October.  Solche  sprach- 
liche Incorrectheiten,  wie  Octuber  für  Octobres  oder  Octobris,  kommen 
in  Inschriften  des  4.  und  5.  Jahrhunderts  häuiig  vor. 

Ricomere  et  Glearcho  vv.  cc.  Conss.  d.  i.  unter  dem  Con- 
sulat  der  hochangesehenen  Männer  Ricomer  und  Clearch.  Die  Ab- 
kürzung Conss.  für  Consuhbus  oder  Consule  weist  auf  das  vierte  Jahr- 
hundert.   Im  dritten  und  noch  früher  herrschte  statt  dessen  die  Form 


1)  Wiseman,  Fabiola,  or  tho  Church  of  Catacumbs  p.  145.  BeiBoeckh, 
Corpus  inscript.  graec.  IV.  n.  9439  heiaat  es  daher  ia  einer  laBcbrift:  xoaft>p^Qiot> 
Jvs  ipftnaaitus. 

2)  Com.  Nep.  vita  Hannibalis  c.  9,  2. 

8)  Im  Sinne  von  Friedhof  ersohetut  Coemeterium  zuerst  bei  Tertuliliaa  de 
anima,  61.  Cfarytiostorous  sagt,  dasa  durch  diese  im  N.T.  zwar  nicht  vorkommende 
aber  doch  analoge  Benennung  (Hatth.  27, 52  f.)  nicht  nur  das  Ende  aller  Mühselig- 
keiteu  uud  fiesobwerden,  soadern  auch  die  UoSnung  der  Auferstehung  ausge- 
drückt werden  «ollef  cf.  bomil.  81. 

7 


'tt--  Erklärung  zweier  altchriailicher  GrahBohrLften  in  der  Stiftaki rohe  zn  Aachen. 


Cos.  vor;  seit  Diocletian  wurde  die  Abkürzung  CJonss.  mit  zwei  s 
bräuchlich*).  Im  vierten  Jahrhundert  begann  man  auch  den  Namen 
derjenigen  Consuln,  welche  nicht  zugleich  Augusti  oderCaesares  waren, 
die  Siglen  vv.  cc.  oder  v.  c.  (viri  clarissirai)  als  Ehrentitel  beizufügen*). 
Diese  Sitte  wurde  so  constant,  dass  manche  Schriftsteller  jener  Zeit 
iu  diesen  Siglen  keinen  Unterschied  für  den  Singular  oder  Plural  be- 
obachten; denn  es  findet  sich  das  w.  cc.  für  einen  Consul  gerade  so 
wie  das  v.  c.  für  zwei  angewandt»).  Was  die  Begierungszeit  der  ge- 
nannten Consuln  anlangt,  so  fällt*)  dieselbe  nach  der  Chronik  des 
Prosper  von  Aquitanien  und  nach  den  Fasti  consulares  von  Idatius  iu*a 
Jahr  384  bis  385. 

Wir  sind  hiermit  an  den  Schluss  der  Kindes-Inschrift  angelangt. 
Ueberblicken  wir  nochmals  den  Inhalt  derselben,  so  deutet  das  erste 
Wort  Accipite,  dessen  Besprechung  wir  absichtlich  bis  hierhin  ver- 
schoben haben,  offenbar  darauf  hin,  dass  die  Reliquien  des  vielleicht 
für  seinen  Glauben  getödteten  Knaben,  welche  den  Christen  als  ein 
Gegenstand  der  Verehrung  (vobis  venerabile)  Übergeben  worden,  anders- 
woher nach  Aachen  dirigirt  worden  sind.  Den  muthmasslichen 
Ort,  woher  sie  gekommen,  werden  wir  erst  später  angeben,  da  die 
Spes*sche  Inschrift  die  nöthige  Begründung  bietet.  Bei  Gelegenheit 
dieser  Uebergabe  der  ehrwürdigen  Gebeine  copirte  man,  wie  aua  der 
cigenthümlichen  Fassung  der  Inschrift  hervoi'geht,  die  bereits  vorhandene 
Kindes-Inschrift,  leitete  sie  aber  mit  den  Worten  ein:  Accipite  Sancti 
nobis  uenerabile  diguumque  rainisterium.  Dermalen  sind  die  Gebeine 
des  Kindes  wie  bereits  erwähnt,  in  Aachen  nicht  mehr  vorhanden,  auch 
ist  nicht  bekannt,  wohin  sie  gekommen  sind. 

III.  Die  auf  den  h.  Bischof  Spes  bezügliche  zweite  In- 
schrift der  Pergamenttafel  lautet: 

Depositio  sauctae  meraoriac  uencrabiüs  Speis 
epiecopi  die  Villi  Kai.  Decembres,  qui  uixit 
in  sacerdotio  annis  XXXH : 


■  1)  Tergl.  Dr.  Kraus,  1.  c.  S.  428. 

2)  Vergl.  GotLofredufi  Eum  cod.  Theodo«.  Bd.  VI.  Thl.  2.  8.4.  Zell,  Hand- 
buch der  römischen  Epigraphik  II,  S.  248,  Daas  die  Sigle  v.  c.  nicht  vir  con- 
sularia,  sondern  vir  clariasimus  bedeutet,  erweist  evident  de  Roasi.  Pulletino 
1869,  p.  70  unter  v.  c. 

8)  De  RoBsi,  inacript.  lat.  I,  N.  49r)  und  N.  789. 

4)  Chronicon  integrum  Proaperi  Aquitani  ad  h.  a.  in  Canisii,  thea.  monusi. 
MoL  t.  1,  p.  296  ed.  Baauage;  ferner  Idalii  fuati  conaularea  ed.  Schalstrate,  anti- 
quitaa  eocleaiae  I,  D58. 


Grklärang^  sweier  altchristlicher  Ornbsohriften  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen.     99 

Diese  Inschrift  stebt  zur  ersteren,  soviel  sicij  äiisserlich  erkennen 
Ifisst,  in  keiner  weiteren  Beziehung,  als  dass  sie  auf  ileniselben  Perga- 
inentstUck  geschrieben  ist.  Dieser  Umstand  ist  jedoch  nicht  als  irre- 
levant zu  erachten  ;  denn  was  von  der  Heimath  der  einen  Inschrift 
bzw.  der  einen  Gebeine  gilt,  mass  auch  von  der  Heimath  der  anderen 
Inschrift  bzw.  der  anderen  Gebeine  als  massgebend  anerkannt  werden. 
Das  Archiv  der  Aachener  Stiftskirche,  das  sonst  für  die  Heiligenge- 
schiebte  noch  einen  reichen  Schatz  unbenutzter  Quellen  birgt,  weiss 
über  den  h.  Spes  nur  wenig  mitzutheilcn ;  erst  vorstehende  Inschrift 
gibt  ober  Namen,  Amt  und  Lebenszeit  desselben  sichere  Kunde.  Wir 
erfahren  daraus,  dass  der  Heilige  nicht  Speus,  wie  man  in  Aachen 
seinen  Namen  seit  dem  XL  Jahrhundert')  ausgesprochen  hat,  sondern 
Spea  (Speis)  heisst;  ferner  dass  derselbe  ein  Bischof  gewesen  und  zwar 
32  Jahre  lang,  und  endlich,  dass  der  Tod  desselben  auf  den  23. 
November  fällt.  Fast  alle  Nachrichten,  die  frilherhin  über  ihn  publicirt 
wurden,  werden  durch  diese  Inschrift  widerlegt.  Molauus')  berichtet, 
derselbe  sei  ein  Bischof  und  Märtyrer  gewesen,  da  es  in  einem  Reliquien- 
Verzeichnisse  der  Aachener  Stiftskirche  hcisse;  Pulveres  reliquiarum  s. 
Spei  Epci.  et  Mart.  Das  erwäiinteReliquien-Verzeichniss  haben  wir  zwar 
nicht  gefunden,  aber  wirklich  existirt  diese  Notiz  auf  einer  im  Re- 
liquienschreine des  h.  Spes  gefundenen  schedula,  nur  fehlt  das  Wort 
Mart.,  was  offenbar  vom  Abschreiber  willkürlich  hinzugefügt  worden 
ist  Ferner  wird  auch  die  Meinung  derjenigen  widerlegt,  welche  den 
Heihgen  für  den  Abt  Speus  von  Nursia  halten,  dessen  Pabst  Gregor 
der  Gr.  in  seinen  Dialogen  8),  und  das  römische  Martyrologium*)  auf  den 
28.  März  Erwähnung  thun^);  denn  der  Aachener  Heilige  heisst  Spes 
(Speis),  jener  Speus,  der  Aachener  Heilige  war  Bischof,  jener  Abt,  der 
Todeötag  des  Aachener  Heiligen  ist  der  23.  Noveniber,  der  des  Nur- 
«ianischen  Abtes  der  23.  März. 

Auch  ist  es  crwiihnenswertb,  dass  grade  am  23.  November  das 
Fest  des  h.  Sisinnius,  dessen  Gebeine  nach  dem  Reliquien-Verzeichnisse 


1)  Die«  erhellt  aus  Lamberti  annal.  ad.  1072  and  1074  (in  Fertz  mODiim. 
0.  Mript.  Y,  190),  BUB  verAohiedenen  Keliquietii;ettela  im  Scliretna  dea  Heiligen 
vad  aas  mehren  Leotionarien,  welche  das  Stiftaarchiv  aufbewahrt. 

2)  Natal.  Sanctorum  Belgü  ad  23.  Nov. 
8)  Gregorii  M.  dialog.  lib.  IV.  c.  10. 
4)  Acta  8anct.  Boll.  ad  28.  Januar  p.  507. 
b)  Molanua  fährt  ihn  in  seiner  Ausgabo  des  Usaard  auf  den  26.  Dezember  an. 


100    Erklärung  zweier  altchristlicher  Grabschriften  in  der  Siift«kirche  tu  Aachen. 


des  Abtes  Angilbert  von  Centulum ')  schon  zur  Zeit  Karls  des  Gr.  in 
der  Schatzkammer  des  Aachener  Münsters  vorhanden  waren,  gefeiert 
wird  und  von  jeher  gefeiert  worden«).  Sisinnius  war  nach  dem  grie- 
chischen Menologium,  welches  Cauisius  im  thesaurus  monumentorum 
ecclesiast.  et  historic.  veröffentlicht  hat,  ein  Märtyrer  aus  Cycikus  ira 
ilellespont,.  der  in  der  Diocletianischen  Verfolgung  mit  dem  Schwerte 
enthauptet  wurde').  Es  bleibt  freilich  unaufgehcllt,  wie  die  Gebeine 
beider  Heiligen  mit  einander  in  Verbindung  gekommen  sind ;  allein  die 
Thatsache,  dass  letztere  schon  zur  Zeit  Karls  des  Gr.  in  Aachen  auf- 
bewahrt wurden  und  dass  ihr  Fest  an  demselben  Tage  gehalten  wurde, 
macht  es  wahrscheinlicli,  dass  sie  ursprünglich  an  demselben  Orte  auf- 
bewahrt worden  sind,  • 

Nach  langem  Suchen  habe  ich  endlich  diesen  Ort  entdeckt;  es  ist 
Spoleto*).  Nach  Ferrarius^)  war  der  h.  Spes  Bischof  von  Spoleto  und 
filllt  sein  Todestag  auf  den  23.  November,  wird  aber  gewöhnlich  auf 
den  folgenden  Sonntag  gefeiert ;  nach  dem  allgemeinen  Martyrologium, 
welches  Adalbert  Müller  im  Jahre  1860  zu  Regensburg  herausgegeben 
hat,  ist  derselbe  c.  420  gestorben.  Der  Tod  des  h.  Bischofs  Spes  fällt 
also  nur  20  Jahre  später  als  der  des  Knaben  Artemius,  und  wenn  die 
Verbindung  der  beiderseitigen  Grabschriften  auf  ein  und  derselben 
Tafel  an  sich  auffallend  erscheinen  muss,  so  gewinnen  wir  in  diesen 
Notizen  ein  richtiges  Moment  zur  Erklärung,  da  die  Heiligen  beinahe 
gleichzeitig  sind  und  insofern  die  Vereinigung  ihrer  Gebeine  in  ein  und 
demselben  Schreine  nahe  lag. 

IV.  Geschieh tlicbe  Nachrichten  über  das  Leben  und 
den  Tod  des  L.  Bischofs  Spes.  Zu  diesen  hat  mir,  nachdem 
ich  mich  vergebens  brietlich  nach  Spoleto  vei'wandt  hatte,  der  durch 
seine  Gelehrsamkeit  und  Dienstgefälügkeit  ausgezeichnete  Priester 
Dr.  Pick  in  Rom,  auf  Ersuchen  in  der  bereitwilligsten  Weise  die 
nöthigen  üülfsmittel  und  Aufschlüsse  verschafft.  Ich  freue  mich,  dem- 
selben auch  au  dieser  Stelle  meinen  Dank  auszusprechen. 

1)  MabiiloD,  Bot.  SS.  ord.  a.  Benedicti  saec  IV.  p.  I,  p.  109. 

2)  Browcr  anoal.  Trever.  Hb.  VIII.  N.  11-t,  p.  414.  Auch  im  Lotbar-AlUr 
EU  Prüm  waren  Reliquien  des  h.  Sisinnius,  die  aber  wahrscheinlich  von  Aachen 
Btammen;  vgl  Prof.  Dr.  Marx,  die  SaJ?atorkirobe  su  Prüm  S.  12;  mein  Buch 
über  >die  HcilißthQmer  der  Stiftskirche  zu  Aachen«  S.  147. 

8)  Canisii,  thoaaurus  etp.  tom.  III.  p.  490. 

4)  Beschreibung  der  Erde  ron  Hoffmann,  Pahl  ond  Pfaff,  Stattgart 
1834.  11.  Bd.  8.  846. 

b)  AoU  SS.  Boll.  ad.  98.  Jaanar.  t.  U.  p.  507. 


Erklärung  xweier  altchriBtlicherGrabschriilen  in  der  Stiftskirche  zu  Äachcu.     101 

Nach  den  alten  Denkmalen  und  der  Tradition  der  Kirche  von 
Spoleto  war  der  h.  Spes  Bischof  dieser  Kirche  zur  Zeit  der  Kaiser 
Honorius  und  Ärcadius  (305—408).  Der  Cisterzicnaer  Abt  Ferdinaudo 
U  ghello,  der  im  17.  Jahrhundert  ein  vorzügliches  Werk  über  die  Bischöfe 
Italiens  und  der  umliegenden  Inseln  geschrieben,  hat  auf  Grund  dieser 
Quellen  die  Lebensgeschichte  des  Heiligen  entworfen '),  die,  wenn  freilich 
etwas  kurz,  doch  noch  immer  die  beste  Zusammenstellung  seiner  Lebens- 
notizen ist  Da  aber  heutzutage  durch  den  Aufschwung  der  Alterthums- 
wissenschaft,  namentlich  der  InschriftenkuDde,  manches  historische 
Denkmal  an  den  Tag  getreten  ist,  welches  früher  entwetler  unbekannt 
oder  unentziffert  war,  so  lassen  sich  auch  derartige  Biographien,  die 
in  den  letzten  Jahrhunderten  geschrieben  worden,  in  manchen  Punkten 
mehr  aufhellen  und  erweitern.  So  werden  auch  wir,  indem  wir  Ug- 
hello's  Nachrichten  über  den  h.  Bischof  Spes  unserer  Darstellung 
seines  Lebens  zu  Grunde  legen,  zugleich  eine  Reihe  wichtiger  Zusätze 
bringen,  wodurch  erst  die  Biographie  desselben  eine  feste  historische 
Unterlage  gewinnt:  Wir  entnehmen  dieselben  theils  den  historisch- 
archäologischen  Untersuchungen  des  gelehrten  Cavaliere  de  Rossi, 
theils  anderen  bisher  unbenutzten  Quellen. 

Die  kurze  Lebensgeschichte  des  h.  Spes,  welche  im  Brevier  der 
Spoletanischen  Diözese  enthalten  ist,  rühmt  von  ihm  neben  anderen 
vortrefllichen  Eigenschaften  schliesslich  eine  nicht  geringe  Kenntniss  in 
der  Poesie  und  Abfassung  von  Gedichten,  namentlich  von  religiösen, 
welche  zur  Verherrlichung  des  Gottesdienstes  und  zur  Ausschmikkung 
der  Kirchen  und  Martyrergräher  dienten.  Vor  200  Jahren,  vielleicht 
noch  sj)äter,  existirte  in  der  Domkrrcbe  zu  Spoleto  noch  ein  schönes 
Denkmal  seiner  poetischen  Gabe,  nämlich  ein  Elogium  auf  den  h.  Mär- 
tyrer Vitalis,  dessen  Gebeine  er  selbst  unter  dem  Uauptaltarc  der  Kirche 
Tcrzo  della  Pieve,  einer  Landkirche,  acht  Miglien  von  Spoleto  entferat, 
zuerst  aufgefunden  hat.  Das  Elogium  war  auf  einer  Marmortafel  in 
Buchstaben  vom  reinsten  antiken  Character  eingehaucn  und  bewahrte 
den  Namen  seines  Verfassers  in  der  Ueberschrift.  Da  dasselbe  zur 
Familiengeschichte  des  h.  Spes  fast  noch  wichtiger  ist  als  zur  Ge- 
schichte des  h.  Vitalis,  so  verdient  es  hierorts  vollständig  mitgetheilt 


1)  Ct.  Italia  sacra  aive  de  Epieoopia  Italiae  ei  insutamm  adjacontium  otc. 
nutore  D.  Ferdinando  üghello  Florentino,  Abbato  es.  Vincentii  et  Anaataaii  ad 
Aqua«  Salfiat  Ord.  Cisteri.  Editio  sccunda  eiuota  et  om«Ddata  cura  ei  studio 
Nicolai  Coleti.   Yenetiia  apud  Sebast.  Coleti  MDCCXYII  iom.  I,  p.  1255. 


102    Erkknas 


■Hebrällk^Br  GnliMihnftM  in  4flr  I 


za  «erdeo.  Wir  reprododren  die  correete  Jkhidinft,  wdcke  de  Rossi 
viedcr  aolgefnideB  mid  im  senieai  Bolktioo  &  Arcboftlo^  ouliaiia 
1871  y.  3,  n.  Serie,  anno  secondo  zum  Abdrndt  gebracht  hat : 

SPES  BSCOPAVS  OEI  SERV  ^  VS  SANCTO  VITALI  MARTIRI 
A  SE  PRIMVM  INVENTO  ALTARIS  HON  (JÜOREM  FECIT 
MARTIRIS  HIC  LOCVS  EST  VITAUS  NOMINE  VERO ») 
QVEM  SERVATA  FIDES  ET  CHRITI  PASSIO  VOTAT «) 
SOLVS  HIC  E  NOSTRIS  VICTRICIA  PONA  REPORTANS 
AETERNAM  COELO  MERVIT  PERFERRE  CORONAM 
HVNC  PRECOR  VT  LVCIS  PROMISSAE  CAVOIA  CARPAM 
ETQVAE  VIRCOPRAECANS  POSCIT  CALVENTIA  PRAESTET 
CORPORIS  INTACTO  PVRI  DECORATA  PVDORE 
PLVSQVE  OATVRA  FIDE  DECORIS  QVAM  QVOD  PIA  PATRI 
EXHIBET  OFFICIA  ET  PVRO  VENERA  tur  a)MORE 
VTQVE  PROBANTE  OEO  MANEAT  PER  (sae)CLA  F10ELI(8) 
PRAEMIA  LAETA  SIBI  CONCESSO  MVNERE  SVME(ti8) 
SANCTIS  LAETVS  EGO  SPES  HAEC  MVNVSCVLA  (dono) 

SANCTt  ViTAUS  MARTYRIS  PASSIONIS  N(a|TALIS  DIE  (K&L  Martiaa) 

Wann  die  Marmorplatte  aus  dem  Dome  zu  Spoleto  TcrschwaDdeD, 
ist  nicht  bekannt.  Mittlerweile  steht  der  Steinsarg,  worin  ehedem 
sätnintliche  Gebeine  des  h.  Vitalis  geruht  haben,  mit  Asche  und  eiuigeiii 
Gebein  erffiUt,  noch  immer  hinter  dem  Altare  der  jetzt  verlassenen  und 
verödeten  Kirche  Terzo  della  Pieve.  Eine  Inschrift  an  der  Kirchen- 
mauer, aus  dem  XVI.  Jahrhundert  stammend,  die  auch  des  h.  Spes  Er- 
wähnung thut,  besagt,  dass  Paulus  Sanvitalis,  Bischof  von  Spoleto,  am 
24  Juli  1597  eine  Reliquie  des  heihgen  Märtyrers  (cms)  und  die  Mar- 
mortafel in  seine  Cathedrale  habe  versetzen  lassen. 

Die  Uebertragung  der  h.  Reliquie  von  St.  Vitalis  sowie  der  be- 
schriebenen Memorieutafel  wird  auch  von  dem  Spoletani sehen  Gcschiclits- 


1)  Da  Vitalia  als  Adjeciiv  von  vila  gebildet  an  sich  kein  Nomen  proprium 
iat,  so  wird  damit  einerseits  bezeugt,  dasa  das  Wort  bicr  gleichwohl  als  nomen 
proprium  aoizufasseD  «ei,  anderseits  auf  die  inhaltreiche  Bedeutung  hingewieaen. 
AehnJicbe  Beispiele  Tgl.  bei  Lupi  s    Severa  p.  131. 

2)  Gleichbedeutend  mit  conaecrat;  der  Sinn  iit:  »ein  Opfer  dea  Glaubens 
und  Leidens  für  Giristoa«. 


Erklärung  xweier  aUobrUtlicher  Grabscfarifien  in  der  Stiftskirche  zu  AMbon.     103 

Schreiber  Campelloi)  bezeugt  Die  berogte,  vom  h.  Spea  verfasste 
Io8cbrift  aber  sandte  Bischof  Sanvitalis  in  getreuer  Abschrift  nach  Rom 
an  den  gelehrten  Oratorinncr  P.  Gallonius,  in  dessen  Nachlasse  de  Rossi 
sie  gefunden  liat.  Auch  ist  sie  mitgetheilt  in  LeonscilU's  historia 
Spolelina,  per  seriein  episcojiorura  digesta,  correcta  et  locupletata  a 
Seraphino  de  Scraphinis  a,  MDCLVI.,  die  handschriftlich  in  Spoleto 
aufbewahrt  wird.  Aus  diesen  Quctlen  hat  sie  de  Rossi  1.  c.  zum  Abdruck 
gebracht. 

Verwerthen  wir  jetzt  den  materielleo  Inhalt  der  Inschrift  für  die 
Geschichte  des  h.  Spe.s.  Aus  den  Worten :  solus  hie  e  nostris  geht 
ohne  Zweifel  hervor,  das  der  h.  Bischof  aus  der  ländlichen  Ortschaft 
Terzo  dellaPieve  gebürtig  war,  ebenso  wie  derb.  Viatalis');  denn  von 
Spoleto,  das  viele  Märtyrer,  auch  schon  im  fünften  Jahrhundert,  auf- 
zuweisen hatte,  konnte  unmöglich  gesagt  werden,  dass  der  Märtyrer 
Vitalis  allein  daher  stamme. 

^Eine  nicht  minder  interessante  Nachricht  über  den  b.  Spcs  lieat 
man  iu  v.  f»,  nämlich  dass  der  Meilige  eine  Tochter »),  Namens  Calventia, 
hatte,  die  sich  durch  Herzensreinheit,  Glaubenstreue  und  kindliche 
Liebe  gegen  ihren  Vater  auszeichnete.  Indem  dieser  sie  als  solche 
preist,  eniptiehlt  er  sie  dem  Schutze  des  h.  Märtyrers  Vitalis.  Daraus 
folgert  de  Rossi,  dass  Spes  aus  oder  nach  dem  Ehestande  in  den 
Friesterstand  getreten  sei.  Durch  diese  Notiz  gewinnt  auch  das  Wort 
solus  in  V.  3  erst  recht  seine  Bedeutung,  nämlich  der  h.  Vitalis  ist 
der  einzige  Märtyrer  von  den  Unsrigen,  d.  L  aus  unserem  Dorfe,  wo 
ich  und  Calventia  geboren  sind. 

Die  miuuscula  (üaben)  des  letzten  Verses  sind  oflenbar  von  dich- 
terischen Inschriften  auf  die  Gräber  der  Märtyrer  zu  verstehen.  Solche 
poetische  Verherrlichungen  der  Martyrergräber  waren  in  den  ersten 
christlichen  Jahrhunderten  sehr  beliebt,  man  sah  darin  eine  Art  reli- 
l^öser  Verehrung  gegen  die  Märtyrer,  wesshalb  sich  auch  Bischöfe  und 
Priester  mit  der  Abfassung  derselben  beschäftigten.  Besonders  tüchtig 
und  eifrig  in  diesem  Fache  erwies  sich  Pabst  Damasus  (t  384),  wie 
noch  dermalen   die  römischen  Katakomben   ausweisen.    Auch   der  b. 


1)  Campello,  delle  faiaioire  di  Spoleti  p.  235. 

2)  Vergl.  darüber  de  Hob  ei  1.  o. 

3)  Campello  1.  c.  p.  213  fasat  diesea  Wort  in  geiiUicbem  Sinne  auf  uud 
ventebt  darunter  eine  DiaconisBin,  die  dem  b.  Spcs  im  Dieost«  seiner  Kirobe 
bcbUlflicb  gewesen  sei,  aber  durchaus  unriobtig,  wie  auch  de  Rossi  anerkennt. 


I 


104    ErkliruDg  Kweier  altchristlicber  Grebscbrifton  in  der  Stiftskirohe  zu  Aachen. 


Bischof  Spes  war  in  dieser  Kunst  nicht  blos  wohl  erfahren,  sondern 
auch  eifrig  thätig.  Wie  der  über  pontificalis  *)  von  Damasus  saugt: 
Hie  multa  corpora  sanctorum  inartyruni  requisivit  et  itivenit,  quorum 
etiam  concilia  (i.  e.  coemeteria)  versibus  decoravit,  so  sagt  das  Spoleta- 
nische  Brevier*)  vom  h.  Spes:  Ornavit  ecclesias  et  martyrum  memo- 
rias,  quas  carraiaibus  decoravit.  Und  so  zeugt  in  gleicher  Weise  hier- 
für der  letzte  Vers  seines  auf  den  h.  Märtyrer  Vitalis  verfertigten 
Grabgedichtes. 

Einen  wunderbaren  Vorgang  aus  dem  Leben  des  h.  Spes  gelegent- 
lich der  von  ihm  vollzogenen  Einweihung  der  Kirche  zu  Montefalco 
berichtet  die  Lebensgeschichte')  des  h.  Priesters  Fortunatus,  die  ein 
spoletanischer  Priester  Namens  Audelaus  ums  Jahr  700  geschrieben 
hat  und  aus  welcher  u.  A.  auch  ereichtlich,  dass  Bischof  Spes  bei  dieser 
Gelegenheit  den  Leichnam  des  Fortunatus  in  der  neuen  Kirche  be- 
stattet hat. 

Wichtig  für  die  ÄufheUung  der  Geschichte  des  heiligen,  jetzt  in 
der  Stiftskirche  zu  Aachen  ruhenden  Bischofs  Spes  ist  die  in  deRossi's 
Bulletino  di  Archcologia  cristiana  enthaltene  überraschende  Mitthei- 
lung, dass  der  Sarcophag  des  h.  Spes  im  Subterraneura  der  Apostel- 
kirchc  bei  Spoleto,  ungefähr  eine  italienische  Meile  von  der  Stadt  ent- 
fernt, noch  heute  vorhanden  sei,  und  dass  sich  auf  dem  Deckel  desselben 
in  Buchstaben  des  4.  oder  5.  Jahrhunderts  eine  Inschrift  befinde,  welche 
über  die  Würde,  Lebenszeit  und  den  Todestag  des  Heiligen  sichere 
Auskunft  ertheile.  Vordem  gehörte  die  Kirche  dem  Domcapitel  zu 
Spoleto,  welches  am  Feste  der  heiligen  Apostel  Simon  und  Judas  dort 
feierlichen  Gottesdienst  hielt;  sonst  war  dieselbe  wenig  benutzt,  jetzt 
ist  sie  durch  die  italienische  Regierung  säcularisirt.  Die  Inschrift  lautet 
nach  de  Rossi*): 

DEPOSITIO.  SANC 

TAE  MEMORIAE  VE 

NERABILIS  SPEIS 

AEPISCOPI  -DIE.  Vim. 
,      KAL.  OECB.  QVI  V( 

XIT  IN  SACERDOTI 
O.  ANNIS.  XXXII. 

1)  LiK  pontific.  ad  Damasum  §  2. 

2)  Lectio  n.  Nooturai  d.  23.  Nov. 

9)  Ein  correcter  Abdruck  dereelben  findet  eich  in  den  Acta  88.  Boll.  Jumi 
t.  I,  76.  Lectionanuni  Spoletan.  ccclesiae  t.  I. 

4)  de  RoBBi,  Bulletino  di  Aroheologta  cristiana  1871,  II.  •eric,  auuo 
leoondo  p.  113.  * 


Erkl&niDg  zwoier  altebristlioher  Grabaohrirten  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen,     105 

Die  Abschrift  auf  der  Aachener  Pergamenttafel  stimmt  also  mit 
dem  Original  wörtlich  überein,  und  zwar  bis  auf  die  Buchstaben  und 
Abkürzungen;  nur  hat  die  Abschrift  drei  Zeilen,  während  das  Original 
ihrer  sieben  hat. 

Aus  der  Inschrift  geht  hervor,  dass  »der  verehrungswürdige 
Bischof  Speis  heiligen  Andenkens«  am  23.  November  im  32.  Jahre  seines 
bischöflichen  Amtes  gestorben  ist.  Der  Name  Spes  als  weiblicher 
Personenname  ist  nicht  selten.  Wir  kennen  die  h.  Spes  ^),  Schwester 
TOD  Fides  und  Charitas,  die  mit  diesen  unter  dem  Kaiser  Hndrian 
die  Martyrkrone  erlangt  hat;  Urittia  Spes')  in  einer  Grabschrift,  die 
Gruter  mittheilt;  Cornelia  Spes*)  in  einer  anderen  Grabschrift  eben- 
daselbst; aber  als  Mannsname  ist  er  selten.  Wir  fanden  nur  ein  Bei- 
spiel in  den  Dialogen  Gregors  des  Gr.,  wo  ein  h.  Spes,  Abt  des  Klosters 
Kample  bei  Nursia,  erwähnt  wird*).  Sein  Fest  fällt  auf  den  28,  März. 
Cavaliere  de  Rossi'')  entdeckte  noch  zwei  andere  Spoletaner,  welche 
Spes  geheissen  haben,  nämlich  Flavius  Spes,  einen  der  vornehmsten 
Bärger  der  Municipalstadt  Spoleto  im  Jahre  346,  und  einen  zweiten, 
der  mit  Domitius  unter  dem  Kaiser  Theoderich  die  Austrocknung  der 
Spoletanischcn  Sümpfe  unternommen  hat.  Beide  Männer  werden  bei 
Cassiodor,  der  dieses  berichtet*),  angesehene  Leute  (viri  spectiibiies)  ge- 
otnot;  den  ersteren  hält  Campello')  in  seiner  Geschichte  von  Spoleto 
filr  einen  Verwandten  oder  Vorfahren  unseres  heiligen  Bischofs,  doch 
vermag  er  einen  stringenten  Beweis  dafür  nicht  zu  liefern. 

Es  erübrigt  nunmehr  die  Frage,  wann  der  h.  Spes  gestorben  Bei. 
Wäre  das  auf  der  Stirnwand  der  St.  Fortunatus-Kirche  zu  Moutefalco 
verzeichnete  Jahresdatum*)  der  Einweihung  dieser  Kirche,  nämlich  402, 


1)  Ihre  Acten  sind  von  Metbaphraat  aus  älteron  Documenton  abgseohrieben 
nnd  veröffentlicht  worden  (ad  17  Sept.).  Auch  das  gricchieche  Menologium  von 
Canisiu«  (thesaur.  monum.  eocl.  tom.  III)  setzt  ihr  Fest  auf  diesen  Tag  und 
bringiseine  kurze  Biographie.  Im  römischen  Martyrologium  dagegen,  ferner  bei 
Uauard,  Ado  nnd  A.  fällt  ihr  Feat  auf  den  1.  Auguat. 

2)  Gruter,  inscript.  antiquae  II  p.  775*. 

3)  Gruter,  I.  c.  p.  796".  Andere  Beispiele  ebenda:  I,  608*,  666«,  6fi6*, 
776»,  776'«,  786».  818",  949">  u.  s.  w. 

4)  Gregorii  M.   dial.  lib.  IV,  c.  10  ed.  Migue  totu,  III.  p,  334. 
6)  Bulletino  1.  c.  p.  114. 

6)  Cassiodori  Variar.  11.  p,  21  ed,  Paris,  d.  a.  1679. 

7)  Campello,  histoire  di  Spoleti  p.  196  u.  311. 

8)  De  Botai,  Bullelino  I.  o.  p.  114. 


I 

106    Erklärung  zweier  altchriaUicher  Grabschriften  in  der  Siiftskirohe  sa  Aaohen. 

richtig,  so  wäre  damit  zur  Beantwortung  dieser  Frage  ein  fester  An- 
haltspunkt gewonnen ;  aber  diese  Angabe  ist  nichts  Anderes  als  eine 
willkürliche  Meinung  des  Geschichtsschreibers  Camp  eil« '),  wie  de  Rossi 
nachweist.  Ug hello  setzt  seinen  Tod  ungefähr  in's  Jahr  453,  indem 
er  sagt'):  »Sein  (Spes)  Leben  fristete  er  bis  auf  die  Zeiten  Leo's  des 
Gr.  und  des  Kaisers  Valentiuian.  Um  den  Sturz  des  Römerreiches 
und  die  heftigen  Angriffe  der  Ketzer  auf  den  Apostolischen  Stuhl  nicht 
zu  sehen,  berief  ihn  der  Herr  am  28.  November  453  vom  irdischen 
Schauplatz  ab;  er  starb  als  ein  Mann  von  grosser  Heiligkeit,  Wissen- 
schaft und  Verdienst«.  Aber  auch  diese  Meinung  hat  wenig  Gewicht, 
weil  ihr  jeder  positive  Anhalt  fehlt  und  muss  daher  der  gewöhnlichen 
Angabc,  welche  sich  auf  die  Tradition  der  Spoletanischen  Kirche  stützt, 
weichen.  Letztere  lautet  aber  dahin,  dass  der  h.  Bischof  Spes  entweder 
gegen  Schluss  des  vierten,  oder  gegen  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts 
gestorben  sei.  De  Rossi  stimmt  dieser  Meinung  vollkommen  bei  und 
findet  gerade  in  der  Spes'schen  Inschrift  auf  den  h.  Vitalis  einen 
ziemlich  starken  Beweggrund  dazu.  Diese  Inschrift  zeichnet  sich  näm- 
lich durch  grosse  Einfachheit  im  Sinn  und  in  der  Construction  aas, 
was  eher  auf  das  vierte  als  auf  das  fünfte  Jahrhundert  deutet;  sie 
zeichnet  sich  namentlich  vortheilhaft  in  dieser  Beziehung  vor  den 
Inschriften  des  spoletanischen  Bischofs  Achilles  aus,  den  die  unvor- 
denkliche Tradition  dieser  Kirche  in  den  Anfang  des  fünften  Jahr- 
bundeil^  versetzt.  Wenn  man  die  Inschriften  beider  mit  einander  ver- 
gleicht, so  wird  man  de  Rossi  sofort  beistimmen,  wenn  er  den  h.  Spess 
eher  für  einen  Vorgänger  als  Nachfolger  des  Achilles  hält') ;  denn  die 
des  Achilles  sind,  wie  die  meisten  Gcistesproducte  der  spätrömischen 
Zeit,  in  schlechtem  Latein  geschrieben  und  sehr  breitspurig*). 

So   hat  also   die  gewöhnliche  Meinung,    dass   der  h.  Spes    am 

1)  L'anno  402  e  stato  proposto  dal  Campello  (bist,  di  Spoleti  p.  207,  213, 
231 — 233);  il  quale  non  solo  oredette  ciecamente  al  Ferrari  affermaute  Spes  avere 
tioritu  sotto  Arcadic  ed  Onorio;  ma  ardi  aucho  senza  prova  Verona  stabilire  nel 
370  il  principio  dei  32  anni  scgnati  noU'  epitafio  e  nell'  ultimo  di  queati,  cioe 
nel  402.  la  oonoacrazione  doUa  basilica  di  a.  Fortanato. 

2)  Ughelli  1.  c.  col.  1266. 

3)  De  Rossi.  Bulletino  1.  c.  p.  116. 

4)  Di«  Inschriften  finden  sich  beide  Rossi.  inscript.  christ.  tom.  I.  praef. 
p.  Yll.  Derselbe  copirte  sie  aus  dem  Cod.  Palat.  Vatic.  863  fol  75.  Auch 
fiudeu  BIO  sich  bei  Gruter,  inscript.  antiq.  p.  1175,  7,  8,  9.  abgedruckt,  doch 
fehlerhaft. 


Erklärung  zweier  aUcbrisllicher  Grabsohriflen  in  der  Stiftskirche  eu  Aftchea.     107 

Schlüsse  des  4.  oder  im  Anfange  dos  5.  Jahrhunderts  oder,  um  die 
Zeit  bestimmter  zu  begrenzen,  während  der  Regierung  der  Kaiser 
Honoriua  und  Arcadius  gestorben  sei,  das  meiste  Gewicht;  das  Todes- 
jahr desselben  mit  aller  Bestimmtheit  anzugeben,  wird  wolil  nur  von 
der  Entdeckung  neuer  (Quellen  abhängen. 

V.  Verification  des  Grabes  und  der  Gebeine  des  b. 
Spes.  Da,  wie  bereits  erwähnt,  die  Schatzkammer  der  Stiftskirche  zu 
Aachen  fast  alle  Gebeine  des  h.  Spes  besitzt,  war  es  wichtig  zu  wissen» 
ob  und  welche  Gebeine  noch  heute  in  dessen  Sarcophag  zu  Spoleto 
sich  befinden.  Ueber  seine  bezügliche  Untersuchung  berichtet  uns  H. 
Dr.  Pick  aus  Rom  iu  einem  ausführlichen  Schreiben  vora  31.  October 
IST.*»  Folgemies; 

•Der  Erfolg  meines  Besuches  in  Spoleto  war  wegen  der  Abwesen- 
heit des  Herrn  Erzbischofs  leider  ein  unvollständiger.  Ich  besuchte 
den  dortigen  Seminarregens  und  Erzdiacon,  Mspr.  Luzzi,  einen  liebens- 
würdigen Herrn,  der  mir  die  Ihnen  neulich  mitgetheillen  Nachrichten 
gegeben  hatte.  Wir  machten  darauf  beide  zusammen  den  Weg  durch 
die  Ebene  nach  der  Apostelkirche,  worin  die  Urne  des  h.  Rischofs  Spes 
sich  befindet.  Der  gegenwärtige  Besitzer  der  Kirche,  Dr.  Sinibaldi,  ge- 
stattete uns  in  liberalster  Weise  dieselbe  zu  inspiciren.  Arbeiter  waren 
daselbst  beschäftigt,  da  der  Eigcnthüraer  die  Kirche  in  ein  Magazin 
umwandelt.  Ich  liess  den  Eingang  zu  dem  sogenannten  Subterraneum, 
welcher  durch  Holzwerk  verdeckt  war,  bloss  legen.  Derselbe  ist  mitten 
in  der  Kirche,  gerade  vor  den  zwei  Stufen,  welche  zur  Absis  führen. 
Dicht  an  den  Stufen  befindet  sich  der  den  Eingang  theilweisc  deckende 
Stein  mit  der  Inschrift :  DFPOSITIO  8ANCTAE  etc.,  wie  sie  de  Ros.si 
verzeichnet.  Sechs  oder  sieben  Stufen  führen  in  das  Subterraneum  hinab. 
Dieses  besteht  nur  aus  einem  sehr  niedrigen,  engen  und  kurzen  Gange, 
in  den  man  sich  nur  knieend  hincinbegeben  kann.  Der  Boden  des 
Subterraneums  ist  fast  ganz  durch  den  Deckel  des-  im  Boden  befind- 
lichen Sarcophags  verdeckt.  Der  roh  aus  einer  Steinplatte  ausgehauene 
Deckel  trägt  keine  Inschrift  und  hnt  eine  oblonge,  dachioraig  construirte 
Form.  Bei  näherer  Untersuchung  fand  ich,  dass  der  Deckel  in  jüngster 
Zeit  zum  Theil  aufgehoben  worden  war,  wahrscheinlich  von  den  Ar- 
beitern, die  vielleicht  Werthsachen,  Metall  oder  Antiquitäten  darin  ver- 
mutheten.  Man  hatte  ein  paar  kleine  Steine  zwischen  den  Deckel  und 
den  Rand  des  rohen  Sarcophags  gelegt,  vielleicht  um  gelegentlich  den 
eingebildeten  Schätzen  weiter  nachzuforschen.  Da  also  doch  einmal 
der  Deckel  gehoben  resp.  geöffnet  worden  war,  wie  auch  Magr.  Luzzi 


106    Erklärung  zweier  altchriBÜicherGrabschrift-en  in  der SlifUkirchc  ea  Asciwa. 


selbst  sah,  so  nahm  ich  keinen  Anstand,  durch  einen  Hebel  den  Deckel 
80  weit  lüften  zu  lassen,  dass  ich  das  Innere  beleuchten  und  hinein- 
blicken konnte.  Ich  bemerkte  nun,  dass  eine  Lage  ziemlich  dicht  und 
flach  nebeneinander  gefügter  Ziegelstücke  ohne  Mörtel  das  Innere  bis 
zu  ungefähr  <>— 8  Zoll  vom  Rande  abschloss;  den  unter  den  Ziegeln 
belindlichen  Inhalt  aber  konnte  ich  nicht  untersuchen.  Im  vorderen 
Theile  des  Sarcophags  waren  die  Ziegel  aus  ihrer  Lwge  gebracht,  wahr- 
scheinlich durch  die  raubsüchtige  Hand  eines  Arbeiters.  Auffallend  war, 
dass  der  Mörtel,  welcher  Deckel  und  Sarcophag  verbindet  und  welcher 
durch  die  ersten  Eindringlinge  an  der  vorderen  Seite  hinab-  und  in  den 
Sarcophag  hineingestossen  worden  war,  aus  einer  Art  Tun  bestand, 
welcher  sehi*  feucht  und  weich  war.  Uebrigens  soll  dieses  Subterraneum 
mitunter  dem  Eindringen  des  "Wassers  ausgesetzt  sein.  Ich  Hess  den 
Deckel  wieder  sinken  und  vereinbarte  dann  raitMsgr.  Lazzi,  dasa  er 
bei  Rückkehr  des  Herrn  Erzbischofs  dessen  Autorisation  nachsuchen 
solle,  den  Inhalt  des  Sarcophags  zu  verificiren.  Auch  der  Besitzer  der 
Kirche  erklärte  sich  damit  einverstanden.  Ueber  den  Modus»  die  voll- 
ständige Oeftnung  des  Sarcophags  vorzunehmen,  habe  ich  bereits  mit 
Msgr.  Luzzi  und  Dr.  Sinibaldi  gesprochen.  Diese  Herren  meinten,  es 
sei  am  besten,  die  Decke  des  Subterraneums  ganz  zu  entfernen.  Da  ich 
Jedoch  vemiuthe,  dass  der  eigentliche  Sarcophag  weiter  keine  Inschrift 
tragen  wird  und,  nach  dem  Deckel  zu  urtheilen,  kaum  von  weiterem 
historischen  Interesse  sein  dürfte,  so  erbot  ich  mich,  den  schweren  Deckel, 
durch  einige  Arbeiter  unter  meiner  Leitung  ganz  herausnehmen  zu 
lassen.  Dann  wird  die  Untersuchung  ohne  weitere  grosse  Schwierigkeit 
vorgenommen  werden  können.  Mser.  Luzzi  versprach  mir,  mich  zur 
Vcrjfication  einzuladen,  und  werde  ich  llineu  sodann  den  Befund  nebst 
etwaigen  sonstigen  Erhebungen,  die  für  Sie  von  Interesse  sein  können, 
mitth  eilen.« 

Die  briefliche  Mittheilung  des  genannten  Herrn,  welche  mir  drei 
Wochen  später  zu  Theil  wurde,  lautet: 

>»Ich  benachrichtige  Sie,  dass  das  Grab  des  h.  Spcs  in  Spolcto, 
das  vor  wenigen  Tagen  geüffnct  worden,  leer  war;  auch  nicht  eine  Spur 
von  dessen  Ciebeinen  war  vorhanden.u 

Hiernach  kann  ea  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Gebeine 
desselben,  welche  heute  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen  aufbewahrt  wer- 
den, dieselben  sind,  welche  ehedem  in  der  zu  Ehren  dieses  hl. 
Bischofs  erbauten  Kirche  zu  Spoleto  geruht  haben  und  dass 
dieselben    zur  Zeit  Karls   des  Gr.   nach  Aachen  transferirt  worden 


£rkl&riuig  zweier  altchrietlicher  Grabtcbriften  io  der  Stiftskirche  zu  Aachen.     109 

sind.     Wo   aber  das  Haupt  desselben    geblieben,   ist  bis  zur  Stunde 
unbekannt. 

VI.  Späteres  Schicksal  der  Gebeine  des  h.  Bischofs 
Spes.  An  diese  geschichtlichen  Nachrichten  über  Person,  Ileiniath  und 
Zeit  des  h.  Spes  reihen  sich  passend  dit^jeuigen  an,  welche  uns  Lam- 
bert von  Hersfeld  Aber  die  Verschleppung  seiner  h.  Gebeine  von 
Aachen  nach  der  Harzbiirg  in  Sachsen  inittheilt.  »Der  König  (Hein- 
rich IV.)  reiste,  so  heisst  es  in  dessen  Jahrbüchern')  zum  Jahre  lo72, 
nach  Aachen,  nahm  dort  don  h.  Hekenner  Speus  und  den  Arm  Siineons 
des  Gerecht«!,  dessen  im  Evangelium  gedacht  wird,  ferner  das  Haupt 
des  Mönchs  und  Märtyrers  Anastasius  und  die  Reliquien  anderer 
Heiligen  und  brachte  sie  nach  Hartesburc.«  Der  Chcouist  beschreibt 
sodann,  wie  sich  der  Kaiser  seit  jener  Zeit  im  deutscheu  Reiche,  na- 
mentlich in  Sachsen  und  Thüringen,  durch  sein  unchristliches  Leben  und 
seine  gottlose,  tyrannische  Regierung  verhasst  gemacht  und  dadurch 
in  den  beiden  letztgenannten  Territorien  die  Revolution  hervorgerufen 
habe.  In  den  gcellsten  Farben  schildert  er  wie  die  verschiedenen  in  jenen 
Gebieten  gelegenen  Burgen  des  Kaisers,  namentlich  Kytfhausen,  Heim- 
burg, Äsenberg,  Volkenroth,  Spatenburg,  vor  Allem  aber  die  Harzburg, 
wo  sich  derselbe  gewöhnlich  aufhielt,  im  Sturm  der  entfesselten  Volks- 
wath  zu  Grunde  gegangen  seien.  Letztere  wunie  dem  Erdboden  gleich 
gemacht.  Anfangs  war  sie,  wie  der  Annalist  berichtet,  bloss  zum  Theil 
niedergerissen  worden.  »Aber  das  gemeine  Volk  in  Sachsen,  nameut- 
lich  diejenigen,  welche  die  näclLsten  Dörfer  bei  der  Hartesburc  be- 
wohnten, nahmen  daran  grossen  Anstoss,  indem  sie  glaubten,  der 
König  werde  in  Kurzem  den  Krieg  erneuern  und  den  Ort  wieder  auf- 
bauen and  besetzen  lassen  ....  Daher  überfielen  sie  die  Hartesburc, 
brachen  Alles,  was  noch  von  den  Mauern  übrig  war,  von  Grund  aus 
nieder  und  streuten  die  Steine  weit  und  breit  umher.  Mit  den  übrigen 
Bauten,  welche  die  Nachsicht  der  Fürsten  unverletzt  erhalten  hatte, 
verfuhren  sie  auf  gleiche  Weise,  verbrannten  sogar  die  Kirche-),  welche 
am  den  Bau  zu  beschleunigen,  einstweilen  von  Holz  aufs  Geschmack- 
vollste gezimmert  worden  war,  plünderten  die  Kleinodien  und  zcrtriim- 
merten  die  Altäre.  Die  Reliquien  der  Heiligen,  welche  nach  Erbrechung 
der  Altäre  herausgewühlt  worden  waren,  und  die  ausgegrabenen  Leich- 


1)  StrnTÜ,  rerum  Germ,  script.     Ratisbonae  1726  tom  I.  p.  351. 

2)  Diese  Kirche  beabaiobiigic  der  Kaiser  zu  einom  ChorherrDstifte  einzu- 
ncht«D.  Lambert!  annales,  ad-  a.  lO?-!. 


110    Erklärung  zweier  altchriatlinhcr  Grabschriften  in  der  Stiftsldrohe  eu  Aaofaea. 

name  der  Verstorbenen  entriss  der  Abt  eines  benachbarten  Klosters, 
welcher  noch  zur  rechten  Zeit  hinzukam,  dem  wüthenden  Pöbel  und 
übertrug')  sie  ehrerbietigst  in  sein  Kloster«.  Welcher  Abt  diese  Helden- 
that  vollbracht  und  in  welches  Kloster  er  die  geretteten  Reliquien  der 
Heiligen  gebracht  hat,  verschweigt  Lambert").  Wahrscheinlich  hat 
auch  derselbe  Abt  die  heiligen  Reliquien,  die  Heinrich  IV.  dem  Aachener 
Marienstifte  entzogen  hatte,  demselben  wieder  zurückerstattet;  denn 
mit  der  Harzburg  war  auch  die  dazu  gehörige  Schlosskirche  in  Asche 
gelegt  und  an  Wiederaufbau  derselben  war  nicht  zu  denken.  So  fiel 
jeder  Grund  fort,  der  Krönungskirche  zu  Aachen  den  ihr  ungerecht 
entzogenen  Reliquienschatz  länger  vorzuenthalten. 

Seitdem  aber  derselbe  wieder  an  seinen  rechtmässigen  Ort  zurück- 
gekehrt war-*),  wurde  er  hier  der  Gegenstand  grosser  Verehrung,  In 
allgemeinen  Nüthen,  uamenthch  bei  Erdbeben,  Krieg,  Thcnerung, 
Hungersnoth  u.  s.  w.  nahm  das  gläubige  Volk  zu  Aachen  gern  zum 
h.  Spes  seine  Zuflucht,  und  so  oft  eine  Bittprocession  durch  die  Stadt 
gehalten  wurde,  wurden  seine  Gebeine  im  verschlossenen  Reliquien- 
behälter  mit  herumgetragen.  So  berichten  die  alten  Kapitels-Protokolle 
des  ehemaligen  Krönungsstiftes.  Die  jetzige  Heliquienlade  des  h.  Spes, 
die  in  meinem  Buche  über  die  Aachener  Ileilgthümer  näher  beschrieben 
ist*),  stammt  gemäss  der  Technik  des  Werkes  und  dem  Buchstaben- 
Typi^s  der  daran  befindlichen  Inschrift  aus  dem  Anfange  des  XH.  Jahr- 
hundert<5  und  weist  also  selbst  darauf  hin,  dass  sie  zur  Bergung  des 
kostbaren  Schatzes  bald  nach  seiner  Riickkehr  nach  Aachen  angefertigt 
worden  ist. 

VH.  Deutung  und  Erklärung  der  Spes'scheu  Inschrift. 


1)  Reliquiaa  SAnclorum,  quae  efl'ractia  altcribus  erutae  fuerant,  et  efFoMa 
defunctorum  corpora  ablias  ex  vicino  coetiobio  opportune  superveniena  furenii 
vuIjBfo  en'puit  aique  in  fmum  mounsterinm  cum  honore  transvexit.  Lamberti,  anoal. 
ad.  a.  1074  1.  c.  p.  372. 

2)  MabilloQ  denkt  au  den  Abt  des  Si.  Petri-Kloater«  in  Fritzlar  (anoal. 
tom.  y.  p.  72);  Deliua  (Ocsohicbtc  der  Uarzburfo^  S.  86)  und  der  neuste  Ueber- 
Betzer  von  Laraberts  Jahrbücher,  L.  Fr.  Hesse  (Berlin  1855,  S.  1G6)  vor- 
muthen  den  Abi  von  Ilsenburg. 

3)  Auch  der  Arm  des  h.  Simeon  und  das  Haupt  des  b.  Märtyrers  Ana- 
Btasius  sind  mit  den  Gebeinen  des  h.  Spus  nach  Aachen  znrüuk^ebracbt  worden; 
von  den  unhenannten  Reliquien,  die  Kaiser  Hd^inricb  IV.  aus  der  Aachener 
äcbatzkaoimcr  wegenommen  hat,  kann  dioa  nicht  nachgewiesen  werden. 

4)  Vgl.  S.  114. 


Erklirnng  zweier  altchristlicher  Grabachriflen  in  der  Stiftskirohe  zu  Aachen.    111 

Depositio.  Wir  haben  bereits  oben  den  Begriff  dieses  Wortes  im 
christlichen  Sinne  dargelegt;  es  bezeichnet  ira  gewöhnHchen  Sprachge- 
braache  die  Beisetzung  einer  Leiche  mit  dem  Nebengedanken:  für 
die  kflnftige  Auferstehung.  Dieser  Begriff  wurzelt,  wie  wir  gesehen 
haben,  in  dem  auch  bei  den  heidnischen  Schriftstellern  üblichen  Sprach- 
gebraache  dieses  Wortes  und  ist  nicht  willkürlich  in  dasselbe  gelegt; 
«wt  durch  die  nähere  Beziehung  wird  er  ein  specifisch  christlicher. 
Da  aber  einmal  die  Bedeutung  des  Wortes  auf  solche  Weise  in  Fluss 
gcratben,  so  war  vorauszusehen,  dass  dieselbe  damit  für  die  Folge 
Dicht  abgeschlossen  sein  würde.  Und  so  finden  wir  in  den  letzten 
Zeiten  des  Römerreiches  und  noch  später,  dass  deponi  nicht  bloss  in 
Beziehung  auf  die  Beisetzung  der  Todten,  sondern  auch  in  Beziehung 
auf  den  Tod  selbst  gebraucht  wird.  Das  Wort  erhält  geradezu  den 
Sinn  von  Sterben;  der  dies  dopositionis  ist  der  eigentliche  Sterbetag. 
Wir  wollen  versuchen,  ^dieses  im  Anschluss  an  das  früher  Gesagte 
näher  zu  begründen. 

1.  Wie  jetzt,  so  bezeichnete  man  auch  schon  in  der  ersten  Zeit 
des  Christcnthums  das  himmlische  Leben  als  das  wahre  Leben  des 
Menschen,  als  das  eigentliche  Ziel  desselben;  daher  war  den  alten 
Christen  der  Todestag  der  eigentliche  Geburtstag  für  die  Ewigkeit'). 
Der  Tod  hat  daher  für  den  Christen  die  höchste  Bedeutung,  da  er 
einerseits  die  Noth  und  Unzulänglichkeit  des  irdischen  liCbens  ah- 
schljesst,  und  anderseits  die  Vollendeten  in  die  Herrlichkeit  des  himm- 
lischen Jerusalem  einführt. 

2.  Aus  diesem  Gesichtspunkte  feierten  die  ersten  Christen  blos 
den  Tag  des  Todes  und  der  Auferstehung  Christi.  Sie  begannen  ihre 
Zeitrechnung  und  ihr  Kirchenjahr  mit  Ostern,  und  der  erste  Tag  der 
Woche,  welcher  statt  des  siebenten  gefeiert  wurde,  erhielt  den  Namen 
Tag  des  Herrn  (dies  dominica).  Diese  Anschauung  bildete  die  funda- 
mentale Grundlage^  auf  welcher  in  der  Folgezeit  die  Feier  der  Ge- 
dftchtnisstage  der  Märtyrer  und  Heiligen,  und  schliesslich  die  Feier 
der  Gedächtnisstage  für  alle  verstorbenen  Christen,  die  im  Frieden  der 
Kirche  dahin  schieden,  sich  entwickelte.  Der  Todestag  aber  galt  immer 


])  Digne  natalem,  sagt  der  b.  Augustinus,  eoruni  colimus,  quoa  lieatius 
Betemaa  vitae  tnundua  edidit,  quam  mundo  materaorum  visoerum  {larlas  «ffudit. 
•arm.  X.  de  Sanctis.  Der  b.  Petrus  Cbrysologu«  sagt:  Natalem  Sattctorum  cum 
«oditi«,  obariasimi,  nolite  putare  ilhim  dici.  quo  nascuntur  in  terram  de  carne, 
wd  de  terra  in  coeium,  de  Iftbore  aJ  requiem  eto.  serm.  129  ed.  Seb.  Pauli 
YenetUa  17&U. 


112    RrklAnrog  zweier  allofarwtlicker  GnlMehrUt«»  ia  darSUAakiniw  »m  AkcHflo. 


ala  der  Anfang  des  wahren  Lebens,  welches  den  Verstorbeneo  zu  Tbeil 
geworden ;  er  worde  daher  natale,  nat&litium  oder  dies  natalis  (Gdmrta* 
tag)  genannt.  Die  Kirche  von  Smyroa  betlient  sich  schon  dieses  Aoa- 
drttck» ')  in  dem  Senduchreiben  Ober  den  Martertod  des  h.  PolycannM. 
Ebenso  redet  der  gleichzeitige  Verfasser  der  Martergeschichte  des  b. 
fgnatius  *).  Der  h.  Cyprian  hielt  daher  sehr  streng  darauf),  dass  ihm 
die  Tage,  an  welchen  die  Bekenner  in  den  Kerkern  gestorben  waren» 
oder  die  Märtyrer  ihr  Leben  beendigt  hatten,  genau  angezeigt  wQrden, 
dUDiC  jedesmal  am  Jahrestage,  wie  er  sagt,  das  feierliche  Gedächtniss 
derselben  durch  Gaben  und  Opfer  gefeiert  werden  könnte.  Die  meisten 
altchristiicbcn  Grab:$chriiten  geben  daher  nur  den  Todestag  der  Ycr- 
storheiien  an,  über  das  Todesjahr  gehen  sie  mit  Stillschweigen  hinw^. 
Stand  aber  einmal  der  Todestag  eines  Märtyrers  oder  Heiligen  fest,  so 
ist  es  leicht  erklärlich,  wie  derselbe  im  Leben  der  Christen  ein  Termin 
cur  Bestimmung  anderer  Gedächtnisstage  werden  konnte.    Z.  B.*): 

HIC    REQVIESCrr   VITALIS     Hier  ruht  Vitalis 
MOLITOR.  DEPOSITVS 
IN  PACE.IN  NATALE 
OOMNES  SOTIRETIS. 

Au  solchen  Jahrestagen  der  Märtyrer  und  Heiligen  stiegen  die 
Christen  in  die  Katakomben  hinab,  wohnten  dem  über  dem  Grabe  des 
Heiligen  dargebrachten  Messopfer  bei  und  stärkten  sich  durch  den 
Genuss  ber  b.  Eucharistie  zur  Nachfolge  desselben.  Noch  heute  ge> 
währen  die  alten  Kaiendarien*)  einen  lichten  Einbhck  in  das  religiöse 
Leben  der  alten  Christen. 


der  Müller.  Beigesetzt 
in  Frieden  am  Feste 
der  Herrin  Soteres. 


1)  flag/^u  6  xv^oi  tnniXtiv  t^  tov  fittQTi'Qfov  aitov  fift/^v  yiy(9ijov',  cC 
Ilefele,  Patrum  apostoHc.  opp.  cd.  IV.  p.  21K). 
2j  Hcfele,  1.  c.  p.  265. 

3)  Cyprian  ep.  37  ad  preabyt.  et  diac. 

4)  Marlyrologium  rotn.  adnot.  illast.  ed.  Roaweid  S.  J.  Aatverpiae  1628 
p.  74.  Diese  h.  Juogrfi-Ba  gehörte  dcnuelben  Gosohlechte  an,  sua  dem  später 
der  h.  Ambrosius  hervorging.  Sie  wurde  im  Jahre  804  in  ihrem  eigenen  Coe- 
meterium  beerdigt,  daa  in  der  Folge  nach  ihr  benannt  wurde  und  in  der  Nähe 
▼on  St  Calliato  lag. 

6)  IHcflc  Kalendarien  haben  in  unserer  Zeit,  wo  Terhältnissmässig  nur 
wenige  der  BltcbristUohen  Coemeterien  bekannt  und  offen  gelegt  sind,  auch  noch 
den  Vortbeil,  dass  sie  cur  Auffindung  derselben,  s<)Wie  der  in  denselben  depo- 
nirten  Gebeine  der  Martjrer  und  heiligen  Bekenner  vortrefilicbe  Anhaltspuxücie 
gewähren. 


EiUimng  zweier  altchriBtlicher  Orabscbriften  in  der  Stiftskirche  zu  Aachen.     113 

3.  Bei  der  grossen  Wichtigkeit,  die  der  Tod  im  Sinne  des  Christen- 
thums  sowohl  für  das  Jenseits  als  Diesseits  besitzt,  kann  es  nicht  auf- 
fällig sein,  dass  der  in  Rede  stehende  specifisch  christliche  Terminus 
f&r  den  Ort  der  Bestattung  eines  entseelten  Leichnams  auf  den  Tod  selbst 
übertragen  wurde,  wobei  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  desselben, 
wie  er  sich  bei  den  heidnischen  Schriftstellern  findet,  massgebend  war. 
Bei  Ovid^)  heisst  es  z.  B.:  Depositum  nee  me  qui  fleat,  ullus  erit? 
Cicero*)  sagt:  Maxime  aegra  et  prope  deposita  reipublicae  pars. 
VirgiP)  sagt:  Ille,  ut  dcpositi  proferret  fata  parentis.  In  all  diesen 
Stellen  heisst  das  Wort  depositus  so  viel  als  abgelebt,  verstorben,  todt, 
was  sich  auch  leicht  begreift,  wenn  man  die  Gebräuche  der  Römer  bei 
der  Leichenbestattung  berücksichtigt.  Die  Leiche  wurde  nämlich  bald 
nach  dem  Tode  des  Menschen  vom  Sterbebette  herabgenommen  und 
auf  die  Erde  gelegt  (deponere),  um  gewaschen  und  mit  wohlriechenden 
Oelen  und  Salben  gesalbt  zu.  werden.  Diese  Handlung,  welche  der 
Libitinarius  besorgte,  diente  dazu,  theils  um  den  Anblick  des  Todten 
weniger  abschreckend  zu  machen,  theils  um  der  allzu  raschen  Ver- 
wesung Einhalt  zu  thun,  indem  bei  den  Vermögenden  der  Leichnam 
7  Tage  lang  ausgestellt  zu  werden  pflegte.  Mit  seinen  besten  Kleidern 
geschmückt,  bekleidet  mit  der  Toga,  wurde  der  Todte  sodann  auf  den 
lectus  funebris  gelegt.  Dadurch  also,  dass  die  Niederlegung  der  Leiche 
auf  die  Erde  stattfand,  wurde  zugleich  constatirt,  dass  der  Tod  ein- 
getreten sei,  und  so  ist  es  gekommen,  dass  das  Wort  depositus  selbst 
den  Begriff  des  Gestorbenseins,  des  Todtseins  erhielt*).  Auch  bei 
den  Griechen  waltete  derselbe  Brauch  in  der  Behandlung  der  Leiche 
und  in  der  Sprache  ob,  daher  sagt  Homer'): 

Kaz&€fi£voi  yoaoiev '  o  yaq  yigag  iarl  d^avovziov. 

Beispielie  dafür,  dass  das  Wort  depositio  in  diesem  Sinne  bei  den 
alten  Christen  gebraucht  worden  ist,  finden  sich  indessen,  wie  gesagt, 
erst  in  spätrömischer  und  fränkischer  Zeit ;  wir  fanden  solche  erst  bei 


1)  Oridii  Trist,  lib.  III  eleg.  8  v.  40. 

2)  Cioeronis  orat.  sec.  Verrina  I,  2. 
8)  Yirgilii  Aeneis  XII,  896. 

4)  Vgl.  Ernst  Gubl    nnd    Wilhelm  Koner,   Leben  der  Griechen  und 
Römer  II.  Bd.  375.  I,  318. 

6)  Homeri  Odyes.  XXIV,  189, 

8 


114    Ericlirong  xweier  «Itcbristlichor  Gnibschriftcu  in  der  SUflskirche  zu  Aachen. 

Ambrosias*),  Beda')  und  in  den  ältesten  Kaiendarien  and  Har- 
tyroU^en. 

Dieses  Resultat  der  Untersuchung  aber  weist  darauf  hin,  dass  das 
Wort  depositio,  depositus  wenig^ns  fttr  die  ersten  Jahrhunderte  nach 
Christus  im  gewöhnlichen  Sinne  von  Beisetzung,  in  Frieden  beigesetzt, 
zu  nehmen  sei.  Da  aber  auch  für  die  spätröraischc  Zeit  der  neue  Ge- 
brauch kcinesw^  herrschend  gewonlen,  sondern,  wie  die  Inschriften 
l)eweisen,  nur  sporadisch  auftritt,  so  ist  es  gcrathen,  auch  für  diese 
Zeit  das  Wort  solange  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  (von  Beisetzung) 
aufzufassen,  bis  aus  anderweitigen  Zeugnissen  die  Interpretation  auf 
den  Tod  sich  als  nothwendig  erweist. 

Sanctc  memoria  d.  i.  heiligen  Andenkens.  Wiewohl  die  alten 
Christen  im  Gebrauch  des  Wortes  sanctus  und  beatus  sparsam  waren'), 
so  finden  sich  doch  Beispiele,  wo  dasselbe  nicht  einen  von  der  Kirche 
als  Heiligen  Verehrten  bezeichnet,  sondern  nur  ein  abundantes  Epitheton 
zur  Bezeichnung  frommer  und  edler  Gesinnung  ist.  Z.  B.'): 

GAVOENTIVS.  PRESB.  SIBI 

ET  CONIVGI  SVAE  SEVERAE  CASTAE  HAC  (für  ac)  SANC(tae) 

FCMINAE  QVAE  VIXIT  ANN.  XLII.  M.  III.  0.  X 

DEP.  III.  NOW.  APRIL.  TIMASIO  ET  PROMOTO. 

Aber  amlers  verhält  es  sich  mit  unserer  Inschrift.  Hier  ist  nicht 
oin  Grttte  oder  ein  Kind,  woloho  der  vorstorbonen  Mutler  eine  lobende 
Gnibi^ohrifl  soiami  und  in  ihrem  aberniä&?:con  Trauorschmerze  nm  die 
Verlorono  es  nnt  ihren  Worten  nicht  iienau  nohmeo,  sondern  die  In- 
schrift spricht  von  oinem  Bischöfe,  dts<?en  Lob  nicht  Jem  Einzelnen, 
auch  nicht  oinor  (.'orpon;tion  ulorlAsscn  co^oson  sein  kann,  dass  viel- 
mehr durch  dio  Worte  sanctus  und  vonerabilis  .^uf  eine  voniufgegangene 
kirchliche  CxHnoniscUion  hinweist. 

uonorabilis  Speis.  Was  rucn?i  das  crawmatische  Verhältniss 
diosov  Worte  aulHOsit,  so  stehen  dieselben  oitciilvir  ::r.  oosi:;v.  der  von 


O  .V*.v.Vrosi'.  .'i'p    ♦..  11.  1^  .*.  V  4r^.  s.u.'  i.r' .»•..*  IN-jv*:::^  $.    E;:jwbii. 
l\.»  M*xsr-.v.or  *v-h;v.V<-«  vl..>*o  U.vl.>  do-.v.  V    Miv.r.v.-.j  j  : 


Erklärung'  zweier  altchristlicber  Grabschriftcn  in  der  Stiftskirche  zo  Aachen.     115 

depositio  abhängt;  sanct?  memoria  dagegen  hängt  als  prädicativer 
Genitiv  von  veoerabilis  Speis  ab. 

Die  Namensforra  Speis  nauss  nach  den  vorhergehenden  Miithcilungen 
anflallig  erscheinen;  denn  er  selbst  nennt  sich  in  seiner  Grabschrift  auf 
den  h.  Märtyrer  Vitalis  ausdrücklich  Spea.  Auch  ist  der  Name  zu 
Spoleto,  wie  die  Zeugnisse  der  verschiedenen  Jahrhunderte  nachweisen, 
stets  Spea  ausgesprochen  und  geschrieben  worden.  Dafür  ist  das  Zeugniss 
in  dervita  s.  Fortunati  (c.  700)  bereits  niitgetheilt  worden;  ein  anderes 
aus  dem  12.  oder  13.  Jahrhundert,  welches  ein  dreibändiges  Lectio- 
narium  MS.  der  Domkirche  za  Spoleto  bietet,  lautet  also :  in  beatorum 
ecclesica  apostolorum  Spes  insignis  est  repertus  episcopus,  mirifico 
rcconditua  calatho,  qui  post  sui  corporis  inventionein  diverais  inclaruit 
signis.  In  der  oben  erwähnten  Muralinschrift  aus  dem  16,  Jahrhundert, 
die  sich  gegenüber  dem  Steinsarg  des  h.  Vitalis  in  der  Kirche  Tcrzo 
dclla  Pieve  bcöndct»  beisst  der  Name  im  Genitiv  Spei,  im  Ablativ  Spe, 
was  den  Nominativ  Spes  vorau.ssetzt.  So  steht  die  Namensform  Speis 
aaf  seinem  eigenen  Grabmal  vereinzelt  da.  Nach  meiner  Ansicht  ist 
dieselbe  als  archaistische  Aussprache  zu  erklären,  wie  z.  B.  deiva  für 
divu,  deicito  für  dicito,  eidas  für  idus,  leibertus  für  libertus.  Derartige 
Beispiele  sind  in  römischen  Inschriften,  namentlich  der  späteren  Zeit, 
nicht  selten '). 

die  Villi  Kai.  Decb.  d.i.  23.  November.  Noch  heute  gilt  dieser 
Tag  in  der  Spoletanischen  Diözese  als  der  Todestag  des  h.  Spes  und 
wird  in  officio  et  Missa  gefeiert.  So  berichten  Campello,  Ughello 
und  Jacob illi,  letzterer  in  seinen  fasti  dell'  Ömbria.  Demnach  irrt 
das  deutsche  Martyrologium  von  Müller,  in  welchem  das  Fest  auf 
den  23.  October  notirt  ist'). 

in  sacerdotio.  Das  Wort  sacerdos  wurde  in  altchristlicher  Zeit 
sowohl  zur  Bezeichnung  eines  Bischofs  als  eines  Priesters  gebraucht, 
und  zwar  vermöge  des  vornehmsten  Theiles  ihrer  Amtsverrichtungen, 
der  Darbringung  des  h.  Opfers,  den  beide  gemein  haben. 

VIII.  Alter  der  Aachener  Inschrifttafel.  Nachdem  wir 
nun  die  beiden  Inschriften,  welche  die  Eingangs  dieser  Schrift  erwähnte 
Pergamenttafel  enthält,  nach  ihrer  historisch-archäologischen  Seite  er- 
örtert haben,  erübrigt  zum  Schlüsse  die  Frage,  wann  ist  die  Tafel  ge- 
schrieben worden  und  woher  stammt  sie? 


1)  Qruter,  inscript.  lat.  I,  88'*,  206»,  307«  etc. 

3)  Allgemeines  Mariyrotogiuni,  von  Adalbert  filQlIer.  Regenftburg  18C0. 


116    Erklinui|r  nreier  altebristlioher  Gnbscfariften  in  derStifUkirche  za  Aachen. 

Um  die  erste  Frage  mit  hinreichender  Sicherheit  zn  entscheiden, 
bieten  nns  die  gründlichen  Arbeiten  von  Mabillon,  Letronne,  von 
Kopp  und  Sickel  die  nöthigen  Anhaltspunkte.  Nach  diesen  Werken, 
die  zur  Vergleichung  der  verschiedenen  Gattungen  lateinischer  Schrift 
eine  Anzahl  correcter  und  verthvoller  Schriftproben  enthalten,  sind 
unsere  Inschriften  in  der  karolingischen  Minuskel  geschrieben,  d.  h.  in 
der  merowingischen  Schrift,  die  in  karolingischer  Zeit  in  mancher  Be- 
ziehung refonnirt  worden  ist.  Watten bach')  erklärt  diese  Schrift  (tir 
zu  eigenthQmlich,  als  dass  sie  nicht  auf  einen  bestimmten  Ausgangs- 
punkt znrflckgefflhrt  werden  könnte,  und  dieser  kann  nach  seiner 
Meinung  kein  anderer  sein  als  Alcuins  berühmte  Schule  im  Martins- 
kloster zu  Tours.  Da  aber  die  erwähnten  Schriftproben,  die  von  Kopp*) 
nach  karolingischen  Urkunden  der  Jahre  753  bis  82)3  angefertigt  hat, 
eine  unseren  InschriAen  frappant  ähnliche  Schrift  zeigen,  so  ist  diese 
Ansicht  nach  meiner  >f einung  wohl  nicht  haltbar;  denn  AIcuin  stand 
jener  Schule  vom  Jahre  796  bis  8W  vor.  Hierzu  kommt  noch  ein 
zweites  Argument,  welches  für  ein  höheres  Alter. der  karolingischen 
Minuskel  spricht.  Die  Herausgeber  derLitnrgia  Sacra,  Marzohl  und 
Schneller,  haben  im  vierten  Bande  ihres  Werkes  ein  kostbares  Mar- 
tyrologinm  des  alten  Bonedictinerstifts  Rheinau.  das  sie  auf  Grund 
gewichtiger  Indizien  in's  achte  Jahrhundert  versetzen,  veröffentlicht'). 
IMeselbe  Handschrift  aber,  welche  dieses  Martrrologiura  enthält  *),  birgt 
noch  einen  zweiteu  Schatz  in  sich,  nämlich  ein  Sacraroentarium  aus 
jenor  /eil,  oino  Mischung  von  Gelasianismus  und  Gresorian Ismus.  Auf 
S.  VM  ist  ad  coream  benetlicemlam  in  Sabbatho  sancto  folgendes  Ge- 
ltet vorgi^sohrielKMi :  et  pro  dementissimo  rege  N.  coniugeque  eius  ac 
filiis  ounoto«iuo  oxervitu  Franoorum  quiote  temponim  concessa  etc.  — 
ein  lU'Wois.  dass  dieser  (.Vnlex  vor  Horstellung  dos  abendländischen 
Kaisertluuns  anjioferiigt  ist.  Wahrscheinlich  "St  dieses  jenes  berfthmte 
(5eM,  welches  die  Bischöfe  auf  der  SyncKie  von  Düren  77l>  für  tlen 
Koiiig,  seine  Kanülie  und  das  könisiliche  Heer  verorvlnet  haben  *\  Das- 

3^  Vjjl.  Siv'kol*  WwW  ülvr  vlto  rr»,-.:r.Ji»K  d.T  Kan>l-.rc>»r  r-hrt  dea  »lara 
jjt'lu»rij;vii  JH>hriftt*fv*l«  »us  vh-m  Naol'.Usso  xon  l'.  K.  tos  Korv.     Wi^n  1*71. 

S>  I.Ktiiv^^  «on».  od«rr  VielTAUoh*  «r-d  AIwrthüx*r  d#r  nthol.  Kiiche 
l.u«fru   ISll.  4    Ih    S.  TiV. 

4^  Im  J«hr\«  IS;;*,»  w.irvU«  »IwscUv  «-.sf  Uho:r.jk".  r.vvh  «■.:fbow^hrt:  wo  sie 
.iot't   Iwiilit,  »*t  nur  »ü'.K'iwä'.'.'.h. 

.N>  Tort-  M»'tc.!w»  ».;  "lOjt  l.  .<0  V^^;iViit>T  i«rv>  rv^.'  tt  <:\-rc:t ;  eius  hac 
luttAuti  tnlniUtioux*  a  nJolitu»  lu  v»r*tuK!Vu*  oJ  {•«•?*o»>—.*  rVv  *'.:ppl:caadiim 
•tl    V|{1    m'v'li  NX.iit'.   Vci!*»»in'|S»sv»\V'v'.<o  lU.  S.>!  r» 


ErkÜruag  zweier  alluhristUcher  Grabschrirten  in  der  BUftskirohe  su  Aachen.     117 

8clbc  hatte  zum  Zweck,  in  jener  bedrängnissvollen  Zeit,  wo  Spanien, 
Sachsen  und  Pannouien  sich  gegen  Karl  erhoben,  die  Gnade  und  Ilillfe 
des  Himmels  für  Karl's  Sache  herabzuflehen.  Mit  diesem  Gebet  stimmt 
hinsichtlich  der  Schrift  ein  breviarium  apostolorum  üUerein,  welches 
die  Handschrift  enthält  und  wovon  die  Herausgeber  eine  Schriftprobe 
niittheilen;  dieselbe  ist  dem  Werke  I.e.  S.  760  beigefügt.  Diese  Schrift- 
tafel nun  trägt,  wie  Jeder  auf  dem  ersten  Blick  erkennt,  dcnsellicn 
Schriftcharacter,  wie  unsere  Inschrifttafi-I;  es  linden  sich  nur  wenige 
und  unbedeutende  Verschiedenheiten  in  den  Nuancen  der  Buchstaben. 
Dadurch  ergibt  sich  aber  die  Folgerung  von  selbst,  dass  auch  die  In- 
schrjfttafel  vor  dem  Jahre  7110  geschrieben  sein  nmss.  Noch  näht-r 
vfcrden  wir  dem  wirklichen  Abfassungsjahr  derselben  auf  die  Spur 
l(ommen,  wenn  wir  die  zweite  Frage,  welche  den  Ort  der  Abfassung 
betrifft,  beantworten. 

Wir  wissen  bereits  aus  dem  Werke  von  Ferdinand o  Ughello, 
dass  dei"  h.  Spes  Bischof  von  Spoleto  gewesen,  und  unsere  Untersuchung 
hat  ergeben,  dass  derselbe  c.  4(»0  gestorben  sei.  Ist  aber  dieses  der 
Fäll,  dann  weist  die  luschiifttafcl  durch  die  Worte:  Accipite,  Öancti, 
vobis  venerabile  digntinuiuc  miuestrium  etc.  deutlich  darauf  hin,  dass 
sie  zu  Spoleto,  vielleicht  vom  dortigen  Bischöfe  selbst,  geschrieben  sei; 
denn  dieselbe  gehört  zu  den  Gebeinen  des  h.  Spes,  ihr  Inhalt,  sofern 
den  Heiligen  betrifft,  ist  eine  wörtliche  Reproduction  der  Grab- 
chrift  desselben  auf  dem  ursprünglichen  Sarcopbagc  in  Spoleto;  auch 
documentirt  sie  durch  das  Wort  accipite,  dass  sie  bei  Ucbergabe  der 
heiligen  Gebeine  mit  übergeben  worden  sei.  Vielleicht  aber  die  treffendste 
Illustration  zu  dem  Gesagten  bieten  die  Jahrbücher  Einharts').  Der- 
selbe erzählt  nümlich,  als  König  Karl  im  Frühlinge  des  Jahres  77ft  zu 
Conipcudium  (Compiegne)  gewesen  und  von  da  auf  seiner  Heimreise 
nach  Austrasien  bis  zu  seinem  llofgute  Virciniacum  (Vcrcj  bei  Rheims) 
gekommen  war,  da  sei  der  Herzog  Hiltibraud  von  Spoleto*)  vor  ihm 


1}  Aunal.  Eiuharti  ad  a.  779. 

2)  Nach  dorn  Sturiso  des  Longobardea-Königs  Dcsidcriua  ballcu  mebro 
Städte  desselben,  z.  B.  Spoleto,  Rcata  u.  a.  deu  Pabüt  aiiascbltcsslicb  alu  ihi-cii 
Herrn  und  Beherracber  anerkannt,  ihm  Treue  geschworon  mid  sich  in  der  PerHon 
des  erwälinten  Hiltibraud  einen  Herzog  crwähltj  der  vom  Pabste  boalätigi  wurde. 
(Anastas.  üb.  pnntif.  vitalladriani  ed.  Vignoli  II.  p.  186.)  Karl  biess  dieae  Aiiord- 
nang  bei  seiner  Anwesenheit  in  Italien  im  Jahre  776  gut.  Nacbdoni  derselbe 
aber  ins  Frankenland  zurückgekehrt  war,  entzog  sich  Hiltibraud  der  Pabatlicben 
ObcrLerrsohaft   und  ewar    in    ofTener  Auflehnung   gegen  dieselbe.      Es  bildete 


118    Erklärung  sweier  altchrisUicher  GrabBohrifteu  in  der  Stiftskirebe  su  Aaoh«n. 

erschienen  und  habe  ihm  grosse  Geschenke  gebracht.  Welcher  Art 
diese  Geschenke  gewesen,  wird  nicht  gesagt.  Da  aber  in  jener  Zeit 
hl.  Reliquien  allgemein  zu  den  kostbarsten  Geschenken  gerechnet  wurden 
und  namentlich  Karl  der  Gr.  dieselben  vorzflglich  liebte,  so  dass  die 
Herrscher  von  Byzanz  und  der  Patriarch  von  Jerusalem  durch  solche 
die  Gunst  und  das  Wohlwollen  desselben  zu  erlangei^  suchten,  so  ist 
es  wohl  annehmbar,  dass  der  erwähnte  Herzog,  dem  die  Gunst  des 
fränkischen  Königs  bezüglich  seines  Herzogthums  eine  Existenzfrage 
war,  demselben  bei  dieser  Gelegenheit  jene  Reliquien  geschenkt  habe, 
welche  die  in  Rede  stehende  Pergamenttafel  beschreibt  Letztere  dient« 
in  diesem  Falle  zweifelsohne  als  schriftliches  Document  für  die  Echtheit 
derselben. 

Hiemach  fällt  der  Ursprung  der  Inschrifttafel  ins  Jahr  779,  was 
mit  dem  vorhin  Gesagten  vortrefflich  abereinstimmt. 

Aachen,  den  10.  September  1877 

Ganonicus  Dr.  Kessel. 

sich  nämlich  unter  den  Herzogen  von  Friaul,  Beoevent,  Cbiusi  u.  a.  eine  Ver* 
schwörung  und  nach  den  Briefen  Hadrian's  zu  urtbeilen,  gehörte  auch  Hiltibrand 
zu  den  Verschworenen.  Die  Yerachwörung  aber  hatte  nichts  Geringeres  zum 
Zweck,  als  den  Pabst  gefangen  zu  nehmen  und  den  Thron  der  Longobarden 
wieder  herzustellen ;  zum  künftigen  Könige  war  Adalgis,  der  Sohn  des  gestürzten 
Disiderius,  ausersehen.  Der  Pabst  theilte  die  Sache  sofort,  nachdem  er  sie  er- 
fahren hatte,  dem  Könige  Karl  mit  und  bat  ihn  um  schlounigo  Hülfe.  Hiltibrand 
aber  scheint  das  Gefahrliche  des  Unternehmens  rechtzeitig  erkannt  und  sich  von 
den  Verschworenen  zurückgezogen  zuhaben;  denn  süs  Karl  noch  im  Winter  dos 
Jahres  776  mit  einer  auserlesenen  Schaar  (strenuissimum  qucmquo  secum  ducens) 
nach  Italien  aufbrach  und  den  Herzog  von  Friaul,  Rotgaud,  die  Seele  der  Yer- 
schwörung,  unschädlich  machte,  blieb  Hiltibrand  ungestraft  in  seinem  Herzogthum 
Spoleto  und  wir  hören  auch  nicht,  dass  er  sich  dem  Kaiser,  wie  die  andern 
Städte  unterworfen  habe.  Dass  er  in  Folge  dessen  vor  seinen  Feinden  einen 
schwierigen  Standpunkt  haben  mochte,  ist  erklärlich,  und  wir  begreifen  voll- 
kommen, warum  er  noch  im  Jahre  789  so  sehr  bedroht  war,  sich  der  Gunst  des 
fränkischen  Königs  zu  versichern,  indem  er  persönlich  die  weite  Roiso  über  die 
Alpen  machte,  um  demselben  »grosse  Geschenke*  zu  bringen. 


Der  ILiog  des  Doctoi-  Ypooras. 


119 


9.   Der  .,R]rig"  des  Doctor  Ypocras. 

Höchst  aDzielieod  in  Wort  unJ  Schrift  hat  Kinkel  uns  den 
Quacksalber  der  Osterkoniödie  des  14.  Jalirhunderts  vorgeführt.  Nur 
den  Ring,  welchon  er  auf  der  linkea  BriisLscite  an  einem  GriflF  in  der 
liand  hält*)>  l'fss  er  unerklärt.  Ich  erlaubte  mir,  Kinkels  Aufiorde- 
rung  in  seinem  Bunner  Vortrag  vom  0.  Üec.  lS7ö  niichkouimcnd,  meine 
Meinung  dahin  abzugeben,  der  Ring  sei  ein  Vcrgrösserungsghvs,  dessen 
sich  der  salbenreibende  Doctor  zum  Prüfen  seiner  Schminke  bedient. 
Das  steht  fest,  VergrösiseruDgsgläser  (Loupen)  werden  beim  Bereiten 
von  Salben  vielfach  genaiiDt.  Die  Pharniakopüen  der  Schweiz  und 
Norwegens")  verlangen  noch  heute  von  der  Grauen  Quecksilbersalbe, 
dass  eine  Loupe  kein  unzerriebenes  Kügelchcn  des  Metalls  in  ihr  dürfe 
erkennen  lassen ;  i^  .  .  .  .  donec  t?lobuIi  Hydrargyri  amiuto  Oümlo  üi'rni 
neqneanta  . .  sagt  letztere  auf  S.  276.  Und  die  Editio  VII.  der  Prcussischen 
Pharmakopoe  von  1SÜ2  bestimmt  von  dem  nämlichen  Präparat  auf  p.  215 
»Sit  coloris  ....  liydrargyri  globulis  oculo  inermi  non  distinguendis«,  und 
von  dem  Emplastrum  llydrargyii  auf  p.  54  rtoado  nonarmato  globuU  con- 
spicul  sint  nulliu.  Es  sollte  das  offenbar  die  Apotheker  gegen  die 
hergebrachte  Sitte  der  amtlichen  Revisoren  .schützen,  ihre  Präparate 
mit  der  Loupe  in  der  Hand  zu  beurtheilen.  Die  Deutsche  Pharmacopöe 
voüi  Jahre  1872  hat  diese  Bestimmung  sich  angeeignet,  was  darauf 
hinweist,  dass  noch  jetzt  bei  der  Revision  der  Salben  das  Vergrüsse- 
iTiügsglas  in  übereifrigem  Gebrauch  ist. 

Wenn  Ypocras  von  seiner  Schminke  sagt 3)  nir  ist  nicht  geliehen, 
so  musste  die  Verreibuog  des  scharfkörnigen  Zinnobers  mit  dem  Fett 
eine  höchst  feine  sein,  damit  nicht  einzelne  Stückchen  von  der  Wange 
herab  verrätherisch  durchleuchteten.  Zu  venn'nthen  ist,  dass  die  mit- 
telalterlichen Quacksalber  beim  ö^Teutlieheu  Anpi'eiscn  ilircr  Waarc  den 
demonstrativen  Gebrauch  der  Loupe  gerade  als  Zugmittel  in  den 
Vordergrund  stellten. 

Der  Einwurf  dass  man  zur  Zeit  der  ^Vollreifen  Gothik  des  14.  Jahr- 
hunderts«   die  Anwendung  der    Gläser  zum    deutlichem  Sehen    nicht 


1)  Dieee  Jahrb.  1877.  LX.  Taf.  V.  Fig.  2.,  und  S.  131. 

2)  Nach  B.  IlirBoh,  Dio  Prüfung  der  Arzneimittel,  mit  Rücksicht  auf  die 
wichtigsteo  europäisoben  PbarmacopöeD.  II.  Berlin  1870.  S.  1373.  —  Vgl.  ferner 
ebenda  I.  S.  533. 

8)  DLeae  Jahrb.  Heft  LX.  S.  126. 


120  Der  Bing  des  Doctor  Ypocras. 

kannte,  wird  zuerst  beantwortet  durch  eine  Stelle  bei  Plinius.  Er 
schreibt  in  Nat  Hist.  lib.  XXXVII.  cap.  V.  (Ausg.  Lugd.  Bat.  et  Rotterd. 
1669):  »Nero  Pnnceps  gladiatorum  pugnas  spectabat  smaragdo«. 
Einige  Zeilen  vorher  heisst  es:  »—  plerumque  et  concavi  (smaragdi), 
ut  Visum  a)Uigant  ....  Quorum  vero  corpus  extensum  est,  eadcm, 
qua  specula,  ratione  supini  imagines  rerum  reddunt«. 

Eine  gute  Ueberschau  dieses  Gegenstandes  gibt  anknapfend  an 
die  Notiz  des  Plinius  neuerlichst  Aug.  Hirsch  in  seiner  Geschichte 
der  Ophthahnologie*).  Im  Mittelalter,  sagt  er,  wurden  für  diesen  Zweck 
auch  andere  durchsichtige  Steine  (berilli)  und  Glas  in  Gebrauch  ge- 
zogen, die  Erfindung  des  dann  später  mit  dem  Namen  Berilli  =  Brillen 
bezeichneten  Instrumentes  fällt  höchst  wahrscheinlich  in  das  Ende  des  13. 
Jahrhunderts ;  in  dem  Wörterbuch  der  Academia  della  crusca  heisst  es  bei 
dem  Worte  »occhialea,  dass  Bruder  Jordan  da  Rivalto,  der  1311 
in  Pisa  gestorben,  in  einer  im  Jahre  1305  abgefassten  Sammlung  voü 
Predigten  seinen  Zuhörern  mittheilt,  es  sei  noch  nicht  20  Jahre  her, 
das  Augengläser  (occhiale)  erfunden  wären ;  und  in  einem  im  Besitze 
von  Redi  gewesenen  Manuscripte  vGoverno  della  famiglia  di  Scandro 
di  Pipozzo«  vom  Jahre  1299  findet  sich  folgende  Stelle:  »mi  truovo 
cos^  gravoso  di  anni,  che  non  avei  valenza  die  leggcre  e  scrivere  senza 
vetri  appellati  ohiali  truovati  novellamente  per  la  commodita  delli 
poveri  veki  quando  affiabolano  del  vederea. 

üeber  den  Erfinder  selbst  herrscht  übrigens  Dunkel.  Wie  Volk- 
mann*) in  seinen  Nachrichten  von  Italien  mittheilt,  trägt  der  Grab- 
stein eines  im  Jahre  1317  verstorbenen  Florentiners  Salvinus  Ar- 
m  a  t  u  s  folgende  Inschrift :  »Qui  giace  Salvino  Degli  Armati  —  inven- 
tore  degli  occhiali;«  von  Andern  wird  Alcssandro  Della  Spina, 
Predigermönch  in  Pisa,  wo  er  im  Jahre  1313  starb,  als  Erfinder  der 
Brillen  bezeichnet,  von  einzelnen  Seiten  allerdings  mit  dem  Bemerken, 
dass  er  bei  Jemand,  der  aus  dem  Instrumente  ein  Geheimniss  machte, 
eine  Brille  gesehen  und  nun  durch  eigenes  Nachdenken  auf  die  Con- 
struction  derselben  gekommen  sei,  Brillen  angefertigt  und  an  viele 
Leute  vcrtheilt  habe.  Im  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  scheint  der 
(icbrauch  der  Brillen  bereits  ganz  allgemein  bekannt  gewesen  sein; 
die  früheste  Nachricht  hierüber  findet  sich  beiGordon,  der  im  ersten 

1)  In  A.  üräfo  und  Th.Sämiscb,  llandb.  der  ges.  Augenheilkunde.  VII. 
1877.   S.  309. 

2)  Th.  I.  S.  542. 


Der  Bing  des  Dootor  Ypocras.  121 

i>ecenDium  des  14.  Säe  in  Montpellier  als  Professor  der  Medicin  thätig 
war ;  bei  Empfehlung  eines  CoUyriums  gegen  Sehschwache ')  fügt  er 
hinzu:  »est  tantae  virtutis  quod  decrepitum  faceret  legere  literas  mi- 
nutas  sine  ocularibus«,  und  sein  Zeitgenosse  Guido  bemerkt')  bei  £m- 
pfelilung  verschiedener  Collyrien  gegen  debilitas  oculorum,  »et  si  ista 
noo    Talent,  ad  ocularios  yitri  aut  bcrilloi'um  est  recurrcndumu. 

Alias  das  setzt  einige  Fertigkeit  auch  im  Schleifen  der  Gläser 
and  Sterne  voraus,  und  der  Künstler  aus  dem  14-  Jahrhundert  war 
demnach  gewiss  in  der  Lage,  seinen  Ypocras  mit  der  Handbrille,  die 
dessen  Gewerbe  entsprach,  zu  versehen. 

Bonn,  im  December  1877.  C.  Binz. 


1)  Liliam  modic.  Part.  IIL  cap.  5.    Lugd.  1674.  S.  284. 

2)  Chirurgia  magna.  Tract.  vi.  Lugd.  1672.  S.  3S6 


11.   Litteratnr. 


1.  Giancai-lo  Cunestabilu,  Di  un  Anello  Et^'usco  in  argunto 
della  collezione  Strozzi  in  Firenze;  Auszug  aus  den  „Me- 
moire della  R.  Accademia  dci  Lincci,  CGLXXIV".     Roma  1877. 

Wenn  wir  mit  obigem,  kaum  9  Seiten  umfassenden  Schriftchen  unsere 
Besprechung  der  neu  erschienenen  Litteratnr  der  klassischen  Archäologie 
eröffnen,  so  erfüllen  wir  damit  zugleich  eine  Pflicht  dankbarer  Erinnemng 
an  den  erst  in  vorigem  Jahre  dahingegangenen  Verfasser,  der  nicht  nur 
wie  kaum  ein  zweiter  seiner  Landsleute  auf  dem  Gebiete  des  etmskischen 
Alterthums  thätig  und  bewandert  war,  sondern  auch  als  langjähriges  Mit- 
glied unseres  Vereins  bewiesen  hat,  wie  sehr  er  den  Zusammenhang  mit 
den  deutschen  Archäologen  zu  schätzen  wusste.  —  Wer  die  Zustände,  in 
welchen  die  klassische  Archäologie  in  Italien  befangen  ist,  kennt  und  weiss, 
mit  welchen  Schwierigkeiten  ihre  Vertreter  gegenüber  der  materiellen  Rich- 
tung der  Geister  zu  kämpfen  haben,  der  wird  seine  Achtung  den  Männern 
um  so  wehiger  versagen,  welche  unbeirrt  ihrem  Forschungstriebe  nach- 
gingen und  von  dem  Bewusstsein  durchdrungen  waren,  dass  auch  das 
kleinste  Fragment  der  antiken  Kunstproducte  fähig  sei,  ganze  Gebiete  des 
Alterthums  aufzuhellen,  wofern  es  nur  selbst  erst  in  das  klare  Licht  einer 
methodischen  und  erschöpfenden  Untersuchung  gerückt  sei.  Die  letzte 
Arbeit  Gonestabiles  bietet  einen  sprechenden  Beleg  für  diese  Gesinnung. 

Vor  etwa  40  Jahren  tauchte  in  Italien  im  Besitze  eines  venezianischen 
Kaufmannes  ein  silberner  Fingerring  (abgebildet  S.  3)  von  0,022  m.  Durch- 
messer und  50  gr.  Gewicht  auf,  welchen  der  Marchcse  Strozzi  in  Florenz 
alsbald  erwarb.  Der  Ring  trägt  in  der  Mitte  einen  Carneol  und  in  dem- 
selben eingeschnitten  das  ßildniss  des  Sonnengottes,  mit  erhobenen  Händen 
auf  einer  Quadriga  stehend  (e.  f.\  deren  Pferde  bei  aller  Rohheit  der  Dar- 
stellung als  in  vollem  Galopp  dahinsprcngend  dargestellt  sind.     Die  Innen- 


Giancarlo  Cunostabile*.  Di  un  AneUo  ia  argenio  etc. 


128 


pferde  wenden  In  der  bekannton  typischen  Weise  die  Eöpfe  nach  innen. 
R.  TOD  dieser  Darstellung  beiludet  sich  in  lüterthüinlicliäQ  etruskischeu 
Bachstaben  die  von  Cone stabile  als  LVCMEV  (linkslüufig)  gelesene  In- 
Bchrifl  und  1.  davon  eine  zviroitc  VALISIC  ebenfalls  linkaläußg  geschriebene, 
deren  Lesang  jedoch  erst  bei  einer  horizontalen  Drehung  des  ßinges  mög- 
lich wird,  so  dass  auf  diese  Weise  der  linksläufige  Charakter  der  Schrift 
auf  daa  entschiedenste  gewahrt  bt.  In  dem  ersteren  der  beiden  Namen 
erblickt  der  Verfaßser  die  vielleicht  nordetrubkischo  Form  —  dass  der  Ur- 
sprung des  Ringes  wirklich  Norditalien  sei,  erscheint  durch  seine  Provenienz 
ftls  gesichert  —  des  bekannten  LTCVMV,  eines  Wortes,  daa  nichb  nur  als 
Vorname  (vgl.  das  lut.  LVGius)  überaus  gewöhBlich  auf  etruskischeu  Denk- 
mälern ist,  sondern  auch  auf  das  engste  durch  die  Wurzel  LVG  (leuchten) 
mit  dem  für  die  höchste  etruskische  Obrigkeit  üblichen  lateinischen  Namen 
des  Laoumones  zusammenhängt.  Hieran  knüpft  nun  der  Verfasser  eine 
interessante  Bemerkung.  Er  behauptet,  doss  in  der  bildlichen  Darstellung 
des  Sonnengottes  (als  des  ,J<euchtenden")  gleichsam  die  figürliche  Ueber- 
setzuDg  des  dabei  stehenden  Wortes  LVCMEV  enthalten  sei,  der  Hing  daher 
das  Abzeichen  eines  Lucumonen  gewesen  sein  ojüsse^  und  die  Bedeutung 
des  Wortes  durch  die  bildliche  Darstellung  sicher  gestellt  werde.  Diese 
Vcrmuthuug  hat  etwas  sehr  ansprechendes.  Weniger  allgemeinen  Beifall 
wird  vielleicht  die  Erklärung  des  zweiten  Wortes  ,,ValiBic"  finden,  das  der 
Verf.  nicht  als  Familiennamen  sondern  als  Ortsbozeicbiiuug  aufzufassen  ge- 
adigt ist.  Indem  er  nämlich  von  der  Behauptung  ausgeht,  dass  nach  der 
loTasion  der  Kelten  sich  in  Norditulien  auch  keltische  Einilüaso  neben  der 
eiruskischen  Kultur  geltend  gemacht  haben  müssen,  erkennt  er  in  der  En- 
dung -ic  des  Woiics  dns  keltische  -iacus  oder  -acus  (vgl.  Divitiacua, 
Caratacus,  Dumnacus,  Segontiaci)  entsprechend  dem  mitteletruskiscfaeu  -ch, 
'  c  (vgl.  Rumacb  =  Romanus,  Veknacb  =  Volsinieusis,  Cusnach  =  Cosanns) 
wieder  und  meint,  dass  in  dem  Valisic  des  Lucunionenringes  die  Bezeich- 
oung  eines  Ortes,  den  man  vielleicht  in  Gallia  Trauspadana  aufzusuchen 
habe,  stecke.  —  Man  sieht  leicht  ein,  dass  der  ganze  geistreiche  Er- 
klftrnngs versuch  mit  der  Lesung  steht  und  fällt,  und  es  ist  daher  von 
Wichtigkeit,  dass  Conestobile  im  Stande  ist,  den  Einwurf  Fabretti'B, 
die  Inschrift  müsse  vielmehr  LIKMEV  VALISK  gelesen  werden,  wie  uns 
sefaeint,  mit  triftigen  Gründen  zurückzuweisen  und  an  seiner  Lesung  festzu- 
halten. Am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  titeilt  der  umsichtige  Verf.  auch 
die  Ansicht  Gamurrini's  mit,  dessen  übrigens  für  die  Deutung  unwichtige 
Lsiang  LVCMES  VALISIC  entschieden  falsch  ist,  der  aber  doch  in  seiner 
Auffassung  des  VALISIG  mit  Conostabile  übereinstimmt  und  in  dem  er« 


124    .  Ad.  Michaelis:  Die  Bildnisse  des  Tbukydides. 

sten  Theile  des  Wortes  sogar  das  lat.  „vallis",  welches  nachweislicb  (Fa- 
bretti,  G.  J.  I,  I,  Y)  auch  im  7.  Jahrhaudert  in  Italien  „Yalis**  ge- 
schriebeu  wurde,  wiedererkennen  will. 


2.  Ad.  Michaelis,  Die  Bildnisse  des  Thakydides.  Festschrift  der 
Universität  Strassburg  zur  vierten  Säcularfeier  der  Universität  Tflbin- 
gen.     Strassb.  1877.     Mit  2  Tafeln  und  2  Holzschnitten. 

Bei  der  Dürftigkeit  des  wirklich  kritisch  bearbeiteten  Materials  der 
antiken  Ikonographie  ist  jeder  nene  Beitrag  dazu  sehr  willkommen,  doppelt 
willkommen,  wenn  er  aas  so  umsichtiger  und  gewissenhafter  Hand  wie  die 
Michaelis^  dargereicht  wird.  Ein  sicher  beglaubigtes  Abbild  des  grösstmi 
griechischen  Historikers  war  bis  jetzt  ein  frommer  Wunsuh  gewesen,  denn 
die  insobriftlich  dem  Thukydides  zugesprochene  Neapler  Doppelherme, 
deren  andere  Hälfte  den  Kopf  des  Herodotos  aufweist,  hat  sich  keiner  be- 
sonderen Beachtung  erfreuen  dürfen,  einmal,  weil  die  Aechtheit  der  In- 
schrift angefochten  worden  ist  und  femer  weil  der  Kunstwerth  des  Portraits 
überhaupt  nicht  allzu  hoch  anzuschlagen  war.  Das  gegen  die  Inschrift  er- 
hobene Bedenken  weist  Michaelis  wie  uns  scheint  mit  vollstem  Rechte 
zurück.  Aus  der  Yerschreibnng  zweier  Buchstaben  (bei  dem  Namen  des 
Herodot)  folgt  noch  keine  Unächtheit.  Unsere  modernen  Urkunden  in 
Schrift  und  Stein  —  man  vei^leiohe  z.  B.  die  Inschriften  unserer  Grabsteine 
—  überragen  die  antiken  an  Genauigkeit  wahrlich  nicht  allzu  sehr. 
Entscheidend  übrigens  für  die  Aechtheit  der  Inschrift  ist  vor  allem  der 
paläographische  Charakter  des  K.  Die  Doppelbüste  selbst  lösst  sich  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  bis  in  den  zwischen  den  Jahren  1570 — 1598 
liegenden  Zeitraum,  in  welchem  sie  Fulvio  Orsini  erworben  haben  wird,  su- 
rückverfolgcn.  Was  darüber  hinausliegt,  entzieht  sich  jeder  Gontrole,  und  wenn 
der  Herr  Verf.  die  Umgegend  Tivoli's  als  Proveuieuz  der  Büste  wahrschein- 
lich zu  machen  sucht,  so  kann  seine  Deduction  doch  nicht  als  mehr  denn  ein 
dankensworther  Beitrag  zur  Mnseographie  gelten.  Uebrigens  ist  die  ganze 
Frage  nach  der  Herkunft  der  Neapler  Büste  nicht  von  sonderlichem  Belang. 
Hauptsache  ist,  dass  wir  in  der  von  Michaelis  entdeckten,  in  Italien  er- 
worbeneu englischen  Büste  des  Schlosses  Holkham  (Grafsch.  Norfolk),  eine 
weit  bessere  Wietlorholung  des  Neapler  Thukydidesexemplares  besitsen. 
Michaelis  war  so  glücklich,  die  Gipsabgüsse  beider  Exemplare  mit  ein- 
ander vergleichen  zu  können,  und  so  darf  seine  Eutdeckimg  wohl  nicht  an- 
goxweifelt  wonleu.  Die  Darlegung  des  Verhältnisses,  in  welchem  beide 
Büsten  zu  einander  stehen,  besonders  aber  der  stilistischen  Eigeuthümlich- 


Adolf  Michaelis:  Dio  Bildnisse  des  Thukydidea. 


125 


keit  dea  englischen  Exempl&re,  bildet  dann  den  zweiten  Haupttheil  der  Ab- 
handlang,  die  auch  knnstgeBchicbtlich  zu  mancherlei  anregenden  Bemerkun- 
gen Veranlassung  bot.  Indem  der  Verfasser  den  Charakter  der  „FantaBiepor- 
traits"  der  hellenistischi-n Epoche  analysirt,  Poitraits,  in  donen  «ich  „maleri- 
acher  Effect  und  ein  natnralisti.tcher  Sinn  itir  die  {üuschende  Darstellung  alles 
Aeueserlichen"  vereinigen '),  indem  er  ferner  den  stilistischen  Gegensatz  des 
älteren,  strengeren  und  sich  mehr  auf  das  wesentlichste  beschränkenden 
Portraits  von  den  Bildnissen  dea  Pcrikles  an  bis  zu  denen  dea  Euripides 
hei-vorbebt,  kommt  er  dazu,  der  Thukydidephrnno  den  Platz  am  Schlüsse 
jener  älteren  Reihe  anzuweisen.  Damit  würde  die  Büste  nicht  nur  zeit- 
lich der  Lebenszeit  dea  Geschichtschreibcrs  naliegerückt,    sondern  auch  dio 

rKöglichkeit  gegeben  sein,  dass  in  ihr  eine  wirkliche  Tradition  von  dem 
Aeusseren  des  Mannes  steh  erhalten  habe.  Dass  das  von  Michaelis  an- 
jene  Citat  dos  Marcellinus  dazu  nicht  gerade  einen  Beleg  bildet,    dar- 

nbber  darf  man  sich  trüaten,  so  lange  überhaupt  ein  klarer  Sinn  in  die  bf- 
treffenden  Worte  nicht  gcbrncht  werden  kann.  Spcciell  in  dem  englischen 
Exemplare  will  Michaelis  den  Charakter  eines  ßronzeoriginala  erblicken, 
and  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Büste  wirklich  auf  das  pherne 
Standbild  dts  Tliukydides,  welches  später  nach  dem  Zeuxippos  von  Konstanti- 
nopel  verschleppt  war,  zurückgeht.  Der  ITr.  Verfasser  ist  vorsichtig  genug, 
diesen  z;weifelhftften  Pnnkt  eben  nur  leise  anzudeuten,  aber  das  können  wir 
ihm  xngestehen:  „ein  Zn.saTOuitnbang  zwischen  der  erhaltpupn  Rüste  und 
jener  Statae  ist  immerhin  mügUcb''. 


3.  IT.    Brnan.     Die  Scnlptnrcn  von  Olympia.     München  1B77. 

So  mancherlei  iinch  in  TagesbläWern  und  wiaBenschafllichen  Zeitschriften 
über  die  Fnnde  in  Olympia  geschrielien  worden  ist,  sind  wir  doch  bei  den 
liistorischen  Erört.enuig*:ti  und  Reconutructiotisveisttclion  der  Gicbetffrappen  ku 
einer  aeslhetischen  Würdigung  des  gesn  turnten  Fun  da  toff  es  noch  nicht 
gekommen.  Der  Hr.  Verf.  obiger  Schrift  iai  ei>,'oiitlich  der  erste,  welcher 
mit  gewohnter  Meisterschaft  eine  eingehende  künstlerische  Analyse  der 
Denen  Olympischen  Moniimente  vornimmt.  Nach  seinen  Auseinandersetzungen 
aber  „raicnios  und  die  nordgriechiacho  Kunst"  durfte  man  die  Rcsultato 
seiner  neuesten  Untorsuchung  fast  voraussehen.  Was  dort  nur  mehr  au- 
dentend  ausgesprochen  werden  konnte»    scheint  sich  ihm  jetzt  vor  d^n  neu 


1)  Zum  Belege  dafür  mag  auch  auf  die  in  der  Arcb.  Ztpf.  XXXV,  Taf.  9 
loltannt  geinachlo  und  ala  Portrait  des  Königs  Pyrrboa  in  Anspruch  genommene 
fiiiste  hingewiesen  werden  (vgl.  ebendaa.  S.  74). 


126  H.  Braon:  Dio  Soalptaron  von  Olympia. 

entdeckten  Werken  selbst  zu  zweifelloser  Oewissheit  zn  gestalten.  Indem  er 
die  Figuren  AeB  Ostgiebels  stilistisch  auf  das  schärTste  analysirt,  kömmt  er 
dazu,  den  „Mangel  speoifisch  plastischer  Gesetzmässigkeit"  die  „Natfirlich- 
keit'*,  das  „bewusto  Streben  des  Künstlers,  den  malerischen  Gesichtspunkten 
vollkommen  gerecht  zn  werden"  als  das  wesentliche  Merkmal  ihrer  künst- 
lerischen Seite  aufzustellen.  Dasselbe  Prinzip  wird  dann  auch  bei  den  filte- 
ren Metopeu  und  sogar  der  Nike  als  massgebend  bei  ihrer  Gestaltung  nach- 
gewiesen, dio  scheinbare  Abweichung  davon  aher  bei  der  Siegesgöttin  mit 
der  nothwendigen  stilistischen  Differenz  zwischen  Relief  und  freistehen- 
den Figuren  entschuldigt.  Ganz  conscquent  ist  es  demnach  auch,  wenn 
die  stilistisch  diesen  Werken  diametral  entgegengesetzte  Atlasmetope  dem 
Paionios  abgesprochen  nnd  als  ein  „Meisterstück  peloponnesischer  Scalptur, 
das  schönste,  welches  wir  bis  jetzt  aus  der  Zeit  vor  Polyklet  besitzen",  be^ 
zeichnet  wird.  Für  unser»  geistige  Aneignung  der  Kunstwerke  bt  viel- 
leicht nichts  so  fördernd  nnd  fruchtbar,  als  eine  derartige  künstleriBche 
Analyse,  die  historischen  Schlüsse  jedoch,  welche  der  Herr  Yerf.  daraus 
zieht,  vermögen  wir  wenigstens  nicht  zu  acceptiren.  Wo  kämen  wir  hin, 
wenn  wir  aus  der  stilistischen  Differenz  eines  „Sposalizio**  des  Rafael  und 
der  „Vision  des  Ezechicl"  —  da  der  Herr  Verf.  gerade  diese  Werke  er- 
wähnt —  einen  Schluss  auf  die  Lebenszeit  des  Künstlers  machon  wollten? 
Der  Et.  Yerf.  irill  den  Paionios  zn  einem  Vorgänger  des  Pheidias  machen, 
aber  dieser  Schluss  würde  doch  nur  dann  volle  Beweiskraft  haben,  wenn, 
was  bis  jetzt  nicht  der  Fall  zu  sein  scheint,  die  historische  Untersnchnng 
zu  demselben  Resultate  führte.  Dürfen  wir  aussprechen,  wie  uns  das  Ver^ 
hältniss  des  Paionios  zu  Pheidias  erscheint,  so  wäre  es  etwa  dies,  dass  wir 
jenen  mit  Giulio  Romano,  diesen  mit  Rafael  vergleichen.  Warum  sollte  es 
nicht  möglich  sein,  dass  der  Schüler  einen  Zug  des  Meisters  aufgegriffen 
und  einseitig  entwickelt  habe?  Doch  wie  dem  auch  sei,  in  der  Beurthei- 
lung  der  stilistisch  so  neuen  und  unerwarteten  Thatsachen,  wie  sie  die  in 
Olympia  gefundenen  Bildwerke  zur  Diskussion  gebracht  haben,  wird  auch 
die  Schrift  des  Hrn.  Verf.'s  wesentlich  zur  Klärung  der  Frage  beitragen. 


4.  L.  Urlichs,  Bemerkungen  über  den  olympischen  Tempel  und  seine 
Bildwerke.  Neuntes  Programm  zur  Stiftungsfeier  des  v.  Wagner'schen 
Kunstinstituta.     Würzb.  1877.  Mit  1  Tafel. 

Vorliegende  Schrift  behandelt  in  drei  Abschnitten  die  Zeit  der  Er- 
bauung des  Tempels,  Paionios  und  die  Nikeinschrift  und  endlich  die 
neuentdeckten  Bildwerke  selbst.  Das  Resultat  der  Untersuchung  über  die 
beiden   ersten  Punkte   lässt    sich    kurz    dahin    zusammen    fassen:     1.    Der 


L.  ürlicba:  Bemerk.  Qb.  den  olynipiflchen  Tempel  u.  seino  Bildwerke.     127 


olympische  Tempel  ist  nicht,  wie  0.  Müller  aad  Barsian  hehaup- 
teten,  Dach  Ol.  50  oder  52  begonnen,  so  dnss  seine  Bauzeit  mindestens 
100  Jahre  in  Ansprach  genommen  haben  würde,  Bondem  war  erst  i.  J.  470 
in  Folge  oinos  von  den  Eleern  errungenen  Sieges  in  Angriff  genoinraen 
and  nnch  einer  Banzeit  von  höchstens  24  Jahren  etwa  und  44!V  vollendet 
worden.  2.  Als  Veranlassung  f&r  die  Messenicr  und  Naiipukticr  dem 
olympischen  Gotte  eine  Nike  zu  weihen,  hält  der  Verf.  die  Retliciligung 
derselben  hei  der  Erüberung  von  Sphaltteria  oder  viclmohr  die  daran  sich 
flohliessendo  BedrüDguiss  der  Spartaner  im  eigenen  Lande  fest.  Die  Dedikatlon 
dos  Denkmals  fallt  demnach  in  die  Jahre  422 — 420,  und  mit  diesem  Zeit- 
punkt findet  der  Verf.  nicht  nur  die  s.  gen.  Nacheoklidoischc  Form  einiger 
Bachstahon  der  Inschrift  vcioinhar,  sondern  mich  den  Stil  der  Nike  selbst, 
welcher  in  der  schwiingvollon  Bewegung  ein  Motiv  derjenigen  Richtung 
zeigt,  die  von  Skopas  weiter  ausgebildet  ist.  Für  jene  Zeithestininiung  hat 
sich  inzwischen  nicht  nur  Michaelis  ontschiedeii  (Arch.  Zeit.  XXXIV,  170), 
sondern  dieselbe  ist  auch  wie  nns  scheint  durch  Schubrings  eingehende 
Untersuchung  (Arch.  Zeit.  XXXV  59—63)  ausser  Zweifel  gestellt,  und 
damit  endlich  ein  sicherer  Maestab  für  die  Abschätzung  der  Werke  des 
Paionios  gewomiuen.  Die  Deutung  der  axQ(oii^()ta  dagegen  als  „fastigiuni" 
resp.  „Figuren  des  Oslgiebols"  wird  der  Verf.  wohl  aufgeben  müssen;  die 
sprachlichen  Gründe  dafür  sind  nicht  nur  von  Michaelis  (a.a.O.),  sondern 
nachträglich  auch  von  Schubring  (a.  a.  0.  S.  64  f.)  dargelegt  worden.  — 
Nach  der  Fixirung  dieser  ZeitverhültniBse  wendet  sich  der  Verf.  zur  Be-' 
trachtung  der  Bildwerke.  Während  das  Urtheil  über  den  Stil  der  Giehel- 
fignren  sehr  zurückhaltend  ausgefallen  ist,  erscheint  die  Charakterisining 
der  Nike  um  ho  trefTender:  ,,Der  Stil  des  Werkes  ist  originell,  dem  der 
Kiobidin  des  Museo  Chiaramonti  wie  den  Gewnndstatuen  des  Parthenon 
ähnlich."  Der  Felsen,  auf  den  die  Göttin  herabschwebt,  wird  sinnig  als 
der  Kronionhügel  gedeutet,  was  durch  die  erkennbaren  Spuren  des  Adlers 
nuterstQUit  wird.  Der  Meisterschaft,  welche  diese  Arbeit  auszeichnet,  slehen 
die  Giebclßguren  nicht  unbeträchtlicb  nach :  „sie  machen  einen  gcftllligen,  aber 
keinen  idealen  Eindruck".  In  der  Erfindung  leuchten  hie  and  da  die  Vor- 
bilder der  Giebelßgnrcn  des  Parthenon  durch;  unverkennbar  sind  sie  vor 
ollem  bei  den  gelagerten  FlnssgötterD  der  Ecke.  Bei  dem  RecoDstructions* 
versuch  ihrer  Gruppirung  weicht  der  Verfasser  mehrfach  von  den  Angaben 
de»  Pansanias  ab.  Dass  der  sitzende  Greis  (Fig.  6.  der  Ililfstafel),  den 
auch  Treu  (Arch.  Zeit.  XXXIV  zu  Taf.  13)  als  Hippokora  hezeicliiiet,  ein 
Hellanodike  sei,  möchten  wir  doch  bezweifeln,  da  die  sorglose  Stellung  des 
Alten    mit   der  Würde   eines  üelknodikcn    uns    nicht   recht   vereinbar   er- 


118 


R.  Keknle:  GriechiBche  Thonfignron  aus  Tanagpra. 


scheint.  Ansprechender  dünkt  uns  die  Erklärong  der  jüngeren,  mit  anter- 
gelegtem  fieine  hockenden  Fignr  E  (bei  Treu  0  „Hippokom")  als  MjiTtiloa, 
,, welcher  trüben  Sinnes  noch  dem  Kladeos  binach&ute,  wo  eeino  Fahrt  ihren 
Anfang  tiehmon  sollte,  von  dem  Heros  und  seinem  Gespann  abgewendet, 
welche  er  vcrrieth".  Aber  womit  hat  sich  der  Herr  Verf.  gedacht,  den  so 
entstehenden  leeren  Raam  über  dem  sogenannten  Myrtilos  ausiüllcn  zu 
können  ? 


5.  R.  Kckn16,  Griechische  Tbonfiguron  aus  Tanagrn,  im  Auftrage  des 
Kais.  D.  Arch.  Instituts  hcrausgogeben.  Stuttg.  1878.  . 
Der  eriftuternde  Tett  des  Um,  Vcrf.'s  giht  uns  nach  einer  kurzen 
geographischen  und  hiHtoriachen  Einleitung  zunächst  nn  der  Hand  des 
Pseudodikniarcb  wie  des  Pausanias  vorgehend  eine  Schilderung  von  dem 
alten  und  neuen  Tanagra;  wir  hürcn  von  der  Sittenreinheit  seiner  Be- 
wohner, der  äusseren  Erscheinung  der  nöotcrinnen,  sowie  der  Tempel  and 
Kunstwerke  der  kleinen  Landstadt,  für  welche  die  Entdeckung  der  aus 
mehreren  Tausenden  von  Gräbern  bestehenden  Stätte  besonders  seit  dem 
Winter  1875  plötzlich  ein,  wie  man  weiss,  aasBerordentlich  rt^es  Interesse 
hervorgerufen  hat.  Diese  G  ruber  fanden  sich  tbeils  in  den  thonigeu  Boden 
eingegraben,  thdls  in  den  Felsen  eingehaucn,  oft  waren  sie  dachartig  durch 
Thonplatten  zugedeckt.  Ihr  Inhalt  bestand,  abgesehen  von  den  besonders 
zahlreichen  und  schonen  Terracotten,  meist  aus  Vasen,  Lampen,  Gläsern, 
Muscheln,  Schmucksachen  und  vcrschiedooca  Geräthen  aller  Art,  also  Gegen- 
Btändeu,  wie  sie  auch  in  andern  Grübcrn  gefunden  werden.  Außullig  war, 
dasa  die  neben  den  schönen  Terracotten  gefundenen  Vasen,  soweit  aas  den 
durch  die  athenische  archäologische  Gesellschaft  festgestellten  wissenschaft- 
lichen Resultaten  der  Aasgrabnngeu  zu  ersehen  ist,  nur  schwarz  oder 
schmucklos  waren.  Die  Terracotten  selbst  bieten  eine  stofflich  ungemein 
reiche  Auswahl  von  Darstellungen  dar,  uuter  denen  natürlich  die 
genrehaften  die  mythologischen  bei  weitem  übenviegeu.  Stilistisch  zeigen 
sie,  wenn  man  absieht  von  einer  Reihe  sitzender  Fraucnbilder  von  alter- 
thümlichem  Gepräge,  nicht  eben  sonderliche  Unterschiede,  so  dass  der  Hr. 
Verf.  geneigt  ist,  ihnen  allen  einen  kunstgeschicbtlichen  Flatz  zwischen  dem 
3.  und  4.  Jahrhundert  anzuweisen. 

Die  Abbildungen,  denen  besonders  eine  Anzahl  mehr  oder  weniger 
genrehafter  Mädcheofiguren  zu  Grande  gelegt  ist,  dürfen  in  jeder  Beüriehung 
ab  Muster  eleganter  und  sorgHiltiger  Publikationen  gelten.  Unklar  ist  uns 
dabei  nur  der  Ansatz  geblieben,  welcher  sich  an  dem  Kopfe  des  Ball 
schlagenden  Eroten  auf  Tafel  IV  befindet;  auch  der  Text  gibt  darüber  keine 
Auskunft. 


U.  HeydemBnn:  Die  Ko&oho\8pielerin  im  Palaxxo  Colonoa  eu  Rom.     129 


6.    U.  Heydemann:    ,,Dio  Knöclielspiolenn  im    Pnlazzo   Colonna  zu 

Rom."     Zweites  Halliscbes  Winkelmaunsprogratuni.  HaUe  1877.  M.  2 

Taf,  D.  2  Holzschn. 

Die  kleine  Marmorfigur  des  aoiQayctUtovaa  des  Palazzo  Colonna, 
die  bisher  mit  Unrecht  mit  den  übrigen  erhaltenen  DarstelluDgen  von  Knochel- 
spieteripnen  zusammengeworfen  wurde,  erhalt  durch  die  vorliegende  Unt-er- 
snchung  zum  ersteh  Mal  ihren  besondern  Platz  in  der  Kuustgeschichle  an- 
gewiesen. Indem  der  Hr.  Verf  das  Knöchelspiel  der  Alten  in  seinen  ver- 
schiedenen Abarten  untersucht,  stellt  sich  heraus,  dass  sich  dasselbu  nicht 
nur  der  grössten  Beliebtheit  zu  erJreueu  halte,  sondern  in  der  Dichtung 
wie  bildenden  Kunst  geradezu  zu  einem  ,, Symbol  kindlichen  Leichtsinnes 
und  der  sorglosen  glücklichen  Jogt'ndlichkeit  überhaupt*'  geworden  ist. 

Darstellungen  des  Kuöchelspiela  oder  Andeutungen  desselben  finden 
sich  daher  auf  den  verschiedenartigsten  Werken  der  Malerei  wie  in  Rand- 
werken, auf  Vasenbildem,  Wandgemälden,  einem  Sarkophagrelief,  Gemmen, 
Mfinxen,  Terracotten  und  Marmorfiguren,  von  welchen  letzteren  jedoch  leider 
keine  einen  Rückschluss  auf  das  von  Polyklet  geschaffene  kla<iBi8che  Vor- 
bild  der  „Knöchelspielergruppe"  erlaubt.  Sie  gehören  vielitielir  alle  der 
nach  Alexandrinischen  Epoche  an.  Aber  auch  der  in  mehreren  Exemplaren 
erhaltene  Typus  einer  Kuöchelspielerin,  der  eben  deswegen  auf  ein  im 
Alterthume  berühmtes  Original  zurückgehen  rauss,  lilsst  sich  '^leitlJch 
nur  allgemein  fixiren.  Die  ihm  kunstgeschichtlich  am  nächsten  stehende 
Figur  soll  nach  des  Ilru,  Verf.'s  Urtheil  die  zu  Tyndaris  gefundene, 
jetzt  verschollene  Neaplor  Figur  sein,  von  der  uns  der  kleine  Holzschnitt 
auf  S.  3  eine  Anschauung  giebt,  und  welche  der  Hr.  Verf.,  dem  Urtboile 
Gerhards  und  Panofka's  folgend,  in  die  Zeit  des  Praxiteles  zu  setzen 
geneigt  ist;  erat  der  hellenistischen  Zeit  sei  das  genrchafto  Motiv  hadernder 
Knöchelspieler  zuzuwelBen  und  in  diese  Kategorie  müsse  auch  die  auf  Taf.  I 
zum  ersten  Male  pnblicirte  Figur  des  Palazzo  Colonna  gehören.  —  Ea 
fällt  auf,  dass  der  Hr.  Verf.  die  so  nahe  liegenden  Parallele  mit  dem  nea- 
gefundenen  marmornen  Dornauszieher  (vgl.  Monum.  d.  Inst.  X,  XXX)  da- 
bei nicht  berücksichtigt  hat.  Hier  wie  dort  zeigt  sich  das  Bestreben,  eine 
Erscheinung  des  alltäglichen  Lebens  so  scharf  wie  möglich,  auch  uubc- 
kümmert  um  ftuasere  Eleganz,  zu  individualisiren;  daher  bei  beiden  Figuren 
der  bäurische  Gesichtsausdruck,  bei  dem  Müdchen  die  unschickliche,  aber 
durchaus  charakteristische  Entblüssitng  des  rechten  Beines,  hei  dem  Knaben 
die  gleichfalls  gegen  den  Anstand  verstossende,  wenn  auch  fiir  die  Situation 
bezeichnende  Lage  des  übergeschlagenen  Beines  (vgl.  hierzu  die  trefilichcn 
Bemerkungen  von  Robert  ülwr  den  Dornauszieher  Annali  d.  Inst,  arcli. 
>  9 


ISO    L.  Höleertnann:  Lokalfoncb..  die  Krieg«  der  Römer  a.  Franken  betr. 

1876,  p.  124  fr.).  Ist  aber  die  Knöchebpielenn  des  PaIozzo  Colonna  ein 
Prmluct  derselben  Kanstrichtnog  wie  der  mannonie  Dornaoezirber,  »o  liegt 
der  ScbluBB  nahe,  daaa  die  wenige^r  iDdiTidaalJBirten,  daher  aocb  weniger 
genrolmftcn,  aber  eleganteren  Stataett«n  der  KDöchelspielerinnen,  nicht  die 
Vorliluforinnen  jener,  sondern  jünger  sind.  Was  die  verschoUeae  Figtir 
Tön  Tyndariff  betrifft,  »o  reicht  ihre  Abbildung  doch  nicht  bin,  irgend  einen 
Gogonbcweis  gegen  diese  Annabrac  zu  liefern.  Die  übrigen  erhaltenen  Fi- 
guren crkl&rt  aber  der  Hr.  Verf.  selbst  ala  Productc  aas  römischer  Kaiaerzeit. 
Hanibarg.  Dr.  Dütschke. 

6.  Localforachaogen,  die  Kriege  der  Rötner  and  Franken  sowie  die  Bc- 
festignngsiDanieren  der  Germanen,  Sachsen  »owie  de»  späteren  MiUel- 
oUcrs  betreffend,  von  L.  HöUerinann,  Hauptmann  und  Compagnic- 
Chef  im  3.  niederschlesiscben  Infant erie-Regimente  Nr-  50.  Nach 
dessen  Tode  beransgegeben  von  dem  Verein  für  Geschichte  und  Alter- 
tbamsknnde  Westfalens.  Mit  2  Karten  und  51  litbograpbirten  Ztäch- 
nnngen.  Münster,  Druck  nnd  Verlag  von  Friedrich  Regensburg.  187P 

Der  K.  pr.  Hanptnuinn  Hölzermann,  welcher  in  der  Schlacht  bei 
Wörth  den  Heldentod  fand,  hat  in  den  Jahren  1867 — 70  im  Gebiet«  der 
Lippe  Localuntersucbangen,  betreffend  die  römisch-germaniachen  und 
fränkjach-s^hsischen  Kriege,  angestellt,  und  eine  grosse  Zahl  alter  Ver- 
scbanznngen  nntersncbt  und  aufgenommen.  Die  Ergebnisse  dieser  Unter» 
sncbungcn  sind  ans  dem  Nachlasse  des  Verstorbenen  mit  namhafter  Unter- 
stützung Sr.  Excellonz  des  Ministers  der  Geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medidnal- Angelegenheiten,  Herrn  Dr.  Falk,  von  dem  Vereine  für  Gepchichto 
und  Alt«rthumskunde  Westfalens  herausgegeben  worden ;  auf  53  gut  aus- ' 
geftlbrten  lithographischen  Tafeln  sind  die  trefflichen  Uölzerinonn'schen 
Zeichnungen  wiedergegeben  und  von  einem  erklärenden  Text«  begleit«!. 
Da  die  Angaben  des  Verfassers  über  alte  Befestigungen  und  die  römisch- 
germaniachen  Kriege  im  Allgemeinen  meist  Auszüge  aus  dem  bekannten 
Werke  des  Generals  von  Peucker  „das  deutsche  Kriegswesen  der  Urzeiten" 
sind,  so  beschranken  wir  uns  in  der  Besprechung  auf  diejenigen  ResnltAte, 
welche  ans  den  eigenen  örtlichen  Untersuchungen  des  Verf.  hervorgegangen 
sind,  nämlich  die  alten  Grenzwehren,  Strassen  nnd  Befestigungen. 

Dio  Untersuchungen  über  die  Grenzwebren  sind,  sowohl  hinsichtlich 
dos  Laufes  als  der  Construction,  im  Ganzen  sehr  dürftig :  Der  Verf.  hat 
auf  der  luiken  Rbeinseite  nur  einzelne  Tbeile  bei  M. -Gladbach  kennen  ge^ 
Wnt,  nnd  auf  der  rechten  bloss  abgebrochene  Stücke  in  den  Umgebungen 
der  Lippe    nntersncht:    weder    ans    den  Ucbersichtskarton    noch    ans    dem 


L.  Hölzermann:  Localforach.,  die  Kriege  der  Römer  und  Franken  betr.    181 


Texta  geht  hervor,  dass  er  auch  mir  eine  einzige  Landwehr  bis  zu  ihrem 
Ende  verfolgt  bat.  So  dankbar  nun  jede  auch  noch  so  kleine  Mittheilung 
über  diese  Anlagen,  bei  der  noch  immer  anhaltenden  Unthätigkeit  in  der 
Erforschung  derselben,  ist,  ao  sehr  müssen  wir  uns  vor  den  aus  einzoluon 
ahgeriflsenen  Tbatsachen  gezogenen  Schlüssen  oder  ganz  allgemein  ohne  De* 
grfiodnng  hingestellten  Behauptungen  verwahren,  wie  sie  der  Verf.  zuweilen 
mit  grosser  Bestimmtheit  ausspricht.  S.  68  z,  B.  heisst  es:  , Dieselben 
(die  Landwehren  der  linken  Rheinseite)  darchschneiden  die  niederrheinische 
Ebene  noch  jetzt  in  mcilenlangen  geraden  Linien,  und  zwar  theils  in  der 
Richtung  West — Ost,  den  Rhein  mit  der  Maas  verbindend,  theils  aber  bo- 
gleiten dieselben  den  Lauf  des  Rheines  in  ziemlich  paralleler  Richtung". 
Wenn  es  schon  unzulässig  ist,  solcbo  weitgreifende  Aussprüche  ohne  jeden 
factischen  Nachweis  zu  thun,  dergleichen  Behauptungen  vielmehr  nur  die 
Schlassfolgerangen  ans  dem  vorher  detaiUirt  dargelegt«Q  Matorial  sein 
können,  so  wollen  wir  anderseits  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  die  von  uns 
auf  Grund  langjähriger  Forschungen  in  die  Generalstabskarten  eingotragenen 
Landwehren  keineswegs  gerade  Linien,  weder  mit  dem  Rheine  parallel  noch 
darauf  senkrecht,  am  wenigsten  den  Rhein  mit  der  Maas  verbindend,  auf- 
weisen, vielmehr  in  geschlossenem  Lanfe  entweder  vollständige  EioBchlüsse 
darstellen,  oder,  wo  sie  nnr  fragmeatarisch  untersucht  sind,  dus  ßestreben 
Beigen,  lolche  Einschlüsse  ^u  bilden.  Die  Landwehren  nördlich  der  Lippo 
glaubt  der  Verf.  zu  dem  Zwecke  angelegt,  einen  Landstrich  zwischen  Hamm 
und  Lippstadt  zu  befestigen  (S.  71),  wobei  er  freilich  die  von  ihm  aufge- 
funden Stücke  nur  so  weit  verfolgt  hat,  als  es  ihm  zur  Stütze  einer  solchen 
Meinung  nöthig  war.  Die  übrigen  dort  vorhandenen  Landwehren  bleiben  un- 
erklärt, dagegen  ist  der  Verf.  geneigt,  die  südwSrts  der  Lippe  vorhandene 
sogen.  Königslaudwehr  mit  dorn  römischen  Marechlager,  der  sogen,  liuumnns- 
burg,  in  Beziehung  zn  setzen  (S.  62).  Wir  haben  auch  hier  wieder  den 
bedenklichen  Fall ,  dass  aus  unvollkommen  erforschten  Tbatsachen  all- 
gemeine Schlüsse  gezogen  werden,  die  für  eine  richtiges  Auffassung  nur  nach- 
theilig wirken  können:  die  von  uns  in  die  Geueraletnhsknrten  gezeichneten 
Landwehren  an  der  Lippe  laufen  bald  dem  Flusse  parallel,  bald  unter  vcr- 
Rchicdenen  "Winkeln  auf  denselben  zu,  und  letztere  überschreiten  öfter  den 
FluBS,  am  sich  mit  den  landeinwärts  vorkommenden  Armen  aa  ver- 
hindeu,  ganz  so  wie  es  aller* arte  in  meilenweit  von  der  Lippe  entlegenen 
Gegenden  der  Fall  ist.  Demoach  kann  den  Landwehren  an  der  Lippe, 
da  sie  sich  weder  in  ihrem  Laufe  noch  der  Construction  von  den  übrigen 
unterscheiden,  ein  besonderer  Zweck  nicht  beigemesHen  werden,  lieber  die 
Bestimmung  der  linksrheinischen  Grenzwehren  können  wir  uns,    soweit 


1S2    L.  Hölsermann:  Localforsch.,  die  Kriege  der  Römor  and  Franken  betr. 

unsere  Uotersuchungeii    big  jetzt   reichen,    mit  dem  Verf.  im  Allgemeinen 
einverstanden  erkl&ren,  wenn  er  (S.  68)  sag^:    „Obgleich  diese  Linien  (die 
Landwehren)   aagenblicklich   hier  und  da   (gewöhnlich  nnr)  theilweise   als 
Grenzen  benatzt  werden,  sind  dieselben  im  Ganzen  doch  derartig  angelet, 
dass  sie  nicht  als  orsprünglicfa  zn  Landes- oder  Bezirksgrenzen  bestimmt  be- 
trachtet werden  können;   vielmehr  geht  ans  der  überall  gleichartigen  Gon- 
atniction  und  ausserordentlichen  Verbreitung  derselben  unzweifelhaft  hervor, 
dass   sie  nach   einem  einzigen  grossartigen  Plane  zum  Schutze  eines  weit- 
ausgedehnten Landstriches   erbaut   wurden.     Hierin    liegt  eine  wesentliche 
Verschiedenheit   dieser  tandwehren  und   der  des  Mittelalters,   welche  ans 
der  willkfirlichen  Anordnung  einzelner  selbstständiger  Bezirke    (st&dtischer 
oder  dynastischer)  hervorgingen."     Wir  wollen  Dem  nur  hinzulagen,    dass 
die  Landwehren  nicht  bloss  den  Zweck  des  Schutzes,  Sondern  auch  den 
der  Begrenzung    der    umschlossenen    Gebiete   hatten,    und    dass   dieser 
doppelte  Zweck  nicht  bloss  den  Grenzwehren  des  linken,  sondern   anch 
denen  des  rechten  Rheinufers,   soweit   sie   bis  jetzt  untersucht  sind,    xa 
Grunde  liegt.  Was  dieConstrnction  der  Grenzwehren  betrifft,  so  finden 
wir  auf  Taf.  VII  u.  VIII  30  Profile,    die  nur  1  oder  2  Wälle  mit  Gr&ben 
zeigen,  woraus  dann  ohne  Weiteres  der  Schluss  gezogen  wird,  dass  sowohl 
auf  der  rechten  wie  linken  Rheinseite  alle  Landwehren  nur  aus  zwei  oder 
einem  Walle  bestanden  haben,  was  aber  nicht  einmal  Ar  die  wenigen  von 
dem  Verf.  untersachten  F&lle  stichhaltig  ist,  viel  weniger  für  die  immense 
Zahl  derjenigen,  die  von  ihm  gar  nicht  untersucht  sind.    Jedermann  weiss, 
dass  die  noch  erhaltenen  Erdwerke  cur  die  sparsamen  Reste  der  im  Laufe 
der  Jahrhunderte  mehr   oder  minder  stark  zerstörten  and  veränderten  ur- 
sprünglichen .\nlagcn  sind,  und  man  braucht  nur  kurze  Zeit  diesen  Ueber- 
resten  seine  Aufmerksamkeit  zn  widmen,   um  zu  erkennen,  dass  diese  Zer- 
störungen und  Yeränderangen  noch  jetzt  unter  unsern  Augen  in  sehr  merk- 
licher Weise  vor  sich  gehen.     Wenn  man  also  eine  Landwehr  antrifft,   die 
an  einzelnen  Stellen  nur  2  Wälle  hat,  so  wird  man  sie  nicht  ohne  W'eiteres 
in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  auf  nur  2  Wälle  beschränken  dürfen,  während 
sie  an  andern  nicht  untersuchten  Stellen  deren  mehr  aufweisen  kann,   und 
noch  unzulässiger  ist  es,  aus  einer  solchen  mangelhaften  Wahrnehmung  an 
einigen   wenigen  Exemplaren  auf   die   grosse  Zahl   aller  übrigen  schliessen 
zu  wollen.     Soll  die  Untersuchung   einer  Landwehr  correct  sein,    so  ist  es 
unumgänglich  erforderlich,  dass  sie  sich  auf  alle  noch  vorhandenen  Theile 
erstreckt,    an    den   besterhaltenon  Stellen    Profile    genommen    und    an    den 
übrigen  ermittelt  wird,    in  wie  fem  sie  nur  die  verstümmelten  Reste  vor- 
ausgegangener Zerstörungen    sind.     Wir    haben    nun  die  von    uns    in   die 


h.  Hölzertnaiiii;  lA>ciilfor8cli.,  die  Kriege  der  Kumer  und  Franken  betr.     Ili3 

Karten  eingetrageaen  Greozwehreu  (im  Ganzon  ISü  Meilen)  steU  SclirilL 
vor  Schritt  verfolgt  und  nicht  weniger  als  312  Proßlo  davon  nurgenoiunieo, 
aiu  denen  sich  ergibt,  doss  die  grüsserou  ans  vier  Wällen  bestanden  hüben, 
deren  Zweck  neliKt  der  BcschafiV>nheit  der  kleineren  Landwehren,  in  den 
Denen  Beiträgen  etc.  näher  angegeben  ist.  Uebiigens  Bei  nicht  unbe- 
merkt, dass  sich  aufTaf.  IX  der  Lauf  and  das  Profü  einer  „Landwehr  ans 
der  Urzeit"  gezeichnet  fiud&n,  die  ganz  deutlich  die  vier  Wälle  aufweisen, 
waa  mit  den  Angaben  im  Trxtc  nicht  im  Einklänge  steht.  Ueber  den 
Ursprung  der  Landwehren  können  wir  im  Allgenteineu  mit  dem  Verf. 
der  sie  in  das  Altertham  vet'setKt  (S.  71),  einverstandeii  sein,  vormissen 
aber,  eine  niihero  Begründung  ilieBcr  keineswegs  gangbaren  Meinung.  Aach 
stimmen  wir  dem  Verf.  bei,  wenn  er  sagt  (ä.  71),  es  sei  zu  bedauern,  „dass 
die  Landwehren  in  Wcätfaleit  bis  jetzt  von  Suiten  der  GeschichtBforscher 
iaat  gar  keine  Beachtung  gefiyiden  haben**.  Wir  haben  dasselbe  oft  genug 
ausgesprochen,  ohne  jedoch  bis  jetzt  eiue  Bereitwilligkeit  bei  den  Alter- 
tbumsforsohern  wahrgeuomuiüu  ku  haben,  sich  mit  uns  in  das  einmal  be- 
gODDene  mübsamc  Geschäft  (heilen  au  wollen. 

Noch  viel  ungenügender,  als  bei  den  Grenzwehren,  Bind  die  Forachungs- 
ergebnlsso  über  die  alten  Strassen  ausgefallen:  hier  bewegt  sich  der  Verf. 
offenbar  auf  einem  ihm  fast  ganz  fremden  Gebiete,  und  es  wird  genügen, 
die  ForschuDgsmethode  des  Verf.'s  mit  ihren  Resultaten  nur  in  den  Haupt- 
sögen  vorzuführen.  Wir  ünden  auf  den  beiden  UebersicLtskarten  eine 
sehr  grosse  Zuhl  „germanischer  VerkehrstraBsen"  gezeichnet.  S.  11  heisfit  e«: 
„Die  Germanen  kannten  weder  Strassen-  noch  Brückenbau".  Wenn  man 
oon  fra^,  durch  welche  Kennzeichen  der  Verf.  so  genau  die  Richtungen 
ao  xahlreicher  Strassen  aus  der  germanischen  Unieit  ermittelt  hat;  so  sind 
es,  ausser  germanischeu  Grübern,  kauptsächtich  die  mittelalterlichen 
Verkehrsstrassen,  die  er  mit  den  germanischen  für  identi.4ch  hält,  wobei 
freilich  der  sonderbare  Widerspruch  Übersehen  ist,  dass  einerseits  die  mit- 
telalterlichen Städte  ans  den  grosseren  germanischen  Ansicdlungeo  ent- 
standen sind  (S.  12),  und  dennoch  anderseits  die  „gerriianischcn  Verkehrs- 
strassen'*  um  diese  Städte  herumgeführt  haben,  und  erst  später  durch 
dieselben  gelegt  worden  sind.  (S.  14).  Nicht  besser,  als  mit  der  Begriiu- 
duog  der  „germanischen  Verkehrsstrassen^'  verhält  es  sich  mit  den  Auf- 
kl&rUDgen  über  die  römischen  Heerstrassen.  S.  69  wird  behauptet, 
ea  sei  für  die  römischen  MiHtärstrasaen  „characteristisch,  dass  der  Flusskies 
durch  Mörtel  stets  zu  einer  festen  Masse  verbunden  wurde'*,  und  doch  hat 
der  Verf.keino  einzige  Römerstrasse  von  solche  r  Beschaffenheit 
Aufgefunden.     Jener  Satz  ist  aus  Schmidt^s  Localuntersuchungen  ent- 


134     L.  Hölzermann:   Localforach.,  die  Kriego  der  Römer  und  Franken  betr. 

iiomnien,  and  hat  nor  für  die  von  Schmidt  gefundenen  Strassen  Gflltig- 
keit;  im  Allgemeinen  ist  er  nach  unsem  örtlichen  Ermittlangen  nicht 
richtig,  und  dasselbe  bestätigt  der  bedeutendstö  Forscher  römischer  Heer- 
strassen,  Finanzrath  E.  v.  Paulas  in  Stuttgart,  indem  er  sagt:  „Die  Ver- 
bindung des  Pflasters  (der  Römerstrassen)  oder  die  Ausfüllung  der  Fügen 
derselben  geschah  mit  Sand,  und  nur  bei  einigen  mit  Mörtel. 
Bei  minder  bedeatendon  Strassen  fehlt  auweilen  die  Pflasterung".  (Die 
Alterthümer  in  Wflrtemberg  S.  4.)  Obschon  nun  der  Verf.  keine  einzige 
Strasse  von  jener  „characteristischen"  Beschaffenheit  auffinden  konnte,  führt 
er  dennoch  sowohl  in  den  Karten  als  im  Texte  eine  Reihe  von  Bmch- 
stückon  römischer  Milit&rsträssen  auf;  so  sagt  er  S.  5:  „Nach  den  noch 
vorhandenen  Resten  römischer  Hilitärstrassen  und  Etappenlagor  an  der 
Lippe  führten  einst,  von  Castra  vetera  ausgehend,  zwei  gebahnte  Strassen 
die  Lippe  aufwärts  und  zwar  eine  am  nördlichen  nnd  eine  am  südlichen 
Ufer".  Doss  es  keine  Römerstrasson  aus  blossen  Erddämmen  (mit  Holz) 
gegeben  hat,  ist  für  den  Verf.  eine  so  ausgemachte  Sache,  dass  er  die 
von  dem  Ref.  in  den  neuen  Beiträgen  II  S.  33 — 41  beschriebenen  Heer- 
Strassen,  ohne  sie  auch  nur  untersucht  zu  haben,  rundweg  für  Landwehren 
erklärt.  Damit  steht  nun  in  grellem  Widerspruch,  dass  sich  in  der  Ueber- 
sichtskarte  ein  beträchtliches  Stück  Römerstrasse  bei  Wesel  gezeichnet 
findet,  das  nur  allein  aus  Erd  werk,  ohne  jede  Spur  von  Steinmaterial, 
geschweige  denn  von  Mörtelverband,  besteht ;  ein  zweites  StQck  findet  sich 
in  der  Richtung  nach  Bocholt,  ein  drittes  in  der  Richtung  nach  Borken, 
ein  vierteä  zwischen  Stadtlohn  und  Ahaus,  ein  fünftes  bei  Haltern,  ein 
sechstes,  siebentes  und  achtes  östlich  von  Halteren  und  Hallern,  und  alle 
diese  Strassenreste  bestehen,  sowohl  nach  Schmidt 's  als  unsern  eigenen 
Untersuchungen,  nur  allein  aus  Erdwerk,  ohne  jede  Spur  von  Stein- 
niatcrial.  Dasselbe  gilt  von  den  beiden  Stücken  der  Heidenstrasso  östlich 
von  Lisborn  und  Seh.  Waltrup,  nnd  wenn  der  Yerf.  seine  vorgeb- 
lichen germanischen  Verkehrsstrassen  näher  untersucht  hätte, 
so  würde  er  gefunden  haben,  dass  der  grössere  Theil  derselben 
aus  oben  solchen  Erddämmen  bestanden,  wie  die  von  ihm  als 
Rümerstrassen  aufgeführten  Stücke.  Endlich  hat  der  Verf.  bei 
Nouen-Ueerso  auch  ein  20  R.  langes  Stück  eines  alten  Weges  gesehen, 
dessen  c.  6  Fuss  breite  Steinbahn  aus  groben  Sandsteinblöcken  zusammen- 
gesetzt war;  aber  es  wird  doch  wohl  Niemand,  ausser  dem  Verf.,  einen 
nur  C  Fuss  breiten  Steinweg  für  eine  römische  Heerstrasse  ausgeben 
wollen. 

Wenn  wir  nun   hiernach   aus    den  von    dem  Verf.  aus  seinen  Unter- 


L.  Uül£orta»uu:  Luenlfuraoh.,  diu  Kriege  dei-  Küoicr  und  Fiaiikon  bi'tr.     lä'> 


sucbuugoD  aber  die  Lundwehreu  uud  UoerstraHaun  beigebrachten  Ile- 
sultAteu  leidur  wenig  Litilebruiig  2U  Btibü|>feD  vuriiiiigmi,  so  dürlt«  dies  aeiiu-n 
Gruod  in  der  su  b«6cbriiifl<tou  Zeit  lml)€i],  welche  er  auf  diese  so  ausge- 
deliuteu  und  nur  frngiucutMiiEicb  orhiiltent>u  Doukinnlor,  die  ein  langjähriges 
not]  eingebendes  Studium  eifurdcni,  vorwondun  kounte,  und  er  es  andern- 
tlieila,  den  auf  S.  3  uud  4  entbaltouen  giHleii  Lehren  zuwider,  nicht  vor- 
sichtig genug  vermieden  hat,  aus  mangelhaft  erforachleu  l'hatsacheu  all- 
Bincine  Schlüsse  ^u  zieheu  und  dnrch  vorgefiisüto  Meinungen  die  allein  bc- 
chtigteu  ThatsuchuJi  in  deu  Hintergrund  zu  drängen.  l>ugcgen  freuen 
wir  uns,  ea  auBspiechen  zu  dürfen,  dass  der  Verf.  durch  diu  Erforschung 
einer  grossen  Zahl  alter  B  efestigungen,  die  einen  Uaupltheil  des  Werkes 
aaBniachen,  der  Altertlmniskunde  einen  grossen  Dienst  geleistet,  um  so  mehr, 
als  die  meist  kurze  Beschreibung  dieser  Detikmälcr  durch  sehr  gcluugeno 
Zeichnungen  unterstützt  wird.  Wir  werden  die  einzelnen  Befestigungen, 
in  «o  weit  wir  sie  selbst  untersucht  haben,  der  lieiho  nach  durchgehen, 
und  die  aus  unsc-rn  Untersuchungen  hervorgegangenen  Resultate,  sofern 
sie  mit  denen  des  Verf.  nicht  übereinstimmen,  nebst  kurzer  Begründung 
hiuitufügeo. 

Die  Ilünenbnrg  an  der  Glenne.  Dieselbe  hat  die  Form  der 
römischen  Lager,  indem  sie  aus  einem  inneren  viereckigen  Einschluss  be- 
steht, umgeben  von  einer  äusseren  Umscbliessung,  die  jedoch  nur  mehr  an 
der  Nordseito  erhaUeu  ist.  Der  Verf.  ist  mit  der  Ansicht  Schmidt'», 
der  diese  Verschuuznug  für  ein  römisches  EtappenLiger  erklärt  hat,  nicht 
einverstanden,  sondern  hält  sie  für  germanischen  Ursprungs,  und  zwar  aus 
dem  Giiinde  „weil  die  Wälle  sehr  krummHnig  und  unegal  sind,  wobei  die 
Dimensionen  der  Süd-  and  Ostseite  in  Bezug  auf  Breite  und  Flühe  des 
Walles  bedeutend  grösser  sind,  als  die  der  West-  uud  Nordaeite".  Uns 
Bcheiueu  diese  Gründe  nicht  ausreichend,  um  der  Anlage  den  römischen  Ur- 
sprung abzusprechen,  wenn  mnu  berücksichtigt,  dass  wir  dieselbe  nicht 
mehr  in  ihrem  ursprünglichen  Zustande  vor  uns  sehen,  vielmehr  die  Wälle 
augenscbeinlicli  theils  gauz  vernichtet,  theils  erniedrigt  und  auseinatiderge- 
worfeu  sind.  Da  die  Befestigung  ganz  die  Construction  Jor  übrigen  Marsch- 
lager besitzt  und  an  einer  römiachon  MilitÄrgtrasso,  niimUeh  der  von  Dol- 
berg  über  Lisborn  nördlich  der  Uüneuburg  vorbeiziehenden  UeideuBtrasse 
liegt,  und  genau  einen  Tagemarsch  ^  4  Meilen  vou  dem  Etappenlagor 
zu  Dolberg  entfernt  ist,  so  aoheiiit  uns  kein  Zweifei,  dass  dieselbe  nichts 
anders,  als  das  auf  der  Route  von  Dolberg  auf  diesem  Strasseuarm  zu- 
DJtchst  gelegene  römische  Eiappenlager  ist. 

Das  römische  Lager  auf  dem  üoikenberg  beiLüuen.     Ueber 


186     L.  Hölzermann:  Localfonch.,  die  Kriege  der  Römer  und  Franken  betr. 

dieses  zaerst  von  Dr.  Hülsenbeck  nachgewiesene  römische  Lager  können 
wir  dem  Verf.  nicht  beistimmen,  wenn  er  es  als  ein  „Standlager"  bezeichnet. 
Hiergegen  spricht  entschieden  der  Umstand,  däss  bis  jetzt  auch  nicht  der 
geringste  Fand  römischer  Alterthümer  daselbst  constatirt  ist;  wir  halten 
es  violmehr  nur  ffir  ein  gewöhnliches  Etappenlager,  womit  auch  die  regel- 
mässige Entfemnng  von  den  übrigen  der  Lippestrasse  entlang  gelegenen 
Marschlager  übereinstimmt.  Eben  so  wenig  können  wir  die  kloine  vier- 
eckige Umwalinng  im  Innern  für  das  „Prätorium"  halten,  das  „die  höchste 
Stelle  des  Hügels  einnahm".  Sie  nimmt  keineswegs  die  höchste  Stelle  ein, 
sondern  liegt  aaf  der  östlichen  Neigung,  und  scheint  uns  ein  in  späterer 
Zeit  angelegtes  Redtiit  zu  sein,  wie  sich  ein  solches  auch  in  dem  Lager  bei 
ßonefeld  (Kr.  Neuwied)  findet;  hier  lässt  sich  aus  dem  Profil  der  Um- 
wallung, das  die  neuere  Befestigungsmanier  zeigt,  deutlich  der  spätere  Ur- 
sprung nachweisen,  während  auf  dem  Heikenberg  die  Wälle  nur  mehr  an 
einer  schwachen  Erhöhung  des  Bodens  zu  erkennen  sind. 

Die  Bnmannsburg.  Bei  der  bisherigen  Beurtheilung  dieser  Yer- 
Bchanzung  scheint  uns  übersehen  zn  sein,  dass  das  ursprüngliche  Bauwerk 
in  späterer  Zeit  zu  Kriegszwecken  benutzt  und  demgemäss  hergerichtet 
worden  ist.  Auf  eine  solche  spätere  Benutzung  weist  schon  die  Auffindung 
fränkischer  Alterthümer  hin,  und  wir  rechnen  hierher  namentlich  den  an 
die  Aussenseite  des  östlichen  Hanptwalles  angelegten  brustwehrartigen  Wall, 
wie  ihn  der  Grundplan  und  das  Profil  n  b  zeigt.  Nach  unsrer  Aufiiissnng 
war  das  Kernwerk,  wie  bei  den  übrigen  römischen  Lagern  von  einer 
äusseren  Umschliessung  umgeben,  deren  Ost-,  Süd-  und  Westseite  mit  den  ent- 
sprechenden des  inneren  Einschlusses  parallel  gingen,  während  die  nördliche 
Seite  fehlt,  und  hier  die  Lippe  den  vierten  Abschluss  bildete.  Wir  stimmen 
ganz  der  treffenden  Bemerkung  des  Verf,  bei,  dass  sich  an  der  Nordseite, 
wo  jetzt  die  sumpfigen  Wiesen  liegen,  ein  Hafenbassin  befand,  womit  nach 
unsrer  Ansicht  der  von  dem  östlichen  Hauptwnll  nach  der  EIcke  des  Prä- 
toriums  führende  Wall  in  Beziehung  stehen  wird,  den  wir  aber  keines  Falls 
mit  dem  Verf.  für  den  nördlichen  Abschluss  des  Lagers  halten. 

Das  Lager  an  den  Hünenknäppen  bei  Dolberg.  „Betrachtet 
man  das  Werk  als  Ganzes,  so  ist  die  Aehnlichkeit  desselben  mit  Bumanns- 
burg  in  Bezug  auf  die  Lage  und  Construction  unverkennbar."  Diese 
Aehnlichkeit  in  Bezug  auf  die  Construction  scheint  der  Verf.,  aus  der 
Zeichnung  der  muthraasslichen  Hauptumwallung  zu  schliessen,  in  dem  Um- 
stände zu  finden,  dass  das  Prätoriura  nicht  frei  innerhalb  der  Hauptum- 
wallung, sondern  dicht  an  der  südlichen  Seite  gelegen  hat.  Wir  haben 
aber  schon  oben  angeführt,    dass  bei  der  Bumannsbnrg  das  Prätorium  frei 


L.  Hölzcrtnana:  Localforaob.,  die  Krioge  der  Römer  und  FrankeD  betr.     137 


hn  Inaern  lag,  wie  dies  nach  aiulerwürt«  steta  bei  den  rüiuifichen  Lagern 
beobachtet  ist,  und  so  war  e*  auch  boi  dorn  Lager  zu  Dolbcrg:  dJo  Osl- 
aeit«  lief  nämlich  noch  über  die  Steinbruche  hinaus  bis  zum  Fade  des 
Wahles,  bog  hier  uva  und  man  kann  noch  deuth'ch  die  Spuren  des  Haupt- 
walles  am  Siidrande  des  GebüscheB  gegen  den  Bnch  hin  verfolgen,  bo  dass 
alao  das  Prätorium,  wie  auch  anderwärts,  genau  iu  der  Mitte  zwischen  dum 
nördlichen  und  südlichen  Theilo  der  Hauptaniwallang  liegt.  ,,Obgleich 
Hofrath  Ess eilen  die  Burg  bei  Dolberg  schon  seit  viek-n  Jahren  kennt 
und  selbst  angibt,  noch  einen  Rest  des  Uaupiwnlles  gesehen  zu  haben, 
wird  dieselbe  doch  in  keiner  seiner  Schriften  erwähnt.  Der  Gmud  dieses 
auffallenden  Schweigens  kann  nur  in  dem  Umstände  gesucht  worden,  dass 
derselbe  vielleicht  fürchtet,  den  itnhlreichen  Gegnern  seiner  seit  ülier  30 
Jahren  mit  einem  so  grossen  Aufwände  von  Scharfsinn  und  Gelehrstimkeit 
vertbeidigten  Hypothese  (dos  Yarianische  Schlachtfeld  und  das  Gnstell  Aliso 
betreffend)  durch  die  Darstellung  dieses  interessanten  Ijngers  eine  gewichtige 
Waffe  in  die  Iland  zu  geben."  Zu  Gunsten  des  Herrn  Hofrath  Ess eilen 
wollen  wir  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  diese  Bemerkung  nicht  zutreffend 
ist,  indem  Es  seilen  die  Verschanzung  auf  S.  22  und  23  seiner  Schrift: 
„Das  röm.  Castell  Aliso,  der  Teutoburger  Wald  und  die  Pontes  longi" 
deutlich  beschreibt. 

Die  Steeger  Burgwart.  Von  diesem  Lager  haben  wir  bereits 
Jahrb.  LTX,  Taf.  VII  eine  Aufnahme  veröffentlicht  und  unsre  Ansicht  über 
die  ursprüngliche  Anlage,  die  nur  mehr  in  sehr  verstümmeltem  Zustande 
erhalten  ist,  ausgesprochen.  Der  Verf.  adoptirt  die  bisherige  ganz  unhalt- 
bare Meinung,  die  Verschnnzung  sei  der  Brückenkopf  eines  hier  stattgefun- 
denen  Lippeüberganges  gewesen,  und  will  dieselbe  durch  den  Umstand  be- 
gründen, dass  ,,der  gegenüberliegende  Uferrand  gleichfalls  befestigt  ist". 
Von  einer  tolchen  Befestigung  des  gege  nübertiegenden  Ufer- 
randes  ist  aber  durchaus  keine  Spur  vorhanden.  Wir  haben 
hier  offenbar  nichts  anders,  als  eines  der  Marschlager  an  der  von  Castra 
vetera  nach  Aliso  führenden  Militärstrasse,  auf  welcher  es  von  Velera  aus 
die  erste  Etappe  bildete. 

Die  Hänenburg  bei  Boke.  Der  Verf.  hält  die  Verschanzung, 
gleich  der  Hünenburg  an  der  Glenne,  für  ein  ,. germanisch  es  Lager^';  indem 
wir  sogleich  von  den  ,,germanischen  Lagern"  reden,  wollen  wir  hier  nur 
bemerken,  dass  uns  diese  Anlage,  gleich  der  vorgenannten,  ein  römisches 
Etappeuloger  zu  sein  scheint,  welches  hier  einem  von  Süden  nach  Norden 
über  die  Lippe  gen  Delbrück  führenden  Heerweg  angehört  hat. 

Die  Burg  im  Haviibrock.     „Bei  Gelegenheit    der  Aufnahme   der 


188    L.  Ilölzermanii:  Localforscb.,  die  Kriego  der  Ilüuior  und  Franken   betr. 

Burg  war  die  Zeit  za  kurz  und  die  Witterung  zu  ungünstig,  um  weitere 
Untersuchungen  anstellen  zu  können.  .  .  So  weit  ich  das  Werk  jetzt  zu  be- 
urtheilen  vermag,  gehört  dasselbe  der  süclisischeu  Zeit  an  .  .  .  Für  die  An- 
nahme einer  römischen  AnInge  uder  mittulalterlicheu  Burg  ist  nicht  ein 
einziger  sicherer  Anhaltspunkt  aufzufinden/'  Wir  haben  bereits  in  der 
Jenaer  Literaturzeitung  1874,  No.  48  geäussert,  dass  wir  die  Verschanzung 
nicht  für  ein  römisches  Lager,  sondern  iiir  eine  germanische  Burg  halten. 
Später  haben  wir  die  Verschaiizung  in  Gemeinschaft  mit  Urn.  Dr.  Hülsen - 
beck  besichtigt,  wobei  jedoch  auch  die  Witterung  einen  längern  Aufent- 
halt nicht  gestattete.  Vorläufig  stimmen  wir  den  Aufuhrungeu  des  Verf. 
bei,  vorbehaltlich  einer  späteren  ausführlichen  Untersuchung. 

Der  Niemen-Wall  bei  Haltern.  Bei  der  ungenauen  Besohreibung, 
worin  der  „Niemon"  auf  dem  rechten  Steverufer  liegen  soll,  während  er 
auf  dem  linken  liegt,  und  der  Wall  auf  die  Ackerflur  versetzt  wird,  wäh- 
rend er  sich  durch  die  Haido  erstreckt,  beschränken  wir  uns  auf  die  Mit- 
theilung, dass  wir  auf  der  Ilaide  die  Ueberreste  eines  römischeu  Etappen- 
lagers aufgefunden,  wovon  noch  das  Prütorium,  mit  Ausnahme  der  Ostseite, 
und  die  West*  nebst  einem  Theile  der  Südseite  der  Hauptumwalluug  er- 
kennbar sind. 

Die  Hügel  bei  Oartrop  und  Schormbeck  und  die  Hohen- 
burg  bei  Hamm  (sowie  die  Hügel  beim  Günnewigshofe  and 
bei  Hünze).  Es  würde  kaum  verständlich  sein,  wie  ein  militärischer  For- 
scher bei  solchen  Anlagen,  deren  foi-tiücatorischer  Character  durch  die  sie 
umgebenden  Wälle  und  Gräben  so  offen  zu  Tage  liegt,  an  Opferhugel  oder 
gar  Ustrincn  denken  konnte,  wenn  man  sich  nicht  erinnerte,  dass  noch  vor 
nicht  langer  Zeit  die  altdeutschen  Burgen,  bei  denen  die  fortifikatorische 
Bestimmung  eben  so  leicht  zu  erkennen  war,  fast  allgemein  für  germanische 
Hciligthümer  angesehen  worden  sind.  Wir  haben  uns  über  diese  Wart- 
hügcl,  deren  wir  über  hundert  aufgefunden  und  vermessen,  in  den  neuen 
Beiträgen  etc.  ausführlicher  ausgesprochen,  und  wenn  der  Verf.  meint, 
dass  ihre  Lage  dem  Zwecke,  als  Wachtliügel  zu  dienen,  nicht  entspreche, 
so  erklärt  sich  diese  Meinung  daraus,  dass  er  die  Beziehungen  dieser  An- 
lagen zu  den  Grenzwehreu  und  Heerstrassen,  denen  sie  sammt  und 
sonders  anliegen,  unbeachtet  gelassen. 

Die  Burg  im  ßröggel.  „Die  Burg  im  Bröggel  ist  weiter  nichts, 
als  ein  einfacher  von  einem  Walle  umschlossener  Wachthügol"  (8.  116), 
Wir  sind  ganz  damit  einverstanden. 

Der  Verf.  theilt  auch  über  die  Lage  des  Gastells  Aliso  seine  An- 
sichten mit:   er  setzt  es  an  die  Stulle  des  Dorfes  Ringboke,    und  zwar 


L.  Hölzermann:  Looalfonoh.,  die  Kriege  der  Itömer  und  Franken  betr.      189 

aas  dem  Grunde,  weil  die  mittelalterliche  Befestigung  dieses  Dorfes  die  Ge- 
stalt eines  längUohen  Vierecks  hatte,  was  sich  nicht  anders  erklären  lasse, 
als  dass  das  Dorf  auf -den  Trümmern  eines  römischen  Gastclls  entstanden 
sein  müsse,  nnd  wegen  der  in  der  Mähe  vorkommenden  germanischen  Ver- 
schaniongcn  könne  dies  nur  das  Castell  Aliso  gewesen  sein  (3.  77).  Wir 
müssen  es  Andern  üherlassen,  das  Gewicht  dieser  Gründe  zu  heurtheilen, 
da  wir  bereits  die  Thatsachen  erörtert  (,,1)ie  röm.  Militärstrasten  a.  d. 
Lippe  nnd  das  Castell  Aliso*'),  welche  auf  eine  andere  Position  Aliso's  hin- 
weisen, nnd  beschränken  uns  auf  die  Bemerkung,  dass  die  Römerstrasse 
des  rechten  Lippenfers  nicht,  wie  es  8.  19  heisst,  „in  dem  alten  sandigen 
Glennebette  entlang"  führte,  welches  bei  Seh.  Nomke  „die  Strote"  (die 
Strasse)  heisst,  sondern  dass  diese  Vertiefung  nichts  anders  als  der  die 
dortige  Befestigung  umschliessende  Grahen  ist,  und  ihren  Namen  daher  hat, 
dass  man  eine  längliche  schmale  Vertiefung  bekanntlich  „Strasse"  oder 
„Gasse"  zu  nennen  pflegt. 

Unter  der  wenig  passenden  Ueberschrift  „Mittelalterliche  Dynasten- 
sitsse"  erhalten  wir  ferner  die  Beschreibung  von  22  Befestigungen,  be- 
gleitet von  27  Tafeln  Zeichnungen,  die  gleich  den  übrigen  alles  Lob 
▼erdienen. 

Es  ist  erstaunlich,  wie  gross  die  Zahl  der  noch  in  Deutschland  vor- 
handenen Reste  alter  Erdbauten  ist,  und  noch  erstaunlicher  die  Gleich- 
gültigkeit, mit  welcher  die  Geschichts-  nnd  Alterthumsforschung  über  diese 
so  wichtigen  nnd  grossartigen  Denkmäler  bis  jetzt  hinweggegangen  ist. 
Es  konnte  daher  nicht  ausbleiben^  dass  nnsre  Eenntniss  über  den  Ursprung 
und  die  Bestimmung  derselben  noch  immer  in  ihren  Anfängen  begriffen  ist. 
Wir  haben  damit  begonnen,  zunächst  ans  der  grossen  Zahl  die  römischen 
Lager,  die  sich  durdi  ihre  gleichförmige  regelmässige  Construction  er- 
kennen lassen,  auszusondern,  wie  auch  der  Verf.  mehre  derselben  richtig 
erkannt  hat.  Ebenso  stimmen  wir  mit  ihm  in  der  Unterscheidung  denjeni- 
gen Umwallnngen  überein,  „deren  Lage  und  Bauart  darauf  hinweist,  dass 
sie  lediglich  Znfluchtstätten.  einer  zerstreut  wohnenden  fast  wehrlosen 
Berdlkemng  waren".  Dagegen  müssen  wir  uns  gegen  die  vorgeblichen 
,,germamschen  Lager"  durchaus  ablehnend  verhalten,  schon  darum,  weil 
rieh  ans  den  alten  Schriftstellern  kein  einziger  Beleg  dafür  beibringen  lässt, 
dass  die  alten  Germanen,  gleich  den  Römern,  ihre  Lager  durch  Wall  und 
Chrmben  versohanzt,  wir  vielmehr  stets  und  bis  in's  vierte  Jahrhundert  die 
übfiche  Wagenburg  erwähnt  finden.  Ob  ein  Theil  der  alten  Umwallungen 
la  einer  Landesvertheidigang  bestimmt  und  hergerichtet  war,  bleibt 
•■De  oftne  Fngtf  za  welcher  wir  nur  bemerken,  dass  ein  bestimmter  Mach- 


140 


A).    Eokor:  üuber  ptähinlorisube  Kunst. 


weis  dafür  aus  dvn  alten  Sclirifisf  ellern  ader  den  noch  erhaltenen  Depkmälera 
bis  jetzl  nicht  geführt  worden  ist.  Gan?.  anders  verhalt  ca  sich  mit  den 
fränkiachen  und  sächsiBchen  Befestigangen  des  fröheeten  Mittelalters, 
bei  denen  wir  sowohl  die  Lagerhefestiiufungon  als  ancli  piTinanentc  Lande 
bargen  finden,  und  es  handelt  uicli  iu  dieser  noch  so  wenig  behandelten^ 
Frage  hauptsücblich  uro  die  Kennzeichen,  durch  welche  sich  die  liefcsti- 
gungaanlagen  des  frühesten  Mittelalters  von  denen  des  Alterthums  unter- 
scheiden lassen.  Hierzu  liefern  die  Holz  er  mann 'sehen  Zeichnungen  ein  vor- 
treffliches Hülfsniittel,  und  indem  wir  den  bedeutenden  Fortschritt  in  der 
Alterthumskunde  durch  Veröfifontliclmng  dieser  Zeichnungen  nochmals  her- 
vorheben, wünschen  wir  nicht  minder,  dass  der  Westphälische  Geschichts- 
und  AHerthumsvcrein  es  sich  angelegen  sein  lasse,  auch  die  übrigen  in 
seinem  Forschungsgebiete  noch  vorhandenen  Reste  alter  Verschanzongen, 
bevor  sie  der  gänzlichen  Zerstörung  anheimfallen,  durch  correcte  Auf- 
nahmen und  Beschreibung  für  die  Alterthumskunde  zu  sichern. 

J.  Schneider. 


7.    AI.  Ecker,    Ueber    prähistorische  Kunst,   in    der   Beilage    der   All- 
gemeinen Zeitung  vom  30.  und  31.  October  1877. 

Die  Verhandlungen  der  Anthropologen-Versammlung  au  Constanz  im 
September  1877,  wo  die  in  der  Thayiuger  Höhle  gefundenen  Ilennthicrgc- 
weihstUcke  mit  eingeritzten  Thierbildem  ein  Gegenstand  lebhaller  Erörte- 
rung waren,  gaben  dem  auf  dem  Felde  der  prähistorischen  Forschung  hoch- 
verdienten Verfasser  Veranlassung,  seine  Ansichten  über  die  Kunstleistungen , 
des  vorgeschichtlichen  Menschen  im  Allgemeinen  auseinander  zu  setzen  und' 
er  war  um  so  mehr  dazu  aufgefordert,  als  er  jener  Versammlung  bia  8um 
Schlosse  beizuwohnen  verhindert  war.  Die  Thierbiider  auf  Reunthier- 
knochen,  welche  die  Iluhlen  der  Dordogno  in  so  grosser  Zahl  geliefert 
haben,  wurdeu  zwar  Anfangs  mit  einigem  Misstrauen  aufgenommen,  aber 
das  Ansehen  berühmter  Forscher,  zumal  das  von  L artet,  sowie  die  Un- 
mög1ichkL<it,  einen  Betrug  im  einzelnen  Falle  sicher  nachzuweisen^  führten 
schliesslich  dazu,  an  der  Aechtheit  dieser  Fuudo  nicht  fcruer  zu  zweifeln  und 
mit  einem  gewissen  Selbstgefalleu  wie»  man  auf  die  so  früh  schon  ent- 
wickelte künstlerische  Begabung  der  Rennthier-Franzosen  hin.  Nur  wenige 
Forscher,  sagt  Ecker,  widerstanden  dieser  Bekehrung  und  blieben  hart- 
nackige Ketzer,  ao  vor  Allen  Lindensclimit,  dem  es  auch  gelaug,  zwei  der 
"   Uöblenseichnungen    als  Copien    aus   einem   bei  Spumer   erschie- 


AI.  Ecker:  üeher  prnhistoriacbe  Kunst. 


Ul 


Denen  illaetrirten  Bilderbache  nachzuweisen,  Archiv  für  Anthrop.  IX,  S.  173. 
Dieselben  waren  trotz  eines  Anfangs  gehegten  Zweifels  von  der  Züricher 
Antiquarischen  Gesellschaft  für  acht  erklärt  nnd  von  E.  Merk  in  seine 
Schrift:  Der  Höhlenfand  im  Kesalcrioch  bei  Thnyingen,  Zürich  1875,  anf- 
gtnomioen  worden.  L  indenschm  it  hatte  den  ßetrug  echonmigBloB  auf- 
gedeckt und  verhehlte  ancb  seinen  Zweifel  an  der  Aechtheit  aller  übrigen 
Hdhlenzeichnungen  nicht,  Bofern  diese  einen  vorgeschrittenen  Kunsteti! 
tcigen.  Merk,  der  Entdecker  und  Beschreiber  des  Thajinger  Höhlienfnndes 
bereute  es  nun,  seine  Bedenken,  in  Betreff  der  beiden  gefälschten  Zeich' 
nangen  nicht  sofort  selbst  ausgesprochen  zu  haben;  er  bestätigte  in  einem 
offenen  Briefe  an  Lindenschniit  die  Fälschung  der  Bilder  des  Büren  und 
des  Fuchses  und  gab  den  Namen  des  inzwischen  vor  Gericht  gestellten 
FBlschers  an,  Archiv  f.  Anthrop.  IX,  3.  269.  Die  Züricher  Antiquarische 
Gesellschaft  glaubte  aber  in  einer  im  Mai  1877  veröffentlichten  amtlichen 
Erklärung,  die  in  den  stärksten  Aasdrücken  abgefasst  war,  Lindenschmit's 
Zweifel  an  der  Aechtheit:  der  Rennthierzeichnniigen  überhaupt  abweisen  zu 
müssen,  sie  bestritt  ihm  das  Oberrichteramt  über  die  gesammte  antiquarische 
Forschung  und  hob  hervor,  dass  die  Aussprüche  der  französischen,  englischeu 
und  nordischen  Gelehrten  ihm  entgegen  ständen.  In  einer  rein  sachlichen 
„Entgegnung"  hat  darauf  Lindeuschmit  geantwortet  und  seine  Stellung 
gewahrt,  Archiv  f.  Anthropol.  X^  S.  323.  In  Folge  dieser  Geschichte  des 
Tbayinger  Fundes  stehen  sich  nnn  zwei  Ansichtefl  entschiedener  gegenüber 
gjs  es  früher  der  Fall  war.  Die  Anbänger  der  einen  halten  es  aus  Gründen, 
die  dem  Kunstwerk  selbst  entnommen  sind,  für  unwahrscheinlich,  selbst  für 
anroöglicb,  dass  die  vollendeten  unter  den  Thierzeichnungen  ans  den 
französischen  wie  aus  den  deutschen  Höhlen  von  denselben  Menschen  ver- 
fertigt seien,  wie  die  dort  gefundeneu  rohen  Stein-  nnd  Knochen- Werkzeuge, 
mifl  halten  jene  also  für  gefälscht.  Die'  Andern  stützen  ihre  Meinung  auf 
die  Umstände  der  Auffindung  und  sagen,  weil  diese  Sachen  in  denselben 
Schichten  gefunden  werden,  wie  die  Steingeräthe,  so  müssen  sie  mit  diesen 
gleichzeitig  sein,  sie  sind  also  acht.  Letztere  geben  freilich  die  Möglichkeit 
sr  F&lschung  zu,  berufen  sich  aber  auf  den  Grundsatz:  „quisque  prae- 
STunitur  bonns,  nisi  cüntrarinm  probetur^'.  Ecker  selbst  bekennt,  früher 
an  die  Aechtheit  dieser  Arbeiten  geglaubt  zu  haben.  Er  bemerkte  über  eine 
der  Zeichnungen :  ,iDas  grasende  Thier  ist  mit  einer  Überraschen  den  Natur- 
treue  dargestellt,  wie  sie  die  noch  nlJea  Idealismus  baaro  primitive  Kunst 
allerorta  zeigt  and  wie  wir  sie  z.  B.  auch  an  den  altägyptisclieu  Thier- 
zdchnangen  bewundern.  Das  Ge\Veih  mit  der  breiten  Augensprosse,  die 
Beluiamng,  die  Stellung  der  Beine,  alles  ist  vortrefflich  wiedergegeben  und 


143 


AI.  Ecker:  lieber  priluBtoriscbe  Kunst. 


an  dem  Original  flberrascht  natnentlich  auch  dns  Nasenloch,  das,  wie  man 
es  bei  einer  weidenden  Kuh  beobachten  kann,  weit  f^eöiTnet  ist*^*.  Vergl. 
Archiv  f.  Anthropol.  VII,,  S.  136.  Dagegen  erwiederte  die  Viorteljahrsrevne 
der  Nttturwiasenscbaften,  UrgeHchichte  II,  1874,  S,  6:  „Dieser  ßeschrei- 
bnng  entspricht  aber  die  Zeichnung,  wie  sie  nach  Kcller's  Lithographie 
gestochen  ist,  gar  nicht.  Jeder,  der  altägyptiache  Thiei7.eichnungen 
gesehen  hat,  erkennt  dort  allerding.?  eine  alles  Idealismus  haare,  primitive | 
Kanst  oder  auch,  wenn  man  will,  keine  Kunst  ira  eigentlichen  Sinne  des 
Wortes  sondern  Naturversnche,  wie  sie  ein  Kind  macht.  Kann  man  dasselbe 
aber  auch  von  der  Zeichnung  aus  der  Höhle  bei  Thnyingen  sagen?  Ich 
glaube  schwerlich,  dase  ein  Maler  dazii  Ja  sagen  wird.  Im  Oegentheil 
zeigt  die  ganze  Darstellung,  dnss  sie  von  Jemanden  herrührt,  der  die  Ge- 
setze der  Perspective  ganz  genau  kennt  und  Unteiricht  ira  Zeichneu  ge- 
nosscn  hat.''  Auch  Rütinicyer  schreibt:  ,,Eine  Zeichnung  eines  Zebra 
ähnlichen  Tliieres  auf  Renntluerhorn  ist  sogar  so  vortrefiiich  erhalten  und 
BO  überaus  zierlich  ausgeführt.,  dnss  ich  zweifeln  möchte,  ob  ein  Schaitzler  im 
Berner  Oberlande  im  Stande  sein  würde,  mit  den  Meissein  jener  alten  Künstler 
solche  Darstellungen  zu  Hefern.'*  In  sehr  bestimmter  Weise  schlicsst  sich 
der  erfahrene  von  Bonstetten  dem  Urtheile  Lindonschmits  an.  Er  sagt 
in  einer  Zuschrift  an  denselben :  „Die  Zeichnung  des  weidenden  Renn* 
thiers  ist  von  einer  so  vollendeten  Ausführung,  dass  sio  einen  mit  guten 
stählernen  Werkzeugen  versehenen  Künstler  varräth.  Der  durch  eine  erste 
Fälschung  erreichte  Erfolg  rausste  den  Gedanken  eingeben,  den  Versuch  zu 
wiederholen,  sei  es  aus  Gewinnsucht  oder  aus  Eigenliebe.  Bekannt  eind 
die  iu  Poitiera  von  Herrn  M.  gemachten  Stücke,  Schlangen,  Drachen  n.  dgl., 
über  welche  derselbe  gelehrte  Abhandlungen  schrieb.  Der  zu  Sal^ve  hei 
Genf  gefundene  Commandostab  ist  von  einer  Person  gefunden,  die  mir 
wenig  Vertrauen  einÜösst.  Früher  fälschte  man  römische  InKchriften,  heute 
kommen  die  geritzten  oder  geschnitzten  Knochen  andie  Reihe.  Dies  alles  scheint 
mir  ein  schimpflicher  Humbug."  Des  oben  als  Commandostab  bezeichneten 
Rennthiergeweihstückea  gedachte  Prof.  Forel  in  der  Constanzer  Versammlung 
nnd  erzählte,  dass  er  selbst  die  Zeichnung  eines  gehörnten  Thieres  auf* 
demselben  nach  Entfernung  eines  Kalksinterüberzuges  entdeckt  habe;  au/ 
der  andern  Seite  ist  die  Zeichnung  eines  Pflanzenzweiges  mit  Blättern,  eine 
auf  Knochen  ganz  ongewöhnlicho  Darstellung.  Der  Knochen  gehört  der 
Sammlung  des  U.  Thioly  an  und  ist  abgebildet  im  Bullet,  de  Tlnstitut 
nation.  Genevois  T.  XV.  F'orel  thoilte  mir  noch  brieflich  mit,  dass  Thioly, 
der  vom  Gericht  in  Genf  wegen  Vertrauensbruch  verurtheilt  worden  ist, 
nJB  erwftbnt  bahn,  dnea  er,  Forel  di«  Zeichnong  entdeckt  and  docli  sei  es, 


AI.  Ecker:  Ueber  präbistorischo  Kunst. 


143 


im  Falle  hier  eine  TäuBohang  vorliege,  sein  Vortheil  gewesen,  fiir  die  Aecht- 
heit  der  Zeichnnng  einen  Zeugen  anführen  zu  können.  Wie  dem  auch  sei, 
die  Aeohthcit  dieses  geschnitzten  Knochens  ist  zweifelhaft,  denn  mich  eine 
Kalksinterdecke  lässt  sich  künstlich  darstellen,  Auf  der  Versonimliing  der 
0«8chiehtS'  xmd  Alterthnrnsvercine  in  Wiesbaden  am  26.  September  1876 
gedacht«  von  Cohausen  mit  grösstem  Misstrauen  der  im  J»  1867  voui 
AbM  Londesqae  in  der  Laiigerie  hasse  gemncbtcn  und  dem  Arcbneologischcn 
Coagresse  Frankreichs  im  J.  1874  mitgetheilten  Funde.  Da  zeigt  eich,  vgl. 
Gompte  rendn  du  Gongri^s,  Paris  1875,  p.  17,  auf  dem  Schulterblatt  eines 
PHanzenfressers  ein  Pferdekopf,  ferner  ein  von  einer  Frau  geführtes  Reuntbier, 
von  diesem  ist  nur  das  llinfertbeil'  vorhanden,  von  der  Frau  fehlt  der 
Kopf.  Da  der  ITmriss  der  weiblichen  Gestalt  unbestimmt  ist,  kam  Qiaii 
sogar  auf  die  Vermuthung,  dass  dieselbe  vielleicht  behaart  gewesen  sei. 
Eäne  kleine  Figur  ans  Rennthierhom  stellte  ein  Kind  oder  einen  Affen  dar! 
Kehren  wir  zu  dem  Aufsätze  Ecker 's  zurück.  Nachdem  er  die 
beiden  Meinungen,  jene  Arbeiten  seien  gefälsobt  oder  sie  seien  acht, 
gegeneinandergestellt,  sagt  er,  eine  dritte  Möglichkeit  sei  bis  jetzt  knuiu 
besprochen  worden;  er  finde  dieselbe  zuerst  vertheidigt  in  einem  Berichte 
ober  Urgeschichte  in  der  Virteljahrsrevno  der  Forschritte  der  Naturwissen- 
schaften III  1875,  S.  7,  woselbst  der  ungenannte  Verfasser  schreibe:  „Wer 
nicht  mit  einer  gewissen  Voreingenummenheit  an  diese  Suchen  herantritt, 
kann  nach  meiner  Meiimng  nicht  darüber  im  Zweifel  sein,  dass  alle  diese 
Knnstwerko,  weit  entfernt  in  eine  nebelhAfto  Vorzeit  hinaufzuragen,  a\if 
den  Einüaes  griechischer  Cultur  hindeuten.  Prophezeien  ist  immer  eine 
missliche  Sache;  ich  möchte  aber  trotzdem  die  Voraussagnng  wagen:  dase 
in  nicht  zu  ferner  Zeit  der  Tag  kommen  wird,  an  welchem  man  ane  einer 
mit  Rennthier-  und  Bürenknochon  gefüllten  Höhle  Bein-  und  Knochenstücke 
hervorziehen  wird,  auf  welchen  sich  Zeichnungen  mit  griechischen  Itucbstabcn 
fioden.'^^  Es  ist  dem  Schreiber  dieser  Zeilen  nicht  schwer,  auf  den  Ursprung 
dieser  Ansicht  hinzuweisen.  Derselbe  Berichterstatter  über  die  Fortschritte 
auf  dem  Gebiete  der  Urgeschichte,  Herr  Th.,  sagt  in  der  Vierteljahrsrevue 
der  Forschritte  der  Naturwissenschaften  I  1873,  S.  128:  ,,Die  Franzosen 
können  sich  noch  nicht  von  der  Ansicht  eines  unermesslich  hohen  Alters 
der  Ueberreste  aus  der  sogenannten  liennthierzeit  losmachen,  obgleich 
gerade  die  Tbatsache  bedeutsam  ist,  dass  besonders  im  südwestlichen  Frank- 
reich Thierknocben  mit  Zeichnungen  entdeckt  worden  sind,  die,  wenn  man 
ihre  Naturtreue  und  den  sich  darin  aussprocheuden  Kunst^eschmack  bedenkt, 
entehiedon,  wie  Prof.  Schaaffha  uacn  vor  Jahren  hervorhob,  anf  den  Kiofluss 
phdnicischer  oder  griechischer  Kolonieen  an  der  Mittehnoorküsto  hinweisen.** 


144 


AI.  Ecker:    über  prähiatorificbe  Kunst. 


Bei  den  Conatanzer  Verhandlungen  über  die  Äechtbeit  der  Thayinger 
Fände  fand  ich  mich  veranlasst,  daran  zu  erinnern,  dass  ich  bereits  1667 
und  Bpiiter  mehrmals  mich  gegen  die  allgemein  herrachende  Meinung  von 
dem  hohen  Alter  der  in  der  Dordogno  gefundenen  geschnitzten  Rennthier- 
knochen  ausgeaprochen  hätte,  indem  die  Ausführung  vieler  dieser  Arbeiten 
einen  so  ausgebildeten  Kunstsinn  verrathc ,  dass  man  dieselben  einem 
wilden  Volke  nicht  zuschreiben  könne,  sondern  den  Ursprung  derselben 
bei  einem  Culturvotke  suchen  müsse.  Auch  wies  ich  auf  wirklich  vorge- 
kommene Fälschungen  dieser  Art  hin  und  begründete  meinen  Verdacht 
Belbet  in  Bezug  nnf  die  Aochthcit  des  Lartet'schen  Mamumthbildes. 

Ecker  versucht  nun  eine  möglichst  objective  Darstellung  der  Streit- 
frage, indem  er  der  Reihe  nnch  die  artistische,  die  geologische,  die 
technische  und  die  zoologische  Seite  derselben  in  Erwägung  zieht.  Es  ist 
ein  bekanntes  Verfahren  der  Archaeologie,  aus  dem  Stil  der  Kunstwerke, 
aas  der  Form  der  Geräthe  imd  Wnffeu  auf  die  Zeit  zu  schliessen,  aus  der  sie 
Blammen,  auch  die  urgeschichtlicho  Forschung  darf  dasselbe  in  Anwendung 
bringen.  Diese  Methode  wird  von  der  letztern  desshnlb  aber  wohl  nur  in 
beschränkterer  Weise  angewendet  werden  können,  weil  hier  keineswegs  noch 
so  mustergültige  Erfahrungen  und  Beweisstücke  vorliegen,  wie  das  für  die 
späteren  Perioden  der  Kunstgeschichte  der  Fall  ist,  wir  vielmehr  noch  in 
der  Zeit  der  Entdeckungen  leben.  In  Bezug  auf  die  bekannten  ältesten 
Versuche  der  Darstellung  von  Thiergestalten  sagt  aber  Lindenschmit^  du8 
sie  den  Charakter  der  unbeholfensten  Barbarei  zeigen,  die  Pferde  der  alt- 
itaHachen  Erzarheit  gleichen  unsern  Ilonigkuchenfiguren,  nicht  besser  sind 
die  räthselhaften  Fabelthiere  gallischer  Münzen,  die  nur  aus  Kopf  und  Hand 
bestehenden  Reiterfiguren  der  germanischen  Goldhracteaten,  die  scheusalioh 
verzerrten  schnörkelhaften  2^icbnungen  der  irischen  Manuskripte  und  die 
meisten  Darstellungen  aus  weit  späterer  Zeit  noch,  sie  geben  eine  wild- 
phantastische,  völlig  willkürliche  Auifassung  der  Tbierwelt  kund.  Da  die 
übrigen  Bildungszustände  aolcber  Zeiten  eine  unermeasliche  Ueberlegenheit 
fiber  die  der  Höhlenbewohner  der  Rennthierzeit  zeigen,  so  raüsste  men 
einen  Rückschritt  nur  in  dieser  Art  von  Kunstthätigkeit  annehmen,  was  doob 
nnstatthaft  ist.  Archiv  f.  Atithrop,  ÜI,  S.  109.  Wenn  man  dagegen  be- 
haaptei,  dass  auf  einer  tiefen  Cultnrstufe  dennoch  eine  im  Vergleich  be- 
deutende Entwicklung  der  Kunst  bei  irgend  einem  Volke  stattfinden  köone» 
so  müssten  für  eine  so  auOTallendo  Annahme  doch  sichere  Thutaacben  bei- 
gebracht werden.  Wie  roh  sind  noch  die  von  Schliemann  in  Myconao 
gefiindenen  Thierbilder! 

Noch    nuffallcnder   als    das  frOhe  und   unvermittelte  Auftreten    einer 


AI.  Eoker:   lieber  prähistoriflche  Kunst. 


145 


Knnstperiode  iet  das  plötzliche  Wiederverschwinden  derselbGU.  Während 
von  der  Höhlenzeit  zar  Pfablbautcnzeit  in  jeder  andeni  Beziehung  ein 
eotschietlener  Fortschritt  stattfindet,  boII  der  Mensch  das  Zeichnen  und 
Bildscbnitzen  wieder  vollständig  vergessen  haben,  bis  viel  später  eine  auf 
aeiatischem  oder  ägyptischem  Boden  entsprossene  Kunst  wieder  neu  erstand. 
Mortillet  nimmt  dies  als  Th&tsacbe  ruhig  hin  und  spricht  nur  seine  Yer- 
Wanderung  darüber  aus,  Revue  scientif.  1877,  No.  38,  p.  892.  Bertrand, 
den  Ecker  nicht  anfährt,  sagt  in  seiner  Abhandlung:  Le  renne  de  Thay- 
ingen,  Extr.  de  la  Revue  arch^olog.  1874,  p.  19;  Die  Kunst  zu  zeichnen 
verschwindet  mit  dem  Zeitalter  der  geschnittenen  Steine,  um  erst  mit  der 
Einführung  des  Eisens  in  C^Uien  wieder  zu  erecheinon.  ][^ieBe  Thatsache 
erinnert  fast  an  religiöse  Glaubenssätze,  denn  noch  heute  giebt  ea  Völker, 
welche  die  Darstellung  lebender  Wesen  als  eine  Profanation  erachten. 
Es  scheint,  dass  die  Vorsehung  jedem  Menschenstamme  eine  Rolle  zuertheilt 
hat,  Qod  vielleicht  sind  wir  einmal  genöthigt,  anzuerkennen,  dass  bemi  Auf* 
baa  der  enropäischen  Civilisation  die  Höhlenbewohner  die  Lehrer  der  Zeichen- 
konst  gewesen  sind.  Wie  kann  aber  B  er  trän  d  im  Ernste  nur  behaupten, 
dass  die  Kunst  zu  zeichnea,  die  sich  ja  nur  in  Verbindung  mit  der  bildenden 
Kunst  überhaupt  später  in  Europa  entwickelt  hat,  ihr  Vorbild  oder  Musler 
in  jenen  Höhleubildern  gehabt  hat?  Wenn  Ecker  die  Ansicht  Kott* 
0 1  i  d  d  o  n  's  anführt,  dass,  wie  die  Begabung  für  die  bildende  Kunst  bei  ver- 
schiedenen Individuen  nicht  die  gleiche  sei,  sie  auch  bei  verschiedenen 
Völkern  verschieden  sein  küune,  so  ist  dies  seibat  in  Bezug  auf  civilisirte 
Völker  in  gewissem  Sinne  wahr,  passt  aber  auf  den  vorliegenden  Fall  nicht. 
Man  kaim  die  Engländer  anführen,  deren  Leiutungen  in  der  bildenden  Kunst, 
einzelne  Ausnahmen  abgerechnet,  unzweifelhaft  gegen  die  der  Italiener, 
Franzosen  und  Deutschen  zurückstehen,  wiewohl  dies  in  andern  geistigen 
Schöpfungen,  der  Dichtkunst  nnd  Wissenschaft  nicht  der  Fall  ist;  die  Ur- 
Mchen  dieses  Mangels  liegen  in  der  geschichtlichen  Entwicklung  des  eng* 
lischen  Volkes.  Wenn  wir  aber  jetzt  unter  ans  bei  einem  Individuum  ein 
•osgesprochenes  Talent  zum  Zeichnen  finden,  welches  bei  vielen  andern 
fSshlt,  so  ist  dasselbe  entweder  eine  ererbte  Anlage  von  den  Eltern  oder 
ea  ist  durch  eine  besondere  Anregung  und  früh  geweckte  Neigung  und 
Uebung  entstanden.  Beide  Ursachen  setzen  eine  im  Volke  schon  vorhandene 
Knnst  voraus,  können  also  bei  wilden  Völkern  gar  nicht  oder  nur  in  beschränk« 
tem  Sinne  wirksam  sein.  Wenn  P  ulsky  geradezu  artistische  und  unartistiscbe 
Rusen  unterscheidet,  so  sind  eben  jene  in  küustieriacher  Hinsicht  entwickelt, 
diese  zurückgeblieben.  Malerei  und  Skulptur  der  Aegypter  nnd  Griechen, 
der  Italiener  und  Deutschen    sind  aber    nicht    sowohl  das  Ergebuiss    einer 

10 


146  AI.  Eoker:  üeber  prähistorische  Kunst. 

besocdem  künstlerischen  Anlage  als  vielmehr  das  Maass  einer  gewissen 
Qeistesknltar,  welche  diese  Leistangen  mit  Notbwendigkeit  zur  Folge  hat. 
Diese  Fähigkeit  ist  deshalb  keineswegs  unabhängig  von  geistiger  Cultur 
und  Civilisation,  wie  Pulsky  will,  sondern  auf  das  innigste  damit  verbunden, 
wenn  auch  das  Geistesleben  eines  jeden  Volkes  sein  eigenthfimliches  Ge^ 
präge  hat.  Die  Anlage  zur  bildenden  Kunst,  wie  zur  Musik  und  Dicht- 
kunst ist  eine  allgemein  menschliche,  ob  sie  mehr  oder  weniger  sich  ent- 
wickelt, hängt  von  Naturverhältnissen  oder  geschichtlichen  Ereignissen  ab. 
Man  wird  nicht  fehl  gehen,  wenn  man  einem  rohen  Volke  auch  nur  eine 
rohe  Knnstleistnng  zuschreibt.  Man  pflegt  wohl  als  auf  ein  Beispiel  jener 
launenhaften  Naturbegabuug  auf  die  Zigeuner  hinzuweisen,  die,  wie  man 
sagt,  geborene  Musiker  sind  und  ihren  Geigen  den  wunderbaren  Schmelz 
des  Tones  entlocken.  Aber  ist  es  so  auffallend,  dass  ein  zersprengtes  Volk 
von  anbekannter  Herkunft  und,  wie  seine  Schönheit  zeigt,  gewiss  einst 
von  einer  höheren  Cultur  berührt  sein  Schicksal  in  Klagetönen  besingt  mit 
jenem  Aufschrei  sinnlicher  Leidenschaft,  wie  sie  nur  der  Süden  entzündet? 
Und  doch  ist  es  nur  die  Melodie  des  Volksliedes  und  die  vollendete  Technik, 
weldie  wir  an  dieser  Musik  bewundem,  die  der  Cultur  des  Volksstammes 
ganz  entsprechend  ist.  Der  Zigeuner  wird  zu  einer  höhern  Leistung  in 
der  Tonkunst  erst  befähigt  sein,  wenn  er  sich  die  Gedanken  und  Empfin- 
dungen der  verfeinerten  europäischen  Bildung  angeeignet  hat.  Ecker  weist 
auf  eine  Schilderung  von  Wallace  bin,  nach  der  sich  eine  merkwürdige 
Verschiedenheit  der  künstlerischen  Anlage  bei  zwei  rohen  Naturvölkern 
finden  soll,  die  nngeblich  auf  ziemlich  gleicher  Culturstufe  stehen.  Der  ge- 
nannte Reisende  schildert  die  Australier  von  Dorey  an  der .  Nordküste  von 
Neu  Guinea  als  grosse  Holzschnitzer  und  Maler,  die  zumal  ihre  Kunst  an 
ihren  Schiffsschnäbeln  üben,  sie  sollen  eine  ausgesprochene  Liebe  zu  den 
schönen  Künsten  besitzen  und  in  ihren  Musestunden  die  zierlichsten  Arbeiten 
verrichten,  während  sie  in  Bezug  auf  ihre  elenden  NYohnungen  und  ihre 
übrige  Lebensweise  auf  derselben  tiefen  Stufe  ständen  wie  andere  Anstra- 
lierstämme.  Ecker  nimmt  diese  Darstellung  doch  nur  mit  einem  gewissen 
Vorbehalte  an  und  hebt  mit  Recht  hervor,  dass  die  blose  Ornamentik 
doch  nur  eine  niedere  Stufe  der  bildenden  Kunst  sei.  Dass  aber  die 
Papua's,  welche  die  Küste  bewohnen,  solche  Arbeiten  verrichten,  die  den 
im  Binnenlande  streifenden  Stämmen  unbekannt  sind,  erklärt  ^ich  vielleicht 
aTis  dem  Umstände,  dass,  wenn  das  Meer  die  Trümmer  eines  geschei- 
terten fremden  Schiffes  an  ihre  Küste  warf,  geschnitzte  und  gemalte  Holz- 
theile  ihre  Nachahmung  reizten  und  sie  dann  Aehnliches  zu  fertigen  ver- 
rachten.     Mit    einem  Hinweis    auf   die    rohen  Malereien   der  Buschmänner 


AI.  Ecker:  üeber  priih^^toriscbe  Kunst, 


147 


nach  Fritach,  die  Eingeborenen  Südafrikn'a,  Brealau  1872,  8.  126,  u.  Taf.  fiO 
and  die  Schnitzereien  der  Neger,  d)9  Seh  weinfurth,  Artes  africanae, 
LeiiOTg  1875,  Taf.  VIIl  a.  XIV  abbildet,  sclilieflst  sich  Ecker  der  An- 
sicht Lin  densch  m  it's  an,  der  in  ßezug  auf  die  Thicrzeicbnangen  der 
heutigen  Wilden  aagt:  alle  diese  Stämme,  insofern  sie  in  der  That  von  jeder  Be- 
rührung mit  den  alten  Culturvölkern  ansgeschloasen  waren,  erholten  sich  in 
ihren  Darstellungen  nicht  über  die  ersten  Versuche  unserer  Kinder  und 
den  Stil  des  bekannten  „Baches  der  Wilden"  des  11.  Abb6  Domenech. 
Diesen  Charakter  haben  in  der  That  sowohl  die  Malereien  der  Indianer, 
welche  Sohoolkraft  mittheilt,  als  auch  die  Menschen  und  Thiere  auf  den 
Bchwedischcn  Felsenbildem,  und  wiederum  finden  wir  ihn  in  der  Zeichnung, 
dieRugendas,  Malerische  Reise  iu  Brasilien,  Paris  1835,  PI.  IV  Figur  3, 
•Ja  ein  Muster  der  Kritzeleien  mittheilt,  die  Neger  auf  dem  Sklavenmarkt 
in  Rio  de  Janeiro  auf  die  Wunde  schreiben.  Dies  Bild  ist  vielleicht  um 
BO  smvcrläasiger,  da  Rugendae  selbst  Maler  war.  Vou  den  Zeichnungen, 
die  A.  Häbner  in  Transvaal  auf  einer  Felswand  eingegraben  fand,  ist 
das  von  W.  IJaer,  der  vorge»cbichtliche  Mensch,  Leipzig  1874,  S.  147 
wiedergegebene  Bild  einer  Hyäne  von  so  grosser  Naturwahrheit,  dass  man 
fragen  muss,  ob  nicht  holländische  CMonisten  die  Lehrmeister  der  Einge- 
borenen gewesen  sein  können.  Ich  habe  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
noch  mehr  wie  die  bloee  Naturwahrheit,  die  Anrauth  der  Daratellungoo  auf 
einen  höhern  Kunstsinn  hinweise  und  bezeichnete  als  ein  solches  Beispiel  den 
bekannten  von  L  a  rt  e  t  beschriebenen  Dolchgriff  aus  Laugerie  basso.  Dass 
selbst  die  Römer  Knochen  zu  Skulpturen  benutzten,  ist  bekannt.  Die 
ethnologische  Sammlung  in  Freiburg  im  Breisgau  besitzt  eine  auf  Knochen 
geschnitzte  weibliche  Figur  aus  Aegypten,  die  in  graziöser  Bewegung  eine 
Hand  an  das  Gesicht  lehnt.  Man  erkennt  an  der  nur  roh  angelegten 
Arbeit  sofort  die  klassische  Kunst.  In  vielen  Sammlungen  sieht  man  alte 
Skulpturen  angeblich  aus  Elfenbein,  die,  wie  die  Gefässlöcher  beweisen,  aus 
Knochen  geschnitzt  sind.  Wenn  man  noch  behauptet  hat,  dass  die  Zeichnung 
flberhaupt  nur  eine  spätere  Knnstübung  sein  könne,  der  die  Kunst  des 
Bildhauers,  also  die  Nochahraang  der  körperlichen  Formen  seihst  voraus- 
gegangen sein  müsse,  und  rohe  Versuche  dieser  Art  kommen  auch  in  Höhlen* 
fnnden  vor,  so  ist  diese  Behauptung  doch  sehr  zweifelhaft.  Auch  für  die 
Zeichnung  h%i  der  Mensch  ein  Vorbild  in  der  Natur,  es  ist  der  Schatten- 
risa  der  von  der  Sonne  beleuchteten  Gegenstände,  der  zur  Nachnhmnng 
auffordern  konnte.  Ecker  fügt  seinen  Bemerkungen  über  die  Schnitisereien 
der  Papaas  die  Bemerkong  hinzu,  dass,  während  die  Zeichnungen  der  wilden 
Völker  mehr   dem  Gebiet  des  Knnstgewerbee  angehören  und  eich  anf  dem 


146  AL  Ecker:  üe]>er  pr&historiBcbe  Kanst. 

Felde  der  Ornamentik  bew^en,  mit  dem  Rennihierbilde  von  Thayingen  das 
Gebiet  der  Knnst  betreten  sei.  Indflss  ist  dies  Bild  doch  nicht  fehlerlos, 
der  Hinterleib  des  Tbieres  ist  zu  BchmAchtig  nnd  die  Hinterbeine  sind  im 
Yerhältniss  m  den  vordem  zu  lang.  Bedeutsam  wird  der  Vergleich  der 
LetBtnngen  der  prähistorischen  Höhlenbewohner  mit  der  Ennstthätiglceit 
eines  Volkes,  das  anter  ähnlichen  klimatischen  Verhältnissen  wohnt  und 
merkwfirdiger  Weise  nicht  nur  Gsräthe  nnd  Waffen  fertigt,  die  mit  denen 
des  Torgeschichtlichen  Menschen  die  grösste  Uebereinstimmang  zeigen,  wie 
Boyd-Dawkins  neaerdings  bestätigt  hat,  sondern  auch  seine  Fertigkeit 
im  Zeichnen  an  denselben  G^renständen  übt,  es  sind  die  Eskimo's.  Ecker 
legte  in  Constana  Photographien  von  Eskimo- Werkzeugen  und  von  Thier- 
seichnungen,  auf  Treibholstäfelchen  geritzt,  vor,  die  er  dem  bekannten  Nord- 
pol-Reisenden H.  E.  Bessels  in  Washington  verdankt.  Darunter  befinden  sich 
auch  Figuren  von  Rennthieren.  In  Boyd-Dawkins  Werk:  Die  pöhlen- 
nod  die  Ureinwohner  Europa*s  F.  123  und  125,  in  Lnbbock's  Vorgc»- 
sehichtlichem  Menschen  II  F.  43 — 45.  im  Globus  B.  XXXI,  No.  7  finden 
sich  solche  Darstellungen.  Mit  Recht  erklärt  Ecker  diese  Arbeiten  filr 
viel  geringer  als  die  Funde  von  Thayingen.  Und  kämen  sie  ihnen  gleich, 
■o  wflrde  das  fUr  die  Aechtheit  def  letzteren  nichts  beweisen,  denn  man 
kann  nach  dem  Urtheil  aller  neuem  Forscher  die  Eskimo's  nicht  für  ein 
ursprünglich  wildes  Volk  halten,  sondern  sie  sind  ein  aus  Asien  einge- 
wanderter mongolischer  Stamm,  der  früh  übergesiedelt  und  lange  Zeit  von 
allem  Verkehr  abgeschlossen  seine  heutige  Heimath  bewohnen  mag,  der 
aber,  wie  er  Sitten  uud  Vorstellungen  ans  einem  andern  Lande  sich  erhalten 
hat,  auch  Fertigkeiten  bewahrt  haben  mag,  die  er  in  seinen  alten  Wohn- 
sitzen erworben  hatte:  man  vergleiche  die  Nachrichten  von  E.  Bessels  im 
Archiv  für  Anthrop.  VIII.  S.  107  uudPetitot,  Les  Esquimaux  Tschiglit 
1870:  dieser  theilt  auch  eine  Zeichnung  mit,  von  der  er  sagt,  dass  ein 
Indianer  sie  nicht  machen  könne. 

Mortillet,  a.  a.  0.  p.  890.  sagt  von  den  franzöbischen  Oüblenzeich- 
nungen,  si  o'est  Tenfance  de  l'art,  ce  n'est  point  l'art  de  l'enfant,  nur  1 
oder  2  mal  haW  man  solche  Dinge  &  l.<k  Domenech  gefunden  aber  sie  so- 
fort für  gefälscht  erkannt.  Also  von  den  ächten  verlangt  er  eine  gewisse 
Vollkommenheit.  F.  ck er  hält  nun  die  menschlichen  Figuren  auf  Rennt hicr- 
kmx'hen  der  Donlogne  nicht  für  besser  als  vlie  «Ut  Eskimo's  und  hat  ge- 
g»n»  Mortillet's  sonderWre  KrkUrung  Je»  Umstiiudes.  dass  die  Höhlenbe- 
wohner uackt  d.HrgestelIt  sind,  einiges  Bedenken.  Dieser  meint  nämlich,  schon 
die  or»ten  Künstler  hätten  es  vorgezogen,  wie  die  heutigen,  sogen.'uinte  Aka- 
demietm  lu  leichn^tn,  das  sei  eben  Geschmackssache!  Da  an  einigen  Figuren 


AL  Ecker:  Ueber  prähistorische  Kunst.  149 

die  £[ände  nar  4  Finger  haben,  so  scbliesst  er,  man  habe  damals  die  Ge- 
wohnheit gehabt,  den  Daumen  einzuschlagen,  und  gewisse  Striche  auf  dem 
Rücken  deutet  er  auf  eine  ungewöhnlich  starke  Behaarung,  also,  wie  Ecker 
hinzufugt',  auf  unsern  pithekoiden  Urahn!  An  zwei  aus  Rennthierhorn  ge- 
schnitzten Köpfen  sieht  Mortillet  spitzen  Bart  und  kurzes  Haar,  und  einen 
Typus  des  Gesichtes,  der  ihn  an  Mephistopheles  und  an  Fran^ois  I.  erinnert, 
der  aber  gewiss  nicht  prähistorisch  ist! 

Ecker  schliesst  aus  allem  von  ihm  bisher  Gesagten,  dass  die  Annahme, 
die  besprochenen  Kunstwerke  kämen  aus  den  Händen  derjenigen  Höhlenbe- 
wohner, welcbe  auch  die  rohen  Kiesel-  und  Knochenwerkzeuge  fortigten,  ernst- 
lichen Zweifel  hervorrufe.  Die  Behauptung,  dass  hierbei  das  artistische  Urthoil 
gar  keine  Berechtigung  habe,  sondern  nur  das  naturhistorische,'  weisst  er  mit 
Recht  zurück.  Wenn  der  Geologe  sagen  wollte,  der  Stil  dieser  Dinge  ist  mir 
vollkommen  gleichgültig,  wenn  ein  Kunstwerk  an  irgend  einem  Ort  in  einer  un- 
berührten Schicht  neben  den  rohesten  Werkzeugen  gefunden  wird,  so  ist  es  mit 
diesen  gleichzeitig,  so  vergisst  er,  dass  der  Beweis  der  unberührten  Schicht 
nach  gemachtem  Funde  oft  gar  nicht  mehr  zu  fuhren  ist,  und  dass  Gegen- 
stände, die  ganz  verschiedenen  Zeiten  «angehören,  in  den  Höhlenschlamm  ein- 
gebettet nnd  hier  ein  Jahrtausend  lang  unter  einer  Stalagmitendecke  ruhen 
können.  Die  aus  zahlreichen  Beobachtungen  abgeleiteten  Gesetze  der  Ent- 
wicklung menschlicher  Fertigkeiten  bieten  vielleicht  eine  grössere  Sicherheit 
als  die  noch  so  sorgfältig  aus  den  Umständen  eines  solchen  Fundes  ge- 
zogenen Schlüsse.  Zumal  fordert  die  Beurtheilung  des  Alters  von  Ein- 
schlüssen im  Boden  einer  Höhle  Vorsicht,  weil  diese  in  verschiedenen  Zeiten 
von  Menschen  bewohnt  gewesen  sein  kann.  Der  Entdecker  der  Höhle  sagt, 
dass  unter  einer  mächtigen  Schuttmasse,  die  den  Boden  bedeckte,  zwei 
Sinterschichten  vorhanden  waren,  aber  Ecker  wirft  mit  Recht  ein,  dass 
auch  das  Bedecktgewesensein  des  Fundstücks  mit  Kalksinter  nicht  gegen 
seine  Herkunft  aus  historischer  Zeit  spreche.  Wohl  zu  beachten  ist  ein 
Aussprach  des  Finders  der  Rennthierfigur,  Professor  Heim,  er  sagt:  „was 
ich  noch  als  Augenzeuge  zu  konstatiren  habe,  ist  die  ohne  alle  Sachkenntniss 
und  Sorgfalt  ausgeführte  Ausbeutung  der  Höhle".  Die  Boden-  und  Fund- 
verhältnisse  bilden  also,  um  mit  den  Worten  Lindenschmits  zu  reden,  nur 
einen  Theil  der  verschiedenen  Kriterien,  welche  für  die  antiquarische  For- 
schung die  Aechtheit  eines  Fundstückes  entscheiden.  Was  nun  die  Technik 
der  fraglichen  Arbeiten  betrifft,  so  müssen  sie,  wenn  ihnen  ein  prähistorisches 
Alter  zukommt,  mit  Kieselmessern  oder  Kieselsplittern  gemacht  sein.  Nach 
den  In  Frankreich  gemachten  Versuchen  schliesst  man,  daas  sie,  weil  beim 
blosen  Ritzen   das  Instrument  leicht  ausgleitet,  durch  eine  Art  von  Ein- 


IbO  AI.  üioker:  Uol)er  prähiBtorische  Kunst. 

fuiluug  hcrgostollt  sind.  \Viewohl  von  Bonstetten  glaubte,  daaa  das 
Uüitnthicr  von  Tbayiugou  mit  oiiicm  Werkzeug  von  Stahl  gemacht  sein 
mÜMo,  ahmt«  Graf  Wurmbraud  in  Constanz  die  Zeichnung  auf  frischem 
Knochen  mittolat  oiaes  Feuersteins  nach.  Dieser- Versuch  gelang  auch  mir. 
Als  nicht  unwichtig  ftthrc  ich  nach  einer  Mittheilung  von  Fraas  hier  an^ 
ilass  dio  hoidon  von  Linden^chuüt  entdeckten  gefälschten  Zeichnungen  nicht 
auf  Uowoihstttcko  sondern  auf  Knochen  geritzt  waren.  Fraas  fand,  dass 
dor  niilrbo  Kcnnthiorkuoclicu  unserer  Funde  nicht  geeignet  ist  für  solche 
lU«arlHutung,  man  muss  die  verwitterte  Htude  erst  abschaben,  bis  man  auf 
fMttt  Kuooheusuhstaux  kommt,  die  Thayiuger  Stücke  sind  aber  auf  der  ar- 
»prUngliohen  Ob^rfläoho  geritzt.  Dieser  Beobachtung  kann  man  aber  die 
.\nnahnio  ontfr(^ni»t«llou.  das«,  auch  zugegeben,  dass  v  or  2  bis  3000  Jahren 
das  Ktnmthier  nicht  mehr  lebte,  seine  zurückgelassenen  Geweihstücke  damals 
^wi«s  noch  nicht  so  mürlte  w:uvn.  «ie  sie  es  heute  sind.  Ein  erfthrener 
KUVuWinschintier ,  Uorr  Oldag  in  l^onn.  gab  mir  au,  dass  Knochen 
Uir  den  StahImei«sol  ixnt  hai'te:$ti:u  $ei,  daun  folgen  Wal! rosszahn.  Elfen- 
iHfin  und  Hirschhorn.  Der  frische  fettige  Knochen  verarbeitet  sich 
leichter  al$  der  au^gcliivhto.  welcher  sprv'de  « ird,  dessLalb  kocht  man  zu 
«eilen  er»t  deit  gwurWitcten  l\r.ivheu  aus.  u.uuit  er  weiss  wird.  Ecker 
nK>iut,  die  g«nauerv  rr.:c»^Ui-hi:ug  dor  Zcichnungsr-irchcng.  also  doch  wohl 
dio  mittolat    der  l.u(>o.    dürfe    :a  kün:\ig«a  F&IIea  lücit  cehr  ausser  Acht 


jr«":.*s»on   wccv;or. 

er   tAvU'.;«    »:.«s    ^:o    vor.   a«-a  r.i'.t.ux-ii'ru  der  Thsyinger 

Vx:-v.v     fss:    gs;-. 

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. -SS.-,-*  <,    ■'.->.  ,-  .     -i'   >,  ■  tj     >. '..-.,-.•.■ .- "'^  .-*.:«■  v.jr.-*   ;.i   .-   I;—  G:-~ie 
•».V  ■.  V»     ,;••■<  .-,  ■■•      .    ,••.,■.•-'■..  -.  «.-.«oi.  C'i'Cf'-r  ä  ;  Aiir  a  :  t:  :  ilzÄr 


AI.  Ecker:  Ueber  pr&historiscbe  Kunst.  161 

Ecker  bezeichnet  endlich  auch  die  Erwägung  zoologischer  That- 
eachen  als  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Entscheidung  der  schwebenden 
Frage.  Er  sagt,  erst  in  neuester  Zeit  sei  der  Nachweis  geliefert,  daas  die 
Hehrzahl  der  in  prähistorischen  Zeichnungen  dai'gestellteu  Thiere,  die  jetzt 
erloschen  oder  ausgewandert  seien,  in  unsem  Gegenden  mit  dem  Menschen 
gelebt  hätten,  also  könnten  diese  Darstellungen  nicht  etwa  aus  der  grie- 
chischen Zeit  stammen,  welcher  diese  Thiere,  wenigstens  das  Rennthior  und 
der  MosohuBOchse  unbekailtit  waren,  sondern  sie  seien  entweder  von  den 
Zeitgenossen  gemacht,  oder  in  neuester  S^eit  gefälscht.  Dagegen  ist  zu  be- 
merken, dass  das  Rennthier  wahrscheinlich  noch  in  römischer  Zeit  in 
deutschen  Wäldern  gelebt  hat,  wenn  es  auch  dem  Aussterben  nahe  war; 
vgl.  Verb,  des  naturhist.  Y.,  Bonn  1866,  Sitzungsb.  S.  78  und  v.  Brandt, 
Zoogeogr.  n.  palaeootol.  Beiträge,  St.  Petersburg  1867,  S.  53  u.  Arch.  f. 
Anthrop.  VIII,  264.  Jene  Kunstwerke  können  aber  zweitausend  Jahre 
älter  sein.  Vom  Moschusochsen  sagt  aber  Ecker,  dass  sein  geschnitzter 
Kopf  nach  dem  Schädel  und  nicht  nach  dem  lebenden  Thier  gemacht  sei, 
denn  es  sind  nur  die  Knochenzapfen  dargestellt,  die  nach  unten  und  schwach 
Torwarts  gekrümmt  sind,  während  die  Homer  selbst  mit  ihren  Spitzen  an 
dem  heute  noch  im  Norden  lebenden  Thiere  sich  wieder  nach  oben  biegen. 
Dass  ein  Künstler,  der  das  lebende  Thier  sah,  das  Bild  nach  dem  Schädel 
gemacht  haben  soll,  ist  nicht  wohl  annehmbar,  aber  man  könnte  schliessen, 
dass  die  Krümmung  der  Hörner,  die  bei  den  übrigen  Ochsenarten  eine  so  ver- 
schiedene ist,  beim  vorgeschichtlichen  Moschusochsen  eine  andere  war,  als 
beim  heute  noch  lebenden.  Nach  Ecker  stösst  die  Annahme  einer  mo- 
dernen Entstehung  der  Zeichnungen  des  Pferdes  auf  erhebliche  Schwierig- 
keiten, denn  aus  den  massenhaften  Anhäufungen  von  Knochenresten  des 
Pferdes  bei  Solutr£,  man  hat  100,000  Thiere  geschätzt,  habe  man  die  Gestalt 
des  Wil9pferdes  mit  Sicherheit  wiederhergestellt,  die  Pferdezeichnungen  aus 
den  Höhlen  der  Dordogne,  die  mehrere  Jahre  irüher  gefunden  wurden,  stellten 
in  der  That  ziemlich  genau  dieses  Wildpferd  dar.  Toussaint  beschrieb 
merst  diese  Knochenreste  und  beklagt,  dass  die  Schädel  so  zu  sagen  fehlen 
und  desshalb  äne  sichere  Bestimmung  des  Thieres  fast  unmöglich  sei,  in- 
dem nur  die  Unterkiefer  und  Bruchstücke  des  Oberkiefers  und  einzelner 
Schädelknochen  sich  fänden,  doch  lasse  sich  erkennen,  dass  der  Kopf  gross 
gewesen  sei,  während  die  Gliedmassenknochen  auf  eine  kleine  Körpergestalt 
schliessen  lassen.  Auf  das  Pferdebild  von  Thayingen  passt  also  die  Gestalt 
des  Pferde  von  Solutr^  gar  nicht,  jenes  steht  auf  hohen  Beinen  und  hat 
einen  kleinen  Kopf.  Solche  Pferde  kommen,  wie  schon  bemerkt,  auf  antiken 
Vasenbildem  und  geschnittenen  Steinen  vor;  die  auf  dem  Fries  des  Parthe- 


in 


AI.  Ecker:  üeber  präbiatoriBche  Kaost. 


Don  aiud  klein.  Sowohl  dos  wilde  Pferd  der  ftsiatiscben  Steppen,  wie  dfta 
verwilderte  disr  Pampas  wird  als  klein  mit  verhältnissrntiBaig  grossetn  Kopfe, 
also  dem  Esel  näher  stehend,  gescbildert.  Sanson  and  Pietrement, 
welche  TonssAinta  Ansicht,  daas  die  Pferde  Ton  Solutre  als  Nahrunguthiere 
gesähmt  gewesen  seien,  mit  Grund  bestreiten,  und  sie  für  Jagdbeute,  von 
der  man  lebte,  halten,  haben  über  die  Gestalt  dieses  Wildpferdes  keine 
andere  Meinung  geäussert.  Der  erstero  findet  sie  mit  dem  heute  noch  in 
Belgien  gezüchteten  Ardennci pferd  übereinstimmend;  vgl.  Bull,  de  la  Soc. 
d'Anthrop,  Paris  1874,  p.  642  und  689. 

Ecker  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dass  vorläufig  in  Anbetracht  vieler 
vorhandenen  "Widersprüche  eine  Lösung  der  Frage  der  Aechtheit  d.  i.  de» 
hohen  Alters  der  Höhlenzeichnungen  aamöglich  sei  und  dass  die  Conetanier 
Versammlung  mit  Recht  einen  endgültigt^n  Spruch  von  sich  abgewiesen 
habe.  Er  hofft,  dass  die  göttliche  Kunst  damals  nicht  nur  in  wenige  bevor- 
zugte Höhlen  vom  Himmel  heruntergestiegen  sei,  sondern  sich  auch  noch 
anderswo  in  Deutschland  werde  fiudeu  lassen  und  erwartet  dann  vun  der 
deatfloben  anthrop,  Gesellschaft  die  Ernennung  einer  Gommission  von  Sach- 
verständigen zu  genauer  Untersuchung  des  Falles.  Mit  ähnlichem  Rathe 
schlosa  ich  mein  Urtheil  über  dio  Thayingcr  Funde  in  Constauz,  vgl.  Be- 
richt, S.  116  und  diese  Jahrbücher  Heft  LXI,  S.  164,  indem  ich  sagte, 
mau  müsse  weitere  Funde  abwarten,  die  Aechtheit  dieser  Kanstarbeiten 
sei  möglich,  aber  dann  habe  kein  rohes  Jägervolk  sie  gemacht. 

Am  Schlüsse  des  Constanzer  Berichtes,  dem  zwei  Tafeln  mit  Photo- 
gi-aphieen  der  bearbeiteten  Thayinger  Knochen  beigefügt  sind,  meldet  Dr. 
Mandacb  aus  Scbuffhausen,  dass  rann  nach  dem  Qnaterly  Jonrn.  of  the 
geolog.  Soc.,  Aug.  1877  in  der  knochenfahrenden  Höhle  von  Creswell  auf 
einer  Thierrippe  die  Zeichnung  des  Vordertbeiles  eines  Pferde«  entdeckt 
habe,  in  einer  Schicht,  deren  Einschlüsse  nicht  mehr  dem  rohesten  Typus 
der  Steingeräthe  angehören.  Das  Pferd  hat  eine  borstige  Mähne  und  einen 
kleinen  Kopf.  Dawkins  erkennt  in  der  Zeichnung  die  Gleichheit  des  Stiles 
mit  den  Funden  von  Thayingen.  Diese  im  Beisein  von  Prof.  Dawkins 
entdeckte  Zeichnung  ist  im  Constanzer  Bericht  auf  Taf.  1,  Fig.  20  wieder- 
gegeben. Schaaffhausen. 


Conze  o.  Hirschfeld:  Archael.-epigr.  Mittheil,  aus  Oesterreioh.        168 


8.  Archaeolügiach-cpigraphische  Mittheilangon  aus  Oester- 
reich,  herausgegeben  von  A.  Conze  und  0.  Hirschfeld.  Jahr- 
gang 1 .  Mit  8  Tafeln  und  2  Holzschnitten.  Wien,  Druck  und  Yer* 
lag  von  Carl  Gerolds  Sohn  1877.    IV  und  172  Seiten  8. 

Im  Kreise  des  Vereins  von  Alterihtunsfreunden  im  Rheidlande  wird 
ein  Unternehmen  leicht  empfohlen  sein,  dessen  Analogie  mit  den  Bestrebun- 
gen .  des  Vereins  auf  der  Hand  liegt.  Wie  die  Universitätsstadt  Bonn  schon 
längst  zu  einem  Mittelpunkte  der  Alterthumserforschung  für  die  Rheinlande 
sich  gemacht  hat,  so  hat  jetzt  die  seit  Langem  von  Wien  ausgehende  Be- 
schäftigung mit  den  römischen  Ueberresten  der  Österreichischen  Provinzen 
and  benachbarten  Länder  auch  an  der  Universität  Platz  gefasst.  Die  neue 
Zeitichrifl  ist  das  Organ  der  archaeologisoh-epigrapbischen  Arbeitsstelle, 
welche  das  k.  k.  Unterrichtsministerium  kurzlich  in  dem  Seminare  für  die 
genannten  Studien  an  der  Universität  Wien  begründet  hat.  Dem  Seminare 
stehen  die  Herausgeber  der  Zeitschrift  vor,  ihm  gehören  die  Mitarbeiter 
zum  guten  Theile  an  oder  stehen  ihm  nahe.  An  Stoff  fehlt  es  nicht.  Er 
wartet  in  reicher  Fälle,  dass  Hand  angelegt  werde,  zumal  da  die  heutigen 
politischen  Grenzen  keine  Schranken  ziehen  können,  sondern  namentlich  donau- 
abwärts  die  altrömiscben  Gebiete  in  den  Kreis  der  „Mittheilungen"  gezogen 
werden  müssen  und  sollen.  Aktive  Kräfte  werden  zu  solcher  Ausdehnung 
der  Erkundung  grade  dem  Seminare,  das  seine  Zöglinge  mit  eigenen  Reise* 
Unterstützungen  aussenden  kann,  zu  Gebote  stehen.  Dergleichen  Anfälle 
liegen  bereits  im  ersten  Bande  vor:  Reiseberichte  aus  Triest,  Pola,  Aqui- 
leja  und  über  eine  Reise  im  westlichen  Ungarn. 

Neben  den  einheimischen  Alterthümem,  durch  deren  sorgfaltige  Ver- 
zeichnung einerseits  epigraphisch  auf  dem  C.  I.  L.  weitergebaut,  andrerseits 
archaeologisch  für  eine  analoge  erschöpfende  Sammlung  vorgearbeitet  wer- 
den soll,  bietet  zumal  die  Hauptstadt  Wien  einen  nicht  verächtlichen  Vor- 
rath  von  Antiken  auswärtigen  Fundorts.  Bereits  vielfach  durch  Publikationen 
zugänglich  gemacht  ist  der  Besitz  des  kais.  Kabinets;  daneben  aber  ist 
mehr  als  man  meint  in  Privatsammlungen  vorhanden.  Diesen  Bestand  zu 
katalogisiren,  das  Merkwürdigste  auch  abzubilden  ist  eine  weitere  Aufgabe, 
welche  sich  die  „Mittbeilungen"  stellen.  Der  erste  Band  bringt  den  von 
6  Tafeln  begleiteten  Katalog  der  Sammlung  Millosich,  zumeist  Stücke 
griechischer  Herkunft  enthaltend;  Prof.  Gurlitt  ist  der  Verfasser. 

Die  zwei  übrigen  Tafeln  des  1.  Bandes  bringen  die  Abbildung  eines 
lange  verschollen  gewesenen  Monuments  aus  Aqoileja  mit  Inschrift  (G.  I.  L. 


164       Gonxo  u.  Uirsohfald:  ArulinooL-opigr.  Mittheil.  aus  Oesterreich. 

V.  883)  und  auf  zwei  andern  Seiten  mit  Reliefs,  Geburt  und  Kultus  des 
Priapos  darstellend.  Die  erschöpfende  Erläuterung  des  Herausgebers  Mi- 
chaelis bezieht  sich  vielfach  auf  Untersuchungen,  welche  0.  Jahn  zum 
Thoil  auch  in  dorn  Jahrb.  des  rheinischen  Vereins  (XXVIT,  S.  45  £f.)  ge- 
führt hat. 

Wie  Michaelis,  so  haben  auch  andre  ausserösterreichische  Gelehrte 
der  neuen  Zeitschrift  ihre  Mitwirkung  geschenkt.  Von  Bonn  kam  die  sach- 
kundige erklärende  Herausgabe  eines  Briefes  Winckelmanns,  der  sich  in 
Wiener  Privatbesitze  befindet.  Anderes  haben  Th.  Mommsen  and  R. 
Sohoell  bdigetragen. 

Das  Meiste  wird  immer  von  österreichischen  Mitarbeitern  kommen, 
unter  denen  neben  den  jung  zuwachsenden  Kräften  namentlich  der  verdiente 
Goos  aus  Siebenbürgen  reichlich  zum  ersten  Bande  beigesteuert  hat.  Dass 
die  Vorsteher  des  Seminars  und  Herausgeber  der  Zeitschrift  in  dieser  ihrer 
doppelten  Eigenschaft  namentlich  auch  gestaltend  auf  die  Beiträge  der  Zög- 
linge des  Seminars  wirken,  ist  selbstverständlich.  Mit  dem  zweiten  Bande 
beginnend,  soll  endlich  nach  Kräften  Sorge  getragen  werden,  dass  volistäa- 
digo  Auszüge  von  allem  Archäologisoh-epigraphischen,  was  in  den  Lokal- 
drucksohriften  Ocsterreichs  erscheint,  Kenntuiss  geben;  hierfür  ist  besonders 
von  Budapest  aus  Mitwirkung  gesichert. 

Zum  Schlüsse  hebe  ich  noch  ein  Unternehmen  hervor,  von  dem  Otto 
Hirschfeld  im  ersten  Bande  S.  130  ff.  Nachricht  giebt  und  über  das  fort- 
laufond  zu  boricliten  die  „Mitthoilungen*^  auch  ferner  sich  angelegen  lassen 
sein  werden,  die  von  der  östermchischen  Regierung  mit  dem  Vorsatze  um- 
fassender Durclifiihruug  begonnene  Ausgrabung  der  Ruinen  des  römischen 
l.ag«rs  von  Carnuutum. 

An  die  StoUo  des  Unterzeichneten  ist  in  die  Leitung  des  Seminars 
und  in  die  Retlaktion  der  ..Mittheilungen"  sehon  während  des  Druckes  des 
zweiten  Heftes  Otto  Benndorf  eingetreten.  Um  so  mehr  ist  der  Zeit- 
schrift ihr  Fortgang  gesichert.  An  ferner  guter  Aufnahme  bei  einem  Kreise 
von  Lodern  und  lu'nutwern  «ird  es  ja  auch  nicht  fehlen,  am  wenigsten  da, 
wo  dem  Krforsol'.er  und  Licbh.*l'cr  der  römischen  Aherthümer  im  Westen 
IVntvchl.'kuds  die  Tcukmaier  der  südöstlichen  Sohwesterlandschaft  von  ganz 
lv*onvierai  Interesse  sein  müsseu. 

Berlin.  Conze. 


III.  Miscellen. 


1.  Bacharach.  Bezüglich  dor  Baageschicbte  der  Wernerskirche  da- 
selbst wird  allgemein  angenommen,  dass  die  Gründang  dieses  Baues  in  das 
leiste  Jahrzehnt  des  13.  Jahrhunderts  zurückgehe  nnd  der  am  23.  August 
1293  vom  Bischof  Hermann  consecrirte  Altar  sich  innerhalb  des  Neubaues  be- 
fanden habe;  bis  zum  Jahre  1337  seien  zwei  Flügel,  der  östliche  nämlich  und 
der  südliche  bis  zur  Höhe  des  Daches  gediehen  und  dann  der  Bau  bis  gegen 
1430  ganz  in's  Stocken  gerathen.  So  Weidenbach,  Bacharach,  Stahleck  und 
die  Wemerskirche,  Bingen  1860,  S.  30  und  S.  38;  —  Eugler,  Gesch. 
d.  Bank.  HI,  S.  227  und  neuestens  Bock,  Bheinlands  Bandenkm.  d.  M.  A. 
I.  Serie.  Zu  diesen  Annahmen  bewog  bei  dem  Mangel  an  zutreffenden  ge- 
schichtlichen Nachrichten  die  oben  erwähnte  Angabe  über  die  Consecration 
eines  Altars,  sowie  die  Erzählung  von  der  Beraubung  des  Opferkastens,  in 
Folge  dessen  der  Bau  ins  Stocken  (ferathen  sein  soll.  Nun  beweist  aber 
die  Consecration  des  Altars,  welcher  in  der  zum  grösseren  Theil  zerfallenen 
Kuniberts-Kapelle,  die  ehedem  an  der  Stelle  der  Wemerskirche  gestanden, 
noch  keineswegs,  dass  mit  dem  neuerbauten  und  geweihten  Altare  ein  Theil 
des  heutigen  Eirchengebäudes  gleichzeitig  entstanden  sei.  Dass  ältere  Schrift- 
steller wie  die  Bollandisten  und  Brower  (bei  Weiden bach  a.  a.  0.  n.  86, 
S.  124)  der  einfachen  Thatsaohe  der  Altarweihe  eine  solche  Erweiterung 
gaben,  ist  nicht  eben  zu  verwundem.  Halten  wir  dagegen  heute  die  Er- 
gebnisse, welche  eine  kunstwissenschaftliche  Prüfung  des  Denkmals  selbst 
liefert,  mit  jener  Notiz  und  den  aus  der  anderen,  obenerwähnten  Erzählung 
über  die  Stöning  des  Weiterbaues  zusammen,  so  dürften  wir  zu  anderen 
Scblussfolgerungen  kommen,  als  die  älteren,  und  mit  ihnen  alle  neueren 
Schriftsteller,  welche  das  Baudenkmal  behandelten.  Vor  Allem  kann  näm- 
lich  aus    der    theilweisen  Erneuerung   der  alten  Eunibertskapelle  and  der 


166  MiBoellon. 

Errichtung  eines  neuen  Altars  nicht  ohne  Weiteres  auf  einen  so  umfäng- 
lichen Neubau  geschlossen  werden,  wie  ihn  die  Wernerskirche  darstellt. 
Schon  der  Umstand,  dass  bei  der  Weihe  des  neuen  Altares  die  alten  Patrone, 
nämlich  Kunibert  und  Andreas  beibehalten  wurden,  weisen  nicht  undeut- 
lich darauf  hin,  dass  die  früheren  Verhältnisse  der  Kapelle  im  Wesentlichen 
unverändert  fortbestehen  blieben. 

Fassen  wir  nun  die  zweite  Notiz  ins  Auge,  so  besagt  dieselbe  nur, 
dass  der  Bau  um  1337  im  Betrieb  war  und  durch  die  frevelhafte  Entzie- 
hung der  Baukasse  augenblicklich  ins  Stocken  gerieih.  Es  ist  nicht  ein- 
zusehen, wie  mau  auf  den  Gedanken  vei^allen  mochte,  so  unbedingt  den 
ganzen  Zeitraum,  welcher  zwischen  der  Altarconsecratiun  und  der  Beraubung 
der  Baukasse  liegt,  also  gegen  fünfzig  Jahre  als  wirkliche  Bauzeit  anzu- 
nehmen. Wer  je  das  kleine  Denkmal  gesehen  und  einige  Vorstellung  davon 
hat,  welche  Wandlungen  innerhalb  eines  halben  Jahrhunderts  die  Gothik 
am  Rhein  durchgemacht  hat,  dem  muss  es  räthselhaft  erscheinen,  wie  eine 
solche  Vorstellung  so  lange  festgewurzelt  sich  erhalten  konnte.  Es  kann 
vielmehr  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  die  Wernerskirche  nicht  gar 
lange  Zeit  vor  dem  in's  Jahr  1337  verlegten  Raub  begonnen  und  in 
raschem  Anlauf,  wenigstens  in  dem  erhaltenen  Ost-  und  Südflügel  bis  zur 
Gesimshöhe  vollendet  worden  ist.  Die  Architekturformen  gehören  nicht 
mehr  dem  13.,  sondern  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrhunderts  an;  es  srä 
ferner  auf  die  an  der  Aussenseite  des  Fenstormasswerks  eingeführten  Hohl- 
profile  verwiesen,  worin  die  jüngere  Richtung  so  unverkennbar  sich  aus- 
prägt. Für  einen  in  rascher  Folge  geführten  Baubetrieb  spricht  aber  die 
ganz  einheitliche  werkmänuischo  Ausstattung  des  Baues :  neben  einheitlichem 
Material,  dem  bunten  Main-Sandstein  ist  von  entscheidendem  Gewicht  das 
gleichmässige  Vorkommen  derselben  Steinmetzenmarken.  Wäre  längere  Zeit 
über  der  Vollendung  des  Baues  verflossen,  so  würde  neben  der  Vielheit  und 
Verschiedenheit  der  Marken  auch  noch  deren  ältere  und  jüngere  Bildung 
unzweifelhaft  sich  geltend  machen.  So  aber  sind  über  die  erhaltenen  Theile 
dieselben  Zeichen  vertheilt  und  stimmen  in  ihrer  eigenthümlichen  Ausbil- 
dung ganz  zu  jener  Zeit,  welche  oben  für  die  Erbauung  der  Kirche  in  An- 
spruch genommen  wurde.  Ich  habe  die  Steinmetzzeichen  rings  um  den 
Bau  aufgesucht  und  theile  dieselben  auf  Taf.  VII,  f.  2  mit,  um  die  Probe 
für  die  Richtigkeit  meiner  Annahme  zu  ermöglichen. 

Wer  die  Ausbildung  und  Verwendung  von  Steinmetzzeichen  verfolgt 
hat,  wird  die  Bedeutung  des  Argumentes  nicht  verkennen  und  dem  Schlüsse 
gewiss  zustimmen.  Es  darf  daher  als  sicher  betrachtet  werden,  dass  die 
Ostapsis    und    der   südliche    Kreuzflügel    nebst    der    Vierung    nach    einer 


MisoelIeD, 


157 


raschen  Bauzeit  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  14.  Jahrhanderts   vollendet 
worden. 

Es  erbebt  sich  nnn  die  Frage  nach  der  Glaubhaftigkeit  jener  Angabe, 
welche  von  einer  Einstellung  des  Baues  nach  dieser  Zeit  und  einer  fast 
hundertjährigen  Unterbrechung  des  Ausbaues  berichtet  (vgl.  Weidenbach, 
a.  a.  0,  8.  39  u.  44  ff.).  Genügende  Nachweise,  dass  der  nördliche  Krenzarm 
vor  Mitte  des  14.  Jahrhunderta  nicht  ausgebaut  und  erst  im  15.  vollendet 
worden  sei,  sind  meines  Erachtens  nicht  vorhnnden.  Leider  ist  jeuer  Bau- 
th«il  ganz  eingegangen,  so  dass  aus  dem  Denkmal  selber  eine  nnmittelbAre 
Beweisführung  nicht  geliefert  werdeu  kann.  Dass  der  westliche  Abschluss 
tiiatsäcblich  erst  in  der  ersten  Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  hergestellt  wurde 
wird  in  keiner  Weise  angezweifelt').  Dagegen  zwingt  nichts  zur  Annahme, 
dass  auch  der  nördliche  Kreuzarm  damals  erst  ausgebaut  worden.  Man 
wird  vielleicht  auf  einen  kleinen  Rest  von  Quadermauerwerk  hinweisen,  der 
an  dem  ersten  uud  einzig  erhalteüen  Strebepfeiler  des  nördlichen  Kreujs- 
flfigels  sich  erhalten  bat  und  allerdings  von  jüngerem  Datum  zu  sein 
■ebeini;  allein  wer  beweist,  daes  dies  nicht  eine  spätere  Herstellung  sei, 
wie  deren  auch  sonst  noch  nachzuweisen  sind?  Ein  Blick  auf  die  Ge- 
sammtonlage  zeigt  vielmehr,  daas  die  Vollendung  des  nördlichen  Krouz- 
armes  eine  Elxistenzfrage  für  die  anderen  Theile  des  Baues  war.  Heute, 
wo  derselbe  der  Gewölbe  entbehrt,  mögen  freilich  Ostchor  und  Südüügel 
für  sich  stehen ;  ergänzen  wir  aber  die  Wölbungen,  wie  solche  doch  wohl 
(Düseen  vorbanden  gewesen  sein,  so  ist  nicht  abzusehen,  wie  das  Gebitudo 
ohne  verstrebenden  Abschluss  nach  Norden  soll  Bestand  gehabt  haben. 
Würde  der  Beweis  geliefei-t,  dass  der  Bau  fast  eiu  Jahrhundert  später 
diesen  Flügel  erhalten  hätte,  so  könnte  dies  nur  unter  dor  Voraussetzung 
gedacht  werden,  dass  der  nordwestliche  Eckpfeiler  der  Vierung  durch  starke 
VfltfBtrebnng  wäre  gehalten  gewesen,  oder  al)er,  dass  die  Viening  niemals 
wäre  eingewölbt  worden.  "  Ob  die  Schwierigkeiten  den  Bau  uach  dem  fa- 
baloB  aufgeputzten  Raub  der  Baukasse  weiterzuführen,  wirklich  so  nnüber- 
steiglich  sollen  gewesen  sein,  muss  gerechten  Zweifel  erwecken.    Steltt  doch 


1)  Der  von  Bock,  a.  a.  0.  S.  lö  mitgethcilte  Gnindriss  läast  die  Art  des 
«estlichen  Abschlusses  ganz  uDent^chicden;  er  gibt  weder  eine  Lösung  im  Sinne 
des  Vorhandenen,  was  eincZuthat  des  15.  Jahrhuudcrta  ist,  noch  eine  ideale  Er- 
gänzung. Es  ist  vielleicht  nicht  ülierflfissip  darauf  liinzuw^iBen,  dass  King, 
Stndybook  IV,  pl.  28  einen  restaurirtcin  (trnndrisa  gibt,  welcher  eine  auf  zwei 
ineinandergeschobenen  Dreiecken  ruhende  Empore  mit  westwärts  vorgelegtem 
Stiegenthurnie  aufweist  und  darin  an  die  noch  Bichtbaren  Reste  anschliesst. 


168  Misoellen. 

die  ganze  Erz&hlnng  de8  Raubes  auf  so  schwachen  Fassen,  dass  bereits 
Weidenbach  (a.  a.  0.  S.  40)  sich  zar  Aensserang  veranlasst  sieht,  es 
könne  eben  nicht  einmal  als  erwiesen  angenommen  werden,  ob  das  von 
Brower  hiefür  angegebene  Jahr  1337  das  richtige  sei.  Viel  wichtiger  far 
die  Bangeschichte  sind  offenbar  die  1320  von  Erzbischof  Peter  von  Mains 
und  eine  vom  Jahr  1824  datirte  Urkunde  des  Erzbischofs  Boemnnd  von 
Trier,  welche  Ablässe  für  Leistungen  zum  Bau  der  Kirche  ertheilen  bezw. 
bestätigen.  Im  Hinblick  auf  die  ganze  Haltung  der  Architektur  der  Wer- 
nerskirche möchte  ich  darum  gerade  den  Zeitpunkt  von  1320 — 24  als  die 
eigentliche  Oründnngs-  und  Bauzeit  derselben  ansehen.  Wo  das  urkund- 
liche Beweismaterial  so  mangelhaft  ist,  wird  eine  unzweifelhafte  Fest- 
stellung kaum  möglich  sein ;  es  schien  mir  jedoch  angezeigt,  die  Frage  aufs 
Nene  anzuregen  und  das  Meinige  zur  Lösung  beizutragen. 

Mainz.  Friedrich  Schneider. 

2.  Bonn.  Ueber  die  gewundenen,  sogenannten  celtischen 
Ringe  oder  Tor ques.  Am  neunten  November  1876  wurde  bei  dem  Aus- 
baggern des  Fundamentes  für  einen  der  Strompfeiler  der  grossartigen  Rhein- 
brUcke,  welche  oberhalb  Coblenz,  zur  Durchführung  der  Berlin-Metzer 
strategischen  Eisenbahn,  beide  Rheinufer  nebst  der  Insel  Oberwerth  über- 
spannen soll,  mitten  im  Flusse,  unter  Sand  und  Geröll,  ein  Armreif  ge- 
funden, der  aus  vier  strickformig  zusammengewundenen  Drähten  des  feinsten 
Goldes  besteht.  Dieser  Armreif,  gegenwärtig  im  Besitze  der  Kaiserin 
Angusta,  wurde  von  Herrn  Geheimrath  Professor  Dr.  Schaaffhausen  in 
der  Niederrhein.  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  zu  Bonn  vorgezeigt 
und  gab  demselben  zu  einem,  später  in  dem  Sitzungsberichte  der  genannten 
Gesellschaft  vom  19.  Febr.  1877  S.  34 — 37  mitgetheilten  Vortrage,  sowie 
auch  zu  einem  Berichte  in  diesen  Jahrbüchern,  LXI,  S.  147,  Veranlassung. 

Herr  S.  ist  der  Meinung,  da.ss  dieser  Ring  ein  celtischer  oder  galli- 
scher sei,  dass  derselbe  aus  vorrömischer  und  zwar  aus  einer  Zeit  stamme, 
wo  die  Anwohner  beider  Rheinufer  Gelten  gewesen  wären  und  dass  aus  dem 
Rheinsande  gewaschenes  Gold  wahrscheinlich  das  Material  zu  demselben  ge- 
liefert habe.  > 

Mit  Bezugnahme  auf  das  über  diesen  Ring  Mitgetheilto  glaube  ich  zu 
der  Annahme  berechtigt  zu  sein,  dass  man  den  gewundenen  oder  ge- 
drehten Ringen  gegenwärtig,  wo  die  Bestrebungen  der  modernen  ethno- 
graphischen Forschung  so  sehr  auf  die  Feststellung  der  geographischen 
Grenze  zwischen  Germanen  und  Galliern  in  vorgeschichtlicher  Zeit  gerichtet 
sind,  häufig  eine  Bedeutung  und  Wichtigkeit  für  das  specifischo  Celtenthum 
beilegt,  welche  ihnen  gar  nicht  zukommt. 


Miflcellen. 


169 


Hai«-  und  Armringe  dieser  Art,  Bogenannta  Torques,  sind  näinlioh 
für  die  Gelten  keineswegs  in  dem  Masse  bezeichnend  nnd  das  Verferügen 
and  Tragen  derselben  stellt  darchans  nicht  eine  sie  von  anderen  Völkern 
so  sehr  nnterscheidende,  gewissennassen  für  sie  cbarakteristische  Volks- 
eigentbümlichkeit  dar,  wie  jetKt  vielfach  angenommen  wird. 

Der  Gedanke,  sowohl  viereckigen  Metallstäben  von  geringeni  Durch- 
messer als  anch  anfcinander  gelegten  Stücken  Drahtes  dorch  Drehen  nm 
ihre  Achse  eine  zierlichere  Form  und,  was  die  Drähte  betritlt,  zugleich  auch 
eioea  festeren  Zasammenhalt  zn  verleihen,  liegt  zu  nahe  nnd  die  hierfür 
erforderliche  Technik  ist  eine  zu  einfache  und  wenig  mühsame,  als  dass 
nicht  die  verschiedensten  Völker,  schon  im  Anfangsstadium  ihrer  Kultur, 
unabhängig  von  einander,  anf  diese  Art  der  Ornamentik  gekommen  sein 
sollten.  Gedrehte  Ringe  sind  daher,  ausser  in  den  Ländern,  welche  be- 
wieMoermasBen  von  celtischen  Volksstämmen  bewohnt  gewesen  sind,  wie 
die  |iyrenäieche  Halbinsel,  Frankreich,  die  Schweiz,  Oberitalien,  Belgien  und 
Theile  des  linken  Rheinafera,  auch  in  Ländern  gefunden  worden,  wo  nie- 
mals Gelten  sesshaft  waren,  wie  z.  ß.  in  Mittel-  und  ünteritalien,  Griochen- 
buid,  verschiedenen  Gegendon  von  Deutschland  und  Skandinavien. 

In  den  altnordischen  Heldensagen^  ja  schon  in  der  Edda,  spielen 
Armringe  eine  grosse  Rolle.  Montelius  bildet  in  seinem  Werke  aber  die 
Vorzeit  Schwedens  —  Sveriges  fomtyd  —  gedrehte  Finger-  and  Armringe 
von  Broiice,  Silber  nnd  Gold  ab,  und  anch  das  königliche  Museum  für 
nordische  Alterthumskuude  in  Kopenhagen  enthält  nicht  wenige  solcher 
Ringe.  In  allen  genannten  LUndern  aber,  die  coltischen  nicht  ausgenommen, 
waren  gedrehte  Ringe  und  glatte  nebeneinander  in  Gebrauch.  Auf  Sumatra 
nnd  Java  habe  ich  Aehnliches  beobachtet.  Jedes  malaiische  und  javanische 
M&dcben  trägt  nämlich  von  seiner  frühesten  Jagend  an  Armbänder,  die 
nach  den  Vennögensverhnitnissen  der  Eltern,  entweder  aus  Gold  oder  Silber, 
ans  Gold  nnd  Silber,  aus  Gold  und  Kupfer,  sogenannter  Souassa,  oder  nur 
ans  Kupfer  bestehen.  Diese  Ringe  aber  sind  von  dreifacher  Gestalt  und 
stellen  entweder  spiralförmig  gewundene  Schlangen  dar,  oder  sie  sind  ganz 
glatt,  oder  sie  bestehen  aug  zusammengedrehten  Drähten  der  genannton 
Metalle  nnd  Metallverbindungen. 

Die  letzteren  habeu,  um  zusammengehalten  zu  werden,  an  dem  einen 
verdünnten  EInde  einen  kleinen  Elaken,  an  dem  anderen  eine  Oese.  Man 
könnte  auf  den  genannten  Inseln  ohne  Mühe,  in  ganz  kurzer  Zeit,  sich 
Hunderte  von  diesen  gedrehten  Armringen  verschafFen,  welche  dem  bei 
Obcrwerth  gefundenen  zum  Verwechseln  gleichen.  Wie  allgemein  auf  den 
indischen  Inseln    der  Gebrauch    ist,    nicht   nur   den    für  Ringe  bestimmten 


160  Misoellen. 

Drähten  and  dünnen  viereckigen  MetaUstäben,  sondern  auch  für  andere 
Zwecke  dienenden  Stangen  anderen  Materials,  durch  Drehen  um  ihre  Achse 
eine  zierlichere  Form  zu  geben,  zeigen  verschiedene  Gegenstände,  welche 
ich  aus  Sumatra  und  Bomeo  u^itgebracht  und  in  der  allgemeinen  Sitzung 
der  niederrheinischen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Heilkunde  am  5.  November 
1877  vorgezeigt  habe,  wie  z.  B.  ein  Uautkratzer  und  zwei  Haken  zum  Offen- 
halten der  Bettvorhänge  aus  Hörn. 

Bei  den  Römern  waren  goldene  Armringe,  —  Armillae,  —  Amts-  and 
Standeszeichen  der  Senatoren  und  Ritter.  Hannibal  liess  nach  der  Schhicht 
bei  Gannae,  wo  die  Römer  eine  so  furchtbare  Niederlage  erlitten,  den  ge- 
fallenen Rittern  und  Senatoren  diese  Ringe  abstreifen  um  sie  nach  Kar- 
thago zu  senden.  Die  Zahl  derselben  war  so  gross  dass  sie,  wie  Liviua 
bemerkt,  drei  Scbe£felma8se  fQllten. 

Ob  diese  Ringe  immer  glatte  oder  auch  schlangenförmig  gewundene 
und  auch  gedrehte  waren,  lässt  sich  jetzt  nicht  mehr  ermitteln.  Unter 
den  Kaisem  wurden  auch,  als  Belohnung  für  kriegerische  Verdienste,  an 
Soldaten  Armringe  vertheilt.  Auffallend  aber  ist,  dass  fast  nie  auf  bild- 
lichen Darstellungen  aus  dem  römischen  Alterthume,  sowohl  auf  Statuen 
als  auf  Reliefs,  geschnittenen  Steinen  oder  Münzen  Römer  mit  Armbändern 
erscheinen.  Nur  Frauen,  hauptsächlich  auf  Frescobildern,  zeigen  sich  mit 
denselben  geschmückt,  entweder  blos  am  Vorder-  oder  zugleich  auch  am 
Oberarme.  Auch  die  Aphrodite  Kallypygos  in  Neapel  trägt  am  linken  Ober- 
arme sowie  am  rechten  Vorderarme  ein  Armband.  Auf  den  Darstellungen 
aus  dem  griechischen  Altcrthume  findet  dasselbe  statt  und  nur  Frauengc 
stalten  tragen,  wiewohl  nur  selten,  doch  hiu  und  wieder  Armbänder. 

Was  nun  die  gewundenen  oder  gedrehten  Halsringe  betrifft,  denen 
man  gegenwärtig  eine  noch  grössere  charakteristische  Bedeutung  für  das 
specifische  Gcltenthnm  zuspricht  als  den  gedrehten  Armreifen,  indem  von 
Vielen  alle  mit  solchen  Ilalsringen  versehene  Gestalten  auf  Bildwerken  des 
Alterthums,  für  Gelten  (Gallier)  angesehen  werden,  so  lüsst  sich  auch 
hiergegen  nicht  Weniges  einwenden.  Die  Anhänger  dieser  Ansicht  berufen 
sich  in  erster  Stelle  auf  das  von  Livius  —  L.  VII  C.  X  —  so  malerisch 
beschriebene  Zweigefecht  zwischen  einem  vornehmen  Gallier  und  dem  da- 
mals noch  jugendlichen,  später  so  berühmt  gewordenen  Titus  Manlius. 

Dasselbe  fand  im  Jahre  358  v.  Chr.  auf  einer  Brücke  über  den  Anio 
statt,  indem  die  Gallier  auf  dem  einen,  die  Römer  auf  dem  anderen  Ufer 
des  Flusses  ihr  Lager  aufgeschlagen  hatten.  Um  nicht  Furcht  vor  dem 
Feinde  zu  verrathcn,  hatte  keines  von  den  beiden  Ileeren  die  Brücke  ab- 
gebrochen.    Da  betrat  ein  gallischer  Krieger  von  riesenhaftem  Körperbau, 


Miscellen. 


161 


in  bantfarbigen  Kleideni  tiDcl  mit  bemalten,  reich  mit  Gold  eingelegten 
Waffen  —  auro  caelntia  refulgens  armis  —  jene  Brfick«,  mit  lauter  Stimmo 
die  tapfersten  Römer  zum  Zweikampfe  lierausfordomd.  Manlins,  |,Ton  nor 
mittlerer  Stator  für  einen  Krieger  and  mit  weniger  prunkenden  als  für  den 
Gebrauch  geschickten  Waffen  versehen",  nahm  die  Ausforderung  an  und  das 
Gefecht  zwischen  ihm  und  dem  Gallier  fand  im  Angesichte  beider  Fleere 
statt.  Manlins  erlegte  seinen  Gegner,  nahm  ihm,  als  derselbe  todt  hinge- 
streckt lag,  ohne  der  Leiche  in  irgend  einer  anderen  Weise  Schmach  zuzu- 
fügen, blos  das  Halsband  ab  und  that  dasselbe,  noch  mit  Blut  bespritzt, 
um  seinen  eigenen  Uals.  Die  Gallier,  mit  Schrecken  und  Bewundevang 
flher  den  Ausgang  dieses  Zweikampfes  erfüllt,  hlicl)on  dem  Boden  ange- 
heftet, stehen.  Die  Römer  aber  führten  den  Sieger  jubelnd,  unter  Glück- 
wünschen and  Lobeserhebungen  zu  dem  Diotator  hin.  In  ihren  kunstlosen, 
lieder ähnlichen  Scherzen  hörte  man  sie  dem  Manlius  auch  den  Bninamen 
,, Halsbandträger"  —  Torquatus  —  geben,  welcher  bald  allgemein  üblich  und 
ein  ehrenvoller  Beiname  seines  Geschlechtes  und  seiner  Nachkommen  wurde. 
LiviuH  bedient  sich  für  den  Halsschmuck,  welchen  Manlius  dem 
erschlagenen  Gallier  abnahm  und  um  seinen  eigenen  Hals  that,  des  Aus- 
druckes Torques.  In  diesem  Worte  liegt  aber  durchanE  nicht  begriffen, 
dass  das  betreffende  Halsband  ein  um  seine  Achse  gedrehtes  gewesen  sei. 
Torquea  ist  nämlich  mit  den  Ausdrücken  collare,  monile  und  catelia  völlig 
gleichbedeutend  und  liezeichnet,  wie  letztere,  blos  einen  Halsschmuck,  ohne 
Räcksicht  darauf,  ob  dersolbo  eine  einfache  oder  künstlicher  verschlutigeno 
Kette  und  mit  Perlen  oder  Edelsteinen  verziert  ist,  oder  aber  aus  strick- 
formig  zosammengedreblen  Metalldrähtcn  besteht.  Ohne  das.s  im  entfern- 
testen dabei  von  einer  Beziehung  auf  die  Gallier  Rede  sei,  gebrauchen, 
gleichwie  Livius  an  einer  anderen  Stelle  als  der  erwähnten  —  Lib.  44 
Cap.  14  — ,  auch  andere  Schriftsteller  vor  and  nach  ihm,  wie  Sueton  — 
Vita  Aognsti  43  — ;  Properz  —  4.  10.  44  — ;  Ovid  —  Fast.  6.  ßOl  — ; 
Cice  ro  —  Disquis.  academ.  3.  80.  185  — ;  Horaz  —  3.  R.  12  —  ;  Quin  c- 
tilian  —  6.  3.  79  —  das  Wort  „Torques"  einfach  für  Halsband.  PH- 
niua  —  10.  42.  (68)  —  bezeichnet  mit  diesem  Worte  den  Kreis  oder 
Ring  an  dem  Halse  verschiedener  Vögel  und  Virgil  —  Georgic.  4.  276  — 
Blumenguirlanden.  Das  Substantiv  ptorques",  in  alterer  Form  „torquia",  ist 
von  dem  Zeitworte  „torqnere'^  abgeleitet,  dessen  erste  und  Uaupthcdeatung 
drehen  und  winden  ist,  welches  aber  eine  Menge  abgeleiteter  Nebt-nbe- 
deatnngen  hat,  wie  z.  B. :  Oculos  torquere,  die  Augen  verdrehen;  Se  m 
terra  t.,  sich  auf  der  Erde  wälzen;  Capillos  t.,  die  Haare  kräuseln;  Pul- 
terem  t.,  Staab  aufwirbeln;    lue  t,   das  Recht   verdrehen;    Talum  t.,   den 

11 


162  Mkcellen. 

Fqbs  verstaachen;  Saxa  t.,  Steine  wälzen;  Tela  s.  Jacalum  t.  in  aliquem, 
Geschosse  nach  Jeniandem  werfen;'  Bellum  t.,  den  Krieg  leiten;  torqoere 
aliqnem,  Jemanden  martern  oder  quälen;  torquere  rem,  eine  Sache  genau 
untersachen  n.  s.  w. 

Das  Wort  „torqnes"  muss  aber  auf  das  Participium  praesentis  de« 
Activums  von  torquere  n&mlich  das  Wort  „torqnens",  d.  h.  drehend, 
windend  und  nicht  auf  das  Participium  praeteriti  des  Passivums,  das  Wort 
„torlum"  d.  h.  gedreht  oder  gewunden,  eurOckgeführt  werden.  Der  Sab- 
stantivform  „torques"  liegt  daher  der  active  Begriff  des  Drehens,  Windens, 
sich  Herumwindens,  nicht  aber  der  passive  des  Gedreht-  oder  Gewunden- 
seins zu  Grande.  Das  A^jectiv  „torquatus"  ist  von  dem  Substantiv  „torques" 
und  nicht  unmittelbar  von  dem  Zeitworte  , .torquere"  abgeleitet.  Es  be- 
deutet nichts  anderes  als  mit  einem  „torques"  umgeben  oder  umwunden  sein. 
Der  active  Begriff  des  Drehens  oder  Windens  ist  diesem  Adjectiv  geblieben. 

Das  Beiwort  „Torquatus"  bezieht  sich  desshalb  auf  den  Hals  des 
Manilas  und  nicht  auf  die  Art  des  Halsbandes.  In  ganz  derselben  W' eise 
nennt  Ovid  —  Herold.  2.  119  —  die  Alekto:  „Alecto  colubris  torquata" 
d.h.  die  Schlangen  als  Halsband  Tragende  oder  von  Schlangen  Umwundene; 
Martial  —  13.  66  —  die  Ringeltaube  „Columbus  torquatus"  d.  h.  dieHala- 
band- Tragende  und  Virgil  —  Georgic.  4,  276  —  spricht  von  einer  „Ära 
torquata'*  d.  h.  von  einem  mit  Blumen  umwundenen  Altar.  Der  Umstand 
selbst,  dass  Manlius  die  Halskette  des  erschlagenen  Galliers  anlegte,  masste 
die  zusehenden  Krieger  in  Verwunderung  setzen.  Denn  wenn  auch  in 
späterer  Zeit,  namentlich  unter  den  Kaisern,  Halsketten  eine  Belohnung  f&r 
militärisches  Verdienst  wurden,  so  haben  die  Römer  doch  die  Ansicht  von 
Quinctiliau  —  11.  1.  3  —  „Monilibus,  quao  sunt  ornamenta  foeminaram, 
deformentur  vir!"  zu  allen  Zeiten  getheiit  und  selbst  niemals  allgemeinen 
Gebrauch  von  Halsbändern  gemacht,  sondern  das  Tragen  derselben  Frauen 
und  Barbaren  überlassen. 

Wenn  nun  auch  aus  dem  von  Livius  für  das  Halsband  jenes  alten 
Galliers  gewählten  Worte  „torques"  keineswegs  die  Gewissheit  hervorgeht, 
dass  dieser  Ring  ein  gedrehter  gewesen  soi,  bo  ist  die  Möglichkeit,  dass 
derselbe  ein  solcher  war,  doch  nicht  ausgeschlossen.  Da  nämlich  erwiesen 
ist,  dass  die  alten  Gallier,  im  G'egcnsatze  zu  den  Römern  und  Griechen, 
Halsbänder  trugen,  so  lässt  sich  mit  Sicherheit  annehmen,  dass  letztere,  in 
ähnlicher  Weise  wie  die  celtischen  Armringe,  in  verschiedener  Gestalt  vor- 
kamen und  bald  glatte  bald  gedrehte  waren.  Es  ist  selbst  nicht  anwahr- 
Bcheinlich,  dass  die  Gallier,  welche  frühzeitig  in  der  Bearbeitung  des 
Goldes  erfahren  waren  und  bei  denen  die  Neigung  zu  glänzendem  Körper- 


Miaoellen.  168 

schmucke  so  sehr  vorherrschte,  zur  Zeit  von  Manlius  auch  schon  knnst- 
rdchere  und  zusammengesetztere,  mehr  kettenartige  Halsbänder  besassen. 
» Eine  unbestreitbare  Thatsache  aber  ist  es,  dass  ausser  bei  den 
Galliern  auch  noch  bei  anderen  Völkern  des  Alterthums  strickförmig  ge* 
drehte  HalM'inge  in  Gebrauch  waren.  Zu  diesen  aber  gehören  in  erster 
Stelle  die  alten  Germanen  und  die  Perser. 

Gerade  aber,  weil  gewundene  oder  gedrehte  Halsringe  den  alten 
Galliern  nicht  ausschliesslich,  sondern  erwiesenermassen  auch  anderen  Volks- 
st&mmen  zuzusprechen  sind,  so  dürfen  auf  Kunstwerken  des  Alterthnms 
vorkommende,  mit  solchen  Halsringen  geschmtickte  Männergestalten  nur 
mit  grosser  Vorsicht  und  nicht  bloss  dieser  Ringe  wegen,  von  vornherein 
ftr  Gelten  gehalten  werden.  Jedenfalls  aber  muss  zuerst  festgestellt  wer- 
den ob  dasjenige,  was  den  Hals  dieser  Gestalten  als  strickförmig  gedrehtes 
Halsband  nmgiebt,  auch  wohl  ein  echtes  Halsband  —  Monile,  Catella, 
Collare,  Torqnes  —  oder  nicht  ein  wirklicher  Strick  —  Laqueus,  Restis, 
Fnnis  —  ist.  Diese  Frage  aber  scheint  mir,  namentlich  mit  Bezug  auf  die 
weltberühmte  Statue  des  sterbenden  Fechters  im  capitolinischen  Museum,  noch 
nicht  zur  GenSge  beantwortet. 

FrOher  nannte  man  dieses  Meisterwerk  der  Skulptur  den  sterbenden 
Gladiator.  Winckelmann  sah,  wunderbarer  Weise,  in  ihm  einen  Herold~der, 
nach  Sitte  damaliger  Zeit,  einen  Strick  um  den  Hals  trug  um  das  Bersten 
seiner  Halsadern  bei  dem  Blasen  seines  Hornes  zu  verhüten.  Gegenwärtig 
aber  will  man  in  dieser  Statue,  nicht  allein  aus  dem  gedrehten  Halsringe 
mit  der  knopfförmigen  Anschwellung  an  beiden  Enden  desselben,  sondern 
auch  aus  der  Gtosichts-  und  Scbädelbildung,  dem  struppigen  Haar  und  dem 
Schnurrbarte,  mit  grösster  Bestimmtheit  einen  Gelten  und  zwar  einen  Ga- 
later  erkennen. 

Man  hält  diese  Statue  -«o  wie  die  Gruppe  in  der  Villa  Ludovisi  in 
Rom,  welche  früher  für  Arria  und  Paetas  galt,  später  aber  von  Glarac 
für  Macarius  und  Ganace  erklärt  wurde  und  in  der  man  jetzt  ebenfalls 
einen  Gelten  sieht,  der  zuerst  sein  Weib  getödtet  hat  und  sich  nun  selbst 
ersticht,  sowie  auch  den  sogenannten  Borgbese 'sehen  Fechter  von  Aga- 
sias,  dem  Sohne  des  Dositheus,  im  Louvre  zu  Paris  für  Nachbildungen  in 
Marmor  von  Standbildern  ans  Erz,  welche  sich  auf  die  Siege  über  die  Ga- 
later  von  König  Attalns  dem  Ersten  von  Pergaraum  bezogen  und  von  diesem 
knnstliebenden  Fürsten  nach  Athen  geschenkt  und  dort  in  der  Akropolis 
aofgestellt  wurden.  Die  Gruppe  in  der  Villa  Ludovisi  und  der  Bor- 
ghese'sche  Fechter  zeigen,  bei  aller  Natnrwahrheit,  eine  eigenthümliche, 
idealistische  Auffassung  und,  man  könnte  sagen,    gewisse  Manierirtheit,  die 


164  Mifloellen. 

ihnen  eine  anverkennbare  innere  Uebereinstinimang  verleiht  und,  wenn  auch 
nicht  auf  denselben  Künstler,  doch  auf  dieselbe  Kunstschule  hinweist.  Anoh 
sind  die  Köpfe  und  Gesichter  dieser  beiden  Standbilder  keinem  barbarischen, 
sondern  dem  weicheren  und  schöneren  griechischen  Typus  nachgebildet  und 
beide  Männergestalten  bartlos.  , 

In  demselben  Maasse  aber,  wie  sich  in  diesen  beiden  Statuen  eine 
innere  üebereinslimmung  ausspricht,  unterscheiden  sie  sich  von  der  des 
sterbenden  Fechters.  Es  erscheint  beinahe  unbegreiflich,  wie  man  glauben 
kann,  dass  alle  drei  ans  derselben  Kunstschule  hervorgegangen  seien.  Die 
Auffassung  in  dem  sterbenden  Fechter  ist  eine  viel  derbere,  realistischere 
und  gibt  sich  in  demselben  nichts  zu  erkennen  als  das  der  Wirklichkeit 
abgelauschte,  mit  unübertrcffbarer  Natnrgetreuheit  wiedergegebene  Erlöschen 
des  Lebens,  an  Verblutung  aus  einer  tödtlichen  Brnstwunde,  bei  einem  schön 
und  kräftig  gebauten  Manne. 

Sehr  wahrscheinlich  stammt  dieses  Standbild  von  einem  römischen 
Bildhauer  her ;  so  gut  wie  gewiss  aber  ist,  dass  es  nicht  den  Kunstschulen 
zu  Pergamnm  oder  Ephesus  angehört.  Unzweifelhaft  stellt  dieses  Standbild 
einen  Barbaren  vor,  aber  dieser  Barbar  kann  ebensowohl  ein  Germaue  als 
ein  Gelte  sein.  Weder  das  strickförmige  Halsband  noch  die  Kopf-  undGe- 
sichtsbildung  dieser  Statue  giebt,  trotz  der  Meinung  von  Nibby  und  An- 
deren, welche  dieselbe  für  die  specifisch  celtische  erklären,  hierüber  sicheren 
Aufschluss.  Die  römischen  Künstler  kannten  noch  nicht  die  feineren,  cra- 
niologischen  Unterschiede,  welche  die  moderne  Ethnographie  zwischen  den 
Schädeln  der  Gelten,  Romanen  und  Germanen  aufgestellt  hat.  Sie  hatten 
sich  aber  eine  bestimmte,  typische  Barbarenphysiognoniie  gebildet,  welche 
hauptsächlich  durch  starken  Bart-  und  Haarwuchs,  eine  niedrige  Stirn, 
eine  tiefe  Einbiegung  über  der  Nasenw^urzel,  stark  entwickelte  Augenbrauen- 
bogen  und  die  über  die  senkrechte  Stirnlini^  mehr  oder  weniger  hervor- 
tretende Nase  bedingt  wird.  Diese  typische  Barbarenphysiognomie  aber 
zeigen,  ausser  dem  sterbenden  Fechter,  bald  schärfer  bald  schwächer  aus- 
geprägt, auch  die  Abbildungen  der  Dacier  auf  den  Reliefs  der  Trajanssänle; 
die  drei  sitzenden,  den  gedrehten  Ilal&reifen  tragenden  Markomannen  auf 
dem  Sarkophagrelicf  von  Amcndolu ;  die  Germanen,  von  denen  einer  gleich- 
falls einen,  wie  es  scheint  gewundenen  Halsring  trügt,  auf  der  unter  dem 
Namen  „Gonima  Augustea'*  bekannten,  neun  Zoll  breiten  und  acht  Zoll 
hohen,  die  Apotheose  des  Augustus  vorstellenden  Camce  in  Wien;  der 
jugendliche,  schnurrbärtige,  eine  gewisse  Aehulichkeit  mit  dem  des  sterben- 
den Fechters  besitzende  Kopf  im  britischen  Museum,  den  man  jetzt  nicht 
ohne  Grund  für  den   des  Thumelicuü,  des  Sohnes  von  Hermann  und  Thns- 


Miecalleä. 


166 


ni.-lda  hält,  welchen  Tiberiu»,  nach  einer  allerdings  unverbürgten  üeberlie- 
ferung,  in  Ravemm  zum  Gladiator  ensiehen  licse,  und  pndüch  auch  dio  80 
»ehr  merkwürdige  in  Flerculanura  gefundene  eherne  Büste  des  Hannibal. 
Wahrscheinlich  besitzt  die  letztere  oine  grosse  Portrnittihnlichkpit.  Per 
Künstler  hat  aber  derselben  in  dem  dicht'n,  wild  dnrcheinandc-r  wogenden 
Haupthaar  und  dem  starken,  angeordneten  Barte,  wahrscheinlich  mit  Abnicht, 
sogleich  den  spccifi!<chcn  Barbarenausdruck  gegeben. 

Sogar  die  schönen  und  edlen  GesichtHz.üge  germanischer  Frauen  auf 
römischfn  Bildwerken,  zeigen  diesen  allgemeinen  Barbarentypus,  wie  z.  B, 
die  Kolossalst atae  in  der  Loggia  dei  Lanzi  zu  Florenz,  welche  nach  Gött- 
ling  Thusnelda  vorstellt,  sowie  auch  die  beiden  Frauengestalten  auf  der 
schon  erwähnten  Gcmma  Äugustea,  Dass  aber  die  auf  der  unteren  Ilülfte 
dieses  geschnittenen  Steines  dargestellten  Barbaren  wirklich  Germanen  und 
keine  Gelten  sein  sollea,  trotjsdem  dass  der  eine  der  Männer  einen  Torques 
trügt,  bedarf  kaum  noch  des  Beweises.  Kriege  mit  den  Galliern  kamen 
während  der  Herrschaft  von  Augustus  nicht  mehr  vor  und  gehörten  über- 
hsnpt  schon  einer'  längst  verflossenen  Vergangenheit  an,  wührcnd  Kriege 
mit  den  Germanen  gerade  für  seine  Regierung  so  sehr  bedeutsam  waren, 
unter  ihm  unterwarfen  Drusus  und  Tiherius  einen  grossen  Tlieil  Deutsch- 
lands der  Herrschaft  der  Römer  und  wenn  diese  sich  auch  später,  nach 
der  Niederlage  des  Vams,  wieder  aus  der  Wesergegend  westwärts  zurück- 
ziehen muBsten,  so  wurde  doch  gerade  unter  Augustus  an  beiden  Rhein- 
ufern die  Romerherrschftft  fest  begründet.  Es  kann  daher  wohl  kaum  be- 
sweifelt  werden,  dass  die  auf  dieser  Camee  abgebildeten  Barbaren  Gor- 
manen sind  und  dnss  die  Siegessäule,  welche  römische  Krieger  auf  derselben 
anfricbten,  die  Eroberungen  in  Deutschland  unter  ÄugustuB  verherrlichen 
soll.  Da  aber  einer  dieser  unterworfenen  Germanen  den  Torques  trägt,  so 
ist  die  Gemroa  Äugustea  für  den  Beweis,  dass  nicht  bloss  Gallier  von 
dieser  Art  des  Halsschmuckes  Gebrauch  machten,  von  besonderer  Wichtigkeit. 

Ebensowenig  schwer  aber  ist  die  Beweisführung,  das»  auch  die  auf 
dem  Basrelief  des  in  der  Vigna  Amendola  bei  Rom  ausgegrabenen  und 
jetait  im  capitolinichen  Museum  befindlichen  Sarkophages  abgebildeten  Tor- 
qncsträger,  keine  Gelten  sondern  Germanen  vorstellen  sollen.  Für  diese  An- 
sicht spricht  nämlich  sowohl  der  Umstand,  dnss  sich  in  dem  Sarkophage 
keine  Ueberresto  von  verbrannten  Knochen,  sondern  vom  Fener  unversehrte 
Theile  eines  Skelettes  befanden,  als  auch  der,  dass  die  auf  dem  Reliefbilde 
dargestellten  Römer  Schnurr-  und  Kinnbärte  tragen. 

Die  älteste  Weise  der  Leichenbeatattung  bei  den  Römern  war  aller- 
dings das  Begraben  io  die  Erde;    dasselbe  wurde  aber,  wie  Pliaius  mit- 


166  Miücellsn. 

theilt,  schon  zur  Zeit,  als  die  Repablik  anfing  Krieg  zu  fähren,  allmälig 
durch  das  Verbrennen  der  Leichen  verdrängt,  namentlich  bei  den  Vorneh- 
meren, den  Reicheren  und  den  Kriegern  im  Feld«.  Nur  einige  wenige  sehr 
vornehme,  an  den  alten  Gebräuchen  festhaltende  Familien,  wie  namentlich 
die  Gens  Cornelia,  fuhren  fort  ihre  Leichen  zu  begraben.  Von  Sulla  an 
wurden  aber  auch  die  Leichen  der  Cornelier  verbrannt.  Diese  letzte  Sitte 
blieb,  das  ärmere  und  niedrigere  Volk  ausgenommen,  bis  in  das  zweite  Jahr- 
hundert nach  Christus  vorherrschen.  Erst  unter  den  Antoninen  kam  das 
einfache  Begraben  der  Leichen,  auch  der  von  Vornehmen  und  Begüterten, 
wieder  in  Gebrauch  und  gab  selbst  zum  Aufblühen  eines  neuen  Zweiges 
der  Kunstindustrie,  dem  Verfertigen  von  Steinsärgen  und  dem  Verzieren 
derselben  mit  mythologischen  oder  historischen  Beliefbildern,  Veranlassung. 
Ein  solcher  Steinsarg,  höchst  wahrscheinlich  aus  der  Zeit  von  Mark  Anrel 
herstammend,  ist  der  zu  Amendola  gefundene.  Es  liegt  nahe  anzunehmen, 
dass  derselbe  die  Ueberreste  eines  vornehmen  Römers  in  sich  schloss,  welcher 
an  dem  Kriege  jenes  Kaisers  gegen  die  Markomannen  Theil  genommen  hatte. 
Das  Relief bild  stellt  ein  Gefecht  zwischen  Römern  und  «Barbaren  vor.  Je 
wahrscheinlicher  es  aber  ist,  dass  dieser  Sarkophag  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  zweiten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  herstammt,  um  so  unwahr- 
scheinlicher ist  es,  dass  die  auf  ihm  abgebildeten  Barbaren  Gelten  und  keine 
Germanen  sein  sollten.  Wenn  schon  in  den  ersten  Jahren  nach  Christus, 
wie  ich  bemerkt  habe  als  von  der  Gemma  Augustea  die  Rede  war,  Kämpfe 
zwischen  Römern  und  Gelten  (Galliern)  einer  halbvergessenen  Vergangen- 
heit angehörten,  so  war  dieses  anderthalb  Jahrhunderte  später,  zur  Zeit  von 
Mark  Aurel,  noch  in  viel  höherem  Masse  der  Fall.  Gallien  war  damals 
schon  längst  völlig  romanisirt  und  Niemand  dachte  mehr  an  die  Kämpfe 
und  Mühen,  welche  die  Unterwerfung  dieser  Provinz  den  Vorfahren  ge- 
kostet hatte.  Dagegen  aber  gefährdeten  gerade  unter  Mark  Aurel  ger- 
manische Stämme,  wie  die  Markomannen,  Quaden  und  andere,  das  römische 
Reich  in  sehr  bedenklicher  Weise.  Sie  waren  schon  bis  an  die  Grenze  von 
Italien  vorgerückt  und  wurden  von  den  Kömern  nur  mit  vieler  Mühe  über 
die  obere  Donau  zurückgetrieben. 

Der  Bildbauer,  von  welchem  dieses  Sarkophagrelief  hen-ührt,  würde 
auch  wohl  schwerlich,  wenn  er  nicht  mit  Germanen  kämpfende  Zeitgenossen, 
sondern  mit  Galliern  streitende  Kömer  der  Vorzeit  hätte  darstellen  wollen, 
dieselben  bärtig  abgebildet  haben.  Nur  während  der  Regierung  der  Könige 
und  in  der  allerersten  Zeit  der  Republik  Hessen  die  Römer  den  Schnurr- 
und Kinnbart  wachsen.  Später  aber,  während  der  ganzen  übrigen  Dauer 
der  Republik   und  der  ersten  Hälfte    des   Kaiserreichs,    scheren   sie  Kinn, 


MiBoellen.  167 

Wftpgen   völlig  glatt,    tragen    anch  sehr  knrzgeschmtteneg 

erscheinen  noch  Trajan  nnd  alle  übrigen  Römer  anf  den 

^janssäale.     Erst  nnter  lladrian  kam  das  Tragen  der  Barte 

blieb  bis  auf  Konstantin  den  Grossen  herrschende  Sitte. 

|ke  den  Bart   ab,    Jnlian  der  Abtrünnige  gab  ihm   aber 

T  wieder   zurück.     Das  Volk,    namentlich  die  Vornehmen  nnd 
Mi*  i 

tid,  folgte  aber,  mit  Bezug  auf  das  Tragen  oder  Abscheeren 

Üiier  dem  Beispiele  der  Cäsaren.     Der,    wie  in  hohem  Orade 

^'^  ,iat,  im  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus  lebende  Verferti- 

""^     Mif  dem  Sarkophage   von  Amendola,    konnte   und   musste 

10^H  Tragen  .des  Bartes  eine  damals  noch  verhältnissmässig  neue 

■rtV'  vüi'de  sich  dessbalb,    gegen  besseres  Wissen,    eines  groben 

t0mf  schuldig  gemacht  haben,  wenn    er    mit  Galliern  kämpfende 

j^g0i.  ihcren  Zeit  bärtig  dargestellt  hätte. 

^gg^  kte  schon  dass  die  Frage,  ob  die  auf  Bildwerken  des  Alter- 

^^^'i enden   gedrehten  Halsringe,    auch   wohl  immer  aus  Metall 

^^^  liilnder    nnd    nicht    mitunter    auch    wirkliche    Halsstrioke 

_  gs  schon  abthuend  beantwortet  sei.      Man  hat  früher,    als 

)nch  nicht  zu  ihrer  gegenwärtigen  Bedeutung  gelangt  war, 

"""^  '.Inband   des    sterbenden  Fechters   für  einen  der  einfachen 

U8  —  gehalten,    deren    sich   nackt   kämpfende  Barbaren, 

Gladiatoren,    bedienten  um  ihre  Hals-  und  Schultergegend 

iregen  Schwertesstreiche  zu  schützen.  Diese  Ansicht  scheint 

:'^n  von  der  Nationalitätsfrage,  mit  ßezng  sowohl  auf  den 

T,   als  auf  die  zwei,  anf  dem  Sarkophagrelief  von  Amen- 

Scit«  des  Anschauers  sitzenden  nackten  Barbaren,  durch- 

'  sein.     Das  Halsband  dos  auf  diesem  Bilde  links  Sitzen- 

.:bes    vorne    geöfinet   und    an    seinen   beiden  Enden   mit 

rsehen  ist,    dürfte  eher  ein  wirklich  metallener  Torques 

lär  meine  Meinung  liefert  die  schon  erwähnte  Grappe  in 

Der   sich    den  Tod   gebende  Mann    hat    sich    nämlich 

seines  Halsstrickes  entthan  und  beide  liegen  zu  seinen 

triok  aber  zeigt  eine  gerade  Linie.      Bestände  derselbe 

ten  Metalldrähten,  so  würde  er,  von  dem  Halse  abgethan, 

haben  annehmen  können.     Wahrscheinlich  aber  waren, 

von  Amendola   hervorblickt,    diese  wirklichen  Stricke, 

■»..iilegens  wegen,    an  ihren  Enden  mit  knopfförmigon  Me- 

im.  Dass  aber  römische  Frauen  strickförmig  gewundene 

wird  durch  eine  der  weltberühmten,  so  überaus  schönen 


168 


Miacellen. 


pompeJaniBchen  Tänzerinnen  bewiesen.  Eine  dieser  schwebenden  Gestalten, 
die  gelbbloudu  in  gelbem,  blaugc&äuniten  Gewände,  trägt  einen  aolcben 
TorqueB.  Nieaiand  aber  ist  bis  jetzt  auf  den  Gedanken  gekommen,  sie  aat 
dieseni  Grunde  für  eine  Celtiii  zu  halten. 

\\'irklichc  strickfönuig  aus  Golddrähten  zuBammcngedrehto  Halaringe 
waren,  sogleich  mit  glatten  und  achlangenförmigeu,  wie  ich  schon  oben  be- 
merkte, bei  den  alten  Persern  allgenvein  im  Gebrauch.  Den  Beweis  hier- 
für liefern  longo  lieihcn  von  ReliefUildern  auf  di-n  inneren  Wangen  der  scu 
der  Terrasse  von  Persepolis  hinanff&hrenden,  aus  Marmorblöcken  gebaueoea 
RieKentreppcu.  Diese,  der  Zeit  von  D.trinB  Hyataspcs,  Xerxes  und 
Artaxerxes  Longiraanus  angehörenden  Relief»  stellen  ganze  Aufzüge  von 
Kriegern,  tlof-  und  St^iatsbeamten,  Tribut  and  Gcacbenke  bringenden  Ab- 
gesandten aus  den  yerschiedenen  Satrapien  des  Reiches  u.  b.  w,  vor.  Schon 
Engelbert  Kämpfer  in  seinen  „Amoenitatibu»  exoticis"  apüter  Cnraien 
Nie  bahr,  in  neuerer  Zeit  aber  Ker  Porter,  Flandin  und  Coste, 
Texier  u.  A.  haben  in  ihren  Reisewerken  Abbildungen  von  den  meisten 
dieser  Reliefs  mitgetheilt. 

Bätte  Theodor  Dergk  nur  einen  einzigen,  ganz  kurzen  Blick  auf 
diese  altpereischen,  in  Stein  gehauenen  Costürobilder  geworfen,  so  wäre  er 
ohne  Zweifel  niemals  auf  den  in  der  That  Verwunderung  erregenden  Ge- 
danken gekommen,  das  prachtvolle,  eilf  Fuse  hohe  und  zwanzig  Fuss  breite 
Moaaikgemiilde,  welches  am  vierundzwanzigsten  October  1831,  in  Gegenwart 
von  dorn  Sohne  Goethe'a  in  dem,  nach  der  gleichfalls  daselbst  gefundenen 
Erzstatuelte  des  , .tanzenden  Faunen'*  Casa  dcl  Fauuo  genannten  Hause  ent- 
deckt und  augenblicklich  für  din  Darstellung  einer  Scene  ans  der  Schlacht 
bei  Isaos  zwischen  Alexander  dem  Grossen  und  dem  letzten  Achäme- 
nidenkönige  Darius  Kodomannus  erkannt  wurde,  nicht  auf  diese,  sondern 
ftuf  die  Schlacht  zu  beziehen,  welche,  im  Jahre  246  vor  Christus,  bei  Delphi 
zwischen  Griechen  und  einer  in  Griechenland  eingedrungenen  Galaterhorde 
stattfand.  Bergk  beruft  sich  darauf,  doss  einige  der  auf  diesem  Schlachten- 
bilde dargestellten  Nicbtgriecben  gedreht«  Halsbänder  tragen,  also  Gelten 
■ein  miissen,  Barte  zeigen,  also  keine  Perser  sein  können  nnd  endlich  dass 
der  im  Hintergrande  stehende  entlaubte  Baum  mit  grüsster  Bestimmtheit 
beweise,  dass  hier  keine  andere  Schlacht  als  die  bei  Delphi  gemeint  sein 
könne,  weil  dieselbe  gerade  zur  Winterzeit,  während  einea  Scbneegestöbera 
stattfand. 

Alle  diese  Argumente  sind  aber  sehr  wenig  stichhaltig.  Dass  die 
Perser  wirkliche  Torques  trugen,  erwähnen  schon  Herodot  —  Lib.  VUI,  113; 
Lib.  IX,  80  —  und  Curtiua  —  Lib.  lU,  3.  13;  und  geht  solches  auch  schon 


Miscellen. 


169 


ana  den  Reliefs  von  Persepolis  hervor;  dasB  der  cntlBHlite  Daum  aber 
Veineawegft  auf  die  Schlacht  bei  Delphi  bicweist,  findet  seine  Beatütigung 
darin,  das«  die  Schlacht  hei  Tssos,  nach  Arrian  zwischen  dem  nchtund- 
swanzigsten  October  und  aiebenundzwunzigniien  November  d.  J.  33B  v.  Christus 
stattfand,  also  zu  einer  Zeit,  wo  auch  in  Citicien,  zwinchen  dem  37.  und 
38.  Breitengfrade^  wo  der  Schauplatz  diefcr  Schlacht  war,  die  für  die  Flora 
dieser  Gegend  charactenRtitchen  Eichen,  denn  eine  solche  ist  der  auf  dem 
MoaaikgeraAlde  abgebildete  Raum,  schon  entlaubt,  waren.  Von  Schneege- 
stöber findet  sieb  auf  diesero   Bilde  nicht  die  geringste  Andeutung, 

E«  bleibt  nnr  noch  zu  erörtern,  dans  die  Perser  zu  jener  Zeit  keine 
Bftrte  getragen  haben  sollen,  auf  dem  Gemülde  aber  bärtig  dargestellt  sind. 
Cjms  und  seine  Nachfolger  bis  auf  den  ersten  Artaxer x es,  trugen  jeden- 
falls Barte,  denn  sie  sind,  mit  solchen  veisohen,  auf  den  Reliefs  von 
Paaargadne  und  Peraepolis  abgebildet.  Auch  die  Parthisch- Persischen 
Könige  der  Arsaciden-Dynastie,  deren  Macht  im  zweiten  Jahrhunderte  vor 
Christus  anfing  den  Römern  so  gefährlich  zu  werden,  und  ebenso  die  Sassa- 
niden-Könige  in  Persien,  deren  Reich  im  Jahre  226  nach  Christus  gestiftet 
warde,  trugen  Bärtc. 

Dieses  geht  ans  den  Rasreliefs  von  Firuzabad,  auf  welchen  der  her- 
vorragendste Herrscher  dieser  Dynastie,  Sapor  der  Erste,  abgebildet  ist, 
wie  der  tod  ihm  gefangene  römische  Kaiser  Valerian  zu  seinen  Füssen 
begt,  auf  das  unzweideutigste  hervor.  Es  ist  mir  sehr  wohl  bekannt,  dass 
eine  historische  Anekdote  besteht,  nach  welcher  die  Perser  zur  Zeit  von 
DariQS  Kodomannua  ihre  Rärte  aollen  abgeschoren  Imben.  In  der  auf 
die  bei  Issos  folgenden  Schlacht  bei  Arbela  hätten  nämlich,  wie  erzählt 
wird,  die  unbärtigen  Persei-  die  laugbärtigen  Macedonier  bei  den  Barten 
ergrifFen  und  sie  auf  diese  Weit^e  zu  Boden  geworfen  j  in  Folge  hiervon 
ober  habe  Alexander  seinen  Soldaten  befohlen,  sich  noch  während  der 
Schlacht  die  Barte  abzuschneiden.  Diese  Erzählung  gehört  aber  in  das 
Gebiet  der  historischen  Märchen.  Hätten  wirklich  die  letzten  Könige  ons 
der  Dynastie  der  Achämeuiden  das  Tragen  der  Barte  untersagt,  so  wäre 
dieses  Verbot  mit  allen  Sitten  und  Gewohnheiten  des  Orients,  welche  sich 
immer  gleich  gebliehen  sind,  durchaus  in  Widersprach  gewesen. 

Man  braucht  nur  die  Beschreibung,  welche  J.  G.  Droysen  in  seiner 
im  vorigen  Jahre  neu  aufgelegten  Geschichte  Alexander  des  Grossen, 
Band  I,  Seite  254 — 262,  von  der  Schlacht  bei  Issos  entwirft,  mit  jenem 
Mosaikgemälde- zu  vergleichen,  um  zu  der  Ueherzougung  zu  gelangen,  dass 
das  letztere  gewissermassen  nur  eine  Illustration  zu  dieser  Beschreibung 
bildet.      Droysen    sagt  nämlich  Seite  262:   ,, Schon  sab  Alexander  des 


.170  Miaoellen. 

Perserkönigs  Scblachtenwagen;  er  drang  auf  diesen  vor;  es  entsptum 
sich  das  blutigste  Handgemenge  zwischen  den  edlen  Persern,  die  ihren 
Eöni^  vertheidigten  and  den  macedonischen  Rittern  die  ihr  König  führte; 
es  fielen  Arsaces,  '  Kheomitres,  Atycyeg,  der  egyptiache  Satrap 
Sabacas  u.  s.  w." 

Gerade  diese  Soene  giebt  das  Gemälde  von  Pompeji  wieder.  —  Den 
Mittelpunkt  desselben  nimmt  der  reichverzierte,  mit  vier  prachtvollen,  reich- 
geschmückten  Pferden  bespannte  Streitwagen  des  Königs  ein,  umgeben  von 
lanzentragenden  Kriegern  zu  Pferde  und  zu  Fnss.  Rechts  neben  dem 
Wagen  ist  ein  vornehmer  Perser,  dessen  Pferd,  von  einem  Dreizack  ge- 
troffen, sich  auf  der  Erde  windet,  zu  Boden  gesunken.  Derselbe  will  sicli 
aufraffen  und  ein  anderer  Perser  ist  schon  von  seinem  Pferde  gesprungen, 
um  dieses  dem  unberitten  Gewordenen  anzubieten,  als  Letzterer  von  der 
Lanze  des  heranstärmenden  Alexander  durchbohrt  wird.  Darias 
sieht  den  Tod  dieses  Persers,  der  ihm  jedenfalls  sehr  theuer  war,  mit  dem 
Ausdrucke  höchsten  Schmerzes  und  Entsetzens  an,  während  die  Pferde 
seines  Wagens  angepeitscht  werden,  um  den  König  so  schnell  wie  möglich 
dieser  gefahrvollen  Lage  zu  entrücken.  Dass  hier  von  keinen  barbarischen 
Galaterhorden  die  Rede  sein  kann,  geht  schon  aus  der  prachtvollen  Klei- 
dung und  Bewaffnung  der  Nichtgriechen  auf  diesem  Bilde,  ihren  reichver^ 
zierten  Pferden  u.  s.  w.,  auf  das  bestimmteste  hervor.  Auch  tragen  die- 
selben jene  eigenthümliche,  hohe,  unter  dem  Kinn  zugebundene,  Kirbasia  ge< 
nannte  Kopfbedeckung,  welche  sich,  zugleich  mit  der  übrigen  Kleidung, 
schon  auf  deu  erwähnten  Reliefs  von  Persepolis  und  Firuzabad  findet. 
Der  helmlose  Kopf  von  Alexander  gleicht  ausserdem  durchaus  den  von 
ihm  erhalten  gebliebenen  Rüsten. 

Es  liisst  sich  auch  kaum  annehmen,  dass  der  gebildete  Römer,  welcher 
die  B^lur  seines  Hauses  mit  diesem  prachtvollen  Mosaikgemälde  schmücken 
liess,  hierzu  das  Motiv  gerade  aus  der  Schlacht  von  Delphi  gewählt  haben 
sollte.  Denn  diese  Schlacht  war,  im  Vergleich  zu  der  bei  Issos,  von  so  gut 
wie  keiner  welthistorischen  Bedeutung  und  halte,  namentlich  auf  die  Römer, 
gar  keine  Beziehung.  Die  Schlachten  Alexander  des  Grossen  mit  den 
Persern  dagegen  w^aren  zu  der  Zeit,  wo  jenes  Gemälde  wahrscheinlich  ent- 
standen ist,  nämlich  in  den  letzten  50  Jahren  vor  oder  den  ersten  50  Jahren 
nach  Christ  US,  jedem  gebildeten  Römer  ebenso  bekannt,  wie  sie  es  gegen- 
wärtig noch  einem  Jeden  von  uns  sind. 

Ich  glaube  das  hier  Gesagte  wird  für  den  Beweis  genügen,  dass  man 
mit  der  Bedeutung,  welche  man  den  gedrehten  Arm-  und  Halsringen,  den 
sogenannten  Turcjues  mit  Bezug  auf  das  specitische  Celtenthum  gegenwärtig 


MiaeeUea. 


171 


zuerkennt,  häofig  viel  zu  weit  geht  und  dasa,  auB  diesen  Ringi-n  allein,  nur 
mit  grosser  Vorsicht  historisch-ethnographische  Schluecfolgerungen  gezogen 
werden  dürfen.  I>r.  M»bnike. 

3.  —  Schalensteine.  In  der  Sitzung  der  Niederrh.  Gesellschaft 
vom  18.  Februar  1878  sprach  Prof.  Schaftffhausen  über  diese  mit 
runden  Höhlungen  versehenen  Stoinblöcke,  deren  symbolische  Bedeutung 
wir  noch  nicht  kennen,  und  legte  zwei  neuere.  Scliriften  darüber  vor: 
Rtvett-Gai-nac,  On  anoient  rock  sculpturings  in  Kamaon,  Journal  of  the  As. 
Soc  ofBengal,  1877  und  E,  Desor,  Les  pierres  k  dchelles,  Genöve  1878. 
Die  erste  Beschreibung  eines  solchen  Schalensteins,  des  Steins  von  Muni- 
laville  im  Jura  gab  Troyon  1849.  Jetzt  kennt  man  deren  in  der  Schweiz 
mehr  als  fünfzig.  DeCanraont  hielt  sie  fär  Opfersteine,  von  Bonstetten 
will  die  Böhlungen  gar  nicht  für  künstlich  halten,  sondern  lässt  sie  durch 
Auswitterung  Ton  Sphaerolitfaen  entstanden  sein.  Beide  Ansichten  sind 
widerlegt  dnrch  die  Entdeckung  Rivett-Carnacs,  der  sie  in  Indien  auf 
Felsw&nden  fand,  wie  vor  10  Jahren  Verchfere  im  Kaschniirthale  auf 
erratiechen  Blöcken.  Keller  beschrieb  die  der  Schweiz  in  den  Mttth.  der 
»ntiqnar.  Gefiellsch.  zu  Zürich  XVII  1863.  Simpson  gab  eine  Zusnmmen- 
stellang  derselben  in  seinem  Werke:  Archaic  sculpturea  of  oops,  circles  etc. 
opon  stones  and  rocke  in  Scolland,  England  and  other  coiintries,  Edinb. 
1867.  Merkwürdig  ist,  dass  diese  Denkmäler,  die  den  Weg  der  Indoger- 
manen  zn  bezeichnen  scheinen,  im  südlichen  und  westlichen  Deutschland, 
im  östlichen  Frankreich  und  in  Italien  fehlen  odA*  doch  bisher  nicht 
beobachtet  sind.  I'agegen  sind  sie  schon  in  Brandenburg  und  Holstein  auf- 
gefunden, vgl.  Zeitschrift  für  Ktbnol.  Berlin  1872,  S.  223.  Wahrscheinlich 
haben  diese  Zeichen  eine  religiöse  Bedeutung.  Rivett-Carnac  bringt  sie 
mit  dem  noch  heute  bei  den  Indern  sehr  verbreiteten  Phallus-  und  Cannas- 
Dienst  in  Verbindung. 

4.  Bonn.  Bei  Erdarbeiten  wurden  in  letzter  Zeit  wieder  verschiedene 
Stempel  anf  terra  sigillata  Scherben  gefunden,  von  welchen  ich  zwei  hier 
mittheile,  weil  dieselben  in  Bonn  bis  jetzt  nicht  vorgekommen  sind,  and 
überhaupt  zu  den  seltenen  gehören.  Im  Rheindorfer-Pelde  wurde  das 
Bruchstück  eines  sehr  grossen  Tellers  mit  dem  Stempel  MINVTVS  '  F 
ausgraben,  welcher  obgleich  V  and  T  etwas  gelitten  haben,  deutlich  zu 
lesen  ist  (vergl.  Schuermans  3612 — 14.  Fr.  1589).  Beim  Legen  der  neuen 
Gasröhren  in  der  Beerstrasse  fand  man  das  Bruchstück  eines  kleineu  fassen- 
f&rmigen  Napfes  mit  dem  Stempel  CILSIV^VS  •    (vergl.    Seh.     1236     und 


Tr.  623). 


172  Miaodlen. 

Ob  der  sweite  Bachatabe  E  oder  I  za  lesen,  ist  nicht  klar  zu  sehen, 
näher  steht  er  dem  I.  Der  dritte  Bnchstabe  L  hat  beinahe  die  Form  eines 
C.  Der  Mittelstrich  des  N  steigt  fälschlich  von  der  nntem  Ecke  des  ersten 
senkrechten  Striohes  znr  obem  Ecke  des  zweiten.  Eine  ebendaselbst  ge- 
fundene Lampe  mit  dem  häufigen  Stempel  EVCARPI  hat  als  Yersierong 
einen  kleinen  Kopf  (Maske),  welcher  anscheinend  die  Zunge  herausstreckt, 
eine  Darstellung,  welche  mir  bis  jetzt  auf  Lampen  noch  nicht  bekannt 
geworden.  y.  Yleuten. 

5.  Cfiln.  Einer  brieflichen  Mittheilnng  unseres  geehrten  Mitgliedes 
des  Herrn  Wolff  in  Cdln  entnehmen  wir  Folgendes: 

Ende  Januar  d.  J.  wurde  hier  in  Cöln  angeblich  in  der  Nfthe  der 
Altenburg  ein  kleiner  Sarg  aus  Tuffstein  gefunden,  in  welchem  sich  folgende 
römische  Gefösse  befanden: 

1.  Eine  römische  Flasche  in  Form  eines  Fässchens  19  cm  hoch  und 
88  cm.  im  Umfang;  oben  und  unten  je  fünf  Reifen  im  Glase  ausgeprägt; 
an  dem  oben  angesetzten  Halse  zwei  Henkel. 

2.  eine  Glasschale  von  seltener  Dflune,  40  cm  Umfang  und  6  cm  Höhe ; 
dieselbe  hut  10  Einbauchungen. 

S.  eine  kleinere  Schale,  ohne  Einbauchungen,  SO  cm  Umfang;  6  cm 
Höhe;  mit  Linienverzierungon. 

4.  eine  terra  aigillata  Schüssel  mit  Blatt ornfunenten. 

Tn  domsoUxM)  Sarge  wurden  nngeblich  46  Münzen  gefunden :  1  Denar 
von  Julia  Mt\m«'rt,  1  Hilloii  M.  von  Tost uiuus.  dann  Kleinerze:  1  von  Probiis, 
1  von  MaxiniinnuH  Iloro.,  1  von  Maxiininuü  II,  3  von  Licinius,  26  von  Con- 
HluntinuM  M.,  2  (\)nHtnntinopoliM,  1  l'rbs  Roma,  1  von  Fansta,  3  von 
(ViHpiiN  und  n  von  Constnntius  II.  lliernnch  würde  der  Fund  etwa  iu  das 
Jnlir  3rtO  zu  Motron  sein. 

r>.  Koruich.  Kino  Stunde  unterhalb  Andernach,  in  der  Nähe  von 
Iti'ohl,  liogt  unniittolhnr  nut  Hhoin  das  Pörfchen  Fornich.  In  Mitte  der 
wonlf^on  (\\)  MiuiMor  ragt  das  Thürmchon  einer  kleinen  Capelle  hervor, 
wololio  Üliil*  v«>n  d«Mn  ohoniali^on  Andernaohor  Pastor  Johannes  von  Irlich 
KONlirjot  und  dotirl  wurde.  Am  l>.  I>oc.  dessolbon  Jahres  genehmigte  der 
l''.ry'.liiNcliof  von  Trioi',  ('uno,  juif  Kruuclu'n  dor  Kxecutoreu  des  Testamentes, 
uiilor  wi'li-liiMi  li«tHond«>rN  nanilmft  ^tMuni'ht  wird  der  Pastor  in  Kempen, 
•loliannoH  von  Urolo,  d<<r  lutoh  (>  Mitrk  oon!«u(t  ^H^rpetui  und  einiges  Acker- 
land d<<r  l'undittion  liinvut'n^^lo.  dio  Stiitunt;  und  Errichtung  der  Capelle 
nchnt  ilor  NVolninnK  di<»  Kootttri«  und  dio  Uoatauration  des  daselbst  schon 
lionloltondon  llonpiliuniii  i'itr  Anno  itn«l  Koisondo  mit  der  Bestimmung,  dass 
dti|-  (}ii|atliohi>  iliM-  t'tipoUo   au  droi  Taiton  jtHK-r  Woche  und  zwar  so  früh- 


Misc&lleo. 


173 


zeitig  daa  b.  Meseopfer  darbringen  aolHo,  dasa  die  EiowobDer  tod  Fomicb 
bequem  demselben  beiwobnen  köontec,  dass  derselbe  dagegen  an  allen  Fest- 
tagen an  dem  Gottesdienste  in  der  Mutterkircbe  zu  Andernacb  tbeiku' 
nehmen  und  den  dortigen  Pnator  als  seinen  näcbatea  Vorgesetzten  zu  be- 
trachten habe '). 

Die  fundirten  Güter  bestanden  anaeer  den  zwischen  Ebein  und  der 
Strasse  gelegenen  Häusern  des  Testators*)  aus  W<'iiibergen  bei  War  (oder 
Mar),  in  Kunigadail  (jetzt  Künigstbal),  an  der  Helden  (j.  Helder),  an  der 
Haien,  an  der  Lantzajl,  am  Weinberge  des  Jac.  Elaenson,  gen.  Ludes- 
halveratucke,  und  aus  theilweise  mit  Nuss-  und  Birnbäumen  bfepßanztem 
Ackerland  und  Waldung  an  dem  Wyger,  uff  dt'm  Gerne,  am  Erfcndal  (j. 
EIrfenthal),  an  dem  Bücbnrt,  am  Bach  (j,  Uelkbach),  am  Wascnbulen,  beim 
Hof  Alkorn  (j,  Alkenerhol),  in  den  Dörfern  Nombdey  (Namedy)  und  Ketge 
(KetUg),  im  Gebiet  von  Brüle  (Brobl)  and  Ilojnchein  (HönningonV). 

Vorstehende  Nachrichten  entnehme  ich  der  auf  Schweinsleder  ge- 
schriebenen lateinischen  Stiftunga- Urkunde,  welche  sich  in  der  Nacblosaeu- 
Bchaft  dea  kürilich  hier  verlebten  Eentners  Hahn  vorfand  und  folgender- 
maasen  lautet: 

In  nomine  Christi.  Amen.  Cuno  dei  gratia  sanctae  Treverensis  ec- 
desiae  Archiepiscopua,  sancti  Imperii  per  Galiiam  Archicaucellariua.  Ad 
perpetuam  rei  memoriam.  Digne  pastoralis  ofßcli  debitum  ezequi  tu.no 
credimua,  cum  Domini  uominis  cultum  püa  adaugere  votis  pauperumque 
calamitatibus  subvenire  cupientibus  dcsiderabiliter  occurrimus  nostracque 
cooperante  altissimo  sollicitudinia  ad  haoc  operam  favorabiliter  impertiniur. 
Oblatae  siquidem  nobis  devotorum  viromm  lohannis  de  Brole  pastoria  in 
Kempen  Coloniensis  didcesis  et  aliorum  Executorum  testameati  seu  ultinme 
voluntatia  quondam  luhnnnis  de  Irlich  plebani  ADdernacetislB  nostrao  Tre- 
verensis  diöcesis  petitioois  series  continebat,  quod  ipai  secundum  piain 
voluntatem,  quam  idem  quondam  lobannes  testator  in  vita  et  uaqiie  ad 
finem  vitae  suae  gerobat»  Intendant  Deo  auctore  in  villa  dicta  fornich  sita 
in  littore  reni  infra  limitea  parochiae  dictae  ecclesiae  ADdernaccnais,  de 
bonifl    per  praefatum  qaondam  lobannem    reUctis  de  novo  erigere,    fundare 


1)  Noch  jetzt  ist  Fornich  Filiale  von  Andernach  und  der  hiesige  Pastor 
gebalten,  wenigstens  einmal  im  Jahre,  am  Patronsfeste  sa.  trinitatis  in  dortiger 
Capelie  zu  oelebriren. 

2)  Das  ganze  Terrain  ist  seitdem  bis  unmittelbar  au  die  Etappenstrasse 
von  den  Fluthen  daa  Rheines  verschlungen,  so  dos«  eätnmtliobe  Wohnungen  auf 
der  linken  Seite  dea  Weges  liegen,  ein  Umstand,  dem  dos  bon  mot:  In  Fornich 
wird  der  Pfannkuchen  nur  auf  einer  Seite  g«bftckeii,  seinen  Ursprung  verdankt. 


174  MiseeUen. 

et  dotare  anam  capellam  ac  domnm  habttationis  pro  nno  sacerdote  ipsain 
capellain  officiataro  pro  tempore  ac  etiam  reformare  et  aptare  domnm  hoapi- 
talariam  in  eadem  villa  sitam  dadam  depatatam  et  donatam  per  qnosdam 
christifideles  pro  recipiendis  peregrinis,  advenis  ac  aliis  utriasque  sexna 
hominibos  panperibns  transitaris  dictam  villam,  hospitam  in  illa  deaide- 
rantibofl  propter  Deum. 

Sapplicato  quoque  nobis  per  dictos  Executores,  qaatenns  nos  erectionif 
fandationi,  dotationi  et  resignationi  haiusmodi  autorizationem,  approbationem 
et  confirmationem  anctoritate  ordinaria  adhibere  et  interponere  dignareinnr, 
Nos  de  huiasmodi  erectioois,  fundationis,  dotationis  et  reformatioois  negotio 
eiasque  circumstantiis  pro  tuac  notitiam  non  habentes,  sed  postmodnm  de 
bis  per  certos  nostros  in  hac  parte  ccmmisBarios  plenins  informati  quam 
reperimns,  qaod  locus,  bona  redditusqne  subscripta,  snnt  in  plena,  pacifica 
et  libera  dispositione  et  potestate  Executornm  praedictornm  qnodqne  locna 
per  dictOB  Executores  ad  hoc  depatatns  in  contiguo  dictae  domos  hospita- 
lariae  sitaatan  et  ad  ipsam  domum  spectans  satis  aptos  et  convenienter 
spatioBus  est  ad  fandendum  capellam  et  domnm  habitationis  pro  sacerdote 
et  ad  reformandum  eandem  domnm  hospitalaiioe^)  pro  panperibns  prae- 
scriptis  in  dicta  villa  fornich,  pront  supius^)  est  expressnm  qnodqne  bona 
et  redditus  pro  sustentatione  nnius  sacerdotia  congrna  et  decenter  snffici- 
entes  depntati  sunt,  quae  bona  et  redditus  noroinatim  et  specifice  inferios 
describuntar,  erectioni,  fundationi,  dotationi  et  reformationi  praedictia  sd 
laadem,  gloriam  et  honorem  I)ei  omnipotentis  castissimaeque  genitricis  eins 
virginis  Mariae  necnon  omnium  sanctorum  interveniente  consensu  et  volan- 
tate  lohannis  de  Hexhera  nunc  plebani  dictae  parocbialis  ecciesiae  in  Ändei" 
naco  nostrujn  adhibuimus  et  tenore  praesentium  beniguum  adhibemus  con- 
sensum,  ipsasque  auctoriisavimus,  approbavimus,  confirmavimus  ac  in  bis 
scriptis  auctorizanms,  approbamns  et  anctoritate  ordinaria  in  Dei  nomine 
conßrmamus.  Indulgentes  ut  in  loco  antescriplo  in  dicta  rilla  fornich 
capella  ac  donius  sacerdotia  libere,  sed  absque  cniuscunque  alieni  Iuris 
praeindicio  per  Executores  praedictos  et  eorum  coadiutores  seu  cooperator^s 
erigi  valcnt  et  fuudari  et  domus  hospitalaria  reforraari  ad  usus  panperum 
praedictoruni  quodque  ipsa  cupella,  postquam  ereeta  et  constructa  seu  fun- 
data  fuerit,  possit  per  quemcunque  Archiepiscopuiu  vel  episcopum  catholi- 
cum  notum  graiiam  sodis  npostulicae  et  executioneni  sui  officii  obtinentem 
debito  ot  ad  hoc  Statute  tempore  secundum   ritnm  sanctae  raatris  ecciesiae 


1)  Soll  wohl  hcisscn  „hospiialariam". 

2)  supiua,  ist  vioUeicht  ^  supra?     Oder  sacpius? 


MiscelleD. 


175 


oooaecrari,  quam  etiam  capellam  extonc  pröut  exnnnc  et  nnnc  prout  ex- 
tanc  io  peqi«tDum  beneficium  eocleeitisticnin  distinctnm  erigitnus  et  oreamas 
ipsamqae  cam  suis  bonis,  luribus  et  redditibua  Bubscriptis  a  mstrice  ec- 
deaia  praedicta  distingainms  et  perpctuo  separamas,  bona  quoque  et  redditas 
ipsias  iaferius  designaoda  sea  deBJgnandos  et  si  qaa  ah'a  in  futQro  pia 
christifidelium  largitione  ad  CApellnm  et  domo»  praedictas  contigit,  nniver- 
sia  ac  aingalia  privilegiis,  luribas,  bbertalibus  ac  bonia  consnetudinibas, 
qnibus  bona  ecclesioatica  de  Iure  et  cousuetudine  iaaigairi  et  libertär!  con* 
Bueverant,  adacribimus  per  praesentea. 

Vemm  quia  ius  patroDatua  seo  collatio  ecclesiae  parocbialia  in  Ander- 
Da£o  praedictae  ad  Archiepiscopos  Treverenaes  pro  tempore  pertinuit  et 
pertinet,  volumua,  Bt^taimus  et  ordinatnua,  qnod  etiatn  cullatio  dictae  ca- 
pellae  hac  vice  et  exnunc,  quotiena  eam  vacare  contigit,  ad  noa  nostrosqoe 
SQcceasorea  Archiepiacopos  Trevefenaes  apeutare  debeat  pleno  Iure.  Ita 
videlicet,  qood  noa  et  idem  noatri  anccessores  babeamns  perpetuo  ipaam 
cnpellam  conferre  peraonae  idoneae,  nctu  aacerdoti  vcl  quae  infra  annum  a 
tempore  collationis  eibi  factae  in  aacerdotera  promoveatur ;  quod  ai  legitimo 
impedjmento  et  dispenaatione  canonica  cessaiitibuB  non  fecit,  ipaara  capellam 
▼acare  statuiraus  ipso  Iure.  Rector  quoqae  aaepe  dictae  capellae  pro  tem- 
pore ipaam  capellam  in  diviuia  devote  officiabit  aut  olficiari  procuraliit,  in 
qualibet  aepiimana  tribaa  dieboa  non  festivia  miasam  celebrando  absque  nota 
adoo  mane  poat  ortnm  diei,  ne  incolne  dictae  villae  fornich  ipeaa  tnisBaa 
auditori  a  auia  cultnris  et  negotüa  nimium  retardentur.  Ordinamus  insuper, 
quod  aacerdoa  capetlanua  pro  tempore  aupradictae  capellae  plebano  Ander- 
nacenai  debitara  tamquam  auo  anperiori  aicnt  alii  aui  capellani  exbibeat 
revereotiam  quodque  io  festivitattbua  praecipuis  et  festivia  diebua  legitimo 
OeasaDte  impedimenlo  intersit  divinis  oniciis  iu  parochiali  ecclesia  supradicta. 
Fraeterea  volamoa  et  ordinamus,  quod  oblationea,  si  quae  in  misfBis  in  dicta 
capella  Deo  auciore  diceudis  ad  altare  obvenerint,  cedant  plebano  eccleBiae 
Aodernacensis  pro  tempore  quodque  capcUnnuB  eiasdem  capellae  pro  tem- 
pore in  aua  cuatodia  et  clausam  teneat  dictam  domum  hoapitalariam  et  per 
w  ant  per  aliam  honestam  peraonam  paopereset  peregrinos  inibi  hospitari 
deaiderantea  recipiat  et  admittat,  dumtaxat  hoapitio  nee  tenebitur  eis  de 
victualibua,  sed  tantum  de  atramentis  et  lectls  terniis,  qaaedicti  Executores  et 
alii  Deo  devoti  ad  domum  hospitalariam  aapradictam  deputaverunt,  providere. 

Bona  vero  et  redditua  ad  dictam.  capellani  deputata  seu  depotatos,  de 
qmbus  saepinB*)  fit  mentio,  htc  duximus  subnotanda.      In  primia  siquidcm 


1)  of.  4.  deutlioh  iat  geschrieben  supitis. 


176 


MisoeUen. 


una  cum  area  sea  loco  fandaudae  capellae  et  domoa  Baoerdotalis  necnon 
domuB  hospitalariae  reformaDdae  et  meliorandae  Executores  praedicti  depn- 
tarunt  et  dcputant  omnia  et  Bingnla  bona  haereditaria  Immobilia  quondaxn 
lobanuis  testatoris  praedicti  sita  in  villa  foruich  et  eias  bannia  sea  ter- 
minia  et  confiniis  videlicet  domoB  eiusdem  conivinctim  et  ad  iavicem  eitaataa 
inter  renum  et  plateam  oommanem  tranaeuotem  villain  foruich  valentea  ad 
oensum   anauum  coiumunibus    annis    decem    marcas  Golonlensis    pagameoti, 

n 

qoae  aolvQDt  fiingatie  annis  .  .  Sucgyius ')  de  Rynecko  duas  roarcae  per- 
petui  cenauB.  Item  ncam  peciam  vinearuni  aitam  apud  war  continentem 
unnm  qaartale  apad  vineam  lobannis  geil  de  weyeo.  Item  unam  peciam 
in  loco  dicto  Kunigdatl  apud  viueam  lohannis  geil  supradicti  continentem 
ununi  quartale.  Item  unnm  pecinm  an  der  beiden  sitam  apud  vineam  loh. 
geil  antedicti  continentem  unum  quartale  cum  dimidio.  Item  unam  peciam 
«Q  der  baelen,  per  quam  tranait  ripa  prope  Ernestum  carpen  de  foruich 
continentem  unum  qnartale.  Item  unam  peciam  inferius  der  halen  sitam 
iufra  rineas  beredum  dicti  Zeynmarx  continentem  unnm  quartale,  quae  sol- 
vit  fratribns  domus  Theuthouicae  in  Confiueua  septem  solidos  perpetoi  cen- 
BOB  Colonienais  pagamenti.  Item  nnam  peciam  <an  der  Lantzayl  iuzta 
vineam  heredum  dicti  Zeynmarx  praedictomm  continentem  unum  quartale. 
Itetn  unam  peciam  dictam  LndeBbalveratucke  iuxta  vineaiu  lacobi  dicti 
Elaensoo  ab  una  parte  versus  nemus  babentem  quaadam  arbores  oactun 
continentem  nnmn  ipartale,  quae  septem  quartali  cum  dimidio  quartali  vino- 
arum  praodictarum  communi  aestimatione  et  largc  aestimata  sunt  singuUa 
annia  deductis  expenais  ad  tres  amaa  vini  et  arapliua.  Item  in  agria  ara- 
bilibuB  primo  anam  peciam  agri  an  dem  groaBennussbanm  in  loco  dioto  an 
dem  Wyger  com  arboribus  iiucuni  propo  Gobelitium  dictum  Nambdey.  Item 
unam  peciam  agri  aitam  utF  dem  gerne  cum  arboribus  nucam  et  pirorom 
continentem  tria  quartalia  Bolventem  ad  curtem  decialem  in  Brisicb  tree 
aolidoa  bereditarii  cenaus  Colonienais  pagamenti.  Item  unam  parvara  peciam 
agri  cum  arborjbus  nucum  et  pirorum  an  dem  Erfendal  iuxta  agium  moni- 
alium  Andernacensium.  Item  unam  peciam  nemoria  an  dem  Erfendal  aitam 
prope  nemoB  Erneati  supradicti  continentem  unuui  lurnale.  Item  unam 
peciam  nemoris  an  dem  BQcbart  infra  neniua  lohannis  dicti  Nambdey  supra- 
dicti continentem  tria  quartalia.  Item  unam  peciam  nemoris  an  der  baoh 
in  Buperiore  parte  prope  nemua  monialtum  de  Nambdey  continentem  tria 
lurnalia.  Item  unam  peciam  nemoris. an  Wasenbulen  prope  beinriuum  dictam 
mort  continentem  unum  lurnale.     Item  unam   peciam  nemoris  apud  aikom 


1)  Waa  bedeutet  daj  u  über  iu? 


MUcellen.  177 

prope  nemu8  Arnold!  dicti  Swynde  contioentem  tria  lurnalia,  qnae  qnidem 
pedae  agrornm  et  nemorom  praedictorum  commnni  aestimatione  singulis 
aonis  dednctis  expensis  large  valere  potemnt  doodecim  marcas  pagaraenti 
Coloniensis,  ultra  competentiam  lignomm  cremabilium  et  ad  stipandas  vineas 
Bupradictas  et  ad  vineaa  inferins  designandas.  Item  in  territorio  villae  dictae 
Nambdey  deputarunt  et  depntant  doas  pecias  vinearum,  quas  praenotninatus 
quondam  lohannes  plebanoB  Andernaoenais  emit.  erga  Wilbelmum  filiam  qaon- 
dsm  Hoydemici  de  Hachem  militis  sitas  ex  opposito  rabeae  lanaae  continentes 
anam  larnale  cam  dimidio,  de  quibos  sunt  litterae  emptionis,  taxatas  coininuni 
aestiniatione  singulis  annis  ad  dnas  amas  vini.  Item  unam  peciam  nemoris  uff 
dem  alkom,  quam  idem  quondam  plebanus  emit  erga  Thilronnnum  de  Leemen 
et  katherinam  eins  nxorem  continentem  undecim  lurnalia  secundum  tenorem 
Utteframm  emptionis  desuper  constarum  taxatam  singulis  annis  large  ad 
valorem  undecim  maroarum  pagameuti  praedicti.  Item  in  villa  Ketge  in 
nna  pecia  vinearum  tria  lurnalia  cum  dimidio  lurnali  communi  aestimatione 
et  large  faciente  et  valentem  singulis  annis  deductis  expensis  novem  amas 
vini.  Item  lohannes  de  Brule  pastor  in  Kempen-  testamentarius  seu  testa- 
menti  execntor  praedictns,  de  suis  propriis  bonts  addidit  primo  sex  marcas 
perpetui  ceusus  Goloniensis  pagamenti,  quas  Eruestns  Karpe  praedictus  solvit 
singulis  annis  erga  ipsum  Ernestum  compaias '),  de  quibus  sunt  litterae 
emptionis.  Item  idem  lohannes  de  Brüle  de  suis  propriis  bonis  hereditariis 
dedit  et  depntat  ad  usus  sacerdotis  et  capellae  fundandae  ut  proferiur  sex 
Jnrnalia  agrorum  arabilium  in  territorio  de  Brüle  et  hoyncbem  situatis 
valentia  singulis  annis  aestimatione  commnni  deductis  expensis  tria  maldria 
siliginis.  In  quorum  omnium  praemissorum  evidens  et  perpetuum  testi- 
moninm  ac  robur  sigillum  nostrnm  praesentibus  est  appensum  nna  cum 
rigillo  lohannis  de  Hexheym  plobani  ecclesiae  Andernacensis  praedictae.  Et 
ego  lohannes  de  Hexhem  plebanus  ecclesiae  Andernacensis  recognosco,  quod 
fondationi,  erectioni,  reformationi  necnon  coUationi,  ordinationibus  et  sta- 
tatis  ac  aliis  omnibus  et  singulis  supratractatis  meum  consilium  pro  do- 
uüni  cnltus  augmento  adbibui  et  adhibco  per  praesentes,  Kt  quod  in  huius 
rei  testimoninm  et  firmitatem  perpetuam  sigillum  meum  bis  litteris  est 
appensum.  Datum  Erembrechtstein  Anno  Domini  millesimo  trecentesimo 
sexagesimo  nono,  die  IX.  mensis  Decembris. 

Andernach.  Dr.  G.  Terwelp. 

7.  Ein  Steinring  auf  dem  Hohenseelbacbkopf.  Prof. 
Scbaaffhansen    legt   in    der    Sitzung    der    Niederrh.   Gesellschaft    vom 


1)  ooniputata8(?) 

12 


178  Miscellen. 

18.  Febr.  einen  Bericht  des  H.  Bergraths  Hundt  in  Siegen  über  eine  auf 
dem  genannten  Basaltkopf  aus  Basaltsäulen  ohne  Mörtel  anfgerichteta 
3  bis  3  M.  breite  und  ursprünglich  wohl  ebenso  hohe  Ringmauer  vor,  die 
Hundt  dem  celtischen  Alterthume  zuweist.  Innerhalb  dt-rselben  findet  sich 
ein  Braunen,  in  dem  das  Tagewasser  zusammenläuft.  Pie  bisher  dort  ge- 
fundenen Pfeilspitzen  und  Streitäxte  gehören  dem  Mittelalter  an. 

8.  Kessenich.  Im  Anschluss  an  die  Miscelle  Ilefl  LVII.  G  n.  LVIII.  7 
sind  Fnndo  römischer  Gef&sse  und  Mauerfundamente  auch  an  dem  Theile 
dos  Kessenicher  Rheinwegs,  welcher  über  die  Coblcnzorstrasse  hinaus  zum 
Rhein  rcsp.  zur  Schneidmühle  führte,  zn  verzeichnen.  Es  scheint  demnach 
dass  dieser  Weg  vom  Rhein  bis  auf  das  Vorgebirge  und  vielleicht  über 
dasselbe  hinweg  ging.  Die  Mauerfundamente  wurden  beim  Baue  eines 
kleinen  Hauses  des  Ziegelbesitzer  Eich  aufgedeckt  und  scheinen  im  Znsam- 
raenhang  mit  einem  grösseren  Bau  auf  der  südlich  vom  Wege  belegten 
Höhe  zu  stehen.  In  Aassicht  genommene  Ausgrabungen  werden  hoffentlich 
bald  Weiteres  feststellen.  E.  aus'ro  Weerth. 

9.  Kirn.  Briefliche  Mittheilung  des  Hrn.  Dr.  med.  Bntry  d.  d. 
7/12  7T.  In  Bezug  auf  den  im  vorigen  Hefte  8.  172  beschriebenen  Gräber- 
fund ist  noch  Folgendes  zu  melden:  Im  Spätherbst  sind  in  dem  Pr&sens- 
acker  noch  mehre  Altert humsfunde  gemacht  worden;  unter  anderem  eine 
stark  abgonntzto  (röm.)  Münze  und  ein  kleines,  wohlerhaltenes  Glasfläsch- 
chen.  woK'hos  auf  einem  nngofahr  6  Cm.  im  Quadrat  messenden  Steine  stand. 
Aussorvloin  wurJon  lUH'h  grossoio  kohisolie  l'ruen,  so  wie  viele  kleinere 
römisohe  rriioii  nusjiojrraben.  Für  don  Winter  hören  die  Nachgrabungen 
auf.  Viooh  wervleu  dieselben  mit  beginn  des  Fnihlings  wieder  aufgenommen. 

10.  Königs  Winter.  In  der  Gemarkung  von  Mehlem  wurde  un- 
längst eine  i'iemlioh  gut  erhaltene  rCimisohe  Münze  di^s  Kaisers  Antoninns 
Tiu!«  in  (ir\v>iser.'.  gotunJon  wul  von  meinem  Sohne  Pr.  med.  Franz  Fr.  er- 
wvubon.  K#  ist  eine  von  den  s«"g.  Consecratiorsmünzen .  liergleichen 
ii!»eh  «1er  Ver;;ottiiv'h«ng  der  K.-»iser  durih  Sen.itslvsohluss  geschlagen  wur- 
\U-\\.  Julius  t\is.'»r  w.-^r  vier  «rste.  dem  naoh  seinem  T<.dc  diese  Ehre  zu 
Vheil  >\ui\le,  ilnn  to'g?o  ui'nntro'.lMr  sein  .Vdoptivsoha  C.'ksar  Augustus. 
Wir  geben  «l-.o  rnisv-Iirilt  un<ere!-  M'.:«.-e  n.'iv'h  Cohev.  Autov.iiius  Pins  No. 
M;.  .V  ^  OIWS  ANTONINVS.  J^.»  teto  o-.;  soa  baste  nu  ji  droite. 
U^  i'l^NSEC RATIO  S.C  .  l'vWhi:  ä  viv..s:re  ö:ages  en  pyramide.  ome 
de  »;mrUn>les,  »le  di.ijviies.  et  vie  st.-4tue*  stjMVxos  viir  de  colonnes;  an 
uuliru.  mie  jvrte.  !«;ir  le  sonnv.*:,  Autor.;::  vi.^::s  ;::•.  iju.iJ.rige  tFrappee 
njMi^!«  H,k  iiKM't  ^  l  olvr  xue  tV:e> .  oho  d  ivv.  v^i.ie  äiestr  Heiligsprechung, 
«vivlie  u\  -WO»  .Vvte.i  l^•^tel»t .    l^  «Uv  >seK-ut.»g.«,v:v  .V,".s*t»Iluüg  des  iu  Wjurhs 


Misoellen.  179 

nachgebildeten,  auf  einem  elfenbeinernen  Paradebett  sitzenden  Kaisers  vor 
dem  kaiserlichen  Pallast,  wo  der  einem  Schwerkranken  gleichende  von  den 
Senatoren  und  courfäbigen  Damen  Coudolenzbesuche  erhält,  und  i)  in  der 
Verbrennung  der  Leiche,  die  im  2.  Stockwerk  des  pyramidal  in  4  Etagen 
sich  erhebenden  Holzbaus  (rogus)  auf  dem  Marsfelde  aufgestellt  ist,  begnügen 
wir  uns  der  Kürze  wegen  auf  „Rieh,  illustr.  Wörterbuch  d.  rüm.  Alterth. 
übers,  von  Karl  Müller  s.  v.  consecratio"  und  auf  Guhl  und  Koner,  d. 
Leben  d.  Griechen  und  Römer  2.  Aufl.  S. .  7  38  ff.  zu  verweisen,  wo  nach 
Herodianus  (IV,  ^)  die  Gebräuche  einer  solchen  Consecratio  ausführlich  be- 
schrieben werden.  J.  Freudenberg. 

11.  Niedermendig.  Das  sog.  Höhtges-Krenz.  An  der  von  An- 
dernach  nach  Niedermendig  führenden  Actienstrasse,  zwischen  dem  Dorfe 
Thür  und  Niedermendig  erhebt  sich  ein  altes,  der  frommen  Andacht  ge- 
weihtes Denkmal,  das  aus  Mayener  Stein  gefertigte  Höhtges- Kreuz, 
das  sowohl  durch  seine  eigenthümliche  Form  wie  auch  besonders  wegen 
einer  darauf  eingehauenen  ungewöhnlich  grossen  Inschrift  imsor  Interesse 
in  Anspruch  nimmt. 

Hr.  Rector  Dr.  Kruse  hat  mir  bereits  im  Sommer  1876  von  diesem 
Monumente  eine  nähere  Beschreibung  übermittelt,  jedoch  fehlte  es  ihm  an 
der  erforderlichen  Masse,  um  die  sehr  schwer  z»  lesende  Inschrift  genau 
zu  enträthseln.  Mit  mehr  Erfolg  bemühte  sich  um  die  Entziifei'ung  der- 
selben der  Pastor  von  Niedermendig,  Hr.  Definitor  Nörtersheuser, 
welcher  die  Entdeckung  machte,  dass  die  vorliegende  Inschrift  eine  lieber- 
Setzung  des  bekannten  alten  lateinischen  Gebetes:  Salve  regina  sei. 
Abe  rauch  seine  in  dem  Mayener  Sonntagsblatt  vom  22.  Oct.  1876  anonym  und 
jüngst  in  Pick 's  Monatsschrift  f.  rhein.  Geschieh tüforschung  III  S.  596  unter 
seinem  Namen  veröffentlichte  Wiedergabe  der  Inschrift  entspricht  nicht  den 
strengern  Anforderungen  der  Kritik.  Mein  geschätzter  Freund,  Dr.  Pohl, 
hat  sich  auf  meinen  Wunsch  in  den  verflossenen  Herbstferien  der  mühe- 
vollen Arbeit  unterzogen,  au  Ort  und  Stelle  den  Text  der  so  schwierigen 
Inschrift  diplomatisch  genau  festzustellen.  Doch  ehe  wir  zur  nähern  Be- 
sprechung der  Inschrift  schreiten,  erscheint  es  augemessen,  eine  eingehendere 
Beschreibung  des  ganzen  Monuments  nach  dem  uns  vorliegenden  sorgfältigen 
Berichte  des  Hrn.  Dr.  Kruse  vorauszuschicken.  . 

Das  Denkmal  besteht  ans  einer  75  cm.  hohen,  52  cm.  breiten  Stein- 
nische, welche  dachförmig  ausläuft  und  von  einer  l'-^l  cm.  hohen,  32  cm. 
breiten  Säule  getragen  wird,  die  auf  einem  breitern  Sockel  ruht.  Dieser 
hat  die  Form  einer  sechsseitigen  Pyramide,  deren  Spitze  parallel  der  Basis 
abgeschnitten  ist;  die  hierdurch  gebildeten  Trape^ie  sind  unten  47,  oben 
46  cm.  breit. 


180  Miicelleo. 

In  der  Nische  befindet  sich  ein  kanstloses  Holzbildchen,  Maria  mit 
dem  todten  Heiland  auf  dem  Schosse,  an  den  Aussenseiten  der  Nischenwäude 
sind  einander  gleiche  Kreuze  angebracht,  welche  an  ihren  Spitzen  mit  drei 
rhombischien  Verzierungen  versehen  sind  and  eine  Hähe  von  46  cm.,  eine 
Breite  von  30  cm.  haben.  Diu  Rückwand  trägt  ebenfalls  ein  Krenz,  welches, 
abgesehen  von  dem  in  die  Länge  gezogenen  Stamme,  die  Form  eines  Malr 
teser-Erenzes  zeigt  aud  bei  gleicher  Höhe  40  cm.  breit  ist.  Auf  die  Ränder 
der  Nische  findet  sich  nach  vorne,  sowohl  an  den  beiden  Seiten  wie  auch 
unten  die  Angabe  der  Jahreszahl  und  des  Monats  in  folgender  Weise  ver- 
theilt:  Datü  anno  dui  |  jUCCE^CCCXXll  |  IUI  Aust.(?),  woraus  sich  für  die 
Errichtung  unseres  Denkmals  das  Jahr  1472  ergibt. 

Das  Ganze,  auf  welchem  die  Nische  ruht,  hat  die  Gestalt  einer 
kreisrunden  Säule,  bei  welcher  an  der  Hinterseite  in  der  ganzen  Länge 
durch  eine  ebene  Fläche  die  Rundung  unterbrochen  wird.  Der  Rnndtheil 
der  Säule  trägt  vorne  die  in  zwei  Golumnen  stehende  Inschrift  mit  gothi- 
sehen  Schrifteeichen : 

gegrotzet  schrien  '  vnd 

•  sis  tu  '  maia  weine  '  i '  disme 

koenne  '  d'  dal  '  d'  '  trene 

barhtzuet  och  '  dar  '  vmb 

5  leve  •  ind  *  tot        du  '  vs  *  vspch 

sicher  *  ind  "  vs      erien  '  kere 

hoffe  '  gegrotz        di  '  barm 

sis  tu  '  zo  di '  rof     htzne  '  au 

f e  '  m  *  elledich      ge  '  zo  "  vns 
10   eue  ■  knd'  '  zo        und  *  nach  *  d 

di  ■  suftzte  ■  m      iesme  "  elled  * 

bewis  vs  '  ihosum  cristu 

die  ■  gebenedide  "  frucht  din(esV) 

liebes  o  barmhtzno  M(aia?) 
d.  h.  mit  Auflösung  dor  Abbreviaturen:  gegrotzet  sis  tu  maria  "  koenigino 
der  barmhertznet  '  leven  ind  tot  sicher  '  ind  nn8(er)  hoffen  "  gegrotz  sis  tu  * 
zo  dir  roffen  mir  ellendich  cven-kinder  '  zo  dir  suftzten  (sie)  mir  schrien 
vnd  weinen  in  dismc  dal  der  trene  "  och  darvmb  du  vns  vur  Sprech  erien  kere 
din  barmhertzne  augcu  zo  vns  und  nach  diesme  eilend  bewis  vns  ihesum 
cristum  die  gebenedide  frucht  dines  liebes  o  barmhertzne  Maria. 


MiBcelleo.  181 

Um  die  Vergleiohang  der  Tontchenden  üebertragting  mit  dem  Ori- 
giual  zn  erleichtern,  lassen  wir  den  Text  desselben  folgen: 

Salve  R^ua,  raater  miserieordiae,  Tita,  dulcedo  et  spes  nostra,  salve. 
Ad  te  clamamus  exnlcs  filii  Evae.  Ad  te  suspiramus  gementes  et  flentes 
in  hac  laorimamm  valle.  £ia  ergo,  advocata  nostra,  illos  tuos  misericordes 
oculos  ad  nos  oonyerte  et  Jesnm,  benediotum  fructuni  ventria  tui,  nobis 
post  hoc  exilium  ostende.     0  clemeos,  o  pia,  o  dulcis  virgo  Maria! 

Gleich  aus  den  4  ersten  Zeilen  der  1.  Columne  unserer  Inschrift  er* 
sehen  wir,  dass  dieselbe  dem  Original  nicht  gonau  entspricht,  indem  da8 
Wort  mater  ausgelassen  ist,  und  der  Genetiv  der  barmhertznet  mit 
koenigine  verbunden  wird.  In  der  Form  barmhertznet  steht  die  Endung 
et  für  hot  =  heit,  keit,  da  das  ganze  Wort  mittelhochdeutsch :  barm- 
herzekeit  lautet.  Als  Ac^ectiv  findet  sich  zweimal  die  Form  barm- 
hertzne.  Noch  mehr  aber  weicht  die  Uebcrtragung  in  der  5.  und  6.  Zeile 
ab,  wo  die  Prädikate  vita,  dulcedo  durch  leven  ind  tot  wiedergegeben 
sind,  die  kaum  einen  Sinn  zulassen,  wenn  man  nicht  etwa  das  folgende 
Wort  sicher  als  Imperativ  fasst.  Vielleicht  stand,  wie  Prof.  Alex.  Reif f er- 
scheid mir  brieflich  mittheilt,  in  der  Vorlage  des  Steinmetzen:  leven  ind 
Botichet  (=  sflssigkeit).  — Z.  9  finden  wir  das  mundartliche  mir  für  ,wir^ 
dus  bei  schneller  Aussprache  sich  zu  mer  abschwächt.  Bemerkenswerth 
ist  der  Gebranch  des  Pronomen  poss.  vs  =  vns  ohne  Endungssilbe  sowohl 
iilr  das  Neutrum  (Col.  I,  Z.  6)  als  auch  für  das  Femininum  (Gol.  II,  Z.  5), 
80  wie  das  Schwanken  in  einzelnen  Formen;  so  in  ind,  vnd,  und;  disrae 
und  diesme,  vs,  vns;  och  (Gol.  II,  Z.  4)  steht  für  hochdentsches  ach. 
Als  Interpunction  hat  das  Punctmn  durchweg  folgende  Gestalt:  i 

An  der  Rückseite  der  Halbsäule   steht  der  Name  des  Werkmeisters: 

bclteit 

▼on  welchem  im  Folgenden  noch  die  Rede  sein  wird.  Was  den  Namen  des 
Kreuzes  betrifft,  so  hat  derselbe  mit  hob  =  hoch  nichts  gemein,  vielmehr  ist 
er  als  Deminutiv  von  Hut:  Hütchen,  mundartlich  Höhtchen,  zu  betrachten, 
eine  naive  Bezeichnung  der  Nische,  mit  welcher  das  Steindenkmat  gekrönt  ist. 
Der  vorstehenden  Besprechung  des  sog.  Höhtgeskreuzcs  reihen  wir 
eine  kurze  Notiz  über  ein  ganz  ähnliches,  noch  älteres  Kreuz  von  demselben 
Meister  an,  welches  an  dem  Ausgang  von  Obermendig  nach  Andernach 
neben  der  neuerbauten  Kapelle  steht.  Dieses  hat  nach  der  gerälligen  Mittheilung 
des  Hrn.  Rector  Pohl  ebenfalls  als  Aufsatz  eine  jetzt  leere  Nische,  in  der 
sich   früher  offenbar   eine   mater  dolorosa,  wie  in  der  des  Höhtges-Kreuz, 


182  Miacellen. 

befanden  hat,  und  dieselben  Kreuze  als  Verzierungen  aaf  den  Seitenflächen. 
Der  Text  der  darauf  eingehauenen  Inschrift  lantet: 
»^^(t(LUii  (also  1462) 

0  füiidier  ntedi  (sie) 
fidf  ä  mi  i^ait 

in)  sin  müh' 
marin 

darunter  ein  Rad  mit  Anspielung  auf  St.  Katharina  als  Patronin  der  Stein- 
metzen, femer  ein  Mühlstein,  dann 

einis 
brligrn  (sie) 

Auf  der  linken  Seite  der  Nische  steht 

s.  Innrrn(üus) 

rechts:  $.  gmtftua       (die  Schutzpatrone  von  Obermendig). 

Was  den  hier  abweichend  von  der  Schreibung  anf  dem  Höhtgeskrena, 
wo  er  bellen  lantet,  vorkommenden  Namen  beiigen  betrifiFt.  so  ist  an 
der  Idontität  beider  Formen  nicht  zu  zweifeln :  die  Schwankung  in  der 
Orthogrjkphie  des  angelehrten  Meisters  findet  ihre  Erklärung  in  der  Aas- 
sprache des  g.  das  auch  jetzt  noch  in  niederrheinischer  Mundart  wie  j  lantet. 
Der  Name  belien  erinnert  an  belivn,  den  Widder,  in  Reineke  Fachs, 
schwerlich  »tilit  er  ;:n  dorn  n;\ho  bei  Obornienaip  gelegenen  Dorfe  Bell  in 
Po."!ohv.r.j:.  von  dorn  Dr.  l\^hi  den  Namen  als  Deniinutivform  »Beliehen) 
abcu!o:t<?".  ceaeict  ist. 

K::.i".:ch  ccge  noch  eine  mir  Vv->:i  l>r.  Pohl  zur  Disposition  gestellte 
Mitfhor.unjT  ulvi-  eiiie  iiirsichtlioh  vier  Sprache  '.ind  hohen  Alters  beachtens- 
wertr.e  Ir.sohr:::  P'.a:.-.  rlaiea.  vi:c  sich  ii:'.  einen  Hef-icicbänschen  zwischen 
Obtr>»;=:tr  u.-.d  Rtr.:ai:fr.  da.  wo  sich  der  We^:  r.ao'r.  Vnkelbach  abzweigt, 
f.r.ie:.  I'arA:::  is:  :v.::  i:v"t";".:<vr':5e:i  B;:>:hs:Abx:'.  :o'.*:ei:.ies.  ;t>iooh  nicht  ohne 
Mür.f  ".:  ".i-sfi:.  d*  i:e  l>-.:>-V.s:j»bia  ir.  r.t-uircr  Zc::  ül-erpinselt  und  aus 
M:<<v;rj:,V..ir.:s*  .-r.u:  Tr.c"'.  cr-t*:-.!".:  sir.vi: 

A-^r.;  —  .;:"::  -  r.i  —  OvW  v.oa-  -r  ir.  -r  die  —  s.-:  -r  "Är-'-bert:  -~  do  dede  + 
aru, ':  —  Ar:-:  .:c»>#  —  su"  —  va  ♦  v/k«'.'  •.•h  —  dit  "^»che  —  io:  —  geoe-i-de-i- 
*::•.  —  t-w\-"-.  —  '.t",:«'  —  df  —  fir  —  hv.'.ye  -  r.f:::  —  *i::t-  !•:?  r*e:  letrten  Zeilen 
-- c :•■.:.•  — v.  *.  w  —  jTv-:  ^CTe."'  df  .-c  •  sir  s*"!?.  ewig  levea  de 
.'.::■  ::r  ■Tf  r-.:':";-  :•..".:>  h;".  fo  'r-:-:-:s'  »:eT;-s  <?r.t£:a'.ter.  in  ge- 
ri.r:*"  fuv. ?.:<<-,.: ;r.  .'ar.-.V;r.  t->.:er  Se^rs" :■".*»."•-■■*«■  5  i'-r  die  WoV.".th  iter,  die 
dfr  A-.:*:-h.r-.::-i  dc#  iro-arsea  Werk«  ib:*   Hul:e  iUi*w»adi  haben. 


•     -  MlMoUen.  188 

Die  Jahreszahl  1409  ist  nicht  in  Zweifel  zn  ziehen,  ohschon  das  letzte  o 
vonnon(o)  nicht  mehr  sichtbar  ist.  Es  bedarf  kaum  der  Andeutung,  dass  Ar- 
noltges  der  G«netiy  dee  Deminutivs  Amoltge  ist.  —  Zum  Schluss  wollen  wir 
die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dass  die  am  Niederrhein  an  den  Wegen 
zur  andächtigen  Erinnerung  für  die  Wanderer  errichteten  und  grosstentheils 
noch  erhaltenen  Kreuze  aus  Holz  wie  aus  Stein  grössere  Beachtung  ver- 
dienen möchten,  als  ihnen  bisher  zu  Tlieil  geworden.  So  finden  sich  in 
Königswinter  au  Strassenfibergängen  zwei  aus  älterer  2^it  stammende 
Steinkreuze,  auf  denen  bei  den  Namen,  sei  es  der  Widmenden  oder  der 
Werkmeister  Steinmetzzeichen  und  Hausmarken  eingehauen  sind,  die  abge- 
zeichnet und  pablizirt  zn  werden  verdienen.  Einem  anderen  Denkmal  be- 
gegnet man  gleich  unterhalb  Königswinter,  an  dem  nach  Niederdollendörf 
führenden  Fusspfad.  Von  demselben  ist  jetzt  nur  noch  der  schwere  und  ziem- 
lich hohe  Sockel  vorhanden  mit  der  eine  Jahreszahl  enthaltenden  Inschrift: 

OeCVbVIt  CLeMens 
Unter  dieser  Inschrift  befindet  sich  das  kurfürstliche  Wappen  mit  dem 
verzierton  Namenszuge  CA>  Wir  haben  hier  offenbar  ein  Chronicon  vor 
uns  mit  der  Jahreszahl  1761,  die  sich  auf  keine  geringere  Persönlichkeit 
bezieht,  als  auf  den  durch  seine  Prachtliebe  und  g^rossartigen  Bauten,  von 
denen  wir  bloss  das  Schloss  Clemensruhe  in  Poppeisdorf  erwähnen  wollen, 
berühmten  Ghnrfürsten  Clemens  August  von  Köln,  dessen  Tod  in  das  Jahr 
1761  fSkUi.  lieber  die  Yeranlassuog  zur  Errichtung  des  Denkmals  ist  die 
Kunde  in  Königswinter  selbst  fast  ganz  verschollen,  nur  durch  Hrn.  Sani- 
tfttsrath  Dr.  Schaefer  in  Bonn,  der  in  Königswinter  geboren  ist,  erfuhr 
ich,  dass  nach  der  Erzählung  seines  Grossvaters  das  Denkmal  an  der 
jetzigen  Stelle,  nur  etwas  näher  dem  Rheine  zu,  dem  Umstände  zn  ver- 
danken sei,  dass  der  Churfürst  Clemens  August  bei  einer  Lustfabrt  nach 
dem  Siebengebirge,  die  er  in  einer  prachtvoll  ausgestatteten  Yacht  mit  seinem 
Hofstaat  von  der  Vinea  Domini  aus,  wo  das  Schiff  ankerte,  machte,  hier 
ausgestiegen  sei,  um  auszuruhen.  Erscheint  es  bei  dieser  Version 
auch  sonderbar,  dass  der  Kirchenfürst,  der  ja  auf  der  Fahrt  von  Bonn  der 
Buhe  pflegen  konnte,  beim  Aussteigen  schon  wieder  das  Bedürfniss  danach 
gef&hlt  haben  soll,  so  schwindet  doch  einigermassen  das  Auffallende,  wenn 
wir  annehmen,  dass  der  Churfürst  an  der  Stelle  zum  letzten  Mal  gelandet 
and  dem  herbeigeströmten  Volke  seinen  Segen  ertheilt  habe.  Sowohl  zum 
Andenken  an  diese  letzte  Beg^^nng  wie  zur  Erinnerung  an  seinen  in  dem- 
selben Jahre  erfolgten  Tod  mögen  die  zahlreichen  Steinhauor  des  Ortes, 
welchen  die  Baulust  des  KirchenfQrsten  reichliche  und  lohnende  Arbeit  bot, 
das  Denkmal,    auf  dessen  Postament  vielleicht  noch  ein  Kreuz  stand,    ans 


184  Misoellen. 

dankbarer  Pietät  gesetzt  haben,  nm  den  vorübergehenden  Wanderer  daran 
zu  erinnern,  dem  geliebten  Kirchenfärsten  ein  kurzes  Memento  zu  widmen. 

Königswinter.  J.  Freudenberg. 

12.  Oberbilk.  Einer  brieflichen  Mittheilung  des  Herrn  Wolff  in 
Cöln  entnehmen  wir  Folgendes :  Auf  dem  Grundstücke  des  Ziegelei-Besitzen 
Fücker  in  Oberbilk,  südwestlich  von  dem  Kommuualwege  nach  Eller,  wurden 
kürzlich  4  Terra  sigillata  Schalen  ausgegraben,  welche  mit  verbrannten 
menschlichen  Enochenresten  gefüllt  waren. 

Leider  ist  der  hochrothe  glänzende  Ueberzug  der  Schalen  in  Folge 
der  lehmigen  BodenbeschafTenheit,  so  wie  einer  vom  Finder  vorgenommenen 
Reinigung  hier  und  da  etwas  verwischt,  dennoch  sind  sämmtliche  Darstel- 
lungen auf  der  äussern  Gefasswand  deutlich  za  erkennen. 

1.  Terra  sigillata  Schale  von  dem  bedeutenden  Umfange  von  83  cm 
nnd  15  cm  Höhe.  Unter  dem  oberen  Rande  beginnen  die  Ornamente  mit 
dem  römischen  Eierstabe,  darunter  ein  Wellen  Ornament,  zwischen  letzterem 
fliehen  ein  Wolf  nnd  ein  Eber  vor  Hunden.  Zwischen  denselben  hin  nnd 
wieder  vereinzelte  Palmblätt6r.  Leider  ist  der  Töpferstempel  nicht  zu 
erkennen. 

2.  Schale  72  cm  Umfang  und  12  cm  Höhe.  Unter  dem  oberen  Rande 
beginnt  wieder  der  Eierstab,  dann  9  grosse  Medaillons  in  welchen  sich  ein 
ßär  in  springender  Stellung  befindet,  zwischen  diesen  6  kleineren  Medaillons 
mit  Eicbenlaubkränzchen,  unter  diesen  je  ein  Blatt.  Die  Schale  trägt  an 
der  äusseren  Wandfläche  den  Stempel  AITIMOO  (COMITIAlis.  vergl. 
Scheuermanns  1538  ff.  und  Fr.  778  ff.),  ausserdem  befindet  sich  in  der 
Rundung    des  Fusses   ein  eingekratztes  V. 

3.  Schale  von  feinerer  Terra  Sigillata  wie  die  beiden  ersteren,  42  cm 
im  Umfang  und  10  cm  Hübe.  Zuerst  der  Eierstab,  dünn  10  Bogen,  iu  9 
derselben  befindet  sich  ein  nicht  erkennbarer  Gegenstand,  zwischen  den 
Bogen  je  ein  grosses  Blatt  und  hierunter  ein  Kranz  schöner  Arabesken. 
Der  deutliche  Stempel  CNSOR  befindet  sich  in  dem  zehnten,  dem  An- 
scheine nach  zu  diesem  Zwecke  von  sonstigen  Verzierungen  frei  gebliebenen 
Bogen.  Dieser  Stempel  zeichnet  sich  durch  besonders  grosse  Buchstaben  aus. 
ONSOR  ist  ein  unbekannter  Töpfername;  Fröhner  erwähnt  No.  2020 
(Seh.  5291 )  einen  SOR.  Sollte  der  erste  Buchstabe  nicht  ein  O  sondern 
ein  C  sein  und  mit  dem  N  verbunden  eine  Abkürzung  für  CNAEVS  »ein? 
oder  Zusammenziohung  von  CENSORINVS  (Seh.  1474  CNSORINF.  nnd 
1257  CENSORiNFj?  Sämmtliche  Schalen  befanden  sich  in  einer  Tiefe  von 
ca.  1  m    in  der   Mitte  einer  Braudlage  von  ca.    1  '/« m  im    Quadrat.     Ich 


Miscellen.  186 

war  BO  glücklich   drei  dieser  Schalen    fOr    meine  Samodlang  za  acquiriren, 
eine  vierte  soll  nach  Dässeldqrf  verkauft  worden  sein.        F.  H.  Wolff. 

13.  Raversbearen.  Aas  dem  Schatt  der  im  vorigen  Jahre,  be- 
schriebenen römischen  Villa  erhielt  ich  nachträglich  den  Terra-Sigillata* 
Stempel  PECVLIA  FE,  den  Schnermanns  4256  ans  Mainz  anfahrt. 

E.  aas'm  Weerth, 

14.  HQgelgr&ber  im  Sponheimer  Walde.  In  der  Sitzung  der 
Niederrhein.  Gesellschaft  vom  16.  Juli  1877  berichtet  Prof.  Scha  äff  hausen 
Aber  die  auf  der  Berghöhe  zwischen  Nahe  und  Rhein  in  den  Gemeinde- 
w&ldem  von  Sponheim,  Mandel,  Bitesheim,  Weinslieim,  Langenlobnsheim 
noch  zahlreich  vorhandenen  germanischen  Grabhügel.  Im  Sponheimer  Walde 
liess  sich  an  2  Gruppen  dieser  Gräber  feststellen,  dass  immer  3  Hügel  in 
einem  regelmässigen  Dreieck  standen ;  von  diesen  waren  2  in  der  Richtung 
von  N.  nach  S.  orientirt.  Eine  gleiche  Beobachtung  hat  bereits  Wächter 
gemacht,  vgl.  Hannoversches  Magazin  1841,  No.  84. 

15.  Trier.  Die  Trierische  Zeitung  vom  25.  März  1878  schreibt: 
In  Oberweis  bei  Bitbarg  ist  in  den  letzten  Wochen  auf  Kosten  des  hiesigen 
Provinzialranseums  eine  römische  Villa  aufgedeckt  worden.  Dieselbe  liegt 
auf  einem  der  die  Prüm  westlich  einfassenden  Hügel  320  Meter  nördlich 
von  der  Kirche.  Die  Villa,  deren  Front  nach  Süden  gewendet  ist,  besteht 
ans  einem  60  Meter  langen  und  einem  16  Meter  tiefen  Mittelbau  und  zwei 
etwa  1 2  Meter  breiten  Seitenflügeln,  welche  um  10  Meter  über  die  Mittel- 
facade  hervorspringen.  Unter  allen  in  den  Rheinlanden  bis  jetzt  aufge- 
deckten römischen  Villen  steht  das  Gebäude  nur  dem  Nenniger  an  Um- 
fang nach. 

Die  Mauern  sind  meist  noch  gut  erhalten;  ia  den  am  Abhänge  des 
Hügels  gelegenen  Theilen  des  Gebäudes  stehen  sie  noch  zwei  Meter  über 
dem  alten  Estrich.  Aber  die  ursprüngliche  Anlage  hat  unter  einem  spä- 
teren Umbau,  der  in  die  spätrömische  oder  vielleicht  in  die  fränkische  Zeit 
fallen  mag,  stark  gelitten,  und  an  vielen  Stellen  war  es  erst  nach  Abbruch 
der  obem  Mauern  möglich,  die  darunter  liegende  ursprüngliche  Anlage 
wiederzufinden. 

Die  ganze  südliche  Front  des  Mittelbaues  nimmt  eine  grosse  Halle 
ein.  Die  Wände  derselben  waren  mit  gewandt  gemalten  Amoretten  geziert, 
von  denen  einige  Bruchstücke  noch  in  gutem  Zustande  sind.  Hinter  der 
Halle  befinden  sich  die  Wohnzimmer.  In  zwei  derselben  liegen  noch  Mosaik- 
böden,  welche  beide  durch  später  aufgesetzte  Mauern  in  der  Mitte  zerstört, 
im  übrigen  aber  gut  erhalten  sind.  Der  eine  Boden  ist  von  schlechter 
Technik,  das  Master  einfach :  auf  schwarzem  Grunde  weisse  Sternchen,  nur 


186  Miaeellen. 

in  der  Mitte  ein  Quadrat  von  bnnten  Ornamenten.  Der  andere  Boden  dar 
g^^en  hat  hoben  Werth.  Er  ist  von  ausgezeichneter  Arbeit  und  zeigt  auf 
weissem  Grunde  Fische  und  Vögel  und  Btilisirte  Blumen  mit  Steinchen  aller 
Farben,  welche  eine  getreue  Natnrnachabmung  fordert.  In  dem  Zimmer, 
wo  dieser  Boden  liegt,  ist  auch  die  Wandmalerei  noch  etwa  einen  halben 
Meter  hoch  erhalten:  sie  stellt  Blumen  und  Fröchte  dar.  —  Auch  die  De- 
koration der  anderen  Zimmer  lässt  sich  meist  noch  erkennen;  in  der  Art 
der  pompejanischen  Dekorationsmalerei  sind  die  Wände,  deren  Grundfarbe 
sehwjurz,  roth  oder  gelb  ist,  durch  aufsteigende  Streifen  in  Felder  getbeilt. 

In  den  Nebenflägeln  lagen  die  Schlafzimmer,  sie  sind  gekennaeichnet 
durch  die  Heiaeinrichtungen;  im  östlichen  Flügel  befinden  sich  ausserdem 
noch  ein  Keller  und  Wirthschaflsräume:  hierselbst  ist  ein  Backofen  Ton 
guter  Erhaltung  von  besonderem  Interesse.  Neben  dem  östlichen  Flügel 
li^^u  die  Badeanlagen. 

Um  diese  Ausgrabungen  hat  sich  Herr  Pastor  Orth  ans  Wismanna- 
dorf  ein  ganz  besonderes  Verdienst  erworben,  indem  er  zuerst  die  Anf> 
merksamkeit  auf  die  betreffende  Stelle  gelenkt  und  mit  grosser  Umsicht 
die  Voruntersuchungen  geleitet  hat.  H. 

IG.  Wir  lesen  in  der  Konstanzer  Zeitung  vom  16.  Februar  1878  aoa 
Ueberlingen.  Der  unermüdliche  Pfahlbauten- EIrforscber  unserer  Gegend, 
Herr  Ullesberger,  hat  auch  in  den  letzten  Jahren,  trotzdem  die  Wasser- 
stande des  See's  nicht  besonders  günstig  waren,  seine  Untersuchungen  fort- 
gesot/.t  und  mauolie  Fundstücke  aus  den  Pfahlbau-Stationen  Sipplingen, 
Nussdorf,  Maurach,  Untoruhldingen  etc.  erworben.  Bei  Sipplingen  nament- 
lich wurden  in  diesem  Winter  mehrere  Artefakte  aus  Stein  und  Knochen, 
Meissel.  Beilchen,  durchbohrte  Aextcben  etc.  zu  Tage  gefördert ;  ferner 
Spinuwirtel  aus  Thou.  Scherben  von  Thongeiassen.  seltsam  geformte  Glas- 
schorben mit  lÄtchern  und  Schildern,  endlich  ein  durchbohrter  Höhlenbären- 
zahn. Aehu liehe  Getronstiinde  aus  der  Sreinperiode  fanden  sich  an  den 
andern  Strttionen  vor ;  ausseid«m  in  UniernhKlingen  Werkzeuge  aus  Bronze, 
wie  Nadeln,  .\ii»reln  etc.  besonders  erw;ihnen»weith  i<t  noch  ein  Beilchen 
aus  Jadeit  von  4.;>  cm.  l.aniro,  ;>."jr>  cm.  I>reite  und  3.3-10  spez.  Gew., 
welches  —  wie  Professor  Dr.  Fischer  von  Freiburg  in  seiner  Monographie 
„Nephrit  und  Jadeit"  schreibt  —  ..im  Aeussern  sich  von  allen  andern  be- 
kannton Jadeiibeilchcn  untei-scheidi t.  indtui  in  dem  licht^rasgrür.en  Grunde 
ausser  den  reichlichou,  in  Striemen  angeordneten  kleinen  weissgelblichen 
Fhvkeu  noch  auf  seiner  Breittlachc  etwa  10  mehr  oder  weniger  regel- 
uiMssige.  viel"-  oder  niebreckijje,  meist  oMoi'gw,  trubgrüne  oder  schwärzlich- 
griino  Stellen    »von  einjiew achsenon  HrvstaUen^   zeigt;    diese  Durchschnitte 


Miioellen. 

Bind  vertieft  in  dorn  sonst  glatt  polirten  Grund  bezw.  nahmen  keine  Poli- 
tur an." 

17.  .Schienerberg  bei  Wangen.  Auf  diesem  Berge,  welcher  die 
b«den  westlichen  Ausläufer  des  Unter-  oder  Zellersees  trennt  und  der  Insel 
Beichenau  gegenüberliegt,  wurden  L  J.  1876  oder  inoch  etwas  früher,  an 
einer  Halde  im  Sand  von  einem  Manne  aus  Wangen  zwei  Thonge fasse 
ausgegraben:  eine  Yase,  etwa  20  ctm.  hoch,  mit  zwei  Henkeln,  auf  der 
einen  Seite  ein  Tänzer,  auf  der  andern  eine  Tänzerin,  beide  Figuren,  wie 
gewöhnlich,  roth  auf  schwarzem  Grund;  sodann  ein  hohes  Fläschchen  mit 
«ngcr  Oeffiiung,  aber  breitem,  horizontalem  Rand,  statt  der  Henkel  auf 
beiden  Seiten  nur  Ansätze  zum  Halten.  Von  grösserem  Interesse  aber  sind 
neunzehn  am  gleichen  Ort  gefundene  Gemmen,  die  in  Gold  gefasst 
waren.  Unter  denselben  zeichnet  sich  durch  vortreffliche  Arbeit  ein  Achat 
(oder  Gameol?)  mit  einem  männlichen  Kopf  aus  (1);  dieser  ist  bartlos,  hat 
kiurz  geschnittenes  Haar,  ziemlich  gefurchte,  ein  reiferes  Alter  zeigende, 
ernste,  ruhige,  fast  milde  Gesichtszüge;  um  die  Schultern  ist  derObertheil 
einer  durch  eine  Fibula  zusammengehaltenen  tunica  sichtbar.  Ein  Gott  ist 
es  jedenfalls  nicht,  aber  auch,  soweit  meine  Eenntniss  reicht,  keine  historisch 
bekannte  Person.  Von  den  andern  weniger  gut  gearbeiteten  gebe  ich  ein 
kurzes  Yerzeichniss :  2 — 4)  gelbe  Glaspasten;  2)  ein  bärtiger  Eopf,  viel- 
leicht Bacchus ;  3)  jugendlicher,  gelockter  Kopf  mit  einer  Binde  ums  Haupt 
und  einer  Andeutung  von  Hörnern,  also  ein  Satyr;  4)  ein  geflügelter  Amor 
ein  Tropäon  oder  eine  Priapusherme  bekränzend.  5)  und  6)  blaue  Glas- 
pasten:  5)  mit  einer  obscönen  Sceoe,  6)  mit  zwei  nackten  männlichen  Ge- 
stalten, von  welchen  die  eine  (links)  sitzend  dargestellt  ist,  die  andere 
(rechts)  stehend,  mit  einem  Zweig  in  der  Linken;  beide  scheinen  in  leb- 
hafter Spannung  nach  rechts  zu  blicken  (schlechte  Technik).  7)  und  8) 
Lapis  lazuli :  7)  schreitender  Amor,  den  Bogen  spannend,  8)  ähnliche  Figur, 
aber  mit  der  Lanze  in  der  Linken  und  einem  Dreizack  (?)  in  der  Rechten. 
9)  Heliotrop  (dunkelgrün  mit  rotben  Punkten) :  weiblicher  Kopf,  vielleicht 
Isis.  10) — 12)  drei  kleine  Köpfe  auf  einer  künstlichen;  dunkelfarbigen 
Masse.  Alles  bisherige  sind  Intaglios;  dazu  kommen  nun  noch  sieben 
Cameen:  13)  gelbe  Glaspaste  in  Form  eines  Käfers,  darauf  zwei  unten 
zusammenlaufende  Füllhörner,  in  der  Mitte  ein  Schlangenstab.  14)  in 
weisser  Masse  ein  männlicher  Kopf  mit  stark  gefurchtem  Gesiebt  und 
krausem  Haar.  15)  ein  kleiner  Frauenkopf  mit  langen  Locken,  weiss  auf 
dunkler  Masse.  16)  sitzende,  nackte,  jugendliehe  Figur  mit  Flügeln  und 
reichem  Lockenhaar,  mit  der  Linken  sich  aufstützend,  mit  der  Rechten  eine 
Schlange  am  Schwanz  haltend,   welche  aus  einem  Gefäss  trinkt,    weiss  auf 


188  Miscellen. 

« 

hellgelber  Masse.  17)  männlicher  Kopf  mit  Schnnrrbart,  stark  gebogener 
Nase  and  kahlem  Vorderkopf  (antik?)  aus  blaugrüner  Masse.  18)  nnd  19 
Bwei  winzige,  nor  5  mm.  hohe,  jugendliche  Köpfchen  in  hocherhabener 
Arbeit,  ans  brauner  Masse. 

SSfnmtliche  genannten  Gegenstände,  wozu  auch  noch  ein  Stück  von 
einem  Pferdebügel  gehört,  wurden  im  Frühjahr  1877  vom  Zeichenlehrer 
Seder  hier  dem  Finder  abgekauft  uud  befinden  sich  jetzt  im  Rosgarten- 
Museum  in  Constanz.  Yon  sonstigen  römischen  Fanden  auf  dem  Schiener- 
berg ist  bis  jetzt  nichts  bekannt.  F.  Hang. 

18.  Welschingen.  In  dem  Berichte  Leiners  über  die  alemannische 
Begräbnissstätte  (Heft  LX,  S.  171)  füge  ich  nachträglich  hinzu,  dass  die 
dort  erwähnte  Speerstange  nach  einer  durch  mich  eingeschickten  Zeichnung 
yon  Lindenschmit  als  Angon  bestimmt  worden  ist,  und  zwar  al.s  das 
best  erhaltene  BIxemplar  dieser  Waffe,  welches  bisher  überhaupt  gefunden 
wurde.  Dasselbe  wird  daher  gegenwärtig  im  Römisch-germanischen  Cen- 
tralmusenm  abgeformt  und  soll  auch  in  den  „Alterthümeru  unserer  heid- 
nischen Vorzeit"  bildlich  dargestellt  werden.  —  Aus  der  genannten  Grab- 
stätte kam  aber  auch  noch  eine  Goldbracteate  zum  Vorschein.  Dieselbe 
befindet  sich  mit  den  andern  Wolschinger  Funden  im  Rosgarten-Museum 
in  Constanz.  F.  Hang. 


UniTersitäte-BuchdruckeKi  Ton  Carl  Georgi  In  Boun. 


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Verlag  von  Wilhelm  Engolmann  in  Leipzig. 

Griechische  Kunstmythologie  - 

von 

J.  0?erbeek. 

Besonderer  Theil. 

1.  Band.    1.  Buch:  Zeus.    Mit  14  lithographirten  Tafeln  nnd  17  Holz- 

schnitten.   Lex.-8.    1871,    c/Ä^  20. 

2.  Band.    2.  Buch:  Hera.    Mit  5  lithographirten  Tafeln  und  6  Holz- 

schnitten.   Lex.-8.    1873.    Jti  11. 

2.  Band.  3.  Bach:  Poseidon.  Mit  7  lithographirten  Tafeln  und  5  Holz- 
schnitten.   1875.    ^  11. 

2.  Band.  4.  Buch:  Demeter  und  Kora.  Mit  4  Lichtdruck-Tafoln  und 
2  Holzschnitten.    1878.    ^  12. 


Alle  für  iinsorc  Bibliothek  iinrl  den  Verein  überhaupt  bestimmten  Sendungen  er- 
suchen wir,  um  Irrthümorn  vorzubeiiffen.  nicht  an  einzelne  Personen,  sondern  an  die 
Adresse:  Verein  von  Alterthuuisfronndon  zulJonn,  Coblonzor-Strasse  75,  zu  richten. 


UnlversitätR-Bnclidruckerci  von  Cnrl  OeorRl  in  Bonn. 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXin. 


HIT  5  TAFILN. 


AUSGEGEBEN  AM  20.  ADGUST. 


BONN. 

GEDRÜCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

BOKir,  BU  A.  MABCD8. 

1878. 


Inhaltsverzeichniss. 


I.    Geschichte  und  Denkmäler. 

Seit* 

1.  Die  romischen  MiliiäntrasBen  des  linken  Rheinufers,    c.  Von  Cöln  bis 

Bingen.    Hierzu  Tafel  I.    Von  J.  Schneider 1 

2.  Der  römische  Grenzwall  in  Deutschland.  Hierzu  Tafel  H.  Von  E.  Hübner      17 
8.  Inschriftliches  aus  Heidelberg  unter  besonderer  Berücksichtigung  kel- 
tischer Namen   auf  rheinischen   Inschriften.     Hierzu  Tafel  IH.     Von 
Karl  Christ 67 

4.  Beschreibni^  der  in  der  Hamburger  Alterthumer-Sammlnng  befindlichen 
griechischen,  römischen  u.  etruskischen Gregenstände.  I.  YonH-Dütschke      88 

5.  Komische  Gläser,  a.  Altchristliche  Goldgläser  vom  Rhein.  Hierzu  Tafel  lY 
und  V.    Von  E.  aus'm  Weerth 99 

6.  Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Cöln.    Yon  J.  J.  Merlo  .   .   .     116 

n.   Litteratur. 

1.  Die  Chroniken  der  niederrheinischen  Stödte.    Zweiter  und  dritter  Band. 
Angez.  von  H.  Düntzer 142 

2.  F.  Kraft,  Geschichte  von  Giessen  und  der  Umgegend  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  Jahre  1266.    Angez.  von  Pfarrer  Seeger 166 

8.  Friedrich  Schneider,  der  karolingische  Thorbau  zu  Lorsch.  Angez. 
von  van  Yleuten 168 

in.  Miscellen. 

1.  Besseringen:  Funde.    Yon  Jost 164 

2.  Bonn:  Kirchhof  der  alten  Remigiuskirche.    Yon  Schaaffhausen  .   .  164 

3.  Cobem  a.  d.  Mosel:  Funde 166 

4.  Coblenz:  Funde.    Yon  Schaaffhausen 167 

5.  Erbenheim:  Fränkisches  Todtenfeld.    Yon  demselben 167 

6.  Gohr:  Ein  fränkischer  Steinbau.    Yon  Koenen 168 

7.  Gondorf  a.  d.  Mosel:  Funde 170 

8.  Köln:  Die  Marienkirche  auf  dem  Capitol.    Yon  J.  B.  D.  Jost.    .    .   .  171 

9.  Limburg  in  der  Pfalz:  Ausgrabungen  auf  derselben 174 

10.  Mettemich:  Funde  in  der  Römischen  Yilla.    Yon  Schaaffhausen     .  176 


Satte 

11.  Mittenberg:  Berichtlgaspn  eo  den  Jahrb.  LX,  S.  70  Itesprocheaeo  In- 

ichriften^    Yoa  Carl  Cbrtet     .>......    ., t7fi 

Erwidentng  daraof  von  EofmÜi  ürliohs  .   .   , 160 

12.  Nettersbeimr  Grabftmde.    Von  Seh a»ff hausen    .   .   , ISl 

19.  Keaas:  Bömische  Gräber  nordwestUch  vom  Münsterpktxe.  Von  Koeaea  181 

14.  Neuss:  Eid  Meravmger-Grab.    Von  demselben  ,,.,......  188 

1£.  Der  Grenz^ttsi  Obriuga  tind  die  Einthetlung  Genxi&nieiis.    Yon  Meblie  188 

16.  Trier:   Bt.  Weudeler  Älterthiiiner-Saiiunlaiig  dem  Provinxi^- Mofieum 
tibergehon.    Ton  Heitner  *  ......  .,.'..,. .     189 

17.  Wurtemberg :  Altgarmaaisclifi  JLti£g1^&Dädjpnl*DDd  E&tdecknngeii  in  den 
Jahren  1876  und  1877.    Von  Prof.  Paulua    .   .  . .     190 

r?".  Jahresbericht  für  i»t  Tereinnjahr  1877  (resp.  Pfiagstcai   1877—76)     190 

Y,  Venecidmm  der  Mi^Heder   .*.....*.',,.,.....     90S 

•        I.     :  -.         .      /     -    .  • 

,A]Ia  Ar  unsere  Bibliothek  und  den  Verein  überliatipt  beBlimmten  Setidtmgen 
emiclißii  wir,  um  Irrthümem  vorÄubeugen ,  niofat  ao  eimaJne  Personen,  aondem 
an  die  Adresse:  Towi  von  Altortfaomelreaaid^ä  sa  Bonn,  CoblenKK^Sü-asee  75, 
KU  richten.  • .  .*' 


Beriohtignngen. 


S.  16  Z.  3  T.  u.  lies:  Angriff  statt  Aussicht. 
S.  108  Z.  1  T.  0.  lies:  S.  Gereon  statt  S.  Ursula. 
S.  141  füge  am  Schlüsse  hinzu:  J.  J.  Merlo. 


L   ÖeHchicIite  und  Denkmäler. 


I.  Die  römischen  Militärstrassen  des  linken  Rheinufers, 
c.  Von  Cöln  bis  Bingen. 

Hiercu  Tafel  I. 

Die  römische  Heerstrasse  zieht  von  Cöln  rheinaufwärts  wieileruin 
in  drei  Armen  ^),  von  denen  der  mittlere  mit  der  heutigen  Chnuasee 
bis  Godorf  geht;  zwischen  diesem  Orte  und  Wcsseliug  ist  er  von  dem 
etwas  westwärts  vorgedrungenen  Rheine  unterbrochen,  und  gf^ht  dann 
mit  der  Chaussee  bis  Widtlig,  wo  er  bis  nach  Hersel  vi>u  dem  jetzigen 
Rheinlaufe  nochmals  durchbrochen  ist.  Von  hier  bis  Bonn  zieht  die 
Strasse  mit  der  Chaussee  weiter  durch  die  Stadt  bis  etwa  1000  Schritt 
vor  dem  Coblenzerthor,  wo  sie  rechts  ab  über  Kesspnich,  Friesdorf, 
Godesberg  und  Muffendorf  dem  Gebirge  entlang  durch  die  Ebene  bis 
Lannesdorf  führt.  Von  da  wendet  sie  sieh  in  sndliclifr  lüchtung  die 
Höhe  hinauf,  wo  sie  eine  siidwestliclie  Richtung  annimmt,  und  über 
die  Hüchfiäche  an  Gimmersdorf  und  Berkum  vorbei  bis  Fritzdorf  gelit, 
dann  aber  in  sadlicher  Richtung  nach  Ahrweiler  hinabsteigt.  Hier 
überschreitet  sie  das  Ahrthal,  zieht  sich  jenseits  die  Hohe  hinan  und 
läuft  in  der  Ijisherigen  Richtung  bis  Ramersbach ;  dann  wendet  sie  sich 
mit  grosser  Ge^chickiichlceit,  nördlicli  von  lUasweiler,  durch  ein  kleines 
Thal  die  Höhe  hinan  in  nordöstlicher  Richtung  bis  Schalkenbacli,  von 
wo  sie  wieder  südwestlich  über  Dedenbach  und  Oberzissen  nach  Glees 
führt;  von  da  über  Wassenach  bis  Andernach  behält  sie  die  östliche 
Richtung  bei.  Dann  geht  sie  von  Andernach  durch  das  Rheinthal  mit 
der  jetzigen  Chaussee  bis  Coblenz,  das  sie  etwas  östlich  der  Mosel- 
brQcke  erreicht.    Von  Coblenz    steigt   die  Strasse   über  die   Kartliaus 


1)  In  Cöln   worden   in  der  Umgebung  der  Severinakirche  viele  römiscbe 
Gr&ber  an  der  Strasse  gefanden. 

1 


Die  römtacben  Militärstressen  des  linken  Rheinafert. 


auf  flen  IlunsrOck,  führt  über  Waldesch,  östlich  an  Udentausen  vorbei, 
durchscbneidet  dann  die  Chaussee  von  Simmern  nach  Boppard,  und 
gellt  fortwährend  in  südhcher  Richtung  über  die  Hochflüche,  alle  die 
zahlreichen  nach  dem  Rheine  mündenden  Thäler  vorsichtig  vermeidend, 
westlich  an  Laudert  vorbei  über  Kisselhach  und  zuletzt  in  südöstlicher 
Richtung  über  Rheinböllen  nach  Bingen  hinab. 

Von  Cüln  bis  Bonn  ist  die  Cliaussee  auf  die  Römerstrasse  gelegt 
und  nur  zwischeo  Godorf  und  Wesseling,  sowie  zwischen  Widdig  und 
llersel  geht  die  Chaussee,  der  dortigen  Rheiudurchbrüche  wegen,  in 
einem  westlichen  Bogen,  während  die  Strasse  geradeaus  ging.  Von 
Bonn  bis  Lannesdorf  bildet  sie  einen  alten  Fahrweg,  zuweilen .  mit 
sliirkeu  Böschungen,  der  sich  bei  letztcrem  Orte  in  einen  tiefen  Hohl- 
weg verlängert  und  erst  auf  der  Höhe  fleutliche  Kiesreste  zeigt.  Jen- 
.seits  des  Wegweisers,  wo  sie  das  Dorf  Liessem  rechts  liegen  lässt,  er- 
scheint sie  eine  kurze  Strecke  als  dammartiger  Weg  von  1  m  Höhe, 
und  von  Gimmersdorf  bis  Bcrkum  als  Hohlweg.  Von  dem  letzteren 
Orte  rechts  führt  sie  durch  die  Felder  weiter  als  eine  mit  Gras  be- 
wachsene Vertiefung,  bis  sie  alsbald  in  den  Aeckern  verschwindet;  dann 
aber  erscheint  sie,  die  Chaussee  von  Mehlem  nach  Meckenheim  bei 
Nr.  19,  2  durchschneidend,  wieder  als  alter  Grasweg  und  führt  in 
wechselnder  Breite  bis  nach  Fritzdorf.  Von  hier  ist  sie  als  Communal- 
weg  erneuert,  und  zieht  dann  als  alter  Fahrweg  über  Ringen  in's  Ahr- 
thal  hinab.  Von  Bonn  bis  hieher  führt  sie  den  Namen  „alte  Bonner 
Strasse".  Von  Ahrweiler  aus  trifft  man  neben  der  neuen  über  Ramei-s- 
bach  führenden  Strasse  die  Reste  der  alten  im  Walde  meist  als  Hohl- 
weg an;  von  letzterem  Orte  aber,  wo  die  Römei'strasse  in  ein  coupirtes 
Terrain  eintritt,  zeigen  sich  den  Abhang  hinunter  bis  zu  der  Mühle  im 
Thale  die  Ucberreste  eines  der  Strasse  angehorigen  Steindammes,  wo- 
von man  auch  einzelne  Reste,  nebst  Kieslagen,  zwischen  Schalkenbach 
und  Dedenbach  trifft;  auch  fand  ich  hier  einzelne  Haufen  grösserer 
Steine  am  Wege,  die  aus  dem  Strassendaanm  ausgebrochen  waren. 
Zwischen  Dedenbach  und  Niederzisseu  ist  der  Steindamm  der  Strasse, 
besonders  auf  der  Haide  in  der  Gegend  des  Rodder  Maares,  nebst  der 
Kieslage,  auf  längere  Strecken  deutlich  erkennbar.  Von  Oberzissen 
erscheint  die  Strasse  theihveise  nur  mehr  als  Pfad,  zwischen  Glees 
und  Wassenach  aber  kommen  wieder  Reste  des  Steindarames  zum  Vor- 
schein, während  weiterhin  bis  Andernach  nur  ein  Communalweg  vor- 
handen ist.  Ebenso  liegt  von  hier  bis  Coblenz  die  Chaussee  auf  der 
Römerstrasse.    In  der  Strecke  von  Coblenz  bis  Bingen  bildet  dieselbe 


Jie  röiDiacfae'i  Militär  Strassen  des  linken  RheinuferB.  S 

meist  einen  alten  Fahrwt'g;  man  gewalirt  aber  an  mehren  SteKen, 
z.  B.  südwärts  von  Dörth  und  Hangenroth,  den  Kiesdamm  deutlich, 
auch  liegen  bei  Dörth  beiderseits  des  Weges  die  alten  Strassengräben 
in  der  liaide,  und  in  dem  nördlichen  Theile  besass  die  Strasse,  nach 
Mittheilung  des  Herrn  Oberst  Sehe ppe  in  Boppard,  auch  einen  Unter- 
bau von  grösseren  Steinen,  Sie  beisst  in  dem  südlichen  Theile  „die 
alte  Strasse"  oder  „Heerstrasse",  in  dem  nördlichen  fdhrt  sie  den 
Namen  „Rümerstrasse". 

Aus  den  noch  erhaltenen  Resten  ergibt  sich,  dass  die  Strasse  da, 
wo  sie  durch  die  Uheiuebene  und  über  tlache  l'lateaus  führte,  nur 
aus  einem  Erddammc  mit  einer  oberen  Kieslage  bestand,  wo  sie 
aber  durch  coupirtes  Terrain  mit  starken  Steigungen  ging,  ausser  der 
Kiesdecke,  noch  einen  Unterbau  ans  grösseren  Steinen  besass. 

Die  Strasse  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  von  Alterthilmern 
der  verschiedensten  Art  begleitet.  So  kamen  zwischen  Cöln  und  Bonn 
römische  Funde  bei  Wesseling,  Hersel  und  vor  dem  Cölnthor  bei  Bonn 
wiederholt  zum  Vorschein;  in  Bonn  fülirti'  die  Strasse  durch  eine  grössere 
römische  Niederlassung  und  an  der  Südseite  der  Stadt  ist  sie  von  vielen 
römischen  Gräbern  begleitet.  Römische  Alterthüraer  wurden  ferner  gefun- 
den bei  Kessenich,  Frifsdorf  und  Godesbcrg,  und  bei  Dottendorf  Hegt 
eine  Warte  an  der  Strasse,  bestehend  aus  dnera  viereckigen  von  einem 
Wassergraben  umschlossenen  Erdhügel ;  ein  dicht  anstossendes  Feld 
ist  mit  zahlreichen  Ziegelf ragmentcn  bedeckt.  F'ernere  Aiterthiimsfuiide 
an  der  Strasse  wurden  gemacht  bei  Ahrweiler,  Schalkenbach.  Ober-  und 
Niederzissen,  sowie  zwischen  diesen  Orten  und  Glees  am  lleidenkirch- 
hof  und  bei  Wassenach.  Zu  Andernach  lag  ein  römisches  Castell  nebst 
Ansiedlung,  und  in  der  Nähe  der  Stadt  wurden  viele  römische  Gräber 
an  der  Strasse  gefunden.  Zu  L'oblenz  lag  wiederum  ein  römisches 
Castell  nebst  Ansiedlung,  und  von  hier  über  den  Huusrück  bis  in  die 
Gegend  von  Rheinbüllen  ist  die  Strasse  von  zahlix'icben  Schanzen  und 
Gräbern  begleitet,  von  denen  ein  Theil  durch  den  Obersten  v.  Cohausen 
beschrieben,  ein  anderer  in  neuester  Zeit  von  dem  Obersten  Schepi^e 
in  Boppard  untersucht  ist  und  hotTentlich  bald  verötTcnllicht  wird^). 

Der  östliche  Arm  geht  nahe  am  Rheine  über  Ba^'enthal  nach 


1)  Jahrbb.  XVm  27,  VIII  174,  XXXn  137,  XXVI  1,  1»0,  XXXVII  260, 
XXXI  65,  113,  XXV  207,  XLI  183,  LVni  205,  222,  XV  224.  Auf  die  Schanw 
bei  Dottendorf  wurde  ich  durch  Hm.  KroisachnUnvpeotor  Dr.  R  eine  kons  in 
Bonn  aufmerksam  gemacht. 


Die  römischon  Militärstrasaen  des  linken  Rheinufers. 


Rodenkirchen,  folgt  hier  der  Krütiimiing  des  Rheines,  der  ehedem  emen 
mehr  westlichen  Lauf  hatte,  über  Weiss  und  Sürth  bis  südlich  von 
Godorf,  wo  er  mit  dem  vorigen  zusammenfällt.  Von  Wesseling  geht 
er  wiederum  eine  kürzere  Strecke  mit  der  Rheiokrümmung  bis  Widdig, 
dann  mit  dem  vorigen  Arme  liis  Hersel,  wo  er  nach  Graurheindorf  ab- 
geht. Bei  letzterem  Orte  theilt  er  sich  iu  zwei  Arme,  die  sich  wieder 
in  Bonn  vereinigen,  und  läuft  dann  mit  der  Chaussee  bis  2500  Sehr. 
vom  Coblenzerthor,  wo  er  links  nach  dem  Rheine  abgeht  und  an 
Plittcrsdorf  und  Hängsdorf  vorbei  bei  Mehlem  mit  <ler  Chaussee  zu- 
sammenfällt bis  nach  Remagen.  Hier  geht  die  Strasse  links  ab  nach 
dem  Rheine,  überschreitet  etwas  westlich  von  Kripp  die  Ahr,  und  ver- 
einigt sich  etwas  vor  Niederbreisig  wieder  mit  der  Chaussee.  Mit  dieser 
geht  sie,  südlich  von  Fornich  etwas  westlich  abweichend,  bis  Ander- 
nach, von  wo  sie  wieder  links  nach  dem  Rheine  abweicht  und  dessen 
Krümmungen  in  geringer  Entfernung  bis  nach  Coblenz  folgt.  Voi 
hier  fällt  die  Römerstrasse  bis  na('h  Bingen  ihrer  Richtung  nach  mit" 
der  Chaussee  zusammen. 

Von  Bayenthal   an   erscheint  die  Strasse  gegenwärtig  als  alter 
Grasweg  mit  Kiesresten,  ist  vor  Rodenkirchen  ganz  verschwunden  und      ' 
geht  jenseits  des  Ortes  als  alter  Weg  mit  Kiesrejjten,    die  sich  auch 
beiderseits  in  den  Feldern  finden,   weiter,   erscheint  dann  als  dämm-      , 
artiger  Weg,  hierauf  nur  als  Grasrain,  und  zuletzt  in  den  Feldern  al^H 
blosser  Pfad  bis  Weiss.    Von  Hersei  läuft  die  Strasse  rtber  die  Höhe^^ 
zum  Theil   als  alter  Grasweg  von  wechselnder  Breite  und  wiederholt 
unterbrochen.     Zwischen   Bonn    und   Plittersdorf   zeigt   sie   von   der 
„Ruine"'  an  sehr  starke  Böschungen,    und  erscheint  sonst  meistens  als      1 
alter  Fahrweg.     Aber  sehr  deutlich  tritt   der  Strassendamm  mit  Kies- 
resten jenseits  Remagen  in  der  Ahrniederung  auf,  wo  die  Strasse  über 
den  Fluss  setzt.    Bei  Andernach  kam    der  Kiesdamm  unter  der  Erde 
zum  Vorschein,   und  jenseits  des  Ortes  gewahrt  man  denselben  noch      j 
deutlich  auch  theilweise  über  dem  Boden.    Derselbe  besteht  hier  aus 
zwei  Steinlagen,  von  denen  die  untere  grössere  zerschlagene  Steine,  die 
obere   feineren  Kies  enthält.    Wo    der  Damm   zerstört  ist,   sind   die 
Felder  ganz,  mit  Kies  oder  gröberen  Steiofragmenten  erftlllt.    Zwischen 
Coblen/,  und  Bingen  ist  der  Steindamm  gleichfalls  an  mehren  Stellen, 
bei  Coblenz,  Oberwesel,  zwischen  Salzig  und  Hirzenach,  im  Boden  auf- 
gefunden worden. 

Dieser  Arm  bestand  aus  einem  Damme,   der  oben  eine  Kieslage 
und  darunter,  wenigstens  streckenweise,  eine  zweite  Lage  aus  gröberen 


M  römiBchen  Militäratrassen  des  linken  Hbeinufen. 

zerschlagenen  Steinstücken  besass;  bei  Bonn  zeigte  sich  auch  ein 
Mörtelverband. 

An  der  Alteburg,  V'4  M.  von  Cöln,  trifft  die  Strasse  auf  ein 
römisches  Lager,  vou  welchem  zahlreiche  Alterthümer  im  Boden 
gefunden  wurden.  Nördlich  von  Bonn  führt  der  eine  Ann,  an  welchem 
bei  Rheindorf  verschiedene  römische  Alterthumsreste  gefunden  wurden, 
durch  ein  zweites  Lager,  während  der  andere  unter  dem  Namen  „Reiter- 
weg" an  der  Westseite  vorbeigeht;  aurh  führte  die  Strasse  durch  die 
dortige  römische  Ansiedlung,  und  ist  vor  dem  Coblenzertbor  auf  eine 
lange  Strecke  von  römischen  Gräbern  begleitet.  Bei  Rolandseck  und 
Oberwinter  wurden  römische  Alterthümer  gefunden,  und  in  Remagen 
lag  eine  grössere  römische  Ansiedlung.  Rom.  Alterthümer  wurden  ferner 
gefunden  zu  Niederbreisig,  auf  Schloss  Rheineck  und  am  Budelberge. 
Auch  führte  die  Strasse  an  dem  CastcU  und  der  Ansiedlung  zu  Ander- 
oach  vorbei.  Bei  der  Kapelle  „zum  guten  Mann",  gegenüber  Neuwied, 
lag  ein  drittes  römisches  Lager  an  der  Strasse,  die  von  hier  bis  Coblenz 
an  mehren  Stellen  vod  Alterthümern  begleitet  ist.  Zu  Coblcnz  ging  sie 
an  dem  dortigen  Castell  und  der  Ansiedlung  vorbei  nach  dem  Castell 
und  der  Ansiedlung  zu  Boppard,  und  es  finden  sich  weiterhin  bis 
Bingen  viele  Alterthümer  an  mehren  Orten  der  Strasse,  unter  denen 
besonders  Salzig,  Oberwesel,  Bacharach  und  Trechtlinghausen  zu  nennen 
sind '). 

Der  westliche  Arm  geht  „am  todten  Juden"  von  der  Chaussee 
rechts  ab  durch  die  Felder,  westlich  an  Rondorf  und  Berzdorf,  ostlich 
an  Sechtem  vorbei  über  Bornheim  und  Roisdorf  nach  Bonn,  fällt  dann 
mit  dem  mittleren  Arm  zusammen  bis  V*  M.  westlich  vqh  Eich,  wo 
er  rechts  abzweigt  und  über  die  Hochfläche  bis  Miesenheim  zieht.  liier 
überschreitet  er  die  Nette,  und  geht  über  Kehrlich  und  Rübenach  nach 
Gfllz  in's  Moseltbal  hinab,  das  er  bei  Lay  überschreitet.  Dann  steigt 
er  die  Hübe  hinan  und  vereinigt  sich  nördlich  von  Waldesch  wieder 
mit  dem  mittleren  Arm. 

Die  Strasse  durchschneidet  in  der  Nähe  von  Rondorf  den  nach 
der  Älteburg  führenden  Röniercanal,  von  welchem  an  dem  dort  ange- 


1)  Jahrbb.  XXXVüI  168,  XXXIX  u.  XL  387,  XX  181,  XXVII  145,  XLVn 
u.  XLVUI  1  fi*.  Ich  wage  nicht  zu  entacheidtio,  ob  dio  unter  der  jel^igeu  Cob- 
lenzerstrasse  1  m  tief  im  Boden  Bufptefundeneii  StrnssenreBto  (Jahrbb.  LY,  LVI 
243),  die  „ein  schweres  PÜaflter  von  Basallsteinen"  zeigten,  einer  RömerstraBBe 
oder  aber  der  alten  ehurfüratlicfaen  Strasse  angeliörtea. 


Dia  röanüdien  MUiUmtnawn  det  Uaken  Bbdnafen. 


l^ten  Fort  riele  Ueberreste  gefunden  worden  sind,  und  bildet  bald 
einen  alten  Grasweg  oder  einen  blossen  Grasrain  von  wechselnder 
Breite,  bald  einen  Damm  mit  Kies  und  gröberen  Steinfragmenten, 
bald  ist  sie  durchackert  oder  nur  ein  schmaler  Pfad  geblieben,  bald 
zeigt  sie  starke  Bösebungen  bis  zu  2  m  Höhe.  Auch  wo  die  Strasse 
weiter  aufwärts  als  Communalweg  erneuert  ist,  wird  noch  die  damm- 
artige Anlage  bemerkt  Von  Eich  bis  zur  Mosel  bildet  sie  einen  alten 
Fahrweg,  der  nach  Röbenach  zu  öfters  unterbrochen  ist,  zwischen 
diesem  Orte  und  der  Mosel  eine  schöne  dammartige  Anlage  von  1  m 
Höhe  hat,  und  jcnseit  des  Flusses  auch  wiederum  Steinmaterial  auf- 
weist. 

Nach  den  erhaltenen  Resten  scheint  der  Strassendamm  bald  eine, 
bald  zwei,  bald  auch  drei  Steinlagen  besessen  zu  haben. 

Bei  Rondorf  kamen  römische  Gräber  und  1000  Schritt  südlich 
des  Ortes  römische  Gebändereste  neben  der  Strasse  zum  Vorschein; 
bc!  Berzdorf,  wo  mehre  Gräber  gefunden  wurden,  liegt  westlich  der 
Strasse  ein  Warthiigel,  und  bei  Sechtem  wurden  mehre  römische 
Gräber  gefunden.  Südlich  von  Eich  helsst  eine  Stelle  der  Hochfläche, 
über  welche  die  Strasse  führt,  ,,der  Burgberg",  und  ein  in  der  neueren 
Zeit  dort  errichtetes  Gebäude  ,,das  Burgener  Hans".  Bei  Eettig  und 
Kebrlich  wurden  Gräber  aufgefunden  und  zwischen  der  Mosel  und 
Waldesch  ist  sie  von  mehren  Schanzen  begleitet  *)• 

Ausserdem  sind  noch  drei  Verbindungsstrassen  zu  erwähnen,  die  von 
dem  westlichen  Arme  auf  dem  Hunsrück  nach  Boppard  hinabführen.  Der 
eine  führt  von  der  Hauptstras.«;e  in  nordöstlicher  und  nördlicher  Richtung 
links  am  Grosskopf  und  rechts  am  Müllerberge  vorbei  nach  Boppard,  und 
von  da  der  andere  in  nordwestlicher  Richtung  über  den  Kreuzberg  und 
durch  die  Walddistricte  Hohesgalgen  und  Hellerwald  auf  die  Haupt- 
strasse zurück,  während  der  dritte  von  Letzterer  in  östlicher  Richtung 
direct  nach  Boppard  hinabgeht  Die  Kenntniss  dieser  Strassen  ver- 
danke ich  der  gef.  Mittheilung  des  Obersten  Scbeppe  in  Boppard,  wel- 
cher dieselben  genau  untersucht  hat  Ferner  ist  eine  Zweigstrasse  zu 
erwähnen,  die  bei  Rolandseck  von  dem  östlichen  Arme  die  Höhe  hinan- 
steigt uud  über  Bandorf,  wo  bedeutende  römische  Alterthümer  gefun- 
den wurden ,  und  ünkclbach ,  wo  römische  Gräber  zum  Vorschein 
kamen,  nach  dem  Röhlerhof,  die  dortigen  kleinen  Thäler  umgebend, 
dann  über  Bodendorf  nach  Sinzig  und  Niederbreisig  führt,  wo  sie  sich 


1)  Jabrbb.  XXXIX  a.  XL  375,  XXVI  6,  XXXVH  262,  XXYIU  198. 


Die  römischen  MilitärBtrasien  dea  linken  Bkeinufen. 


mit  der  Hauptstrasse  vereinigt.  Von  Andernach  endlich  führte  eine 
•  Verbindungsstrasse  nach  dem  westlichen  Arme  bei  Kehrlich'). 

Die  Hauptverkehrsstrasse  bildete  anch  hier,  wie  von  Cöln  rhein- 
abwärts,  der  mittlere  Arm,  der  auch  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
bis  in  die  ersten  Jahrzehnte  unsres  Jahrhunderts  den  Hauptverkehr 
am  Rheine  auf  sich  eoncentrirte.  Der  östlicJie  Arm,  welcher  sich  stets 
in  der  Nähe  des  Stromlaufes  hielt,  und  daher  allen  Krümmungen  des- 
selben folgte,  diente  zur  Sicherung  der  Rheinschifffahrt,  die  Anlegung 
des  westlichen  Armes  dagegen  scheint  zwischen  Cöln  und  Bonn,  wie  so  oft 
am  Niederrhein  geschehen,  durch  die  Neigung  des  Rheines,  nach  Westen 
überzuöuthen  und  die  dortigen  Strassenstrecken  ungangbar  zu  machen, 
hervorgerufen  zu  sein.  In  der  Strecke  zwischen  Eich  und  Waidesch 
aber  scheint  er  nur  zur  Abkürzung  des  Weges,  um  den  über  Cohlenz 
gehenden  Bogen  abzuschneiden,  angelegt  zu  sein.  Interessant  ist  das 
Vorkommen  der  drei  Verbindiingsstrassen  auf  dem  Hunsrück,  um  das 
nahegelegene  Boppard  gewissermassen  mit  an  die  Strasse  zu  ziehen, 
in  gleicher  Art,  wie  wir  am  Niederrhein  ebenfalls  drei  Verbindungs- 
wege von  der  Hauptstrasse  nach  Gellep  kennen  gelernt,  um  diesen 
etwas  abseits  gelegenen  Ort  an  die  Strasse  heranzuziehen.  Die  von 
dem  östlichen  Arme  bei  Rolandseck  über  die  Höhe  nach  Sinzig 
führende  Zweigstrasse  scheint  zu  dem  Zwecke  angelegt  zu  sein,  um 
die  Verbindung  für  den  Fall  wiederherzusteUen,  wenn  die  Strasse  unten 
im  Thale,  die  dem  Strome  ganz  nahe  liegen  musste,  da  sowohl  hei 
Rolandseck  als  vor  Remagen  die  Felsen  sehr  nahe  ans  Ufer  treten, 
von  dem  Rheine  überfluthet  und  ungangbar  geworden  war. 

Von  dem  mittleren  Arme  kannte  der  Oberstlieutenant  Schmidt 
die  Strecke  zwischen  Cöln  und  Hersei,  wo  die  heutige  Chaussee  auf 
der  Römerstrasse  liegt;  die  Fortsetzung  von  da  nach  Lanuesdorf  utnjl 
über  das  Gebirge  ist  ihm  unbekannt  geblieben.  Auch  die  Strecke  von 
Andernach  bis  Coblenz,  wo  die  Chaussee  wiederum  auf  die  Strasse 
gelegt  ist,  war  ihm  bekannt,  sowie  die  Fortsetzung  von  Coblenz  über 
den  Hunsrück  bis  jenseits  Waidesch;  von  der  ferneren  Fortsetzung 
aber  bis  Bingen  hat  er  keine  Spuren  gefunden,  und  zweifelt  an  dem 
römischen  Ursprung  „der  alten  Landstrasse",  weil  „sich  im  dieser 
wenig  angebauten  und  bewaldeten  Gegend  gewiss  Ueberreste  erhalten 
haben  würden,  wenn  es  eine  Rönierstrasse  gewesen  wäre ".  Es  erklärt 
sich  aber  die  allerdings  einer  so  hewaldeten  Gegend  nicht  entsprechende 


1)  Jshrbb.  Lni  u.  LIV  100. 


Die  römischen  MilitärstrasBen  des  linken  Rheinufers. 


geringe  Zahl  der  noch  erhaltenen  Ueberreste  einfach  aus  dem  Um- 
stände, da  SS,  bevor  die  neue  Chaussee  unten  am  Rheine  angelegt  war, 
das  gesammte  Fuhrwerk  zwischen  Bingen  und  Coblenz  auf  dieser 
Strasse  ging,  wodurch  die  alten  Reste  not h wendig  sehr  reducirt  werden 
mussten.  Von  dem  östlichen  Arme  kannte  Schmidt  zwischen  Cöln 
und  Boppard  bloss  die  Strecke  zwischen  Hersei  und  Remagen;  da- 
gegen hat  er  das  Dasein  der  Römerstrasse  von  Boppard  bis  Bingen 
unten  am  Rheine  unzweifelhaft  nachgewiesen.  Auch  ist  ihm  das  Vor- 
hamlensein  einer  der  Verbiudungsstrassen  bei  Boppard  nicht  entgangen, 
nur  glaubte  er,  die  Uauptstrassc  habe  von  Cobicnz  über  das  Gebirge 
nach  Boppard  geführt,  wogegen  Archivrath  v.  Eitester  dieselbe  unten 
im  Thale  deutlich  nachgewiesen  hat.  Der  westliche  Ann  ist  Schmidt 
gänzlich  unbekannt  geblieben;  dagegen  hat  bereits  Oberst  v.  Cohausen 
den  vom  Remsteckcr-Hof  bis  Waldesch  reichenden  Theil  desselben 
aufgefunden.  Die  durch  das  Lager  bei  Bonn  führende  Zweigstrasse 
hat  General  v.  Ve  1 1  h  aufgedeckt  und  beschrieben.  Bezüglich  der  von 
Rolanriseck  bis  Sinzig  führenden  Zweigstrasse  ist  zu  bemerken,  dass 
schon  Dr.  Rein  eine  von  Rolandseck  über  das  Gebirge  führende 
Römerstrasse  vermuthet  hat,  ohne  jedoch  ihren  ferneren  Verlauf  zu 
untersuchen  '). 

Wenn  wir  nun  die  an  den  verschiedenen  Strassenarmen  gelegenen 
Mansionen  und  Mutationen  aufsuchen,  so  finden  wir  zuerst  andern 
mittleren  Arme  von  Cöln  aus  die  Ansiedlung  Bonn  als  die  erste 
Mansion,  und  auf  der  Mitte  der  Entfernung  liegt  Wesscling,  wo 
römischo  Altertliünier ,  namentlich  die  auf  ein  grösseres  Gebäude 
hiüweisonden  Mauerreste  nebst  römischen  Gräbern  die  zugehörige 
Mutation  deutlich  erkennen  lassen.  Von  Bonn  aus  finden  wir  die 
zweite  Mansion  zu  Ahrweiler,  worauf  die  dort  gefundenen  römischen 
Alterthümer  hinweisen ;  die  zugehörige  Mutation  würde  auf  der  Höhe 
in  der  Gegend  von  Liessem  zu  suchen  sein.  Die  dritte  Mansion  lag 
zu  Andernach,  und  auf  der  Mitte  des  Weges  lag  die  Mutation  bei 
Ober-  und  Niederzissen,  wo  Reste  römischer  Gebäude  gefunden 
wurden.  Von  Andernach  aus  finden  wir  als  vierte  Mansion  Boppard, 
welches  mit  der  Strasse  durch  Seitenarme  verbunden  war;  die  zuge- 
hörige Mutiition  lag  zu  Coblenz.  Für  die  letzte  Mansion  Bingen 
würde  die  zugehörige  Mutation  vielleicht  bei  Kisselbach  zu  finden  sein. 
An  dem   östlichen  Arme  von  Cöln  resp,  dem  Lager  an  der  Alte- 


1)  Jahrbb.  XXXI  65  ff.,  113  fi.,  LIX  32,  XXVD  146,  XXVI  6,  L  u.  LI  59. 


Die  römischen  Militärstraasen  des  Itnlccn  Rheinufers. 


bürg  war  die  erste  Mansion  das  Lager  am  Wicheishofe,  und  die 
Mutation,  wie  bei  dem  vorigen,  zu  Wesseling,  Die  zweite  Mansion 
war  das  Lager  gegen  über  Neuwied,  die  zugehörige  Mutation 
lag  zu  Remagen.  Für  den  bei  RoUindseck  abgehenden  Seitenarm 
lag  die  Mutation  zu  Eandorf.  Die  dritte  Mansiüu  war  ßoppard 
und  die  zugehörige  Mutation  lag  zu  Coblenz.  Bei  der  letzten 
MansioQ  Bingen  ündcD  wir  die  Mutation  zu  Oberwesel.  Bei 
dem  westücheu  Arme  lag  die  betrefl'ende  Mansion,  statt  zu  Ander- 
nach, wahrscheinlich  auf  der  HochHüche,  wo  jetzt  das  Uurgener- 
haus  steht 0- 

Von  den  verschiedenen  Marschrouten,  die  auf  den  verschiedenen 
Strassenarmen  möglich  waren,  sind  vier  in  den  römischen  Ileisever- 
zeichnißscn  enthalten.  Die  Peutinger'sche  Tafel  hat  folgende  Angaben: 

Agrippina 

Bonnae  XI 

Rigomagus  VIll 

Antunnaco  Villi 

Confluentes  Villi 

Bontobrice  VIll 

Vosavia  Villi 

Bingium  Villi 

Es  ist  leicht  zu  sehen,  dass  diese  Reiseroute  auf  dem  östlichen 
Strassenarm  stattfand.  Von  Agrippina,  Oiln,  bis  Bonna,  Bonn,  trifft 
die  Entfernuagsangabe  der  Tafel  auf  der  Strasse  zwischen  dem  Lager 
der  Alteburg  und  dem  am  Wtcheishofe  gemessen,  vollkomnieu  zu; 
ebenso  die  von  Bonn  bis  Rigomagu?,  Remagen;  von  Remagen  bis  An- 
tunnacum,  Andernach,  sind  der  Tufe!  entsprechend  genau  9  g.  M., 
and  von  Andernach  bis  Conäuentes,  Cobleiiz,  wiederum,  auf  unsrer 
Strasse  gemessen  2700  Sehr,  =  9  g.  M.,  wie  die  Tafel  angibt.  Von 
Coblenz  bis  Bontobriee,  Boppard,  gibt  die  Tafel  nur  8  g.  M.,  wahrend 
die  Entfernung  dem  Rhein  entlang  l'/ag.  M,  mehr  beträgt,  daher  mit 
Schmidt  anzunehmen,  dass  hier  auf  der  Strasse  über  das  Gebirge 
gemessen  ist,  wo  die  Entfernung,  mit  der  Tafel  übereinstimmend, 
genau  8  g.  M.  beträgt.  Von  Boppard  bis  Vosavia,  Oberwesel,  sind 
26000  Sehr.  =  8»/8  g-  M.,  was  mit  der  Tafel  hinreichend  stimmt,  und 
von  Oberwesel  bis  Bingium,  Bingen,  28800  Sehr,  =  9^6  g.  M.,  gleich- 
fi&lls  mit  der  Tafel  hinreichend  übereinstimmend. 


1)  Für  die  Route  rheinaufvärts  waren  zuRemaffBD,  Coblenz  undOber- 
WqmI  gl«ichf&lla  Manaionen. 


10 


Die  römiachen  Militärttrassen  des  linken  Rbeinufen. 


Das  AotoDinische  Itinerar  bat  rheinaufwärts  folgende  Angaben: 

Colonia  Agrippina 

Bonna         mpm  XI 
Antunnaco     „     XVIII») 
Contiuentibus  „     Vill») 
Vinco  „     XXVI 

Diese  Roatc  fand  auf  dem  iDittleren  Strassenarrae  statt,  mit  Aus- 
nahme der  Strecke  zwischen  Bonn  und  Andernach,  welche  unter  Be- 
nutzung der  Zweigstrasse  von  Kolandseck  bis  Niederbreisig,  auf  dem 
östlichen  Arme  ging.  Die  Entfernung  von  11  g.  M.  zwisdien  Cüln 
and  Bonn  stimmt  mit  der  Tafel  überein,  ebenso  die  Entfernung  von 
18  g.  M.  zwischen  Bonn  und  Andernach,  gemessen  auf  dem  östlichen 
Arme  und  der  bei  Rolandseck  abgehenden  Zweigstrasse.  Femer  stimmt 
nicht  minder  die  Entfernung  von  8  g.  M.  zwischen  Andernach  und 
Coblenz,  gemessen  auf  dem  mittleren  Arme,  und  auf  dessen  Fort- 
setzung über  den  Huosrück  die  Angabe  von  2G  g.  M.  zwischen  Coblenz 
und  Bingen,  welche  80000  Sehr.  =  26«/»  g.  M.  beträgt. 

Die  dritte  und  vierte  Reiseroute  liefert  das  Itinerar  in  folgenden 
Angaben  von  Strassburg  nach  Xanten  rheinabwärtf : 

Vingiu 

Antunnaco  mpm  XXVIII'J 

Baudobriga    „     XVI III 

Bonna  „     XXII 

Colonia  Agrippina  leugas  .... 
Man  hat  diese  Route  meistens  übergangen,  weil  man  nichts  damit 
anzufangen  wusäte,  donn  hier  steht  Antunnacum  (Andemacli)  vor 
Baudobriga  (Boppard),  während  es  in  der  Wirklichkeit  erst  darnach 
folgt,  und  eben  so  wenig  stimmten  die  Entfernungen.  Wir  haben  aber 
hier  denselben  Fall  vor  uns,  wie  zwischen  Cöln  und  Neuss,  wo  auch 
Duniomafius  (Dormagen)  vor  Buruncum  (Worringen)  steht,  während 
in  der  Wirklichkeit  das  Umgekehrte  stattfindet ,  und  wir  haben  also 
hier,  wie  dort^  offenbar  zwei  verschiedene  Routen,  die  von  einander 
getrennt  geben: 

1)  Die  Zahl  XVIl,  welche  die  meisten  Codices  haben,  stimmt  für  den  öab- 
lichon  Ann;  hier  kann  aber  nur  die  Zahl  XYIII,  welche  ein  Codex  hat,  richtig 
sein,  da  die  Route  nicht  über  Remagen  ginK- 

2)  Die  Zahl  Villi,  welche  die  meisten  Codices  haben,  stimmt  für  den  öet- 
liohen  Straasonarm. 

3)  Diese  Zahl  hat  einer  der  ältesten  und  besten  Codicee. 


Die  römiflohen  Milit&rstrasMD  des  linken  RboinuferB.  11 

Vingio 


Baudobriga     Äntunnaco 
XVmi  XXVIII 


Bonna 

XXII 
Colonia  Aj2:rippina. 

Die  eine  Route  ging  von  BiDjiien  auf  dem  westlichen  Arme  über 
Andernach  nach  Bonn,  die  andere  auf  demselben  Arme  nach  Boppard. 
Die  erstere  führte  also  von  Bingen  über  den  Hunsrück  nach  Waldesch, 
dann  über  die  Mosel  nach  Gills,  Rübenaeb,  KetticL  und  Andernach, 
hierauf  von  Andernach  über  Ahrweiler  nach  Bonn.  Die  Entfernung  von 
Bingen  nach  Andernach  beträgt  '.i3  g.M.,  daher  statt  XXVIII  zu  lesen  ist 
XXXIII;  die  Entfernung  von  Andernach  nach  Bonn  beträgt  26  g.  M.,  daher 
XXII  in  XXVI  zu  verbessern  ist.  Die  andere  Route  ging  von  Bingen 
gleichfalls  über  den  Hunsrück  und  auf  dem  Seitenarme  nach  Boppard, 
dann  auf  dem  nördlichen  Seitenarme  auf  die  Hauptatrasse  zurück  und 
über  die  Mosel  nach  Rübenach,  Miesenhcim  und  Ahrweiler  bis  Bonn. 
Die  Entfernung  von  Bingen  nach  Boppard  beträgt,  übereinstimmend 
mit  dem  Itinerar,  10  g.  M. 

Von  den  drei  römischen  Lagern,  welche  an  dem  östlichen  Strasscn- 
arm  lagen,  sind  uns  ausserdem  auch  die  Namen  aus  dem  Alterthum 
erhalten  geblieben:  in  dem  Lager  der  Alteburg  stand  der  bekannte 
Altar  der  Ubier,  weswegen  das  Lager  die  Bezeichnung  „Ära  übiorum" 
erhielt,  und  da  es  die  Mansion  für  den  östlichen  Strassenarm  war, 
gleichwie  Agrippina  die  entsprechende  Mansion  für  den  mittleren  Arm 
bildete,  so  fallen  z.  B.  bei  Tacitus  die  Mansionen  „Col.  Agrippina"  und 
„Ära  übiorura"  zusammen.  Das  Lager  am  Wiclielshofe  führte,  eben  so 
wie  die  in  der  Nähe  gelegene  Ansiedlung,  bekanntlich  den  Namen 
„Bonna"  oder  „Castra  Bonnensia",  und  das  Lager  gegenüber  Neuwied 
wird  von  Ptolemäus  unter  der  Bezeichnung  „Legio  Trajana"  auf- 
geführt. 

Von  dem  Geographen  von  Ravenna  wird  unter  den  Ortschaften 
zwischen  Coblenz  und  Bingen  noch  ein  Ort  „Boderecas"  angeführt, 
worunter  gememlich  „Boppard"  verstanden  wird. 

Aus  den  vorstehenden  Ermittelungen  dürfte  sich  zur  Genüge  er- 
geben, wie  nützlich ^^  ja  nothwendig  die  Aufsuchung  der  noch 
vorhandenen   Strassenspuren   für  die  Aufklärung  uusrer   alten 


12 


Die  römiscbcn  MUitärstrasaen  des  Unken  Rheinufen. 


Geographie  ist,  weshalb  wir  dieselbe  auch  bei  dieser  Gelegenheit  den 
Alterthuinsfürschei'n  wiederum  angelegentlichst  empfehlen. 

d.  Scbluss. 

Aus  den  in  den  vorigen  Al>schnitten  dargelegten  Thatsachen  er- 
geben sich  sein"  bedeutsame  Aufklärungen  über  das  römische  Strassen- 
und  Befestigungswesen  auf  der  linken  Rheinseite. 

Während  man  bisher  nur  eine  einzige  dem  Rheine  entlang  laufende 
Heerstrasse  im  Auge  hatte,  finden  sich  in  der  Strecke  von  Bingen  bis 
Xanten  hinab  deren  zwei,  und  streckenweise  sogar  drei  vor.  Die  eine 
derselben  zieht  sich  von  Dingen  bis  Coblenz  dicht  am  Flusse  entlang, 
und  weicht  auch  in  der  Strecke  von  Coblenz  bis  Cöln  nur  höchstens 
einige  hundert  Schritte  du  von  ab;  ebenso  schmiegt  sie  sich  von  Cöln 
bis  Xanten,  mit  Ausnahme  einiger  kurzen  Strecken,  durchweg  dem 
Flussr  an,  so  dass  sie  in  der  ganzen  Entfernung,  von  Bingen  bis  Xanten 
hinab,  fast  all  den  zahlreichen  Krümmungen  des  Rheines  nachfolgt  und 
daher  vielfache  Umwege  macht.  Diese  Strasse  war  hauptsächlich  zu 
militärischen  Zwecken  angelegt,  unter  denen  insbesondere  die  Sicherung 
der  freien  Schifffahrt  auf  dem  Rheine  hervorzuheben  ist.  Die  zweite 
in  geringer  Entfernung  daneben  her  laufende  Strasse  hielt,  unbekümmert 
um  die  verschiedenen  Flusskrümmungen,  durchweg  die  gerade  Richtung 
bei  und  deutet  ihren  Zweck  für  den  militärischen  und  bürgerlichen 
Verkehr  längs  des  Strontes  deutlich  an.  Einen  dritten  Strassenarm 
finden  wir  erst  aus  der  Nähe  von  Coblenz  bis  in  die  Gegend  von 
Andernach,  wahrscheinlich  zur  Abkürzung  des  Weges,  angelegt.  Häutiger 
kommt  dieser  dritte  Arm  weiter  rljeinabwarts  vor,  und  zwar  hier  zu 
dem  Zwecke,  wenn  durch  Ausschreitungen  des  Rheines  die  vorgenann- 
ten Strassen  ungangbar  waren,  den  Verkehr  auf  einem  höher  gelegenen 
und  sicheren  Terrain  wiederberzustellcB.  Wir  finden  einen  solchen 
dritten  Strassenarm  zuerst  zwischen  Sinzig  und  Rolandseck,  sowie 
zwischen  Bonn  und  Cöln.  Von  letzterem  Orte  abwärts  ist  der  dritte 
Arm  der  so  häufigen  in  dieser  Strecke  vorkommenden  Rheindurch- 
brüche wegen,  ununterbrochen  bis  fast  nach  Xanten  vorhanden,  jedoch 
so,  dass  da,  wo  eine  Parallelstrasse  die  angemessene  Richtung  dar- 
bietet, diese  mittelst  Verbind imgsstrassen  zu  dem  angegebenen  Zwecke 
benutzt  ist,  wie  wir  dies  zwischen  Neuss  und  Xanten  gesehen  haben. 

Wels  die  Bauart  der  drei  Strassenarme  betrifft,  so  ist  dieselbe 
nicht  bloss  bei  den  eiuzehieu  Armen,  sondern  in  den  einzelnen  Theilen 
einer   und   derselben   Strasse   sehr  verschieden.     Auf  ebenen   Hoch- 


Die  römischen  Militäratraseen  des  linkeu  Rheinufers. 


13 


flächen,  wie  von  Bingen  über  die  Wasserscheiile  de^  Hunsrück,  zwischen 
der  Mosel  und  Andernach,  sowie  zwischen  der  Aar  und  der  Gegend 
von  Bonn  finden  wir  ebensowohl  einen  Idoss  nus  Sand  und  Lehm  nuf- 
geworfenen  Damm  mit  einer  einfachen  Kiesdecke,  wie  in  der  Rliein- 
ebene  zwischeu  Bonn  und  Xanten;  dagegen  besass  die  dem  Rheine 
zunächst  gelegene  Strasse,  obgleich  sie  ebenfalls  nur  durch  die  Ebene 
führte,  von  Bingen  bis  Bonn,  wahrscheinlich  wegen  der  Nähe  des 
Wassers,  eine  stärkere  Besteinung,  indem  sich  unter  der  oberen 
Kieslage  durchweg  noch  eine  zweite  Lage  aus  gröberen  zerschlagenen 
Steinen  vorfindet.  Wo  aber  die  Strasse  duich  coupirtes  Terrain  zog, 
wie  auf  dem  nordlichen  Ausläufer  des  Hunsrilck,  und  in  der  Strecke 
zwischen  Andernach  und  Ahrweiler,  findet  sich,  aussser  den  beiden 
genannten  Steinlagen,  noch  ein  unterer  fester  Bau  aus  grossen  llruch- 
steinen  vor.  Auch  ein  Mörtelverband  erscheint  abwechselnd  bald  an 
dem  einen,  bald  an  dem  andern  Thcile  der  einzelnen  Strassenarme; 
jedoch  sind  die  Fälle,  ,wo  derselbe  fehlt,  am  häufigsten. 

Betrachten  wir  nun  die  militärischen  Anlagen,  welche  sich  an 
unseren  Strassen  aneinanderreihen,  so  zerfallen  dieselben  zunächst  in 
drei  Classen:  1)  Lager,  2)  Castelle  und  3)  Warten.  In  der  Strecke 
von  Neuwied  bis  Xanten  finden  wir  nicht  weniger  als  sechs  grosse 
römische  Standlager,  und  zwar  in  der  Entfernung  eines  Tagemarsclies, 
durchschnittlich  vier  Meilen,  neben  einander:  das  erste  lag  gegenüber 
Neuwied  an  der  Kapelle  zum  guten  Mann,  das  zweite  am  Wichels- 
hofe  bei  Bonn,  das  dritte  an  der  Alteburg  bei  Cöln,  das  vierte  zu 
Grimlinghausen  bei  Neuss,  das  fünfte  auf  dem  Burgfelde  bei  Asberg 
und  das  sechste  auf  dem  Fürstenberge  bei  Xanten.  Sämratliche  Lager 
befinden  sich  an  der  Hauptmilitärstrasse,  die  dicht  am  Rheine  den 
Krümmungeil  des  Flusses  nachfolgte,  und  deuten  auf  eine  hier  ge- 
legene Militärmacht  hin,  wie  sie  wohl  im  ganzen  römischen  Reiche 
nicht  zum  zweiten  Male  auf  einer  so  kurzen  Strecke  nachzuweisen  ist. 
Zwischen  den  Lagern  befinden  sich  in  geringern  Entfernungen  von 
einander  die  Castelle,  deren  nach  der  Angabe  des  Florus  mehr  als 
fünfzig  von  Drusus  dem  Rheine  entlang  angelegt  waren.  Man  hat 
diese  Zahl  öfters  für  übertrieben  erklärt;  aber  nicht  die  Angaben  des 
alten  Schriftstellers  über  die  Zahl,  sondern  die  Vorstellungen  seiner 
Interpreten  über  die  Beschaffenheit  dieser  Castelle  sind  übertrieben,  indem 
man  sich  dieselben  als  solide  in  Stein  aufgeführte  Befestigungen,  wie 
wir  die  römischen  Castelle  aus  der  spätem  Zeit  am  Rheine  finden, 
gedacht  hat.    Aber  diese  Castelle  waren  nur  kleine  und,  wie  alle  von 


14 


Die  römiscfacQ  Mi  litärstrauen  d«8  linken  Kheinufers. 


Drusus  dies-  uml  jenseits  des  RheiDes  angelegten  Fortificationen,  bloss 
aus  Erde  mit  Holzwerk  construirte  Schanzen,  die  erst  viel  spater  theil- 
weise  durch  Mauerwerk  verstärkt,  dann  auch  zuweilen  mit  Ansied- 
lungen  verbunden  wurden,  bis  zuletzt  der  ganze  Complex  durch  eine 
BefestiguQgsmauer  eingeschlossen  wurde.  In  ganz  gleicher  Art  waren 
die  Warten  nur  kleine  Erdscbanzen,  die  wahrscheinlich  einen  hölzernen 
Thurra  trugen,  der  vielleicht  auch  später  zuweilen  in  Stein  aufgeführt 
wurde;  wenigstens  hat  man  hier  und  da  solche  steiiienie  Wartthurme 
am  Rheine  zu  finden  geglaubt,  ohne  dass  es  mir  bisher  gelungen  ist,  mich 
selbst  davon  zu  überzeugen.  Unter  den  bürgerlichen  Anlagen  finden  wir 
eine  grössere  Colonialstadt,  Cdln,  und  sonst  nur  Dörfer,  von  denen 
einige,  wie  Bingen,  Andernach,  Bimn,  Neuss  und  Birten  in  der  letzten 
Zeit  der  Kömerherrschaft  zu  kleinen  Landstädten  herangewachsen. 
Sämmtliehe  kleine  Ansiedlungen  verdanken  ihre  Entstehung  haupt- 
sächlich den  Mansionen  und  Mutationen,  mit  denen  sie  verbunden  sind. 
Betrachten  wir  nun  die  rümischen  Reiseverzeichnisse,  in  denen 
unsre  Strassen  und  Ansiedlungen  enthalten  sind;  so  begegnen  wir 
zunächst  der  sehr  verbreileten  aber  irrigen  Auffassung,  dass  die 
Peutinger'sche  Tafel  eine  Strassenkarte  sei,  welche  den  Lauf  der 
bedeutenderen  Heerstrasseu  darstellen  soll,  während  sie  doch  nur  eine 
Anzahl  von  Reiserouten  enthält,  die  auf  sehr  verschiedenen  Strassen 
stfitttindeii  konnten  und  grossentheils  stattgefunden  haben.  Dies  tritt 
sehr  deutlich  auch  bei  unsern  rheinischen  Strassen  hervor.  Die  Reise- 
route, welche  die  Tafel  von  Bingen  deu  Uheiu  hiaab  angibt,  geht  bis 
Cöln  im  Ganzen  auf  dem  östlichen,  dem  Rheine  zunüchst  gelegenen 
Arme,  lia  sie  über  die  Orte  Oberwesel,  Boppard,  Coblenz,  Andernach 
und  Üona  führt,  welche  sämmtlich  an  diesem  Strasscnarme  liegen;  von 
Cöln  bis  Neuss  aber  führt  die  Route  über  den  westlichen  Ann,  indem 
die  Orte  Worringen  und  Dormagen,  die  an  den  beiden  andern  Armen 
liegen,  nicht  genannt  werden,  und  von  Neuss  geht  sie  auf  dem  mittleren 
Arme  über  Asberg,  indem  sie  die  Orte  Calone  und  Gelduba,  die  an 
den  beiden  andern  Armen  liegen,  nicht  berührt.  Da  man  in  der  Tafel 
bisher  nur  eine  einzige  dem  Rhein  entlang  führende  Strasse  sah,  so 
hat  man  nicht  erklären  können,  woher  es  kommt,  dass  die  Tafel  die 
vier  genannten  Orte,  die  doch  in  dem  Antoninischcn  Itinerar  an  dieser 
Strasse  aufgeführt  werden,  Obergeht;  der  Grund  aber  liegt  offenbar 
darin,  dass  die  in  der  Tafel  aufgezeichnete  Route  nicht  über  diese 
Orte  geführt  hat.  Das  Antoninische  Itinerar  enthält  die  Reiseroute 
der  Peutinger'scheu  Tafel  nicht,  dagegeu  aber  drei  andere,  die  in  den 


Die  römLachen  Militäratntssen  des  linken  Rheinufers. 


früheren  Abschnitten  bereits  angegeben  sind.  Indem  man  nun  diese 
verschiedenen  Routen,  die  auf  verschiedenen  Strassenarmien  stattfanden, 
auf  ein  und  dieselbe  Strassenlinie  verlegte,  blieb  es  einerseits  uner- 
klärt, warum  das  Itinerarium  die  in  der  P.  T.  genannten  Orte  Vosavia, 
Rigomagam  und  Asciburgium  nicht  enthält,  und  anderseits  konnten 
die  Entfernungsangaben,  die  sich  auf  die  an  den  verschiedenen  Strassen- 
armen  gelegten  Orte  beziehen,  nicht  mehr  auf  diese  an  ein  und  die- 
selbe Strasse  gelegenen  Orte  stimmen.  Daher  kommt  es,  dass  die 
Itinerarien  angeblich  so  viele  Fehler  enthalten  sollen,  die  gevi'öhnlich 
den  Abschreibßrn  zugeschoben  werden,  aber  in  ganz  andern  Umständen 
zu  suchen  sind.  Für  völlig  fehlerhaft  wurde  das  Antoinnische  Iti- 
nerarium besonders  da  erklärt,  wo  die  Reihenfolge  der  Orte  mit 
der  Wirklichkeit  nicht  stimmte :  wir  haben  aber  gesehen,  dass  die  Un- 
richtigkeit wegfällt,  sobald  man  die  Orte  nicht  auf  dieselbe  Linie  be- 
sieht, sondern  zwei  verschiedene  Routen  darin  erkannt  werden.  Wir 
wollen  bei  dieser  Gelegenheit  eine  andere  nicht  weniger  verbreitete 
Meinung  zu  verbessern  suchen,  dass  nämlich  die  Itinerarien  die  an  den 
Strassen  gelegenen  Mansionen  und  Mutationen  enthalten  sollen.  Dies 
ist  nur  insofern  richtig,  als  die  dort  aufgeführten  Ortschaften  zugleich 
Mansionen  und  Mutationen  enthielten,  oder  mit  andern  Worten,  dass 
diejenigen  Mansionen  und  Mutationen,  welche  zugleich  mit  grösseren 
Ansiedlungen  verbunden  waren,  in  den  Itinerarien  aufgeführt  sind, 
während  alle  übrigenj  die  bloss  aus  einigen  Gebäuden  bestanden,  darin 
fehlen,  sowie  in  gleicher  Art  alle  diejenigen  Lager  und  Castelle  darin 
fehlen,  welche  nicht  zugleich  auch  mit  Ansiedlungen  verbunden  waren. 
Die  Itinerarien  tragen  daher  einen  hervorstechend  geographischen  Cha- 
racter,"  indem  sie  nur  die  Namen  der  auf  den  Reiserouten  gelegenen 
Städte  und  Dörfer  enthalten,  ja  wahrsdieinlicher  Weise,  soweit  meine 
Kenntniss  bis  jetzt  reicht,  überhaupt  nur  diejenigen  Routen  angeben, 
welche  über  grössere  Ansiedlungen  führen,  woraus  sich  erklären  würde, 
dass  so  viele  andere  Routen,  die  über  nicht  minder  bedeutende  lleer- 
strassen  ziehen,  darin  ganz  übergangen  sind. 

Werfen  wir  schliesslich  einen  Blick  auf  die  Gesammtheit  der 
rfimischen  Anlagen,  wie  sie  sich  aus  den  schriftlichen  Ueberliefcriiugen 
und  den  aufgefundenen  Älterthurasresten  kundgeben,  um  uns  ein  Cultur- 
bild  von  unserm  linksrheinischen  Landstreifen  in  der  Römerzeit  zu 
vergegenwärtigen,  so  finden  wir  dicht  am  Strome  in  durchschnittlich 
regelmässigen  Entfernungen  eine  Reihe  grosser  Heerlager,  zwischen 
denen   in   geringen  Abständen   eine  Anzahl  kleinerer  Castelle  postirt 


16 


Die  römischen  Militärstrassen  dea  linken  Rheinufürs. 


war ;  an  den  Heerstrassen  aber  treffen  wir,  wiederum  in  regelmässigen 
Entfernungen,  zunächst  die  Mansionen^  d.  h.  öffentliche  Gebäude  zur 
Beherbergung  der  reisenden  Staatsbeamten  sowie  der  Truppen  beim 
Marsche,  verbunden  mit  grossen  Magazinen,  Stallungen  und  Remisen; 
dazwischen  die  Mutationen,  d.  h.  öffentliche  Gebäude  mit  den  nöthigen 
Vorkehrungen  zum  Wechseln  der  Pferde  und  Wagen  '),  Ein  Theil  dieser 
Mansionen  und  Mutationen  war  mit  kleineren  und  grösseren  Ansied- 
lungen  verbunden,  unter  denen  sich  auch  eine  grössere  8tadt(Cö!n)  befand. 
Sämnitliche  Anlagen  aber  waren  von  ihrer  Entstehung  an  bis  zu  ihrem 
Untergange  einem  stetigen  Wachsthuni  unterworfen :  die  Lager,  ur- 
sprünglich in  Erde  und  Holz  aufgeführt  und  in  ihrem  Innern  mit 
hölzernen  Baracken  versehen,  erhielten  alsbald  steinerne  Urafassungs- 
niaucru  mit  Thürnieii  und  im  Innern  steinerne  Gebäude;  die  Castelle, 
im  AoJ'unge  blosse  Erdschanzen,  wurden  später  mit  Mauern  und 
steinernen  Gebäuden  versehen,  und  in  der  letzten  Zeit  erhielten  auch 
die  grösseren  Ansiedjungen  Umfassungsmauern  und  Thürme;  die  römische 
Gobnialstadt  aber  erweiterte  sich  auf  das  Doppelte.  Die  römische 
Culturentwickelung  in  diesem  Landstriche  beruhte  demnach  ganz  auf 
staatlichen  Einrichtungen  und  hatte  ihren  Anfang  in  rein  militärischen 
Aulageo*).  J.  Schneider, 


1)  Zwischen  zwei  Munsionen  la^en  in  der  Regel,  ausser  der  grösseren  in 
der  Mitte,  auch  noch  mehre  kleinere  Miitntioncn. 

2)  4)ie  gleiche  Auffassung  und  die  d&raus  hervorgehende  grosse  Bedeut- 
samkeit der  methodischen  Erforschung  der  Rümerstraasen  diesseits  der  Alpen, 
ist  bereits  in  unserer  „Äu  ffo  rderuug  zur  Betheiligung  an  der  Revision 
der  Uömcrstrassen"  im  LVIJ.  Heft  der  Jahrbücher  ausgesprochen  .worden. 
Wir  können  es  de-sshalb  nur  mit  Freude  begrüsBcn,  wenn  das  Bonner  Provininal- 
museum,  wie  wir  vornehmen,  die  Aufdeckung  der  grossen  Heerlager  auf  dem 
Ffirstenberg  bei  Xanten,  am  Wicheishof  bei  Bonn,  und  gegenüber  Neuwied 
an  der  Kapelle  zum  guten  Mann  in  Aussicht  genommen  hat.  Die  im  vorigen 
Jahre  begonnenen  und  in  diesem  Augenblick  wieder  in  Aussicht  genommenen 
Bonner  Ansgrahuugen  werden  stets  nach  Massgabe  der  zu  Gebote  stehenden 
Grundstücke  fortgesetzt.  D.  Red. 


Der  römische  Grenzwall  in  Deutscblanrl. 


17 


2.   0er  römische  Grenzwall  in  Deutschland '), 

Hierzu  Tafel  U. 

Seit  geraumer  Zeit  sind  wir,  Dank  den  eifrigen  Remöliungen  (1(t  Römische Be- 
englischen  und  schottischen  Antiquare,  wie  des  Henn  John  tk>llingwnodj^ß^j^^j^ 
Bruce  in  Newcastle  und  seiner  Vorganger,  some  des  verstorbenen 
Generals  William  Roy,  und  Dank  vor  allem  der  Muniticenz  englischer 
Patrioten,  wie  der  Herzöge  von  Northumberland  und  des  Herrn 
John  Claytoü  voo  Ches.ters  Hall,  so  genau,  als  vielleicht  überhaupt 
möglich  ist ,  unterrichtet  tiber  die  gewaltigen  doppelten  Grenzbe- 
festigungen, durch  welche  die  höchst  unterrichteten  und  einsichtigen 
Offiziere  der  Kaiser  Hadrian  und  Antoninaa  Pius  die  Provinz  Britannien 
von  Meer  zu  Meer  gegeu  das  liürdliche  Bnrbarenland  gesichert  haben'). 
Die  langgestreckten  Anlagen,  ein  vollständig  durchgeführtes  System 
von  Wällen,  Gräben,  Thürmen,  Thoren  und  gröfseren  und  kleineren 
Castellen,  zugleich  defensiv  und  offensiv,  ein  Wunderwerk  der  mili- 
tärischen Technik,  sind  wegen  ihres  einheitlichen  Plans  und  ihrer  gleich- 
mäfsigen  Ausführung  vielleicht  als  einzig  in  ihrer  Art  zu  bezeichnen. 
Aber  es  fehlte  doch  nicht  ganz  an  wenigstens  annähernd  ähtilichen 
Grenzbefestigungsanlagfn  in  anderen  Theilen  des  römischen  Reiches, 
welche  zur  Vergleichung  herangezogen  werden  können.  Die  berühmte  OrientaliBchB 
chinesische  Mauer,  welche  die  englischen  Antiquare,  wie  der  vortreffliche 
John  Hodgson,  mit  dem  Wall  des  Hadrian  in  England  in  Parallele 
gestellt  haben,  ebenso  wie  die  aus  Xenophon  bekannte,  aber  in  Bezug 
auf  ihren  monumentalen  Charakter  etwas  zweifelhafte  medische  Mauer, 
welche 'Mesopotamien  zwischen  Euphnit  und  Tigris  abgeschlossen  haben 
soll,  können  dabei  füglich  ausser  Betracht  bleiben.  Der  alte  Orient 
hatte  jedoch  manche  anderen  Anlagen  aufzuweisen,  welche  den  späteren 
Werken  der  rümischen  Kaiser  möglicher  Weise  als  Vorbild  gedient 
haben  können.    Bekannt  ist  die  Mauer,   welche  der  ägyptische  Kiiuig 

1)  Gin  kurzer  Abrise  der  nachfoljsrrndoffriarleprung  hi  der  arohäoloniftcbeii 
Gesellschaft  zu  Berlin  am  9.  Deconber  1877,  unter  Vorlegung  der  nachher  zu 
erw&haendei)  grofsen  Kiepertachen  Karte,  vorgetragen  worden. 

2)  Ich  darf  für  allefl  Detail  über  diese  berühmten  Werke  der  römischen 
Befestigungskunsl  auf  die  im  Corpus  inscriptiounm  I.atimtrmn  Bd.  Vll  (1873) 
S.  99  ff.  und  S.  191  ff.  gegebenen  Ausführungen  verweisen.  Eiue  auf  nllga- 
meincres  Verständniss  berechnete  Sohildenmg  derselben,  ohne  die  Belege,  ist  im 
Maibeft  der  dcuiachen  Rimdscbau  von  diesftm  Jahre  (1878)  S.  221  FT.  erschienen. 


Mauern 


18 


Der  römische  GreazwsU  in  DeutaoUand. 


Africa 


Sesostris  (Bamses  H.)  von  Ileliapolis  nach  Pelusion,  fünfzehnhundert 
SUuiion  laut;,  gegen  die  Einriillv  von  Osten  her  erbaut  hatte*).  Aul' 
dein  Wege  von  Syene  nach  l'hilae,  an  der  südlichen  Grenze  Aegj-ptens, 
läuft  den  Fluss  entlang  im  Thale  eine  Mauer  uus  ungebranuten  Biick- 
Bteinen ;  sie  ist  etwas  mehr  als  zwei  Meter  breit  und  stellenweise  nod> 
in  einer  Höhe  von  vier  Meteni  erhalten.  Für  eine  Anlage  der  römi- 
schen Zeit,  und  2war  zum  Schutz  der  Grenze,  hielt  sie  der  Engländer 
James  Yates*).  R.  Lepsius,  dem  ich  die  genaueren  Nachweisungen 
über  diesen  eigentbünilichen  Bau  verdanke'),  glaubt  dagegen  mit  den 
älteren  Reisenden,  dass  diese  Mauer  nur  zur  Sicherung  der  Stra&e  die 
Katarakte  entlang  gedient  habe,  weil  man  auf  dieser  Strafe  die 
Waaren  zu  Lande  transportieren  rausste,  während  sie  unter-  und  ober- 
halb derselben  zu  Wasser  gingen;  Wachen,  am  nördlichen  sowie  am 
südlichen  Ende  der  Mauer  aufgestellt,  schützten  dann  die  den  Fluss 
entlang  geführte  Strafse  hinlänglich  gegen  Ueberfülle.  Feber  das  Alter 
der  Anlage  ist  nichts  bekannt;  dass  sie  bei  Strabo  nicht  erwähnt  wird, 
beweist  jedoch  nicht,  dass  sie  jüngeren  Ursprungs  sei  als  die  Zeit,  in 
welcher  er  schrieb  (die  des  Tiberius);  eine  Auslassung  solcher  Art  ist 
bei  diesem  Schriftsteller  keineswegs  auffällig.  Auch  in  anderen  (iegen- 
den  des  Ostens  gab  es  gewaltige  und  ausgedehnte  Befestigungsanlagen, 
wie  der  von  Antiochos  Soter  erbaute  Grenzwall  der  Margiana")  und 
eine  Mauer  von  unbckannleni  Ursprung  im  Kaukasus  bei  Derbend'). 
Mit  Unrecht  hat  man  geglaubt,  auch  die  römische  Provinz  Africa  sei 
im  Süden  durch  Wall  und  Graben  gegen  die  Wüste  abgesclüossen  gt^ 
Wesen''),    Es  liegt  dieser  Annahme  nichts  That sächliches   zu  Grumle; 

3)  Nach  dem  Zeugnisse  bei  Diodoros  I  57. 

4)  In  der  unten  (Anu.  14)  zu  npnnonden  Ahhandliionr  S.  W  (S.  10  der 
deutschen  Ueberaetzung) ;  er  berief  sich  dafür  auf  oitiudliche  Angaben  des  jüngst 
verstorbenen  Aegyptolo^n  Joseph  Bonomi. 

6)  Er  wird  beschrieben  iu  der  discription  de  l'L'gt/pteBd.  1  (Paris  1821  8.) 
8.  6  f.  und  in  G.  Parthey 's  de  Philis  insuln  dusque  monumeutis  amtmcntatio 
(Berlin  1830  8.)  S.  9  f.  Im  Atlas  der  dhcription  Inf.  I  und  iu  Ritters  Erd- 
kunde 1  S.  660  ijit  die  Mauer  abg«bildet. 

C)  Naoh  Strabu's  Zeugniss  XI   10,  2  S.  516  C. 

1)  Auf  sie  machte  II.  Kieport  mich  aufmerknam. 

6)  J.  Yates  hat  diese  Notiz  nach  den  Angaben  des  vor  einigen  Jahren 
in  hobont  Alter  verstorbenen  John  Konrick  von  York  in  der  oben  sobon  ange- 
führten verdienstlichen  Abhandlung  niedergelegt.  Damit  sie  nicht  obno  Prüfung 
weiter  verbreitet  werde,  gebe  ich  die  von  Amw  uns  jüngst  entrisseneu  (iu9tit%' 
^Vilmauns   mitgetheilte  Berichtigung. 


Der  römüche  Greazwall  ia  Deutachland. 


19 


sie  scheint  auf  Grund  eini},'er  missverstan<lener  Schriftstellerzeugnisse 
UDil  falscher  Etymulugieeu  nur  in  den  Korden  solcher,  welche  jene 
Gegenden  nicht  aus  eigener  Anschauung  kennen,  entstanilen  zu  sein. 
Aber  auch  jene  ügyjdischen  und  persischen  Bauten  zeigen,  soweit  sie 
überhaupt  genuuer  bekannt  sind,  nur  sehr  entfernte  Analogieen  mit  den 
romischen.  Alle  jene  alturientalische»  Anlagen  sind  nändich  von  diesen 
wc^ntlich  vorschieden.  Sie  waren  säuimtlich,  soviel  ich  .sehe,  massive 
Bauten  au.s  Stein ;  auch  die  griechist-heri  liefestigurigsbaiiten,  soweit 
ich  sie  kenne,  trugen  den.selben  Charakter  {•£.  B.  die  langen  Mauern 
von  Athen).  Die  rönii.schen  Anlagen  sind  in  ihrer  Grundlage  Erd- 
WL-rke,  hervorgegangen,  wie  wir  das  an  den  beiden  britannischen  Wällen 
deutlich  erkennen,  aus  dem  röniisclieu  Lager.  Man  kann  sie  füglich  als 
in  die  Länge  gestreckte  Lager  bezeichnen,  nur  da.sb  sie,  statt  vun  allen 
vier  Seiten  durch  Erdreich  abgeschlossen  zu  sein,  au  zweien,  den  kurzen 
Querlinien,  vom  Wasser  (Meer  oder  Fluss)  begrenzt  werden.  Soersjchei- 
nen  sie  als  eine  nationale,  aus  der  römischen  Kriegsweise  hervorgegangene 
Erfindung.  Aus  der  neueren  Kriegsgeschichte  kann  mau  ihnen  vielleicht 
Wellingtons  bekannte  Linien  von  Torres  Vcdras  an  die  Seite  stellen. 

Im  stidüchen  Pannonien,  in  dem  Winkel  zwischen  Donau  und  Fannonien 
Theiss  nördlidi  von  Peterwaidein^j,  ebenso  wie  im  nordlichen  Dacien, 
an  der  Grenze  zwischen  Ungarn  und  Siebenbürgen  bei  Porolissum  •<'),  Dacien 
sind  vermuthlich  die  rümisclien  Castelle  durch  Wullanlagen  unterein- 
ander verbunden  gewesen.  Diese  Anlagen  zeigen  schon  eher  eine  ge- 
wisse Verwandtschiift  ndt  dt;n  britannischen  Befestigungshnieu;  aber  sie 
entziehen  sich  der  Vergleichung,  da  sie  bis  jetzt  nur  ganz  lückenhaft 
bekannt  siiid'V). 

Allein  mindestens  zwei  den  britannischen  ähnliche  Anlagen,  tlieil- 
weise  auch  aus  fast  gleicher  Zeit  und  mit,  wie  es  scheint,  völlig  gleichem 
Zweck,  lassen  sich  ausserdem  mit  Bestimmtheit  an  den  europäischen 


9)  Yates  erwähnt,  nach  Angaben  des  Grafen  Franz  PuUaky,  dieser 
Anlage  als  auf  einer  grüfsen  Strecke  siidöttlich  von  Pent  gegen  Siiolnak  hin,  auf 
der  Wasserscheide  zwischen  den  Flüsson  Ktiriis  und  Maros,  noch  sichtbar;  sie 
föhre  im  Volkamund  dea  Namen  <)rdöq  drok  und  C}MTae{7}  drok;  das  »ei  so  Tiel 
als  Teufelsmauor. 

10)  Vgl.  C.  I.  L.  III  867. 

11)  Dio  biB  jetzt  bemerkten  Rest«  deraelhnn  sind  auf  der  Kart«  zu  C.  I. 
L.  III  von  II.  Kiepert  verzeichnnt  worden.  Yates  citiert  (S.  lül)  eine  knrze 
SobilderuDg  derselben  aus  dem  Bucli  von  W-  beattie  the  Danvhe  (LoudoD 
1644  4.)  S.  228. 


20 


Der  römiBche  Grenzwall  in  Deutachland. 


Grenzen  des  römischen  Reiches  nachweisen.  Die  eine  jener  beiden 
Anlagen  ist  die  in  jüngster  Zeit  häufig  genannte  doppelte  Befestigungs- 
Hoesien  linie  In  Moesien  am  unteren  Donaulauf,  in  der  heutigen  Dobrudja» 
zwischen  Tonii-Constantia  (jetzt  Köstendje)  und  Capidava,  einem  römi- 
schen Castell  am  südltciien  Donauufer.  Von  der  Ausdehnung  und 
Bedeutung  der  militärischen  Aulagen  der  Homer  in  jenen  Gegenden 
beginnen  wir  jetzt  erst  nach  und  nach  durch  die  dorther  in  steigender 
Zahl  bekannt  werdenden  inschriftlichen  Ileste  eine  deutlichere  Vor- 
stellung zu  erhalte»  5  an  genauerer  Kenntniss  der  Wallanlagen  am 
Germanien  unteren  Donaulauf  fehlt  es  aber  noch  durchaus.  Die  andere  jener 
Anlagen  ist  der  weit  ausgedehntere  Complex  von  Grenzbefestigungen, 
in  der  That  das  grö&te  überhaupt  bekannte  Werk  der  Art,  welches 
die  beiden  germanischen  Provinzen  sowie  das  nördliche  Rätien  gegen 
die  germanischen  Feinde  zu  schützen  bestimmt  war.  Wenn  ich  es 
unternehme  über  dfu  wohl  nur  Wenigen  genauer  bekannten  jetzigen 
Stand  uQseier  Kenntniss  dieser  letztgenannten  Werke  un  diesem  Orte  in 
zusammenfassender  Kürze  zu  bertchten,  so  mag  diefs  eine  Kntscliuldigung 
auch  darin  fiitden^  dass  in  diesem  Falle  mit  dem  allgemeiucn  sich  ein 
vaterländisches  und  speciell  rheinläudisches  Interesse  verknüpft.  Es 
handelt  sich  dabei  um  ein  historisches  Denkmal  von  solcher  Aus- 
dehnung und  Bedeutung,  dass  es  sich  wohl  lohnt,  die  neben  Rom  und 
Athen  nach  allen  äussersten  und  entlegensten  Enden  der  antiken  Welt 
gerichtete  Äuiiiierksamkeit  der  Archäologen  auch  einmal  auf  diese 
näherliegpnden  hebnatlichen  Gegenden  zu  lenken.  Mich  hat  das  be- 
schämende Gefühl  der  Unwissenheit  über  diese  uns  räumlich  nächsten 
Ueberreste  der  römischen  Welt,  während  so  viel  weiter  entfernte  fremde 
Denkmäler,  wie  die  englischen,  uns  so  genau  wie  überhaupt  möglich 
bekannt  sind,  zunächst  dazu  geführt,  mich  über  sie  aus  dem  vorhan- 
denen Material  zu  unterrichten,  Ich  darf  wohl  voraussetzen,  dass 
mit  der  nachfolgenden  üebersicht  auch  für  Andere  etwas  nicht  Un- 
nützes geliefert  wird.  Dazu  verbindet  sich  mit  der  Geschichte  der 
römischen  Befestigungsanlagen  in  Deutschland  noch  ein  besonderes 
historiHelies  Interesse.  Sie  scheinen  nämlich,  wenn  man  von  Caesars 
doch  immi^rhin  verschiedenen  Befestigungen  des  KhünelHufs  und  seinen 
späteren  Belagerungsarbeiten  vor  festen  Plätzen  absieht,  die  ältesten 
uns  bekannten  römischen  Werke  der  Art  überhaupt  zu  sein.  Zur  Be- 
zwingung unserer  germanischen  Vorfahren  und  zur  Occupation  der  von 
ihnen  bewohnten  weiten  Länderstrecken  sind  die  römischen  Lageranlagen 
zum  ersten  Mal  in  dieser  Weise  in  die  Länge  hin  vervielfältigt  worden. 


Der  römiache  Grenzwall  in  Deiitschtand. 


21 


Fast  schon   seit  der  Zeit,   in  welcher  man  überhaupt  begonnen  Vorarbeiten 

hat  den  Resten  des  römischen  Alterthums  in  der  Heimat  ein  Interesse 
zuzuwenden,  also  schon  seit  dem  Anfange  des  sechzehnten  Jahrhunderts, 
ist  man  auch  hier  und  da  auf  die  besonders  in  Süddeutschland  damals 
noeh  besser  als  jetzt  erhaltenen  StraTsen  und  Befestigungslinien  auf- 
merksam geworden,  welche  die  grüfseren  römischen  Niederlassungen 
daselbst  mit  einander  verbantieu.  Damit  hat  man  denn  die  auch  hier- 
über, wie  über  alle  ähnlichen  Anlagen  der  Kaiserzeit,  nur  äusserst 
spärlich  erhaltenen  Nachrichten  bei  den  alten  Schriftstellern  und  die 
geographischen  Daten  zu  comhinieren  gesucht,  und  so  ist  eine  —  mit 
einigen  ohrenwerthen  Ausnahmen  —  mehr  umfang-  als  inhaltreiche 
Litteratur  über  diesen  Gegenstand  entstanden.  Diese  ganze  Litteratur 
in  erschöpfender  und  methodischer  Weise  auszunutzen  hat  noch  Nie- 
mand versucht.  In  übersichtlicher  Kürze  haben  über  die  wichtigeren 
Ergebnisse  derselben  zuletzt  berichtet  zwei  deutsche  und  zwei  englische 
Gelehrte.  Die  Deutschen  sind  Friedrieh  August  Ukert,  welcher  im 
Jahre  1843  in  seinem  Handbuch  der  alten  Geographie")  die  germani- 
schen Grenzbefestigungen  verfolgt,  und  fa.st  Rleichzeitig  Adolf  Baum- 
stark in  einem  Artikel  über  das  alte  Germanien");  die  Engländer, 
welchen  die  Vergleichung  mit  den  britannischen  Befestigungen  das  In- 
teresse an  den  germanischen  gegeben  hatte,  sind  James  Yates**)  und 


12)  Geographie  der  Griechen  und  Römer  III  1  (Weimar  1843  S)S.  278— 85. 
Ich  gebe  in  den  nacbfolgenden  Aumerkungea  eine  Uebersicht  über  das  Wichtigste 
aus  der  auBgedehnten  Litteratur  über  den  germaniBchen  LimcB,  ohne  dieselbe 
eraohöpfen  lu  wollen.  Ich  vermuthe,  daaa  solche  NachweiAungea  nicht  Wenigen 
erwünscht  sein  werden,  da  es  an  einem  Repertorium  für  dieselben  durchaus  Fehlt. 
Auch  das  wäre  eine  dankenswertho  Aufgabe,  welche  der  Verein  von  Altortbums- 
irennden  im  Rbeinlande  auf  sein  Programm  setzen  soilte,  wie  er  das  Register 
zn  seinen  eigenen  Pubticationen  in  Angriff  genommen  hat:  uns  mit  der  Zeit  eine 
allgemeine  Litteraturübersicbt,  eine  Regiatrandc,  topographisch  und  sachlich  ge- 
ordnet, für  die  Alterthümer  der  Itbeintando  zu  schafTen. 

13)  In  Faiily'a  Beal-Encyklopädie  Ili  (Stuttgart  1844  6.)  8.  827—29. 
Der  Artikel  »Pfahlgraben i  in  der  Encyktopädie  von  Ersob  und  Gruber  (Sect.  III 
Bd.  20,  Leipzig  1845  4.,  S,  144 f.)  von  G.  M.  S.  Fischer  enthält  nur  eine  gane 
kurso  Ueberaicht  über  die  früheren  Arbeiten. 

14)  In  dem  Aufäats  on  the  Limes  Shaeticus  and  Limes  Transrhenanus  of 
ihe  Roman  Empire,  publiciert  in  den  Memoirs  chiefly  illustrativs  of  the  History 
and  Antiquities  of  Northumherland ,  welche  bei  Gelegenheit  der  im  Jahre  1852 
zu  New^castle  gehaltenen  JahresverBammluag  dai  Archaiological  Institute  ofGreat 
Britain  and  Jreland  in  2  Bänden   (London   1858  8.)  erschienen,  Bd    1  S.  97  ff. 


22 


l>cr  römisehe  Gfenr,wall  in  Deutschland 


William  Bell").  Die  Arbeit  von  Yates  ist,  trotz  ihrer  Kürze  und 
mancher  augenfälliger  Mängel,  jedenfalls  die  weitaus  beste  über  den 
Wall  als  Ganzes,  welche  bisher  existiert.  Herr  Yates,  vor  wenigen 
Jahren  in  London  in  hohem  Alter  verstorben,  hatte  seine  gelehrte  Bil- 
dung in  Berlin  empfangen  und  bewahrte  BÖckh  und  Trendelenburg 
als  seinen  Meistern  ein  dankbares  Andenken.  Der  gelehrten  Welt  hat 
er  sich  durch  sein  treflfliches  leider  unvollendetes  Buch  über  die  antike 
Webekuust  bekannt  gemacht*«);  dem  Alterthum  bewahrte  er  bis  an 
sein  Ende  (im  J.  1867  habe  ich  ihn  öfters  in  I^ondon  gesehen)  das 
regste  Interesse.  Ausgehend  von  den  Nachrichten  tiber  die  seit  dem 
dritten  Jahrhundert  bekannten  duces  limifanei  und  die  milites  riparienses 
und  limitanei  bezeichnet  Yates  zunächst  als  Zweck  des  germanischen 
Limes  zwischen  Donau  und  Rhein  die  Umgrenzung  des  Decuraalen- 
landes  und  giebt  dann,  auf  Grund  einer  sorgfältigen  Benutzung  der 
Speciallitteratur  "),  ein  Bild  seines  urspriünglkhcn  Zustandes  (wozu  er 
die  Darstellungen  der  Trajanssäule  benutzt,  in  welchen  die  Truppen 
Bäume  fällen,  um  Pallisaden  zu  errichten,  sowie  die  der  hökernen 
Wartthürme  mit  Fackeln  und  ähnliches)  —  Graben,  Wall,  Waldes- 
lichtung —  mit  Profilen  aus  verschiedenen  Thejlen  der  Anlage  und 
Ansichten  der  für  römisch  gehaltenen  steinernen  Wartthürme  von 
Sternsberg  bei  Sinsheim"),  von  Besigheim,  die  aber  weit  hinter  der 
Limeslinie  liegen,  und  von  Donau-Stauf  bei  Regensburg,  welche  er 
vorsichtiger  Weise  für  nichtrömisch,  aber  für  theilweise  auf  römischen 


(mit  einer  üeberaichtakarte),  vom  Vorfasser  selbst  ans  dem  in  Doutachland 
sehr  Bflltenen  Original  ins  Deutsche  übersetzt  und  aus  den  Mittheilungen  den 
historischen  YcrciDS  für  Schwaben  und  Neubnrg  bes.  abgedruckt  (Augsburg 
1858  8.  mit  einem  K&rtchen).  loh  citiere  im  Folgenden  nach  dem  englischen 
Original,  auch  die  Uebersetziiug  ist  sehr  wenig  bekannt. 

15]  In  Charles  Roach  Sraith'a  Cotlectanea  antiqua  IV  (Lundou  1854  8.) 
8.  210  ff. 

lö)  Texlrinum  antiquorum,  an  account  of  the  art  of  weaving  amotvj  ihr 
ancienU  London  1848  8. 

17)  S.  181  ff.  giebt  er  ein  noch  immer  brauchbares  chronologisch  geord- 
notea  Verreichniss  der  auf  den  Limos  bezüglichen  Schriften  von  Job.  Just 
Winkolmann's  Beschreibung  von  Hessen  {Bremen  1697  fol.)  und  Job.  Alex. 
Döderlein's  aeludiatma  historicum  (Nürnberg  1728  4.)  an  bis  auf  seinen  nächsten 
Vorginger  und  Landsmann  W.  Bell  (1854),  der  nur  referiert. 

18)  Yates  könnt  ihn  aus  K.  Wil helmi's  Beschreibung  im  1. — 12.  Jahres- 
bericht an  die  Mitglieder  der  Sinsheimer  Gesellschaft  zur  Erforschung  der  vater- 
ländischeu  Denkmale  der  Vorzeit  (Sinsheim  1831  —  46  8.)  S.  45  ff. 


I 


W  römische  GreoEwall  in  Douischland. 

Substructioiien  erbaut '"),  erklärt,  währeml  er  die  viereckigen  Warten 
auf  der  würtenihergischen  Strecke  mit  Itec-fat  für  römisch  liält,  und 
Bchiidert  dünn,  überall  auf  (Jniuii  der  altern  Arbeiten  und  aus  eigner 
Anschauung,  die  Reste  des  Limes  bis  zur  Ems. 

ükert's  und  mehr  noch  Baumstjuk's  Bericht  ist  ganz 
suniniariseli  gehiilten;  etwas  eingehender  und  zum  Theil  de  insti  ur- 
thcilen  die  Kngländer,  aber  doch  auch  olme  über  das  Thatsächliche 
hinreichend  unterrichtet  zu  sein.  Seitdem,  also  seit  über  zwanzig 
.lahren,  ist  kein  Vorsuch  ^^emacht  worden,  über  das  Ganze  der  Anlage 
im  Zusammenhange  zu  berichten.  Inzwischen  haben,  wie  natürlich, 
nieist  zufällige  Funde,  besonders  bei  Straföen-  und  Eisen  bahn  bauten, 
nur  in  den  seltensten  Füllen  ad  hoc  angestellte  Ausgrabungen,  manchen 
unsicheren  Punkt  aufgehellt,  manches  Neue  zu  Tage  gefördert,  wahrend 
andererseits  die  fortschreitende  Cultur,  wie  überall,  nivellierend  gewirkt 
hat  und  die  schon  geringen  Reste  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  bis  zu 
völliger  Unkenntlichkeit  entstellt.  Um  so  mehr  erscheint  es  geboten, 
«ich  zu  besinnen  auf  dasjenige  was  man  wirklich  weiss,  und  Hand  an- 
zulegen an  die  Beschaffung  des  zur  "Vermehrung  der  Kenntniss  ni5thigen 
Materials,  ehe  es  überhaupt  zu  spät  ist. 


In  der  langen  (Jrenzlinie  des  einst  römischen  Gebietes  beider 
Germanien  und  Rätiens  nördlich  von  der  Donau  und  östlich  vom  Rhein 
lassen  sich  sechs  Hauptabschnitte  unterscheiden,  welche  in  der 
Hauptsache  mit  den  alten  Grenzen  der  Provinzen  und  den  modernen 
Territorialtheilungen  correspondieren. 

I. 

Ich  beginne  im  Süden  an  dem  Punkte,  von  welchem  aus  die  Bayern 
natürliche  Nonlgrenze  der  zwar  nicht  zu  den  germanischen  gehörigen, 
aber  durch  die  gleichen  strategischen  Rücksichten  mit  ihnen  eng  ver- 
bundenen rätischen  Provinz,  die  Donau,  wohl  zuerst  eine  Verbindung 
mit  der  natürlichen  Ostgrenze,  dem  Rhein,  erhielt.  Dieser  erste,  der 
grofsentheils  bayerische  Abschnitt  des  Grenzwalls,  der  seit  dem 
dritten  Jahrhundert  so  genannte  limes  JlaetmtSy  ist  im  allgemeinen 
verhältnismässig   am    besten  bekannt.     Dank  den   aufopfernden  Be- 


19)  Daas  dicfs  in  der  Tbat  bei  den  rheinischen  mittelalterlichen  Burgen 
vorgekooimea  sei,  hat  der  bndiache  General  Krieg  von  Hocbfeldcn  in  seiner 
Geschichte  der  Miiitärarchitektur  des  früheren  Mittelalters  (Stuttgart  1869  8.) 
«ahrsobeinlich  zu  machen  gesucht. 


24 


Der  römische  Gruiizwall  Id  DeutschUnd. 


niühuDgen  einiger  sorgFältiger  Localforseher,  wie  des  Dr.  Anton 
Mayer,  dessen  Arbeiten  iu  die  beiden  ersten  Decennien  unseres  Jahr- 
hunderts fallen -*>),  und  vor  allem  Dank  der  genauen  Aufnahme  vieler 
Reste  der  römischen  Befestigungen  in  die  topographischen  Karten  des 
bayerischen  Generalstabs,  deren  betreffende  Abschnitte  in  den  droissiger 
Jahren  ausgeführt  worden  sind.  Der  Wall  ist  auf  dieser  Strecke 
oft  mit  einem  gemauerten  Kern  von  Gusswerk  stellenweis  noch  in  der 
Höhe  von  drei  bis  fünf  Fufs  erhalten,  der  etwa  fünfzehn  Schritt  davon 
liegende  Graben  ist  durchschnittlich  zehn  Fufs  breit.  Von  der  für  die 
ganze  Anlage  charakteristischen  Pallisadenreihe  ist  natürlich  keine  Spur 
mehr  vorhanden.  Er  beginnt  südwestlich  von  Regensburg,  südlich  vom 
Einfluss  der  AltnUihl  in  die  Donau  bei  Kclh'eim,  und  schreitet  rler  Haupt- 
sache nach  in  stets  westlicher  Richtung  fort,  in  einer  Bogenlinie  von 
der  Ausdehnung  von  etwa  dreiundzwanzig  deutschen  Meilen.  Bei  Kipfen- 
berg  schneidet  er  die  Altniühl  und  geht  über  Weissenburg  und 
Gunzenhausen,  wo  er  seinen  nördlichsten  Punkt  erreicht,  weiter  im 
würtembergischen  Gebiet  nördlich  hei  Aalen  vorbei,  bis  er  unweit  Lorch 
und  Welzheim  plötzlich  die  westliche  Richtung  verlüsst,  um  in  beinahe 
rechtem  Winkel  zu  der  bisherigen  Richtung  nun  von  Süd  nach  Nord 
zu  gehen.  Hier  also,  an  der  Grenze  der  beiden  Provinzen  Rätien 
und  Obergermanien,  nicht  weit  vom  Hohenstaufen,  beginnt  der  zweite 
Abschnitt  der  Befestigungslinie,  der  erste  der  eigentlich  germanischen 
Ostgrenze. 

Der  architektonische  Charakter  der  Anlage  —  Graben,  Pfahl- 
reihe, Wall  uml  dahinter  Thürrae  und  Castelle,  aber  keine  fortlaufende 
Mauer  au£  Stein,  ähnlich  als».»  dem  Walle  des  Pius  in  Schottland,  nicht 
dem  des  Hadrianus  in  England  —  scheint  auf  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung, wenigstens  bis  zur  Sieg,  streng  festgehalten  zu  sein.  Nur 
die  nördlichsten  rechtsrheinischen  Strecken  der  Anlage  weichen  davon 
ah.  Dieffe  ist  ein  Umstand,  der  für  die  Annahme  der  Planmäfsigkeit 
und  wesentlichen  Gleichzeitigkeit  der  Anlage  in  ihrer  gesaramten  Aus- 
dehnung natürlich  schwer  ins  Gewicht  fällt.  Schon  hier,  in  dem  ersten 
und  wahrscheinlich  auch  der  Zeit  nach  frühesten  Abschnitt  des  Walles, 
begegnet  die   später,    besonders   am    unteren   Rhein  lauf   beobachtete 


20)  Siehe  bes.  dessen  genaue  BMchruibung  der  uoter  dem  Namen  dar 
TeofeUmauer  bekannlen  Landeamarkung  (aus  den  AbhaudluDgen  der  Müncbener 
Akademie)  1  Abtheil unitec  München  1821—38  4.  Yates  giebt  8.  lU  ff.  eine 
kurze  Uebersicht  über  die  Arbeiten  dieses  begeisterten,  wenn  auch  nicht  hin- 
l&Qglich  kritischen  Forschers. 


Der  römiaahe  Greazwall  io  Deutschland. 


95 


ErecheinuDg,  dass  nicht  eine,  sontlerii  zwei  und  sogar  mehrere  wesent- 
lich paralk'l  laufcode  oder  in  spitzeu  Winkeln  sich  schneideiKic  Linien 
des  Limes  erkennbar  sind.  Ob  hier  gleichzeitige  complicierte  Anlagen 
vorliegen  (auch  die  Linie  des  Hadnanswails  in  England  ist  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung  eine  doppelte)  oder  ob  ein  Vorschieben  oder 
Zurückrücken  der  Linie  in  verschiedenen  Zeiten  stattgefunden  hat, 
entzieht  sich  vorläufig  noch  durchaus  unserer  Beurtheihmg. 

Die  Befestigung  ist  auf  dieser  ersten  Strecke,  auf  welcher  sie 
bekanntlich  den  Naraen  der  Teufelsmauer  fuhrt,  soweit  erhalten  und 
auftindhar  gewesen,  dass  sie  danach  ziemlich  genau  in  die  Karten 
hat  eingetragen  werden  könuen.  Aber  genau  erforscht  und  syste- 
matisch aufgegraben  ist  noch  keines  der  gröfseren  Castellc,  welche 
südlich  von  Wall  und  Graben  gelegen,  wiederum  ebenso  wie  in 
England  und  Schottland  einen  integrierenden  Fiestandtheil  der  Be- 
festigungslinie  bilden,  so  wenig  wie  die  Warttbürme  und  Ausfall- 
thore.  Hierauf  aber  beruht  erst  der  wissenschaftliche  Gewinn  sol- 
cher Untereuchungeu:  aus  Zahl  und  Lage  der  Castellc  können  erst, 
wie  es  in  England  geschehen  ist,  ihre  Naraen  mit  Hülfe  der  Angaben 
in  den  Quollen,  wie  den  Listen  der  Garnisonen  in  den  sogenannten 
Militärdiplomen,  den  Rcichsitinerarien,  dem  der  sogenannten  Peutinger'- 
schen  Tafel  und  dem  antoninischeu ,  und  dem  Staatshandbuch ,  der 
notitia  digniiatum,  festgestellt  werden,  zumal  wenn  iuschriftliche  Funde 
die  gewonnenen  Resultate  bestätigen  und  ergänzen.  Nur  die  genaueste 
Beobachtung  der  Befestigungsanlagen,  der  Art  des  Mauerwerks  und 
der  sammtlichen  daselbst  gemachten  Funde  schafft  hier  die  nothwt'n- 
dige  Grundlage ;  meist  ist  nur  durch  Ausgrabungen  zu  der  erforder- 
lichen Sicherheit  zu  gelangen.  Mit  daukenswerthem  P^ntgegcukommen 
hat  die  bayerische  Regierung  auf  Ansuchen  der  Münchener  Akademie 
und  besonders  auf  Betrieb  ihres  Mitgliedes,  des  Professors  Wilhelm 
Christ,  seit  einer  Reihe  von  Jahren  einen  Münchener  Gelehrten,  den 
Gymnasiallehrer  Herrn  Friedrich  Ohlenschlagcr,  bei  der  topographi- 
schen Aufnahme  der  römischen  Ueberreste,  der  er  mit  Förderung  von 
Seiten  des  militärisch-topographischen  Bureaus  all  seine  Müsse  gewidmet 
hat,  und  der  damit  verbundenen  Ausarbeitung  einer  Karte  der  sogenannten 
prähistorischen  Funde  im  südlichen  Bayern  mit  einer  freilich  nur  sehr 
unbedeutenden   Summe   unterstützt.      Seine  Vorarbeiten  »^)*  sind  jetzt 

31}  Von  welchen  die  HerAuagabe  dreier  römischer  Intchriflon  aas  Pfiin», 
Denkm&ler  der  ersten  Cohorte  der  Brouci,  in  den  Bonner  Jahrb,  43  (1867) 
8.  147  ff.  eine  Probe  bietet. 


26 


Dor  röinisfhe  tirenKwall  iti  lAuitnohlund.' 


Würtom- 
berg 


(SO  siiirieb  er  mir  im  Aupiust  187ti)  soweit  geclieheu,  daas  alles  vor- 
liegende gedruckte  und  handschriftliche  iMaterial  am  gehörigen  Orte 
eingereiht  ist;  im  Herbst  1877  ist  das  Dreieck  Ulm-Augsburg-Donau- 
W('irth  nuch  einmal  genaiv  abgesucht  worden.  Heber  fünfhundert  topo- 
graphische Aufiialnnen,  alle  in  dem  gleichen  Maafsstabe  von  1  :  5<)0<\ 
machen  es  möglich,  die  einzelnen  lieresligungen  au  die  rechte  Stelle  zu 
setzen  und  so  ihren  früheren  Zweck  erkennen  zu  la^'sen.  Sechs  gröf}<ere 
Castclle  (statira)  ausser  Ilegensburg  (den  licgina  Castro)  und  Augsburg 
[AugmUi  Vinäelicum)  hat  Herr  Ohlenschlagcr  bis  jetzt  sicher  er- 
mittelt. Leider  konnte  keines  derselben  volli^tändig  aufgegraben  und 
ausgebeutet  werden;  nur  hier  und  da  haben  zufällige  Funde  von  Zie- 
geln der  Triiiipentheilc,  wie  z.  H.  in  Ilegensburg  selbst,  die  Unter- 
suchung gefördert ").  Herr  Ohlenschlager  hat  das  bescheidene 
tiefilhl,  dass  seine  Arbeit  den  Erwartungen,  welche  mau  von  ihr  hegt, 
nicht  ganz  entsprechen  wird;  allein  er  bemerkt  mit  Reclit,  dass  das 
mühevolle  Stichen  nach  Material,  welclies  sie  voraussetzt,  und  das  er 
theilweis  duich  zweckinäfsig  eingerichtete  und  in  jenen  Gegenden  ver^ 
breitete  Fragebogen  zu  erlangen  gewiisst  hat,  die  Kräfte  eines  einzelnen 
Mannes  fast  (Ibersteigt,  und  vor  allem,  dass  ihm  die  Mittel  gefehlt 
haben,  an  den  wichtigsten  Punkten  die  Arbeit  des  Sammeins  von  Nach- 
richten und  des  Anschauens  der  meist  unbedeutenden  erhaltenen  Reste 
durch  Spaten  und  Schaulel  zu  ergänzen.  Immeihin  aber  wird  das 
von  ihm  Gebotene  unzweifelhaft  alle  bisherigen  Arbeiten  über  den  be- 
zeichneten Tenainabschoitt  des  (.irenzwalls  weit  hinter  sich  lassen 
und  in  seinen  Resultaten  auch  l\ir  die  übrigen  Abschnitte  der  Anlage 
rnafsgebcnd  sein. 

IL 
Der  zweite  grö listen  Theils  würtembergische  Abschnitt  be- 
ginnt, wie  gesagt,  ungefähr  mit  jenem  fast  rechten  Winkel,  welchen 
der  Wall  an  der  Grenze  der  rätischen  und  germanischen  Provinz 
bildet.  Dicfs  ist  die  Strecke,  welche  nach  dem  bekannten  Zcugniss  des 
Ammianus  Marcellious  (XVIII  U,  15)  bereits  im  vierten  Jahrüundert 
als  regio  cui  CapcUalii  vel  Palas  nornen  est  bezeichnet  wird ;  Namen, 
über  die  viel  gestritten  worden  ist,  deren  Zusammenhang  aber  mit  dem 
noch  heute  üblichen  des  Pfahlgrabens,  der  schon  in  einem  Weistlumi 

23)  lieber  die  Ausgrabungren  in  Regeaaburg,  welche  das  Ostthor  des  Castellg 
und  eine  daraiit*  besügliche  Inschrift  des  Kaisers  M.  Aurelius  eti  Tage  gebracht 
haben,  berichtet  Ohlenschlager  in  den  Sitzangsborkbten  der  Mttnchener 
Akademie  vo«  1874  phil.  bist.  CK  3  S.  218  ff. 


Der  rAmisolie  Grenzwali  in  Deutschland. 


» 


des  Jahres  812  als  Phal  vorkoinnit,  wohl  feststeht.  Auch  für  Würtem- 
berg  liegfn  mancherlei  sor^fültige  Voruiliteitcn,  besonders  von  Christian 
Krnst  Hanssei  mann -•■'),  Julius  Leichtlen"),  Fiiedr.  von  Stalin**), 
J.  A.  Huchncr")  und  Kduanl  Paulus"),  vor.  Der  eben  verstorbene 
Paulus  der  Vater,  der  Verfasser  der  vuitreftlichen  archäoloRischen  Karte 
von  Würtoniherg,  war  es.  dor  im  Jahri'  li^<U  den  grön^teii  Tliril  dieses 
Abschuittfs,  eine  Strecke  von  etwa  vierzehn  geographischen  Meilen,  von 
der  nördlichen  Hohe  des  Remsthales  bei  Welzheim  bis  zum  Main  bei  Freu- 
denberf»  im  Spesshardt  zu  Fiifs  beging  und  danach  ihre  fast  schnurgerade 
Richtung  von  Süd  nach  Nord,  mit  geringer  Abweichung  nach  Nordwest, 
ohne  Winkel  und  Bogen  streng  eingehalten,  über  Berg  und  Thnl.  durch 
Wiese  und  Wald,  behauptete.  Diese  Annahme  stiess  auf  mannigfaltigen 
W^idei-spruch;  aber  sie  hnt  sich  bei  erneuter  Untersuchung  glänzend  be- 
stätigt. Es  ist  den  Bemühungen  des  Professor  Herzog  in  Tübingen 
gelungen,  besondei-s  naclulem  er  auf  der  Philolugenversanimlung  in 
Tübingen  im  Jalire  1876  einen  darauf  bezüglichen  Vortrag  gehatten 
hatte**),  die  dortigen  Staatsbehörden  zur  KewilHgung  der  erforder- 
lichen Mittel  für  eine  vollstäntiige  topugrnphische  Auhiahrne  des  in 
würtembergisches  Gebiet  fallenden  Theiles  des  Grenzwalls  zu  veran- 
lassen. Am  22.  August  des  Juliros  1877  ist  in  Stuttgart  eine  Coni- 
mission  zusammengetreten  unter  Leitung  der  Directoreu  von  Silcher 
und  von  Riecke  aus  dem  Finanz-  und  dem  Cultusministerium.  Sie 
bestand  aus  den  beiden  Paulus,  Vater  und  Sohn,  dem  Major  Finck 
von  der  kartographischen  Abtheilung  des  würtembergischen  statistisch- 
topographischen  Bureaus,    dem  Professor  Hartmann    von  demselben 


23)  Deasen  eiwu  zopfige  Bcbrifteo  mit  ihrem  umsläadlicbua  Titel  'Beweifs 
wie  weit  der  Komer  Macht  ti.  s.  w.  auch  in  die  nunmehrige  Ost-Fränkische, 
sonderlich  Hohenlobische  Laude  eingedrungen  u.  a.  w.'  Schwäbisch  Hall  1768 
mit  der  Fortsetzung  eheudaa.  177S  kl.  fol.  noch  immer  nicht  gane  yeralttit  sind. 

24)  In  den  Abhandlungen 'über  die  römischen  Altertbümer  in  dem  Zehend- 
luide  u.  8.  w."  und  'Schwaben  unter  den  Römern'  F'reiburg  i.  B.  1818  u.  1625  8. 

25)  Im  ersten  Bande  seiner  bekannten  wirtembergischen  Geschicble  Stutl- 
gmrt  1841  6. 

26)  J.  Andreas  Büchner'«  lleiee  auf  der  Tenfelsmauer  Regensburg  I  — III 
1818—1831  8.,  dessen  Arbeit  sich  jedoch  gröfstentheils  auf  die  bayerische  Strecke 
besieht.  Ilini,  sowie  J.  D.  G.  tod  Memminger's  Beschreibung  von  Wnrtemberg 
3.  Ausg.  Stuttgart  1843  8.  S.  5  ff.  ist  Yatea  S.  120  ff.  besonders  gefolgt. 

27)  Besonders  in  der  Schrift  'der  römische  Grenzwall'  ßimes  transrhenamu) 
vom  Hobenstaufep  bis  zum  Main  Stuttgart  1863  8.  mit  Karte. 

28)  Bonner  Jahrb.  59  (1876)  S.  48  ff. 


38 


Der  römische  Grenswall  iu  DcutBchknd. 


Bureftu,  der  in  den  Ortsurkunden  Bescheid  weiss,  und  Prof.  Herzog; 
dem  Major  Finck  hat  Oberst  vüu  Co  hausen  auf  die  Bitte  der  Com- 
mission  besondere  Mittlieilungcn  aus  seinen  Erfahrungen  zur  Ver- 
fügung gestellt.  Sie  hat  den  ihr  von  Prof.  Herzog  vorgelegten  Plan 
der  Arbeit  angenommen.  Im  September  ist  der  gröffeere  Theil  der  ersten 
Strecke,  die  südnördliche  Linie  von  Lorcli  im  Remsthal  (südlich  von 
Welzheim)  bis  zur  badischen  Grenze  bei  Jagsthausen,  von  der  Coni- 
raission  begangen,  vermessen  und  in  die  Flurkarten  im  Maafsstab  von 
1:2500  eingetragen  worden.  Im  September  1878  soll  das  Gleiche  für 
die  Strecke  von  Lorch  bis  zur  bayerischen  Grenze  bei  Thannhausen 
geschehen.  In  einer  Breite  bis  theilweis  zu  zwanzig  Metern  ist  auf 
diese  Weise  zunächst  das  Terrain  der  Befestigungslinie  selbst  und  das 
der  filnf  gröfseren  Casfelle  auf  dieser  Strecke  festgestellt  worden,  Mit 
Benutzung  aller  erreichbaren  Daten  aus  Flurbüchern  und  anderen  Ur- 
kunden (der  Grenzwall  bildet,  wie  einst  zwischen  Alamanneo  und  Bur- 
gundern ,  so  noch  heutiges  Tages  nicht  selten  die  Grenze  der  Ge- 
markungen), aus  der  Erinnerung  alter  Leute  und  jeder  Art  von  Auf- 
zeichnung soll  dann  eine  topographische  Veröffentlichung  mit  Terrain- 
bild im  Maafsstab  von  1  :  TiOOnO  erfolgen  nach  vorhergehenden  Aus- 
grabungen, wo  immer  sie  nöthig  und  möglich  scheinen.  Herr  Herzog 
hat  über  diese  Arbeiten  im  würtem bergischen  Staatsanzeiger"*)  und 
in  Briefen  an  mich  berichtet.  So  scheint  also  dort  für  eine  sachgem&fse 
Lösung  iler  Aufgabe  ebenfalls  ein  guter  Grund  gelegt  zu  sein.  Eines 
der  auf  dieser  Strecke  liegenden  Castelle,  der  alte  vicus  Aurelii,  das 
heutige  Oehringen,  ist  bekanntlich  von  0.  Keller  in  einer  besonderen 
Monographie  behandelt  worden*"),  der  einzigen  fast,  welche  bisher  einem 
Liraescastell  gewidmet  worden  ist.    Für  die  Aufhellung  der  Geschichte 


29)  Vom  7   Oktober  1877  No.  232  S.  1683. 

80)  0.  Keiler  Viotis  Aurelii  uder  Oehringen  eur  Zeit  der  Römer,  mit 
1  Karte,  2  Plänen.  2  Phnlotypiecn,  52  Lilhographieen  und  einigen  Holzschnitten 
(WinckelmannBprogramra  des  Bonner  Vereins)  Bonn  1871  4.  Sie  ist,  aiifHer  von 
Anderen,  besonders  Buaführlioh  hnsprochen  worden  von  Hrrrn  Carl  Christ  in 
Heidelberg  in  dem  Aufsatz,  'zur  Geschichte  des  römischen  Dekumatenlandes, 
bauptMohlich  der  Gegenden  dos  heutigen  wirtembergisohen  Frankpos  zur  Romer- 
zeit"  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  1872  8.  562—677,  worin  ein  eigener  Ab- 
schnitt den  rheinischen  Grenzwall  bebandelt  |S.  567 (T.).  Christ  berichtet  dabei 
zugleich  über  F.  Haug's  römische  Inschriften  in  Wirtembergisch  Franken  (Hetl- 
bronn  1670  and  1871,  bus  der  Zeitschrift  'Wirtembergisch  Franken  Bd.  8  S.  331  ff. 
und  Bd.  9  S.  148). 


Der  römische  Grenzwall  in  Deutscbland. 


29 


des  allmälichen  Vordringens  der  römischen  Besatzungen  von  der  zuerst 
befestigten  Rlieinliuie  zwischen  dem  Bodensee,  E-5ftsel  und  Mainz,  sind 
neuerdings  durch  schweizerische  Forscher  werthvolte  Beiträge  geliefert 
worden  ")y  Die  Geschichte  dieses  das  Dtjcuniateuland  umgebenden 
Theiles  des  Limes  hängt  mit  der  Erforschung  der  von  jenen  Castellen 
am  Rhein  ausgehenden  Strafsen  natürlich  auf  das  Engste  zusammen**). 
Für  die  kurze  Strecke  auf  badischem  Gebiete,  welches  der  Wall 
ungefähr  von  Jagsthausen  in  Wüitemberg  an  in  iler  Richtung  von 
Osterburken  (Lopodunum)  und  Walldürn  am  Odenwald  hin  bis  nach 
Freudenberg  in  Bayern  schneidet,  ist,  soviel  ich  weiss,  noch  keine  neue 
Aufnahme  desselben  erfolgt  oder  in  Aussicht.  Die  Strecke  ist  neuer- 
dings besonders  in  den*  Buch  des  Staatsraths  von  Becker'^)  be- 
schrieben worden.  Nützliche  Beiträge  zur  Kenntniss  der  römischen 
Niederlassungen  und  Strafsen  snwie  der  Limesstrecke  hat  seit  einigen 
Jahren  C.  Christ  geliefert**).  Die  im  Herbst  1876  zu  Wiesbaden  tagende 
Versammlung  der  deutschen  Alterthumsvereine  hat  an  die  Regierungen 
von  Baden  und  Hessen  rlie  Bitte  gerichtet,  es  möchten  die  hinter  dem 
Limes  liegenfien  römischen  Befestigungen  im  Odenwald,  die  sogenannte 
Mümlingalinie  "J,  neu  untersucht  werden,  und  zwar  unter  der  Leitung 


Baden 


91)  Ich  meine  z.  B.  dio  Ahbandliing  von  Charles  Morel  über  'Castell  und 
Yicaa  T&scactium  in  Rätien'  in  dun  commentationes  Mommaenianae  ^Berlin  1877  8.) 
8.  153  if. 

82)  In  der  Schrift  von  A.  Pauly  über  den  Strafsenzug  der  tabula  Peu- 
tingeraua  von  Vindoniaaa  nach  Sumlacenis  und  von  da  nach  Regiuo  (Stuttgart 
1836  8..I  ist  dieser  Gedanke  richtig  zu  Grunde  guiegt  worden. 

33)  K.  von  Becker  Geschichte  des  hadiachen  Landes  zur  Zeit  der  Eümer 
I.Heft  Karlsruhe  1876  (69  S.  8.^ ohne  Karte);  dazu  F.  Hawg  Bonner  Jahrb.  68 
(I876J  S.  195  ff. 

34)  In  diesen  Jahrbüchern  &2  (1872)  S.  62  iT.  'datierbare  Inschriften  aus 
dem  Odeuwalde'  (fortgesetzt  ebendas.  62,  1878  S.  51  ff.)  und  in  einem  sehr  oin- 
gehendeu  Aufsatz  'zur  älteren  Gencbichte  des  untern  Neckarthals,  besonders  von 
Wimpfou'  in  den  Heidelberger  JaLibücheiii  1872  S.  241  — 3<M,  worin  über  Frohn- 
bäuscr's  Gi'schichte  der  Iteichastadt  Wimpfeii  (Darmxtudt  1870  8.)  und  eine 
ansfölirliche  Besprechung  dieses  Werkes  durch  11.  Bauer  im  IX.  Bd.  von  '  Wir- 
tembergi  seh  Pranken,  sowie  über  A.  von  Lorent's  Schrift 'Wimpfea  am  Neckar, 
geschichtlich  und  topographisch  dargestellt'  (Stuttgart  1870  8.1'  berichtet  wird. 

35J  Eine  augenscbeintich  wenig  genaue  Aufnahme  findet  sich  in  dem  Buch 
ron  J.  F.  Knapp  römische  Denkmale  des  Odenwalds  u.  s.w.  Heidelberg  1813  8. 
[2.  Aufl.  mit  Zusätzen  von  U.E.  Scriba  Darmstadt  1854  6.{.  Knapp,,  sowie  den 
•jÄteten  Arbeiten  von  Fr.  Creuver  («eit  1820,  stehe  diesaea  deutsche  Suhriften 


30 


Der  römische  Gronzwall  in  Deutachland. 


des  Obersten  vou  Cohausün;  es*  wäre  hier  hesonders  wichtig  aus 
der  Art  der  Anlaj^ieu  selbst  lestzustellen,  ob  sie  älter  nls  die  weiter 
westlich  gehende  Limeslinie  sind  oder  jünger-  Die  Luoeslinie  selbst 
wurde  dabei  zunächst  nicht  in  Aussiclit  genommen.  Die  .beideu  He- 
gierungen  haben  in  der  That  zu  diesem  Zwecke  die  Summe  von  zu- 
sammen 900 Mark  bewilligt;  auch  sind  Fragcbogeu  auaii^esendet  worden. 
OberiStudienroth  Wagner,  der  I.andesconservator  der  badischen  Alter- 
thümer,  nimmt  sich  dem  Vernehmen  nach  der  Sache  eifrig  au;  es 
sollte  im  Lauf  des  September  v.  .T.  eine  ISegehung  der  bezeichneten 
Linie  stattfinden.  An  die  auf  batlischem  boden  erhaltenen  oder  voraus- 
gesetzten lieste  der  römischen  Zeit  knüpft  sich  bukiinntlicli  viel  Streit. 
An  die  Stelle  der  übertreibenden  und  kritiklosen  Ueberschätzung  aller 
in  Namen  und  Ueberlieferungen,  in  der  oft  zufälligen  H(»denbeschaffen- 
heit  und  in  den  uni)edcutendsten  Funden  liegenden  Zeugnisse  durch 
F.  Mone  i.st  jetzt  kühle  Negation  und  nüciiterner  Zweifel  getreten'"). 
Die  zusammenhiingende  Erforschung  des  Strafseunetzes  und  der  Limes- 
linien wird   hier  allein    den  richtigen  Mittelweg   zu  zeigen   vermögen. 

In  der  Nähe  des  Odenwaldes  mnss  z.  B.  das  unter  Traian  an- 
gelegte Castell  gelegen  haben,  dessen  Ammianus  Marcellinus  in  der 
Schilderung  vun  Julians  Feldzug  gegen  die  Alamannen  erwähnt"''); 
vielleicht  gelingt  es  auf  dem  angezeigten  Wege  seine  Lage  zu  ermitteln. 

Das  neueste  Heft  die.ser  Jahrbücher  bringt  unerwartete  weitere 
Beiträge  zur  Keuntniss  der  römischen  Niederlassungen  im  OdenwahP"*). 
Die  MuralingsÜMic,  oder  die  Linie  tibernburg-Mudau,  stellt  sich  hier- 
nach immer  deutlicher  als  eine  Reihe  einzelner  Castelle  heraus,  welche 


n>  2  DarraBtadt  uni!  Leipzig  18-16  8.  S.  371  ff.)  und  J.  W.  Chr.  Stoiner  (üe- 
Rchichte  imJ  Topographie  iles  Maiiigebieta  uud  S{>ea8arts  unter  den  Römern, 
Darmstadt  1834  8.  und  deaatilbou  das  System  der  römincheu  Wehren  ia  An- 
wendung auf  das  alte  Neckargobiet  in  der  Bergstrarse,  Scligensladt  185Ö  8.|  hat 
Yates  S.  123  ff.  seine  Schildorung  dieser  Strecke  des  Walls  entnommen. 

30)  Man  vergleicho  dazu  W.  Hrambach  Iladeu  nuter  lömiachrr  Herr- 
schaft Freiburg  i.  Br.  1807  (31  S.)  i.  mit  einer  lilhogr.  Tafel,  bos.  S.  lö. 

37)  XVll  1,  11  munintmtum  qttod  in  Alamantutnnn  nolo  cotulüum  Traianu» 
suo  nojninc  voluü  apptUari,     Kb  hiesa  also  vielleicht  casUllum   Ulpium, 

3Bj  Des  Pfarrers  Heeger  in  Seokmaucrn  i.  Ü.  interessante  Miltheilungen 
über  die  römiacheu  Bofüstigungen  im  Odenwald'  in  diesen  Jahrb.  62  (I8TB) 
S.  ;^3— 43  und  die  darau  ^i-knüplten  Benn^rkungoa  von  C.  Christ  'über  die 
Liniesfrage  und  die  rümischeu  Altcrtbümtir  aus  Obernburg  uni  Main  ebeudtu. 
8.  42—60. 


Dor  römiBcbe  Grenzwall  in  Deittschland. 


31 


~mM\  durch  eine  Stiafi^e,  nicht  aber  durch  /usamtiu'nhiingcnde  Wall- 
anlajiun  miteinander  verbunden  waren.  Wenigstens  scheint  bisher  eine 
solche  zuaamnienhäugende  Wallanlage  noch  nicht  nachgewiesen  zn 
sein,  üeber  Form  und  Alter  der  Caslello  ist  aus  den  bisherigen 
Angaben  noch  kein  sicherer  Schluss  zu  ziehen.  Dass  die  bisher  in 
ihnen,  /.  B.  in  Obernburg  ■''•'},  gefundenen  Inschriften,  wie  es  scheint, 
nicht  ilber  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  hinaufgehen,  verbietet 
keineswegs,  die  Anlage  der  t'astelle  in  weit  ältere  Zeit  zu  setzen; 
sowenig  wie  das  mit  dem  letzten  Viertel  des  dritten  Jahrhunders  überall 
fast  ganz  gleichmäfsig  eintretende  Aufliören  in.sclniftlicher  Zeugnisse 
ohne  Weiteres  das  Aufhüren  der  riimischen  Occupation  beweist.   ' 

III. 
Hier  beginnt  ein  neuer,  lUr  dritte  Abschnitt  des  Grenzwalls. 
welcher  nun  statt  der  südnördlichen  eine  wesentlich  weatliübe  Uielitung 
einschlägt,  zum  Theil  sogar  nach  Siideu  elubiegt.  Am  südlichen  Ab- 
hang des  Vogelsbergs  zwischen  diesem  und  dem  Taunus  hin,  am  nörd- 
lichen Abhang  des  grofsen  Feldliergs,  zieht  sich  die  Linie  zur  Lahn, 
welche  bis  zu  ihrer  Mündung  iu  den  lUiein  als  die  nürdliche  (irenze 
der  ol)eren  germanischen  Pruviuz  gilt.  Von  Freudenberg  östlich  von 
Miltenberg  bis  etwa  nördlich  von  Aschnffenburg  scheint  der  Wall  auf 
der  Wasserscheide  des  Spesshardt,  wenig  östlich  vom  Lauf  des  Mains, 
und  weiter  ungeliihr  bis  Wirtlieini  an  der  Kiuzig,  östlich  von  Celn- 
hausen,  in  einer  Ausdehnung  von  etwa  sieben  bis  acht  Meilen  zu  laufen. 
Dieser  Theil  d<'s  Walls,  die  nächste  Fort.setziing  der  würienibergischen 
Linie  auf  hessen-nassauischem  Gebiet,  früher  von  Philip])  Dieffen- 
bach*")  und  Karl  Arnd*')  untersucht,  ist  erst  neuerdiugs  zum  Theil 
etwas  gründlicher  erforscht  worden").     In  Miltenberg,    in   der  Nähe 


Hesscii- 
Nnasau 


39)  Hofrath  Kitlel's  Gescbichto  der  Sladt  Obornluirg  (Obernburg:  1877  8.), 
auf  welohe  sieb  Christ  befiehl,  [&<;;  rnir  nncli  niriit  vor. 

40)  Pb.  Dicffenbacb  über  AUerilmmcr  in  und  um  Friedberg  Gieaacn 
1829  8.,  Urgesobicbie  der  Wetterau,  Aruhiv  für  hessische  Geschichle  und  Laudus- 
kuuiio  4.  1845  S.  1   tu. 

41)  K.  Arud  der  Ffahli^raben  nacb  den  neuesten  F^orschungun  und  Eut- 
deckuugou  u.  s.  w.  2.  Ausgabe  Frankfurt  a.  M.  1801  8.  Vgl.  auuh  Fh.  A.  F. 
Walther  die  Altertbümer  der  hoidniscben  Vorzeit  innorhslb  dua  Grursbürzog- 
thuma  Häsacu  Uairostadt  16G9  8. 

42)  Vgl.  [A.  Duncker  u.  R.  Sucbier]dft<i  Rümorcastell  (0  utid  das  Todten- 
feld  in  der  Kinziguiederung  bi^i  Eückiu^cn,  bcrausgeg.  vom  hanauiscben  Bezirks- 


32 


Der  römische  Grenz'wall  in  Deutschland. 


Rosaera 
Werk 


des  Mudbaches  und  des  Mains,  sind  vor  drei  Jahren  die  Reste  eines 
bisher  unbekanuten  Castells  bei  Gelegenbeil  von  Eisenbabnbauten  zum 
Vorschein  gekommen,  dessen  innere  Fläche  auf  10  bis  12000  Quadrat- 
meter berechnet  worden  ist.  Die  daselbst  gefundenen  epigraphischen 
Denkmäler,  wie  die  fast  alter  Castclle  am  Limes  von  Soldaten  der  achten 
Legion  oder  der  vierten  Cohorte  der  Vindeliker  herrrllirend,  sind  soeben 
von  L.  Urlichs  in  Würzburg  verötfentficlit  worden*»). 

Der  erste  Theil  dieses  Abschnittes  der  Grenzbefestigung,  die  etwa 
sechs  Meilen  lauge  Strecke  von  der  Kinzig  bis  zur  Wetterau,  harrt  eben- 
falls noch  einer  auf  Grund  allef  bisherigen  Vorarbeiten  **)  auszu- 
führenden genauen  Aufnahme  und  Feststellung.  Erst  vom  Thale  der 
Usa  au,  gegenüber  von  dein  hessischen  Dorfe  Langenhain.  unweit  der 
früher  nassauischcu  jetzt  preussischen  Grenze,  beginnt  die  Strecke  des 
Limes,  welche  sich  wie  bekannt  im  Ganzen  parallel  zur  'Höhe'  (oder 
dem  Taunus)  und  in  ungefähr  gleichem  Abstand  von  demselben  gegen 
Norden  in  der  Richtung  von  Ost  nach  West  zieht.  Auf  diese  Strecke, 
weil  sie  zunächst  dem  Hauptquartier  des  obergermanischen  Heers  im 
erslen  Jahrhundert ,  nämlich  Mainz,  liegt,  bezieht  man  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  die  älteste  Nachricht  über  den  Limes,  welche  wir 
Oberhaupt  besitzen,  nämlich  die  des  Frontinus,  der  den  Kaiser  Domitiao, 
welcher  bekanntlich  den  Beinamen  Germanicus  führte,  als  den  Urheber 
desselben  nennt  *^);  auch  die  bekannten  Worte  desTacitus")  stimmen 


verein  für  hesB.  ße«ch.  und  Landeskunde  (Miltheiilungen  Heft  4)  mit  6  Tafeln 
Hanau  1873  8.   Dazu  J.  Freudenberp  Bonner  Jährt.  65/6  (1875)  S.  195  ff. 

43)  Bonner  Jahrbücher  60  (1877)  S.  60  ff.  Dazu  jetzt  W.  Conradi  die 
römiichen  Inschriften  der  'Altstadt'  bei  Miltenberg  in  den  Annalen  des  Vereins  für 
na«sauische  Alterthumskundc  und  Gpschichtsforschung  6  (1877|  S.  341 — 405. 

44>  Welche  in  deu  vorhergehe udcii  Anmerkungen  angeführt  sind.  Yatea 
rühmte  (S.  124)  Dieffeobacb  folgend  don  Fürsten  von  Solma-ßrauufels  zu  Oam- 
bach  bei  Hiingen  als  einen  der  wenigen  grofsen  Gnindbesitzer,  welche  sich  die 
Erhaltung  der  Reste  des  Walls  auf  ihren  Besitzungen  angelegen  sein  lassen. 

45)  Frontinus  strateg.  I  3,  10  imperator  Caesar  Domitiant4S  Auguatua,  cum 
Oermani  more  auo  e  aaUilms  et  ohscwis  UUebrii  subiwie  impugnarent  nostroa 
iutumque  regreasum  in  profunda  siharum  haberent,  limitibus  per  CXX  m.  p. 
actis  non  mutavit  Tantum  atatum  belli,  sed  et  subiecit  diciom  suae  hoates,  qnorvm 
refugia  ntulaterat.  Richtig  verwertbet  hat  die  Nachricht  Stalin  wirteraberg. 
Geschichte  1  (1841)  S.  13f.  Vgl.  auch  Brambach  Baden  unter  römischer  Herr- 
schaft S,  5.  Auch  das  interessante  Fragment  eines  in  Rom  gefundenen  Epi- 
gramm« (C.  I.  L.  Vi  1207;  bezieht  sich  wohl  auf  Domilians  germanische  Siege. 

46)  Qermania  29  von  den  Mattiaci:    protulit  enim  magnitudo  populi  Ro- 


Der  römische  GrenrwRll  in  DeutsohlanfJ. 


BS 


damit  tiberein,  üeber  diese  Strecke  ist  bis  jetzt  die  vollständigste 
Untersuchung  gefilhrt  worden.  Sie  liegt,  seit  kurzem  vor  in  dein  Werk 
des  im  Jahr  1876  verstorbenen  Archivars  Dr.  Rössel  von  Wies- 
baden *').  Mit  treuester  Benutzung  der  Arbeiten  aller  seiner  Vorgänger 
und  der  in  mittelalterlichen  Urkunden  vom  neunten  Jahrhundert  an 
bewahrten  Angaben  hat  derselbe  zwei  Decennien  darauf  verwendet, 
den  Theil  des  römischen  Walls  von  dem  angegebenen  Punkte  an  der 
hessen- nassauischen  Grenze  bis  zum  Thal  der  in  die  Ems  sich  er- 
giessenden  Aare  (oder  Arde,  wie  er  sie  nach  urkundlichen  Quellen 
nennt)  unweit  Langenschwalbach ,  also  eine  Strecke  von  ungefähr 
6\U  Meilen,  über  die  Höhen  des  Taunus  hin  in  wiederholten  Wan- 
derungen zu  begehen  und  mit  Hufe  verschiedener  Techniker  topo- 
graphisch genau  aufzunehmen.  Vier  Karten,  im  Maafsstab  theils  von 
1:50(KX),  theils  von  1  :25ÜO0*'*),  eine  Reihe  von  Bituationsplänen  und 
eine  Tafel  mit  inschriftlichen  und  anderen  Alterthilmern  aus  einem 
der  r<5mischen  Castelle,  sind  beigegeben.  Besonders  werthvoll  und  lehr- 
reich sind  die  (ausser  kleinen  Situationsplänen)  in  grofser  Zahl  dem 
Text  eingefügten  Holzschnitte  mit  Profitaufnahraen  des  Walles  und 
Grabens.  Vier  gröfsere  Castelle,  darunter  eines  der  gröfsten  und  best- 
erhallenen  von  den  bisher  längs  der  Linie  des  Walls  gefundenen,  die 
bekannte  Saalburg  bei  Homburg,  fallen  in  diese  Strecke,  Als  metho- 
disch  geschulter  Archivar  hat  der  Verfasser  auch   nicht    unterlassen 


mani  ultra  Rhenum  ultraque  veter ea  terminos  imperii  reverentiam. 
Tacitua  netrX  absichtlich  statt  des  Naraens  des  Kaisars  die  anbestimmte  Bezeich- 
nung der  GröfBe  Rom«. 

47)  Die  römische  Qrenzwehr  itn  Tauimi  von  Dr.  Carl  Rössel,  mit  64  in 
den  Text  eingedrucitten  Holzschnitten  und  X  lithoKTapbirteu  Tafelu,  Wiesbaden 
1876  (VI  129  S.)  gr.  Ö.  Das  Bach  exialiert  auch,  nur  ohne  einige  der  Tafeln, 
mit  dem  Titel  Strafsburg  1872  j  die  Vorrede  ist  aus  Strafeburg  vom  1.  Mai  jenea 
Jahres,  dem  Tag  der  Eruß'nitng  der  Reichsuniversität,  datiert;  acht  Tage  nachdem 
der  letzte  Druckbogen  von  ihm  corrigiert  worden,  starb  der  Verfasser. 

48)  Dieselbon  sind  erst  nach  des  Verf.  Tod  fertig  gestellt  geworden.  Daraus 
erklirt  sich  wohl,  daaa  auf  Tafel  I,  VII  und  X  der  Manfsstab  gar  nicht  ange- 
geben ist.  Doch  hat  Tafi&l  I  augeuscheinlich  den  von  Taf.  IX,  deren  Fortsetzung 
•ie  ist,  nämlich  von  1:50000.  Taf.  X  scheint  den  Maafsstab  von  Taf.  Y, 
1:25000,  zuhaben.  Bei  deo  übrigen  SituatioDsplänen  ainddie  sehr  verschiedenen 
MaaTtiBt&be  angegeben.  Nicht  alle  Details  Her  Situntionspläne  sind  in  die  Karten 
eingetragen;  auch  das  würde  der  Verfasser  sicher,  wäre  ea  ihm  vergönnt  gewesen, 
mit  der  ihm  eigenen  Sorgfalt  durchgeführt  haben.  Ein  kleines  Versehen  ist 
auch,  daüs  der  Holzschnitt  Fig.  41,  verglichen  mit  Taf.  VI,  verkehrt  herum  steht. 

3 


84 


Der  römMdw  Oranxwill  in  DeuUchlmnd. 


Die 

Ssalburg 


die  Weisthümer  des  Pfahls  zu  durchforschen:  sie  bilden,  zehn  an  der 
Zahl  (Urkunden  und  Regesien),  von  S12  bis  1725  sich  erstreckend, 
den  Schluss  des  Bachs. 

Der  Verfasser  theilt  seine  Wanderung  über  diese  Strecke  des 
Limes  in  zwei  grö&ere  Abschnitte,  deren  jeder  wiederum  in  kleinere 
Unterabschnitte  zerfallt  Der  erste  Abschnitt  umfasst  das  Gebiet 
zwischen  den  Flüssen  üsa  und  Ems,  der  erste  Unterabschnitt  die 
Strecke  bis  zur  Saalburg  (deren  Castelle  Kaisergrube,  Ockstadt  —  ein 
rundes  Castell  —  und  Capersburg  noch  der  Klarstellung  durch  Aus- 
grabung harren),  der  zweite  die  Schilderung  der  Saalburg  selbst  und 
ihrer  Umgebungen.  Dieses  bedeutendste  der  genauer  bekannten  römi- 
schen Castelle  am  Limes  zwischen  Donau  und  Lahn  —  der  Verf.  be- 
rechnet seinen  Umfang  auf  720  zu  480  römische  Fufs,  die  Breite  und 
Tiefe  der  beiden  es  umgebenden  Gräben  auf  rund  27  zu  9  und  24  zu 
8  Fufs  —  wird,  wie  bekannt,  nicht  ohne  einige  Wahrscheinlichkeit 
für  das  schon  von  Dnisus  in  dem  FeUlzug  gegen  die  Chatten  im  J.  10 
V.  Chr.  angelegte  Castell  im  Taunus  gehalten  **),  welches  wahrschein- 
lich etwa  zwanzig  Jahre  später  nach  der  Varusschlacht  im  J.  9  n.  Chr. 
zerstört  und  sechs  Jahre  später  (im  Jahre  15)  durch  Germanicus  des 
Drusus  Sohu  wieder  hergestellt  worden  ist***).  Auch  in  den  späteren 
FeldzQgen  gegen  die  Chatten,  wie  in  dem  des  Feldherrn  und  Dichters 
P.  Pomponius  Secundus  vom  Jahre  50,  scheint  seine  Existenz  voraus- 
gesetzt zu  sein  *^).  Dass  sogar  sein  antiker  Name  erhalten  sei  ist 
mindestens  zweifelbait:  denn  die  Vermuthung,  es  sei  gemeint  unter 


49)  Nach  deu  freilich  sohr  kurxeo  und  vieldeutigea  Notizen  bei  IMo  LIV  33 
liaif  rov  Jgovaov . .  txti  tf  g  o  rt  ^tovnlng  xa\  6  'EUaoiy  avft^fyyvmu  ipQQv^öv  tt 
atfiHiiv  tnitn^iaai  xui  liiigov  tv  Xtiiton  /t»q  mit^  ti^  '/>i}vy  und  3C  ü 
^1(fovau(  TiT  lU^y  (n&tnlich  vom  Gebiet  der  Chatten)  txaxuiaf.  rä  ü  tx^i^itjaoTo. 

50)  Tacitus  ann.  I  56  igitur  Oermattiewi  quattuor  Ugiones  qttinque  auxiliaritim 
müia  tt  tunntiluariae  catffvas  GermaHorum  eis  Rhenum  colentivm  Caecinat  traiUt; 
totiiifm  legiones  dupUcem  sociorum  numtrum  ip$e  üucit  positoqu«  eaatrllo 
super  vestigia  paterni  praeaidii  (woran  nichta  zu  ändern  ist!  in  tnontc 
Tauno  expeditum  exereitum  in  Chattoa  rapit,  L.  Äpronio  ad  munitüme»  viotum 
et  ftuminum  relicto. 

51)  Die  von  ihm  autfresendeten  Truppen,  Yangionen  und  Nemeter,  k«hrea 
«iegreioh  zurück  ad  montan  Tamium.  itbi PotryMnius  cumlegionibu»  opperi^tatitr,  n 
Vhatti  cupiditir  ulcixcendt  casiini  pugnae  pratberatt  (Tacitus  ann.  XII  28 J.  Doch  wer- 
den die  Legionen  nicht  blofs  in  der  Saalburg,  sondern  auch  in  den  übrigen  Castellen 
der  Gegend  oder  in  eigena  aufgeschlagenen  Lagern  dislociert  gewesen  sein. 


Her  römiicbe  Grenewall  in  DeuUchland. 


36 


dem  von  Ptolemaeos  (H  11,  29)  unter  den  germanischen  Städten  zwi- 
schen Maitiaxöv  (Castel  oder  Wiesbaden)  und  Noialmor  (Neuss)  er- 
wähnte "AQTctvyov  stützt  sich  Dur  auf  den  Zusammenhang  des  Namens 
mit  dem  des  Berg  Taunus.  Vom  Casteilum  Matttacum,  dem  Brückenkopf 
Castel,  Mainz  gegenflber,  führte  eine  schnurgerade  römische  Strafse 
an  die  Nied,  bei  welcher  die  Reste  einer  antiken  Brücke  sichtbar 
sein  (oder  gewesen  sein)  sollen  und  über  Heddernheim,  den  Novus 
Vicus,  Nieder  Ursel  und  Bouiiiiersbeim  vorbei  zur  Saalburg.  Es  ist 
ein  besonderes  Verdienst  des  Rosserschen  Buchs^  daas  es  uns  die  erste 
genauere  topographische  Aufnahme  des  Castells  bietet.  Die  jüngst 
zur  Begrüfsung  der  vorjährigen  Philologen  Versammlung  erschienenen 
Arbeiten  von  Fr.  Otto  über  das  römische  Wiesbaden")  und  von 
K.  Reuter  über  die  römischen  Wasserleitungen  in  dessen  Umge- 
bungen "),  vervollständigen  unsere  Kenntniss  der  in  jenen  Gegenden 
yerhältnissmafsig  ausgedehnten  römischen  Cultur  "*),  über  welche  auch 
A.  Schierenberg  einiges  zusammengetragen  hat").  Die  Berichte 
über  daselbst  gemachte  Funde  gehen  bis  in  den  Anfang  des  vorigen 
Jahrhunderts  zunick"®);  aber  erst  seit  dem  Jahre  1854  sind  durch 
den  (1867)  verstorbenen  Friedrich  Habel  von  Schierstein,  und  seit 
1871  durch  den  Obersten  von  Cohausen  in  Wiesbaden  mit  Unter- 
stützung der  Regierung  regelrechte  Ausgrabungen  vorgenommen,  aber 
noch   nicht   ganz   zu  Ende   geführt   worden  *').     Was  man  gefunden 


52)  Fr.  Otto  Gescbichte  der  Stadt  Wiesbaden  mit  einem  liistorisirbeD 
Plane  der  Stadt,  Wiesbaden  1877  (XII  179  S.)  8. 

63)  K.  Reuter  römische  WaMerleitimgen  in  der  Umgebung  von  Wies- 
baden, Festwhrift  u.  8.  w.  Wiesbaden  1877  (IV  73  9.)  8.  mit  4  Tafeln  Fol.  und 
einer  Karte  (zugleich  der  Aanaleu  dea  Vereins  für  naasauitche  Älterthumekunde 
lUid  Qeachichtarorgchung  b.  Band  3.  Heft   1876). 

54)  Eine  üeberaicht  des  Inbalte»  beider  Schriftto  giebt  H.  B.  im  Literari- 
Boben  Centralblatt  1878  S.  141,  der  ersteit  Scbrift  allein  Jao.  Schneider  in  der 
Jenaer  Literaturzeitung  1878  S.  23. 

56)  A.  Scbierenberg,  die  Römer  im  Cheruskerlaude  nach  den  unver- 
fälschten Quellen  dargestellt  u.  a.  w.  Frankfurt  a.  M.  1862  8. 

56}  Für  die  Geeohichte  der  Saalburgausgrabuugen  kann  auf  die  Mitlbeilangen 
TOD  6.  Stark  in  der  archäologischeu  Zaitnng  165&  S.  2Gl*tt.  und  auf  den  kurzen 
Bericht  über  zwei  darauf  bezügliche  Vorträge  von  Prof.  Jac.  Becker  in  Frank- 
furt a.  M.  Bonner  Jahrb.  53/4  (1873)  S.  303  f.  verwiesen  werden.  Eine  Schil- 
derung des  Walls  bei  der  Saalburg  gibt  der  verstorbene  Albert  Way  in  dem 
Aufsatz  von  Yatos  S.  125  f. 

ö7)  Soeben  geht  mir  die  übersichtliche  Schilderung  der  Herren  A.  von  Co- 


der  Vitte  des 


mä  Gimad  ttr  du  Pnetariaai  UUt 


bietet, 


h&t  - 
GiSleUs, 

Eumal  die  Aaigrateig  nc^  beoidet  vaidfco  ist,  mehr  Bfttbsd  tls 
AufklirongeB.  Kies  aber  bat  sieb  awh  hiar  devtikb  geaoigt:  dus 
oinükh  da«  mit  festes  Meifw  •berlieferte  Schean  des  ftltpren  wie 
dee  8pil«ren  römisfhe«  Lagen**)  darebaos  aicbt  auf  das  Erhaltene 
pasit  Es  cupebt  äA  ▼ietandn*  aadi  Iner,  wie  ftbenU,  dass  eben  nur 
das  Grandaebema  ia  MäaeB  HaapttbeOeB  (oblonge  Fora,  abgerundete 
Ecken,  vier  Tbore,  Wall  ud  Gcabea,  I^acConwa  nngdabr  in  der 
Mitte,  0.  s.  V.),  die  'allgeaeiaai  Dieastforsrhriften'  **)  etagdiaUen,  io 
allea  Einjedheilen  aber  Maate  ud  Farawa  fr«  den  Bedfirfhiss  und 
den  gcgebcacn  VerbikwaBoi  aagcpact  winden.  Dan  kommt,  dass 
bei  der  Uatetsttchug  der  Hrttfbti  Reste  aacb  Material  und  Aasf abrang 
aich  acboi  j^«i  auf  das  destiidiste  die  Aatekbew  eiaes  zwei-  oder  drei- 
«allgea  TiDigea  Umbaas  der  ganna  Anlage  eigriien  haben.  Welchen 
Petiodea  dtese  Tertaderaagca  ■imiaeiiaa  aeiea,  kann  freilich  erst  die 
fiUlige  Ao^rabug»  Terbaadea  mit  den  Folgerungen,  welche  sich  ans 
den  gcackicbtlidien  EreigBJssen  im  aflgeaieiBea  and  den  inschriftlichen 
Fttndea,  besoadws  des  Lepsas-  aad  OobartansBabi  ergeben,  an- 
aftherad  feststellen,  Aach  Zotbataa  ies  iribea  Mittsblters,  an  welche 
die  Fj-furscher  oaserer  beinalMcbca  riaüsdiea  Bauten  nicht  gern 
druken,  ln(k^luen  sich  dabei  «akl  benasstellen  **},  aaalog  den  z.  B. 
auch  Itei  dorn  on^h^cbea  Orenzwall  gemachten  Beobschttugen.  Von 
besondeix'iii  lulcrei^ik-  sind  die  aosserhalb  des  Mauerriogs  gefundenen 
Anlagen,  Wohauagea,  Bftder,  Griber:  die  conoftar  der  Legionen,  aus 
dert»n  Vorliindunp  mit  dem  Lager  selbst  hier  jedoch  nicht  wie  anderswo«*) 
eitle  förmliche  Lagerstadt  eatstaadea  tsL     Die  Saalburg  ist  eines  der 

hau»«»  u.  h.  J«eobi  *dm»  KteWOMtaU  SmAwk  iHombaig  v.  d.  Höhe  1878  8.) 
lU,  walolra  ttch  »k  ein  Aussiaf  mu  dMK«Bft«r  dar  Praw«  bafindliebeD  gröfaeren 
W«rk  d«rMlb«a  Ywhmat  hmiiika*  «ad  die  eraten  gmmneu  Pliae  und  Profile 
de*  CMiolb  vMbi. 

&8)  ZuJ«lit  darfoloft  rou  B.  Ki»t«B  ia  mümb  TeiDpIum  (Berlin  1869  8.) 
S.  3S  ff. 

btt)  Vgl  U.  DrojMa   dt«  poljrbÜMiMlM  L^gerbwirhreibnng  commtmUUit 
Mommmmmmtm  (Bwüb  1877  8.)  S  SS  ff. 

fiO)  t)«u(ao   niolit   »ucli  di«  Mokt  «Bhea   Ür  die  BefoiüguiigMjakgeo 
Wftll  N  orkoiumauden  N»mao  'Uof,  BACbImn^  HäatacfcoT  aad  ähnliehe  (S.  11&)  auf 
mittvlalterliolM  BeDuUungf 

til)   VgL   Th.    Momin*«B    die    römiaolMO    LagorattdU   Sctnes   I     1873 


i^.  ^üfi  ff.,  0.  W 1 1  ta  kn n ■  die  rvu.  LagvnUdt  JLfric 


s.  lyoff: 


DttT  rSmiBche  Grenzwall  in  Deutschland. 


1fr 


wichtigsten  Denkmäler  der  römischen  Horachaft  auf  deutschem  Boden, 
darchaus  werth  iJer  öffentlichen  und  privaten  Fürsorge,  welche  ihr  bisher 
zu  Theil  geworden  ist,  wenn  auch  Touristen  durch  die  Unscheinbarkeit 
der  Anlage  und  den  nicht  hervorragenden  Kunstwerth  der  dort  ge- 
machten Funde  enttäuscht  m  sein  pflegen. 

Der  dritte  Unterahgchnitt  des  Rossel'schen  Werks  behandelt  die 
Anlagen  auf  dem  Hochtauiius»  von  der  Saalburg  bis  zur  Ems.  Einige 
Ausgrabungen,  zum  Theil  mit  Unterstützung  des  Spiclpicbters  Blanc 
ausgeführt  •*),  haben  neben  der  Linie  des  Walls  selbst  die  Suhstnictinnen 
von  einer  Keihe  von  Rundthürmen  blofs  gelegt.  Herr  Rössel  ist 
geneigt,  diese  und  ähnliche  Anlagen  auf  anderen  Strecken  des  Walls 
für  vorröraiscbe  Werke,  ebenso  wie  die  Schanze  auf  dem  höchsten 
Punkte  des  Taunus,  dem  Feldbcrg,  fdr  eine  germanische  Befestigung 
zu  halten.  iMiin  wird  gut  thun,  hierüber  vorerst  noch  jedes  Urtheil 
zu  suspendieren:  erst  ein  Gesamintüberblick  über  alle  derartigen  Be- 
festigungsanlagen über  möglichst  ausgedehnte  Gebiete  hin  wird  die 
nöthigen  Anhaltspunkte  zur  Scheidung  derselben  nach  Zweck  und 
Herkunft  an  die  Hand  geben.  Von  Jahr  zu  Jahr  schwinden  übrigens 
diese  Anlagen  mehr  und  mehr:  massenhaft  ist  der  steinerne  Kern  der 
Thürme  zu  Straffeen-  und  Wegebauten  verwendet  wurden.  Dem  Ver- 
fasser entlocken  solche  zum  Theil  unter  seinen  Augen  geschehene  Vor- 
gänge einmal  den  schmerzlichen  Ausruf  (S.  45):  'was  unter  solchen 
Umständen  in  Zukunft  aus  unseren  antiquarischen  Studien  werden  soll, 
mag  Gott  wissen!'.  Am  Feldberg  schon  zeigt  sich  wiederum  die  schon 
erwähnte  und  noch  später  öfter  wiederkehrende  eigenthümliche  Er- 
scheinung, dass  die  Linie  des  Walls  keine  einfache  ist,  sondern  eine 
doppelte  (wie  bei  Idstein)  und  zuweilen  eine  drei-  und  mehrfache  (wie 
zwischen  den  Dörfern  Lenzhahn,  Dasbach  und  Eschenhahn);  sodass 
an  Stelle  der  gleichraäfsig  fortlaufenden  Walllinie  mit  ihren  Thürmen 
Qod  Warten  eine  vielgestaltige  Verschanzung  mit  kunstreich  angelegten 
Verbindungen  tritt  (S.  54,  73—87  ff.).  Herr  Rössel  ist  geneigt  diese 
coniplicicrten  Anlagen  für  im  wesentlichen  gleichzeitig  ausgeführt  xu 
halten.  Auf  sein  Urtheil  und  das  seiner  ortskundigen  Helfer,  geübter 
Vermessungsbeamten  *^),    ist  gewiss  in  diesen  Dingen  viel  zu  geben: 


62)  Dertelbe  hat  nach  der  Angfahe  Rodsera  (S.  44)  die  Summe  von  8800 
Golden  dazu  beigesteuert. 

63)  Auch  der  VermeösongBinspector  beim  jjrofseu  Generahtab  Herr  J.  A. 
Kaap^ert,  dem  wir  die  grorse  topographische  Karte  von  Athen  verdanken,  hat 
sich  im  J.  1867  an  den  im  Taunut)  gemachten  Aufnabmeo  betheiligt  (Roasel  S.  82). 


allein  wo  aeb  dartBch  tum  tmiUkt  TgBJnppr lug ,  da  hinterer  and  vor- 
derer Ffibl,  wattnAatkm  IftHt»  BeBI  dKfc  die  Yerarathnag  nahe,  dass 
eB  adi  kier  vm  M%egib«e  «der  biiüiIi,  epiter  dasB  aaf  gflnstigerem 
Terrain  wiedeiieigBBleBte  SOefce  der  DcAjIiitwB  huitü^  Bei  com- 
pKdeitereB  WaOaalics  «ird  liciKdi  dn  UitWfl  wthmiai^a.  Es  ist 
inlefeBBMt  n  fofelBBi  «ie  der  Verihotr  sticdBeaiicise,  wo  alle 
S{>ureD  des  Walls  aas  der  Ciia%«  iliia  des  Bodev  der  grof^n  Berg- 
abhiage,  aaf  deaea  er  ädk  knaog.  vcnckvaadea  aiad,  dorch  allerlei 
ainarekhe  IGltel  die  Uaie  dfaofh  wiedemeeviaaea  veisB.  Sorg- 
Oltige  Florfcaitea  ia  grotem  ¥iiamak,  «ie  ii  Wtiteailierg.  acbeinen 
IQ  fehlen:  aber  mit  Hilfe  dar  AdDerinBlaer,  deaeo  die  Ersdieinang 
wohl  bekaoDt  war ,  Ueas  aick  der  Strich  dta  PCdüs  oft  aoch  aus  dem 
höhera  Sund  des  Hafen  vir  der  Ente  «der  der  dv^deren  Farbe  der 
HahzK  vor  der  Reife  erfceaaea 

Der  iweite  Haaptobsthaitt  diasea  voa  Rössel  aufgenommenen 
Tbeils  des  Pfahls,  faa  der  £bb  bis  aar  Aare  bä  Laagenadiwalbach, 
TOQ  dem  iura  Tlieil  daa  ebaa  traa  deai  vnihMftihuadiiu  ackm  Gesagte 
mit  gilt,  lerAUt  in  siebe»  Cnterabschnitte.  Die  bertrorragendsten 
Ponkte  sind  das  ansehoUche,  die  'Altefeorg'  genannte,  CasteU  (136  zu 
%  Schritt  Umfang;  der  Vo&sser  reehael  4  Schritt  =  3  MeterX  ge- 
legen immitt^^lbar  gegeattber  den  üodeabeiiiaBiten  Markti^latx  für  den 
Vtehhandel  der  Tattnasgogead,  an  dem  Fahrweg  nach  Heftrich.  Femer 
das  ebenfalls  gemeinhin  'die  Alteburg'  oder  'die  Sdianxe  auf  der  lib- 
bacher  Haide'  genannte,  vom  Verfa^er  aber  nach  dem  Namen  des 
Gebirges  getaufte  Castell  Zagmantel  ■*),  an  der  grollen  Landstrafee 
▼on  Wiesbaden  nach  Limburg  auf  der  künesten  Linie  von  Main2  bis 
zur  Tannushöhe :  es  enthält  200  an  173  Schritt  inneren  Umfang  und 
ist  die  Fundstätte  von  interesaanten  Inschriften  (des  dritten  Jahr- 
hunderts) und  von  Ziegelstempeln  *^),   sowie  von  anderen  Änticaglien, 


64 1  Ob  die  Naineagebang«ii  dat  Yerfuwrs  aidi  danomd  «iabärgem  warden, 
bleibt  ahzuwuleo.  Er  b«fi>lgt  dM  pietftteroJlaB  BnaA,  «De  kleinerea  Be- 
fwtjguogMuilageo,  eckige  and  runde  Thönae,  Scbuueo  u  s  v,  mit  deo  Ntmen 
am  den  Wall  verdien  ter  Forscher,  Historiker,  Archiw«,  Antiquare,  Pferrer,  In- 
genienre  d.  i.  w.  zu  belegen:  die  Thürme  und  Schanzen  Habel,  Cohaasen, 
Kaupert  o.  t.  w^  werden  so  wenigstens  auf  den  Karten  de«  Limes  w«tt«r  emtiaran. 

65  >  Der  Verfasser  pobliciert  die  schon  bekannten  drei  Inachriftea  ana  jeMM 
Castell  (Brambach  1&47 — 49 J  in  sehr  guten  Facsimileabbildangen  auf  Taf.  VIII; 
baaondera  Fig.  2,  der  Stein  der  pedatmra  TrtttromwL,  ist  aoch  aeinar  Form  wegen 
iatereaaaat. 


Der  römisofae  Grenzwall  in  DeiitschlaDd. 


39 


wie  z.  B.  der  eisernen  Stange  eines  Reitervexillums  (wie  es  scheint). 
Im  folgenden  Abschnitt  ist  die  Feststellung  der  Walllinie  zuweilen  sehr 
schwierig  (wie  der  Verfasser  z.  B.  S.  llt>  ausführt).  Im  Thal  der 
Aare  bei  Adolfseck  bildet  die  'alte  Schanze*  eine  Art  Brückenkopf 
(S.  120);  wenigstens  die  Stelle  der  römischen  Brücke  über  die  Aare 
Hess  sich  noch  ermitteln.  Den  Beschluss  der  topographischen  Wan- 
derung des  Verfassers  macht  die  Beschreibung  eines  charakteristischen 
Denkmals:  im  Thal  der  Aare  unterhalb  der  'alten  Schanze'  ist  in  die 
natürliche  Felswand  ein  römischer  Name  'lanuaritis  Instintis\  cinge- 
haucn;  die  Schriftformen  des  Facsimiles  (auf  S.  122)  weisen  auf  das 
dritte  Jahrhundert.  Geradeso  sind  in  England  an  verschiedenen  Stellen 
unweit  des  Hadrianswalls  Felsinschriften  in  den  alten  Steinbrüchen 
erhalten,  aus  denen  die  mit  dem  Wallbau  beauftragten  Truppen  ihren 
Bedarf  an  Material  entnahmen**). 

Das  Werk  Rosse! 's  ist,  bis  zu  dem  Erscheinen  von  Cohausens 
Aufnahme  des  Limes  (von  Grüningen  in  der  Wetterau  bis  Rheinbrohl 
gegenüber  Andernach),  bei  allen  UnvoUkomuienheiten ,  welche  sach- 
kundige ßeurtheilcr  darin  finden,  offenbar  die  bis  jetzt  lehrreichste 
Darstellung  eines  gröfseren  W^allabschnittes.  Die  weitere  Richtung  des 
Pfahls  bis  zur  Lahn  steht  im  allgeraeinen  durch  die  Untersuchungen 
des  Oberstlieutenants  F.  W.  Schmidt  fest:  aber  es  fehlt  uns  die 
genauere  Kenntniss  gerade  des  Schlussstücks  des  im  wesentlichen 
gleichartigen  Befestigungssystems,  welches,  wie  oben  gesagt  wurde, 
Donau  und  Rhein  verband  und  etwa  seit  dem  Anfang  des  zweiten 
Jahrhunderts  die  wirkliche  Grenze  der  Provinz  gegen  das  Barbaren- 
land bildete.  Nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  wird  die  Durchführung 
des  gewaltigen  Werks,  das  üomitian,  wie  wir  sahen,  wohl  begonnen 
hatte,   dem  baulustigen  Kaiser  Hadrian  zugeschrieben  *'),  der  gleich 


66)  C.  I.  L.  yil  S.  341,  wo  unter  den  vorta  titulorum  genera  die  UtuU 
vivae  rvpi  inacripli  Terzeicboet  aiad. 

67)  Nach  der  freilich  unboBtimmteu  Nachricht  in  der  Vita  dea  Spartian 
C.  12  per  ea  lempora  (es  ist  die  Zeit  dor  grofscn  Reisen  des  Kaisers  gemeint, 
Btva  das  Jahr  120)  et  alias  frequenter  in  plurimis  locis,  in  quibus  barbari 
non  fluminibus  sed  limitibu$  dividuntur,  stipitibus  magnis  in  modum 
wmrttUa  taepis  funditus  iactis  atque  conexia  barbaros  separavit.  Germania  regem 
tomtituit  u.  8,  w.  Kurz  vorher  wird  von  dem  Biographen  (C.  10.  11)  ausführ- 
lich dea  Kaisers  oingebeade  Sorge  für  alle  Details  des  Kriegsdienstes  und  seine 
Theilnahme  an  den  Strapasen  und  Gefahren  des  Krieges  geschildert.  Diess  be- 
zieht   sich   zu   gutem  Theil    auf  die   germanischen  Expeditionen;   besonders  die 


Der  nmmtkm  GraasMl  g 

darauf  m  Bntaania  die  gpaai  girirhirtitr  Gfentefatigmg  dnrch- 
fiilute«*;.  Die  AMkgie  ist  öe  fint  dirchireg  ntrefleBde:  Aach 
dort  büden  ältere  BeäBatignenahgeo  die  Baas  der  VerthddigiiBg»- 
linie,  for  velcbe  W&ll  and  Grabm  felcft  wetdM;  «ach  dort  ist  die 
Anlage  zwar  ciihfitiich  flfphat  od  m  im  Htifliafhe  aach  wohl  in 
verhältataBmUbg  kuKH  Ztänam  TaOoideC  wwioL  Aber  den  nach- 
folgoxien  Gcneratione«  bis  in  die  Mitte  des  dritten  JahrhondertB,  also 
gerade  ein  Jahibiduit  laa^  bfieb  ttcraB  die  Anigihe.  das  Yorfaaa- 
deoe  naduabessera  ud  n  TervolHcoBBeaeB,  das  in  den  immer  wieder- 
kehrenden Greuzkriegen  Zeratäite  wiedafaeRnrteOen.  Dass  es  am 
germanischen  Limes  ebeiBO  gegaageo  ist,  Sst  sich  schon  jetzt  aus 
den  inschrilUichen  Fanden  mit  himeicbcnder  Dentüciduit  erkennen. 
In  einem  Punkte  jedaeh  adieiBt  sich  der  hntaaawrfce  GienzwalJ  von 
dem  germanischen  zu  nntendieiden.  Es  onteriiegt  keinem  Zweifel, 
dass  des  Hadrian:!  wie  des  AnLoninns  Pins  britannische  Befestigongs- 
Unien  viel  weniger  defensiTe  Grenzwehren  als  vielmehr  offensive 
Stützen  für  die  weitere  Eroberung  sein  soUten.  Strafsenzflge  führen 
darch  sie  bindorch  in  Feindesland  hinein.,  Castelk  liegen  an  denselbra 
weit  vorgeschoben,  alle  GremcuteUe  nnd  Wartthllrme  haben  Ausfialls- 
ihore  nach  Norden  hin.  Ob  sieli  das  glache  wenigstens  fOr  die  bisher 
betrachtete  geschlossene  Grmzwehr  des  germanischen  Limes  einstmals 
bei  weiteren  Nachforschungen  ergeben  wird,  steht  dahin,  so  wahr- 
scheinlich an  sich  es  auch  ist.  Bis  jetzt  ist  meines  Wissens  (mit  Aus- 
nahme etwa  der  Linie  Wimpfen-Jagsthansen  in  Würtemberg,  deren 
Spuren  bis  Rothenberg  in  Bayern  gefunden  worden  sein  sollen  and 
.sich  möglicher  Weise  von  da  weiter  bis  Regensborg  hin  **)  erstrecken) 
kein  Strafsenzug  über  den  Limes  hinaus  verfolgt,  kein  Castell  ausser- 


Soilf»  för  oimdiin  määaria  (C.  1 1 ),  die  Proviuilmkg«zioe  in  den  dritaU*  üimtameae 
(Tgl.    du  I^beo    dei   dritiea  Oordiuiaa  C  38).      In   den   bekaonten  Venen  des 

DichterB  Floru«  rgo  moia  CSmmt  «aM,  |  amUmt  per  Britammo«,  | |  Sey 

ikiea»  pati  prumas  ontbielt  der.  wie  des  Kaisers  Aotwort  ego  noio  Florus  rtst, 
I  «inMar«  jmt  taftfnuu,  |  latüanptr  popüwu,  |  adice*  pati  rottmdos  \  zeigt,  fehlende 
Vmt«  wahraobeilüich  «in«  B«a»iwbaimg  dei  latUart  in  den  germanitcben  Wil> 
dem. 

68)  Vgl.  C.  1.  L.  Vn  S.  99  ff. 

69)  Vgl.  A.  P«uljr*a  oben  Anm  S2  aogefiihrie Sciirül.  Yatea  fährt  8.  102 
ata  dio  UeinuuK  Hr.  Mutal'a  in  'ftn^'rti^*  «d.  dua  Strafaefu^ge  fiber  den 
Limo»  hioaua  bia  n«ob  Böhmen  gwAhri  hiiU«a. 


Der  römiaohe  Grcazwall  in  DeiilschlancL 


41 


halb  desselben  nachgewiesen  worden  ^*),  Nur  soviel  ergeben  die  bis- 
herigen Untersuchungen  auch  über  den  hier  zunächst  in  Betracht  kom- 
menden Abschnitt  der  Grenzwehr,  den  hessischen  Abschnitt,  dass  eine 
Reibe  weit  vorgeschobener  zusammenhängender  Anlagen  spater  aufge- 
geben und  statt  dessen  eine  kürzere,  in  sich  besser  geschlossene  Linie 
des  Limes  festgehalten  worden  ist.  FreiUch  sind  auch  hier  die  Auf- 
nahmen noch  lange  nicht  genau  und  vollständig  genug,  um  die  älteren 
Anlagen  von  den  jüngeren^  die  römischen  von  den  mittelalterlich- 
deutschen sicher  unterscheiden  zu  köunen. 


IV. 

Anders  ist  dies  aber  auf  der  noch  übrigen  letzten  Strecke  der 
Grenzwehren,  auf  dem  nördlichsten  Theile  derselben,  der  sich  von  der 
Lahn  bis  zur  Lippe  und  noch  ilber  dieselbe  hinaus  nordwärts  bis  in 
die  Niederlande  hinein  erstreckt.  Das  obere  und  untere  Rheingebiet 
bildete  bis  etwa  auf  Hadrians  Regierungszeit  überhaupt  keine  beson- 
dere, von  Gallien  getrennte  Provinz.  Die  Coniraandeure  der  beiden 
groföen  Armeen  am  oberen  und  am  unteren  Rhein,  in  Mainz  und  in 
Ciiln,  waren  unzweifelhaft  bis  dahin  nicht  I'rovinzialstatthalter  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes:  die  Steuererhebung  z.  B.  war  mit  der  der 
gallischen  Provinzen  vereinigt;  die  beiden  Germanien  waren  nur  mili- 
tärisch ürganisierte  Grenzbezirke'").  Erst  seit  Hadrian  haben  die 
beiden  Germanien  selbstiindige  Statthalter:  unzweifelhaft  hängt  diese 
hinreichend  feststehende  Thatsache  mit  dem  gleichsam  geographischen 


70)  Professor  Kiepert  macht  mich  auf  den  runden  Wartthurm  hei  Wetzlar 
aofmerksam;  von  Cohausen  setzt  ihn,  wie  die  ähnHuhen  Thürmc  in  iBnyom, 
etwa  in  das  12.  Jahrhundert.  Rest«  von  StraTsen  sind  in  der  Nähe  nicht  bo- 
ohachtet  worden.  Yates  bezeichnet  |S.  1)2)  auch  die  vier  runden  Thürme  von 
Vacha  aa  der  Werra  in  IIoBaen  (zwiecfacu  Eiseuach  und  Ilersreldj  ale  auf  den 
ersten  Blick  wie  römisch  aussehend,  ähnlich  den  oben  (8.  22)  erwähnten  Thünnen 
von  Sinsheim  und  Bcsigbeim.  Von  den  etwa  siebzig  bayerischen  sog.  Römer- 
thürmon  bereitet  Ohlen  echlager  ein»  Zusammenstellung  vor. 

71)  Diese  von  Fechter  und  Momuisen  zuerst  vertretene  Ausiohi  (an 
den  iu  Marquardt's  römischer  Staalaverwaltung  1  (1873)  S.  120  Anm.  3 
angeführten  Stellen)  ist  neuerdings  von  0.  Hirechfeld  (trotz  de»  Widerspruchs 
von  W.  Brambach  de  Romanorum  rt  milünri  quaestiones  sekctae  im  Rhein. 
Moseum  20,  1865  S.  509  fF.)  iu  der  Abhandlung  über  die  Yerwaltung  der  Rhein- 
gronze  in  den  ersten  drei  Jahrhunderten  der  römischen  Kaiserzest  {eomment. 
Momms.  Berlin  1877  6.  S.  433  iT.|  ausführlich  dargelegt  und  unter  anderem  auch 
dar^h  die  Analogie  der  österreichischen  Miütärgrenze  erläutert  worden. 


42 


Der  römische  Urenzwall  in  Deutschland. 


AbschlusB  des  Provinzial|?ebietes  gegen  das  Feindesland  auf  das  Kogste 
zusammen.  So  bietet  die  auf  dem  Wege  der  liocalen  Beobachtung 
gewonocne  Einsicht  in  den  ununterbrochenen  Zusammenhang  des 
Limes  von  der  Donau  bis  zum  Rhein  zugleich  die  vollgültigste  Bestäti- 
gung einer  wichtigen  historischen  Thatsachc.  Die  obere  Provinz,  die 
Germania  superior,  erscheint  niithtu,  wenigstens  etwa  seit  iladrian, 
als  eine  den  übrigen  Provinzen  des  Reiches  völlig  analog  organisierte 
und  verwaltete.  Dass  der  energische  Kaiser  dieselbe  Absicht  auch  für 
die  untere  Provinz,  die  Germania  i>iferior,  gehegt  hat,  und  die  ver- 
geblichen Versuche  seiner  säramtlichen  Vorgänger,  auch  diess  Gebiet 
zu  einer  wirklichen  Provinz  zu  machen,  endlich  hat  durchführen  wollen, 
ist  wahrscheinlich-  Wie  weit  er  diese  Absicht  erreicht  hat,  das  sollte 
uns,  in  Ermaugetuiig  historischer  Bezeugung,  der  Stand  des  Limes 
auch  in  jener  Region  lehren. 

Bekannt  ist,  dass  Augustus,  besonders  seit  der  berühmten  Nieder- 
lage des  M.  Lollius  im  J.  738  der  Stadt,  den  Plan  gefasst  hatte  die 
gallischen  Eroberungen  seines  groPsen  Vorgängers  im  ausgedehntesten 
Maafsstab  fortzusetzen  und  nicht  den  Rhein,  sondern  die  Elbe  und  das 
nördliche  Meer  zur  Grenze  der  gallischen  Provinz  zu  machen^*).  Seit 
langer  Zeit  schon  hat  man  sich  bemüht,  die  Spuren  der  Feldzüge  des 
Drusus,  des  Tiberius  und  ihrer  Nachfolger  bis  auf  den  Germanicus 
aufzusuchen.  Dass  sich  Spuren  der  Strafsen  und  Befestigungen,  ohne 
welche  die  nach  den  alterprobten  Regeln  während  eines  Zeitraums  von 
dreissig  Jahren  geführten  Operationen  gar  nicht  denkbar  sind,  erhalten 
haben,  so  gut  wie  der  Boden  Galliens,  sobald  man  begonnen  hat  ihn 
sorgfältig  zu  durchforschen,  die  deutlichsten  Spuren  von  Caesars  Feld- 
zttgen '  aufgewiesen  hat,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Aber  die  Verschie- 
denheit der  Aufgabe,  soweit  sie  das  rechte  Eheinufer  von  der  Lahn 
nordwärts  betrifft,  von  der  die  südlich  davon  gelegenen  rechtsrheinischen 
Gebiete  betreffenden  leuchtet  ein.  Dort  haben  die  Eroberungszüge 
in  der  mehr  oder  weniger  tief  gehenden  Organisation  des  Provinzial- 
gebietes  ein  dauerndes  Resultat  und  in  der  Linie  des  Limes  eine  feste 
geographische  Begrenzung  gefunden.  Die  von  den  gegebenen  Ausgangs- 
punkten der  Operationen,  Lyon  und  Windisch,  nach  Augsburg,  Mainz 
und  durch   das  gansfe  Gebiet  der  oberen  Provinz  führenden  Strafscn- 


72)  Man  sehe  besonders  Mommsen's  AuBfahrnng  in  dem  Vortrag  ober 
die  germaDiBchc  Politik  des  Augustus  in  der  Zeitschrift  'im  neuen  deutschen 
Reich'  I  (1871)  S.  637  ff. 


Der  römische  Grenzwsll  in  Deatachland. 


43 


Züge  sind  Jahrhunderte  lang  in  Gebrauch  geblieben,  erweitert  und 
wiederhergestellt  worden.  Aus  den  zuerst  nur  für  die  vürübergehenden 
Zwecke  der  Occupation  erbauten  oder  neu  angelegten  festen  Plätzen 
sind  in  vielen  Fällen  römische  Städte  erwachsen.  Darin  steht  die 
obere  germanische  Provinz  der  gallischen  im  Wesentlichen  gleich.  Ganz 
anders  aber  verhält  es  sich  mit  der  unteren  gertnanischen  Provinz. 
üeber  den  Zustand  derselben  im  ganzen  ersten  Jahrhundert,  in  der 
Zeit  nach  der  Varusschlacht  bis  etwa  auf  Traian,  sind  wir  nur  sehr 
mangelhaft  unterrichtet.  Ich  sehe  dabei  ab  von  der  noch  nicht  ganz 
gelösten  Schwierigkeit,  welche  auch  bei  der  oberen  Provinz  Platz  greift, 
ihre  westliche  Grenze,  gegen  die  gallischen  Provinzen  hin,  genau  zu 
fixieren,  weil  diese  Schwierigkeit,  deren  Lüsung  wir,  soweit  sie  möglich, 
von  dem  Gallien  umfassenden  Bantle  des  C.  I.  L.  hoften,  uns  hier  nicht 
näher  angeht'^).  Das  rechtsrheiiMschc  Gebiet  derselben  aber  hat  in 
dem  angegebenen  Zeitraum  nach  Osten  hin  nie  eine  feste  Grenze  ge» 
habt.    Datis  von  der  Zeit  des  Traian  an  die  Grenze  des  Reiches  von 


73)  Ob  OB  in  der  Thai  auch  einen  limes  cisrhtnanus  gab,  dessen  Spuren 
man  im  Wasgau  und  in  der  auf  den  Mosclgebirgcn  hei  Trier,  Bittburg,  Kyll  u.  a.  w. 
beinahe  vierzehn  Meilen  weit  sich  hinziehenden  'Langmtfier'  gefunden  haben 
will,  bedarf  auch  noch  genauerer  Feststellung.  Es  ist  dies  bekanntlich  die  An- 
sicht des  nm  die  firforBchting  der  Kheinlande  vielfach  verdiüuten  Jac.  Schneider; 
man  sehe  seine  Schriften  'die  Trümmer  der  sogenannten  Lnngmauer,  Trier  1842 
8.',  'zur  Geschichte  des  römischen  Befestigungs-weseiui  auf  der  linken  Rheinseito, 
insbesondere  der  alten  Befestigungen  in  den  Yogesen,  Trier  1844  6.' ;  vgl.  Bonner 
Jahrb.  S8/34  (1863)  S.  173.  Neaerdings  bat  Dr.  C.  Bone  in  Trier  die  Aufmerk- 
samkeit von  Neuem  auf  diese  eigenartigen  Anlagen  gelenkt,  s.  Bonner  Jahrb. 
68/64  (1873)  S.  244  und  desaelben  Schrift  'das  Plateau  von  Ferschweiler  bei 
Eafaternach,  seine  Befestigung  durch  die  Wickiuger  Burg  und  die  Niederburg', 
mit  drei  Tafeln,  herausgegeben  durch  die  Geseilacbaft  für  nützliche  Forschungen, 
Trier  1876  8.  Die  Meinung  E,  aus'm  Weerth's  und  Bono's,  dass  bei  Fersch- 
weiler das  lang  gesuchte  Äduatuca  gefunden  sei,  welche  die  Billigung  eines  vor- 
urthcüsfreien  militäriachou  Beurtheilors  gefundon  bat,  des  Generals  von  Yeith, 
Bonner  Jahrb.  58  (1876)  S.  181  ff.  vgl.  S.  206  und  69  (1876)  S.  183,  mag  hier 
auf  sich  beruhen.  Auch  die  Ansicht  des  im  übrigen  so  verdienstlichen  Forschers, 
des  verstorbenen  Oberstlieutenant  F.  W.  Schmidt,  Bonner  Jahrb.  6/6  (1844) 
8.  383  ff.  7  (1848)  S.  120  ff.,  dass  damit  ein  grofser  Wildpark  der  späten 
Eaiaerzeit  umschlossen  gewesen  sei,  bedarf  vorerst  noch  weiterer  Begründung, 
wie  sie  die  Ausgrabungeo  der  Villa  zu  Fliessem  (Jahrb.  &7,  1876,  S,  238)  bringen 
sollen.  Dass  diese  Linie  für  die  Substruction  einer  römischen  Stral'se  zu  halten 
sei,  scheint  durch  ihre  Reste  ausgeschloBsen  zu  sein. 


44 


Dw 


GmnmD  is  DwtoeMMid. 


im 


den  G«bietCB  an,  die  uuvcifefliaft  das  mtcre  Gcnnanien  bildeten, 
aUgemeiiieo  der  Kliein  «ar,  dafür  habn  wir  ausser  anderen  das  un- 
zweideutige ZeQgmss  des  Tadtas'*).  Aber  ai^t  minder  sicher  ist, 
dass  seit  Trakaa,  welcher  ia  SUdte  jcnseit  des  RlieiDs  wiederhergestellt 
hatte '^),  betr&chUicbe  recktavteiuBebe  Gebiete  —  nicht  bIo(^  am 
unteren  Rhein,  wie  das  der  Bataver^X  ml  an  nitttcren,  wie  das  der 
Mattiaker^y,  sonhn  aaoh  aa  der  gaa»a  daawischen  liegenden  Strecke 
—  in  dauernder  Occopattoi  yhiahwi  äad.  Aas  dem  merkwürdigen 
Anhang  tu  dem  Vereoeser  Vefaäehniss  der  römischen  Provinzen  ^^) 
scheint^  trotx  der  Dunkelheit  der  Aufmkliaaag,  «oviel  hervorzugehen, 
dass  in  den  Gebieten  tob  fänf  rechtsrheimscben  gcraaaischen  Völker- 
schaften römische  BimUnagea  tacoiy  deres  Qaartiere  in  dritten  Jahr- 
hundert vun  den  Baitaictt  oeflDq»ifft  «videa.  Diese  Benalinngen  bildeten 
unter  Postanms  nnd  seinen  Nachfolgen  den  Kern  des  galliachen  Gepen- 
kaiscrthums.  das  tu  Trier  seinen  &tz  und  in  Maina  and  Coln  seine 
HauptwaflenidHLce  hatte  ^*).  Wraigiiteas  in  eiaem  der  rechtsrheinischen 
Castello,  über  welches  gleich  la  redea  sein  wird,  dem  von  Niederbiber 
bei  Neuwied,  sind  Ziegel  der  LtgkNMB  und  Coh<vten  und  Inschriften 
der  Besatzung  in  ziemlicher  AaiaU  gcfimdes  worden**).  Die  hieraus 
mit  Wahrscheinlichkeit  zu  folgernde  Thatsaehe,  dass  naächst  das  Ge- 
biet zwischen  Lahn  und  Sieg  darch  »ne  PonseCnng  der  Limeslinie 
gfigen  Osten  abgeschlossen  worden  sei,  haben  die  hier  angestellten 
Ontersuchungen  vollauf  beslitigt.  Vaa  Trier  aas  ging  einer  der  ältesten 
StrafseniHue   an  den  Rhein  nach  Aademnch")-    Dort  befand   sich 


74)  Oermtaui  S9  fnmmi  (lUttM  eertmm  imm  «lt«o  Rktmum  f  «if  «c 
tttmimut  f$tr  snffitimt  t'tifi  me  7W«m  «riMüL 

75)  Eutropiat  Vtll  9  «r«M  trmu  Fktmmm  m  Giwmtmim  rtfmrmmt. 

78)  Q«tm»jtM  39  ifaiAan  a««  «altii«  ««  rijp«>  t»i  mmdam  t%tm  ■miii 

0BhMt  0.  B.  w. 

TT)  Siafae  obw  &  SS  fll,  vw  to«  dn  TMUMsalifa  gf  ruahaa  ««rdea  mL 

TH)  InK.  MillcBboffkG^nMMAdMTMilaiaiMlM  I87S  8.)  S.  168  e«n- 
JatNa  tnm*   Bkmmm  (hmtimm  fmt  Mnl   Oripimmt  1\ikmttm  nmUr[mm]  . . . 

■■riofiui  (dir  lU.  tuiirmtimm  mmmii \  C^mmmionmu    bkm  ammt»  crMM» 

trmt»  JBfct—  M  formtLmm  B^fitme  ffimmt  radaeter.  Ikm*  mattUum  Mtfam- 
tMCMM  LXXX  l<^fm  Iroiw  Skmmm  Rammmi  pttaaitrmaL  I$l^  uiÜain  *«ik 
Galliern^  imptratöre  a  hurimri»  ««e«^!««  ••»1 

TS)  IL  Mälleahoff  in  da»  Ah^adlB^wi  dar  Ihwl—  Aiadcie  ««■  1863 
(Berlm  18tS  4)  8l  531. 

SO)  Branbaeli  K.  «9  £  —  7M. 

8I>  F.W.  Scbaidt  BoMar  Jahrb.  31  (IdSl)  8. 61 1,  tgL  96  (I^M)  S.  70. 


n«r  römische  Grcnzwall  iu  Doutscbland. 


45 


vielleicht  die  zweite  der  für  Caesar  von  Mamurra,  seinem  praefec- 
tusfahrum,  geschlagenen  Itheinbrücken  *')  —  die  erste  hatte  sicher  iliren 
Platz  am  uiitereD  llhein,  in  (Jer  Gegend  von  Xanten")  —  ;  an  der- 
selben Stelle  im  Gebiete  der  Treverer  war  auch  wahrscheinlich  später 
noch  je  nach  Bedarf  der  iJrückenübergang  über  den  Strom  zu  den 
Expeditionen  nach  dem  Osten **•).  An  ilein  von  dieser  Uebergangsstelle  Das  Castel 
westwärts  führenden  Zug  der  Strafse  liegt  bekanntlich,  hinter  Neuwied,  ^°°i,iber  '^ 
das  Castel!  von  Nifderbiber,  welches  ähnlich  wie  die  Saalburg  zu  den 
etwas  genauer  bekannten  römischen  Niederlassungen  der  Rheinlande 
gehört,  Dank  hauptsächlich  den  in  den  ersten  Jahrzehnten  «lieacs  Jahr- 
hunderts von  Hoff  mann  und  Dorow*")  dort  angestellten  Nachfor- 
schungen. Inzwischen  ist  freilich  die  Krhnltung  des  daselbst  noch  Vor- 
handenen auf  das  Aeiisserste  vernachlässigt  worden*");  immerhin  aber 
ist  soviel  mit  Sicherheit  festgestellt,  das«  das  Castell  das  grMste  aller 


82)  F.  RiUer  die  Pfalilbiücken  CAesars  bei  Bonn  und  Neuwied,  Bonner 
Jahrb.  37  {18G4j  S.  20  fl"  44;45  (1868)  S.  40  ff.  A.  von  Cohaanen  Caesars 
«weiter  Rheinübergang,  Bouuer  Jahrb.  47/48  (1809)  8,  1  fif.  Auch  die  bekannten 
Untersuchungen  A.  vonGölera  über  Caesara  galliBchen  Krieg  (drei  verschiedene 
Broschüren:  Caesars  ^IHscher  Krieg  in  *1en  Jahren  58 — 53  v.  Cbr.,  eine  kriega- 
wisneDschaftlicbe  und  philologische  Forschung,  mit  10  Tafeln,  iStuttgart  1858; 
Caeaars  gallischer  Krieg  im  J.  52  v.  Chr.  u.  a.  w.,  Carlsrube  1859  8.  Lex.  6.,  und 
dazu  eine  Uebersichtskart«,  IJeidelberg  1860  Fol.;  Caeeara  gallische  Krieg  im 
J.  51  v.Chr.  u.  8.  w,  mit  2  TaJVln,  Heidelberg'  1860  8.)  sind  hior/.u  zu   vergleichen. 

63)  A.  von  Co  hausen  Bonner  Jahrb.  43  (1867)  S.  1  ff.  und  desselben 
rinnreiche  Abhardlnng  'Caesara  Rheinbrücken',  Leipzig  1867  8  A,  Dedericb 
Julius  Caesar  am  Rhein,  I'aderhorn  1870  8.,  dazu  F.  Fiedler  Bonner  Johrh. 
53/54  (187.S)  S.  287  ff. 

84)  So  sind  wohl  des  Strabo  Worte  IV  3,  5  S.  194  C.  zu  verstehen 
nuQoixoint  rov  'P^vov  Tqhovi^o»,  *«%>'  avs  ntnotrjTm  ro  Cft^ffi*  ino  rüiv  'PutfiaCutv 
vw\  tüiv  ajgtttrj^'ovviüjv  jor  FiqiwvixIjv  nülif/ov.  Vgl.  Moramsen  FlerineB  13 
(1878)  S.  253.    Das  Cttiyft«  braucht  keine  dauernde  feste  Bracke  gewesen  zu  sein. 

85)  C.  F.  Hoff  mann  über  die  Zerstörung  der  Rönierstädte  an  dem  Rheine 
zwischen  Lahn  und  Wied,  Neuwied  1823  8.  W.  iJorow  römische  Alterthümer 
in  nnd  um  Neuwied,  Berlin  182G  4.  Mau  V4?rgleiche  auch  desselben  Verfassers 
b«kaauteB  grofseres  Werk :  Üpferstätteu  und  Grabhügel  der  Germanen  und  Römer 
am  Rhein,  2  .AhtheiUingon  in  einem  Bd.  mit  41  Tafeln  und  einer  Karte,  Wies- 
baden 1826  4. 

86)  Vgl.  die  Bemerkungen  von  A.  Rein  Boaner  Jahrb.  27  (1869)  S.  147  f. 
und  besonders  A.  von  Cobauaen  in  dem  Aufaatr.  über  Caesars  zweiten  Rhein- 
übergaug,  Bonner  Jahrb.  47/48  (18G9j  S.  44  ff. 


46 


Der  römbche  Qrenzwall  in  Deataohland. 


an  der  Linie  des  Limes  liegenden  gewesen  ist^  noch  bedeutend  gröCser 
als  die  Saalburg"),  862  zu  632  römische  FuCä  (der  der  Saalburg 
beträgt  720  zu  480  römische  Fufs).  Eine  genaue  Aufnahme,  mit 
Benutzung  aller  früheren  Ermittelungen  und  womöglich  nach  neuen 
Ausgrabungen,  soll  kaum  noch  ein  Ergebniss  versprechen**).  Doch  scheint 
die  Anlage,  welche  wiederum  nur  die 'allgemeinen  Dienstvorschriften*  ein- 
hält, der  der  Saalburg  sehr  ähnlich  gewesen  zu  sein  und  ganz  analoge  Um- 
wandlungen durchgemacht  zu  haben,  wie  schon  die  daselbst  gefundenen 
MiUtarziegel  und  Inschriften  zeigen**).  Man  glaubt  sogar  den  Namen 
dieees  Castells  zu  keunen.  Im  Jahre  246  nämlich  unserer  Zeitrechnung 
unter  der  Regierung  des  Gordianus  haben,  wie  einer  der  in  Niederbiber  ge- 
fundenen und  im  Schloss  zu  Neuwied  aufbewahrtenlnscbriftsteine  lehrt**), 
in  dem  Praetorium  des  Castells  vierzehn  Soldaten  zu  Ehren  des  kaiserlichen 
Hauses  ein  P>zbild  des  Genius  ihrer  Genossenschaft  geweiht.  Sie  nennen 
sich  baioli  und  vexiUarii,  <1.  h.  Handwerker  und  Fahnenträger,  collegio 
Victoriensium  signiferorum,  aus  der  (ienossenschaft  der  Feldzeichenträger, 
Weichesich  in  der  Ciiijclle  der  Siegesgöttin  versammelten");  Reste  einer 
ErzstAtue  der  Victoria  haben  sich  in  der  That  daselbst  gefunden.  Da 
nun  in  dem  vorhin  (S.  43)  angeführten  merkwürdigen  Anhang  zu  dem 
Veroneser  Provinzen verxeichniss  unter  den  alten  germanischen  Völker- 
schaften der  Usiper  Tubanten  und  Chasuarier  auch  die  in  der  Ueber- 
lieferung  verderbten  Namen  der  Nidretises  Nbvarii  vorkommen,  mit 
denen  nicht  viel  anzufangen  ist  —  nur  dass  in  den  Nictrmses  höchst 
wahrscheinlich  die  Tencteri  stecken,  weiche  mit  den  Usipern  und  Tu- 
banten ziisiimmengehören  — ,  so  hat  Professor  Jacob  Becker  in  Frank- 
furt am  Main  den,  wie  mir  scheint,  nicht  glflckliclien  Gedanken  gehabt, 
darin  die  Victorietises  der  Inschrift   von  Niederbiber   wiederzufinden, 


87)  Man  sehe  die  lehrreiche  vergleichende  Uebersicht  der  Limesc&stelle  zu 
Cohausen's  zuletzt  angeführter  Abhandlung  Taf.  X. 

88)  Verschiedene  daselbst  gefundene  Altcrthümer  tind  Bonner  Jahrb.  37 
(1864)  S.  71  ff.  mitgetheilt  nnd  besprochen  worden. 

89)  Dasa  dies  t-aatell  und  niuht  Mainz,  wie  man  bis  dahin  annahm,  der 
Ort  der  Empörung  der  germauisclien  Legionen  gegen  Galha  im  .Tahr  G9  gewt^sen 
sei,  wie  F,  Ritter  Bunucr  Jahrb.  39/40  (1866)  S.  45  ff.  7.\x  erweisen  suchte, 
entbehrt  durchaus  der  Wahrsoheialiehkeit. 

90)  ürelli  988  Branibaoh  692  Wilinanns  1526. 

91)  So,  als  Ablativus,  ist  coUtgio  meines  Eracbtens  zn  fassen,  nicht  als 
Dativns ;  denn  eoüegio  ....  Otnium  de  mto  fecerunt  tat  nicht  die  übliche  Aua- 
drucksweise  solcher  Inschriften  für  eine  Weihung  an  das  CoUegium. 


Der  ri'tniaohe  Grsnzwall  in  Deatsohiand. 


47 


welche  er  mit  Zuhilfenahme  der  nach  den  Nicirenses  genannten  Novarii 
zu  Vidorienses  novi  macht"-).  Schon  fängt  man  in  den  Kreisen  der 
rheinischen  Antiquare  an,  sich  dieser  vermeintlichen  Entdeckung  zu 
freuen  und  das  Castell  von  Niederbiber  mit  dem  schönen,  aber  freih'ch 
an  sich  schon  recht  auffälligen  Namen  Victoria  nova  und  seine  Be- 
wohner als  Victorienses  novi  zu  bezeichnen.  Eiue  Variation  die.ser  Ver- 
rautbung  ist  jüngst  von  L.  Urlichs  vorgetragen  worden.  Er  vermuthet 
in  dem  Castell  von  Niederbiber  das  vielgesuchte  Novia  der  Inschrift 
von  Urhino"*),  welches  unter  Comuiodus  durch  die  achte  Legion  von 
einer  Belagerung  befreit  wunle,  womit  ürlichs  die  Notiz  in  der  Vita 
des  Albinus^*)  /.usamraetibringt.  Er  findet  daher  in  dem  Veroneser 
Text  mit  etwas  engerem  Anschlus>s  an  die  Ueberlieferung  den  Namen 
der  Victorienses  Novicmi.  Ich  bedaure  der  Ansicht  des  Mitbegründers 
der  Bonner  Jahrbücher  nicht  beitreten  zu  können,  sondern  den  daraus 
gezogenen  irrthüinlichen  Folgerungen  ihr  Fundament  entziehen  zu  müssen. 
Denn  erstens  beweiüit  der  Name  tler  Genossenschaft  der  siyniferi  Vic- 
torienses keineswegs,  dass  das  ganze  Castell  den  Namen  Victoria  nova 
führte,  wie  schon  die  älteren  Erklärer  der  Inschrift  fälschlich  ange- 
nommen haben  ^''),  uud  zweitens,  selbst  wenn  Victoria  oder  Victrix  Novia 
erweislich  der  Name  des  Castells  gewesen  wäre,  so  würde  derselbe  sich 
sicherlich  nicht  unter  die  Völkernameu  der  Veroneser  Handschrift 
verirrt  haben.  Wir  kennen  also  den  alten  Namen  dieses  Castells  so 
wenig  sicher,  wie  den  irgend  eines  anderen  der  Limescastelle.  Nach  den 
für  mich  in  allem  Wesentlichen  überzeugenden  Ausfährungen  Hrn.  von 
Cohauseus  halte  ich  es  für  ganz  glaublich^  daas  es  an  eben  der  Stelle 
liegt,  welche  Caesar  während  seines  kurzen  Aufenthaltes  bei  den  Ubiern 


92)  Bonner  Jahrb.  39/40  (186G)  S.  10  S. 

98)  Orelli  3714  Wilmanna  1459.  C.  L.  Grotefend  Epigraphiachea  V, 
Hannover  18G6  8.,  S.  7  ff.,  bat  meitiea  Wissens  zuerst  auf  sie  hingewiesen.  ^ 

94 1  Capitolinus  vita  Albini  Cap.  G :  Albinus  ....  per  Commodum  ad  GaV 
liam  tran»latM8,  in  qua  fw/is  fugatü  gentibus  tran»rhet}ania  celebre  »omeft  «uwtn 
et  apud  Bomanon  et  apud  barbaros  fecit. 

95)  Die  Analogieeil  des  portHS  Victoriae  ItUiobrigensium  (Flinias  «,  ft.  IV 
§.111)  in  Hispanien  und  einer  ziemliub  unsicheren  Station  Victoria  im  nürdlioben 
Britannien  «Ptolemaoos  II  3,  9.  Ravennaa  V  31  vgl.  436,  13  Finder)  künnen  die 
Annahme  nicht  schützen.  Der  Hafen  von  luliobriga  ist  gewiss  nie  achlcoht- 
bin  Victoria  genannt  worden.  Was  mit  dem  Wort  in  den  Aufzeichnungen  von 
Schottland,  welche  Ptolemaeoa  vor  sich  hatte,  gemeint  war  (etwa  ein  fiigntim 
Victoriae,  und  dabei  eine  mafisio),  entzieht  sieb  genauerer  FestatelluQg. 


48 


Der  römiBcbe  GrenzwBll  in  Deutschland. 


im  Jahr  53  v.  Chr.,  nach  dem  zweiten  Rheinübergang,  für  ein  grofees 
Standlager  ausgewählt  hatte  {bell.  Gall.  VI  10,  2).  Desswegen  kann 
es  doch  leicht  auch  eines  der  vielbesprochenen  fünfzig  Castelle  läng» 
des  Rheines  sein,  wekhe  Drusus  angelegt  haben  soll  (Florus  II  30). 
Ura  so  weniger  wird  man,  wofern  jene  Annahmen  richtig  sind,  für 
wahrscheinlich  halten»  dass  es  den  Namen  Victoria  geführt  hat;  es  hat 
gewiss  entweder  einen  alten  einheimischen  oder  einen  rein  appellativi- 
schen Namen,  wie  castra  nova^  übta,  Julia  oder  dgl.  gehabt.  Ich  bin 
geneigt  die  Reste  des  bekannten  silbernen,  ursprünglich  theilweise  ver- 
goldeten Cohortenzeichens  aus  Niederbiber  im  Museum  zu  Wied")  mit 
den  Feldzügen  des  Germanicus  in  Verbindung  zu  bringen.  Das  Rild- 
uiss  des  über  dem  Tropaeuiu  aus  germanischen  Waffen  stehenden  Im- 
perators kann,  irre  ich  nicht,  nur  das  des  Augustus  selbst  oder  allen- 
falls das  des  in  ausserordentlicher  Stellung  commandierenden  Germanicus 
sein");  an  spätere  Kaiser  ist  nicht  zu  denken"^).  Ob  es,  wie  Grote- 
fend  meinte,  das  Zeichen  einer  Cohorte  der  achten  Legion  war  oder 
das    irgend    einer    Auxiliarcohorte    (wobei    die   erhaltene    Aufschrift 

Coh(ors)  V an  verschiedene  zu  denken  erlaubt,  an  die  V  Diüma- 

iarum,  V  Hispanorum^  die  VI  Thracum,  die  VII  Raetorum,  die  Vin 
BreumrutHy  die  alle  >)Chon  zum  ältesten  exercitus  Germanicus  gehört 
zu  haben  acheinen),  ist  dabei  gleichgiltig.  Grotefend's  Grund,  dass 
eine  Fhalera  mit  dem  Bildniss  des  Kaisers  nur  an  der  Stange  des 
Legionsadlers  sich  befunden  haben  könne,  halte  ich  weder  für  an  sich 
richtig,  noch  für  auf  dieses  Denkmal  anwendbar ;  doch  kann  dies  hier 
nicht,  naher  ausgeführt  werden.  Auf  alle  Fälle  gehörte  es  zu  dem 
ältesten  Inventar  der  Fahnencapelle  im  Gastell  von  Niederbiber. 

Die  Spuren  des  Limes  selbst  aber,  welche  den  vierten  Hauptab- 
schnitt der  ganzen  Aalage  bildeten,  sind  auf  der  Strecke  des  rechten 
Rhein  Ufers  von  Vallendar  etwa  bis  gegenüber  von  Andernach  haupt- 


96)  Br«mbiich  No.  703  e. 

97)  Die  (von  ßrambach  citiertcu)  Abbildungen  bei  Dorow,  in  diesen 
Jahrbüchern,  und  selbst  bei  T-indenachmit  sind  nicht  ausreichend;  das 
Original,  welches  «oh  hier  in  Berlin  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt  habe,  übertrifft  sie 
sämmtlich  bei  weitem  und  ist,  trotz  mancher  Fehler  und  einer  gewissen  Breite 
und  Flüclitigkeit  in  der  Ausführung,  soweit  ich  urtheilen  kann  sicher  ein  Werk 
der  augtistiscben  Zeit.     Auch  die  Schrift  stimmt  dazu. 

98)  Auch  nicht  mit  Elberling  bei  C.  L.  Grotefend  (Epigmphisohe«  V, 
Hannover  1866  8.  S.  4}  an  den  ganz  anders  aussehenden  jugendlioben  Comniodus. 


Der  römische  Grenzwall  in  DeutschlHod. 


49 


sächlich  durch  ¥.  W.  Schmidt'")  nachgewiesen  worden'"*).  Weiter 
nördlich  sollen  dann  wieder  freilich  unsichere  f^puren  des  Liraes  östlich 
und  südöstlich  von  Linz'"')  und  hei  UnkeP"*)  begegnen.  Dass  hier, 
zwischen  Lahn  und  Sieg,  soweit  wir  jetzt  sehen,  die  Spuren  des  Limes 
aufhören  und  somit  der  vierte  Hauptabschnitt  der  ganzen  Grenzwehr 

.geinen  Abschluss  findet,  ist  eine  für  die  vielbehandelte  Frage  nach  der 
Grenze  zwischen  dem  oberen  und  unteren  Germanien,  falls  sie  sich  be- 
stätigt, wichtige  Thatsache.  Ich  gehe  hier  auf  die  bekannte  Coutro- 
verse  nicht  ein:  zu  erwägen  wird  künftig  bei  jedem  Versuch  ihrer 
Lösung  sicherlich  auch  sein,  ob  und  wie  weit  zu  jeder  Zeit  in  gleicher 
Weise  die  Grenzlinie  vom  linken  auf  das  rechte  Rheinufer  sich  fort- 
gesetzt hat. 

Für  die  folgenden  Ahschnitto  des  Limes  in  den  rechtsrheinischen 
Landen,    welche    ihrer  natürlichen  Beschaffenheit  nach   in  die  Gebiete 

'bis  zur  Sieg,  von  der  Sieg  zur  Wuppcr,  von  der  Wiipper  zur  Ruhr, 
and  endlich  von  der  Ruhr  bis  zur  Lippe  zerfallen,  w^erden  die  sicheren 
Anhaltspunkte  der  Ueberlieferung  immer  geringer,  die  Nachrichten 
immer  spärlicher  und  unsicherer. 

V. 

Vüllig  unerforscht  ist,  so  weit  meine  Kenntniss  reicht,  in  Bezug  Rheinland 
auf  den  Limes  der  fünfte  Haujitabschnitt  der  östlichen  Ueichs- 
grenze,  das  Gebiet  zwischen  Sieg  und  Ruhr.  Es  wäre  nicht  unmög- 
lich, daüs  die  im  Norden  weit  nach  Osten  hin  ausgedehnten  Operationen 
in  Folge  der  Varusschlacht  gehindert  worden  sind,  auf  dieser  Strecke 
auch  nach  Süden  hin  sich  zu  erstrecken,  um  so  mit  den  später  durch 
Germaaicus  von  Cöln  und  Trier  aus  gewiss  auch  in  jene  Gebiete  hin 
unternommenen  Expeditioneu  Fühlung  zu  gewiunen.  Es  wäre  keines- 
wegs unmöglich,  dass  gerade  durch  Germanicus  der  Versuch  gemacht 
worden  ist,  die  Verbindung  zwischen  Mainz  und  Cidn  auch  auf  dem  rechten 
Ufer  des  Stromes,  mit  Benutzung  älterer  Anlagen,  durch  ausgedehnte 


99)  F.  W.  Schmidt  Local-Untei-Huchungen  über  den  Pfahlgrahen  sowie 
aber  die  alten  Befeatt^uti^eu  zwiaohen  Lahn  und  Sieg,  Annalen  des  Vereins  für 
nassBuische  Alterthumskunde  und  GeacbiohtsforBohung  6  (1859)  S.  107  ff.  mit 
Taf.  Hl. 

lOOj  Siehe  die  Karte  Taf.  I  n  Cohaaseni  oben  S.  45  Anm.  82  oitierlem 
Aufsat?:, 

103)  Jo9.  Pohl  Bonner  Jahrb.  53;64  (1873)  S.  322. 

102)  J.  Schneider  Bonner  Jahrb.  49  (1870)8.  177  ff.,  A.  von  Hoiningen- 
Huene   ebendss.  38  (1865)  S.  171   f.,    44/4.5  (1868)  S.  280,  55/56  (1875)    S.  247. 

4 


80 


Der  römäche  Gr«ni«in  üi  Deotachkud. 


Befestigungsanlagen  zu  schützen.  Es  liegt  nahe,  die  bdcaAoten  Ntdi- 
ricbten  über  seine  Operationen  von  Vetera  und  vom  Taunns  ans  ***)  M 
xa  combinieren;  ob  das  in  Niederbiber  gefundene  Cohortenxeicfaen  des 
Oermankos,  Tiberios  oder  Augostua  darstellt'**),  tosBe  ich  dabei  un- 
entschieden ;  dass  ein  Kaiser  oder  Caesar  (im  römischen  Sinn)  dargestdtt 
und  kein  spaterer  gemeint  sein  könne,  ist  mir,  wie  gesagt,  anzweiÜdhaft. 
Auf  der  anderen  Seite  aber  ist  das  fruchtbare,  in  zahUoee  U9fe  ge* 
theilte  Land  zwischen  Sieg  and  Rohr  seit  Jahrhunderten  daer  ao  m- 
tensiven  Cultur  unterworfen,  dass  schwieriger  wie  an<ler3wo  hier  die 
Sparen  alter  Befestigungsanlagen  zu  erkennen  und  zu  Verfolges  atnd. 
Jeder  Nachweis  ans  diesen  Ölenden  wird  daher  doppelt  envOnchi 
und  lehrreich  sein. 

VI. 
Wettfalen  d.  An  den  nördlichsten  Abschnitt  der  Reicbsgrettze,  den  sech$l 

Niederknde  jjj  j^^  y^^  angedeuteten  lU^iheufolge,  au  die  Linien  zwischen  Ruhr 
und  Lippe,  knüpfen  sich,  wie  bekannt,  die  fast  nicht  mehr  zu  über- 
sehenden Specialforscbongeu  nach  den  Oertlichkeiteo  der  Castelle  Arbalo 
und  Ahso,  der  Varusschlacht  und  der  Schlacht  von  Idisiariso.  Den 
richtigen  Weg  der  Untersuchung,  nämlich  zunächst  die  noch  vorhan- 
dfenen  Beste  der  alten,  vielleicht  schon  von  Agrippa  geplanten  Strai^en- 
aOge  festzustellen,  hat  schon  vor  mehr  als  vierzig  Jahren  der  General 
von  Müffling  eingeschlagen'**^).  Ihm  sind  i^iederaffl  der  Obo^t- 
lieutenant  F.  W.  Schmidt*"*;  und  Jac  Schneider  in  Düsseldorf  ge- 
*  folgt,  welcher  seit  den  sechziger  Jahren  seine  auf  den  Niederrhein  be< 
zügUchen  Forschungen   führt  >*^^).    Bis  zum  Jahr  1870  hatte   dersdbt 

103)  Tuitos  ann.  I  50  und  56.  Die  Abh&ndluog  von  W.  Baabmknn 
dt  hmite  a  Tibtrio  coepto  (Oynmasialprogramm  ron  Wernigerode  1662  4.)  tuobt 
ftof  Tier  8eit«i  tu  beweiaan,  dmM  in  der  entf  enumteo  Sl«De  d«  Ttcitus  iniet 
im  Sinne  Ton  via  lu  iuMD  eei.  För  die  hier  in  betradU  koBmeode  Ff 
bleibt  sie  ohne  Ergeboim. 

104)  C.  L.  Grotefend  Bonner  Jahrb.  38  (1865)  S.  61  fl. 

105)  In  Mineni  ant«r  dar  Ckiffre  'C.  v.  W.'  pabKeieHeti  Buch  fiber  die 
RdtneretnTsen  la  rechten  Ufer  dea  Niederrbeins,  Berlin   1834  S. 

106)  ZeitMhrift  fir  veterl&ndieebe  Ueeebichte  tind  Altertbamalcande  (We 
hleaa)  Bd.  20  (der  neuen  Folge  Bd.  10 1  1859  S.  259  ff.  (ohne  Karte». 

107 1  Sieb«  denen  uÜijaariMhe  Mittbeüuugtn  aas  dem  Regierutgebexirk 
I>ä»aeldorf.  Boaner  Jahrb.  86  (1864)  S.  78  ff  39/40  (1866)  S.  151  ff.  und  Mbea 
•äderen  Arbeiten  in  dlAMb  JahrbBdiem  und  in  Piek'e  MonaHuchrifl  die  be- 
•onder«  Bnohiaoebeo  'nemeat  Beiträge  cur  alten  Geeebiehto  and  Geographie  der 
Bkrinknd«',  bis  jelal  «If  Uafarvpgen.  Daaseldorf  1860  bü  1S78  &,  mit 


Der  römitche  Grenzwall  in  DeutacU&nd. 


61 


bereits  fünf  Berichte  mit  umfänglichen  kartographischen  Aufnahmen 
an  das  üntcrrichtsministeiium  eingereicht,  über  deren  luhalt  bisher 
nur  kurze  Relationen  bekannt  geworden  sind'*"):  es  wäre  sehr  zu  wün- 
schen, dass  besonders  die  topographischen  Aufnahmen  zu  geeigneter 
Verwerthuug  kämen.  Auch  seitdem  ist  Prof.  Schneider  fortgesetzt 
in  derselben  Weise  thätig  gewesen,  wie  seine  neuesten  Mittheilungen 
über  'alte  Verschanzungen  an  der  Lippe''*')  zeigen 'i").  In  den  Um- 
gebungen von  Duisburg 'i'j  und  im  Bergischen,  bei  Merkenich  und 
Solingen  "*j,  sind  neuerdings  ebenfalls  Reste  der  alten  Grerizwehren  be- 
merkt worden.  Um  ili«  Erforschung  des  nördlichsten  Abschnittes  der 
Rheinlande,  des  Landes  der  Bataver,  hat  Professor  A.  Dcderich  in 
Emmerich  sich  bekanntlich  mannigfache  Verdienste  erworben'"*);  auch 
in  den  Specialarbeiten  über  den  Aufstand  des  Civilis  von  E.  Meyer"*) 
und  C.  Völcker"*)  findet  sich  Manches  darauf  bezügliche.  Die  von 
d^m  Bonner  Verein  von  Alterthumsfreunden  im  Rhcinlande  in  Aussicht 
genommene  planmäf^ige  Untersuchung  aller  römischen  Strafsenreste 
zunächst  des  linksrheinischen  Gebietes"*)  wird,  wenn  sie  einmal  durch- 
geführt sein  wird,  auch  filr  dieStrafsenzüge  auf  der  anderen  Seite  des 
Stromes  wichtige  Anhaltspunkte  bieten.  Für  das  rechte  Ufer  hat 
neuerdings  L.  Hölzer  mann  von  neuem  den  richtigen  Weg  der  Unter- 


!08)  Bonner  Jahrb.  49  (1870)  S.  162  ff. 

109)  Bonner  Jahrh.  59  (1876)  S.  104  ff. 

110)  Im  April  des  Jahres  ld7G  schrieb  mir  Professor  Schneider,  was 
ich  hier  mit  loiner  KrlaubtiiBs  raitzutLeilen  nicht  unterlaBsen  will,  dass  die 
Fundstätte  der  bei  Marrca  im  üidenburgiachen  gefundeneu  Alterthümer,  welche 
ich  io  den  Bonner  Jahrb.  ü7  (1876)  S.  G6  ff.  veröffeutlicht  habe,  au  dem 
von  ihm  untersuchten  und  von  Nicderbiber  in  fast  gerader  Linie  nordwärts  bis 
zum  Saarbeckea  bei  Münster  führenden  Strafsenzug  liegt,  falls  derselbe  sich, 
wie  antunehmen,  über  Ibbenbüren  nordwäkrts  fortgesetzt  habe. 

111)  M.  Wilma  Bonner  Jahrb.  52  (1872)  S.  1  ff. 

113)  F.  W.  Obligscb läger  Bonner  Jahrb.  58/64  (1873)  S.  273  f, 

113)  A.  Dederioh  Beiträge  zar  rÖmisch-deutBchen  Geschichte:  dieDamm- 
anlagen  des  Drusus  bei  der  bataviachen  lusel,  Emmerich  1849  4.  Auch  acine 
neueste  Schrift:  Julius  Caesar  am  Rhein  nebst  Anhang  &ber  die  Germania  des 
Tacitus  u.  s.  w.  Paderborn  1870  8.,  ist  siu  vergleichen. 

114)  E.  Meyer  der  Freiheitskrieg  der  Bataver  unter  Civilis.  Hamburg 
1866  4. 

115)  C.  C.  C.  Völcker  Taeitua  über  den  Freiheitskampf  der  Bataver  unter 
CiriliB,   mit  Einleitung,  Commentar  und  zwei  Karlen  I  II  Elberfeld  1861—63  8. 

116j  Siehe  Bonner  Jahrb.  57  |1876)  S.  1  ff. 


62 


Der  römiüche  Greozwall  in  Dcntachland. 


suchung  Hingeschlagen.  Hölzermann's  Arbeiten '"),  zu  welchen  er 
bekennt  hauptsächlich  durch  die  bekannten  Werke  de«  verstorbenen 
preussischen  Generals  von  Peucker*'*)  angeregt  worden  zu  sein,  um- 
fassen einen  grossen  Theil  des  (auf  der  Karte  A  dai'gestellten)  Gebietes 
zwischen  Rhein  und  Weser,  welches  von  den  Flflssen  Ruhr,  Lippe  und 
Ems  durchströmt  ist.  Von  den  Castra  Vetera  bei  Xanten,  gegenüber 
von  Wesel,  liat  er  zunächst  besonders  den  Lauf  der  Lippe  aufwärts 
bis  Lippspringe  auf  das  genaueste  verfolgt  (vgl,  die  Karten  B,  C  und 
Tafel  V)  und,  nach  Yorausschickung  einiger  orientierender  Bemerkungen 
über  die  auf  diesen  Gebieten  sich  bewegenden  Feldzüge  des  Drusas 
Tiberius  und  Germanieus,  über  die  Bezeichnungen  'Burg',  'Hüne', 
'Römer*,  die  sämnitlichen  Strafsenzüge,  Landwehron  und  Befestigungen, 
die  sich  ganz  oder  theilweise  erhalten  noch  vorlinden,  persönlich  auf 
das  sorgfältigste  gemessen  und  gezeichnet.  Hierdurch  unterscheiden 
sich  seine  Arbeiten  auf  das  Vortlieilhafteste  von  denjenigen  aller  seiner 
Vorgänger,  welche  nur  Weniges  der  Art  überhaupt  selbst  gesehen  und 
noch  Geringeres  genau  gemessen  und  beschrieben,  desto  schneller  auf 
oberflächliirhe  Kenntnisse  die  luftigsten  Hypothesen  aufgebaut  haben. 
Ob  es  ihm  freilich  gelungen  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  die  ältesten 
römischen  von  den  gleichzeitigen  oder  späteren  germanischen,  sowie 
von  den  fränkischen  und  sächsischen  Erdwerken  (aus  der  Zeit  von 
Karls  Sachsenkriegen)  zu  unterscheiden,  bleibe  dabingestellt.  Wenn 
Uölz ermann  auf  seinem  methodischen  Wege  dazu  gelangt,  das 
Gasten  von  Aliso  in  das  Dorf  Ringboke,  am  Einfluss  des  Elsen- 
baches in   die  Lippe,   ungefähr  in  der  Mitte  zwischen  Lippstadt  und 


117)  Lokalunterauchungen  die  Kriege  der  Römer  und  Franken  sowie  die 
BefestigungsmaniereD  der  Germanen.  Sachsen  und  des  späteren  Miltelalters  bo- 
treffend von  L.  Hölzermann,  Hauptmann  und  Compagnie-Chef  im  3.  nieder- 
scbleBischen  lafanterie-Regiment  No.  50,  iiacb  deascn  Tode  berauagegebeo  von 
dem  Vereine  für  Geschichle  und  AUerlbumskundo  WcNtfalens  [durch  Professor 
W.  E.  Gieferslj  mit  2  Karten  und  51  lithographirten  Zeichnungen,  Münster 
(Vni  und  124  S.)  Lex.  8.  Das  Werk  ist  besoDdera  durch  die  treffliche  Aus» 
fDhning  der  topographischen  Ptäuc  au sgcze lehnet;  nur  Tafel  I,  die  Abbildung 
Tun  einigen  Urnen  und  Waffen  enthaltend,  hätte  fehlen  können,  da  dergleichen 
viel  besser  in  Lindenschmit's  bekanntem  Werk  zu  finden  sind. 

118)  E.  von  Peucker  das  deutsche  Kriegswesen  der  Urzeiten  in  seinen 
Verbindungen  und  Wechsfllwirkuugen  mit  dem  gleichzeitigen  Staats-  und  Volks- 
l«b«b  3  Bde.    Berlin  1860—64  8. 


Der  römische  Grcnzwall  in  Deatacblatid. 


Paderborn,  und  das  varianische  Schlachtfeld  zwischen  Hör ii  und 
Alt-Schiedcr,  südlich  von  Detmold  und  östlich  von  derGrotenburg,  an- 
zusetzen "^),  so  hat  das  immerhin  ein  anderes  Gewicht,  als  alle  bisher 
aufgestellten  Hypothesen.  Allein  auch  damit  dürfte  das  allerletzte  Wort 
noch  nicht  gesprochen  sein  ""),  so  sehr  ich  die  Wahrscheinlichkeit  von 
Hölzer  manu 's  Annahmen  anerkenne.  Sein  Werk  schliesst  mit  einem 
Verzeichniss  von  nicht  weniger  als  sechs  und  dreissig  'Heerlagern  und 
Burgen,  deren  Untersuchung  noch  nicht  hat  geschehen  können'.  Bis 
auch  sie  geschehen  sein  wird,  bleibt  noch  einigen  Zweifeln,  auf  die 
hier  nicht  eingegangen  werden  soll,  Raum  "").  Nachgewiesen  aber  hat 
Hölzermann,  dass  auch  im  Thal  der  Lippe,  wie  in  dem  der  Kinzig, 
deutliche  Reste  römischer  Limesanlagen  vorhanden  sind,  wie  die  soge- 
nannte 'Königslandwehr'  bei  Hamm  (S.  tl2  ff.),  und  dass  diese  west- 
fälischen Landwehren  in  Anlage  und  Maafsen  auf  das  Genaueste  mit 
den  römischen  Wällen  auf  dem  linken  Rheinufer  übereinstimmen  (S.  68ff.). 


119)  Mit  Befremdcu  wird  icau  aus  Ilolzormann's  Werk  erfahren,  dass 
die  GrotenbuTg  oder  TeiitoLiirg,  auf  welcher  das  neu  errichtete  Denkmal  des 
AnniniuH  steht,  noch  x.um  Zweck  der  Aufstellung  dieses  Denkmals  die  Reste 
ihres  uralten  Ronen  rings,  der  bis  dahin  erhalten  war,  hat  verlieren  müssen, 
obgleich  man  die  nüthigen  Steine  ebenso  leicht  anderswoher  aus  o&ohslcr  Nähe 
fa&tte  haben  können  iS.  111  if.)- 

120)  Es  mag  hier  gestattet  sein  auch  darauf  hinsaweisen,  dass  wie  der 
Ort  so  auch  die  Zeit  der  Varusscblaclit  dazu  bestimmt  zu  sein  scheint,  nicht 
eodun  wollende  Erörterungen  bervurzurufL'ii.  Ich  nenne  nur  die  neuesten  der- 
seilten,  die  längeren  oder  kürzeren  Abhandlungen  von  H.  Brandes  (in  der  Zeit- 
schrift "im  neuen  deutschen  Reich'  187fi  I  8.  746  ff.,  der  sich  für  du»  Jahr  10 
entschied),  Abraham  (zu  den  germanischen  und  pannonisobcn  Kriegen  unter 
Augustus,  Programm  der  Sophienrealschule,  Berlin  187&  4.),  V.  Gardt hausen, 
A.  Schäfer,  C.  Lüttgort  (in  den  Jahrbüchern  für  Philologie  1876  S.  '2ib  f. 
248  1.  541  ff.),  C.  Schrador  (in  deuselben  Jahrb.  1877  S.  846  ff..),  und  endlich 
Ton  Edtn.  Meyer  ('in  welchen  Monat  des  J.  9  n.  Chr.  fiel  die  Schlacht  im 
Teutoburger  Walde ,  Forsch,  zur  deutschen  Gesch.  18,  1878  S.  325  ff.,  Zoitschr. 
fär  das  Gymnasialwesen  1878  S.  449  ff.).  Nach  alle  dem  scheint  kein  hinläng- 
licher Grund  vorzuliegen  znm  Zweifel  aiL  der  bisher  meist  für  richtig  ge- 
haltenen Annahme,  dass  n&niHch  die  Schlacltt  im  Jahre  9,  und  zwar  wahrschein- 
lich zu  Ende  Juli  oder  zu  Anfang  Augu»t,  stattgefunden  habe. 

121)  J.  Schneiders  Anzeige  von  Hölzermnnns  Arbeit  in  diesen  Jahrb. 
62  (1878)  S.  130—140  hebt  die  üuvollständigkeit  und  Uusicherheit  der  Angaben 
fiber  die  Grenzwehren  und  Strflfscn  in  derselben  mit  Recht  hervor,  wahrend  die 
Beschreibungen  der  Befestigungsanlag^^'n  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  als  zu- 
veri^sig  anerkannt  werden. 


54 


Dor  rönisehe  Granzwall  in  DentBohknd. 


Es  ist  vor  der  Haad,  soweit  ich  die  Lage  der  Untersochung  über- 
sehe, noch  uniiiüglich  aus  dem  Gewirr  der  zu  verschiedenen  Zeiten  von 
Personen  der  verschiedenartigsten  Begabung  und  Vorbildung  angestellten 
Beobachtungen  eine  klare  Anscbauung  zu  gewinnen,  zumal  die  uleuien- 
tarste  Vorbedingung  hierfür,  nämlich  eine  Uebersichtsk&rte  der  bis- 
herigen Funde,  fehlt.  Soviel  aber  sieht  man  schon  jetzt;  mag  auch 
ein  groteer  Theil  der  auf  den  weiten  Landerstrecken  im  Osten  des 
Rheins  aufgedeckten  Systeme  von  Berestigungsaolagen  und  einzelnen 
Schanzen  und  Warten  späteres  Ursprungs  sein,  ein  Kern  römischer  Aü- 
lagcn,  die  also  nothwondig  auf  die  augustische  Zeit  zurückgehen  müssen, 
ist  unzweifelhaft  vorhanden.  Die  erste  und  wichtigste  Aufgabe  also  der 
antiquarischen  Topographie  jener  unserem  engeren  Vaterland  ange- 
hörigen  Gebiete  ist,  diesen  Kern  der  ältesten  Anlagen  aus  der  ver- 
wirrenden Masse  der  späteren  Zuthaten  und  Veränderungen  herauszu- 
schälen. Die  Aufgabe  ist  schwierig,  weil  litterarische  Zeugnisse,  die 
sicher  verwerthbar  wären,  und  iuschriftlithe  Funde  (bi^  jetzt  wenigstens) 
durchaus  fehlen;  Gräberfelder,  Müiizfundc,  Funde  anderer  AI terthümer 
haben  für  die  Lösung  solcher  Fragen  ja  nur  einen  bedingten  Werth. 
Aber  ich  halte  auch  diese  Aufgabe  für  nicht  unlösbar,  d.  h.  wohlver- 
standen innerhalb  der  vorsichtig  abzusteckenden  Grenzen,  welche  sich 
aus  ihr  selbst  ergeben.  Ob  es  jemals  gelingen  wird,  Aliso  und  das 
Feld  der  Varusschlacht  festzustellen,  hängt  vom  Zufall  ab.  Aber  sorg- 
fältiges Terrainätudium,  von  militärisch  geübten  Beobachtern  geleitet, 
natürlich  auf  Grund  aller  zugänglichen  schriftlichen  und  mUndlichen 
Informationen,  und  unterstützt  von  vorurtheilsloser  Schätzung  und  Ver- 
werthung  der  Zeugnisse  der  antiken  Litteratur,  wt4che  weder  von  noch 
so  eifrigen  Localantiquaren  noch  von  noch  so  gebildeten  Offizieren  ver- 
langt werden  kann,  sondern  Sache  der  antiquarisch  und  epigraphisch 
geschulten  Philologen  und  Historiker  ist,  wird  und  muss  auch  hier  zu 
den  überhaupt  erreichbaren  Resultaten  führen,  so  gut  wie  die  gröfsten 
Thcils  musterhaft  geführte  Untersuchung  des  französischen  Bodens  zu 
der  schönen  carte  topographique  de  la  Gaule  geführt  hat,  mit  welcher 
sich  der  Kaiser  Napoleon  IIL  iu  der  That  ein  bleibendes  Denkmal 
geschaffen  hat.  Dass  vor  der  Hand  noch  von  den  besten  Kennern 
jener  Gegenden,  wie  von  Jac.  Schneider  selbst,  jeder  Zusammenhang 
zwischen  dem  eigentlichen  Limes  der  südlichen  Gegenden  und  den 
nördlichen  Anlagen   geleugnet   wird"*),   darf  nicht  Wunder   nehmen-, 


122)  Siehe  deMcn  Bemerkungen  in  der  Jenaer  Literatunseitung  1878  S.  28. 


Der  römitohe  Grenzwalt  in  DeuUchland. 


56 


gerade  die  genaueste  Detailkenntniss  erschwert  oft  den  UeberbUck  über 
das  Ganze  '*").  Es  ist  sicherem  Vernehmen  nach  jetzt  Aussicht  dazu 
vorhanden,  dass  diese  weder  unwichtige  noch  auch  für  weitere  Kreise 
interesselose  Aufgabe  ernstlich  in  die  iland  genommen,  unter  der 
obersten  Leitung  des  grofijen  Geoeralstabes  unserer  Armee  den  rechten 
Mannen  übertragen  und,  unter  die  Fürsorge  des  Staates  gestellt,  auch 
zu  Ende  geführt  wird.  Dann  erst  wird  es  luöglich  sein,  auch  die  süd- 
lichen Abschnitte  der  Limesanlage  in  Bezug  auf  ihre  älteren  und 
jüngeren  Bestandtheile  einer  eingebenden  Vergleichung  mit  den  älteren 
nördlichen,  später  aufgegebenen  Anlagen  zu  unterziehen.  So  wird  die 
Eenntniss  der  gesammten  Befestigungslinie  auch  wiederum  der  richtigen 
Beurtheilung  ihrer  einzelnen  Theile  zu  Gute  kommen.  Da  die  Aufgabe 
in  unserer  alten  Rheinprovinz  und  in  Westfalen  m'cht  halb  so  einfach 
liegt,  wie  in  Bayern,  Würtemberg,  Baden  und  in  der  Provinz  Hessen- 
Nassau,  so  werden  wir  uns  doppelt  anstrengen  müssen,  um  das  dort 
gegebene  Beispiel  der  Untersuchung  und  Aufnahme  womöglich  noch 
ZQ  übertreffen. 

Vielleicht  trägt  diese  Darlegung  des  Thatbestandcs  dazu  bei,  über 
das  Ziel  der  Aufgabe  zu  orientieren  und  den  Werth  ihrer  Bearbeitung 
richtig  schätzen  zu  lehren.  Völlig  wird  diese  Darlegung  aber  ihren 
Zweck  erst  dann  erreichen,  wenn  es  gelingt,  sie  durch  eine  in  nicht 
zu  kleinem  Maafsi<tab  angelegte  Gesammtkarte  des  ganzen  Limesge- 
bietofi  von  Regensburg  bis  zu  den  Niederlanden  zu  übersichtlicher  An- 
BChauung  zu  bringen.  Die  Herstellung  einer  solchen  Karte  ist  meines 
Wissens  noch  niemals  ernstlich  in's  Auge  gefasst  worden.  Zwar  sind, 
wie  ich  höre,  hier  und  da  auf  Versammlungen  deutscher  Geschichts- 
und Alterthumsvereine  Uebersichtskarten  der  ganzen  Limesanlage  neben 
den  Specialkarten  einzelner  Theile  derselben  vorgezeigt  worden.  Aber 
zur  Veröffentlichung  ist  meines  Wissens  keine  derselben  gelangt.  In 
geographisch- kartographischer  Hinsicht  sind  wir  ja  überhaupt  noch 
gar  nicht  eine  wirklich  geeinte  Nation.  Professor  Kiepert  hat  sich 
auf  meine  Bitte  der  Arbeit  unterzogen  eine  solche  Karte,  und  zwar  im 
Maafsstab  von  1 :  3O0OO0,  zu  zeichnen.  Noch  aber  ist  es  nicht  möglich 
diese  vorzügliche  Zeichnung  zur  völligen  Ausführung  und  VervielEltigung 
Zü  bringen,   so  erwünscht  dieselbe   auch  unzweifelhaft  Vereinen  und 

123)  Aach  Yates,  dessen  genauere  Uebersicht  über  den  Wall  mit  dem 
naaMokchen  Abscbnitt  endet,  ist  nicht  abgeneigt,  eine  FortsetKung  deeselben 
n&rdhcb  bis  Deatz  oder  gar  mit  Einigen  bis  nach  Wyck  de  Dnnnstede  in  Holland 
anzimehmeu  (S.  129  des  oben  S.  21  citierten  Aufsatzes). 


Der  römisch«  Greuzwall  in  ItouUebUnd. 


Einzelnen  sein  würde.  Es  bleiben  vor  allem  zunächst  noch  die  Ar- 
beiten Ohlenschlagers  abzuwarten;  auch  für  die  hessischen  Gebiete 
konnten  allerlei  schon  vorhandene  Vorarbeiten  vor  der  Hand  noch 
nicht  verwerthet  werden.  Die  der  vorliegenden  Uebersicht  beigegebene 
Karte  (im  MaafStötab  von  1 1 1,500000)  mit  ihren  drei  Nebenkarten  (in 
etwas  gröfäeren  Muaf^stäben)  hat  nur  den  Zweck  soweit  zu  orientieren, 
als  für  das  Verständnis^  der  ganzen  Anlage  unbedio^^t  nothweodig  i.st. 
Immerhin  wird  sie,  ebenfalls  von  H.  Kiepert,  auf  Grund  der  Vorar- 
beiten zu  der  beabsichtigten  Karte  im  grofsen  Maafsstab,  mit  gewohnter 
Meisterschaft  ausgeführt,  den  zahlreichen  Lesern  dieser  Blätter  eine, 
wie  ich  glaube^  sehr  erwünschte  und  lehrreiche  Zugabe  »ein,  für  deren 
Beschaffung  und  geschmackvolle  Vervielfältigung  dem  Vorstande  unseres 
Vei-eins  aufrichtiger  Dank  gebührt.  Auf  eine  ausführliche  Terraiu- 
danstelluog.  iüt  dabei  verzichtet  worden;  die  Terraintöne  sollen  nur 
die  Bödenbeschaffenheit  in  Bezug  auf  Wegsamkeit,  ohne  Rücksicht  auf 
absolute  Erhebung  des  Bodens,  anschaulich  machen.  Auch  ist  dafür 
Sorge  getragen,  dass  alle  später  etwa  eingehenden  Mittheilungen  über 
Limesreste  in  die  Karte  eingetragen  werden  können.  Für  das  nördlichste 
Gebiet,  das  grofse  Arbeitsfeld  Jac.  Schneider'»,  scheint  es  überhaupt 
noch  nicht  an  der  Zeit,  eine  kartographische  Zusammenfassung  zu  ver- 
suchen; auf  alle  Fälle  würde  dazu  der  im  übrigen  passende  Maafsstab  nicht 
ausreichend  sein.  Vielfach  berührt  sich  die  Aufgabe  einer  Darstellung 
des  ganzen  Limes  mit  der,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  vom  Bonner 
Verein  der  Alterthumsfreunde  mit  glücklichem  Takt  und  schon  merk- 
barem Erfolg  in  Angriff  genommenen  der  Herstellung  des  römischen 
Strafsennetzes,  zunächst  in  den  linksrheinischen  Gebieten  '"^).  Beide 
Aufgaben  bedingen  und  ergänzen  sich  gegenseitig:  möchten  sie  über 
Prcussens  Grenzen  hinaus  unter  des  Reiches  Schutz  zu  glücklicher 
Vollendung  gelangen.  £.  Hübner. 


124)  Für  sie  ist  in  den  Abhandlungen  Jac.  Schneider'«  in  diesen  Jahrb. 
60(1877)8.  1  ff,.  61  (1877»  S.  1  ff.  und  im  vorliegenden  (63)  S.  1  ff.  -  in  einem 
Correclurbogen  mir  eben  zugekommen  —  bereits  der  Anfang  gemacht.  —  Zu  dem 
8. 80  erwähnten  mvm'mentum  Traiani  fuge  ich  hier  noch  nachträglich  hinzu,  dasa 
•eine  muthmafsliche Lage  von  H.  E.  Scriba  im  Archiv  für  heuische  Geschichte  und 
Landeskunde  3,  184'1  Heft  1  No.  IV  erörtert  worden  ist;  zu  dem  S.  50  behandelten 
nördlichsten  Abachnitt  des  Grenzwalls  ist  A.  Fahne's  Aufsatz  die  Landwehr 
oder  der  Umu  imp.  Rom.  am  Niederrhein'  in  der  Zeitschrift  des  Bergiacben 
GesohichtNvereins  Bd.  4  (Bona  1867  6.)  S.  1—82  (vgl.  ebenda«.  10,  1874  S.  116  ff) 
KU  vergleichen. 


InschrifUicbea  aus  Heidelberg. 


67 


3.  Inschrifth'ches  aus  Heidelberg 

lesonderer  Berücksichtigung    keltischer  Namen  aul* 
rheinischen  Inschriften. 

Uiurzu  Tafel  111: 

Im  Jahre  1822  fand  man  bei  Erdarbeiten  in  den  Feldern  westlich 
von  Heidelberg  das  Terrain  eines  allemannisdien  oder  fränkischen  Be- 
gräbnissplatzes  aus  nachrömischer  Zeit,  der  mehrere  Tlattengräber, 
sog.  fränkische  Grabkaramern  ergab.  In  ihnen  lagen,  einzehi  gebettet, 
Skelete  mit  Waffen,  welche  bekanntlich  den  germanischen  Leichen  als 
Beigabe  ins  Grab  mitgegeben  wurden,  eine  Sitte,  die  bei  den  Römern 
nicht  bestand. 

Die  Erinnerung  an  diese  Begräbnissstätte  lebte  fort  im  Namen 
des  dortigen,  jetzt  allerdings  meistens  zu  Bauplätzen  benutzten  Feld- 
distriktes, der  den  bezeichnenden  Namen  ,In  der  Seel*  oder  ^Seelen- 
gewann"  führt;  ein  dortiger  Weg  heisst  „Seclenwpg",  d.  h.  Todtenweg, 
Namen,  die  vielfach  an  Stellen  ehemaliger  Kin-hhöfe  auftreten  (so 
raehrfai'h  in  der  Nähe  von  Heidelberg,  z.  B.  bei  Kirchheim,  als  Be- 
zeichnung eines  alten  Pfarrgutes;  vergl.  Widder,  Beschreibung  der 
Pfalz  I,  S.  162) '). 

Die  Lage  dieser  Stätte  war  überhaupt  bedeutsam,  sie  bildete  den 
Scheite!  eines  Winkels,  dessen  beide  Schenkel  Römerstrassen  waren. 
Die  östliche  derselben  war  der  sog.  Galgenweg  oder  alte  Rohrbacher 
Weg,    welcher  in  neuester  Zeit  den  ofticiellcn  Namen  «Römerstrasse" 


I)  Dieser  Gebrauch  rührt  daher.  Jobb  das  Wort  Socio  (altdeutsch  sela) 
früher  mehr  wie  jetzt  für  die  abgeschiedene  Seele  im  Paradies  gebnuicht  wiirdo 
und  daher  in  einer  Menge  alter  ZusanDmeDtiet2UDgeD  geradezu  far  dio  Verstor- 
benen im  Allgemeinen  gebraucht  wird,  so  ist  z.  B.  actambacht,  sclmesse  = 
Seelenamt,  TodtenmesBe,  gestiftet  zum  Heil  der  Seele  (seiner  eigenen  oder  anderer 
Verttorbener) ;  selgeraete  licduutet  in  gfeicher  Weise  überhaupt  letztwillige 
Schenkung,  Testament,  Eine  Menge  solcher  ZueammensetzuDgen  sind  in  Loxor's 
mittelhochdeutschen]  Handwörterbuch  enthalten.  Mehrere  hierher  gehörige  Aas- 
drücke,  wie  Seelsorger,  sind  heute  noch  allgemein  gebräuchlich.  Der  AuBdruck  >die 
Seelcnt  bedeutet  also  so  viel,  wie  die  Veratorbeiica,  gerade  so  wie  die  latei- 
nischen Manes  nicht  nnr  die  Seelen  der  Abgeschiedenen  bedeuten,  sondern  auch 
die  irdischen  Ueberreslc  der  Menschen,  den  Leichnam.  Der  Begriff  des  Wortes 
»Seele*  vermischt  sich  also  hier,  wie  öfters  mit  dem  von  »Belig«.  welches 
indessen  ganz  anderer  Abstammung  ist  und  besser  saelig  zu  schreiben  wäre,  wi» 
es  iu  der  That  in  der  Schweiz  und  Oberdeutechlaud  noch  lautet, 


hfti,  wennscboo  es  nieht  so  nnzweifelhalt  M,  dass  er  eine 
ioldw  war,  wie  dies  beüo  wfgüirheai  fidiwkd  jenes  Winkeb  der  Fall 
hA-  Dieser  letztere  wirde  nun  gebildet  dorch  die  alte  Speierer  Laad* 
tlraaK,  deren  Römertham  dnrch  die  jüngsten  Aosgrabongeo  zur  rollen 
GewisBheit  erhoben  worden  ist. 

Dieselbe  durchschnitt  nämlich  nördlich  von  aoserai -Standpankte 
die  römhiehe  Ansiedelang  nnterh&lb  des  neaen  Spitak,  am  dort  aber 
die  römische  Brücke  auf  das  Neoenheimer  Ufer  zu  setzen. 

An  dieser  Speierer  Strasse  war  wohl,  wie  überhaupt  die  römischen 
Grab-Stelcn  an  Landstrassen  standen,  einstens  auch  der  Cippus  auf- 
gestellt, welcher  in  dem  (südlich  von  der  römischen,  näher  beim  Neckar 
gel^enen  Niederlassung,  nach  der  Zerstörung  derselboi)  Ton  den 
Germanen  angelegten  Begräbntssorte,  seiner  platt enformigen  Gestalt 
w^en  als  Deckplatte  eines  der  erwähnten  Plattengräber  verwandt  wurde. 

Sein  Fandort  ist  also  m'cht  der  ursprüngliche  Standpunkt,  indem 
die  Germanen  eben  die  brauchbaren  Steine  zusammensuchten,  um  sie. 
wie  gesagt,  als  Baumaterial  zu  roh  gemauerten  Gräbern  zu  benutzen. 
Dies  war  aber  mit  noch  mehreren  römischen  Inschnftsteinen  der  Fall, 
die  an  die  gleiche  Stelle  der  Seelengewann  von  ihrem  benachbarten 
ursprünglichen  Bestimmungsorte  verbracht  worden  waren. 

Als  nämlich  um  das  Jahr  1872  hier  ein  Verbindungsw^  zwischen 
dem  erwähnten  alten  Rohrbacher  und  dem  Speierer  Weg  angelegt 
wurde  (in  Folge  dessen  letzterer  auch  von  seiner  bisherigen  geraden 
Richtung  auf  die  Mannheimer  Landstrasse  abgeschnitten  worden  ist), 
»Liessen  die  Arbeiter  wieder  auf  eine  ganze  Reihe  solcher  Plattengräber, 
worin  noch  ganze  Skelete  mit  Waffen  lagen  und  die  als  Deckplatten 
wieder  römische  Grabstelen  zeigten.  Leider  kümmerte  sich  aber  kein 
Mensch  hierum,  und  als  wir  auf  zufällige  Benachrichtigung  durch  einige 
Arbeiter  an  Ort  und  Stelle  eilten,  konnten  wir  blos  noch  die  ganz  und 
gar  zu  Chausiicematerial  zerklopften  Reste  römischer  Inschriflsteine 
eoDstatiren.  Die  aufgefundenen  Waflfon  aber  wurden  von  den  Arbeitern 
nach  allen  Windrichtungen  verschleppt. 

Wiederholte  sich  derselbe  Vandalismus  nicht  allenthalben,  so 
könnte  man  versucht  sein,  auch  als  persönlich  unbetheiligte  Privat- 
person fUr  den  einzelnen  Fall  öffentlich  zu  protestiren,  allein  hiermit 
würde  orfahrungsgoniäss  doch  nichts  erreicht,  ^  lange  nicht  allent- 
halben LnkalconservHtoren  aufgestellt  und  Gelder  zu  Nachforschungen 
bewilligt  werden.  Abel*  leider  finden  dieselben  in  den  Rheinlanden 
Überhaupt  nicht  die  erforderliche  Unterstützung.    Noch  unlängst  nor- 


Inachriftliches  aua  Heidelberg; 


59 


mirten  die  badischen  Kammern  z.  B.  das  Budget  für  die  Bethätigung 
des  Conservatora  der  Altcrthümer  zu  solch  bescheidener  Sumnie,  dasK 
«o  Veranstaltung  von  grösseren  Ausgrabungen  in  Baden  kaum  mehr 
gedacht  werden  kann.  Freilich  ist  es  für  den  einzelnen  kleinen  Staat 
sehr  schwer,  neben  dem  so  sehr  gesteigerten  Aufwand  für  Unterricbts- 
swecke  überhaupt,  besonders  aber  für  die  Universitäten,  auch  noch 
weitere  Mittel  zu  solchen  wissenschaftlichen  Lokaluntersuchungen  zu 
beschaffen,  allein  es  wäre  doch  zu  beachten,  dass  die  Kenntniss  des 
Alterthums  nach  seiner  realen  Seite  hin  von  viel  grösserem  Werthe 
für  uns  ist,  als  die  blosse  Beschäftigung  mit  den  Classikem  und  die 
Pflege  des  theoretischen  Theiles  der  philologiechen  Wissenschaften,  wie 
sie  zumeist  in  unseren  Schulen  herrscht.  Hier  gerade  wäre  der  Ort, 
den  Sinn  für  Lokaluntersuchungen  zu  wecken  und  so  einen  Stamm 
freiwilliger  Correspondenten  und  Conservatoren  zu  bilden,  die  ihre  An- 
zeigen zur  Kenatniss  einer  fachmännisch  wirkenden  Central-Commission 
für  Kunst-  und  historische  Denkmale  bringen  könnten,  wie  eine  solche 
Organisation  in  der  That  in  Oesterreich  besteht.  Dieses  Institut  dehnt 
gegenwärtig  sein  Walten  auf's  Erfolgreichste  über  Ocsterreichs  ge- 
flammte alte  Kunst  und  Geschichte  aus.  Im  deutschen  Reich  dagegen 
besteht  leider  fast  nichts  dergleichen,  und  doch  würde  nur  von  hier 
aus  die  Errichtung  einer  solchen  hinreichend  dotirten  Centralcoramission 
mit  einzelnen  Sektionen  für  die  einzelnen  Ländergobiete  ausgehen 
köoaen.  Systematische  Excavationen  sollte  man  nicht  nur  dem  fremden 
griechischen  und  italienischen,  sondern  vielmehr  auch  dem  heimath- 
licheo  Boden  aus  Keichsmitteln  zu  Theil  werden  lassen,  — 

Was  nun  die  fränkischen  Grabkaiinnem  im  Allgemeinen  betrifft, 
wie  sie  gewöhnlich  in  den  Rheingegenden  gefunden  werden,  so  sind  sie 
wie  zu  Heidelberg  in  der  Regel  von  grossen  Steinplatten  gebildet,  wozu 
oft  römische  Inschriften  verwandt  wurden. 

Die  Errichtung  dieser  Grabkaramern,  die  in  der  Regel  die  Länge 
eines  grossen  Mannes  haben  und  etwa  2  Fuss  hoch  und  eben  so  breit 
sind,  fällt  etwa  in's  5.-7.  Jahrhundert,  d.  h,  in  die  erste  fränkische 
Zeit  in  uusem  Gegenden. 

Die  völlige  Unterwerfung  der  Allemannen  durch  die  Franken  fällt 
bekanntlich  in  das  H.  Jahrb.,  und  damals  siedelten  sich  die  Letzteren 
auch  überall  in  den  Neckargegenden  an.  Bereits  im  8.  Jahrb.  wird 
denn  auch  schon  das  Dorf  ßergheim  in  der  Nähe  des  späteren  Heidel- 
bergs genannt.  Das  erwähnte  Todtenfeld  war  wohl  die  älteste  Grabea- 
fiUtte  seiner  Bewohner,  von  deren  Wohnort  es  nur  eine  kleine  Strecke 


I  InachrifUiches  aus  Heidelberg. 

ablag  und  zwar  im  Winkel  der  alten  (wie  gesagt,  bereits  römischen) 
Wege,  welche  von  Bergbeim  (im  14.  Jabrh.  eingegangen,  jetzt  das 
Terrain  des  botanischen  Gartens)  nach  Rohibach  und  Speier  führten. 

—  Diese  Grabesstattc  soU  liier  indessen  noch  etwas  genauer  markirt 
werden,  weil  vielleicht  bei  Neubauten  daselbst  noch  mehrere  solcher 
Plattengräber  zu  Tage  treten  könnten  und  deshalb  die  Aufmerksamkeit 
<U  1  Altcrthuinsforscher  auf  jene  Gegeml  gerichtet  sein  niuss.  Der  zu 
beschreibende  Grabstein  selbst  wurde,  wie  gesagt,  im  Jahre  1822,  und 
zwar  auf  einem  dem  Landnianno  Mayer  gcbürigeu  und  in  der  Seelen- 
gewann  gelegenen  Acker  gefunden,  über  5  Fuss  unter  der  Oberfläche. 

—  Die  Stelle  Hessen  wir  uns  vor  Jahren  von  dem  jetzt  verstorbenen 
Feliibtlter  Beiler  zeigen,  der  bei  der  Auffindung  und  Ausgrabung  des 
Steines  hauptsächlich  betheiligt  gewesen  war.  Seit  einigen  Jahren  ist 
an  diesem  Orte  der  Rapp'sche  Bierkcller  „zum  goldenen  Fdsschen" 
errichtet,  welcher  in  der  Spitze  des  Winkels  liegt,  welcher  hier  durch 
das  Zusammenlaufen  zweier  HahnUnien  entsteht,  der  Mannheim-Frank- 
furter einerseits  und  der  Karlsruher  Linie  anderseits. 

Möge  diese  genaue  Fundortsangabe,  wie  wir  sie  audi  schon  in 
den  Heidelberger  Familienblättern  1877,  Nr.  49  gegeben  haben,  dazu 
dienen,  dass  In  den  dort  liegenden  Gütern  später,  wenn  einmal  das 
Interesse  für  Ausgrabungen  lebendiger  werden  sollte,  Nachforschungen 
veranstaltet  werden. 

Gehen  wir  nun  auf  die  bisherigen  Herausgeber  des  in  Rede 
stehenden  Grabsteines  über,  die  Übrigens  schon  Branibach  (Nr.  1710; 
mit  Benutzung  unserer  schriftlichen  Angaben  zusammengestellt  bat,  80 
ist  als  der  erste  derselben  Ditten berger  zu  nennen  im  „Boten  vom 
Uhein  und  Neckar"  1822,  Nr.  9  vom  2.  März  jenes  Jahres,  wo  er  zu- 
gleich die  Beschreibung  der  gefundenen  Gräber  und  ihreü  Inhaltes  giebt. 

Fast  gleichzeitig  berichtete  hierüber  auch  der  berühmte  Creuzer 
in  dem  von  Schoru  herausgegebenen  .Kunstblatt"  des  Morgenblattes 
vom  18.  März  1822,  Nr.  22,  einem  bouicrkenswerthen  Aufsatz,  der  leider 
in  dem  Sammelwerke  Grenzer 's  „Zur  Archäologie"  nicht  aufgenommen 
worden  ist. 

Dagegen  ist  in  letzterem,  Band  H,  p.  449,  eine  weitere  Arbeit  Gren- 
zer's  über  dieses  Denkmal  enthalten,  die  dessen  1833  selbstständig 
erschienener  jjGeschichle  altröniischer  Cultur",  pag.  46,  angehörte. 

Greuzer*8  I^esung  und  Erklärung  der  Inschrift,  auf  der  auch  die 
von  Dittenberger  beruht,  ist  unrichtig,  wurde  aber  trotzdem  von  einer 
Ueihe  anderer  Editoren  kritiklos  wiederholt,  die  hier  der  Vollständig- 


InBcbriftliches  aus  ITeidelberg. 


61 


keit  wegen  erwähnt  sein  mögen.  Es  sind:  Stalin  in  seiner  Wiften- 
borg.  Geschichte  I,  Nr.  U)9;  Zell  (in  den  Schriften  des  had.  Alter- 
thumsvereins  I^  2.  Heft  (1846)  Nr.  31;  Happenegger  Nr.  47; 
Steiner  Xr.  922;  Ring  I,  p.  207;  Vierordt,  badische  ("Jeachichte, 
p.  75.  und  endlich  Fickler  in  einem  Schriftchen,  das  wir  in  den  Ver- 
handlungen der  24.  (Heidelherger)  Philologen-Versammlung  «niarbeitetea 
and  erweiterten. 

Dort  haben  wir  denn  auch  S.  212,  Nr.  7a  die  Lesung  zueret  richtig 
gestellt,  in  gleicher  Weise  hnt  Brambach  Nr.  1710  dieselbe  nach 
unserer,  ihm  flbersandten  Abschrift  wiedergegeben,  ohne  dass  jedoch 
hierdurch  alle  zweifelliaft^en  Punkte  gehoben  worden  wären. 

Die  Inschrift  des  Steines,  der  aus  rothem  Sandstein  hiesiger 
Gegend  besteht  (in  ganzer  Höhe  1,90  ni.  bei  einer  Breite  von  0,45  nnd 
Dicke  von  0,20  m.),  ist  nämlich  de.s  weichen  Materials  wegen  sehr  ab- 
geblasst,  so  dass  einzelne  Buchstaben  hit'rdurch  von  ihrer  Deutlichkeit 
eingebüsst  liabon.  Setzen  wir  dieselbe  gleich  her,  mit  der  voraus- 
geschickten Bemorkung  dass  sie  auf  allen  4  Seiten  von  einer  erhaben 
auagehauenen  Leiste  eingefasst  im<i  0,;tO  m.  hncb  ist: 


0    1    S      •     M  ■ 

V  O  L  C  1  O     I^E  R 

CATORI  ANXXXX 

LVTEIA-CARANTf 

CONPIENPOS- 

Also:  Dis  Manibus  —  Volcio  Mercatori  annnrum  quadraginta 
Luteia  Caranti  (hlia)  conjugi  pientissimo  posuit. 

Die  erste  Zeile  mit  der  bekannten  Eingangsformel  DIS  (nicht 
DIIS,  wie  es  in  Folge  einer  kleinen  Unebenheit  des  Steines  nach  der 
Photographie  scheinen  künnte)  Mfanibus,)  ist  klar,  Die  Buchstaben 
stehen  hier  in  weitem  Zwischenraunj  auseinander,  um  die  Zeile  aus- 
zufüllen. 

Im  engsten  Zusammenhang  mit  dieser  Widmung  an  die  verklärten 
Geister  der  Abgeschiedeneu,  d.  h.  di«  Manen  im  Allgemeinen,  die  in 
der  Unterwelt  wohnend,  als  unterirdische  (iotter  angerufen  wurden, 
scheint  der  das  ganze  Inschrillfeld  gleichsam  auf  den  nach  oben  aus- 
gebreiteten Händen  tragende.  0,18  m.  hohe,  unbekleidete  und  geflügelte 
Genius,  welcher  speciell  die  Seele  des  einen  Verstorbenen  zur  Dar- 
stellung bringen  will,  um  den  es  sich  hier  handelt.  Denn  wenn  auch 
der  Ausdruck  dii  Manes   in  der  Mehrzahl  steht,   so  ist  der.sclbe  eben 


69 


luflchriftlichea  ans  Heidelberg. 


eine  typische  Formel,  die  nicht  abgeändert  werden  konnte  und  daher 
auch  frir  die  einzehie  dahingcächledene  Person  gilt. 

Vergl.  hierüber  J.Becker  in  seinem  „Mainzer Museum",  p.  XV, 
wo  er  denn  auch  süb  Nr.  247  auf  einem  Grabsteine  eine  ähnliche 
Darstellung  aufführt:  Die  geflügelte  Idealgeatalt  eines  jungen  Sclaven, 
„wahrscheinlich  der  auf  Grabmiilern  gewöhnlich  doppelt  vorkoraniende 
Attis". 

Den  Genius  unseres  Heidelberger  Grabsteines  Casste  nun  Creuzer 
ebenfalls  als  Todesgeist  >  der  bei  den  Alten  mit  schwarzen  FlOgeln 
gedacht  und  dargestellt  worden  wäre,  allein  man  darf,  wie  gesagt,  die 
Frage  stellen,  ob  derselbe  nicht  vielmehr  als  Sinnbild  einer  privaten 
Apotheose  zu  fassen  ist.  Die  neuere,  besonders  französische  Forschung 
hat  nämlich  gezeigt,  dass  auf  einer  ganzen  Reihe  von  griechischen  wie 
römischen  Grabmonumenten  der  Veratorbene  in  verjüngter  IdealgCvStalt 
abgebildet  ist,  wie  man  sich  denselben  im  Jenseits  nach  seiner  Apo- 
theose dachte.  Gewöhnlich  finden  sich  darauf  Scenen  dargestellt,  die 
man  bisher  Abschieds-  oder  Trenn ungsscenen  genannt  hat,  die  aber  in 
Wahrheit  die  Wiedervereinigung  des  Verstorbenen  iu  der  andern  Welt 
mit  seinen  früher  verstorbenen  Verwandten  bedeuten.  Hiernach  darf 
man  aber  vielleicht  annehmen,  wir  hätten  auf  unserm  Grabsteine  neben 
der  reuten  Darstellung  des  Verstorbenen  während  seines  Lebens  (die 
oberhalb  der  luschrift  angebracht  ist)  denselben  im  höheren  seligen 
Zustande  vor  uns,  welchen  man  als  dem  göttlichen  Wesen  verwandt 
betrachtete.  Daher  verehrte  man  den  also  erhöhten  und  gleichsam 
consekrirten  Verstorbenen  auf  gleiche  Weise  wie  andere  Götter  und 
Geister  und  bildete  ihn,  wie  diese  ja  selbst  öfters  ala  Genien  erscheinen  *) 


1)  Wie  Widinuugen  an  die  Genien  der  Götter  (selbst  genio  Jovia  bei 
Wilmunns  Nr,  105),  wie  der  Göttinnen  vorkommen,  so  kommen  solche  aach 
auf  Ehrcndeakinälern  an  die  Genien  der  Kaiser  vor  (Wilmanus  11,  p.  475). 
Hiermit  wird  wohl  ihre  Vergöttlichung  angedeutet,  wie  wir  auf  dem  bekannten 
Basrelief  von  der  Basis  der  zerstörten  Ehreusänlc  des  .\ntoninns  Pius  sa  Rom 
den  Genius  der  Welt  oder  der  Ewigkeit  auf  seinen  ausgebreiteten  Flügeln  diesen 
Kaiaer  und  ««iD»  Gemahlin  Fauatina  sohwebend  emportragen  sehen,  eine  Dar- 
st<%Ilung,  die  an  unser  Heidelberger  Denkmal  erinnert. 

Aber  auch  Beispiele  der  Apotheose  von  Privatleuten  giebt  ea  eine  Menge, 
so  inschriftlich:  >Deae  sanctae  meae,  deae  domiuae«  und  Aehnliches  bei  Wil< 
man  na,  Nr.  241  (wo  er  auch  ein  Beispiel  aufluhrl,  in  welchem  ein  verstorbener 
Knabe  vom  Grabsetzer  genanut  wird:  divus  et  dominus  meua);  —  dis  Manibus 
loci  in  qao  corpus  crematum  est  (Wilmanns  230);  dis  deabus  Manibus  (231); 


Inschriftliches  au»  Heidelberg. 


68 


(80  auch  iDScbriftlich  genios  Apollinis,  gecius  Martis,  genius  Mercurii 
auf  rheinischen  DfiikmuteiD)  auch  aiä  solchen  ab.  Sü  zeigt  sich  der 
abgeschiedene  Geist  in  iinserni  Falle  als  ziisanimeDgekauerter  Knabe, 
eine  Stellung,  die  sich  durch  die  Bestimmung  desselben  rechtfertigt, 
ihn  zugleicli  als  Träger  der  laschrilt  zu  üeautzeu. 

Charakteristisch  sind  hierbei  die  ausgebreiteten  Flügel,  deren  jeder 
4  Schwingen  tMithalt.  Die  Figur  bekommt  dergestalt  vollständig  das 
Ansehen  eines  Engels,  wie  denn  der  ausgebildete  Engeisglaube  der 
katholischen  Kirche  zu  gutem  Theile  dem  römischen  Heidenthum  ent- 
Dommen  ist. 

Bekannt  ist  es  ja,  dass  die  christlichen  Priester  diejenigen  heid- 
nischen UeberlieferuMgen  und  Gebräuche,  welche  sie  nicht  ausmerzen 
konnten,  mit  den  ähnlichen  Formen  des  Christenthums  verschmolzen. 
Dies  konnte  um  so  leichter  geschehen ,  als  der  Unsterbliclikeitsglaube 
durchaus  nicht  blos  eine  semitisuh-christliche  Anschauung  war,  sondern 
auch  die  Grundlage  der  Pweligionen  der  arischen  (indogerüiaDischen) 
Völker  bildete.    (Vergl.  den  Anhang.) 

So  sind  denn  auch  die  lateinischen  MAnes  (von  altlateinisch  mänüs, 
angemessen,  gut,  dessen  Uegensatz  im-uiäuis  ist)  nichts  anderes,  als 
die  abgeschiedenen  Geister,  die,  wie  Preller  treffend  bemerkt,  durch 
den  Tod  und  die  Weihe  der  Restattungsgebräuche  geläutert  erschienen. 
(Ueber  die  Herleitung  dieses  Wortes  vergl.  Vanicek,  Griecb.-Latein. 
etymologisches  Wörterbuch  (1877),  p.  Ü53.) 

Ganz  auf  dieselbe  Weise  wird  dieser  ßegriff  im  Deutschen  aus- 
gedrückt durch  das  Wort  .selig"  (altdeutsch  ;,sälig*  gut,  glücklich, 
zum  Glück  bestimmt,  beglückt,  ge.segnet,  heilsam,  heilig,  fromm,  ver- 
storben), das  bekanntlich  nichts  mit  dem  Worte  Seele,  altdeutsch  s&la, 
gothisch  saivala  (ursprünglich  die  bewegende,  wogende  Kraft)  zu  thun 
hat,  sondern  in  seiner  ältesten  Gestaltung  säla,  sälja  gelautet  haben 
musB  und  auch  im  Gothischen  „sels"  vorliegt,  womit  der  Begrif!"  von 
dya&og  (gut,  tauglich)  bezeichnet  werden  sollte,  wie  der  Gegensatz 
daisa  durch  „uns^ls"  /iovi]q6(;.    Die  älteste  germanische  Form  dieses 


Manibus  ei  genio  P.  Vatrii  Severi  (233);  die  ioferia  (Maaibua),  deis  i&feruin  pft- 
»Dtum,  dia  pareutibus  etc.  (232);  deia  et  geaio  Ilbodonis  (295).  LIeberhaüpt  tritt 
die  Widmuug  an  deu  GeDius  väreturbener  Phvatleutti  öfters  auf,  auch  in  diest»r 
Form  >geaio  et  bonorii  (illius,  Ule  poiuit).  Yergl.  Beispiele  bei  WilmaDDa  II, 
p.  C81,  wo  übariiaupt  noch  uiuc  Reibe  hucbat  bedeuluugavoUer  drabwidmuugea 
aufgufübi't  werdea.  Dasu  gebüruu  uocli  beaondera  solche,  wie  «dib  M.  et  me* 
laoriae  aeteroaa«. 


G4 


Inschriftlichea  ane  Heidelberg, 


Adjektivs,  sala,  stellt  Fick  Vergl.  W.  3.  Aufl.  III,  320  auf.  Die 
deutscheo  .Seligen"  bedeuten  also  ursprünglich  ziemlich  dasselbe,  wie 
die  lateinischen  Manes.  Sie  sind  die  guten  und  glücklieben  und  daher 
glück-  und  heilbringenden  Geister,  die  durch  den  Tod  vom  Uebel  dieser 
Welt  gereinigt  und  erlöst  wurden.  Gestalt  nehmen  dieselben  an  in 
den  geflügelten  Engeln  der  christlichen  Kirche,  insofern  hierunter  die 
verklärten  Leiber  der  Seligen  verstanden  wurden.  Hatte  man  doch 
auf  zahllosen  antiken  Grabmälern  jene  geflügelten  Genien  vor  Augen, 
welche  die  altklassische  bildende  Kun.st  als  Tafelhalter  erfunden  hatte, 
die  später  aber  als  dii  Manes  aufgefasst  worden  sein  mochten.  Die 
christlii-hp  Kirclienpalitik  cnUehnte  also  auch  in  Bezug  auf  den  Engels- 
glaulten  die  Formen  dem  Alterthuni,  indem  sie  ihnen  hlos  eine  andere 
Auslegung  im  Sinne  des  Christeothums  gab'). 

Gehen  wir  nun  nach  dieser  Abschweifoog  auf  die  Erklärung 
unserer  Inschrift  zurQck,  so  folgt  auf  die  besprochene  allgemeine 
Sepulcralformel  der  Name  des  Verstorbenen,  wie  gewöhnlich  im  Dativ. 
Derselbe  hiess  hieniach  Volcius  Mercator,  wobei  letzteres  Wort  Per- 
sonenname ist,  wie  z.  B.  auch  auf  einer  andern  Inschrift  aus  der  Nähe 
von  Heidelberg,  die  zu  Mannheim  aufbewahrt  wird  (vergl.  Haag, 
Rüm.  Denksteine,  Nr.  14).  Mit  Unrecht  fasst  Creuzer  mercator  als 
Bezeichnung  des  Berufes,  obwohl  in  diesem  Falle  das  cognomen  fehlen 
würde,  was  nicht  wohl  anginge. 

Betrachten  wir  uns  nun  das  Aeussere  des  Verstorbenen,  welcher 
das  Hauptbildwerk  (haut-relief)  der  Grabsäule  ausmacht.  Eine  männ- 
liche Figur,  0,80  m.  hoch,  mit  der  einfachen  tunicp.  bekleidet,  also  bi» 
auf  die  Kniee  herab,  mit  unbekleideten  Beinen  (woran  indessen  Spuren 
von  Fussbekleidung)  und  ohne  Kopfbedeckung,  steht  in  einer,  das  oberste 
Feld  des  Steines  bildenden  Nische,  deren  obere  Wölbung  muschelartig 
verziert  ist  mit  bogenförmiger  Bedachung.  Hinter  den  Füssen  tritt 
ein  kleiner  spitzohriger,  kurzhaariger  Hund  hervor  mit  geringeltem 
Schweife  und  erhobenem  rechten  Vorderfusse*). 

IJ  Eiu  interesBaoter  Sarkophag  dieser  Art  vom  Niederrbeiu  aua  späterer 
römischer  Zeit,  woriiuf  zwei  nackte,  geflügelte  Genien  eine  Tafel  mit  der  Grab- 
schrifl  ha)t«ii,  steht  im  Maiiuheimer  Antiquariam  (Haug  Nr.  73). 

2)  Nur  die  üauptseitu  des  Steines  ist  ÜLerbatipl  ornamentirt  and,  wie 
aus  der  Abbildung  erijicbtlich,  in  drei  Felder  eingelheilt,  unter  denen  aioh  aber 
Qocb  ein  uoterstor,  roh  gearbeiteter,  0,56  m.  hoher  Sockel  von  derselben  Breite 
und  Dicke,  wie  der  ganze  Grabstein,  befindet.  Derselbe  ist  datu  bestimmt 
in  die  Erde  eingegraben  tu  werden,  und  auf  der  Abbildung  weggflaseen,  — 
Ni'beoaeiten  und  Rücken  unseres  Steines  sind  gänzlich  uuaculptirt. 


Inschriflliohes  aua  Heidelberg. 


6fi 


Was  die  Attribute   in  den  Händen  des  Verstorbenen  betrifft,  so 

f 

roässen  natürlich  die  an  die  irrthiiniiiche  Erklärung  Creuzer's  ge*"^ 
knüpften  Vermuthungen  und  Kolgecungeti  wegfallen,  wie,  dass  der  Stab 
in  der  linken  Hand  ein  Streichholz  (rutellum)  wäre,  womit  die  Rümer 
die  auf  dem  Scheffel  (modiiis)  aufgehäuften  Getreidekörner  hinweg- 
strichen, und  dass  Volcius  dadurch  als  ein  Getreidehändler  (mercator 
fnimentarias)  kenntlich  gemacht  würde. 

Der  angebliche  Stab  ist  nämlich  nichts  anderes,  als  ein  breites 
Lineal,  wie  es  die  Bautechniker  und  sonstigen  Werkleute  benutzen. 
Hierzu  stimmt,  dass  der  abgebildete  Mann  in  der  gesenkten  Rechten 
ein  dreieckiges  gewöhnliches  Winkelmaass  hält,  welnhes  übrigens  auch 
Creuzer  als  Maasswerkzeug  erkannt  hatte,  wie  er  denn  in  Folge 
dessen  glaubte,  <ler  Verstorbene  hätte  zwei  Geschäfte  in  einer  Person 
vereinigt,  er  sei  nicht  nur  Kaufmann,  sondern  auch  zugleich  Architekt 
(mensor  aediticiorum)  gewesen. 

Durch  die  beiden  Messinstniniente  war  der  Stand  tles  Mannes 
genugsam  angedeutet  und  brauchte  daher  insdiriftlich  nicht  noch  einmal 
erwähnt  zu  werden,  was  bei  den  Baumeistern  überhaupt  selten  ge- 
schieht Dass  aber  blos  eine  solche  beim  Bauwesen  hetheiligtc  Persön- 
lichkeit vorliegt,  die  nicht  zugleich  auch  Kaufmann  war,  steht  ganz 
ausser  Frage.  Auch  geht  aus  der  ganzen  Fassung  der  Grabschrift, 
der  blosen  Angabe  der  I^bensjahre:  AN(norumJ  XXXX  (während 
keinerlei  militärische  Stellung,  Dienstalter,  Truppentheil,  Heiniath- 
bezeichnung  etc.  genannt  sind),  sowie  aus  der  bildlichen  Darstellung 
unzweifelhaft  hervor,  dass  der  Verstorbene  dem  Civilstande  angehörte. 
Seinem  Gentil-Nanien  nach,  vor  dem  wie  so  oft  das  praenomen  weg- 
gelassen ist,  weil  das  cogiiomen  in  späteren  Zeiten  als  Tersonalnarae 
betrachtet  wurde,  war  er  römischer  Bürger.  Hieraus  folgt  natürlich 
nicht,  dass  er  auch  Römer  von  Geburt  gewesen  wäre,  wie  denn  z.  B, 
der  deutsche  Nationallield  Anninius  ebenfalls  einen  aus  einem  fremden, 
germanischen  Namen  gebildeten  römischen  Gentilnamen  führte. 

Deutsch  ist  nun  aber  der  Name  Volcius  sicher  nicht,  und  die  von 
einigen  Editoren  unserer  Inschrift  ausgesprochene  Meinung,  es  sei  der 
heutige  Familienname  Vulz  (eine  blosse  Abkürzung  des  altdeutschen 
B'olkmar),.  ist  geradezu  lächerlich  falsch. 

Volcius  kann  dagegen  allerdings  ebenso  wie  der  mit  fast  dem- 
selben Suffixe  gebildete  Gentilnamen  Volceius  zu  Rom  (W  i  Imanns  1506) 
ein  römischer  sein,  wie  denn  entweder  der  Volksname  der  Volsci  mit 
Verlust  des   iolauteuden   s  oder   aber   die  Stadt  Volceja  oder  Volceji 


66 


Inschriftliches  aus  Heidelberg. 


(Bewohner  V'olcentes  und  Volceiani)  auch  Bucinum  genannt,  jetxt 
Buccioo  im  Neapolitanischen  zur  Basis  dieser  Geschlechtsnaraen  gedient 
haben  könnte.  Dieselben  scheinen  nun  aber  auch  eines  Stammes  m 
sein  mit  anderen  römischen  Gentilnamen,  wie  Volcasius  oder  Volcacius 
("Wilmanns  Nr.  2103  u.  2503)  und  Volcatius.  Hierzu  kann  man 
lateinisch  volcisci  =  ulcisci  „rächen,  bestrafen"  vergleichen  (Vanicek  901) 
oder  auch  ulcus  „Geschwür"  entstanden  aus  volcus  (ib.  908;  Fick  I, 
778;  II,  237).  Weiter  ab  liegt  der  Feuergott  Volcanus,  erst  späte^ 
Vulcanus,  welchen  Fick,  vergl.  W.  B.  3.  AuÜ.  I,  p.  213  u.  772,  n,  237  vo™ 
Wurzel  VAR,  VAL,  „warm  sein,  wallen"  ableitet;  dagegen  von  VARK 
„glänzen"  Vanicek  918.  Andererseits  weisen  jene  Namen  wieder  auf 
keltischen  Ursprung.  Sicher  ist  dies  <ler  Fall  bei  dem  Namen  des 
gallisclien  Volkes  der  Volcae,  sowie  bei  dem  Personennamen  Catu-volcus 
(zusammengesetzt  mit  dem  gallischen  catu  „pugna",  vergl.  Fick  I, 
548  und  545).  Aus  dem  einfachen  Volcus  kann  aber  mittelst  dei 
lateinischen  Gentilsuffixe  das  Gentile  Volcius  gebildet  sein. 

Dass  eine  Menge  Namen  der  römischen  Nomenklatur  aus  de 
Keltischen  stammen,  namentlich  solche,  die  in  den  cisalpinischc 
Gegenden  entstanden  sind,  ist  eine  bekannte  Erscheinung.  Hierher' 
gehören  z.  B.  Galba  (vergl,  hierüber  Fick  I,  p.  568  u.  II,  p.  798), 
sodann  Plinius,  Livius,  wohl  auch  Virgilius,  Lucallus  u.  andere. 
Ebenso  kann  das  römische  praenomen  Lucius  mit  seiner  doppelten 
griechischen  Transcription  Lnkios  und  Leukios  zunächst  ebenso  gu^ 
keltischer  Abkunft  sein,  wie  lateinischer,  in  letzter  Linie  jedenfalls  abc 
der  allgemein  arischen  (indoeuropäischen)  Wurzel  RüK,  später 
europäischem  Boden  luk  (leuchten,  scheinen,  schimmern)  entsprossen, 
woher  auch  lateinisch  lüceo,  lux;  griechisch  leukas  und  lychnos  (Fick  I, 
199,  756;  U,  225,  456,654;  III,  274—275;  Vanicek  816-819).  Auf 
dieselbe  Wurzel  geht  vielleicht  auch  der  auf  unserer  Inschrift  erschei- 
nende, zunächst  wohl  ebenfalls  keltische  Gentilname  Luteia  zurücluH 
wenn  man  annimmt,  dass  derselbe  aus  einem  nrspriinglichen  Lucoteia/H 
Lucteia  zusammengezogen  ist ,  wie  Lugdunum  aus  Lugodunum ,  das 
übrigens  einem  andern  Wortstamme  angehört  (keltisch  lugu  —  »minor", 
Fick  I,  750,  U,  217). 

Jene  Annahme  würde  sich  gründen  auf  den  Wechsel  der  Formen 
im  Ortsnamen  Lutetia  Parisiorum,  auch  Lutecia  geschrieben,  mit  Luco- 
tecia  (Lucotetia). 

Mit  Bezugnahme  hierauf  handelt  ausführlich  aber  die  gaHisclien 
Namen  des  Stammes  LUC  Mowat  in  der  Revue  Arcb^ul.  von  187i 


innohriftliohea  aus  Heideiberg. 


FÄvrier,  p.  101  sq.,  während  Franz  Stark  schon  früher  in  seinen 
keltischen  Forscliungen  (Wiener  Sitzungsberichte,  Jahrgang  1869,  Jufi, 
p.  241)  eine  kleinere  Sammlung  derselben  veranstaltet  hatte.  Es  geht 
daraus  hervor,  dass  Lucius  nicht  allein  als  römischer  Vornamen,  son- 
dern auch  als  gallischer  Pei-sonalname  (cognomen)  und  als  Einzelname 
von  Töpfeni  ii.  dergl.  verwandt  wurde. 

An  gleicher  Stelle  nun  bringt  Franz  Stark  auch  keltische 
Namen  anderen  Stammes,  so  Lotacus,  Lutacus,  und  stellt  dazu  auch 
den  bekannten  römischen  Gentilnamen  Lutatius,  der  schon  im  Livius 
vorkommt  (bei  Wihiianns  kommt  derselbe  nicht  allein  wie  gevköhnlich 
als  Gentile  vor,  so  Nr.  176,  sondern  auch  als  cognomen,  Nr.  884. 

Eine  solche  Annahme  ist  aber  sehr  gewagt,  da  ein  Stamm  lut 
sich  nicht  allein  im  Keltischen,  sondern  auch  im  Griechischen  und 
Lateinischen  nachweisen  lässt,  so  in  lat.  lotus  „das  Waschen",  hilus, 
Iftutus  „gewaschen"  (vergl.  Curtins,  „Griech.  Etymologie",  4.  Aufl., 
p.  371;  Fick,  3.  Aufl.,  II,  223—224).  Derselbe  kommt  von  Wurzel 
LU  „spülen,  wa.schen";  Vanicek  849.  Hierauf  ist  aber  auch  das 
lateinische  lutuni  (Schmutz)  zurückzuführen,  das  wieder  mit  dem  alt- 
irischen loth  (Sumpf,  Kotb)  übereinstimmt  (Fick  I,  75G).  Letzteres 
würde  man  heranzuziehen  haben,  wenn  die  angeblichen  matres  Lutatiae 
Suebae  einer  verlorenen  niederrheinischen  Inschrift  (Brarabach  95)  sich 
wirklich  als  Lokalgottheitcn  erweisen  Hessen,  die  ihre  Namen  einer 
Oertlichkett  zu  verdanken  hätten. 

Die  gallische  Stadt  Luteva  und  das  britannische  Lutudarum  sind 
aber  offenbar  kelti.sch  und  doch  wohl  eines  Stammes  mit  Lutetia. 

Neben  Lucotecia  könnte  ja  der  Name  Lutetia  Parisiorum  davon 
unabhängig  gegolten  haben,  so  dass  die  beiden  in  verschiedener  Zeit 
oder  für  verschiedene  Theüe  desselben  Ortes  gebraucht  worden  wären. 

Wird  doch  auch  in  Spanien,  in  der  Nähe  von  Numantia,  eine 
Stadt  Lutia  genannt,  von  der  man  mit  Unrecht  angenommen  hat,  sie 
sei  mit  einer  anderen  der  dortigen  Gegend  Voluce  identisch.- 

In  Bezug  auf  die  letztere  nimmt  Philipps  ,die  Wohnsitze  der 
Kelten"  (in  den  Wiener  Sitzungsberichten,  Juli  1872)  S.  734  und  745 
an,  ihr  Name  sei  iberisch,  allein  man  könnte  ihn  auch  als  keltisch 
betrachten  und  den  Namen  der  gallischen  Volcae  hiernach  aus  Volucae 
contrahirt  denken,  also  etwa  zu  Wurzel  VAL  „sich  bewege» „  (in  lat. 
volare,  volurer)  stellen  (Vanicek  936)  oder  zum  europäischen  Stamme 
val,  vol  „wollen"  (vergl.  Vanicek  889;  Curtius,  Griech.  Etymo- 
logie, 4.  Aurt.,  p.  539;  Fick,  3.  Aufl.  I,  777;  U,  247). 


68 


Tnschriftliohes  aus  Heidelberg. 


Näher  liegt  aber  doch  die  europäische  Wurzel  valg  „netzen*,  die 
auch  in  den  neukeltischen  Sprachen  lebt  (Fick  I,  778),  desgleichen  im 
Germanischen  (hier  in  der  Grundform  valk  „feuchten,  nässen"  ib.  III, 
208).  Es  sind  nbrigens  noch  weitere  Vergleichungen  möglich,  wie  mit 
der  Wurzel  valk,  velk  „reissen,  ziehen"  (ib.  I,  778:  Vanicek  905), 
wovon  das  ureiirnpäische  valka  „Wolf"  abgeleitet  ist  (ib.  908;  Fick  1, 773). 
Oder  wären  Volcae  =  veloces?  (irisch  folg  „schnell")- 

Was  nun  weiter  das  obige  Lutia  betrifft,  so  hält  dies  Philipps 
gleichfalls  für  einen  iberischen  Städtenamfn .  obgleich  sich  auch  dieser 
wieder,  wie  wir  gesehen  haben,  keltisch  erklären  Hesse. 

Für  keltische  Namen  des  Stammes  Lut  könnte  man  aber  ver- 
sucht sein,  noch  eine  andere  Etymologie  aufzustellen,  wonach  sie  ein 
anlautendes  C  eingebüsst  hätten,  also  eigeutlicfi  zum  Stamme  Kluto 
gehörten  („gehört,  berühmt'*,  part,  pf.  pa.«js.  von  klu  „hören").  Allein 
dieser  letztere  ist  selbst  schon  si»  häufig  in  altkeltischen  Personen- 
namen, sowie  noch  als  Wortstamm  in  den  iieukeltisrhi-n  Sprachen  vor- 
handen (so  in  kyniriüch  clot  „gloria'\  altirisch  cloth  „berühmt"),  dass 
an  einen  solchen  Abfall  des  C  in  so  früher  Zeit  nicht  wohl  zu  denken 
ist,  wenn  es  auch  vielleicht  auf  lateinischem  Boden  gegenüber  cluere 
(hören)  im  Stamme  laud-  (Lob)  geschehen  sein  sollte.  (?)  (Vergl. 
Curtiits  ib.  p.  150,  Nr.  (32;  Bacmeister,  „keltische  Briefe",  S.  7; 
Fick  I.  62,  552-554;  U,  71  u.  801;  in,  89;  Vanicek  172). 

Im  Deutschen  hat  dieselbe  arische  Wurzel  KRV,  in  den  euro- 
päischen Einzelsprachen  KLV  (^.fhören'*)  ihren  Anlaut  jedenfalls  erst 
in  später  Zeit  verloren,  vergl.  altdeutsch  lilüt,  jetzt  ,,laut"  und  den  In 
zahllosen  deutschen  Personennamen  vorkommenden  Stamm  hlud,  bei 
den  allen  Franken  chlod  (beriihnit,  Ruhm),  jetxt  in  Namen,  wie  Ludolf. 
Ludewig,  ohne  den  alten  Anlaut,  gerade  wie  in  den  wohl  gleichfalls 
hierher  gehörigen,  gleichbedeutenden  Eigennamen,  wie  Rudolf  von 
einem  alten  hruod  (Ruhm,  Sieg),  ein  Wurt,  das  auf  ein  altgermani- 
sches hrötha  zurückgeht  (Fick  1,  41  und  III,  85,  hält  es  dagegen  für 
andern  Stammes). 

Die  entsprechenden  keltischen  Namen  sind  sowohl  von  Philipps 
in  den  Wiener  Sitzungsberichten,  Jahrgang  1872,  S.  75G,  zusammen- 
gestellt, wie  vorher  schon  von  Franz  Stark  an  gleicher  Stelle,  d.h. 
Juli  1869,  S.  225—226. 

Es  Sinti  solche  wie  Cloutius,  Clotius,  Clutius,  Clutamus  etc.  — 
Wenn  darunter  nun  auch  ein  I^utios  Clntarai  f.  vorkommt,  so  ist  klar, 
dass  beide  nicht   wohl  von  demselben  Stamme  sein  können,  dass  mit 


Inschriftlicbcs  aus  Heidelberg.  69 

aadern  Worten  Loutios  keiu  anlautendes  C  verloren  haben  kann,  während 
es  bei  Clutanius  erhalten  ist.  Das  mit  dem  lateinischen  lautus  im  Sinne 
von  „prächtig,  ansehnlicli,  voniehm"  au  vergleichende  keltische  Loutios 
und  Cloutius  sind  also  höchstwahrscheinlich  stanimhaft  verschieden,  wie 
dies  anderseits  auch  mit  Lutetia  und  Lucotecia  der  Fall  zu  sein  scheint. 

Betrachten  wir  nun  nochmals  die  Wurzel  LVC  dieses  letztere»  Orts- 
namens, so  könnte  man  auch  an  ein  dem  lateinischen  Worte  locus 
(Wald,  Ilftin),  altlateinisch  loucos,  entsprechendes  keltis<;hes  Wort 
denke»,  wozu  dann  auch  das  keltische  Volk  der  Lucenscs  oder  Lukensii 
in  Spanien  (Philipps,  S.  713  u.  714)  u.  Anderes  zu  nehmen  wäre. 

Das  russische  lug,  böhmische  luh  „Waldwiese,  Busch  wiese"  ge- 
hören wohl  auch  hierher.  Da  dieser  Stamm  auch  im  Deutschen  vor- 
handen ist  und  entlehnte  Wörter  in  früherer  Periode  seltener  vor- 
kommen, so  ist  Urverwandtschaft  aller  dieser  Wörter  anzunehmen. 
Man  kann  daher  das  lateinische  lücns  nicht  als  ein  Er/cugniss  specitisch 
gräko-italiacher  Sprachentwickelung  ansehen,  wie  dies  Ortmann  thut  in 
der  Zeitschrift  für  Gymnasialwescn,  Mai  1878,  S.  308,  in  einem  Aufsatze 
„zu  Tacitus  Germania''.  Die  Bedeutung  von  altdeutsch  „der  loch"  ist 
nämlich  die  von  Buschwald,  niedrigem  Gehölz,  Hain,  und  dies  stimmt 
auch  in  Bezug  aul"  die  Quantität  vollkommen  zu  lateinisch  liicus.  Das- 
sdbe  ist  auch  der  Fall  bei  mittelhochdeutsch  „die  lä'^  oder  „16"  Sumpf- 
wiese, ein  Wort,  das  die  ursprüngliche  Bedeutung  der  allen  diesen 
Ausdrücken  zu  Grunde  liegenden  Wurzel  beibehalten  zu  haben  scheint. 
Auch  das  erwähnte  lateinische  Wort  könnte  ursprünglich  eine  feuchte 
Bodenstelle,  uiit  Gebüsch  bew;kchsen,  bezeichnet  haben.  Ist  doch  schwä- 
bisch Lauch  =  fliessendes  Wasser  (Birlingers  „Alemannia"  VI,  1). 

Nach  Ort  mann  wäre  lucus  ein  massiger  Bcstaiui  von  dicht- 
stehenden hohen  Bäumeo,  die  nur  ein  Halblicht  durchscheinen  la.ssen, 
ohne  Unterholz  (?).  Das  Wort  hänge  zusammen  mit  liiccre,  nur  nicht 
in  der  von  Festus  überlieferten  Weise:  lucus  a  non  lucendo.  Zum 
Vergleich  böten  sich  das  griechische  amphilyke  nyx  und  lyktiphös» 
sowie  das  im  lex.  Piaton.  von  Timaeus  überlieferte  Uyr^.  Darnach  be- 
zeichne die  Wurzel  lue  ursprünglich  das  Halbdunkel  oder  das  Dämmer- 
licht (1!),  lücus  (dessen  Quantität  von  Ortmano  übrigens  gar  nicht 
beachtet  wirdj  wäre  eine  Specialisjrung  des  Begritles  silva,  und  immer 
sei  das  Schaurige,  Dunkle,  Geheimnissvolle  ein  wesentliches  Merkmai 
des  Begriffes  lucus. 

Den  Gegensatz  dazu  bilde  gleichsam  das  Wort  nemus  [— nemos, 
ein  gräko-italisches  Wort,  nach  Laut  und  BegritI  bekanntlich  eigentlich 


70 


loBchriftliches  auB  Heidelberg. 


die  Waldtrift,  von  Bäumen  beschatteter,  grasreicher  Boden,  vergl. 
Vanicek  4:^3,  Curtiua,  4.  Aufl.,  S.  314—],  dem  das  Heitere,  Freund- 
liche, Liebliche  anhafte,  auch  wo  seine  ursprünghche  Bedeutung  nicht 
festgehalten  werde.  Bilde  dies  einerseits  sein  unterscheidendes  Merkmal 
von  liicus,  so  unterschieden  sich  beide  Ausdrücke,  eben  wegen  der 
erwähnten  wesentlichen  Merkmale  der  Begriffe  (die  etwas  das  Gemüth 
Ansprechendes,  Poetisches  hätten  und  im  deutschen  „Ilain"  zusammen- 
träfen) anderseits  von  silva  und  saltus. 

Gegen  diese  Ausführung  Ortmann's  ist  nun  aber  vor  allen 
Dingen  zu  erinnern,  dass  das  Wort  Idcus,  wie  wir  gesehen  haben,  rein 
arischen  Ursprungs  ist,  d.  h.  der  vor  der  Absonderung  des  gräko- 
italischen  Volksstaroraes  bereits  vorhanden  gewesenen,  gemeinsamen 
arischen  Ursprache  und  Cultur  angehört. 

Die  Ergebnisse  sprachwissenschaftlicher  Forschungen  bestätigen 
daher  solche  aus  arischen  (indoeuropäischen)  Kinzelsprachcu  gezogenen 
Schlüsse  keineswegs.  Die  Bedeutung  einer  Sprachwurzcl  ist  nur  aus 
der  Vergleichung  der  in  diesen  verschiedenen  Einzelsprachen  vorkom- 
menden, von  derselben  Wurzel  abgeleiteten  Wörter  zu  erschlieasen. 

Es  ist  deshalb  eine  unerklärliche  Thatsache,  dass  eine  grosse 
Mehrzahl  von  klassischen  Philologen  lediglich  den  grako-italischen 
Volksstamra  in  das  Bereich  ihrer  etymologischen  Betrachtungen  zieht, 
der  doch,  wie  die  übrigen  europäischen  HauptcuUurstämme,  arischen 
(indoeuropäischen)  Ursprungs  ist  und  sich  von  ihnen  nur  als  selbst- 
ständiges Glied  getrennt  hat,  aber  sonst  in  keiner  Weise  Originalität 
der  Abstammung  beanspruchen  kann.  Der  gemeinsame  Ausgangspunkt, 
die  Heimath  aller  dieser  Völker,  war  ja  das  Hochplateau  von  Mittel- 
asien, wie  mit  Hülfe  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft  längst  fest- 
gestellt worden  ist.  Von  hier  aus,  wo  sie  ein  ungetheiltes  Ganze  ge- 
bildet hatten,  breiteten  sie  sich  erst  nach  Europa  aus,  um  sich  dort 
allmählich  als  neue  Typen,  d.  h.  als  Sondervölker  auszubilden.- 

Im  asiatischen  Stammlande  herrschte  .anfangs  nur  eine  gemeinsame 
arische  Ursprache  unter  dem  arischen  Urvolke,  die  sich  aber  schon 
vor  der  Absonderung  und  Ausscheidung  einzelner  Stämme  in  Dialekte 
schied,  aus  welchen  sich  dann  beim  Betreten  des  europäischen  Bodens 
die  Einzelsprachen,  je  nach  der  Folge  der  Ausscheidung  selbstständig 
und  eigenartig  entwickelten. 

Es  ist  im  Allgemeinen  anzunehmen,  dass,  je  näher  sich  räumlich 
die  Stätten  der  ersten  Niederlassungen  der  einzelnen  europäischen 
Culturstamme  an  dem  asiatischen  Stammlande  befinden,  und  je  später 


Imchriftliohes  aua  Ueidelberg. 


71 


ihre  eigene  historische  Entwickelung  fällt,  um  so  mehr  Ursprüngliches 
zeigen  ihre  Spruchen  in  ihrem  Bau  unil  Wortvorrathe.  Die  frühesten 
arischen  Ansiedler  sind  aber  im  mittleren  Europa  wohl  die  Kelten 
gewesen,  die  auch  am  weitesten  nach  Westen  vorgedrungen  sind. 

Diese  Andeutungen  mögen  hier  genügen  um  die  gänzliche  ünhalt- 
barkeit  einer  isolirenden  Behandlungsweise  auf  dem  Gebiete  der  beiden 
sogenannten  klassischen  Sprachen  zu  zeigen,  wie  sie  die  Philologie  im 
Gegensatz  xur  Linguistik  versucht.  Kehren  wir  nun  zurück  zu  unserer 
Frage  bezüglich  der  Herkunft  und  Bedeutung  des  lateinischen  Wortes 
loaco-s,  Bpäter  Kicus  (Hain),  so  finden  wir  seinen  nächsten  Verwandten, 
wie  oben  gesagt  wurde,  im  deutschen 'der  loch' (Gebüsch),  sodann  aber 
vorzüglich  im  litauischen  laukas  (gleichfalls  masc.)  „Feld,  Acker",  auch 
„das  Freie  im  Gegensatz  des  Hauses".  Aber  auch  auf  arischem  Boden 
begegnet  uns  derselbe  Stamm  im  sanskr.  löka  (masc.)  „Ort,  freier 
Raum,  das  Freie,  Raum  überhaupt,  daher  später  auch  Welt,  Leben", 
Fick  I',  199  —  200  setzt  daher  ein  indoeuropäisches  mascul.  rauka, 
später  zu  lauka  entwickelt,  in  der  Bedeutung  von  freier  Kaum.  Lich- 
tung, Ausblick,  lichtes  Gehölz,  Hain  an,  das  er  zu  einer  Wurzel  rauk, 
spater  lauk  'sehen,  schauen,  erblicken,  gewahr  werden*  stellt,  die 
freilich  eine  Weiterbildung  aus  der  Urwurzel  HUK  'leuchten*  ist,  ohne 
dasa  die  letztere  aber  die  BegriffsbJldung  der  aus  lauk  (sanskrit.  lok 
'videre,  aspicere,  intueri')  beeinflusst  haben  könnte.  Also  liicus  non  a 
lücendo,  jedenfalls  nur  in  ganz  übertragener,  indirekter  Weise!  Im 
Eranischen,  sowie  im  Griechischen  fehlt  der  Stamm,  im  Keltischen  ist 
er  aber  wohl  vorhanden  in  kymrisch  llwch  (masc-)*See,  Sumpf,  Bucht, 
Graben',  bretonisch  louch  'Meerbusen',  die  auf  ein  altes  lue  zurück- 
zugehen scheinen,  was  in  mehreren  Städtenainen  in  Gallien  und  Spa- 
nien als  LÜCU3  vorkommt,  auch  zusammengesetzt  z.  B.  in  Penni-  Penne- 
oder Penuolucus  am  Genfer^see  (jetzt  Villeoeuve). 

Hierzu  stimmt  nun  aber  wieder  nicht  der  kurze  Vokal  in  altirisch 
(schottisch)  loch  ,,See",  was  vielmehr  dem  latein.  läcus  lautlich  wie 
begrifflich  entspricht.  (Vergl.  Curtius  *  p,  159  Nr.  80;  Vanicek  824; 
Fick  P,  748,  II,  216.)  Auch  altdeutsch  lacha  (i^Lachc,  Pfütze,  Erd- 
vertiefung mit  stehender  Flüssigkeit«),  das  mit  lat.  l&cus  urverwandt 
sein  könnte,  wenn  es  kein  Lehnwort  daraus  ist,  sowie  das  germanische 
lagu  'Nass,  Meer"  (vergl.  Fick  III,  262)  berühren  sich  nicht  mit  jenem 
altkeltischen  hic-.  Wohl  aber  schwäbisch  Lauch,  Loch  „Wasscrlanf". 
Vielleicht  aber  ist  hiermit  das  schon  erwähnte  mittelhochdeutsche 
die  la  oder  16 'Sumpfwiese'  und  wohl  auch  daz  16  (gen.  löwes)  „Gerber- 


TS 


loechrirtliches  aus  Heidelberg. 


lohe"  (abgelöste  Pflanzentheile),  sodann  slavisch  lach  «Moiir«,  sowie 
lat.  lücus  zu  vergleichen.  Wie  dem  auch  sei,  die  ursprüngliche  Be- 
deutang  dieses  letzteren  muss  »freies  Feldu  gewesen  sein,  die  sieb 
allerdings  aus  dem  Begriff  ».\usblicku  entwickelt  haben  kann,  wie  dies 
auch  Vanicek  p.  818  zugibt'). 

Die  Begriü't?bildung  des  mit  dem  lateinischen  Worte  formell  über- 
einstimmenden keltischen  Wortes  loucos,  spSter  lücus  (in  keltischen 
Ortsnamen),  wenn  wir  als  Bedeutung  des.selben  See,  Sumpf  annehmen, 
kann  nun  die  gewesen  sein^  dass  sich  <Ier  ursprüngliche  Begriif  von 
freiem  Feld,  insofern  dasselbe  feucht  war,  zu  dem  von  sumpfiger  Boden- 
stelle entwickelte;  man  kann  aber  auch  an  eine  direktere  Herkunft 
aus  der  Wurzel  luk  »ileuchten«  denken  und  zwar  ist»  wie  uns  scheint, 
der  leuchtende,  schimraernde  Wasserspiegel  die  Ursache  der  Benennung 
gewesen.  Hat  doch  auch  Cor ssen  in  derselben  Weise  das  allgemeine 
europäische  Wort  mari  (=  lat,  mare)  zu  der  Wurzel  MAR  'tlimmern, 
glänzen' (F ick  I,  719)  gestellt,  nicht  wie  Curtius*  p.  333  und  Fick  I, 
717  zu  Wurzel  MAR  'sterben'  als  «todtes«  Wasser, 

Das  Resultat  dieser  Untersuchung  dQrfte  nun  dies  sein,  dass  im 
Altkeltischen  eine  Stammform  louco  in  doppelter  Bedeutung  bestand, 
einmal  in  der  so  eben  be.-iprochenen  übertragenen,  sodann  aber  auch 
in  einer  ursprflnglichen  direkt  von  der  Wurzel  luk  'leuchten'  abge- 
leiteten. Die  letztere  Bedeutung  tritt  auf  in  einigen  altkeltischen 
Adjektiven  loucios,  loucetios,  loucotios,  lucotios,  lucoticnos,  leucuUos, 
die  als  Eigennamen  von  Personen  und  in  Ortsnamen  vorkommen,  be- 
sonders aber  als  epitheta  des  keltischen  Mars*). 


1)  Seiner  Bedeutung  nach  könnte  zwar  auch  das  lateiniBche  IScua,  wie 
Bopp  in  der  Thal  versucht,  hierher  gestellt  werden,  seino  altlateiniecho  Form 
Btlocas  widerstrebt  aber  (Curtius.  p.  211;  Vanicek  1149).  Gänzlich  unsicher 
ist  es  aber  anderseits  wieder  dieses  Wort  dem  ariscb-etiropäiscben  Stammworte 
stara,  später  sUla  >Ot,  Stellet  zuzutheilen,  wie  Fick  I,  246  und  821;  11,274  tbut. 

2)  Mars  Leucetius  oder  Loucetius  bei  Brambach  929  u.  930  auy  Marien- 
boro;  sodann  ebenfalls  aus  der  Gegend  von  Mainz  ib.  925  (=  Becker,  Mainzer 
Museum  105);  desgl.  ib.  1540.  Aber  auch  bei  Brambach  1790,  auf  einer  von 
uns  verglichenen  Inschrift  ist  derselbe  Mars  zu  verstehen,  wenn  er  auch  nicht 
aasdrücklich  als  solcher  genannt  ist.  Er  ist  indessen  daselbst  mit  der  Lokal- 
göttln  der  Nemetcr  und  Trierer,  mit  Nemetona  gepaart,  wie  auf  einer  Inschrift 
zu  Bath  in  England ,  die  von  einem  »oivia  Trever«  Namens  Peregri  nus  Secundi 
fil.  gewidmet  ist.  Vergl.  Revtie  Archeol.  1878,  p.  103  und  C.  Inscr.  Lat.  VII, 
Nr.  37.  Eine  Inschrift  aus  Piemont  ist  gewidmet  dem  tdeo  Marti  Leucimalaoo« 
(Mowat  Revue  Arch.  1.  c.,  p.  105). 


loBchriftliohoB  aui  Heidelberg. 


78 


Mowat  vergleicht  die  Bedeutung  derselben  mit  dem  Mars  Albiorix 
und  der  Göttin  Albiorica  (vuii  einem  keltisch-lateinischcu  Worte  albus 
»weiss«  und  keltisch  rix,  rica  =  lat.  rfix,  rßgina;  vergl.  Fick  II,  213). 

Ebenso  stellt  er  ein  Ex-voto  hierher,  worauf  sich  die  Widmung 
befindet  'deo  Borvoni  et  Candido'.  Ueber  den  Gott  Borvo  oder  auch 
Bormo,  der  oft  mit  Ai)0llo  identifidrt  wird,  hat  bereits  J.  Becker 
gehandelt  im  Frankfurter  Archiv  von  1805.  Seine  Auffassung  als 
Sonnengott  erklärt  die  Zusammenstellung  mit  einem  Gottc,  dessen 
Name  «Candidus«  die  lateinische  Uebertragung  des  keltischen  Loucetios 
oder  Leucetius  zusein  scheint.  Dieser  Name  ist  nun  aber  wieder  mittelst 
des  Sutfiies  -et  abgeleitet  aus  dem  thenia  louco,  dessen  Nebenform 
leuco  ist,  mit  dem  bekannten  Wechsel  der  ae<iuivalcnten  altkcltischen 
Diphthonge  ou  und  eu. 

Das  einfache  keltische  Adjektiv  Icucos  mit  der  wahrscheinlichen 
Bedeutung  »weiss,  glänzend*«  liegt  vor  im  Namen  eines  gallischen 
Flusses  und  im  Volksnamen  der  gallischen  Leuci,  die  nach  Mowat 
von  der  weissen  Farbe  eines  Theiles  ihrer  Kleidung  genannt  waren. 
Dieselbe  Bedeutung  kam  nun  aber  wie  gesagt  auch  dem  hieraus  abge- 
leiteten Namen  des  Mars  Loucetius  zu,  der  sich  wieder,  was  höchst 
bemerkenswert!!  ist,  formell  mit  dem  römischen  Jupiter  Lucctius 
(oder  Leucesius)  und  mit  der  Juno  Lucetia  deckt  (die  etymologisch 
und  begrifflich  mit  der  Juno  Lucina  (archaisch  Loucina)  überein- 
stimmt. Mit  Recht  bemerkt  Mowat,  wir  hätten  hier  das  interessante 
Beispiel  eines  Wortes,  dessen  Bildung  durch  das  Lateinische  wie  durch 
das  Keltische,  unabhängig  von  einander,  mit  gemeinsamen  linguistischen 
Mitteln  vor  sich  gegangen  sei,  d.  h.  mit  gleicher  Wurzel  und  gleichem 
Suffix.  Wenn  nun  aber  Mowat  auch  den  Namen  von  Paris,  Lutetia, 
hierher  zieht,  das  eigentlich  Loucetia  in  ursprünglichster  Form  geheissen 
habe,  d.  h.  die  weisse  (benannt  vom  Baumaterial),  so  wurde  schon  oben 
dagegen  bemerkt,  dass  ein  selbständiger  Stamm  lut-  im  Keltischen 
nachweisbar  ist,  der  z.  B.  auch  im  Ortsnamen  Luteva  vorliegt.  Sicher 
keltisch  sind  daher  Namen  wie  Lutevus,  Lutullus  (Brambach  1845  u. 
1852)  und  wohl  auch  das  Geotile  Luttonius  (ib.  IJOo).  Lin  von  uns 
zu  Neuenheim  bei  Heidelberg  gefundener  Töpfersterapel  mit  dem  Namen 
LVTKVS  stimmt  freilich  vollkommen  mit  dem  lateinischen  Adjektiv 
Inteus  (»aus  Lehm  gemacht«)  oder  mit  dem  damit  nicht  verwandten 
lüteus  ('goldgelb*,  von  lütum  *gelbe  Farbe',  Gelbkraut)  überein.  (Nach 
Fick  I,  579,  580  u.  11,  83  stände  lütum  für  hliitum  =  hultum  von 
Wurzel  ghal  'grüngelb*.   VergL  auch  Vanicek  249.)    Der  Frauenname 


74 


Inschriftliches  aus  Ueidelberf^. 


LVTEIA  der  vorliegenden  Inschrift  scheint  dagegen  keltisch  za  sein,  be- 
sonders wenn  man  den  Umstand  in  Betracht  zieht,  dass  der  Vater 
derselben  den  ausgesprochen  keltischen  Namen  Carantus  trägt.  Auch 
ist  dieselbe  wie  die  nicht  römischen  Frauen  (und  Männer)  überhaupt 
mit  nur  einem  Namen  bezeichnet,  dem  dann  derjenige  des  Vaters  zur 
Beurkundung  der  Abstammung  beigefügt  ist.  Da  also  kein  cognomen 
folgt,  80  kann  auch  nicht  etwa  eingewandt  werden,  dass  Luteia  ein 
regelrecht  gebildeter  lateinischer  Gentilname  sei  mit  dem  Sufinxe  -eins, 
das  z.  ß.  auch  in  dem  Niuiien  des  C.  Vereins  Clemens  einer  von  uns 
niitgetheilten  neuen  Heidelberger  Inschrift  auftritt  und  von  gleicher 
Bedeutung  ist  wie  die  gewöhnlichere  gentilicische  Endung  -ius.  Zudem 
kennt  die  altkeltischc  Sprache  die  gleichen  ableiterischcn  Suffixe  EI, 
AI  u.  s.  w.,  wie  dies  in  grammatica  celtica,  ed.  II,  p.29  — 32,  sodann 
p.  764  u.  782  von  Zeuss  und  Ebel  nachgewiesen  wird. 

Wie  dem  nun  auch  sei,  so  müssen  wir  den  Namen  LVTEIA  hier 
für  sicher  annehmen,  wenn  auch  das  T  darin  in  Folge  seiner  nahen 
Stellung  bei  dem  vorausgehenden  V  und  einer  Unebenheit  des  Steines 
fast  ein  F  zu  sein  scheint.  (Jedenfalls  ist  es  aber  kein  E,  wofür  es 
Creuzer  ansah.)  Eine  offenbar  zufällige  Vertiefung  im  Steine  nach 
dem  L  kann  natürlich  nicht  als  Punkt  aufgefasst  werden,  da  die  Weiber 
in  der  Kaiserzeit  blos  Gentilnamen  nnd  cognomen  hatten,  oder,  wie  wir 
gesehen  haben  nur  das  letztere,   wenn   sie  keine  Römerinnen  waren  ')• 

Creuzer's  Lesung  L(ucia)  VERIA  oder  Viria  ist  aber  sonst 
auch  verkelirt,  denn  von  einem  R  ist  nirgends  eine  Spur  vorhanden, 
vielmehr  ist  der  betreffende  Buchstabe  ein  ganz  deutliches  E,  das  durch 
eine  kleine  Beschädigung  des  Steines  an  dieser  Stelle  in  nichts  ver- 
ändert wird.  Fickler  gar,  der  den  Aufbewahrungsort  des  Steines 
gar  nicht  kannte,  machte  aus  Creuzer's  Lesung  eine Luceria Carantia 
oder  Carantina  zurecht,  wozu  aber  die  Inschrift  selbst  nicht  die  ge- 
ringste Handhabe  bietet.  Nach  LVTEIA.  CARANTI,  wie  die  vierte 
Zeile  unzweifelhaft  lautet,  kann  aus  absolutem  Raummangel  kein  ein- 
ziger Buchstabe  mehr  gefolgt  sein.    Vielmehr  ist  einfach   das  Wort 


l)  Einzelne  Ausnahmen  hiervon,  deren  Wilnianns  II,  p.  403,  unter 
»praenomioa  muHcrnm  vel  coguomina  praescripta«  erwähnt,  wie  z.  B'  Prima. 
Paulla  können  aber  Belbstvcrständlich  hier  nicTil  iu  Betracht  kommen.  Ebenda 
pag.  404  werden  auch  einzelne  >libcrtae  nomine  servili  pro  praenomine  asae« 
aufgeführt,  z.  B.  Posilla  Senenia;  sodann  gleichfalls  aueuahinsweise  einige 
■Ub«riae  oognomine  careoten«,  denn  die  freigelassenen  Frauen  haben  gewöhnlich 
swei  Namen,  wie  die  Freigeborenen. 


loBchriftlicbes  aus  Heidelberg. 


75 


tilia  zu  ergänzon,  wie  in  so  vielen  FällcDj  wo  es  nicht  ausdrücklich 
durch  die  Sigle  F  bezeichnet  ist. 

Die  Dedikaotin  führt  aläo  wie  gesagt  nur  einen  Namen,  der 
daher  nicht  als  nomen  gentilicium  aufzufassen  ist,  sondern  als  Pcrso- 
nalname  (cognonien),  wie  z,  B,  auch  trotz  seiner  gentilicischen  Form 
der  Name  eines  Galliers  auf  einer  Mainzer  Inschrift  (Hang,  Mann- 
heimer Denksteine  Nr.  42),  Adbogius,  dessen  Abstammung  durch 
»Coinagi  filius«  angedeutet  wird  '). 

Diese  Art  der  Namengebung  steht  also  t.  B.  auf  einer  Linie  mit 
der  eines  weitern  zu  Mannheim  aufbewahrten  Grabsteines  (Haug  Nr.  56), 
worauf  eine  Frau  Aiassa  Siri  erscheint,  mithin  die  Tochter  eines  ge- 
wissen Sirus,  welcher  einen  keltischen  N'aiucn  geführt  haben  könnte 
(Fick  II,  259  hat  sir  »longEsw)>der  auf  einem  Mainzer  Grabsteine  bei 
Becker  Nr.  232  zusammengesetzt  vorkommt:  Blussus  Atusiri  filius. 
Allein  Sirus  ist  doch  eher  das  häufige  cognonien  Syrws  oder  ein  Gcntile 
Syrius,  womit  auch  der  Herr  derÄiassa,  statt  des  Vaters  gemeint  sein  kann. 
Die  Namen  des  betreffenden  Steins  stehen,  wie  wir  uns  überzeugten, 
alle  unzweifelhaft  fest  Der  weibliche  Name  Aiassa  wird  schon  durch  den 
raännlichcn  Aiasus  der  tabula  Vclcias  bei  Wilmanns  2845  gedeckt, 
der  von  dem  griechischen  Namen  Aiax,  Aias  (z.  B.  ib.  2844  vorkom- 
mend) abgeleitet  zu  sein  scheint.  Der  Mann  der  Tochter  oder  Sclavta 
des  Sirus  führt  den  Namen  Arruntio  Curturionis  [seil,  filius  oder  aber 
libertus  oder  servus];  der  Sohn  der  beiden  den  einfachen  Namen 
Clemens,  was  allerdings  auf  eine  Freigelassenen-  oder  eher  Sclaven- 
familie  deutet.  Die  Wörter  servus  und  libertus  werden  ja  öfters  aus- 
gelassen, so  z.B.  zu  Mainz  (Becker  Nr.  36)  Felicio  Secci,  d.  h.  Sclave 
oder  Freigelassener  des  Seccius.    (Vergl.  dazu  ib.  Nr.  244  —  246J  -'). 


1)  Eine  andere  zu  Maniiheim  befindliche  loBohrift,  die  wir  vohon  früher 
Biitgetheilt  haben  (vergl.  Haug,  Nr.  89),  lautet  dagogen  MERfourio?)  || 
OOMITIA  II  FACVND  ||  1NI(A}  PRO  |]  (se  et  suis),  also  Domitia  Facundinia,  wobei 
letsteres  trotz  geDtiticiBcber  Endung  cognom^n  ist,  wie  z.  U.  Ilaug,  Nr.  S3, 
lulia  Vcgeti  fllia  Mandia  steht;  oder  bei  Wilmanns  II,  p.  324  Domitia  Oslatia, 
Domitia  Grapia;  oder  in  Hühner^  epaniBcbom  Inschrirtcnwerk  Domitia  Attia  etc. 
Ebenda  aber  auch  Domitia  Nolaesi,  und  köunte  man  biernacii  auch  zu  Mannheim 
losen  Domitia  Faoundini  (seil  fiUa),  doch  scheinen  noch  Spuren  eines  A  zu  folgen. 

2)  Der  Name  Seccius  wird  auch  Seoius  geschrieben  und  acheint  lateinisch 
zusein,  abgeleitet  von  aecus,  urspriingüoh  >folgend«  (Vanic'^ek  981).  Dies  geht 
äbrigena  anf  eine  indoeuropäische  Wurzel  SAK  »folgern  zurück  (Fick  ^  I,  224 
u.  790),   wozu  auch  der   keltische  Name  Secco    zu  stellen  ist.    Man  konnte  zu 


76 


InschrifLliches  aus  Heidelberg. 


Dieser  Umstand  macht  es  oft  schwierig  zu  entscheiden,  ob  Sciavcn 
oder  freigeborene,  nichtiömische  Männer  oder  Frauen  gemeint  sind, 
da  beide  Classen  mit  nur  einem  einzigen  Namen  bezeichnet  werden. 
Aber  nicht  nur  wenn  dem  letzteren  ein  einfacher  Genitiv  ohne  beige- 
fügtes servus  oder  tiliiis  folgt,  wird  die  Entscheidung  dieser  Frage  oft 
schwer,  sondern  aucli  wenn  gar  nichts  folgt.  In  diesem  Falle  wird 
in  der  Regel  die  Art  des  Namens  zu  entscheiden  haben,  der  bei  Sclaven 
bekanntlich  vielfach  griechisch  oder  doch  sonst  characteristisch  ist. 

Eine  Sciavin  oder  Freigelassene  war  z.  B.  wohl  sicher  die  llomula, 
Gemahlin  eines  Firmius  Firminus  einer  Wiesbadener  Inschrift  (.Bram- 
bach  15U). 

In  andern  Fällen  ist  dies  ganz  ungewiss,  so  z.  B.  beim  Weiber- 
nanicn  I'crpertua  einer  Mainzer  Inschrift  (Becker  Nr.  2^),  oder  bei 
Bella  einer  solchen  aus  Gudesberg  (diese  Jahrbücher  XLIV— V  p.  81), 
indem  dieser  letztere  Name  nicht  allein  lateinisch  ist,  sondern  auch 
keltisch,  wie  der  Name  der  gallischen  Bellovaci  und  der  spanischen 
Belli  beweist.  Vergl.  auch  die  keltischen  Namen  Bellanco  Gimionis 
eines  Votivsteines  aus  Remagen,  zu  Mannheim  (Haug  Nr.  27); 
L.  Bellonius  Marcus  ebenda  aufbewahrt  (ib.  Nr.  10);  Bellius,  Suavig 
filius  zu  Spei  er  (Brambach  1765,  Ton  Ilaug  verbessert);  Belatulla 
(Brambach  1773,  nicht  aber  1775,  wie  im  index  cogn.  steht};  BelatuUus 
m  Mainz  (Becker  Nr.  82  u.  p,  102  Nr.  2G)  und  auf  Stempeln  aus 
Miltenberg  u.  s.  w.   Es  laufen  hier  verschiedene  Stämme  durcheinander: 

1)  lateinisch  bellum  (für  duellum),  wozu  der  Name  der  römischen 
Kriegsgöttiu  Bellona  gehört,  desgleichen  die  Bezeichnung  Bellius  (fQr 
duellius);  bellator  'Krieger',  fem.  bellatris  etc.  (vergl.  Vanicek  373). 

2)  lat.  bellusi  'hübsch,  schön*  aus  bonulus  entstanden  (ib.  875). 
H)  eine  indoeuropäische  Wurzel  BAL  »stark  sein»,  die  im  sanskr. 

bali  voilicgi,  äuvrie  wohl  auch  im  lateiu.  valere  (ib.  566).  Hierzu 
können  vielleicht  auch  die  keltischen  Namen  gestellt  werden.  Ein 
solcher  ist  auch  Bellutorix  (Brambach  1877,  nicht  1878,  wie  im  index 
siebt,  zusammengesetzt  mit  keltisch  rtx  (lat  r^xj.  Bellus,  der 
entsprediende  Männernaine  xu  Bella  auf  einem  Mainzer  Legions- 
stcinc  (Brambach  1302)  kann  natürlich,  wie  Freudenberg  an- 
nimmt, eben  so  gut  lateinisch  sein.  Sicher  keltisch  ist  dagegen 
wieder  der  Name  einer  Frau  Mcddil«  auf  einem  Grabsteine  aus  Neckar- 


diMem  Ntmen   über   auch   di«  Wanel   mk  ■ 
tioliQD  (vorgl,  Vnuiiick  999;  Ftck  11,  2h2). 


Ut«in.  seoare  »MhDeidea«  heran- 


Inschrifltlicliea  aua  Heidelberg. 


77 


gomünd  (Hang  85),  der  zu  dem  liekannten  keltischen  Namensstanime 
MEBÖ  gehört,  mit  sog.  gestrichcnein  keltischen  B  (vergl.  die  Revue 
Arcli6ol.  Fevrier  1878  p.  98),  während  Fiauenuamen  wie  Medella 
(bei  Wilraanns  177)  und  medulla  (ib.  2128)  lateinisch  sind,  vom 
Stamme  medio,  medi  —  woher  auch  das  Wort  medulla  eigentl.  das 
Innerste,  Mark,  sowie  der  Name  einer  albani.schen  Colonif  bei  Rom 
Medullia.  (Vergl.  Vanicek  ötl7;  Fickll,  106.)  Dies  inedio  ist  aber  auch 
keltisch,  daher  Medio-niatrici  „die  um  die  (elsässische)  Matra  wohnen". 

Wi'M'ter  wie  meditiiri  )ibedenken«i,  mcdi'Ti  'heilen',  medela  'Heil- 
mittel', medicus  'Hcilkünstler*  sind  aber  andern  Stammes.  Diese  ge- 
boren zu  einer  indoeuropäischen  Wurztd  madh  'klug  sein,  lernen,  heilen', 
die  auch  in  der  griechischen  Stammform  math  vorliegt  (vergl.  Vanicek 
665  u.  669;  Curttus''  \k  242  —  243  u.  p.  312  —  3i;i;  Fjck"  I,  107 
u.  714  —  715.  Hierher  sind  wohl  auch  die  obigen  keltischen  Namen 
des  Stammes  medh  oder  metth  zu.  stellen,  wenn  man  auch  an  indo- 
europäisches madhu,  medhu  'ein  süsses  Getränk'  denken  könnte 
(Curtius*  p.  260;   Fick  1,  711;   II,  190;    111,  242;    Vaaicek  694). 

Komnica  wir  nun  nach  diesen  Auseinandersetzungen  zurück  auf 
unsere  Luteia  Caranti  (nicht  Carantii,  denn  das  scheinbar  längere  I 
am  Ende  des  Wortes  beruht  auf  einer  Verletzung  des  Steines),  so 
ergibt  sich  aus  ihnen,  dass  wij-  die  letztere  nicht  sowohl  als  Sclavin 
oder  weibliche  Freigelassene  des  Carautus  zu  denken  hiiben,  sondern 
als  freigeborene  Tochter  eines  gallischen  Peregrineu.  Sein  Name 
Carautus  kommt  vielfach  auf  rhetnischeu  Inschriften  vor;  so  Branibach 
921,  1321  und  1769  =  Haug,  Mannheimer  Denkstein  55,  wo  eiu 
Quintus  (hier,  wie  sehr  häutig  cognomcn)  und  eine  Saturnina  als 
Kinder  eines  Carantus  erscheinen.  Desgleichen  nach  Art  unseres 
Volcius  obwohl  keltisch,  doch  als  römisches  Gentilc  verwandt  in  der 
Form  Carantius,  bei  Branibach  108,  713,  710,  1968  a,  1331  — 
Becker,  Mainzer  Museum  127;  aber  auch  anscheinend  als  oognomen 
in  dem  ganz  keltischen  Namen  Meddillius  Carantius  mit  seiner  Tochter 
daran tia  Ae  1 1 a  bei  B  r  a  m b  a  c  h  15 69  ' ). 


1)  Dieso  ftrabschrjft  zeigt  viole  Aehnlichkeit  mit  der  nchon  orwähnten,  aus 
Neckargemünd  (Haug  85),  weiche  ein  FORTIO  IlLIVS,  d.  b,  EliiiH  (AeliuB), 
deaseu  Namen  nach  unserer  •wiederholten  Vorgleichunjij  vollut&ndig  sicher  ist, 
dem  Petoatix  und  der  Mcddita  setzen. 

Hüljuer  apricht  Tiiin  zwar  in  der  Jeaaer  Literaturz«iiuog  1877,  Artikel  396, 
die  Vermutbaiig  aus,  hier  Htünde  gewiss  uur,  oder  wäre  gomcint,  »Fortis  tilins«, 
ftlleiii  dfi-  StPJD  zeigt  so  scharfe  uud  tief  eiugebaaede  Züge,  das»  au  obiger  Lesung 


78 


InschriflliclieB  aus  Heidelberg. 


Die  Mutter  führt  zwar  nur  den  einfachen  Namen  Victorina,  il 
Geschlechtsnanie  war  aber  wahrscheinlich  Aelia,  den  sich  die  Tochti 
nach-  statt  vorsetzte,  was  gegen  die  gowöhnliche  Regel,  in  späterer  Zeij 
dennoch  öfters  so  vorkommt,  wie  denn  auch  der  Gebrauch,  den  Gentil 
nameo  der  Mutter  statt  den  des  Vaters  anzunebraen  (z.  B.  Haug  Nr.  73j 
Auch   der  Vater  hiess    vielleicht   eigentlich   in  umgekehrter  Ordnung 
Carantius   (Gentile)  Meddillius  (cognomcn)}   seine  Frau,   wie   gesagt^! 
Aelia  Victorina  uud  die  Tochter  Aelia  Carantia.    In  jedem  Falle   i«^* 
aber  Carantia  als  cognomen   anzusehen,  entnommen   aus  dem    väter-_ 
liehen  Namen. 

Sonst  führt  die  älteste  Tochter  gewöhnlich  das  cognomen  der 
Mutter  (oder  auch  ein  daraus  gebildetes  Gentile,  wie  z.  B.  Becker 
Mainzer  Museum  22n).  Carantius  als  Gentile  kommt  auch  andern  Orts 
in  Keltenländern  vor,  so  »prope  Genavam«  (Wilmanns  1584).  Daraus 
entwickeln  sich  weiter  Carantinus  (im  Luxemburgischen)  und  hieraus 
wieder  ein  Gentile  Carantinius  zu  Mainz  (Brambach  1329:=  Wil- 
manns 2277  [nicht,  wie  es  im  iodcx  heisst  2272]  =  Becker  Mainzer 
Museum  86  und  ähalicbe  Sprossformen,  die  Becker  schon  in  den 
Nassauischen  Annalen  VII  S.  33  einem  keltischen  Stamme  CARAN"] 
zugewiesen  hat. 

Derselbe  ist  aber  wohl  nur  eine  Nasalirung  des  einfachen  Stamme 
CARAT,  der  in  keltischen  Namen  wie  Caratius  (Brambach  1862 
18(>3),  Caratacus  (ib.  1390),  CaratuUus  (1639)  u.  s.  w.  auftritt. 

Die  arische  Wurzel,  wozu  diese  Worte  gehören,  ist  vielleicht 
dioselbe,  wozu  auch  griechisch  keryx  (Bote,  Herold)  zu  stellen  ist, 
dessen  dorische  Form  käryx  lautete  (vergl.  die  „Revue  Critique" 
1878  p.  150). 


nicht  zu  7.weife]n  ist.  Der  Name  Portio  (nicht  Fortis)  wurde  zudem  von  an» 
auch  an  anderer  Stelle  belegt,  d.  h.  aaf  einer  Oaterburkener  Inschrift,  worauf 
Btebt  Cattonius  Fortio  S.  oder  -^  (=3  singularis  oder  aber  centurio)  ex  comi- 
o(ulario).  Auch  aaf  einer  eu  Miltenberg  am  Main  gefundenen  Griffelitischrift 
kommt  nach  unserer  Vergleichung  der  Name  Fortio  vor. 

HiDsictitlicb  dea  IILIVS  könnte  man  nur  annehmen,  der  Steinhauer  habe 
die  Aus7.eichnuiig  ala  F  vergeaaeu ,  allein  es  erscheint  doch  in  derselben  Zeil 
ganr.  deutlich  mit  der  bekannten  Form  F  (ähnlich  wie  ein  K)  im  Namen  Fortio^ 
ebenso  ia  der  letzten  Zeile,  so  dass  man  nicht  annehmen  kann,  es  läge  hier  ein 
Versehen  vor.  Es  bleibt  daher  kaum  etwas  Anderes  übrig,  als  IILIVS  für  ELIVS 
EU  nehmen,  da  der  Stein  alle  E  durch  II  bezeichnet,  wie  er  überhaupt  solche 
spätere  Schriflformen  mit  Hinneigung  zur  Coraive  aeigt. 


iDRchriftliches  ttiiB  [leidelberf;. 


79 


Dieses  Wort  liegt  auch  im  Sanskrit  vor,  wo  käru  ^Sänger*  berleutet 
(von  Wurzel  kar  'rufen,  neoneii,  tönen'],  Vergl.  Fick,  3.  Auflage, 
I.  p.  41  u.  II.  p.  53;  Vanicek  140.  Näher  noch  liegt  aber  dem 
keltischen  Wortstamme  ein  indoeuropäisches  kara,  karant,  'junger 
Mann,  Diener',  dessen  verschiedene  Formen  in  den  Einzelsprachen 
Fick  I,  p.  43  u.  p.  521  —  522  unter  der  Wurzel  kar  »currere« 
zusammengestellt. 

Noch  andere  Vergleichungen  böten  sich  im  Namen  der  Ceres 
(der  altitalischen  Göttin  des  Getreidebaues  und  der  Feldfrüchte),  sowie 
im  altlateiu.  cerus  nSchöpfer«  (von  der  Wurzel  kar  im  Sinne  von 
»machen,  schaffen  und  gedeihen^;  vergl  Vanicek  120;  Fick  I  p.520 
u.  II,  53)  oder  im  griech.  kara  »Haupt«  (vergl.  Curtius,  4,  Aufl. 
p.  142;  Vanicek  125). 

Eine  nähere  Begründung  dieser,  sowie  überhaupt  der  Etymologien 
auf  dem  Gebiete  des  Keltischen  unter  Zuziehung  aller  verwandten 
arischen  Sprachen  wird  erst  möglich  sein,  wenn  die  Specialgrammatik 
und  Etymologie  der  einzelnen  keltischen  Dialekte,  bis  jetzt  einer  der 
vernachlässigtsten  Theile  der  vprgleicheuden  Grammatik,  eine  einge- 
hendere Behandlung  erfährt.  Unsere  grössten  Hoffnungen  setzen  wir 
in  dieser  Beziehung  auf  W  indisch  in  Strassburg.  Von  ihm  allein 
könnte  eine  dritte  Auflage  der  berühmten  gramraatica  celtica  aus- 
gehn!  Wenn  man  weiss,  welcher  Unfug  auf  keltischem  Gebiete  zum 
Theil  noch  heutigen  Tages  von  Seiten  der  Dilettanterie ,  den  sog. 
Keltomanen  verübt  wird,  so  muss  man  nur  urasomehr  die  Calamität 
beklagen,  dass  die  Mehrzahl  der  Philologen  fortfährt,  bloa  die  bekannteren 
Bahnen  der  griechischen  und  lateinischen  Grammatik  zu  wandeln,  ohne 
zugleich  auch  die  übrigen  Zweige  des  arisch-europäischen  Sprachstiimmes 
zu  berücksichtigen. 

Diese  Beschränkung  auf  das  sog.  klassische  Alterthum  mag  ja  aus 
äusseren  Gründen  gerechtfertigt  erscheinen^  ist  aber  an  sich  doch  nur  zu- 
fällig und  liegt  durchaus  nicht  im  Wesen  der  Philologie  begründet. 
Fasst  man  deren  sprachliche  Seite  zunächst  ins  Auge,  so  kann  man 
in  ihr  nur  einen  Theil  der  Linguistik  erkennen,  wie  dies  ganz  neuer- 
dings (»Sur  les  rapports  de  la  linguistique  et  de  la  philologie«)  auch 
in  der  sehr  empfehlenswerthen  neuen  französischen  Zeitschrift  nRevue 
de  Philologie«,  tome  II,  Janvier  1878,  von  einem  der  gewiegtesten 
I  französischen  Sprachforscher  anerkannt  wird.  Die  äusserst  nahe  Ver- 
wandtschaft zwischen  der  italischen  und  keltischen  Sprachfamilie,  das 
Vorkommen  zahlloser  keltischi'r  Namen  und  Gottheiten  in   der   latei- 


80 


InBchrirtlichaq  an»  Heidelberg. 


nifichon  Literatur,  besonders  aber  in  der  Epigraphik,  die  Vermischung 
römischer  und  keltischer  Cultus-  und  Culturformen ,  das  Abspielen 
eines  wesentlichen  Theiles  der  römischen  Geschichte  auf  keltischem 
ßodeti  u.  8.  w.,  dies  Alles  drängt  aber  unaufhaltsam  darauf  hin,  dass 
endlich  einmal  das  Gebiet  der  klassischen  Philologie  wenigstens  nach 
dieser  Seite  liin  erweitert  werde.  Betont  man  endlich,  wie  die  Mehr- 
zahl ihrer  Vertreter  thun,  mehr  die  geschichtliche  Seite  der  Philologie, 
deren  Begriff  ja  mit.  dem  der  Gpschiehte  im  weitesten  Sinne  zusam- 
menhilngt,  indem  mati  beide  Disciplinen  mit  Böckh  nals  Erkenntniss 
des  Erkannten«  betrachtet,  —  so  ist  gerade  aus  den  eben  angedeuteten 
Punkten  zu  entnehmen,  welch  grossen  Gewinn  die  Geschichte  des 
Altcrthums  aus  der  plaiinilissigen  streng  philologischen  Durchforschung 
dos  vorhandenen  epigraphisch-literarischen  Materials  der  gallischen 
Sprache  und  der  daraus  hervorgehenden  Erkenntniss  des  Culturzustandes 
des  keltischen  Vulksstummes  Oberhaupt  /ii  ziehen  berechtigt  ist.  Diese 
Erkenntniss  ist  aber  nur  möglich  durch  gemeinsame,  dasselbe  Ziel  ins 
Auge  fa.ssende  Arbeit  von  Linguistik  und  I'hilologie  und  kann  nur  auf 
Grund  der  vielseitigsten  Einzelforschuogen  allmählich  erreicht  werden. 


Nachschrift. 

Hinsichtlich  des  auf  »ler  oben  beschriebenen  Grab-Stele  unter  der 
Inschrift  betindlichen  Basreliefs,  welches  wir  für  eiuen  Genius  erklärten, 
erlaubten  wir  uns  nachträglich  auch  die  Ansicht  eines  der  ersten 
Kenner  auf  diesem  Gebiete,  des  Herrn  Hofrath  Stark  einzuholen  und 
stehn  nii-ht  an,  weiter  unten,  zum  Schlüsse  seiue,  von  der  unsern  im 
Ganzen  abweichende  Anschauung,  wörtlich  mitzutheilen. 

Natürlich  kann  es  uns  nicht  iu  den  Sinn  kommen,  derselben  in 
dem  vorliegenden  speciellen  Falle  entgegentreten  zu  wollen,  indessen 
wagen  wir  iu  einem  besonderen  folgenden  .Vnhang  uusere  eigene  Mei- 
nung in  Bezug  auf  diese  Art  DarstclluDg  von  Genien  überhaupt,  näher 
SKU  begronden. 

Zur  Vermittlung  beider  Ansichten  liesse  sich  sagen,  dass  wenn 
auch  nach  Stark 's  Annahme  auf  dem  abgebildeten  Grabsteine  wirklich 
ein  Vjos,  wie  in  so  vielen  Fällen  •),  als  Tafelhalter  verwandt  ist,  dabei 


1)  Ein  intere«MUit«r  Grabstein  dieser  Art  von  hober  Schönbeit  der  oma- 
mentalen  Composition  ist  derjenift«  der  Claudia  Semne  fWilmanns  Nr.  240). 
Entsprfditmd  der  Widmung  >Fortuo»e,  Spei,  Venen  et  memoriae  (iUius) 
Sacrutn*   sind    die  Symbole   dieser  Gottbeiten  dargestellt,  worunter    auch,  wiq 


Inschriftlicbeg  aus  Heidelberg. 

dennoch  die  Idee  eines  geflügelten  Genius,  etwa  als  Symbol  der  Zeit  und 
Ewigkeit,  mit  unterlief,  wie  wir  ihn  ähnlich  in  so  musterhafter  Technik 
z.  B.  auf  der  oben  schon  erwähn tec  Ehrcnaäule  des  Antoninus  Pius 
zu  Rom  erblicken. 

Die  Aehnlichkeit  in  der  Darstellung  von  Amoretten  und  Genien, 
die  beide  als  jugendlich  nackte  Flügelgeatalten  erscheinen  und  das 
künstlerische  Bestreben,  sie  beide  auf  Grund  strenger  stilistischer 
Anforderungen  als  der  Ornamentirung  dienende  Motive  zu  verwenden, 
mussten  zu  einer  Vermengung  derselben  führen. 

Der  Umstand  jedoch,  dass  diese  Flügelgestalten  zumeist  auf 
Grabdenkmälern  zur  Verwendung  kamen,  bewirkte  unzweifelhaft,  dass 
man  in  ihnen  schliesslich  nur  noch  eine  Beziehung  auf  ein  neues  Leben 
nach  dem  Tode  erkannte  und  sie  demnach  für  die  Idealgestalten  der 
Verstorbenen  hielt.  Zur  Begründung  dieser  Ansicht  mag  folgender 
Anhang  dienen: 

Zur  Gräbersymbolik  uud  über  die  Oenien  im  Allgemeinen. 

Das  Gemeinsame  der  religiösen  Anschauungen  bei  grösster  Ver- 
schiedenheit der  Glaubenskreise  UDd  Völkerindividuen,  wie  es  sich  auch 
in  Bezug  auf  den  Unsterblichkeitsglauben  deutlich  zeigt,  geht  aus  dem 
überall  sich  gleichbleibenden  innerster^  Wesen  der  menschlichen  Natur 
hervor,  das  zu  seiner  Entfaltung  allerdings  einer  gewissen  Stufe  der 
Cultur  bedarf).  Ist  diese  aber  einmal  gewonnen,  dann  sehen  wir,  wie 
sich  häufig  in  dem  religiösen  Vorstell ungskreis  der  verschiedensten 
Völker  dieselben  Gestalten  bilden,  ohne  dass  man  dabei  immer  an 
EntlehnuDgen  von  einander  zu  denken  hat.  So  ändet  sich  denn  auch 
der  Glaube  an  individuelle  Sehutzgeister  bei  sehr  vielen  Viilkern. 

Dies  kann  bei  den  polytheistischen  Religionen  der  Arischen  Familie 
natürlich  nicht  auffallen.    Neben  die  Götter,  die  nur  das  grosse  Ganze 


Wilraann*  aich  ausdrückt,  eine  »Corona  quam  duf>  Amoret  sustinent«.  Von 
Interesse  ist  auch  die  in  der  Inschrift  aaogeiprochene  BestlTuniung:  >huic  monn- 
meoto  cedet  borlaa  in  quo  aedicolae ,  in  quibua  simulaora  Claudiae  S6mnea  in 
formam  deorom«  etc. 

1)  Die  Ergebaiise  der  Forschungen  auf  dieiem  Gebiete  hat  neuerdings 
Edmund  Spicsa  EusammengeatelU  in  seiner  »Entwicklungageschicbte  der  Vor- 
stellungen vom  Zustande  na<:h  dem  Tode,  anf  Grund  vergleichender  Religious- 
forschung«  (Jena  1877),  woeu  die  auafuhrliche  Besprechung  dieses  Werkes  von 
Moll  in  Oskar  Schade's  »wiasenscbaftliobeQ  Monats  blättern«  von  1878,  Nr.  3, 

SU  y«rgltiiohen  ist. 

6 


82 


Inachriftliche?  auR  Heidelberg. 


im  Auge  hatten,  stellten  sich  hier  naturgeniäss  unsichtbare  göttliche 
Wesen,  welche  für  Wolü  uutl  Wehe  der  einzelnen  Menschen  sorgten. 
Sie  spielten  eine  Vermittlerrolle  zwischen  den  Menschen  und  den 
Göttern,  in  der  Art  etwa,  wie  in  der  modernen  Spiritiatenlehre  sog. 
Media  den  angeblichen  Verkehr  mit  den  abgeschiedenen  Seelen  ver- 
mitteln. Ganz  dieselbe  Vorstellung  finden  wir  nun  aber  merkwürdiger 
Weise  auch  bei  semitischen  Völkern,  trotz  deren  ursprünglichem  Mono- 
theismus, dessen  absolute  Gewalt  hierdurch  bedeutend  gemildert 
»'rscheint.  Die  biblischen  Engel  sind  nach  altorientalischer  Anschauung 
zunächst  Mittelwesen  zwischen  Gott  und  den  Menschcu.  Allmählich 
dehnte  sich  aber  die  Engellehre  viel  weiter  aus.  Man  dachte  sich  ein 
Heer  von  Engeln  als  förmlichen  Hofstaat  und  Dienerschaft  Gotte,s, 
dessen  Thron  umgebend.  Dire  Anfangs  geringere  Zahl  wuchs  auf  diese 
Weise  nach  und  nach  in'a  Unen<lliche.  Am  ausgebildctsten  zeigt  sich 
dann  das  Sywtcm  der  Engel  im  neuen  Testament  und  fortan  im  Christen- 
thum.  Hier  wird  ihnen  neben  Geschlechtslosigkeit  auch  die  Flügel- 
geatalt  zugeschrieben,  und  es  erfolgt  so  allmählich  ihre  Vermischung  mit 
den  römischen  Genien,  in  deren  Formen  sie  nun,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  mehr  oder  weniger  hinüberwuchsen.  Die  Bedeutung  der  jüdisch- 
christlichen F.ngel  und  der  Genien  des  italischen  Glaubens  war  schliesslich 
eine  so  übereinstimmende,  dass  bei  Annahme  des  christlichen  Glaubens 
von  Seiten  der  Römer  keinerlei  Aendei'ung  der  Anschauungen  in  Bezug 
auf  diese  Art  Wesen  mehr  stattzufinden  brauchte.  Bios  der  Name 
änderte  sich,  indem  der  bislierige  rüraische  Genius  einfach  als  angelus 
fortlebte.  Die  polytheistische  Vorstellung,  die  dabei  zu  Grunde  liegt, 
blieb  aber  auch  in  der  christlichen  Kirche  ganz  dieselbe.  Waren  doch 
schon  seit  den  Zeiten  des  babylonischen  Exils,  ganz  im  Sinne  des 
Polytheismus,  der  Einwirkung  der  himralischen  Heerschaaren  die  ver- 
schiedenen Erscheinungen  der  Natur  unterstellt. 

Lagen  in  dieser  Beziehung  schon  vielfache  Anknüpfungspunkte  an 
das  römische  Genienwesen,  wonach  ebensowohl  wie  jeder  Mensch,  auch 
jeder  Ort  seinen  besonderen  Genius  hatte  (gleichsam  die  verborgene 
Seele  der  betreffenden  Lokalität,  die  höhere  Ursache  ihres  Vorhanden- 
seins bezeichnend),  —  so  erschien  das  die  besonderen  Religionen  in 
dieser  Hinsicht  noch  Unterscheidende  völlig  aufgehoben  in  der  sowohl 
altrömischen,  wie  alijüdisch-christlichen  Lehre,  dass  die  Ueberwachung 
und  Leitung  nicht  blos  der  einzelneit  Iinlividuen,  sondern  auch  ganzer 
Völker  und  LändiT  besonderen  Schutzgöttern  übertragen  sei.  So  be- 
kamen einerseits  ultmiihiich  auch  alle  Vorgänge   des  Geschichtsleben.s 


Inschriftlicliea  tiis  Ileidelherg. 


m 


ier  Menschheit  schon  bei  den  alten  Juden  besondere  Vorstände  in  der 
Engelwelt,  so  wurde  später  8t.  Michael  unter  Andern  der  Schutzengel 
der  Deutschen,  so  erhielt  aber  auch  anderseits  bei  den  alten  Römern, 
als  sich  der  Glaube  an  Genien  immer  weiter  ausdehnte,  jedes  irdische 
Verhältniss,  jede  bedeutende  Thiitigkeit  und  Lebensbestim mung  ihren 
Genius.  Nirgends  war  ja  diese  Lehre  so  vollkommen  ausgebildet  und 
zum  Cultus  erhoben,  wie  in  Rom. 

Wenn  man  hier  nun  glaubte,  dass  jeder  Person  ihr  Schutzgott, 
der  durchs  ganze  Leben  hindurch  eine,  besondere  Aufsicht  über  sie  zu 
fahren  berufen  sei  und  selbst  nach  ihrem  Tode  schützend  fortwirken 
konnte,  schon  von  dem  Augenblicke  ihrer  Geburt  an  beigegeben  wäre, 
80  beruht  dies  auf  dem  Bewusstsein  der  urspiüiif!;lichen  Bedeutung  des 
Wortes  Genius,  die  nian  auch  darin  anerkannte,  dass  man  diese  Art 
Götter  nicht  nur  an  allgemeinen  Festtagen  öffentlich  verehrte^  sondern 
ihnen,  Jeder  für  sich,  auch  an  seinem  Geburtstage  Opfer  brachte. 

Genius  lautet  nun  in  seiner  indoeuropäischen  Urform  gania  mit 
der  Bedeutung  'erzeugend'  und  medial  »erzeugt^i  (von  der  Wurzel 
GAN  »zeugen«,  dann  »entstehen«).  Die  übertragene  Bedeutung  des 
Stammwortes  gania,  in  späterer  gräko-italo-keltischer  Form  genio,  ist 
besonders  ersichtlich  im  Altirischen,  wn  gein  "Kind«,  geine  i>Geschlecht« 
bedeutet,  wie  lat.  pro-genies  (vergl.  Fick  "  1,  6(3  u.  558,  II,  85). 

Am  nächsten  kommt  der  Bedeutung  von  genins  aber  das  lat. 
Wort  in-gen«ura  d.  h.  die  angeborene,  natürliche  Art  und  Beschaffen- 
heit, Natur,  (iemüthsart,  Sinnesweise,  geistige  Anlage  u.  s.  w.  kurz 
das  Wesen,  die  ideale  Seite  des  Menschen,  welche  eben  in  dem  genius 
gleichsam  göttliche  Individualität  gewonnen  hat.  Man  kann  denselben 
hiernach  als  Verkörperung  des  ingenium's  oder  als  personificirtes,  indi- 
vidualisirtes  nunien  betrachten,  insofern  dasselbe,  um  zur  Darstellung 
zu  gelangen,  einer  Vermenschlichung  bedurfte.  Die  Genii  sind  indessen 
blos  Repräsentanten  des  Ideals  der  Männlichkeit,  gerade  wie  die  soge- 
nannten lunones  solche  der  Frauen.  Wie  jeder  Mann  seinen  Genius 
hatte,  so  hatte  jede  Frau  ihre  Juno. 

Man  findet  nämlich  ausserordentlich  häufig  auf  Götteraltären  die 
Juno  opfernd  dargestellt  nach  Art  einer  römischen  Ehe-  oder  Hausfrau, 
deren  Ideaiisirung  sie  ja  bei  den  Rümeru  war  (wesshalb  sie  denn  auch 
als  Mutter  des  römischen  Staates  galt),  während  sie  bei  den  idealer 
angelegten  Griechen  noch  als  Repräsentation  des  Ideals  erhabener 
Weiblichkeit  überhaupt  angesehen  wurde,  was  mehr  ihrer  ursprüng- 
lichen Bedeutung  als  höchster  Himmelskönigin   entsprach   (Jü-no  wie 


84 


iDschrifUicbuB  aua  Heidelberg. 


Jö-piter  von  indoeurop.  DIV  'Tag,  Himmei',  vergl.  Fick  II,  128). 
Wie  nun  Juno  als  Oplerfrau,  so  wurde  vielfach  in  ganz  analoger  Weise 
auch  der  Genius  als  opfernd  dargestellt.  Das  Opfer,  welches  einerseits 
die  Frauen,  anderseits  die  Männer  den  genannten  Gottlieiten  sonst 
als  Symbol  der  Frömmigkeit  der  Menschen  selbst  darbringen,  erscheint 
also  hier  auf  diejenigen  guttlichen  Wesen  übertragen,  in  welchen  sie 
sich  idealisirt  dachten.  Kurz  der  Genius  ist  das  Wesen,  die  Ideal- 
gestaJt  des  Mannes  und  wird  hieraus  auch  klar,  was  es  mit  den  schon 
weiter  oben  erwähnten  inscliriltlichen  Genien  von  Göttern  auf  sich  hat 
Preller  (röm,  Mythol.  74  f.)  hält  dieselben  für  das  »lokalisirte  uumeu« 
der  betreuenden  Gottheit,  allein  es  handelt  sich  hier  ja  gar  nicht  um 
Gottheiten,  die  in  einem  bestimmten  Ortlichen  Cultua  verehrt  wurden, 
sondern  um  Darstellungen  von  miiunlichen  Göttern,  die  anstatt  in 
ihrer  eigenen  Gestalt  mit  den  ihneu  selbst  zukommenden  Attributen, 
als  Genien  mit  Füllhorn  und  Opferschale  gebildet  sind.  Der  Zweck 
dieser  Darstellung  war  aber  offenbar  wieder  ganz  derselbe:  wie  man 
die  Menschen  idealisii-te  und  als  opfernde  Genien  darstellte,  so  war 
dies  auch  mit  den  Göttern  der  Fall. 

So  linden  wir  also  z.  B.  auf  einem  Votiv-Denkmal  des  würtem- 
bergischen  Neckarkreises  die  Widmung  »genio  Martis«  und  darüber 
das  Bild  eines  opfernden  Genius,  nicht  aber  das  des  Mars  (vergl. 
Brarabach  1011;  Hang  »Inschriften  in  würtem bergisch  Frankeno 
Nr.  15).  Ebenso  war  eine  .Mannheimer  Basis  mit  der  Widmung  »genio 
Mercurii  Alauni«  offenbar  nicht  die  einer  Merkursstatue,  sondern  die 
eines  (jetzt  verlorenen)  kleinen  Bildes  eines  Genius  (vergl.  Hang 
'römische  Denksteine  in  Mannheim'  Nr.  88). 

In  beiden  Fällen,  wie  in  allen  andern  hegt  eine  Idealisirnng  des 
in  der  Inschrift  genannten  Gottes  vor,  der  nicht  nach  seiner  gewöhn- 
lichen Erscheinung  und  Ausrüstung  aufgefasst  ist,  sondern  dessen 
Charakter  imd  innerstes  Wesen  in  erkennbarer  Weise  sinnlich  ver- 
dichtet werden  sollte.  Hierzu  wurde  aber  einfach  die  typische  Dar- 
stellung des  opfernden  Genius  verwandt,  dessen  Funktionen  ihn  in 
zweierlei  Beziehung  charakterisiren :  Einnial  durch  die  rein  menschliche 
Handlung  des  Opfems  und  die  Jünglingsgestalt  als  idealisirten  Menschen, 
sodann  aber  wieder  durch  das  auf  solchen  Darstellungen  gewöhnliche 
Attribut  eines  Füllhornes  als  göttliches  Wesen. 

In  dieser  Vertlieilung  der  Symbole  nach  beiderlei  Richtung  hin 
spricht  sich  deutlich  da.s  Bestreben  aus,  das  Menschliche  in  der  Götter- 
natur und  das  Göttliche  in  der  Menschenuatur,  also  so  zu  sagen  den 


luBChriftHcbes  aus  Heidelheri^. 

Anthropoinorphismus  zur  Darstellung  zu  bringen.  Insofern  nun  diese  Art 
Idealgestalten  Ropräsentanten  von  in  der  Widmung  genannten,  be- 
stimmten Göltern  vorstellen,  so  kann  man  doch  weniger  mit  Prellcr 
sagen,  dass  sie,  die  ja  aktiv  opfernd  dargestellt  sind,  '»gleichsara  an- 
statt dieser  Gottheit  die  Opfer,  Gebete  und  Gelübde  der  Frommen  in 
Empfang  nehmen«.  Da  sie  vielmehr  das  Opfer  selbst  ausüben,  so 
sollen  sie  hiermit  als  ideale  Ilcberbringer  oder  VermittJer  desiselben 
an  die  betreffenden  Götter  gekennzeichnet  sein.  Sie  sind  es,  welche 
durch  ihr  Beispiel  zeigen,  was  der  Mensch  diesen  letzteren  schuldig 
ist  und  auf  welche  Weise  er  diese  Schuldigkeit  zu  bezeugeu  hat. 

Diese  Art  Darstellung  der  Genien  auf  GMteraltären  und  Votiv- 
steinen  ist  nun  aber  nicht  die  einzige,  in  welcher  sie  erschienen,  indem 
wir  schon  oben  von  einer  andern  Auffassung  derselben,  als  Flügcl- 
gestalt  gesprochen  haben.  Auch  war  es  nur  diese  zumeist  auf  Grab- 
monumenten veiTvandte  Darstellung,  welche  auf  die  christlichen  Kngei 
überging,  als  dieselben  allmählich  auch  Flügel  annahmen.  So  hat 
sich  die  schöne  antike  Anschauung  des  Unsterblichkeitsglaubens^  welche 
sich  den  Verstorbenen  in  gertügelter  Idealgestalt  wieder  auHebend 
dachte  und  ihn  so  darstellte,  bis  auf  unsere  Tage  ungeschwächt  fort- 
erhalten. Die  Idee  des  Genius  ist  die  der  Ewigkeit,  des  Absoluten, 
des  Wesens  der  Dinge;  sie  ist  »das  Ding  an  sich«,  welches,  um  in  die 
Welt  der  Erscheinung  treten  zu  können,  einer  Darstellung  bedurfte 
und  dies  war  eben  die  der  Genien.  Karl   Christ. 


An  Herrn  Carl  Christ. 
Beifolgend  theile  ich  Ihnen   meine  Auffassung  der  merkwürdigen 
Darstellung  auf  unserem  Grabsteine  des  Volcius  Mercator  mit. 

Zo  dem  Steine  des  Vnlcins  Mercator. 

Die  im  Flachrelief  gebildete,  ganz  en  face  erscheinende,  nackte 
'geflügelte  Knabcngestalt,  welche  mit  breit  auseinander  gesetzten  Füssen 
kauernd  sitzt  und  zugleich  mit  ausgebreiteten  Armen  und  dem  mit 
reichem  Haarwuchs  bedeckten  Haupt  die  darüber  befindliche  grosse 
Inschrifttafel  berührt,  sie  zu  stützen  scheint,  hat  zunächst  eine  rein 
künstlerische  Bedeutung  in  diesem  Motiv,  als  Tafelhaltor.  So  lialten 
auf  unzähligen  Sarkophagen  und  überhaupt  Denkmälern  schwebende 
Flügelgestalten  links  und  rechts  eine  Inschrifttafel,  ein  Porträtmedaillon 
u.  dcrgl.  Dieser  gehaltene  Gegenstand  erhält  dadurch  den  Charakter 
des  Freischwebenden,  frei  Aufgestellten  und  zugleich  weithin  Sichtbaren ; 


86 


loscbrifllichea  auB  Heidelberg. 


diese  Flügelgcstaltcn  machen  auf  ihn  aufmerksam  und  sind  wie  Ver- 
künder des  Inhaltes. 

Damit  ist  aber  die  Sache  nicht  erschöpft,  Die  geflügelte  Knaben- 
gestalt  gehört  zu  dem  weiteren  Bereiche  der  Eroten,  diesen  Reprä- 
sentanten aller  Wünsche,  Neigungen,  lebhaften  EmpfioduDgen  des 
Menschen,  welche  sein  Schicksal  mit  bestimmen  (Philostrat.  Imag.  I,  5: 
To  &vrjxnv  ixnav  dtcuißeQvöints,  JioXXni  dia  nnUa  lov  igiüatv  ol 
ttv&Qumni).  Er  ist  weder  ein  Todesgenius  im  Allgemeinen,  wie  Creuzer 
(Deutsche  Schriften  II,  2.  S.  454)  meint,  noch  etwa  stellt  er  die  Dii 
Manes  dar.  Sehen  wir  ihn  uns  nun  näher  an,  so  muss  uns  sofort  die 
eigenthüniliche  Bildung  der  Flügel  auffallen,  sie  bestehen  aus  wenigen 
sangen,  weitgeschwungenen  Fodern,  deren  oberes  Ende  sich  aber  in  sich 
leibst  zurückrollt,  Flügel  ähnlich  denen  des  Auerhahns  und  anderer 
Hähne  des  Waldes. 

Diese  Flügel  gehören  aber  aus  dem  grossen  Bereiche  der  Eroten 
einer  bestimmten  Classc  derselben  an.  Emil  Braun  hat  zuerst  fein- 
sinnig bei  Publikation  eines  Reliefs  im  Palazzo  Colonna  mit  zwei  im 
Fackelrennen  wetteifernden  Eroten  und  des  Reliefs  aus  Ischia,  jetzt  in 
Neapel  mit  zwei  um  eine  Palme  ringenden  Eroten  (Antike  Marmorwerke, 
2.  Dekade  Tafel  V.  a.  b.)  unter  Heranziehung  von  Pausauias  VI,  23,  3,  5 
darauf  aufmerksam  gemacht,  wo  uns  genau  dasselbe  Relief  ausOlj'mpia 
geschildert  wird,  und  den  einen  der  Streitenden  mit  solchen  Flügeln  Anteros 
genannt.  Beide  Male  sind  es  diejenigen  Eroten,  welche  den  Kürzeren 
ziehen,  welche  vergeblich  um  die  Palme  kämpfen,  welche  zurückbleiben  im 
Wettlauf.  Die  Sage  vom  Culte  des  Anteros,  des  Bruders  des  Eros  in  Athen, 
zeigt  ihn  als  Dämon  unglücklicher  Liebe  des  Metoeken  gegenüber  dem 
Bürger,  als  den  zum  Tode  führenden  Dämon,  der  unerhörte  Liebe 
auch  rächt.  Sehen  wir  uns  nun  die  nicht  sehr  zahlreichen  Dar- 
stellungen dieses  Eros  an,  wie  sie  bei  Müller-Wicseler,  D.d.  alten 
Kunst  IL  Taf.  51  ff.  unter  andere  Erotendarstellungen  gemischt  sind, 
so  Taf.  LI,  64fi;  Lü,  664,  6r>7;  1.111,071,  660;  LlV,fi83;  LV,  706,  so 
tritt  uns  überall  die  Beziehung  zu  einer  Liebe,  die  ilu"  Ziel  nicht  erreicht, 
oder  die  uin  den  Geliebten  trauert,  die  den  Gegenstand  der  Liebe  verloren 
hat,  entgegen;  besonders  charakteristisch  ist  die  Sarkophagdarstellung  des 
PublilJusSevereanus  uml  seines  Sohnes  Blulo  (Nr.6G9).  Wir  zweifeln  daher 
keinen  Augenblick  {laran,  dass  auch  auf  unserem  Steine,  den  eine  treue 
Gattin  ihrem  früh  verstorbenen  Manne  gesetzt  hat,  in  jenem  Eros  ans 
die  Beziehung  zur  Liebe,  die  ihren  Gegenstand  verloren  hat,  gegeben  ist. 

B.  Stark. 


Insühriftlichea  aus  Heidelberg. 


87 


Schlussbemerkung. 

Eine  merkwürdige  Bestätigung  des  voo  uns  oben  ausgesprochenen 
Gedankens,  dass  die  Bedeutung  der  Genien  in  ihrer  Verwendung  als 
Motive  zu  Grabzier  raten  mit  derjenigen  von  Amoretten,  als  welche 
diese  Art  Grabestypen  von  Stark  aufgefasst  werden,  zusammenfalle, 
erhalten  wir  nun  ganz  neuerdings  von  K,  Dilthey  in  seiner  höchst 
lehrreichen  Besprechung  von  Kckul('''s  ,, Griechischen  Thonfiguren"  aus 
Tanagra,  in   der  Jenaer  Literaturzeitung   vom  13.  Juli  1878,  Nr.  28: 

„Nach  uraltem  Glauben  der  Griechen  ist  Aphrodite  Herrscherin 
im  Todtenreich,  Artemis,  die  Jägerin,  der  Frauen  Todesgöttin,  und  me 
die  Gestalten  aus  der  Umgebung  des  Baltchos  uns  mahnen  an  die  alt- 
vererbten Vorstellungen  vou  dionysischer  Lust  und  ewiger  Trunkenheit 
der  Abgeschiedenen,  so  haben  die  Eroten  in  gewissen  typischen  Ver- 
bindungen und  dekorativen  Verwendungen  glrichsam  die  Bedeutung  von 
Genien  bewahrt,  die  in  den  heitern  Regionen  der  Seligen  walten  und 
bisweilen  mit  dem  Bilde  der  seligen  Abgeschiedenen  selber  in  Eines 
zusammenlliessen,  ganz  so  wie  die  Enget  der  christlichen  Mythologie, 
die  eben  nur  getaufte  und  leicht  verkleidete  Eroten  sind." 

Der  letztere  Satz  ist  nun  freilich  nicht  vollkommen  richtig,  da 
das  Wesen  der  christlichen  Engel  zunächst,  wie  wir  gesehen  haben, 
aas  dem  alten  Testamente  übernommen  und  nur  ihre  äussere  Dar- 
stellung den  Flügelgestalteo  römischer  Gräberausstattung  nachgebildet 
ißt.  Insofern  man  diese  letzteren  aber  zunächst  als  Genien,  also  eine 
Art  Mittel wesen  zwischen  den  Menschen  und  Göttern  auffasst,  welche 
auch  die  seligen  Abgeschiedenen  selbst  repräsentircn  können  und  die 
als  solche  geflügelt  erscheinen:  so  waren  es  mehr  die  Genien,  wie  die 
Eroten ,  an  welche  sich  die  jüdisch-christlichen  Engel  als  Vermittler 
zwi.schcn  Gott  und  den  Menschen,  als  stete  Begleiter  der  Letzteren  und 
in  noch  vielen  weiteren  Beziehungen  anlehnen  konnten. 

Die  sich  in  diesen  verschiedenen  Eigenschaften  aussprechenrle  reli- 
giöse und  mythologische  Bedeutsamkeit  der  alttestamentarischcn  Lehre 
von  den  Engeln  zeigt  sich  ferner  aucli  darin,  dass  ihre  Grundzüge  auch 
iu  den  Islam  aufgenommen  worden  sind,  wo  es  ebenfalls  Legionen  guter 
Engel  giebt,  wclclic  Gottes  Thron  tragen,  seine  Befehle  ausrichten  und 
die  übrigen  der  geschilderten  Funktionen  verrichten, 

(In  hervorragender  Weise  ist  hier  aber  daneben  auch  die  Lehre 
von  bösen  Engeln,  Dämonen  ausgebildet,  welche  als  Genossen  des 
Satans  den  Menschen  zum  Bösen  verleiten  und  ihn  Zaubereien  lehren. 
Vergl.  „Einige  Glaubensartikel  de.s  Islam  in  der  Zeitschrift  ,,Ausland" 
1878,  Nr.  27.").  _____  Karl  Christ. 


88    Griecb.,  röm.  u.  etruak.  (iegenatinde  in  dof  Hamburger  Altertbämer-Sammlung. 


4.   Beschreibung  der  in  der  Hamburger  Alterthümer-Sammlung 
befindlichen  griechischen,  römischen  und  etruskischen  Gegenstände. 


1.    Etruskischer  Spi«gel.    S.  g.  Kabiren. 

Bronze.  Durchm.  0,13.  Am  Griffe  durchgebrochen,  doch  fast 
ganz  erhalten.    Die  convexe  Spicgelseite  sehr  von  Rost  zerfressen. 

Die  coDoave  RQckseit«  des  Spiegels  ist  mit  folgender  cingravirter 
Darstellung  geschmückt:  In  der  Mitte  steht  ein  nackter,  mit  verbrämten 
Stiefeln  und  einer  vor  der  Brust  zusammengeknöpften  Chlamys,  die  im 
Rücken  lierunterhängt,  bekleideter  Jüngling.  Seine  erhobene  R.  hält 
einen  aufgestützten  Stab,  die  L.  hängt  herab;  auf  seinem  lockigen  Haar 
scheint  eine  Zackenkrone  zu  liegen.  Die  Muskulatur  seines  r.  Beines 
ist  durch  eine  fein  schraffirte  Linie  ausgedrückt.  Da.s  Antlitz  wendet 
er  auf  den  r.  sitzenden,  an  seinem  Pilos  kenntlichen  Dioskuren,  welcher 
die  auf  seinem  emporgezogenen  r.  Beine  mit  dem  Ellenbogen  ruhende 
R.  wie  im  Gespräch  mit  der  beschriebenen  Figur  erhebt,  während  er 
mit  der  herabhängenden  L.  das  um  seinen  Unterkörper  geschlungene 
Gewand  festhält.  Die  Füsse  sind  beschuht  Sein  Profil  (n.  I.)  ist  etwas 
missrathen.  Ihm  gegenüber  sitzt  1.  der  zweite,  wie  der  vorige  ge- 
kleidete und  ihm  auch  in  der  Kürperhaltung  entsprechende  Dioskur 
(n.  r.).  Seine  Arme  hängen  beide  herab.  Im  Hintergründe  zieht 
sich  über  den  Köpfen  der  drei  Personen  eine  mit  kegelförmigen  pe- 
genständen  besetzte  Leiste  (jedenfalls  die  wie  oft  bei  diesen  Spiegeln 
höchst  flüchtige  Andeutung  einer  Bautichkeit)  hin,  von  welcher  sich  r. 
und  L,  wie  derContour  eines  zusammengerafften  Parapetasma's,  je  eine 
Linie  abzweigt.  Der  Rand  der  Darstellung  ist  mit  zwei  von  dem  Griffe 
ausgehenden,  sich  kranzartig  vereinigenden  Lorberzweigen  geschmückt. 
Der  einfach  aber  stilvoll  ornamentirte  Griff  endet  in  einem  stiliairten, 
fiscbartigen,  aber  rait  Ohren  versehenen  Thierkopfe.  Die  schon  sehr 
handwerksmässige,  doch  keineswegs  rohe  Zeichnung,  welche  ohne  Zweifel 
die  in  der  grossen  Masse  der  Apuliscben  und  Lucanischen  Vasen  er- 
reichte Kunstentwicklung  erst  zu  ihrer  Voraussetzung  hat,  darf  somit 
zeitlich  auf  keinen  Fall  früher  als  die  Nachalexandrinische  Epoche 
angesetzt  werden. 


Gnech,,  röm.  u.  etrusk.  Gegenst&Qde  in  der  Hamburger  Alterlhtinier-Sammlung.    89 

Sehr  ähnliche  Griffe  findet  man  abgebildet  bei  Gerbard,  Etr. 
Spiegel  I,  XXil,  7,  XXUI,  :i  tf.  und  besonders  XXIV,  12.  —  Ein  archi- 
tektonischer Abschluss  verwandter  Art  ebendas.  I,  XC.  —  Die  Dios- 
kuren  im  Gespräch  miteinander,  ein  auf  etruskischen  Spiegeln  bekatmt- 
lich  überaus  häufig  dargestellter  Gegenstand,  findet  man  bei  Gerhard, 
a.  u.  0. 1,  XLIV— LIl,  mit  einer  weiblichen  Figur  (Helena?  Aphrodite?) 
zwischen  sich  II,  CCIII  und  mit  einer  männlichen  Figur  gruppirt  I, 
LV,  7;  besonders  ähnhch  erscheinen  die  Spiegel  III,  CCLVl,  1  und  2, 
—  Die  Zackenkrone  kehrt  gleichfalls  öfter  wieder,  so  bei  Gerhard, 
a,  a.  0.  III,  CCLXXVI.  Die  besonders  von  Gerhard  vertreteiiG  An- 
sicht, nach  welcher  die  Dioskuren  mit  einer  dritten  Person  gruppirt  als 
„Kabiren"  gelten  sollen,  hat  nicht  einmal  den  Grund  der  „Dreizahl" 
(vgl.  Fricderichs,  Berlins  Ant.  Bilder  II,  S.  iM,  No.  105)  für  sich, 
da  dieselben  Dioskuren  auch  mit  zwei  anderen  Personen,  sowol  männ- 
lichen als  weiblichen^  gruppirt  erscheinen,  ausserdem  die  dritte  P'igur 
einmal  inschriftlich  als  Menelaos,  ein  ander  Mal  uls  Jolaos  bezeichnet 
wird  (vgl.  Friederichs,  a.  a.  0.  S.  <.irt,  No.  lli),  die  Bezeichnung 
der  ,*!l^mxfg"  aber,  welche  vielleicht  die  Verschmelzung  der  Dioskureu 
mit  den  Kabiren  vermittelte  (vgl.  Preller,  Griech.  Myth.  672,  Anm.  3), 
doch  nur  auf  jene  passt.  Uebrigens  scheint  es,  als  ob  weniger  die  Bedeut- 
samkeit des  Gegenstandes  als  der  Umstand,  dass  gerade  die  beiden  sym- 
metrisch sitzenden  Dioskuren  mit  einer  stehenden  Figur  in  ihrer  Mitte 
sich  zur  Ausfiillung  eines  Spiegelrundes"  eigneten,  zu  der  Häufigkeit  der 
Darstellung  Veranlassung  bot.  —  Der  CuUus  der  Dioskuren  muss  schon 
ziemhch  früh  zu  den  Etruskem  gelangt  sein  (vgl.  Corssen,  Spr.  d.  Etr. 
I,  858  f,),  dennoch  begegnet  man  ihrer  Darstellung  auf  andern  etruski- 
schen Bildwerken  als  Spiegeln  nur  höchst  selten. 


2.  Fragment  eines  Marmorkopfes  in  Form  eines  Reliefs. 

Erhalten  hat  sich  nur  die  r.  Profilseite  eines  auf  eine  quadratische 
Platte  von  ital.  Marmor  reliefarlig  aufgeleimten  Kopfes  von  mehr  grob- 
körnigem, wohl  griech.  Marmor  (Gsl.  0,14).  Erg.  Nase,  Stück  des  Halses 
und  eine  lose  in  den  Nacken  hängende  Locke. 

Der  Kopf  hat  stark  gesträhntes,  von  einem  Bande  zusammen- 
gehaltenes Haar,  welches  über  den  Schläfen  und  hinter  dem  Ohre  zu- 
rückgeschlagen ist.  In  dem  etwas  vorstehenden  Munde  wie  in  den 
schmal  geöffneten  Äugen  und  der  niedrigen  Stirn  liegt  etwas  portrait- 
haftes,  das  jedoch  in  eigenthümlicher  Weise  mit  einem  archaistrenden 
Element  vermischt  erscheint.    Letzteres  zeigt  sich  besonders  in  dorn 


90    Grieob..  röm.  u.  eiruBk.  Gegenstände  in  der  Hamburger  Allerthümer-Sammlang. 

etwas  hochstehenden  Ober-  und  Hinterkopf,  der  besonders  an  archai- 
schen ApoUonköpfen  gewöhnlichen  Haarbehaudlung  uod  deo  noch  ftwas 
schräg  gestellten  Augen.  Das  Haar  ist  scharf  und  dnihtartig  wie  nac 
Bronze  ausgearbeitet. 

Der  Umstand,  dass  in  der  Hamburger  Sammlung  einst  ein  Kopf 
des  Antinoos  vorhanden  gewesen  sein  soll,  legt  die  Vermuthung  nahe, 
dass  sich  in  vorliegendem  Fragmente  der  Rest  davon  erhalten  hat. 
Der  stilistische  Charakter  desselben  spricht  durchaus  für  die  Zeit  des 
Hadrian,  dessen  Liebling  übrigens  auch  oft  in  göttlichen  Gestalten 
dargestellt  worden  ist.  Vgl.  Meyer,  Gesch.  d.  bild.  K.  II,  p.251  ff. 
und  Overbeck,  Gesch.  d.  gr.  Tl.  U,  S.  372  f. 

3.   Bemalte  griechische  Vase. 

Durchm.  0,19,H.  0,08.  Schwarzfigurig.  Flache,  zweihenkeJige,  runde 

Schale  mit  einfachem  Fuss.  In  mehrere  Stücke  zerbrochen,  aber  wieder 
zusanmiengcleimt.  Trägt  vielfach  die  Spuren  einer  Ausgrabung,  stammt 
also  wohl  aus  einem  Grabe.  Im  Innern  der  Schale  befindet  sich  ein 
Zettel  befestigt  mit  der  Aufschrift:  „Marathon". 

Die  Darstellung  wird  r.  und  1.  von  einem,  auf  ithyithallischem 
Maulthier  reitenden,  mit  einer  Chlamys  bekleideten  Reiter  abgeschlossen, 
welcher  einen  Rebzweig  hält.  Zwischen  beiden  Heitern  erblickt  man 
eine  in  einen  langen  Mantel  gehüllte  Figur,  die  im  BegrifT  ist,  einen 
Wagen  zu  besteigen  und  mit  beiden  Händen  die  Zügel  der  4  (?)  den 
Wagen  ziehenden  Pferde  ergriffen  hat.  Hinter  diesen  ragt  der  Ober- 
körper eines  mit  einem  Mantel  bekleideten  Mannes  (Apollon)  n.  r. 
hervor,  welcher  eine  Lyra  hält.  Dem  Zuge  entgegengekehrt  und  halb 
von  den  Pferden  verdeckt,  steht  der  bekleidete,  bärtige  und  bekränzte 
Dionysos,  welcher  einen  besonders  langen  Rebzweig  hält.  Die  Schenkel 
der  Reiter,  die  also  wohl  dadurch  als  Knaben  (Satyrn?)  bezeichnet 
werden  sollen,  sind  weiss,  ebenso  der  Saum  am  Gewände  des  Dionysos, 
und  wie  es  scheint,  haben  sich  auch  Spuren  weisser  Farbe  am  Gesicht 
der  den  Wagen  besteigenden  Figur  erhalten.  —  Dieselbe  Darstellung 
wiederholt  sich  auf  der  Gegenseite  der  Schale.  Als  Mittelbild  der 
Innenseite  ist  ein  Kreis  ausgespart  und  in  diesem  eine  in  einen  Mantel 
gehüllte,  eilig  nach  r.  schreitende  Figur,  welche  in  der  Linken  die 
Lyra  h&lt,  aufgemalt.  Die  Falten  der  Gewänder,  Einzelheiten  der  Ge- 
sichter, sowie  Zügel,  Beine  und  Schwänze  der  Pferde  sind  dnrch  ein- 
geritzte, ziemlich  tlott  gezogene  und  mit  weisser  Farbe  ausgefüllte 
Linien  angegeben,  die  sich  jedoch  keineswegs  immer  mit  den  Umrissen 


iriocb.,  rom.  u.  etruak.  Gegenetäude  in  der  Hamburger  Alterlhümer-Sftmmlung.     91 

der   Figuren    ilecken.    Der  Stil  der  Vase  ist  archaisch,  jedoch  ohne 
Sorgfalt  bebandelt. 

Vgl.  0.  Jahn,  Beschr.  d.  Vasens.  zu  München,  p.  CLVIII  ff. 
Die  Form  der  Schale  entspricht  den  bei  0.  Jahn  a.  a.  0.  Taf.  I,  12 
und  lleydemann,  Vasens.  des  Museo  Naz.  Taf.  I,  14  abgebildeten. 
Figuren,  meistens  Mann  und  Frau,  ein  Viergespann  besteigend,  von 
Äpollon  mit  der  Lyra  begleitet,  von  Dionysos  empfangen  sind  überaus 
häufig  auf  archaischen  Vasen ,  wenn  auch  in  ihrer  Bedeutung  noch 
nicht  hinreichend  aufgeklärt.  Vgl.  bes.  die  Zusammenstellung  bei 
0.  Jahn,  Arcii.  Aufsätze,  S.  92  ff.  Weit  seltener  erscheint  in  dieser 
Darstellung  ein  einzelner  Mann,  den  Wagen  besteigend,  so  bei  Ger- 
bard, Auserlesene  gr.  Vasenb.  I,  XVIII,  zwischen  Hermes,  Dionysos 
und  Athena,  einmal  ist  derselbe  durch  den  Dreizack  als  I'oseidon  be- 
zeichnet (Gerhard,  a.  a.  0.  IX.).  Sollte  die  den  Wagen  bestei- 
gende Figur  in  der  That  weiblich  sein,  so  wäre  die  Münchener  Vase 
(0.  Jahn,  Vasens.  353),  wo  Athene  den  Wagen  besteigt,  und  Dio- 
nysos neben  ihr  steht,  oder  484,  woselbst  sich  der  Göttin  ApoUon, 
Lyra  spielend,  Dionysos,  Herakles  und  Hermes  zugesellen,  zu  ver- 
gleichen. Der  Bakchischc  Character  der  Darstellung  ist  hier  übrigens 
noch  besonders  durch  die  Reiter,  jedenfalls  Satyrn,  auf  ithy phallischen 
Maulthieren  angedeutet,  welche  auch  sonst  auf  Vasen  Bakchische  Dar- 
stellungen abschliessen,  z.  B.  auf  der  Etrurischen  Vase  bei  H  e  y  d  e  - 
mann  ,  a.  a.  0.  2615.  Nahe  verwandt  ist  auch  die  Composition  einer 
Vase  aus  Ruvo  ebenilas.  Nr.  2451.  Ein  Innenbild  (Lyra  spielender 
Knabe,  davor  ein  Mann)  einer  Vase  bei  Gerhard,  a.  a.  0.  III, 
CCXXXIX. 

4.  Schwarz  figurige   Lekythos. 

H.  0,22.  Grösster  Umfang  0,33.  —  Zum  Theil  sehr  beschädigt. 
L.  steht,  in  langen  Mantel  gehüllt,  ein  Mann  (n.  r.),  in  der  Linken 
einen  Speer  haltend.  R.  von  ihm  schreitet  ein  Krieger,  bekleidet  mit 
kurzem  Chiton(?),  Beinschienen  und  Helm  mit  grossem  Bügel  (n.  l), 
mit  der  Linken  einen  grossen  runden  Schild  nebst  Lanze  haltend;  er 
wendet  den  Kopf  zurück  und  greift  mit  der  Rechten  nach  einer  ihm 
folgenden,  mit  langem  Chiton  und  umgeschlagenem  Mantel  bekleideten 
Frau,  welche  die  Rechte  etwas  erhoben  hat.  Ihr  folgt  r.  in  ruhigem  Schritt 
ein  wie  der  vorige  gerüsteter  Krieger,  der  den  Helm  vor  das  Gesicht 
gezogen  hat.  Den  Schluss  dieser  Gruppe  bildet  r.  eine  bekleidete,  ruhig 
dastehende,  sehr  verwischte  Figur  mit  k:ippemirtigeni  Helm,  deren  Ge- 


92    Grieoh.,  röm.  n.  einiak.  G«g«ii»(iiiile  in  d«r  Hsmbnrgrer  Alicrthiimer-SBininlao^. 

sieht  eioen  weiblichen  Eindruck  macht  (Atheoa?);  sie  hält  in  der  Linken 
eine  Lauze.  Der  Hals  der  Lekythos  ist  mit  einem  auf  Vasen  archai- 
sdien  Stils  (z,  B.  auch  auf  der  Amphora  des  Berliner  Museums,  A  r  c  h. 
Zeit.  1868,  Taf.  9)  öfters  wiederkehrenden,  aus  stilisirten,  ineinander- 
geflochtencn  Rebzweigen  bestehenden  Ornament  bemalt.  Die  inneren 
Conluuren  der  Figuren  sind  wie  bei  der  Vase  Nr.  3  behandelt.  An 
den  doppelt  umnss^en  Schildiündern  bemerkt  man  deutlich,  das  aie 
mit  einem  zirkelartigen  Instrument  hergestellt  sind. 

Die  Darstellung  der  Mittelgruppe  —  auch  das  umsehen  deoi 
einen  ivriegers  nach  der  Gefangenen  —  wiederholt  sich  auf  achaisdiea 
Yftsen  Öfters,  wie  die  von  0.  Jahn,  Arch.  Beitr.,  S.  d6,  Anm.  95 
ud  H.  11  ey  de  mann,  üiupersis,  S.  21,  Anm.  8  und  8.  22,  Adid  3 
goammelten  Beispiele  lehren.  Mao  hat  bei  ihrer  Erkliruog  zwischen 
der  Befreiung  der  Helena  durch  die  Dioskuren  uud  der  der  Aithra 
durch  Damophon  und  Akamas  geschwankt.  Heydemann  a.  a.  O.  tieht 
er  vor,  si^gar  Huf  jede  «heroische*  Erklärung  zu  verzichten;  nlleiodie 
Aüwescnheit  der  Athen«  scheint  ziemlich  bestimmt  für  die  ZtigeiiOi%- 
keit  wenigstens  der  vorliegenden  DarsteUong  zum  Troischeo  Sageo- 
kreine  zu  spredieiL 


5.   Schwsrzf tgnrige  Lekjthos. 

An  Grßsse,  Form,  Omamentining  osd  Stil  Nr.  4  estsprecbeod« 
dodi  etwas  besser  erhalten. 

In  der  Mitte  sitzt  auf  einen  mit  Polster  bdegten  Sttse  Athen«, 
bekleidet  mit  langem  Chiton  ond  omgeschUgeneoi  Mantel,  in  der 
Lmken  einen  Speer  halteod  und  den  Kopf  ra  dem  engten  der  beideB 
1.  Ton  ihr  alebendea  Figuren  wendend,  welche  beide  mit  Ingm  CSötoa 
Mantel  bekleidet  sind  nnd  mit  der  linken  eine 
Lnue  kalten.  Zwei  ebenen  gekleidete  Fignren  (n.  L) 
■iahen  r.  Ton  der  Göttin.  Die  inaiwmte  Figur  r.  txigt  ein  Bnad  im 
Htar,  doch  darf  man  wohl  anch  in  ihr,  wie  in  den  drei  ibcigen  Per- 
stMi  «iMn  Unna  orkcMen.  Allerthüükher  StiL  Die  Mnkrei  ist 
ohM  Feinheit  ■niyfthrt. 

Atikene  iniM.hijn  B|>ielendM  Kriegvn  bei  Gerhnrd,  AuerL 
gr.  Vn&L.  Tal  OCXCL,  zwischen  je  eiaem  Beüer  and  Krieger  aof  eiaer 
Vase  (bei  a  J nhn,  Dewhtdbang elc,  Nr  7221.  iwisehea 
KfifBgera,  ebpafilli  «af  cIbv  Miachwnfr  Vase  (0.  Jahn, 
n.n.  a  13SS). 


Oriecb.,  rüm.  u.  etrusk.  OegfeiiständL'  in  (]«r  Haiiiltur^<*r  AlttirthüTner-Sammlung.     93 

6.   Roth  figurige  Vase,  s.  g.  Oxybaphon. 

Die  Vase  entspricht  iu  der  Form  der  bei  H  e  y  d  e  ni  a  d  d  ,  Vasens. 
Taf.  U.  34,  0.  Jahn,  Beschreib,  d.  Vasens.  etc.  II,  54  und  Ger- 
hard, Berlins  ant.  ßildii.  I,  18  abgebildete«.  H.  0^30.  Durcbin.  0,30. 
—  Das  Gefäss  ist  durchgebrochen,  aber  wieder  zusammengeleimt. 
Einzelheiten  sind  mit  schwarzer,  brauner,  weisser  und  gelber  P'arbe 
aufgemalt.    Ergänzt  ist  ein  kleines  Stück  der  Vorderseite. 

Die  Darstellung  betindet  sich  oberhalb  eines  ringsumlaufenden 
Mäanderstreifens. 

A.  Von  I-  schreitet  ein  bis  auf  eine,  über  den  linken  Unterarm 
geworfene  Chlamys  nackter  Jöngling,  durch  dessen  Haar  eine  weisse 
Binde  geht,  heran,  in  der  xurückgestreckten  Rechten  einen  Stab,  in  der 
Linken  eine  Patera,  über  welcher  ein  Zweig  liegt,  haltend.  Kr  blickt 
auf  eine  vor  iliuu  auf  einer  natürlichen  Erhöhung  sitzende  Frau,  welche 
mit  Schuhen  und  langem  gegürteten  Chiton  bekleidet  ist.  Ihr  Haar 
ist  mit  einer  Sphendone  zusunimengehalten ;  die  Linke  ruht  auf  dem 
Sitze,  die  mit  einem  Armband  geschmückte  Rechte  greift  um  den 
Stamm  einer  kleinen  neben  ihr  wachsenden  Palme  (?).  Ueber  den  Figuren 
aur  Ausfüllung  des  Raumes  drei  Rosetten  angegeben. 

B.  Zwei  eng  in  ihre  langen  Mäntel  gehüllte  Jünglinge,  welche 
dt'n  linken  Arm  in  die  Seite  gestützt  haben,  stehen  sich  anblickend 
einander  gegenüber.  Zwischen  ihnen  spriesst  eine  stiliairte  Pflanze 
emjjor.     Ueber  ihnen  schweben  zur  Ausfüllung  des  Raumes  drei  Bälle. 

Unter  den  Henkeln  je  ein  Palmettenornament.  Ueber  der  Dar- 
stellung beider  Seiten  zieht  sich  ein  Lorbeerzweig  hin.  Leichte  ge- 
wandte Zeichnung,  offenbar  unteritalischer  Herkunft.  —  Auf  dem  Boden 
der  Vase  ist  ein  rundes  Loch  st-chen  geblieben;  dieselbe  war  also  wohl 
nicht  für  den  Gebrauch,  sondern  nur  zum  Schmuck  des  Grabes  be- 
stimmt. Ueber  die  Verwendung  von  PttanKenoruaraenten  zur  Aus- 
füllung des  Raumes  vgl  0.  Jahn,  Be.schreibung  etc.  p.  CCXX. 

7—56.  T  h  0  n  1  a  m  p  e  D. 

7.  0.  H.  Vorn  abgebrochen.  Ein  oben  und  unten  profilirter 
viereckiger  Altar  in  perspektivischer  Darstellung  mit  brennenden  Früchten 
und  r.  und  I.  davon  je  eine  Cypresse. 

Analoge  Darstellungen  auf  Lampen  angeführt  in  den  Bonner 
Jahrbüchern,  LXI,  S.  111,  Nr.  86.  Vgl.  auch  B  e  g  e  r ,  Lucemae 
vet,  sop.  I,  13. 

8.  Bruatbild  eines  bärtigen  Mannes  (o.  1.)  mit  Panzer  und  grie- 


94    Grieche  röm.  u.  etroBk,  Gegen^tinde  in  der  Hamburger  Alterthainer»S>nnnlimg. 

chischein  Helm  mit  hohem  Busche.  —  Vorn  dn  feines  Loch  «am  Dorcb- 

stecken  der  Nadel,  —  Rcks. : 

@ 
CIVNSIT 


Ein  ähnliches  Brustbild  auf  einer  Lampe  wird  von  Passeri 
(Lucernae  I,  XXII)  auf  Mars  gedeutet,  was  gewiss  nicht  richtig  isL 
Eher  wird  man  an  den  Portraitkopl  eines  Feldherrn  oder  Kaisers  n 
denken  haben.  Kaiserköpfe  auf  lumpen  z.  B.  in  der  Sammlang  des 
Wiener  Antikencabinets,  beschrieben  von  Kenner,  Die  antiken  Tbon- 
laropen  etc.  zu  Nr.  S5  ff. 

9.  Trimyxos  o.  H.  Ein  Scorpion,  welcher  seine  Scheeren  am  das 
Oelloch  legt.  —  Rcks,: 

FABL  (I?) 
F 
Wahrscheinlich  eine  christhche  Lampe;  rgl.  Bonner  Jahrbb.  LXI^ 
S.  110,  Nr,  82  und  Fröhner,  Inscr.  t  c  raa.  Nr.  1065  :  OF  FABI. 

10.  0.  H,  Ein  gettagelter  nackter  Erot,  das  linke  Knie  auf  eine 
Erhöhung  (Felsen?)  seilend,  den  Kopf  nach  L  wendend  und  mit  beiden 
Händen  einen  schmalen  Gegenstand  (Fackel?)  gegen  die  Erde  kdirend 
oder  von  der^lben  aufhebend. 

11.  0.  U.  Etwas  beschädigt.  In  einem  Kreise,  da  mit  einem 
uagetahnten  Rande  umgeben  ist  (vielleicht  Nachahmung  eines  Nim- 
bus?), befindet  sich  das  bekleidete  BrustbUd  der  Selene  vor  einer  llood- 
akhel  Ceber  ihrer  rechten  Schulter  scheint  der  Köcher  her>  orzuragen ; 
durch  das  Haar  geht  ein  Band. 

Vgl  Passeri,  Lucemae  H,  LXXXIQ  ff.  und  Kenner,  a.  a.  0.. 
a  29  L 

U.  O.  H.  finutbiki  d^  beUeideCeB  Seloie  (o.  r.),  auf  deren  Stirn 
die  Ifondaickel  schwebt;  abrigeas  ist  der  Kopf  Terkehrt  ai%epresst, 
da  die  Brust  der  Henkebeite  der  Lampe  zagevendet  ist. 

S.  «u  Nr.  11. 

13.  fitwaa  DerbrodnDf  aber  oflieBbar  aiemalB  griiraaciiL  Zwei- 
keakdige,  zieaüidi  flache  Vase,  derea  Baach  mü  Zweigca  gesehmaekt 
aa  aeia  acheiaC  Vom  ein  feiaes  Lodi  warn  Vnnloawii  dea  Dochteai 
Rcks.:  üaleBerlieher  StempeL 

AehaKehe  GefXase  aad  Vasen  bei  Kenner,  a.  a.  O.,  S.  64,  Nr. 
2M  £ 


kriech.,  rom.  ii.  etrutik.  Gegenstände  in  der  Hamburger  Alterthütner-SaminluDg.     95 

14.  Nach  r.  hinspringender  Hund  (?)  mit  geöffnetem  Maule. —  Rcks. 
C  POMDI  O 

(Etwa  C,  Pompei  Digni  —  Di?i  —  o  fficina?).  Vgl.  Kenner, 
a.  a.  0.,  Nr.  154. 

15.  0.  H.  Vorn  ein  feines  Loch  zum  Vorstossen  des  Dochtes.  — 
Auf  einem  n.  r.  galoppirenden  Pferde  sitzt  ein  nackter  Knabe,  mit  der 
Linken  die  Ziegel  anziehend,  die  Rechte  wie  zum  Schhige  erhebend. 
Die  Darstellung  des  Pferdes  ist  sehr  gut. 

16.  In  der  Mitte  eine  Rosette.  Der  umlaufende  Rand  ist  mit 
Rebzweigen  und  Trauben  ornamentirt.  —  Rcks.:  Nackter  Fuss  als 
Stempel. 

Ueber  das  vermuthlich  christliche  Symbol  dieses  Stempels  vgl. 
Bonner  Jahrbücher,  LXI,  S.  110,  77,  Aehnlich  verzierte  Lampen 
finden  sich  auch  in  der  Sammlung  Herstadt  in  Köln. 

17.  In  der  Mitte  eine  Rosette;  der  umlaufende  Rand  ist  mit 
Perlen  ornamentirt.  —  Rcks.: 


Wahrscheinlich  ein  Fabrikstempel. 

18 — 21.  Christliche  Larapen  von  plumper  Form  („Geschenk  des 
Herrn  Fr.  Stammann,  1876")  nach  beigefügter  Notiz  „di  Catacombe  di 
S.  Lorenzo  fuori  le  mura".  Grosses  Oelloch;  der  obere  Rand  mit  kleinen 
Tüpfchen  besetzt. 

19.  Um  das  Eingussloch  herara  ausgebrochen.  Am  Rande  be- 
finden sich  drei  deutliche  Ansätze,  durch  welche  ein  Draht  oder  Faden 
zum  Aufhängen  der  Lampe  gezogen  werden  konnte.    Rcks.: 


MARCEL 

^- 

Der  Zweig  deutet  vielleicht  auf  die  Lampenfahrik  eioes  christ- 
lichen Besitzers.  Vgl  Bonner  Jahrbücher  LXI,  S.  114,  118  und 
110,  80.    Fröhner.  a.  a.  0.  1457-64. 

20.  Lampe  von  ähnlicher  Form  und  gleicher  Herkunft  wie  Nr.  18. 
—  Rcks.: 

VIBIAT  (?) 


9(i     Oriecb.,  rata.  u.  etnrak.  Gegenstände  in  der  Hamburger  Altertbümer-Sammluug. 

Vielleicht  VIBIAN,     wie    auf    einer   Lampe    bei    Kenner, 

a.  a.  0.  Nr.  377  ft.    Fröhner  a.  a.  0.  2119. 

21.  0,  U.— Ikks.: 

ATIMETI 
Vgl.  Fröhner,  a.  a.  0.  206. 

22.  Rcks.:  FORTIS  und  darunter  ein  Kranz  mit  flatternden 
Bändern. 

Lampen  mit  demselben  Stempel  und  Fabrikzeichen  und  gleich- 
falls ohne  bildliche  Darstellung,  befinden  sich  in  der  Sammlung  Her- 
stadt in  Köln  (vgl.  B.  Jahrb.  a.  a.  O.,  S.  97,  10  und  S.  98,  15).  Der 
Stempel  FORTIS  findet  sich  übrigens  auch  häufig  mit  andern,  sowie 
ganz  ohne  Fabrikzeichen. 

23.  Christliche   Lampe.     Henkel  abgebrocben.     Zwiacheo  zwei 

Eingusslüchern  das  Monogramm 


Am  Rande  schraffirte  Dreiecke  nebeneinander  gestellt. 

Lampen  in  ähnlicher  Weise  ornamentirt  sind  aufgezählt  in  den 
Bonner  Jahrbb.,  a.a.O.,  S,  110,  78,  Vgl.  auch  Beger,  a.  a.  O.  III,  26. 
Das  Monogramm,  wobei  das  P  in  ähnlicher  Weise  aufgelöst  ist,  nicht 
ein  „Hakenkreuz"  wird  auch  auf  der  Kölner  Lampe  (Bonner  Jahrbb., 
LXI,  S.  115,  Nr.  122)  anzunehmen  sein. 

24.  Christliche  Lampe.  In  der  Mitte  ein  Fisch;  der  umlaufende 
Rand  ist  mit  Blättern  und  conceatrischen  Kreisen  ornamentirt.  —  llcks. : 

@ 
2.'j.  In  der  Mitte  zwischen  zwei  Eingusslöchern  ein  nach  1.  schrei- 
tender Hahn  in   flach   gedrücktem  Relief  mit  stitisirten  Federn.     Der 
herumlaufende    Rand   ist  mit    concentrischen    Kreisen,    Lotosblüthen, 
Schachbrettmuster   und   herzförmigen  Blättern  ornamentirt.  —  Rcks.: 


Die  Lampe  stammt  also  wohl  aus  derselben  Fabrik  wie  Nr.  24. 
Dass  sie  christlich  ist,  darauf  scheinen  sowohl  Lotosblütheu  als  Hahn 
(„der  Verkundiger  des  Lichtes  und  der  Auferstehung")  liinzuweiseu. 

26.  0.  H.  Ein  Ornament,  b&stehend  aus  vier  Kreisen,  hinter 
denen  zwei  sich  kreuzende  Zweige  hervorsehen.  Wahrscheinlich  christ- 
liche Lampe. 

27.  Lampe,  welche  napfartig  zur  Aufnahme  des  Oels  geöffnet  ist. 


Griecli.,  röm.  ti.  etru«1c.  Gegenstände  in  der  Hamburger  Altertbümer-Sammlutij^.    9T 

mit  einem  zapfenartigen  Ansatz  in  der  Mitte,  um  welchen  vermuthlJch 
der  Docht  heriiingelegt  werden  konnte. 

Lauipen  von  gleiclicr  Foini  beschrieben  in  den  B.  Jahrbb., a. a.  0., 
LXI,  S.  113  und  abgebildet  bei  Ueydemann,  Vasensammlmigen  des 
Mus.  Naz.  z.  Neapel,  III,  180. 

28 — 56,  Fragment  von  I-,inipeii,  in  zwei  ßypstafeln  eingelassen. 

28,  Löwe,  der  auf  ein  Thier  (Reh?)  sjiringt. 

29,  Nach  I.  sclireitender  Lüwe. 

30,  Pantherweibciien,  die  Vorderfüsse  auf  eine  mit  Frachten  ge- 
fällte Vase  setzend. 

Vgl.  Bonner  Jahrbb.,  LXI,  S.  96,  1. 

31—36.    Springende,  wilde  Thiere. 

37.  Ein  Reh  (?)  n.  r.  wendet  den  Kopf  zurück  nach  einem  an 
seinem  Euter  saugenden  Jungen  (V). 

38.  Ein  Huhn,  der  einen  Palmzweig  in  der  Kralle  trägt. 
Vgl  dazu  Bonner  Jahrbb.  LXI,  S.  99,  12. 

39.  Sitzende,  mit  doppeltem  Gewände  bekleidete  Fratiengestalt 
(e,  f.),  eine  Tateia  iu  der  Lirikeu  haltend,  wahrscheinlich  Fortuna. 

Vgl.  Passer i,  a.  a.  0.  II,  LXVL 

40.  Zwei  miteinander  kämpfende  (iiadiatoren. 

41.  Mänulicher,  bärtiger  Protilkopf  (n.  I.)  mit  Helm, 
Vgl.  zu  Nr.  8. 

42.  Weibliches  Brustbild  (e.  f.)  mit  perückenartigeiii  Haar,  von 
welchem  fünf  Sti-alilen  ausgehen.    (Selene?) 

Vgl.  zu  Nr.  11. 

43.  Aehnlich  wie  Nr.  42. 

44.  Weibliches  Brustbild  (e.  f.);  von  der  Brust  gehen  zwei  Flügel 
aus  (Sphinx  0. 

45.  Fragment  eines  weiblichen  Profilkopfes  (n.  r.)  mit  zurück- 
gestrichenem Haar,  auf  welchem  wie  ein  zurikkgcschobener  Helm  die 
Haut  eines  Menschenkopfes  ntit  geringeltem,  walleudem  Haar  —  MedusaV 
—  ruht.    Modern? 

46.  Kopf  des  Zeus  Ammon  (e.  f.)- 
Vgl.  Bonner  Jahrbb.  LXI,  S.  97,  8. 

47.  Zottige,  bärtige  Figur  (vielleicht  Pan?)  von  sehr  barbarischem 
Aussehen,  die  Arme  in  die  Seite  stemmend. 

48.  Tragische  Maske,  von  welcher  r.  und  1,  Lorbeerzweige  ausgehen. 
Vgl.  Passeri,  a.  a.  0.  II,  53—57. 


98    Orieob.,  röm.  q.  etmik.  Gegenstände  in  der  Hamburger  Alterlliänier-Sftiniiilra^ 

50—56.  Sieben  Lampenfragmente  mit  Masken,  theils  tragisch 
theils  komischen,  mit  aufgerissenem  Munde. 

Mit  diesen  Fragmeuten  vermischt  sind  die  folgenden  Bruchstücke: 

57.  Weibliches  Köpfchen  von  Terracotta  mit  Schleier  auf  dem 
Iliüterhaupte. 

58.  Ein  dickes  Kinderköpfchen  (h.  0,04)  von  Thon. 
59  u.  60.  Scherben  von  Gefässen  aus  teiTa  sigillata,  darunter  ein 

aus   einer  Grotte   hervorspringendes  Thier   und   der  bocksartige  Kopf 
eines  gehörnten,  bärtigen  Paus. 

Unter  den  griechischen  Thongefässen  ohne  bildlichen  Schmuck 
und  von  sehr  verschiedenen  Formen  sind  hervorzuheben  eine  unten 
spitz  zulaufende  Amphora,  kleine  Balsamerien,  offene  Ilenkelschaleu 
und  Oiuochoen.  Ein  roraisches  Gefäss  von  Porpbyrerde  mit  acht  länglich 
runden  Eindrücken   im  Bauche  ist  vernuithlith  Kheinischeo  Fundorts. 

Unter  den  zerstreut  nebeneinander  liegenden  Thonfragmenten  sin^ 
bemerkenswerth  ein  männlicher,  bärtiger,  mit  Stephane  geschmückter' 
Kopf  von  archaistischem  Charakter  —  unter  der  Stephane  kommt  das 
Haar  in  kurzen,  regelmässigen  Locken  hervor;  eine  komische  Maske 
mit  weit  aufgerissenem  Munde;  ein  Satyrköpfchen  mit  weit  aufgerissenem 
Munde  und  dicht  bekrilnztem  Haar;  ein  weiblicher  mit  Stephane  und 
hinten  herabhängendem  Schleier  geschmückter  Kopf,  an  welchem  noch 
Farbspuren  bemerkbar  sind;  das  Fragment  eines  Medusenkopfes;  das 
Fragment  eines  weibliehen,  maskenartig  gearbeiteten  Kopfes,  wie  solche 
L.  Ross  (Arch.  Aufsätze  I,  71)  aus  Gräbern  von  Kheuaia  stammend 
in  Mykonos  gesehen  haben  will;  endlich  eine  ganze  Auitahl  weiblicher, 
theils  Köpfe,  theils  Brustbilder  mit  hohem  Kopfschmuck,  von  Figurei 
die  auf  der  linken  Schulter  mit  der  Linken  ein  Kästchen  halten  unc 
deren  rechte  Brust  oft  entblosst  ist;  einige  von  ihnen  sollen  aus  Pästum^ 
stammen;  vielleicht  sind  es  Fragmente  von  ausgehöhlten  Thonreliefs, 
wie  ich  deren  ähnlich  aus  Kölner  Sammlungen  (Bonner  Jahrbb.  LXI, 
S.  121 ,  Nr.  173  f.)  beschrieben  habe.  Thonreliefs  der  Art  kommen 
Dach  Ross  a.  a.  0.  gleichfalls  in  griechischen  Gräbern  vor. 


Die  auf  zwei  Gipstafeln  eingelassenen  Stücke  von  Wandmalereien 
sind  ohne  besonderen  Werth,  bemerkenswerth  darunter  ist  nur  das 
Fragment  eines  schön  gezeichneten,  über  Ranken  dahinschreitendc 
Pferdes.  U.  Dutschke. 


Römisohe  Gläser. 


99 


5.  Römische  Gläser. 

a.  Altchristliche  Goltlgläser  vom  Rhein. 
(Hierzu  Taf.  IV  ».  V.) 

Bis  zur  Veröffentlichung  der  Anfungs  der  Sechsziger  Jahr«  in 
Köln  bei  S.  Ursula  und  S.  Severin  getiindenen,  im  36.  und  42.  Hefte 
unserer  Jahrbücher  verötfeiitlichten  römischen  Glasschalen  mit  gold- 
gemalten  chri.'^tlichen  Darstellungen  ■),  hegte  man  die  bestimmte  Moinung, 
es  seien  solche  üoliigläser  eine  lediglich  den  Kntakoniheii  und  ihren 
christlichen  Bewohnern  eigenthiindiche  und  auf  Rom  beschränkte  Kunst- 
art*). Freilieh  hätte  von  einer  solchen  Annahme  die  Erwägung,  dass 
das  jugendliche  Christenthum  seiner  ganzen  Natur  nach  nicht  geeignet 
war,  als  Schöpfeiin  neuer  Kunstrichtungen  und  bisher  nicht  geübter 
Kunstgewerbe  aufzutreten,  ebenso  abhalten  sollen,  wie  die  Wahrneh- 
mung der  mannigfachen,  rein  heidnischen  Darstellungen  auf  denselben. 
Folgerichtig  müssen  solche  zu  den  christlichen  Anschauungen  in 
keinerlei  Beziehungen  zu  bringende  Bilder  heidnischen  und  mytho- 
logischen Inhaltes:  des  Herkules  und  Achill,  der  Venus,  Grazien, 
Kingkümpfer,  Wagenlenker,  Handwerker  u.  dergl.  doch  zu  der  Ueher- 
zeugung  führen,  dass  das  praktisi;he  christliche  Bethlrfniss  des  Ge- 
brauchs von  Glaagefässen  sich  der  bereits  im  häuslichen  Leben  vor- 
handenen bediente  und  zu  keinen  neuen  Erfindungen  schritt.  Weiter- 
hin deutet  dann  das  gleich  massige  Vorkf^nmen  dieser  Goldglüser  in 
den  Katakomben  auf  eine  gleiche  gemeinsame  Zweckbestimmung  daselbst. 

Durchgiingig  waren  nämlich  diese  Gläser  in  den  frischen  Kalk- 
bewurf der  äusseren  Grabwände  eingedrückt,  sf>  dass  der  Fuss  und  der 
untere  Theil  der  Schaale  in  diesem  gefestigt  erschienen,  während  der 


1)  Die  GlaBpateoe  mit  kleioen  lilauen,  in  6old  figurirtcD  Modaillons  \m 
8.  Severin  gefunden,  Heft  36,  Taf.  III,  befindet  sich  noch  in  der  uuvergleichlicb 
kostbaren  Sammlung  römiacber  tTläser  des  Herrn  Carl  Disch  in  Köln;  während 
der  bei  S.  Ursula  gefundene,  Hüft  42,  Taf.  V  abgebildete  Glas-Teller  ans  dem 
Besitz  des  Herrn  Eduard  Heratatt  in  Köln  mit  der  Sflinuiluug  Slade  in  das  Bri- 
tische Musenm  gelangte.  S.  50  dea  Catalogue  of  tho  Collection  of  Glass  formed 
bei  F.  Slade,  London  1871;  de  Rossi,  Bulletino  1864  u    1866. 

2)  Garocci  bei  Kraus,  Koma  Sotterauea,  S.  291. 


100 


Römisch«  flliiwr. 


offene  obere  Theil  gleich  einem  umrahmten  Medaillon  anschaabar 
die  Wandtläche  hinausragte.  Dadurch  erklärt  es  sich  von  selbst^  dass 
die  vorstehenden  dünnen  Gefässwände  im  Verlaufe  der  Zeit  leicht  ab- 
gestosscn  wurden  und  nur  die  im  Mörtel  eingeknickten  goldgeschmiickten 
Gefässbüden  —  die  deshalb  den  Namen  fondi  d"oro  bekamen  — 
sich  erhieUeo.  Dennoch  dürfte  die  merkwürdige  Thatsache,  dass  mit 
wenigen  Ausnahmen  an  allen  römischen  fondi  d'oro  die  Reste  und 
Spuren  der  Gefassraäntel  fehlen,  nicht  nur  durch  Zerbrechen,  sondern 
durch  andere  Gründe  zu  erklären  sein ')-  Indem  die  Controverse,  ob  diese 
GUser  bei  den  Christen  als  Abendmahlsgefasse  oder  als  Tiinkbecber  dtr 
Liebe^m&hle,  oder  wie  sonst  anzusehen  sind,  hier  dahin  gestellt  bleiben 
mag*),  können  wir  als  feststehend  ansehen,  dass  ihre  weitere  Ver- 
wendung zum  iosseren  Grabschmuck  sehr  bald  eine  aasgebreitete*) 
und  eine  solche  war,  der  nicht  sowohl  oder  nur  das  Andenken  an  den 
orBprltaigbciien  Gebnveh,  sondern  wesentlich  die  Anschaanng  der  igtr- 
tiefaea  Dar^efloii;  za  Grande',  lag.  Die^Bilderfeindlickkeit  den  CkriaCai- 
tkons  steht  dem  nicht  entgegen,  da  nasere  Glaser  scboa  den  S.  nd 
4.  Jahrhundert  angehören*). 

Tketll  laaB  ana  die  Aaskht,  dass  die  Aageböng««  (ier  Verstoi 
bei  Aabeftnag  der  goUfigarirtoi  GUser  in  dea  swistea  FiOen  aar  die  AI 
aidit  hegten,  das  Grab  nüt  jenea  hetligen  Daratellangen  dert*oldmeda3loa8 
der  GefiissbAien  n  sdiaUkken,  daan  wird  nua  gewiss  aach  aiit  Baehl 
verauithea  dtifea,  dass  «fiese  MedaiUaas  gesoadect  aad  aUete  fir  ach 
§eiert%t  aad  als  BiMcr  sDetn  aad  fSur  äA  iiiauadtt  varden.  Diese 
faa  mar  bereits  vor  14  Jabrea  aasgespro^aae  Miiaaag  erhält  ihre 
«•Da  Bititigawg  darcfa  die  Betrachtnag  der  becUaMeB  Glaa-FaiaM 
dw  Tlswnlai^  des  Herrn  e  ari  Disdi  ia  KSIa.  Die  chmbI 
dtoeea  aad  einer  AaiaU  äbnlicb«^  GUstst  laaca  aicfat  dea 


1)  Wirw  alt  Ibodi  i^mo  BUn 

Bm*  far  wcki  mtäm.     Sms  « 
lULXXnX  7«  •.  Tbc    1» 


1)  Kr«««,  Boa 

S)  Dm  «iim<i  A« 

Tairi  Maaftt  «  6|«M  M 

4)  6«r«c«i.  TfeC 


SLaot. 


mh  fi*rr««ei 


Kr»««,  S. 


Römische  Glftser. 


101 


Zweifel  dailiber  Gestehen ,  dass  die  Hprstelhing  der  Gefässe  und  der 
daran  befindlichen  kleinen  bunten  Medaillons  eine  getrennte  und  von 
einander  unabhängige  war.  Man  kann  nämlich  sowohl  an  dem  Disch'sdien 
Glase,  wie  an  den  auf  Taf.  V,  1,  2  u.  3  ab^^cbildcten  Bechern  der  Vereins- 
sanimlung  und  des  rrovinzialmuseums  in  Bonn  deutlich  erkennen,  dass 
diese  kleinen  Medaillons  in  die  äusseren  Wandungen  der  geblaseneu 
Gefässe,  während  diese  noch  flüssig  waren,  eiugedrück't  wurden'),  sie 
mithin  vorher  für  sich  gefertigt  und  in  Vorrath  zur  Hand  sein  mussten. 
Wenn  man  nun  den  Zustand  und  die  Herstellungsart  der  fondi 
d'oro  studiert,  wird  man  zu  dem  Resultate  gelangen,  dass  auch  diese 
Medaillons  für  sich  fabricirt  und  dann  später  als  fertige  Stücke 
ebenso  zu  solchen  Gefassen  liinzu  genommen  wurden,  deren  Böden  man 
damit  zw  schmücken  gedachte.  Noch  heute  werden  Medaillons  ähn- 
licher Art  zu  amiereni  Zwecke  gemacht.  Die  Olaswürfel,  welche  zur 
Herstellung  der  goldenen  Hintergründe  der  römischen  und  byzantinischen 
Wand-Mosaiken  dienten,  geben  dazu  eine  erwünschte  Analogie.  Prüft 
man  diese  Würfel,  so  sieht  man,  dass  sie  bezüglich  der  Herstellung 
wie  die  fondi  d'oro  beschaffen  sind,  indem  das  auf  einer  Glasfläche 
durch  einen  Klebstoff  gefestigte  Schaumgold  —  in  welches  man  bei  den 
fondi  d'oro  die  Darstellung  gravirt  —  durch  einen  Ueberfang  von  Glas 
geschützt  wrd.  Aber  die  so  hergestellten  (ilaswürfel,  welche  man  bei 
einem  grossen  Wand-  oder  Kuppel-Mosaik  zu  Hunderttausenden  ver- 
braucht, ist  es  nicht  üblich  einzeln  zu  verfertigen.  Ginge  das  auch  an, 
so  würde  es  dem  Bedürfniss  des  ausführenden  Mosaicisten,  bald  einen 
kleineren,  bald  einen  grösseren,  bald  einen  Würfel  von  dieser,  bald  von 
jener  Gestalt  zu  verwenden,  nicht  entsprechen,  einen  Vorrath  gleich 
grosser,  regelmässiger  Würfel  zu  haben.  Die  Seitenwände  der  Glasstifte 
zeigen  auch  deutlich,  dass  sie  aus  grösseren  Stücken  nach  Belieben 
und  Bedürfniss  wahrscheinlich  mit  der  Zange  gebrochen  oder  mit 
dem  Hammer  abgeschlagen  sind.  Der  belehrenden  Freundlichkeit 
des  bekannten  Erneuerers  der  alten  venetianischen  Glasindustrie  uud 
besonders  der  byzantinischen  Wand-Miisaiken,  Herrn  Dr,  Salviati  in 
Venedig,  verdanke  ich  eine  der  Platten ,  wie  sie  in  seiner  Fabrik  als 
Material   für  die   weitere  Mosaikarbeit   hergestellt  werden.    Es  sind 


l)  Innen  läuft  die  Glaswandung  annnterbrochen  ober  die  Medaillons  htn- 
Kwg.  Vor«!.  Taf.  IV,  6,6a  a.  6b,  welche  an  einem  Fragmente  des  Glases  von 
Ditcb  die  Art  und  Weise  zeigen,  wie  die  blauen  Medaillons  in  den  weissen  Ge- 
da^Wandungen  eingesetzt  sind. 


102 


Römische  Gläser. 


runde  Glasscheiben,  deren  Unifiingsich  nach  der  Grösse  aeraufltegendea 
viereckigen  Schaumgoldblätter  —  dieselben,  die  zu  allen  rindern  Ver- 
goldungen im  Handel  zwischen  dünnem  rajjier  in  Büchelchen  verkauft 
werden  —  richtet.  Aus  dieseo  Scheiben  (Taf.  IV,  5)  schlägt  der  Mo- 
saicist  seine  Stifte,  so  wie  er  sie  braucht,  heraus. 

Mir  ist  es  nicht  zweifelhaft,  dass  man  die  Boden-Bilder  der  Gold- 
gläser in  ähnlicher  Weise  zunächst  für  sich  allein,  vielleicht  in  besonderen 
Fabriken  als  Medaillons  anfertigte  und  dann  einestheils  als  Bilder,  andern- 
theils,  je  nach  Bestellung  und  besonderen  Zwecken,  als  figurirte  Gefiiss- 
böden  verwandte,  indem  man  die  Gefässwände  nachträglich  besonders 
aDblies.  Denn  so  gut  wie  man  in  dem  noch  elastischen  Mantel  der 
Kölner  Schaale  die  kleinen  blauen  Medaillons  eindrücken  konnte,  wird 
man  auch  die  Ränder  der  grossen  Medaillons  so  weit  wieder  zu  erglühen 
vermocht  haben,  um  daran  einen  Mantel  anblasen  zu  können,  oder  aber 
in  die  fertig  geblasene,  indess  noch  glühende  Schale  das  vorhandene 
Medaillon  in  den  Boden  einzudrücken  vermocht  haben. 

Ist  diese  Ilerstellungstheorie,  welche  mir  das  Disch'sche  Glas  ao 
die  Hand  gab  und  welche  die  weiterhin  abgebildeten  und  manche  andere 
Gläser ')  bestätigen,  richtig,  so  hat  sie  eine  bedeutsame  Folgerung  für  die 
Beurtheilung  der  fondi  d'oro.  Waren  nämlich  die  heiligen  Darstellungen 
der  für  den  sacralen  Gebrauch  bestimmten  Glasschalen  in  der  Bilder- 
erlaubten Zeit  erst  einmal  beliebt,  ein  Gegenstand  des  Wunsches  frommer 
Geniüther,  so  wird  man  schnell  dazu  übergegangen  sein,  sich  lediglich 
diese,  die  im  Handel  zu  huhendeo  Medaillons  zu  kaufen,  um  sie  als 
christliches  Bild  zu  Trost  und  Schutz  so  anzubriogeQ,  wie  wir  dieselben 
an  den  Grabwänden  der  Katakomben  vorfinden. 

Die  Mehrzahl  der  fondi  d  oro  sind  aber  dann  niemals  Böden  zer- 
brochener Gefässe  gewesen,  sondern  sie  sind  heute  noch,  was  sie  ehe- 
mals waren,  religiöse  Bilder  in  der  Form  runder  Glas-Medaillons*). 

Wie  ich  bereits  vor  14  Jahren  in  der  glücklichen  Lage  war,  durch 
i'ublicirung  des  Disch'schen  Glases  die  Ansicht  von  der  lediglich  in 
Rom,  beziehentlich  lediglich  in  Italien  vorhandenen  Technilc  der  Gold- 
gläser zu  erweitern  und  hinzuftigen  darf,  dass  auch  vor  2  Jahren  bei 


1)  Ein  Glas  mit  glsltcn  blauen  wie  grünen  MedailloDS  im  Kölner  Mus. 
erw&hole  ich  bereila  Heft  30,  S.  128. 

2)  Cennini  in  geinem  Traotat  «1er  Malerei  (14.  Jahrb.),  herausgegeben  von 
Ilg  (Wien  1871),  lehrt  c.  172  die  Anfertigung  ähnlicher  Glaebilder  mit  Gold  und 
Farbi<u  und  sagt  auadrücklich,  de  seien  zur  Verzierung  der  Reliquien  entatanden. 


Römische  Gläser. 


108 


S.  Ursula  nochmals  ein  Rest  eines  fondi  d'oro  inCöIn  gefunden  wurde'), 
80  bin  ich  heute  im  Stande,  nicht  aliein  die  geographische  Ausdehnung 
der  Funde  abermals  zu  erweitern,  sondern  auch  die  Ausdehnung  der 
eigeöthümlichen  Kunstart  auf  andere  Geräthe  als  Gefäss-Böden. 

Unsere  Taf.  IV  zeigte  in  gleicher  Grösse  4  Glas-Plättchen,  welche 
einst  die  Wände  eines  kleinen  Kastens  bildeten.  Zum  Deckel  diente 
Platte  1,  als  Langseiten  haben  wir  2  und  4  anzusehen,  wahrend  3  und 
ein  bis  auf  undeutliche  Spuren  schmucklos  gewordenes  und  deshalb 
nicht  abgebildetes  Täfelchen  die  Schmalseiten  abgaben.  Hass  sich  an 
einer  der  Laogseiten  ein  Verschluss  befand,  ergiebt  die  Raunmus^pa- 
ruDg  an  der  oberen  Seite  der  zweiten  Tafel.  Die  Berandung  sänimt- 
licher  Stücke  bildet  ein  einfaches  Zickzackornament  mit  Piinktinmgcn, 
ausgeführt  in  rother,  blauer  und  gelber  Farbe.  Die  bildlichen  Dar- 
stellungen sind  aus  aufgeklebtem  Schaumgold  herausgearbeitet.  Ein 
Zusammenhang  unter  denselben,  eine  Beziehung  der  einen  Darstellung 
auf  die  andere  ist  nicht  zu  erkennen,  um  so  weniger,  als  die  Zer- 
störung schon  beim  Funde  zu  weit  vorgeschritten  war,  um  die  sichere 
Bestimmung  sämmtlicher  Figuren  zu  ermöglichen. 

Betrachten  wir  zuerst  das  Deckelbild.  Von  den  drei  Figuren 
desselben  sind  die  beiden  zur  Seite  befindlichen  als  Petrus  und  Paulus 
überschrieben.  Dadurch  ergiebt  sich  von  selbst,  dass  in  der  Mitte 
zwischen  diesen  beiden  Aposteln  der  Heiland  anzunehmen  ist,  eine 
Annahme,  der  auch  die  segnende  Rechte  der  mittleren  Figur  entspricht. 
Ob  der  Erlüscr  in  der  Linken,  wie  waht^cheitilich  ist,  ein  Buch  hielt, 
ob  er  auf  einem  Throne  sitzend  dargestellt  war,  ob  die  Pfauenaugen, 
die  den  unteren  Körper  umgeben,  dem  Gewand  angehören,  ob  innerhalb 
des  Himraelsbogens  zu  seinen  Füssen,  noch  eine  symbolische  Gestalt, 
vielleicht  die  des  Himmels*)  sich  befand:  das  Alles  sind  Fragen,  welche 
sich  aus  der  maogeShaften  Abbildung  nicht  beantworten  lassen. 

Etwas  besser  erhalten  erscheint  die  zweite  Dar.^'telluug.  An  den 
Seiten  stehen,  ebenso  wie  in  den  vorigen,  zwei  männliche  Gestalten 
mit  der  Beischrift  IPPSLITS  und  SVSTVS,  Der  letzte  Name  ist  in 
dieser  alten,   meines  Wissens  auch  in  den  Katakomben  vorkommenden 


1)  Die  fragmentirto  Platte  kam  aus  dem  Kunathandel  in  den  Besitz  des 
Herra  Carl  Discli  und  wird  im  Catalog  der  Kölner  kunathistorisohen  AuBBtellung 
TOD  1876,  S.  6,  Nr.  30  als  Evangelist  Marcus  init  dem  Löwen  bezeichnet 

2)  So  auf  dem  Sarkophag  des  Juuius  Bassuö  und  anderwärts,  rerg).  Piper 
Mythol.  und  Symbolik  der  cbriatl.  Kirche  II,  S.  44. 


104 


Römiflche  Oliaer. 


Schreibung  gleichbedeutend  mit  Sistus  und  Sixtus  und  bezeichnet  den 
im  Leben  des  S.  Laurenliua  vorkommenden  Papst  und  Märtyrer.  Im 
ersten  Namen  wird  man  im  vierten  Buchstaben  einen  Schreibfehler 
anzunehmen  und  statt  des  S  ein  O  zu  setzen  und  ippoiit(u)s  zu  lesen 
haben.  Hyppolitus,  Märtyrer  und  Zeitgenosse  des  h.  Sixtus  kommt 
ebenfalls  in  Gemeinschaft  mit  dem  h.  Laurentius  vor,  der  ihn  taufte. 
Hippolitus  scheint  in  der  Rechten  ein  Buch  getragen  zu  haben.  Die 
zwischen  den  Märtyrern  Sixtus  und  Hyppolitns  vorgehende  Handlung 
begiebt  sich,  wie  zwei  die  Localität  andeutende  Bäume  zeigen,  im 
Freien.  Eine  männliche  Person  sitzt  auf  einer  Erhöhung,  eine  andere 
steht  abgewendeten  Gesichtes  vor  ihr  und  hält  eine  an  langem  Stil 
befestigte  Scheibe  ihr  entgegen.  Die  Ueberschrift  lautet  lOB  BLASTEMA. 
Auch  hier  haben  wir  einen  Schreibfehler  des  Zeichners  und  statt 
T  die  Buchstaben  PH  im  letzten  Worte  anzunehmen,  wodurch 
uns  die  ganze  Darstellung  sofort  klar  wird  als  die  Trübsal  Job's. 
Job  sitzt,  dürftig  bekleidet,  auf  einem  Mist-  oder  Ascheuhaufen  und 
vor  ihm  erscheint,  mit  abguwendetem  Gesicht,  seine  Frau.  Das  ab- 
gewendete Gesicht  spricht  offenbar  Ekel  und  Angst  vor  Ansteckung 
aus.  Zur  deutlicheren  Kennzeichnung  dieser  Emptindungcn  dient  häufig 
auf  sonstigen  Denkmälern  <ler  Leiden  Job's  das  Zuhalten  der  Nase. 
In  unserem  Bilde  tritt  ein  anderes  Moment  mehr  in  den  Vordergrund, 
indem  die  Gattin  des  frommen  Dulders,  zwischen  Angst  und  Mitleid 
schwankend,  zwar  das  Gesicht  abwendet,  aber  doch  zugleich  demselben 
auf  langer  Stange  einen  Gegenstand  hinreicht.  Beide  Momente  sieht 
mau  auf  dem  berühmten  Sarkophag  des  Junius  Bassos  in  den  Vati- 
canischen  Grotten  vereinigt:  Vor  dem  auf  einem  Aschenhaufen  sitzenden 
Job  stehen  seine  beiden  Freunde,  von  denen  sich  der  eine  die  Na»e 
zuhält,  der  andere  den  gleichgeformten  runden  Gegenstand  dem  ge- 
prüften Gottesmanne  entgegenhält.  Auch  auf  mannigfachen  anderen 
Monumenten-)  wiederholt  sich  derselbe  Vorgang.  Man  hat  den  hiniJie- 
haltenen  Gegenstand  bald  für  einen  Wedel  oder  Fächer,  bald  für  einen 
Spiegel,  ein  Weinsieb,  einen  Prügel  u.  dergl.  gehalten'),  ohne  zu  be- 
denken,   dass  derselbe   doch  jedenfalls  die  Zweckbestimmung    hatte. 


1)  Halitam  meum  exliorrmt  nior  mea.     Job  19,  7  (YulgraU).  BottariXCl. 

2)  Maoasor.  d.  Greg.  V.  Nuianz  der  Paris.  Bibl.  (m.  gr.  Nr  510  fol.  71) 
abgebildet  in  les  arts  eomptuaires.  Vergl.  Revue  aroheol.  y.  1860  eto.  Mar- 
ti gn  7,  DicUonaire  des  Antiqa.  obret.  nouv.  Edition  1877,  S.  396. 

8)  Bottari  zu  Taf.  XV,  Garucot,  Hogiogl)*pha,  Note  tu  p.  60. 


Römisch»  QltB«r. 


106 


JTgetid  ein  Bedtirfniss  des  LeHletidcn  zru  bpfViedigen,  seine  Lage  zu  er- 
leichtern. Scverauo*),  der  Hcrausfj^cber  von  Bosio's  Roma  sottcranea, 
und  später  in  besonderer  Schrift  Ediiioud  le  Blaot*)  haben  richtig 
erkannt,  dass  es  ein  rundes  Brod  ist,  welches  JoVs  l'Yau  hier  ihrem 
Gatti-iQ,  in  dessen  unmittelbare  Nähe  sie  weder  zu  kommen  noch  ihn  mit 
der  Uünd  zu  berühren  wagt  —  auf  langer  Stange  dnrreichL  Wollte 
mau  aus  innereiiGründen  diese  Deutung  noch  nicht  für  zwingend 
erachten,  so  würde  schon  die  vollständige  rileirhheit  der  römischen 
Brode.  wie  man  sie  in  Pompeji  gefundtni,  mit  der  runden  Form  und 
sternförmiger  Verzierung  in  unserem  Bilde  dieselbe  rechtfertigen'). 
I  Die  Darstellung  auf  der  entsprechenden  anderen  Langseite  (4)  ist 
leider  in  der  Mitte  zerstört  und  lässt  deshalb  keine  ganz  bestimmte 
oder  vielmehr  eine  mehrfache  Deutung  zu.  Auf  der  einen  Seit^j  erblickt 
man  eine  stehende  Figur  mit  der  Beiachrift  PETR(V)S,  auf  der  andern 
einen  durch  Bart  und  Mtltze  gekennzeichneten  Juden,  dessen  aufge- 
hobene Hände  Firstaunen  über  einen  Vorgang  aui-idrücken,  der  zwischen 
Petrus  und  einer  vor  diesem  kriieendeii  Person  statthat.  Petrus  hält 
mit  der  rechten  Hand  ein  Schwert  oder  einen  Stab,  was  nach  der 
Mangelhaftigkeit  der  Zeichnung  des  sehr  zei'störten  Bildes  mit  Sicher- 
heit nicht  festzustellen  ist.  Entscheidet  man  sich  flir  ein  Schwert,  so 
werden  wir  im  Garten  von  Gethsemane  den  Moment  dargestellt  er- 
blicken, wo  Petms  dem  Malchus  ein  Ohr  abhaut  und  der  Heiland  dies 
wieder  anheilt.  Das  aufgehobene  Schwert  deutet  auf  die  That  selbst, 
wohingegen  das  Knieen  des  Makhus  und  das  l^rstaunen  des  Juden 
mehr  auf  das  Wunder  der  Heilung  hinweisen.  In  diesem  Falle  würde 
in  der  zerstörten  Mittelflächc  die  Gestalt  des  Heilandes  anzunehmen 
sein.  Es  kommen  nun  in  symbolischer  Bedeutung  auch  Dar.stelluageu 
Petri  im  Bilde  des  aus  dem  Felsen  Wasser  schlagenden  Moses  vor. 
loa  vom  herein  würde  man  gewiss  entfernt  nicht  daran  denken,  jene 
»artigen,  mit  dem  Stabe  den  Felsen  anschlagenden  Gestalten  zweier 
Ibndi  d'oro  für  diejenigen  des  Petrus  zu  halten;  ja  es  würde  absurd 
[sein,  nicht  Moses  darin  erkennen  zu  wollen,  —  wäre  nicht  ausdrücklich 


1)  Baaio,   Koma  soiteranea  1,  U,  o. 8.  u.  S,  614.  of.  Arin^hi  üb.  IL  c.  10. 
ä)  Edm.  Ic  Blaut,  d'une  Rcpreacnlation  inödite  de  Job  sur  an  Sarcopliag;e 
l*Arl68.    Paris  1860. 

8)  Man  vergl.  die  Brode  bei  Overbeck,   Pompeji  S,  611;  Rieh,  Wörter- 
^ch  d.  Auig.  V.  Müller,  S.  442  uad  auf  den  cbristl.  iSarkophagen  bei  Bosio 
Sm.  42&.  &13. 


106 


Römische  Gläser. 


der  Name  Petrus  beigeschrieben'}.  Ob  aber  hier  die  Annahme  eines 
Stabes  den  Vorzug  vor  dem  Schwerte  verdient,  Petrus  als  der  dem 
Felsen  Wasser  entlockende  Moses  anzusehen  ist,  möchte  ich  nach  Ver- 
gleich sämratlichpr  mir  vorliegender  Copien  unseres  kleinen  Denkmals 
bezweifeln :  die  meisten  derselben  deuten  in  der  Nähe  der  fassenden 
Hand  auf  einen  Schwertgriff'). 

Von  den  Tafeln  der  beiden  Schmalseiten  war  die  eine  bis  auf  die 
Spuren  einer  mittleren  Fi^iur  und  die  links  neben  dem  Kopfe  stehenden 
Buchstaben  10,  welche  ebenso  wohl  auf  lOB  wie  lOH ANNES  deutbar 
sind,  zerstört;  die  andere  vergegenwärtigt  den  Sündenfall  und  zeigt 
den  l^aum  mit  der  Schlange,  wie  die  Gestalt  der  Eva  noch  wohl  erhalten, 
während  die  Figur  des  Adam  zerstört  ist.  Man  erkennt  deutlich,  dass 
I'',va ,  auf  Adam  schauend  ^  ihn  zum  Essen  des  Apfels  auffordert,  und 
durch  die  Handbewegung  auf  ihren  Mund  besagen  will,  dass  sie  bereits 
von  der  verbotenen  Frucht  genossen  hat. 

So  zerstört  auch  diese  Tafeln,  so  roh  sie  in  ihrer  Zeichnung  sind, 
80  wichtig  erscheinen  sie  für  die  weitere  Bestätigung  der  geographischen 
Verbreitung  der  Goldgläser-Industrie  über  Rom  hinaus,  ganz  besonders 
aber  für  die  zum  ersten  Male  bekannt  werdende  Ausdebnong  derselben 
auf  andere  Gegenstände,  als  die  fondi  d'oro. 

Die  Täfelchen  gehören  einem  am  12.  März  1847  in  Neuss  ge- 
machten Grabfunde  an  und  gingen  sofort  in  den  Besitz  des  um  die 
Rheinische  Alterthumskunde  hochverdienten  Sanitätsrathes  Dr.  Jäger 
in  Neuss  über.  Das  Einzige,  was  über  den  Fund  bekannt  wurde,  ist 
die  nachfolgende  Mittheilung  vom  20.  März  1847  im  Feuilleton  der 
Dnsseldorfer  Zeitung: 

Zur  Alterthumskunde  von  Neuss. 
Zu  dem  Funde  von  römischen  und  mittelalterlichen  Alterihüroem,  den 
icb  im  Feoilleton  der  Nr.  73  dieser  Zeit,  beedirieben,  bat  aidi  am  12.  d. 
M.  Math  1647  schon  ein  anderer  eines  antiken  Grabes  aogereibei,  valchca 
in  vielen  Beziehongen,  besonders  aber  weg«n  der  achSnen  gläsemeo  Gefiase 
und  Glaat&felchen  mit  Goldmalereiea  *),  als  höchst  intereasaat  arsclMiat. 


I)  Abbildang  bei  Eraua,  B.  800  u.  Tat  VI,  4.  Martignj  L  c  S.  474. 
da  Roati,  Bollctioo  1S77,  S.  T7  C 

3)  Dem  ersten  Etndmck  nach  könnte  man  such  wolü  die  knieende  Figur 
fir  «i»a  «aibiieh«  bähen  oad  darin  eine  der  Mägd«  arhaaiwa,  daMB  geg—Sbar 
Tvlraa  dsn  Harm  variaag— te. 

3)   Bekanntliob    gehörtaa   glisen«  GeftaM  od  GlaHaoboB  ibttkaopi  sa 


Eb  fand  nämlich  der,  mit  Aufschürfen  seinen  Gartens  behufs  Sand- 
gewinnang,  der  er  im  Winter  gewöhnlich  obzuliegen  pflegte,  vor  dem  Ober- 
thore  zu  Neuss,  rechts  von  der  Kölner  Strasse,  dicht  am  sogenannten 
Gütchen  nnd  am  Erftkanal  wobneode  Gärtner  und  Blumenhändler  Gif  1er, 
zwei  FuBS  unter  Dammerde  auf  Sand  ruhend,  einen  mit  einem  steinernen 
Deckel  versehenen,  sechs  und  einen  halben  Fuss  langen,  zwei  Fuss  tiefen 
und  eben  so  breiten,  drei  Zoll  dicken,  oben  etwas  weitern  als  unten  mas- 
siven Sarg,  aus  Liedberger  Braunkohlensnndstein  konätruirt.  Der  Deckel, 
welcher,  wie  der  Sarg  selber,  durch  den  Einfluss  der  Jahrhunderte  lang 
eingewirkt  habenden  Nässe  des  Bodens  erweicht  und  fast  bröcklig  gemacht, 
wurde  beim  Abnehmen  zerbrochen,  ist  aber  in  seinen  Stücken  noch  vor- 
banden. Der  Inhalt  des  Sarges  wur  folgender:  Im  Schlaram  schwimmend 
lag  ein  nach  Osten  gerichteter,  sehr  vermodeiier,  morscher  Körper  eines 
Erwachsenen,  wovon  sieb  besonders  die  Wirbelsäule  and  die  Höbrenknochen 
der  Glieder  erkenntlich  machten.  Ueber  diesem  Skelette  waren  einige  Eimer 
einer  weissen  in  Elumpcn  vertbeüten  schmierigfettig  anzufühlenden  Masse  ver- 
breitet, welche  sich  bei  der  mit  ihr  in  der  Apotheke  des  Herrn  Sels  hier- 
selbst  vorgenommenen  genauen  Untersuchung  als  nichts  Organisches, 
sondern  als  Gips  erwies.  Vielleicht  rührte  diese  Substanz  von  zerbröckelten 
Statuetten  von  Heiligeabilder,  so  mau  dem  Grabe  beigefügt  hatte,  oder 
von  einem  Gubb  zur  Conservirung  des  Leichnams  her.  So  findet  man  bei 
den  römischen  Gräbern  in  Särgen  und  Tufstein  genauer  eine  ähnliche  Be- 
legung mit  präparirtem  Thon,    oft  von  P/it  Fuss  Dicke.     Weiter    enthielt 


den  kostbarsten  Gegenständen  des  hohen  Alterthunis.  Viele  Jahrhnnderte  waren 
die  Phönizier  allein  im  Besitze  der  von  ihnen  erfundenen  Fabrikaliou  dea  Glases, 
wozu  einige  an  Nitram  reiche  Stellen  der  Küste  ihnen  das  nöthige  Material 
lieferten.  Als  aber  die  Glasfabriken  in  Sidon  und  Sarepta'nach  der  Eroberung 
des  Landes  unter  Alexander  ihr  gewinnreicUes  Monopol  verloren  hatten,  erhob 
sich  in  der  neuen  cgyptiacheu  HauptaLadt  Alexandria  die  Glasfatbrikation  zur 
grossen  Vollkommenheit,  da  in  Egypten  eine  Bchmeizbare  Erde  gefunden  wurde, 
ohne  welche  die  beliebten  vielfarbigen  oder  schillernden  Gläser  nicht  gemacht 
werden  konnten.  Was  Strabo  (XYI,  2)  von  der  Leichtigkeit  und  Färbung  des 
römischen  Glases  bemerkt,  wird  durch  die  im  Nassauisohen  bei  Mains,  Trier, 
Köln,  Xanten,  Zell,  Neuss  gefundenen  Gläser  vollkommen  bestätigt.  Man  findet 
aber  nicht  nur  buntes,  sondern  auch  helles,  crystallähnlicbeB,  weisses  Glas  in 
römischen  Gräbern,  das  vorzüglich  hoch  geschätzt  wurde.  (S.  Bokmannn's 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Erfindungen,  I.  Band;  Creuzer's  Abriss  röm.  Anti» 
quitäten,  Becker's  Gallus,  Boettiger's  kleine  Schriften  und  Houben's  Anti- 
quarium  etc.) 


t98 


Römische  Gläser. 


der  Sarg  1)  eine  toUergroese  flach«,  blaue  grünlich  violette  anjirolnof 
SchüBsel  (Opferscbftale)  von  Glas;  2)  «wei  gläeerne  Thranenfläschchea  — 
Lacriinatorien  —  dickhäuchig,  mit  Inngeni  Halse,  wie  eines  in  dem  lloa- 
beDBcheu  Fürstengrab  vorgcfandcn  nnd  auf  Taful  48  abgebildet  iBt*)d 
3)  eine  grosse  itinde  dickbivuchigc  Flasche  mit  engem  langem  Halse  von 
gräulich  Bchillerndem  dicken  (ilase,  ühnlich  von  Nr.  6  auf  der  Tafel  30  des 
Antiqanriama  von  Honbeo.  Yermiitblich  ist  es  ein  Behälter  für  Weihwasser 
gewesen ;  4)  eine  kleinere  dickbäuchige  Flasche  von  weissem  dickem  kry- 
stallhellem  Glase,  welches  zum  Aulheben  von  Schminke  oder  einer  wohl- 
riechenden Essenz  gedient  haben  kann;  5)  flinf  an  ihreo  Rändern  mit 
banten  röthlich-blau-gelber  Färbung  verzierten  Streifen  and  im  Schilde  mit 
Güldmalerei  aasgescfamiickte  Glastafeln  von  etwa  6  Zoll  Breite  und  3  Zoll 
Höhe  mit  vier  dazu  gehörigen  ungefähr  einen  Zoll  breiten  Glasstüoken, 
welche  Letztere  Kimi  Befestigen  der  Kanten  dieser  Tafelcfaen  geganenmodor 
benutzt  gewesen. 

Die    Malerei,    durch    aufgeklebte    und    radrrie   Goldblättchen    darf^ 
Btellt,  seigt  ahtegtameutnrische  nud  biblisch-chrlBtliche  Vorgünge  in  Bildern, 
deren  Bezeichnung  reBp.  Aufschrift  ganz  leserlich  und  in  römischer  Lapidar- 1 
Bcbrift  gegeben  war;    eines    dieser   Täfekhen,    das    grösst«    und    schönste, 
hatte  in  der  Mitte   der   hintein  Leist-e    einen  ZoU  weiten    und    einen    Unit 


1)    Houben    sogt  Seite  37    seines  Autiquariums:    Es    lässt  sich   aber  ans 
keiner  Stelle    der  Alten   jene    gar   zu    Benlimciital«  Sitte  beweisen,   wonach  die 
Leidtragenden    oder   die  Klagofrauon  Fläschclien    unter   die  Augen   hielten  und 
ihre  Thränen    einträiifolu    licsseu.    Die   grfliidlicbslen  Alterthumsforscher  haben  i 
gezeigt,   dnss   diese   kleinen  (lefnsse    von  Glas  oder  Thon   stets   zu  Salben  und] 
wohlriechenden  Essenzen  bestimmt  gewesen  sind.    Die  Stellen  der  alten  Dichter^^ 
welche    einige  Antiquare    für  die  Existenz  der  ThräDenfläschchcn  aufrufen ,    b«>- 
weisen  nur  das  Anfeuchten  der  Aj^che  mit  Thränen.     Die  alte  lateinische  Sprache 
hat   nicht   eüima]   ein  Wort  für   ein  solches  Thränen krüglein;  erst  die  neueren 
Sprachen  haben  ein  Lacrimatorio,  Laerimatoire,   Vascukim  lacrimatorium  in  der 
Latinität    den    .Antiquare    des    17.    Jahrhunderts;     auch    in    christlich-rnmischcn 
Gräbern,   wie  das   jetzt  aufgefundene  ein  solches  darstellt  —  findet  man    dies«J 
Flfisohchen,    die   hier  aber  mit  dem  Chrisam  oder  mit  Weihwasser  gefällt,  dem! 
Todten  in'«  Grab  gegeben  wurden,  oder  das  Weibwasser,  womit  der  Priester  deaj 
Körper  znlutzt  besprengt  hatte,  war  darin  gewesen,  nach  vollzogener  Bestattunf 
rief  man  den  Manen  des  Todten  noch  das  letxte  Lebewohl  zu  und  wenn  die  Veawl 
Sammlung    durch  Besprengen  mit  geweihtem  Wasser  gereinigt  war  (Lustratio)J 
wnrde    sie    mit   dorn  Kufe:  iliuet  entlaaseu;    die   vorgefundene  Opferscbaale  and 
die  grossen  Flaschen  von  Glas  halten  wahrschcinbch  bei  dem  inglichen  Tc 
zu  diesen  Verrichtungen  gedient. 


Römiaobe  GliMr. 


loe 


■inen  halben  Zoll  tiefen  Einschnitt,  worin  TieUeacht   ein  SchlosB    oder    ein 
Charnier  befestigt  gewesen. 

Ea  hat  mathmastUcb  Kam  Deckel  eines  Kiatchena  gedient,  welches 
BUS  den  fünf  glüBcrnen  Tiifelchin  construirt  war,  das  obere  Täfelchen  war 
mit  der  Aufschrift:  Job  piftstema  (violleioht  der  Name  des  Aofertigers  der 
Glasmalerei)  in  Lapidarsehrift  versehen  und  zeigte  eine  Gruppe  von  Figuren 
mit  alterthümlichen  Trachten;  dieses  SchnmckkiBtchen  enthielt  Tielleicht 
bei  der  Beerdigung  des  Todten  wcrthruUe  Kleinodien  desselben ,  die  mit 
der  Zeit  zerstört  oder  in  dem  Schlamme  des  iSarges  verloren  gegangen  sind^). 

6)  Das  Fragment  eines  feinen,  glatten,  mit  edlem  Rost  bedeckten 
Metallspiegels  in  ähnlicher  Art,  wie  wir  ihn  auf  Tafel  3  in  Houbens  Anti' 
quarium  seht'u;  endlich  7),  S)  und  9)  von  Thongefässen  eine  Amphora  — 
zweihenkeliger  Krug  —  von  feinem  weissem  Thon,  ein  Opferteller  mit  nach 
innen  umgebogenem  Rand  von  grober  rother  Erde,  und  ein  einhenkeliger 
Ascbenkrag  mit  weiter  Mündung  von  gleicher  Beechaflenheit ').  Die  glä- 
sernen und  thonernen  Oefässe  waren  sämmtlich  mit  Sand  angefüllt,  die 
niedrige  Lage  dos  Terrains  in  der  Nühe  der  Neusaer  \Viese  und  des  Erft- 
kanals  nach  Selikum,  wo  der  Sarg  lag,  machte  denselben  den  vielfachen 
Ueberschwcmmungen  bei  Neuss  zugänglich  und  verursachte  es,  dasa  das 
Grab  hunderte  und  hunderte  Mal  mit  Wasser  angefüllt  gewesen,  beim 
Zurückweichen  des  letzteren  blieben  sodann  Lette  und  Band  zurück  und 
föilten  nebst  dem  Sarge  die  darin  befindlichen  Gefäaae  trotz  dem,  das« 
ersterer  mit  einem  Deckel  versehen  war,  an.  Ueberdies  saugte  der  poröse 
Sandstein  oft  F-enchtigkeit  au»  dem  Hoden  ein,  die  dann  ebenfalls  das 
Innere  des  Sarges   durchdrang.     Man    kann    sich    deshalb    nicht    über    die 


1)  Es  ist  von  dem  bieaigon  Zeichnenlehrer  und  Maler  Herrn  Küppers  eine 
Abzeichnung  der  Bilder  der  fünf  Täfelchen  entworfen  worden,  die  später  litho- 
graphirt  und  mit  einer  Beschreibung  dca  Fundes  vervieirältigt  der  Publicität 
übergeben  werden  soll. 

2)  Die  Form  dieser  Thongefässe  ist  zwar  immer  noch  gefällig  im  römi- 
schen Styl,  aber  wie  man  auch  am  Bruch  und  an  der  Glasur  des  Opfertetlers 
und  des  Aschenkruges  deutlich  sehen  konnte,  ist  dazu  anstatt  feinem  weissem 
Thon  grobe  grau-rölhlichc  Erde  angewandt  worden.  Bereits  mit  Ende  des  2. 
Jahrhunderts  nach  Chr.  linden  wir  in  den  römiHchen  Thongeßasen  die  Masse 
früher  stets  von  feiner  lehmiacher  Erde  hergenommen,  ihre  Bearbeitung  und 
Färbung  verschlechtert,  es  hatte  der  Verfall  der  Kerameutik  oder  Töpferkunst 
begonnen  und  später,  besonders  in  der  Zeitepocbe,  wo  unser  Orak  entstanden, 
viertes,  fünftes  oder  sechstes  Jahrhundert,  war  dieses  noch  mehr  der  Fall. 


HO 


BSfldaohe  Gläser. 


Zerstörungen  wundern ,  die  die  Zeit  auf  den  Inhalt  des  Grnbes  ausgeübt 
hat.  Man  moss  aber  dabei  noch  gesteben,  dass  die  Goldnialerei  sich  bei 
der  langen  Zeit,  in  der  sie  diesen  verderblichen  Einflüssen  ausgesetzt 
gewesen,  noch  ziemlich  gut  erbalten  hat. 

Das  Grab  stammt  ohnstreilig  aus  einer  vornoittelalterlichen  frühem 
christlichen  Zeit,  aus  einer  Epoche  her,  wo  die  Römer  eben  den  deutschen 
Boden  durch  den  Einfall  der  Völker  aus  dem  fernen  Osten  —  Hunnen-, 
Gothen-  und  Franken-Wanderungen  —  verlassen  hatten '),  wo  in  den  Ge- 
bräuchen und  Sitten  unserer  Altvordern  noch  vieles  von  Römern,  die  hier 
über  vier  Jahrhundertc  lang  ansässig  gewesen,  anklebend  geblieben;  daher 
das  Gemisch  von  römischen  und  christlichen  AuBSchmückungen  in  dem 
steinernen  Sarge,  das  Nichtverbrennen  der  Leiche,  welches  das  Christea- 
thum  verbot,  das  Beisetzen  von  gläsernen  uad  thönernen  Gef&ssen,  von 
Geräthen  aus  Erz  mit  römischen  Formen  unter  Bi?ifügung  von  Bildern, 
die  dem  christlichen  Cultus  angehören^). 

Was  es  aber  för  eine  Person  gewesen ,  die  hier  der  Erde  wieder- 
gegeben worden,  und  Was  es  endlich  in  kunstgeachichtlicher  Hinsicht  mit 
diesen  Goldmalereien  auf  Glas,  ob  sie  eine  Art  Enkaustik,  Wachsmalerei 
der  Alten,  so  Pliniua  in  seiner  historia  naturalis  35  so  meisterhaft  be- 
schrieben und  der  Winckelraann  und  Goethe  einen  Theil  ihrer  Forschungen 
gewidmet,  ist  oder  nicht  —  für  eine  Bewandtntss  hat,  überlasse  ich  der 
Beurtheilung  einer  tiefern  Forschung  der  Arohaeologen,  der  Techniker  ond 
Kunstkenner,  und  will  hier  deren  Urtheilen  in  dieser  Sache  nicht  vorgreifen. 

Es  muBs  schliesslich  noch  bemerkt  werden,    dass    der  Gärtner   Gifler 

während  dieses  Sommers  den  Fund  dem  Publikum  gegen  eine  kleine  Ver- 
gütung gerne  zeigen  wird. 

Netus,  den  Ifi.  März  1847.  Dr.  Jftger. 

So  sehr  es  diesem  Berichte,  den  wir  zugleich  aus  Pietät  für  den 
um  die  AlterthumskuDde  von  Neues  und  unsern  Verein  so  hoch  ver> 


1)  Es  steht  historisch  fest,  daaa  schon  seit  der  Mitte  des  dritten  Jahr- 
hundert« die  Franken  kÄnflg  vom  rechten  Rheinufer  Einfalle  in  das  römische 
Land  am  Niederrbein  machten  und  sich  zu  Anfatig  des  fünften  Jahrhunderts  ganz 
in  den  Besitz  der  römischen  Provinzen  Germanien,  Belgien  und  Gallien  setzten. 

2)  Da  hier  keine  Verbrennung  der  Leiche,  keine  Ascbo  und  Kohle  um  das 
Grab  vorgefunden  worden,  so  kann  die  Beerdigung  nur  nach  altgermanisoher, 
christlich-römischer  Sitte  vor  sich  gegangen  sein. 


Komische  Gläser. 


111 


dienten  Verfasser  hier  zum  Alnlruck  bringen  *)  —  bezüglich  der  so 
überaus  wichtigen  Glastafeln  an  Ausführlichkeit  und  Genauigkeit  fehlt, 
so  bestimmt  können  wir  daraus  auf  ein  Grab  schliessen,  welches  der 
allerletzten  Römischen  Zeit,  vielleicht  !?chon  der  fränkischen  Prrtode 
angehört.  Nicht  allein  die  lange  Sargform,  der  unverbrtuinte  Leichnam, 
sondern  besonders  die  Uebei'giessung  desselben  mit  Gips  deuti-n  auf 
diege  späte  Zeit').  Leider  erfahren  wir  nicht,  ob  di»  goldenen  Figuren 
mit  der  charakteristisilirm  Ginsschicht  liberMasen  waren^),  auch  stimmen 
die  angegebenen  Masse  nicht  mit  der  wirklichen  Grösse  unserer  Zeich-' 
nuDg  überein.  Von  den  vier,  einen  Zoll  breiten  Ginsleisten,  welche  die 
Täfelchcn  gegen  eimmder  befestigten,  wissen  wir  nichts  Genaueres ;  eben- 
sowenig, ob  der  kleine  Glaskasten  ein  Futter  oder  einen  Einsatz  hatte, 
denn  leider  sind  sümmtliche  Täfelcben  wie  Leisten  bis  auf 
diesen  Tag  spurlos  verschwunden. 

Von  dem  im  Princip  richtigen  Standpunkte,  dass  die  Funde  von 
Alterthümern  ihre  volle  Bedeutung  erst  im  Zusammenhang  mit  dem 
Fundorte  gewinnen,  hatte  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  im  Jahre  1844 
und  1845  dem  Sanitätsrath  Jäger  Zuschüsse  zu  seinen  Ausgrabungen 
bewilligt,  um  daraus  in  Neuss  ein  Local-Museum  zu  bilden,  welches 
zuerst  int  Rathhause,  dann  im  Gymnasium  seine  Aufstellung  fand  und 
nach.Jäger's  Bericht  inventarisirt  war*).  Wie  bei  so  vielen  ähnlichen 
Lokal-Musceu  hat  sich  auch  hier  die  traurige  Erfahrung  bewahrheitet, 
dass  ohne  dauernde  und  verantwortliche  Verwaltung  eine  Sicherung 
des  Besitzes  nicht  zu  erlangen  ist.  Durch  Jäger'a  Begeisterung  ent- 
standen, verlor  das  werthvolle  Neusser  Museum  mit  seinem  Tode  bald 
die  WeiterfUhruDg  und  Aufsicht*).    Möge  es  dem  neuerdings  gebildeten 


1)  Dr.  Jäger  erscheint  schon  im  ersten  Verzeichnias  (li;r  VercinBinitgUeder, 
Jftbrb.  I,  S.  136,  als  Mitglied  und  ausw,  Secretär  und  gab  in  den  Jahrb.  II,  45; 
m,  125;  IV,  204;  V,  407;  VIII,  131  Derichte  seiner  Ausgrabungen. 

2j  Vergl.  JahrL    LIX,  S.  64. 

S)  Es  lässt  sich  wohl  annehmen,  dass  ohne  einen  schütsenden  Ueberfang 
die  Bilder  in  dem  aufgogosseneu  Gips  ganz  zerstört  worden  wären.  Es  darf 
hier  freilich  nicht  verschwiegen  werden,  daas  auch  der  Herstatt'schen  Glaspatene 
der  Ueberfang  fehlte.  Da  von  dieser  aber  der  Raud  abgeschlagen  war,  so  kann 
mit  demselben  auch  der  Ueberfang  sich  abgelöst  haben.  Glasmalereieti  in  der 
Art  der  footli  d'oro  ohne  Ueberfang,  wie  sie  C  e  n  n  i  n  i  in  der  angeführten  Stelle 
beschreibt,  dQrften  vor  dem   14.  Jahrhundert  nicht  nachzuweisen  sein. 

4)  Jahrb.  YIU,  S.  182. 

5)  Ein  Beispiel  dafür,  dass  die  hervorragendsten  Local-Bestrebungen  durch 
die  Begeisterung  einer  einzelnen  Persönlichkeit  entstehen  und  mit  derselben  ver- 


112 


Römisobe  OlSaer. 


Neosser  Alterthums- Verein  gelingen,  wenigstens  Theile  das  Verlorenen 
wieder  zu  beschaffen;  vor  Allem  mit  grösserem  Erfolge  die  Bemühungen 
fortzusetzen,  die  ich  seit  mehr  deun  10  Jahren  auf  die  Auffindung 
der  üold-Täfelchen  verwendete. 

Gleich  nach  ihrem  Bekanntwerden  wurden  die  Fragmente  der 
kleinen  Glas-Cassette  zur  V^orzeigung  beim  Könige  nach  Berhn  gesandt. 
Von  dort  kamen  sie,  gemäss  einer  an  mich  gerichteten  Mittheiluug  des 
verstorbenen  Geueral-Directors  der  Köiiigl.  Museen  v.  (Uters  vom 
16.  Februar  1869  nach  Neuss  zurück').  Zum  Zwecke  der  Besjirechung 
am  Winckelniann's  Feste.  9.  December  1847*),  und  der  VcntÖffntlichung 
in  unsern  Jahrbüchern,  schickte  Dr.  Jäger  die  Täfelchen  dann  nach 
Bonn  an  den  derzeitigen  Vereinssecretär  Dr.  Laurenz  L  er  seh  3).  üeber 
ihre  Rücksendung  von  hier  finde  ich  keine  Notiz.  Ebenso  wenig 
erinnern  sich  derselben  die  noch  lebenden  Mitglieder  des  damaligen 
Vorstandes  die  Herren  Consistorialrath  Prof.  K  r  af  ft  und  Prof.  Freuden- 
berg. Dr.  Jäger  starb  1848  kinderlos.  Seine  Erben  waren  sein  Bruder 
der  Antiquar  Jäger  in  Köln  und  seinein  zweiter  Ehe  mit  dem  Justizrath 
Schmelzer  in  Düsseldorf  verheirathete  Wittwe.  Weder  im  Ncusser  Mu- 
seum*), noch  im  Nachlass  der  Familie  Jäger"^)  war  eine  Spur  des  Vcr- 


BchwindeD,  gevitirt  der  Verein  von  S.Wendel,  der  1836  durch  die  Thätigkeit 
dea  Regierunggrathes  Engelmann  GnUtand  und  mit  dessen  Tod  voltsTändig 
einschlief.  Das  Bchätzenswerthe  Muaenin  (vprgl.  I.  Bericht  dns  Vereins  von 
S.  Wendel.  Zwcibräcken  1838)  ist  deshalb  dem  Provinzial-Museum  in  Trier 
nunmehr  glücklicher  Weise  einverleibt  worden. 

1)  .,Die  mit  Figuren  in  Gold  geschmückten  Glastafeln  sind  von  Neusa  nur 
hierher  geschickt  worden,  um  dem  hoohaeligen  Könige  gezeigt  zu  werden,  da  er 
SU  den  Nachsuchungen  bei  Grimmlingbauaen  die  Kosten  auf  meine  Bitte  hergab; 
sie  gingen  an  den  Dr.  Jäger  zurück,  welcher  die  Sammlung  zuerst  bei  sic^,  dann 
im  Rathhause  und  endlich,  wenn  ich  nicht  irre,  im  Gymnasium  in  guter,  Eweck- 
m&asiger  Ordnung  aufgestellt  hatte."    gez.  v.  Olfers. 

2)  Jahrb.  Xil,  S.  202. 

3)  J&ger  schreibt  am  16.  Februar  1848  an  Lora  ob:  „Wenn  die  Vor- 
richtung zum  bossern  Schutze  der  Glastafeln  nicht  kostspielig  ist,  so  bitte  ich 
selbige  für  mich  anfertigen  zu  lassen.  Ich  komme  binnen  kurzer  Zeit  nach  Bonn 
und  werde  sie  dann  wieder  abholen.  Verrauthlich  werden  Sie  dann  auch  deren 
Anschauung  zu  den  Mittlieilungen  in  dem  nächsten  Hefte  über  diesen  Fund 
genügend  Iwnut^t  haben." 

4)  Für  die  freundliche  Beihülfe  meiner  Nachforschungen  in  Neuss  statte 
ich  den  Herren  Bürgermeister  lliddcr,  Com.  Keiadorf  und  Bildhauer  Künen 
meinen  TerbiodliohBtcD  Dank  ab. 

5}    Der   verstorbene  Kölner  Antiquariua   Jäger  vermuthete  die  üildcbeu 


Römiacfaa  Ol&ser. 


US 


bleib's  der  einzig  in  ihrer  Art  dastehenden  christlichen  Goldbihler  zu 
entdecken.  Unsere  ganze  Kenntnis»  derselben  beschränkt  sich  deshalb 
auf  eine  Anzahl  Zeichnungen,  die  im  Archiv  unseres  Vereins,  im  Nach- 
lass  des  Professors  Franz  Fiedler  in  Wesel  und  im  Besitze  des  Herrn 
C.  Reisdorf  in  Neuss  sich  vorfanden.  Sie  sind,  mit  Ausnahme  der 
Reisdorf'schen,  meistens  Copien  der  ersten  Zeichnung,  welche  der  Üym- 
nasial-Zeichenlehrer  Küppers  füf  Dr.  Jäger  1847  anfertigte,  und  in 
keiner  Weise  hinreichend  für  die  Würdigung  der  Darstellung  und  ihres 
Stils').  Wir  müssen  eine  solche  deshalb  bis  zu  dem  Zeitpunkte  hinaus- 
schieben, wo  ein  glücklicher  Zufall,  oder  vielleicht  die  durch  diese 
Zeilen  hervorgerufene  Aufmerksamkeit  das  kleine  ßcliquiari um  von 
Neuss  wieder  zum  Vorschein  bringen,  denn  ein  solches  war  es  gewiss, 
bestimmt,  durch  seinen  heiligen  Inhalt  für  den  Verstorbenen  eine 
schützende  Beigabe  zu  bilden. 

Der  Schlussfolgerung >  dass  das  dreimal  wiederholte  Vorkommen 
der  Goldgläaer  in  Köln  und  der  Fund  des  kleinen  Schreins  in  Neuss 
auf  eine  Fabrikation  ausserhalb  Rom 's  und  zwar  am  Rhein  schliessen 
lasse,  milchte  ich  vorerst  noch  keine  Berechtigung  zuerkennen.  Sollten 
aber  hierfür  weiterhin  häufigere  Funde  entscheiden,  so  würde  —  ebenso 
wie  für  die  Fabrikation  der  Terra-Sigillata-Gefässe  und  der  schwarzen 
Trinkbecher  mit  weissen  Aufschriften  —  der  Kölner  Bezirk  vor  jedem 
andern  den  Vorzug  beanspruchen  dilrfen. 

Daran  wird  man  festhalten  müssen,  dass  die  griechischen  Inschriften 
vieler  Goldgläser  auf  eine  ursprüngliche  griechische  Herkunft 
deuten.  Auch  die  von  Athenäus'}  ervi&hnieü  iähva  Siäxevaa  Ovo  des 
Ptolemäus  beziehe  ich  gegen  Garucci,  den  sein  Standpunkt,  nur  Rom 
und  den  Christen  die  Goldgläser  zuzusprechen,  davon  abhält,  auf  letztere. 
Ueberleitung  der  Fabrikation  nach  Rom  mag  zwar  frühzeitig  geschehen 


im  Scbmelzer'Bchen  Besitze.  Die  dahin  (j^eheDden ,  besonders  durch  Herrn 
Archivrath  Harleas  in  Düsseldorf  unterstützten  Naohforsohangen  de«  Sohuiel- 
eer^sohen  Nachlasses  (Sohmelz^r  starb  1865,  seine  Wiltwe  18fi8)  ergaben  kein 
Küsultat. 

1)  Man  gewahrt  bei  Betrachtung  der  ZeichnungeD  sofort,  dass  ihre  Anfer> 
tiger  die  dargestellten  Vorgänge  nicht  erkannten ,  was  die  verFchriebenen  Bei- 
acbriften,  die  Anfügung  eines  Bartes  im  Gesichte  der  Frau  Job's  u.  dergl. 
deutlich  beweisen. 

2)  Athenäus,  Deipnos.  V.  199  ff. 

8 


lU 


Bömische  Gläser. 


sein;  sie  war  aber  jedenfalls  im  10.  Jahrhundert  dort  erloschen'), 
während  sie  in  Byzanz  noch  im  11.  Jahrhundert  bestand*). 

Die  Kunst  „Cennini's"  im  14.  Jahrhundert  ist  eine  andere,  eine 
neue  und  durchweg  verschiedene  Technik ,  nicht  allein  wegen  der  Zu- 
that  von  Farben,  welche  ja  auch  hin  und  wieder  bei  den  fondi  d'oro, 
bei  dem  Herstatt'schen  Glase  und  an  den  Leisten  des  Neusser  Käst- 
clieus  vorkommen,  sondern  weil  hier  eine  Bemalung  der  Glastafeln  zu 
beiden  Seiten  atattzußnden  .scheint,  und  von  einem  schützenden  Glas- 
überfang  überhaupt  nicht  mehr  die  Rede  ist. 

Ein  merkwürdiges  Stück  dieser  Art  scheint  mir  ein  im  Museum 
zu  Basel  befindliches  Fragment  eines  kleinen  GlasTellei"s  zu  sein, 
welcher  auf  blauem,  goldbesterntem  Hintergrunde  einen  thronenden 
König  in  grünem  Gewände  und  rothem  Mantel  darstellt.  Obgleich  ich 
der  gütigen  Vermittlung  des  Herrn  I'pf.  Bern  o  ul  li  eine  colorirte  Abzeich- 
nung venlanke,  bin  ich  doch  vor  genauerer  Untersuchung  des  Originals 
zu  einer  weiteren  Aeusserung  nicht  im  Stande.  Cennini's  Bilder 
sind  in  Oclfarhon  ausgeführt,  E^s  wird  deshalb  zunächst  vor  Allem 
darauf  anknmmen,  festzustellen,  ob  solche  auch  bei  dem  Baseler  Bilde 
zur  Anwendung  gelangten. 

Es  liegt  ganz  ausserhalb  meioer  Absicht  bei  dieser  Gelegen- 
heit, wo  lediglich  eine  vorläufige  Kcnntniss  des  merkwürdigen  kleinen 
Denkmals  von  Neuss  gegeben  werden  soll,  in  die  kritische  Prüfung 
des  gesammten  Materials  der  Goldgläser  einzutreten,  um  so  weniger, 
als  ich  demnächst  4iarauf  zurück  zu  kommen  veranlasst  sein  werde'). 

E.  aus'm  Weerth. 


1)  Ich  kann  mit  Friedrich  (Ueber  die  üoldgläser,  in  der  „Wartburg" 
Nr.  9  V.  7G/77)  und  gegen  ll||f  (Ueraoliu»,  vod  den  Farben  und  Künsten  der 
Römer,  berausgegebon  votillg.  Wien  167S)  die  Verse  dcsHeraclius  (10.  Jahrb.) 
8.  7  „de  fiolifi  auro  decoratio''  nur  bo  veretehen,  dass  derselbe  eine  bei  den  Uömern 
verloren  gegangene  Kunst  wieder  erfand,  nicht  aber,  ala  habe  Ueraclius  sie 
noob  vorgefunden. 

2)  Thaophilui  (11.  Jahrh.)   Sohedula  diversarum  artium  Attb.  1.  o.  18. 

3)  Die  DarsteUoQg  des  altchristlicheu  Glasbechers  Taf.  V.  4  u.  4a  gehört 
schc»n  KU  meinem  zweiten  Aufsätze  über  ßömiache  tiläaer  im  nächstco  Jahrbuoh. 


Du  Haue  des  Hersog«  voo  Brsbaat  so  Eöla. 


IIB 


6.  Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 

I. 

Die  Bewohner  der  vielfach  gesegneten  Gebiete  des  Herzogthums 
Brabant  und  des  Erzstifts  Köln  standen  von  je  her  in  lebhaften  ge- 
genseitigen Verkehrsverhältnisseil,  die  sich  aus  dem  früh  gehobenen 
Culturzustande,  der  regen  Handels-,  Kunst-  und  Gewerbethätigkeit, 
der  daraus  hervorgegangeneu  Wohlhabigkeit  und  ganz  besonders  auch 
aus  der  nachbarlichen  Lage  der  beide»  Länder,  bei  Uebereinstimrnung 
der  Sitten  und  verwandter  Sprache,  naturgcmäss  entwickeln  mussten. 
Um  80  mehr  sahen  sich  denn  auch  üire  Fürsten  nahegebracht.  Die 
Geschichte  leitet  aber  noch  zu  Thatsachen,  denen  man  ebcofalls  eine 
erhebliche  und  dauernde  Kinwirkung  auf  diese  Verbindung  zuschreiben 
mochte.  Wir  gedenken  nicht,  in  die  Ejioche  der  Rönierherrschaft  zurück- 
zublicken, selbst  nicht  in  die  Zeiten  der  merovingisoheu  und  karoiin- 
gischen  Könige  des  Frankenreiches.  Wir  erinnern  nur,  dass  schon  im 
Jahre  843  Brabant  und  das  kölner  Land  in  engerer  Verbindung  unter 
ein  gemeinsames  Scejtter  gekommen  sind;  beide  gehörten  bei  der 
Theilung  des  väterlichen  Reiches  zwischen  den  Söhnen  Kaiser  Lud- 
wig's  L,  des  Froramen,  zu  den  Bestandthcilen  des  von  Kaiser  Lothar  L 
behen'schten,  noch  immer  grossen  Ländergebietes.  Schon  nnter  dessen 
drei  Söhnen  wurde  dasselbe  wieder  getheilt,  in  Italien,  ßurgund  und  ein 
Lotharingien,  welches  jedoch  von  weiterem  Umfange  war,  als  das  ein 
Jahrhundert  später  bestandene.  Bei  diesem  letzteren  suchen  wir  die 
näheren  Beziehnngen  zwischen  den  beiden  Ländern  auf. 

Nach  dem  Ableben  des  Erzbischofs  Wichfnd  von  Köln  wurde  sm 
Jahre  953  Bruno  L,  Kaiser  Heinrich's  L  und  Mathildcos  der  Heiligen 
jüngster  Sohn,  zu  seinem  Nachfolger  gewählt.  Bruno  war  damals  am 
Hofe  seines  Bruders,  Kaiser  Otto's  des  Grossen,  und  versah  mit 
höchstem  Ruhme  das  Amt  des  Erzkanzlers.  Ein  gewaltiger  Aufruhr 
durchwiithete  das  deutsche  Reich,  dessen  Hauptschaupiatz  am  Ober- 
üod  Niederrheine  war.  Lndolf,  des  Kaisers  ältester  Sohn  aus  früherer 
Ehe,  und  Herzog  Konrad  von  Lothringen,  Otto's  Schwiegersohn,  waren 
die  Anführer  der  Rebellion.  Der  Kaiser  entsetzte  Konrad  und  übertrug, 
bevor  er  mit  seinem  Heere  nach  Baiern  zog,  die  Verwaltung  der  west- 
lichen Lande,  nämlich  Lothringen's,  seinem  Bruder,  dem  Bisehof  Bruno. 
Dies  war  die  Veranlassung,  wodurch  Bruno  mit  dem  Herzogthura 
Lothringen,  von  welchem  Lande  das   erst  später  entstandene  Herzog- 


116 


Dta  Haus  det  Hereogs  von  Brabant  eu  KöId. 


thum  Brabant  einen  Theil  bildete,  belehnt  worden  ist.  Ich  gebe  zu- 
nächst hier  den  (theil weise  freilich  irrigen)  Bericht  der  Koelhof sehen 
Chronik  der  Stadt  Köln  aus  dem  Jahre  1499: 

„Wie  LothriDf?en  das  Herzogthuin  und  durch  wen  an  das  Bis- 
tbum  von  Köln  gekommen  ist,  und  zu  welcher  Zeit  ein  Bischof 
von  Köln  ist  belehnt  worden  mit  dem  weltlichen  Schwerte. 

In  der  Zeit  (von  Kaiser  Otto 's  Abwesenheit  in  Italien)  sog 
Herzog  Giselbrecht  von  Lothringen  nach  Deutschland  und  trieb 
viel  Brandes  und  Raubes»  besonders  viel  in  dem  Stift  von  KuId, 
und  plünderte  viele  Schätze  und  Heiligthilmer  und  führte  sie  mit 
sich  nach  Lothringen.  Das  ward  Bischof  Bruno  kund  gemacht, 
der  brach  auf  mit  einem  Theile  seines  Heeres  gegen  Herzog  Gisel- 
brecht und  gewann  Lothringen  und  plünderte  die  Hauptstadt  und 
äng  den  Herzog  mit  all  seinem  Ilaube  und  führte  das  alles  mit 
sich  und  hielt  ihn  im  Getangniss  bis  zur  Zurückkunft  seines  Bru- 
ders Otto,  des  Kaisers,  damit  der  Über  ihn  Gericht  halte  und  ein 
Urtheil  spreche.  Als  Kaiser  Otto  wieder  in's  Land  gekommen 
war,  berief  er  einen  grossen  Hof  und  er  besprach  sich  mit  den 
Fürsten  darüber,  und  mit  Bewilligung  und  gleichem  Rathe  aller 
Fürsten  ward  ausgesprochen,  dass  das  Herzogthum  des  überwun- 
denen Herzogs  dem  Bischof  V(m  Köln  und  allen  seinen  Nachfolgern 
gehörten  solle.  Und  wie  sie  sich  Bischöfe  schrieben,  so  sollten  sie 
fortan  sich  auch  Herzoge  nennen  und  mit  dem  Schwerte  urtheilen, 
fechten  und  streiten,  sie,  die  vorhin  nur  einen  Stab  mit  einer 
Krücke  zu  gebrauchen  piiegten.  So  entsetzte  (ier  Kaiser  den  Her- 
zog Giselbrecht  von  Lothringen  und  belehnte  Bischof  Bruno  damit, 
ewiglich  sein  Herzogthum  zu  sein  und  dem  Bischof  zu  dienen,  so 
dass  der  Bischof  sich  schrieb:  Erzbischof  zu  Köln  und  Herzog  zu 
Lothringen,  was  früher  nie  erhiirt  worden  war,  dass  ein  Bischof 
mit  dem  Schwerte  richtete,  denn  vor  der  Zeit  hatten  die  Bischöfe 
nicht  das  weltliche  Schwert,  sondern  allein  das  geistliche  Gericht. 
Vor  der  Zeit  hatte  die  Stadt  Köln  das  weltliche  Schwert  von  dem 
Reiche." 

Die  Chronik  irrt  hier  in  dem  wesentlichen  Punkte,  dasa  es  sich 
beim  üebergange  Lotluingeu's  an  Bruno  nicht  um  die  Niederwerfung 
des  Giselbrecht'scheu  Aufstandes  handelte,  der  weit  früher,  da  Bruno 
noch  im  Knabenalter  stand,  stattgefunden  hatte.  Ebenso  anrichtig 
ist  die  Angabe  am  Schlüsse  der  obigen  Stelle. 

Die   Auffassung,   welche  die   Chronik   über  die   Ansprache   des 


Dm  naoB  des  Herzog«  von  Brabant  eh  Köln. 


kölner  Erzstifts  auf  die  Herzogsviürde  von  Lothrioßen  ausspricht,  ist 
zwar  auch  von  manchen,  sowohl  der  älteren  wie  auch  der  neueren 
Geschichtschreiber  gethcilt  worden,  sehr  entschieden  wurde  sie  noch 
im  Jahre  1786  von  H.  B.  von  Blum  in  einer  zu  Bonn  erschienenen 
Schrift:  „Zufällige  Gedanken  über  das  mit  der  Kölnischen  Kirche  ver- 
banden gewesene  Erz-  und  Herzogthuui  Lotriugen"  verfochten.  Da- 
gegen bat  auch  schon  seit  lange  eine  wesentlich  andere  Anschauungs- 
weise dieses  Verhältnisses  ihre  Anhänger  gefunden,  die  es  verneint, 
dass  auch  nur  auf  einen  einzigen  von  Bruno'«  Nachfolgern  im  erzbi- 
8chöflJi:hen  Amte  von  Küln  die  HerzogswiJrde  von  liOthringen  über- 
gegangen sei,  wobei  man  mit  Nachdruck  darauf  hinweist,  dass  keiner 
von  ihnen  sich  diesen  Titel  je  selbst  beigelegt  habe.  Auch  Bruno,  des- 
sen erhabenes  Gemüth  nicht  an  weltlichem  Glänze  hing,  habe  seine 
Stellang  nicht  als  eine  sich  forterbende  aufgefasst.  Im  Gegentheil  er- 
weisen es  die  geschichtlichen  Thatsachen,  dass  er,  sobald  die  Ordnung 
in  dem  durch  Aufruhr  zerwühlten  Herzogthume  wieder  hergestellt  war, 
die  weltliche  Verwaltung  diiselbst  in  andere  Hände  übergehen  liess. 
Er  tbeilte  das  Land  in  zwei  Herzogthünier,  Ober-Lothringen  pder  das 
Mosciland  übergab  er  dem  Grafen  Friedrich,  Unter-Lothringen  oder 
Brabant  dein  Herzoge  Godefrid,  die  jedoch  beide,  so  lange  Bruno  lebte, 
nur  seine  Stellvertreter  waren.  Die  nähere  Umgebung  der  Stadt  Küln, 
dabei  die  Hauptstädte  Bonn  und  Neuss,  sehen  wir  hingegen  von  da 
an  sich  bleibend  als  ein  der  weltlichen  Herrschaft  der  Erzbisehöfe  un- 
terworfenes Territorium  gestalten. 

In  den  zunächst  folgenden  Jahrhunderten  triüt  man  die  Herzoge 
von  Brabant  häutig  au  dem  Hoflager  der  Erzbischöfe  von  Köln ;  manche 
von  diesen  letzteren  erlassene  Urkunde  ist  auf  uns  gckunimeB,  an 
welcher  sie  als  Zeugen  betheiligt  sind.  Namentlich  verdienen  hier 
zwei  Urkunden  des  Erzbischofs  Philipp  1,  von  Heinsberg  angezogen  zu 
werden.  Die  eine  betrifft  einen  Zwist,  der  zwischen  dem  erzbischöf- 
lichen Burggrafen  zu  Küln,  Heinrich  von  Arberch,  und  dem  Ritter 
Gerhard  von  Eppendnrp,  erzbischüflichem  Vogte  daselbst,  wegen  ihrer 
beiderseitigen  Gerichtsbarkeit  ausgebrochen  war.  Der  Erzbischof  ent- 
schied in  dieser  Angelegenheit,  indem  er  ein  altes  Weisthum  erneuerte 
und  bestätigte,  in  welchem  die  amtliche  Stellung  eines  jeden  der 
Streitenden  bezeichnet  ist;  unter  den  vielen  geistlichen  und  weltlichen 
Zeugen,  welche  Philipp  bei  dieser  Gelegenheit  in  seinen  Palast  zu 
Köhi  berufen  hatte,  nennt  die  Urkunde  auch  als  „fidelis  noster"  den 
Uerzog  Godefrid  von  Brabant,  «Inen  Nachkommen  des  Grafen  Godefrid 


118 


Daa  Haui  des  HerzogB  von  Brabant  zu  Köln. 


des  Bärtigen  von  Löwen.  Sie  trägt  am  Schlüsse  die  Datirung :  „Actum 
et  datum  in  palatio  nostro  Coloniensi.  per  manum  VIrici  capellarii 
nostri.  Auno  dominice  Incarnationis  M.  C.  LXIX.  mense  Maio. 
Kegiiante  serenissimo  Romauorum  imperatore  Friderico  i)/  Die  zweite 
Urkunde  ist  aus  demselben  Jahre.  In  ihr  verleiht  Philipp  die  Vogtei 
zu  Köln,  welche  bis  dahin  nur  auf  ein  Jahr  war  besetzt  worden,  dem 
Ritter  Gerhard  von  Eppendorp  zum  Erblehen  ^).  Dieselben  Personen 
waren  auch  dieses  Mal  im  erzbiscböflichen  Paläste  als  Zeugen  anwe* 
send,  und  den  Herzog  von  Brabant  stellt  der  Erzbiscbof  wiederum 
unter  die  „fidcles  nostri".  Dieae  letztere  Bezeichnung,  womit  Philipp 
den  Herzog  ^seinen  Getreuen"  zuzähJt,  hat  man  nun  so  deuten  wollen, 
als  träte  letzterer  dadurch  in  die  Stellung  der  dem  Erzbischof  unter- 
wüi-figen  Mannen,  und  sei  somit  das  fortwährend  ausgeübte  Ober- 
hübcitsrecht  des  kölner  Erzstuhlcs  dadurch  erwiesen.  Unbedingt  dürfte 
diese  Auslegung  für  eine  irrige,  weil  viel  zu  weit  gehende,  zu  halten, 
und  dagegen  die  Ansicht  die  richtigere  sein,  welche  den  Erzbischof  bei 
der  Bezeichnung  „fidelis  noster"  an  bestehende  Lehenverhältuisse,  viel- 
leicht nur  an  das  Schutz-  und  Trutzbündniss,  welches  zwischen  ihm 
und  dem  Herzoge  von  Brabant  bestand,  denken  lässt  —  ein  Bündniss, 
dessen  Vorhandensein  durch  später  anzuführende  Bestätigungen  und 
Erneuerungen  erwiesen  ist.  Auf  ein  solches  Verhältuiss  wird  auch  die 
Erzählung  des  Arnoldus  Lubecensis  aus  dem  Jahre  1 184  bei  Leibnitz*) 
zui'ückzuführen  sein,  worin  es  heisst:  ,,Cumque  jara  abire  pararet 
Philippus  Archiepjscopus  (Culoniensis  ex  Curia  Moguntina)  surrexit  de 
latere  Imperatoris  Frater  ejus  Palatinus  de  Rheno,  et  disit:  Dominel 
homo  sam  Coloniensis,  justum  est,  ut  eum  sequar,  quocun(]ue  ierit. 
Deinde  surgcns  Comes  de  Nassowe  dixit:  Et  ego  cum  gratia  vestra 
sequar  Duuünum  meum  Ärchiepiscopum.  Similiter  et  Dux  Brabantiae, 
et  multi  viri  potentes  dixerunt.'* 

Derselbe  Herzog  Godefrid   findet   sich   ferner   unter  der  grossen 
Reihe  von  Zeugen  genannt,   welche  Erzbischof  Philipp  im  Jahre  1180 


1)  Abgedruckt  in  P.A.  Bossart's  Securis  ad  radicem  poaita,  p.  191— 19S, 
Nr.  28,  genauer  in  Tb.  J.  Lacomblefs  Urkuudenbucb  für  die  Gesohichte  dea 
Niederrheins,  Bd.  I,  Nr.  433,  nach  dem  Original  im  kölner  SladtarchiT;  dann 
nochinala  in  den  Quellen  z.  Gesch.  d.  St.  Köln,  Bd.  I,  S.  554 — 59. 

2)  Abgedruckt  in  der  Securis,  p,  191,  Nr.  27,  l^ei  Blum,  Zuf.  Gedanken, 
8.  42—48,  bei  Lacomblat  I.  Nr.  484,  in  den  köhier  Quellen,  I,  S.  569—60. 

8)  Script,  rer.  Braoavioenainm,  II,  p.  661. 


Das  Haas  de«  Herzogs  von  Brabant  zu  KöId. 


119 


(VI  kal.  augusti)  bei  einer  Vergleichsurkuude  mit  den  kölner  Bürgern 
wegen  widerrechtlich  von  flenselbeo  vorgenommenen  Befestigungs-  und 
Häuserbauten  vorführt.  Diesmal  jedoch  erscheint  er  mit  dem  Titel 
„dux  LoiianiQ"*). 

Es  darf  hier  auch  an  ein  ähnliches  Beispiel  aus  späterer  Zeit 
erinnert  werden,  nämlich,  dass  sich  noch  im  Jahre  1378  Erzbischof 
Friedrich  von  Köln  gegen  Karl  V.  von  Frankreich  dessen  Klienten  und 
Getreuen  («lientem  et  fidclem)  und  gegen  Richard  II,  von  England 
dessen  Vasallen  und  Homagialen  (vasallus  et  bomagialis)  nennt'},  wobei 
wohl  niemand  an  Oberhoheitsrechte  wird  denken  wollen. 

IL 
Im  Jahre  1203  geschah  zwischen  Erzbischof  Adolph  I.  von  Köln 
und  dem  damaligen  Herzog  von  Lothringen  und  Brabant,  Heinrich  I.^), 
die  feierliche  Erneuerung  des  von  Alters  her  (ab  antiquo)  bestandenen 
Schutz-  und  Trutzbündntsses.  In  der  Urkunde  darüber  (Lacomblet, 
Ürk.-Buch,  II,  Nr.  9)  macht  der  Erzbischof  kund:  „*luod  ab  antiquo 
inter  ecclesiam  Coloniensera  et  archiepiscopum  ex  una  parte,  et  duceni 
Lotharingie  et  terrara  suam  ex  alia  parte,  confederata  est  dilectio  et 
confirmata  est  confederatio,  ut  nulle  alioruni  hominum  amicitie  vel 
discordie  posscnt  vincnlum  huJus  confederationis  et  dilectionis  dissipare." 
Im  April  1207  nimmt  Herzog  Heinrich  als  Zeuge  an  einer  Ur- 
kunde Theil,  worin  König  Philipp  bei  seiner  Anwesenheit  in  Köln  die 
Zollfreiheit  zu  Boppard  und  Kaiserswerth  bestätigt  und  verschiedene 
andere  Berechtigungen  bewilligt*).  Auch  ist  uns  die  Urkunde 
aufbewahrt,  worin  der  Herzog  das  alte  Bündniss  mit  Adolph's 
zweitem  Nachfolger,  dem  grossen  Erzbischof  Engelbert  L,  dem 
Heiligen,  erneuert.  Sie  ist  aus  Köln  vom  5.  Juli  1217  da- 
tirt :  „Acta  sunt  hec  Colonie,  anno  dominice  incarnationis 
Mill.  Ducent.  XVII.,  HI.  Non.  Julii."  (L.  IL  64.)  In  einer  Urkunde 
aus  dem  Jahre  1222  bekundet  dieser-Erzbischof,  dass  der  durchlauch- 
jtjge  Herzog  Heinrich  von  Brabant,  aus  Liebe  zu  ihm  und  der  Kirche 


1)  Quellen  z.  Gesch.  der  Stadt  Köln,  1,  Nr.  94,  S.  582—85. 

2)  Hofier,  Ruprecht  von  der  Pfali.     S.  62. 

3)  Er  wird  auch  als  Heinrich  der  Zweite  and  aeine  gleichnamigen  Nach- 
folger   ebenao    mit    einer    vorgeschritteneren  Ziffer  aufgestellt,    indem  man  den 

r Grafen  Heinrich    von  Limburg,    der    vom  Jahre  1100  bis  1106    als  Hereog   von 
lieder-Lothringen  über  Brabant  herrschte,  mit  in  die  Reihenfolge  derHeinricherfchlt. 

4)  Quellen  z.  Gesch.  der  Stadt  Köln,  H,  Nro.  24,  S.  28—29. 


IM 


Du  Haus  de«  Herzogs  ron  Bnbknt  za  KÜn. 


von  Köln,  dem  Erzstift  mehrere  Besitzungen,  darunter  sein  Allode 
Lumcrsheim,  das  jetzige  Lommersum,  zu  Lehen  aufgetragen  habe; 
zugleich  bestätigt  und  bekräftigt  er  das  alte  bündniss.  (L.  II.  106.) 
Dieser  Herzog  Heinrich  hat  in  Köln  sein  Leben  beendet;  ein  Zufall 
ward  die  Veranlassung  dazu.  Kaiser  Friedrich  U.,  nachdem  er  zum 
zweiten  Male  Wittwer  geworden,  schritt  zur  dritten  VermähluDg  Mit 
Isabella,  der  Schwester  König  Heinrich'»  lU.  von  England.  Henog 
Heinrich  und  der  Erbtschof  von  Köln  erhielten  den  ehrenvollen  Auf- 
trag, dem  Kaiser  die  Braut  zuzuführen.  Am  IL  Mai  1235  vtriicaaei 
sie  mit  der  schönen  Kaiserbraut  das  englische  Ufer,  und  nach  weaigiea 
Tagen  geschah  die  Landung  am  Ausflusse  des  Rheines.  Ueberall  trug 
man  der  künftigen  Kaiserin  die  freudigste  Huldigung  entgegen,  vor 
allem  aber  war  es  in  Köln,  „der  ersten  unter  den  deutschen  Stidten", 
wo  sie  mit  höchster  Auszeichnung  empfangen  wurde.  Da  die  Ankunft 
zu  Lande  erfolgte,  so  zogen  ihr  die  Bürger  und  Jünglinge  der  Stadt 
in  festlicher  Kleidung,  meist  auf  stattlichen  Rossen,  entgegen  —  an 
zehntausend  soll,  wie  die  alten  Chronikschreiber  berichten,  ihre  Zahl 
betragen  haben.  Während  sie  ihr  zur  Seite  ritten,  suchten  die  kämpf- 
geübten  Reiter  fortwährend  durch  ritterliche  Spiele  die  Gefeierte  zu 
unterhalten.  Die  grösste  Bewunderung  aber  erregte  es,  als  man,  in 
prächtiger  Ausstattung,  kunstvoll  eingerichtete  Schiffe  auf  trockenem 
Boden  gleichsam  dahersegeln  sah,  die  von  Thieren  gezogen  wurden, 
welche  anter  kostbaren  Decken  verborgen  gingen.  Chöre  von  Priestern 
befanden  sich  in  diesen  Schiffen,  ihre  Feiergesänge  mit  lieblichem 
Orgelspiele  vereinigend.  Isabella  ward  in  den  erzbischöflichen  Palast 
(nach  Anderen  in  die  Propstei  von  St.  Gereon)  geführt  und  sechs 
Wochen  verweilte  sie  hier,  da  den  Kaiser  die  Empörung  seines  Sohnes 
Heinrich  so  lange  in  den  Waffen  hielt.  Endlich  konnte  er  die  Gepriesene 
und  Heissersehnte  zu  sich  berufen.  In  Worms  fand  die  Hochzeitsfeier 
Statt  Als  aber  der  Herzog  auf  der  Heimfahrt  wieder  nach  Köln  kam, 
erkrankte  er  und  starb  hier  im  Jahre  1235,  nach  fast  fünfzigjähriger 
Regierung.  Die  Leiche  führt«  man  nach  Löwen  zur  Beerdigung.  Einiges 
Nähere  enthält  der  Bericht  der  Koelhof sehen  Chronik: 

„Item  disse  hertzoch  Henrich  voirte  des  konynges  suester  van 
Engelant  sere  koestlich  tzo  dem  keyser.  vnd  he  hadde  sich  zo 
vill  gebrochen  vnd  bewijset^)  vp  des  keysers  brulofft  jnd  dairumb 
vp  der  wederfart  as  he  tzo  Coellen  quam  wart  he  kranck  vnd 


1)  Wie  es  »clieint,  so  wird  ihm  hier  Dnmusigkeit  nachgesagt« 


Daa  HauB  des  Hereogs  von  Br&bant  sa  Köln. 


121 


starff  Anno  dni.  MCCxxxv  ind  wart  van  dan  gevoirt  tzo  Loeuen 
ind  begrauen  in  sent  Peters  kyrche.  he  hadde  regiert  dat  her- 
tzochdom  vurss.  xlix.  iair." 

Er  war  der  vornehmste  Fürst  unter  den  Theilnehniem  am  vier- 
ten Kreazzuge  zu  Kaiser  Heinrich's  VI.  Zeit;  auch  als  Minnesänger 
zeichnete  er  sich  aus.  Hier  ist  aber  noch  besonders  zu  erwähnen, 
dass  er  vierzehn  Jahre  vor  seinem  Tode  im  alten  kölner  Dome  eine 
Präbende  zu  den  heiligen  drei  Königen  gestiftet  hat.  CrombachM  theilt 
Nähere.s  darüber  mit,  auch  die  nachfolgende  Urkunde,  welche  iiim  das 
damalige  Domkapitel  im  Originale  vorlegen  Hess.  Sie  befindet  sich 
jetzt  im  Provinzial-Archiv  zu  Düsseldorf  und  wird  hier  nach  dem  ver- 
besserten Abdrucke  bei  Floas»)  aufgenommen: 

■  „Henricas  dei  gratia    dnx  Lothariagie    et  Maria    uxor    eius    omnibus 

presens  acriptum  inepecturis  salutem.  Nouerint  tminerei  tarn  presentea 
qnam  fnturi  quod  nos  pro  reniedio  animarum  uosframm  et  antecessoruin 
nostrorum  ad  honorem  dei  et  beate  Virginia  necnon  et  trium  roagorum 
in  eoclesia  beati  Petri  in  Golonla  prebendam  in  perpetunm  duxiniUB  con- 
straendam,  eidem  prebende  certos  redditas  annaos  adsignantes.  Ita  nide- 
lioet  quod  apad  Louaniam  in  thelonio  sex  marcaa  colonienses  in  feste 
beati  Remigii  et  totidem  apud  Brnxelliani  in  feste  omniam  Banctoram  in 
domo  pannarum  ei  qui  eidem  prebende  e^  parte  dicte  ecclesie  prefictetnr, 
annis  singulia  peraolueniua  et  hec  tarn  diu  obseruantes,  donec  capitnlnm 
ecclesie  s.  Petri  Colonieoae  allodiales  redditus  certos  inaenerit  nenalea 
qaoa  propriia  sumptibus  coniparabimuB  annuatim  XV.  marcaa  colonieuBea 
aalentes.  Qaibus  comparatis  predtcte  assignationea  tarn  in  Lonania  qnam 
in  Bruxellia  ad  nos  libere  reuertentur.  Ut  autem  bec  a  nobia  et  a  nostris 
BncceBBoribus  firmiter  obaeruentur,  presentem  paginam  sigillia  Deatris  necnon 
et    Heurici    Ulii    noatri    fecimua    roborari.      Datum    Geldoni    anno     domini 

^Ji.CC.XXI.  mense  Augusto." 
Des  Herzogs  Nachfolger  war  sein  Sohn  Heinrich  II,,  genannt  der 
Grossmüthige  (1235—1248),  der  sich  mit  Maria,  der  Tochter  Philipp's 
Lvon  Schwaben,  des  römisch-deutschen  Königes,  vermählt  hatte,  jedoch 
'schon  Wittwer  war,  als  er  an  die  Regierung  kam.  Zu  dieser  Zeit  sass 
Heinrich   von  Molenark    auf  dem    kurfürstlich-erzbischöflichen  Stuhle 
von  Köln.    Dass  zwischen  Brabant  und  KöIq  die  freundschaftlichsten 
'Beziehungen  unter  diesen  neuen  Herren  fortbestanden,  sehen  wir  durch 


1)  Bist.  88.  Trium  Regum,  IIL  p.  788. 

2)  Dreikönigenbuch,  S.  123—124. 


122 


Dm  Haai  dea  Heraog^  von  BnbBDt  sn  Köln. 


eine  Tbaisache  erwiesen,   die  um  so  interessanter  hervortritt,   als  si 
uns  zuerst  zu  dem  Ilauptge^enstande  dieser  Abhandlung  führt.     Hei 
zog  Heinrich  Tl.  nämlich  erwarb  sich  ein  Haus  in  der  erzbischöflichen 
Residenzstadt  Köln,  und  zwar  eben  jenes  Haus,  welches  Jahrhunderte 
hindurch  das  Kigenthum  und  Absteigequartier  der  Herzoge  von  Bra- 
bunt  vorltlieben  ist.    Wir  beschäftigen  uns  nunmehr  vorwiegend   mit 
ileinsfllien,    indem  wir  die   Strasse    betreten,   welche   die    Benennung 
„am  Hofe'*  fuhrt,    Nach  ihr  war  der  auf  dem  Domhofe  gelegene  er 
bischUfliche  Ilesidcnzpalast   oder  Hof  mit  seiner  Hinterraauer  gerichtet 
—  daher  der  Name ').    Dem  Bischofshofe  schräg  gegenüber  nach  Westt 
hin  hatte  in  dieser  Strasse  einer  der  bedeutendsten  bischöflichen  Beanitei 
(icrliürd  der  Zöllner,  sein  Ansiedel.    Er  lebte  in  der  zweiten  Hälfte  des 
zwölften  Jahrhunderts.  Nach  seinem  Ableben  kamen  Theoderich  der  Vogt 
und  Winemar  der  Schenk  in  den  Besitz,  wovon  der  erstgenannte  der_ 
lirtider,    der  letztere,   durch    seine  Verheirathung  mit  Hadewigia,   eii( 
Scliwager  des  kinderlos  gebliebenen  Zöllners  war.  Sie  übertrugen  darai 
das  Haus  au  Gerhard,    den  Sohn    des  Vogtes,   und    dessen   Gemahlin" 
Richmuilis.     Von  dieser  Richmudis  wird  berichtet,  dass  sie  die  Toch- 
ter Herrn  Therich's  von  der  Ehrenpforte'),   eines  mächtigen  und  vor- 
nehmen kultier  Bürgers,  gewesen  sei;   dessen  Wittwe  Aleyd  habe  sich 
dann  in  zweiter  Ehe  mit  Gerhard  dem  bischöflichen  Zöllner  vermählt, 
und  Richmudis,  die  beigebrachte  Tochter,  sei  des  Stiefvaters  Liebling 
geworden,  so   dass  er   ihr   ein  reiches  Vermjichtniss  zugewandt  habe. 
Die  Uübertragsurkunde,    undatirt,   findet  sich   auf  einer   bis  1877  im 
Archiv  des  königlichen  Landgerichts,   nunmehr  im  Kölner  Stadtarchiv 
aufbewahrten  Karte  des  St.  Laurenz-Schreines;   sie  fällt  in  das  letzte 
Drittel  des  zwölften  Jahrhunderts.    Hier  ist  ihr  Abdruck : 

(L«urentii:  CartA  YL) 
,,Notuin  Sit  fidolibuB  presentibus  et  fatnris  qaod  dominus  Teodericiu 
aduooatu«  (an  anderer  Stelle:  aduocatua  in  ooria)  una  com  cxore  eiaa 
Klyaabeth  et  \Vin«>maru8  pincerna  cum  uxore  sua  Hadewige  manmniMnmt 
«t  tradidoruot  dotniuu  oam  nren  in  qua  habitabat  dominus  Gerardus  Telo^ 
niariuB    et  aiout  in  «ua  habuit  possessiooe  Gerardo  filio   adoocati  et  tzo 


1)  E»  ist  ein»  swar  tiel  verlnreitet« ,  aber  gani  irrige  Meinung,  dam 
llani   oder,   wie  man  <u  sagen  beliebt,  der  Hof  des  Benc^  von  BrabanI  den 
BinMiennanan  veranlasst  habe. 

8)  Von  ihm  handelt  eine  Brxihlang  ia  dea  Oaeearioa  von  HeisterbaGh 
Dialofus  »Iraoulorum,  T.  I,  dist  VI,  eap.  9«.  p.  879—880  der  oeaen  8  trange'soheo 
Ausgab«. 


Das  Hans  des  Herzogs  von  Brabaot  su  E&ln. 


133 


sae  Richmvdi  et  paeris  qnos  de  ea  genait.  ita  ut  iure  obtüieant.  nam  hec 
predicta  hereditas  hos  predictos  heredea  post  obitvm  Gernrdi  Theloniarii 
contingebat.'* 

Diesen  Gerhard,  des  Vogtes  Sohn,  schildern  die  Schriftsteller  als 
einen  Mann  von  edler,  tapferer  Sinnesart,  nur  bedacht  auf  ritterliche 
Thaten.  Nachdem  er  in  manchem  heisseu  Strausse,  auf  dem  Schlacht- 
felde wie  beim  Turniere ,  sich  mit  lluhm  bedeckt  hatte,  liess  er,  aus 
Liebe  zum  Heilande,  sich  mit  dem  Kreuze  bezeichuen,  nahm  Abschied 
von  Weib  und  Kindern  und  trat  die  höchst  gefahrvolle  Fahrt  nach  dem 
Morgenlunde  an,  um  für  die  Befreiung  des  heiligen  (irabes  gegen  die 
Ungläubigen  mit  zu  streiten.  Aber  ihn  traf  ein  unglückliches  Geschick; 
in  den  Meereswelleu  musste  der  fromme  Kreuzfahrer  seinen  Geist  auf- 
geben. Die  Schreckensbotschaft  kam  nach  Köln,  und  für  Frau  Kich- 
mudis,  die  Wittwe  des  Verunglückten,  gab  es  nun  keine  Freude  mehr 
auf  dieser  Erde,  Sie  erwarb  mehrere  Läudereien  vor  dem  Hahiicnthore 
der  Stadt  Köln  von  der  Abtei  St.  Panthuleon  und  dem  Kloster  St.  Mau- 
ritius. Hier  stiftete  die  edle  Frau  ein  der  heiligen  Jungfrau  geweih- 
tes Kloster,  Weyer  ^)  genannt,  mit  reichen  Schenkungen  stattete  sie 
dasselbe  aus,  und  sie  selbst,  verscheucht  von  allem  irdischen  Treiben, 
begab  sich  mit  in  die  stillen  Mauern  und  regierte  es  bis  zu  ihrem 
Lebensende.  Vier  Töchter,  die  sie  dem  Ritter  Gerhard  geboren  hatte, 
folgten  der  Mutter  dahin;  Büthildis,  Elyzabet,  Durichtn  und  Aleyd 
sind  ihre  Namen.  Die  letztgenannte  starb  sehr  bald  und  erhielt  in 
dem  Dome  zu  Köln  ihr  Begräbniss.  Dem  Kloster  aber  haben  die  drei 
anderen  Schwestern,  nachdem  die  Mutler  ins  bessere  Leben  hinüber- 
gegangen war,  eine  nach  der  anderen,  wie  sie  sich  im  Alter  folgten, 
als  Oberinnen  vorgestanden.  Zu  den  Schenkungen,  welche  das  Kloster 


1)  M,  Glasen  balle  in  seiner  Schrift:  Das  e<lele  Collen,  S.  37,  der  An- 
gabe der  Koelbof'scbea  Chronik,  Bl.  323b,  folgend,  dieses  Klosler  vor  die 
Weyerpforte  verlegt,  jedoch  1782  in  seiner  Schreinspraxis,  8.  4Ä,  den  Irrthura 
berichtigt:  «hab  in  dem  edcln  Köln  —  sagt  er  hier  —  in  Bestimmung  des  Orts, 
wo  das  Kloster  gestanden,  geirret ;  wenn  man  dem  neuen  Wege  vor  der  Hahnen- 
pforte  und  gleich  oben  dem  Schlagbaum  linkB  dem  Pfädcben  uaohgehet,  so  ist 
man  alsbald  auf  der  Hofstatt,  worauf  das  Kloster  gestanden  bat.^'  Sein  Sohn 
R.  J.  Clasen  veröffentlichte  im  Jahrgang  1613  des  Mercure  du  departement 
de  la  Roer,  Nr.  IX,  p.  259 — 263,  eine  eigene  Abhandlung:  Couvent  de  Weyer, 
worin  er  sagt:  ,,Ce  coavent  de  religieu80B  de  l'ordre  des  Premontres  etait  sitae 
ik  un  demi-quart  de  liuue  de  Cologne,  vis-a-vis  de  la  porte  dite  Habnenpforte; 
il  etait  aasis  sur  uae  6niinence  qui  est,  eu  partie,  inculle,  et  que  Ton  voit  du 
cöte  gauche  de  la  grande  route  qui  oonduit  ä  Aix>la-Chapelle." 


U4 


Dm  BaM  dm  Henof^  roa  BraiMnt  xn  Köln. 


Weyer  von  Frau  Ricfamadis  and  ihren  Töchtern  empfing,  gehörte  auch 
ihr  bedeutender  HäaserbeBitz,  worunter  sich  des  Zöllners  Ansiedel  am 
Hofe  befand.  Auch  hierüber  ist  die  Urkunde  noch  auf  einer  Schreins- 
karte  im  vorgenannten  Archiv  erhalten: 

(Lanrentn:  Carla  IH.) 
..CoDoentaa  de  piaoioa. 
Notam  Bit  presentibos  et  foturts  qood  RTcbmudis  aidaa  Germrdi  filij 
Theoderici  adaocstL  et  6Iie  eins.  Blithildi«.  EUyzabet  et  Durichin.  oontrm- 
didemnt  et  remisernnt  Cooaeotui  beate  Marie  ad  piscinam.  domam  eno 
arM  in  qua  mansit  Gerardus  thelooearius.  eicati  ipse  «am  in  propria 
ponesstone  poasederant.  Item  domum  eam  area  qoe  qnondam  fnit  Alberti 
Hvnin.  Item  domam  com  area  in  qua  raanaü  Godeecakiu  famnlna  the- 
loneartj.  It«m  aream  predicte  domoi  contignam.  Item  domam  cum  area 
qae  contigua  eeft  domoi  Herma&ni  aarif&bri.  Item  pistrinam  hole  domoi 
ooDtigoam.  Item  domum  cum  area  palacio  epieoopi  oppoeitJun  ante  potsdiof. 
Item  domnm  com  area  qoe  qoondam  Bertolfi  fioit  oppoeitam  domoi  oifid- 
AÜom.  itaqaod  predictas  hereditates  omnefi  conaeotlis  beate  Marie  ad  pis- 
einam  iore  et  sine  ooDtradictione  optinebit." 

Eine  Datirung  ist  nicht  beigegeben. 

m. 

Wir  sind  nun  zu.  dem  Zeitpunkte  vorgeschritten,  wo  der  Herzog 
von  Brabant  die  Erwerbung  machte.  Dem  Herzoge  Heinrich  ü.,  oder 
dem  jüngeren,  tritt  das  Kloster  Weyer  im  Jahre  12S5  das  Haus  Ger- 
hard s  des  Zöllners  nebst  dem  anschiessendeu  Hofe  (curia)  ab,  jedoch 
so,  dass  er  dem  Kloster  mit  einer  jährlichs  zu  Ostern  und  am  Feste 
des  heiligen  Gereon  zu  erlegenden  Geldrente  von  je  drei  Schillingco 
linsptUchtig  blieb.  Aber  auch  noch  einen  anderen  Vorbehalt  stellten 
die  Klosterfrauen.  Wenn  sie  durch  Feuersbrunsl  oder  Kriegsgefahr 
xur  Auitwanderuug  veranlasst  würden,  so  solle  ihnen  das  Obatrageoe 
Haus  eine  freie  Aufnahme  gew&hren,  ohne  irgend  einen  Anspruch  auf 
l'.nt^olt,  und  zwar  auf  so  lange,  bis  die  Rückkehr  in  das  Kloster  mit 
guter  Sicherheit  und  Bequemlichkeit  geschehen  könne.  Ein  vereinsam- 
tem Blatt,  aus  oinom  der  frQbesten  Bacher  des  Schöffenscb reines  geret- 
tet, enthält  die  fUr  uns  hier  sehr  wichtige  Urkunde').  Es  hat  die  Ueber- 


I 


1)  Hie  findet  neh  auch  in  etnem  CartaUr  de«  CicilienitifVee  ia  Söln  ein- 
lfeir»ir«t),  jeUi  dem  Stadtarchiv  zQ|;ehnh|;.  T)a»aeh  Befolgte  dar  Abdraok  in  dm 
guKlInii   1.  floach.  li.  Stadt  Kuli],  II.  Nr.   166,  S.  Iifr^l56. 


Das  Hau«  des  Bersogs  von  Brabant  xa  Kölo. 


125 


Bchrift:  „TermiDUs  Parochie  sanctj  Lavrencij"  und,  zwischen  verschie- 
dene andere  und  fremdartige  Eintragungen  gestellt,  liesst  man: 

„Notum  Bit  tam  futuris  quam  presentibus  Qaod  Conuentus  aancte 
Marie  de  piscinn  tradidit  et  remisit  doiniiio  Ilenrico  jnniori  duci  Brabaocie 
post  mortem  uxoria  sue  que  fuerat  lilia  Regis  Philippi  doiunm  oppositam 
palacio  Archiepiscopi  que  quondam  faerat  mansio  domtni  Gerardi  Thelonearij 
Goloniensia  cum  curia  adiacente  sicut  in  sua  poosidebat  proprietate.  (all 
condicione  quod  predicta  hereditaa  annuatim  dicto  conuentuj  in  Pascha  et 
in  feato  sancti  Gereonis.  iij.  solidos  coloniensea  eine  omni  contradictione 
per8olu«t.  Preterea  sciendnm  quod  ai  predictus  conuentas  de  piscina  siue 
propter  incendium  quod  deus  auertat  uel  propter  periculum  alicuiuB  eier- 
cituB  claustrum  suum  exierit.  in  predicta  domo  eine  aliquo  censu  inde 
dando  tam  diu  remanelbit  quoueqtie  cum  aua  bona  aecuritate  et  commoditate 
in  olanstmm  sunm  reuertatun  Actum  anno  dnj.  m**.  cc".  rxxv®." 

Es  folgt  eine  zwei  Jahre  später  datirte  Beurkundung,  welche 
vielleicht  in  den  Finanz  Verhältnissen  dos  Herzogs  die  nächste  Veran- 
lassung gefunden  hat.  Er  gibt  seine  kölner  Besitzung  einem  Heriman 
von  Uthe'}  auf  Lehenszeit  zu  Lehen ;  aber  auch  nach  dessen  Tode  fällt 
sie  nicht  ohne  Weiteres  an  den  Herzog  zurück,  sondern  des  Lehenträ- 
gers  Söhnen  Gerhard  und  Heriuian  soll  der  Wohnsitz  so  lange  ver- 
bleiben als  der  Herzog  ihnen  nicht  die  Summe  von  hundert  kölner 
Mark  anweisen  werde.    Sie  lautet: 

„Notum  ait  quod  dominua  Henricue  Dax  Lotbaringie  et  Brabancie 
coneessit  in  feodo  Herimanno  de  Vthe  quamrliu  idera  Herimannoa  de  Vthe 
nixerit.  domum  suam  que  opposita  est  Palacio  ÄrchiepiBCopi  que  quondam 
faerat  mansio  Gerardi  tbelonarii.  aicnt  eam  in  aua  poasidebat  proprietate 
ante  et  retro.  Post  mortem  uero  eiusdem  Herimanni  duo  filij  sui  quoa  de 
uzore  sua  priore  Margareta  genuerat  acilicet  Gerardua  et  Herimannua  uel 
alter  eorum  predictam  mansionem  tam  diu  obtincbit  quousque  domioDS  Dax 
Brabancie  centum  marcas  colonienses  ipsis  uel  heredibua  eomm  assigtiauerit, 
salno  tarnen  itire  conuentua  aancte  Marie  de  piBcina  ut  anperius  scriptum 
est.  Actum  anno  dni.  m".  co*.  xxxvij'*." 


1]  Dieaen  kennen  die  SchreinBurkunden  auoli  an  anderer  Btelle,  wo  man 
leina  Tochter  Hadewig  in  das  Geticbliecbt  dur  llarderuat  vcrhciratbet  findet. 
1241  leistet  BIO  einen  Verzicht  auf  einen  Thcil  dca  von  ihrem  Vater  hinterlaflse» 
neu  Erbes  zu  Gunsten  ihrer  GeschwiBter:  ,,Notum  ait  t.  f.  q.  p.  quod  Hadewigis 
qne  fuerat  filia  Herimanni  de  vthe  et  Margarete,  et  marituB  eiue  Godefridua 
filiufl  Hildegeri  Hardeuuat,  super  omnibus"  a.  a.  w.  (Faacikel  eines  Schreinabuchs 
im  Stadtarchiv.) 


196 


Dfts  HauB  dea  Herzogs  von  Brabant  eu  E5In. 


Was  den  Vorbehalt  der  Klosterfrauen  zum  bedingungsweisen 
Aulenthalte  in  dem  Hause  betrifft,  so  war  derselbe  durch  eine  Erfah- 
rung begründet,  die  sie  bereits  vor  der  Uebergabe  an  den  Herzog  von 
Brabant  hatten  machen  müssen.  Einmal  schon  war  ihr  friedliches,  aber 
schutzlos  vor  den  Mauern  der  Stadt  gelegenes  Asyl  von  den  Kriegs- 
drangsalen auf  das  härteste  betroffen  worden.  Wenige  Jahre  nach  der 
Stiftung,  als  die  Stadt  eine  Belagerung  durch  König  Philipp  von 
Schwaben  zu  fürchten  hatte,  war  der  erste  Bau  des  Klosters  Weyer 
niedergerissen  worden,  und  Richmudis  hatte  mit  ihren  frommen  Ge- 
fährtinnen in  ihren  ehemajigen  Kamiliensitz  zu  Köln  zurückkehren 
müssen.  Drei  Jahre  verweilten  sie  hier,  bis  ein  neues  Klostergebäude 
erstanden  war, 

Erzbischof  Heinrich  von  Molenark  starb  im  Jahre  1238,  und  auf 
ihn  fulgte  Graf  Conrad  von  Hochstaden,  jener  gewaltige  Erzbischof 
von  Köln,  durch  dessen  überwiegenden  Eiutluss  drei  Gegenkönige  im 
römisch-deutschen  Reiche  nacheinauder  auftraten:  Heinrich,  Landgraf 
von  Thüringen,  beigenannt  Raspe,  Graf  Wilhelm  vun  llolland  und 
Graf  Richard  von  Goinwall.  Die  guten  Beziehungen,  welche  unter  sei- 
nen Vorgängern  zwischen  Köln  und  Brabant  bestanden  hatten,  blieben 
unter  seiner  Regierung  nicht  ungetrübt,  ja,  gleich  anfangs  gingen  sie 
in  ofienen  Krieg  über.  Schon  im  Jahre  121^9  sehen  wir  den  Herzog 
Heinrieh  U.  von  Brabant,  verbündet  mit  dem  Herzoge  Heinrich  IV. 
von  Limburg,  zur  Belagerung  Köln's  mit  Heeresmacht  heranrücken. 
Die  Bürger  hielten  ti'eu  zum  Erzbischof,  und  das  feindliche  Heer  rausste 
abziehen.  In  einer  Urkunde  vom  27.  Juli  1240  in  vigilia  Pauthaleonis 
martiris  spricht  Conrad  seine  dankbare  Anerkennung  für  die  treue 
Hülfe  aus,  womit  er  von  der  Stadt  Köln,  die  schon  bei  seiner  Erwäh- 
luiig  ihm  ihre  Anhänglichkeit  bewiesen  habe,  in  dem  Kriege,  der  zwi- 
schen ihm  und  den  Herzogen  von  Brabant  und  Limburg  geführt  worden, 
unterstützt  worden  sei,  „a  die  illo,  quo  guerra  iiiter  nos  et  duces 
Brabantie  et  de  Lemburg  et  eorum  fautores  iucepit,  usque  in  diem 
b.  Jacobi  apostoli  proximo  preteritum,  (L.  H.  248.)  Freundliche  Be- 
ziehungen haben  darauf  zwischen  dem  Herzoge  von  Brabant  und  dem 
Erzbischof  Conrad  wieder  Bestand  gewonnen.  In  einer  Urkunde  aus 
dem  Jahre  1243  in  vigilia  beati  mathie  apostoli  verbünden  sich  Beide 
gegen  den  Grafen  Wilhelm  von  Jülich,  welcher  das  erzbischöfliche  Ge- 
leitsrecht verletzt  hatte,  so  wie  gegen  Jeden,  der  die  Rechte  der 
kölnischen  Kirche  angreifen  würde  (L.  II.  282),  und  1244  zogen  die 
Banner  von  Köln  und  Brabaut  vereint  gegen  den  Grafen  zum  Kampfe  aus. 


Das  Haus  des  Herzoge  vou  Brabant  za  Köln. 


127 


Die  Verbindung  ward  eine  so  innige,  dass  Conrad,  als  es  sich  im  Jahre 
1247  zum  zweiten  Male  darum  handelte,  an  des  gebannten  Kaisers 
Friedrich  II.  Stelle  einen  neuen  römisch-deutschen  König  zu  wählen, 
seinen  Blick  auf  den  Herzog  Heinrich  11.  von  lirabttnt  richtete,  der 
für  sich  zwar  ablehnte,  jedoch  mit  dem  Erzbischof  vereinigt  am  4,  Octo- 
ber  1247  zu  Worringen  die  Erwählung  seines  Ncflen,  des  jungen  Gra- 
fen Wilhelm  von  Holland,  zu  Stande  brachte.  Man  20g  nach  Köln, 
und  der  Herzog  wohnte  den  hier  veranstalteten  grossen  Festlichkeiten 
bei.  Eine  feierliche  Danksagungsniesse  fand  im  Dome  Statt,  durch  den 
König  Ottokar  von  Böhmen  erhielt  Wilhelm  den  Ritterschlag,  ein 
Turnier  wurde  gehalten  und  drei  Tage  dauerte  das  Hoflager  in  Köln. 
Auch  im  darauffolgenden  Jahre  beherbergte  das  kölner  Haus  den 
Herzog.  Erzbischof  Conrad,  angelangt  auf  dein  Höhepunkte  seiner 
weltlichen  Macht  und  Grösse,  trachtete  nun  nach  einem  Ruhme  edlerer 
Art,  einem  Ruhme,  der  noch  jetzt  nach  mehr  als  sechs  Jahrhunderten 
seinen  Namen  strahlend  umgibt.  Ein  zweiter  Saloraon  wollte  er  wer- 
den, den  schönsten  Tempel  der  Christenheit  beschloss  er  dem  Herrn 
zu  erbauen.  Der  Rau  des  kölner  Domes,  des  Riesenwerkes,  welches 
.auch  in  nnsern  gegenwärtigen  Tagen  ein  Gegenstand  der  allgemeinsten 
Bewunderung  und  Begeisterung  geblieben  ist,  wurde  unternommen. 
„In  dem  Jahre  unseres  Herrn  1248  begann  Bischof  Conrad,  weil  er 
sehr  aus  der  Massen  reich  war  an  Gold,  Silber  und  Edelgesfeine,  so 
dass  er  seinen  Schatz  für  unverzehrlich  und  unerschöpflich  hielt,  grosse 
köstliche  Dinge  mit  Bauen  und  mit  Kaufen.  Er  liess  beginnen  den  grossen, 
köstlichen  und  ewigen  Bau,  den  Dom  .  .  .  und  der  genannte  Bischof 
legte  den  ersten  Stein  auf  unserer  lieben  Frau  Uimmellahrt-Abend  in 
dem  besagten  Jahre.  Und  davon  ist  geschrieben  in  dem  Dome  über  der 
einen  Thüre,  wo  die  Jahre  des  Regiments  der  Bischöfe  durch  die 
Stecken  gezeichnet  werden,  und  lautet  also: 

^Aono  miUeno  bis  centeno  quater  decimo  dabis  octo 
Dum  colit  assumptam  clerus  populusi]ue  mariam 
Fresul  Couradus  ex  Hoesteden  generosus 
Ampliat  hoc  templum  la|iidem  locat  ipseque  primura 
Anno  milleno  ter  centeno  vigenaque  iungo 
TuDc  nouus  iate  chonis  cepit  iubilare  caoorus.*  ') 


1)  In  dem  Worke  Qälen's  De  magnitudiuo  Coloniae,  p.  232,  ist  diese  Iq- 
Bchrifl  mit  einigen,  jeduch  unweBeatlicben  Abweichungen  gegen  die  vorstehende 
Loiort  der  Chronik  initgotheilt. 


m 


D%m  Bau«  dei  Herzog«  tod  Binab«nt  sa  Köln. 


^'SO''^  Koelhorsche  Chronik  von  1499.  An  dem  festlichen  Tage' 
der  Grunditteinlegung  hatte  der  Erzbischof  die  Freude,  sich  vom  Könige 
Wilhelm,  den  Herzogen  Heinrich  von  Brabant  und  Walram  von  Lim- 
burg, den  Grafen  Otto  von  Geldern,  Adolph  von  Berg,  Dirk  von  Cleve 
und  Johann  von  Ilennegau,  dem  Legaten  des  Papstes,  Petras  Capucius, 
dem  Bischof  von  Liittich,  nebst  anderen  Bischöfen,  vielen  Aebten,  Gra- 
fen und  Herren  umgeben  zu  sehen. 

IV. 

Als  Herzog  Heinrich'»  II.  8ühn,  Heinrich  HI.^)  zur  Regierung  ge- 
kommen, änderten  sich  die  Stellungen  wieder.  Die  ernstesten  Zerwürf- 
nisse brachen  ans  »wischen  dem  Erzbischof  und  der  mächtig  aufge- 
blühten Stadt  Kohl.  Der  Freiheitsdrang  der  Bürger  widei'setzte  sich 
den  alten,  wohibegründeten  Hoheitsrechten  des  Erzbischofs,  der  seiner- 
seits sich  der  besten  Titel  bcwusst  war,  um  die  Stadt  für  eine  bischöf- 
liche Stadt  und  sich  für  den  Herrn  dereelben  halten  zu  dürfen.  Den 
vielverniÖgomleu  Herren  von  der  Richerzeccheit,  den  reichen  Kaufleutett 
in  Köln,  gelang  es,  unter  Verniittelung  des  Grafen  Otto  von  Geldern, 
den  Hrrzoj?  Heinrich  HI.  von  Brabant  im  Jahre  1251  zu  einem  Freund- 
schafts und  Handelsverträge  zu  bestimmen,  worin  gegenseitig  den 
Kaufleuten  freier  Handel  gegen  Entrichtung  des  gewöhnlichen  Zolles 
gostattot»  auch  ihr  Gerichtsstand  festgestellt  und  ferner  bedungen 
wurde,  dass  er  in  Geltung  bleiben  solle,  selbst  wenn,  was  Gott  ver- 
hüten möge,  der  Herzog  mit  dem  Erzbischofe  in  Unfrieden  gerathen 
wtlrde.")  Conrad  war  nicht  der  Mann,  eine  solche  Beleidigung  hinza- 
nehmen.  Den  Fehdehandschuh,  welclien  die  kühnen  Bürger  ihm  hin- 
geworfen hatten,  nahm  er  auf,  indem  er  nun  mit  Absicht  in  die 
Terbheften  Rechte  der  Stadt  eingriff,  namentlich  bezüglich  des  MOnz-' 


t)  Kr  i«t  dM  Ente,  10  dflawn  Siefrel  mui  den  Titel  „Senof  tob  Brmbtnt" 
toiü,  \ti  MJMO  Toiftkm  liwi  m«o  von  Loibriogwi  odir  ww  Löwen. 

S)   M.  t.  S«rtoriuB,   Geaohtelit«   de*  HaoteaÜKhen  finde*  1,   424  ini4i 
Lac^Mblel  n.  Nr.  STT.    Es  ist  die«  obno  Zweifel  dereetbe  Handderertreg,  VM 
wrioiii  J.  Bttrokherdt  (Conr.  t.  HocfceHidan,  S.  66)  baricbiel,  dm  die  Stedl 
ik»  iM  Jekte  UBO  mäk  dwa  Benof«  toa  Brebeat  tud  i»m  Gnkm  tob  i 
•ICmUmmb  mad  tUk  dute  TWfttdde«  kabe.  O»  n  eiMlaB,  „Midk  wen 
wUk  ^M  fewAMk  rt«  dae  fraWsekof  Warffea  »fcBltf*.    Di*  IMsate 
UU   diidrt   Mck  iadMB  iMMt  gaat  •»  b6Mrti(  aea.    Brnrckhardi 


Dv 


LaeoMblct* 


PrHn4eahi<ihfa   v«r  b«  dar 


fiJba  d»  Bar«kbardt> 


Daa  Haut  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


129 


und  Zollwesens.  Diesmal  bequemten  sich  beide  streiteiiile  Tlieile  noch 
zu  einer  baklij^en  Sühne,  welche  im  Ajjril  1252  durch  den  päpstlichen 
Legaten,  Cardinal  Hugo,  und  den  berühmten  Predigermönch  Albert  den 
Grossen,  als  dazu  erwählten  Schiedsrichtern,  festgestellt  wurde.  (L.  II. 
380.)  Aber  schon  in  den  nächsten  Jahren  brach  die  feindliche  Stiin- 
mung  um  so  heftiger  hervor.  Conrad  verlor  eine  Schlacht  gegen  die 
Kölner  beim  Dorfe  Frechen,  Am  Mittwoch  mich  dem  Palnitage  des 
Jahres  1257  wird  die  Streitsache  nochmals  dem  Ausspruche  von  Schieds- 
richtern überwiesen,  unter  denen  sich  wiederum  der  grosse  Albertus 
(»brudir  albrette  der  lesemeistir  van  den  predichgerin  ze  Colne")  be- 
findet. (L.  IL  435.)  Im  Juni  1258  kam  dann  die  zweite  oder  grosse 
StÜine  zum  Abschlüsse.  (Secur.  ad  rad.  pos.^  p.  242—250,  No.  77, 
L.  IL  452),  eine  Urkunde  von  wichtigster  Bedeutung,  da  sie  fortan 
als  die  Grundlage  des  kölnischen  Verfassungswesens  in  Betracht  kommt. 
Trotzdem  brechen  im  darauffolgenden  Jalire  die  Feindseligkeiten  von 
Neuem  aus.  In  seinem  Palaste  zu  Köln  fasste  der  Erzbischof  Beschlüsse, 
welche  in  eigenmächtiger  Weise  die  bestellenden  Einrichtungen  verletz- 
ten und  aufhoben.  Jede  Gewaltthat  gelang  ihm^  und  als  Herr  der 
Stadt  gab  er  am  29.  September  12<31  zu  Köln  seinen  Geist  auf. 

Zu  dieser  Zeit  war  Herzog  Heinrich  IIL  von  Brabant  schon  nicht 
mehr  am  Leben.  Sein  Sohn  Johann  L,  genannt  der  Siegreiche,  der 
die  Tochter  König  Ludwig's  des  Heiligen  von  Frankreich  zur  Ehe 
hatte,  folgte  ihm  im  Jalire  1260  in  der  Regierung.  Mit  ihm  werden 
wir  uns  viel  zu  beschäftigen  haben,  jedoch  erst  nachdem  die  unausge- 
setzt stürmischen  Jahre  vorüber  waren,  die  Erzbischof  Engelbert  von 
Valkenburg  auf  dem  Kurstuble  von  Köln  zubrachte  —  1261  bis  1275  — , 
dessen  Fehden  mit  der  Stadt,  einschliesslich  der  Begebenheiten  unter 
Conrad  von  Hochstarten,  den  Gegenstand  von  Godelrit  Hagene's  Reim- 
chronik bilden.  Engelbert's  Nachfolger  war  Graf  Siegfried  von  Wester- 
burg,  erwählt  im  Jahre  1275,  ein  streitbarer  Mann,  der  sogleich  sich 
wieder  mit  der  Stadt  Köln  und  mit  dem  nächsten  Nachbarfürsten,  dem 
Herzoge  von  Jülich,  im  Kriege  befand.  Zu  Brabant  schien  er  eine 
freundliche  Stellung  einnehmen  zu  wollen.  Bald  nach  Ostern  („feria 
quarta  proxima  post  diem  pasche")  1277  erneuerte  er  mit  dem  Her- 
zoge Johann  das  alte  Schutzbündni&s,  welches  zwischen  dessen  Vor- 
fahren und  den  Erzbischöfen  Bruno,  Adolph,  Theoderich  und  Engel- 
bert (I.)  war  errichtet  worden.  (L.  IL  699.)  1270  quinto  Kai.  Septera- 
bris  verbündet  er  sich  mit  demselben  und  den  Herzogen  Reinald  von 
Geldern  und  Theoderich  (Dirk)  von   Cleve  zur  Aufrechthaltung  der 


130 


Das  Baus  des  Herzogs  von  Brabant  eu  Köln. 


öfFentlichen  Sicherheit  zwischen  Rhein  und  Bender  oder  Denre,  dem 
Scheidet! U8SC  zwischen  Brabant  und  Flandern ;  zugleich  treflFen  sie 
mehrere,  das  Zollwesen  angehende  Bestimmungen.  (L.  II.  728.)  Aber 
jetzt  brachen  die  Zerwürfnisse  herein.  Kaum  hatte  der  Erzbischof  die 
Fehde  gegen  Jülich  beendigt,  „so  geschah  es  danach*'  —  um  mit  den 
Worten  der  Koelhofschen  Chronik  zu  reden  —  „dass,  um  etliche  Ge- 
rechtsame seiner  Kirche  zu  beschirmen,  ein  anderer  Krieg  aufstand 
zwischen  ihm  und  Herzog  Johann  von  Brabant.  Und  er  setzte  wider 
Herzog  Johann  von  Brabant  und  belagerte  das  Schloss  Kerpen  gegen 
den  Herzog  von  Brabant  und  lag  davor  ungefähr  acht  Wochen,  und 
er  gewann  es  und  steckte  es  an  und  verbrannte  es,  welches  Schloss  der 
Herzog  gekauft  hatte  von  den  Erben  von  Gemmenich  (Gymnich).  Das- 
selbe Schloüs  liesa  nachmals  der  Herzog  von  Brabant  wieder  aufbauen 
und  viel  starker  als  es  vorhin  gewesen  war.  Und  das  war  ein  Saam- 
korn  und  Beginn  eines  grossen  Hasses  und  Feindschaft  zwischen  dem 
Bischof  von  Köln  und  dem  Herzog  von  Brabant,  wovon  ein  grosser 
Streit  und  Todtschlag  kam  .  .  ."  Nachdem  dann  noch  im  Jahre  1284 
in  craslino  assuniptionis  b.  Marie  virginis  ein  Biindni.ss  zwischen 
Rcinald,  dem  Grafen  von  Geldern  und  Herzog  von  Limburg,  uod  dem 
Erzbiscbof  Siegfried  gegen  den  Herzog  Johann  von  Brabant,  den 
Grafen  Adolf  von  Berg,  dessen  Bruder  Heinrich  von  Windeck  und  den 
tirufen  Kverhard  von  der  Mark  abgeschlossen  worden  (L.  U.  793), 
rückte  bald  ein  Ereigniss  heran,  welches  die  feindlichen  Parteien  io 
eine  der  blutigsten  Schlachten  führte,  welche  auf  dem  Boden  des  köl- 
ner Erzstiftä  geschlagen  worden  sind. 


Die  Koelhofsche  Chronik  wählen  wir  auch  hier  zum  Bericht- 
erstatter: 

„Im  Jahre  des  Herrn  1288. 
Von  dem  Worringer  Streite. 

Zu  der  Zeit  starb  der  Herzog  von  Limburg  sonder  Leibes  Geburt, 
und  davon  kam  ein  grosser  Krieg  und  Zwietracht  zwischen  Herzug 
Johann  vuii  Brabant  und  (■rufen  Keinohl  von  Geldern  um  demselben 
Herzogthums  willen.  Der  Graf  von  Geldern  unterwand  sich  des  Her- 
zogthuins  als  von  seiner  Hausfrau  wegen  und  hatte  die  Schlosser  und 
andere  Festungen  eingenommen  und  hielt  die  mit  Gewalt.  Graf  Adolph 
von  Berg  war  der  nächste  Erbe  zu  dem  Herzogthum,  und  die  Gerech- 
tigkeit der  Erbschaft  zu  diesem  Lande  kaufte  ihm  der  Herzog  von 


Dm  Haas  des  Hersogs  von  firabant  cu  Kölu. 


131 


Brabant  ab  um  baares  Geld.  Ein  jeder  von  ihnen  wiegelte  alle  seine 
Freunde  und  Freundesfreiinde  auf.  In  demselben  Verlaufe  belagerte 
Graf  Reinold  von  Geldern  die  Stadt  Thil  und  gewann  die  und  zerstörte 
die.  Nun  stand  Biscliof  Siegfried  mit  der  Stadt  Köln,  gleich  seinen 
Vorfahren,  auch  in  Unwillen  und  in  Zwietracht  um  der  Stadt  wogen. 
Hierum  verband  sich  der  Herzog  von  Brabant  mit  seinem  Bruder 
Gottfried,  mit  Graf  Adolph  von  Berg  und  mit  Heinrich  von  Windeck, 
seinem  Bruder,  mit  Graf  Wah'ave  von  Jülich  und  mit  Graf  Gerhard, 
seinem  Bruder,  Herrn  zu  Caster,  mit  Graf  Evcrhard  von  der  Mark  und 
seinem  Bruder,  mit  der  Stadt  Köln,  mit  dem  Bischof  von  Liittich,  mit 
dem  Grafen  Syrapoli,  «las  ist  von  St.  Paul,  mit  dem  Grafen  von  Loz 
und  mit  vielen  andern  edetn  und  mächtigen  Herren.  Hierwider  ver- 
band sich  der  Graf  von  Geldern  mit  dem  Bischof  von  Köln,  mit  Graf 
Heinrich  von  Luxemburg,  dessen  Sohn  nachmals  König  ward,  und  mit 
Walrave,  seinem  Bruder,  mit  Johann  Herrn  zu  Limburg  und  mit 
Heintich  Herrn  u\  Westerburg,  mit  dem  Herrn  von  Valkenburg,  mit 
vielen  anderen  mächtigen  Herren,  Rittern  und  Knechten.  Diese  zwei 
Parteien,  nämlich  der  Herzog  von  Brabant  und  der  Graf  von  Geldern, 
betrieben  allerlei  Kriogsunternelimungen  zu  beiden  Seiten  und  stritten 
aufeinander,  bald  hehielteu  diu  das  Feld,  bald  die  anderen.  Und  weil 
Bischof  Siegfried  sich  vor  anderen  ernstlich  bewies  gegen  Herzog  Jo- 
hann von  Brabant,  ihn  zu  schädigen,  wie  er  auch  vorhin  ihn  angetastet 
halte,  also  rückte  zum  letzten  der  Herzog  mit  seinen  Freunden 
mit  Macht  in's  Stift  von  Köln  und  verheerte  das  Land  an  allen  Enden, 
und  kam  vor  das  Städchen  Worringen,  zu  jetziger  Zeit  ein  Dorf,  und 
legte  sich  vor  die  Burg,  die  der  Bischof  da  hatte  machen  lassen  zum 
Widermuth  der  Stadt  Köln,  mit  der  er  stets  in  Zwietracht  stand.  Da 
ward  von  dem  Herzoge  von  Brabant  und  von  der  Stadt  Köln  und 
ihren  Freunden  diese  Burg  zu  Worringen  mit  einem  grossen  starken 
Heere  belagert.  Einige  Historien  schreiben,  dass  der  Herzog  von 
Brabant,  der  Graf  von  Jülich  und  ihre  Helfer  iu's  Stift  von  Köln 
kamen  bis  nach  Rodenki rohen  und  da  hielten  sie  Heerschau,  und  von 
dannen  fuhren  sie  also  fort  und  die  Stadt  Köln  mit  ihnen  nach  Wor- 
ringen, und  belagerten  das  Haus  etc.  Ein  Theil  andere  Chroniken 
schreiben,  dass  Bischof  Siegfried  mit  seineu  Freunden  trefflich  belagerte 
die  Stadt  Köln  im  Jahre  1288  auf  St.  Bonifaciustag  bei  Itodeukirchen 
uud  allda  Heerschau  hielt.  Der  Bischof  Hess  die  Stadt  und  kam  mit 
seinen  Helfern  und  wollte  die  Burg  entsetzen,  so  dass  beide  Parteien 
zusammentrafen  und  zu  einem  Streite  kamen,    und  das  geschah  auf 


isa 


Das  Haus  des  Berzogs  von  ßrabant  zu  Köln. 


St.  Bonifaciustag  des  heiligen  Bischofs,  der  war  auf  einen  Samstag  im 
Jahre  1288.  Und  es  entstand  ein  grosser  blutiger  Krieg,  und  viele 
wurden  erschlagen  von  beiden  Seiten.  Zum  letzten  behielt  der  Her- 
zog von  Brabaiit  das  Feld.  Da  blieben  todt  edier  Herren,  Ritter  und 
Knechte  mehr  denn  800,  und  es  wurden  bei  Worringen  mit  vielen  Hun- 
derten sowohl  Ritter  als  Knechte  begraben,  und  noch  heut  des  Tages 
ist  da  ein  Kapellchen,  wo  das  Begräbniss  geschehen  ist ').  In  der  Bi- 
schofs-Chrönik  von  Köln  steht  geschrieben,  dass  allein  auf  des  Bischofs 
Seite  mehr  als  1000  edle  ^laimea  todt  blieben  und  mehr  als  1000 
gefangen.  Da  blieb  todt  der  Graf  von  Luxemburg  und  sein  Bruder 
Walrave,  und  Heinrich  von  Westerburg  Ritter,  des  Rischofs  Bruder. 
Herzog  Johann  von  Brabant  ward  Bürgerzu  Köln,  und  ihm 
ward  zu  einer  Vergeltung  gegeben  Costyn's  Grevenbaüs 
binnen  Köln,  eine  schöne  Herberge,  als  sein  eigenes  freies 
Haus,  in  welchem  auch  die  missthätigen  Menschen  frei 
sind,  wenn  sie  darein  kommen,  und  es  ist  darum  genannt 
das  Freihaus  von  Brabant,  wie  auch  daran  geschrieben 
stehet,  und  doch  wird  es  noch  zu  jetziger  Zeit  Costyn's 
Greveuhaus  genannt  oder  zu  der  goldenen  Krone,  eine 
von  den  köstlichsten  Herbergen  binnen  Köln  für  Fürsten 
und  Herren.  Und  so  wann  ein  Herzog  von  Brabant  nach 
Köln  kommt,  so  zieht  er  da  ein  wie  in  seine  eigene  Woh- 
nung, und  was  für  Herren  darin  lägen,  die  mQssen  hinaus, 
wie  bei  unseren  Zeiten  geschehen  ist  Dasselbe  Haus 
haben  in  Lehenschaft  von  einem  Herzuge  von  Brabant  rit- 
termässige  Männer  im  Stift  von  Köln.'* 

,4a  diesem  Streite  ward  Herr  Siegfried  von  Westerburg,  Bischof 
vn  Köln,  gefangen.  Graf  Reinold  von  Geldern  ward  auch  gefangen 
und  sehr  verwundet,  und  mit  ihnen  wurden  gefangen  viele  Ritter  und 
Knechte;,  wie  vorstehL  Nachdem  Gott  dem  Herzoge  von  Brabnntf  dem 


t)  Auf  alleren  Karten  de«  Erxstifta  Köln  aad  namentlich  auf  jtaat  TOB 
J.  Oigac  in  dessen  Prodromus  geogrmphicus  teigt  sich  nrisehan  Merkanioli  «ad 
Worriogrn  am  Rheine  eine  «iqsam  gvleg«oe  Kirche  mit  der  Bea^dinaag  ,Jlode- 
mauoM  Eirehe";  von  Wentel  Rollar  hat  man  «ine  häbaeh«  laadaehaAläcbe  Ra- 
dinsag,  w«loli«  «ban  dJeaa  Kirche,  jedoch  mit  dar  fehleriMkltcB  Beiachrifl  „Dar- 
wmmJkirA",  nebst  der  gegenttber  Hegenden  Ortadtafl  „Rnidorp*'  aoigi.  Yer« 
■obiedeae  Sagen  beekhen  aber  die  Yetenlasaang  am*  Kviobtaag  dieaaa  KiMb* 
Iria»;  eiBe  itxem,  ood  «obl  nicht  die  wwitsl  wabiacbeiadieha,  briaigt  eis  nnl 
dv  Woniager  Sebkebt  in  YerbiDdng. 


Daa  Haus  des  Hersogs  von  Brabant  zu  Köln. 

Herzoge  von  Berg  und  der  Stadt  Köln  die  Ueberwindiing  Aber  ihre 
Feinde  verliehen  hatte,  hielten  sie  diese  ihre  Feinde  gefänglich  und 
schätzten  ihnen  grosses  Gut  ab  .  .  ." 

„Da  nun  Bischof  Engelbert  vor  und  Bischof  Siegfried  nach  die 
Stadt  Köln  in  den  römischen  Bann  und  in  des  Kaisers  Acht  gebracht 
hatten,  von  der  Stadt  wegen,  denn  der  genannten  Bischöfe  Krieg  ge- 
gen die  Stadt  Köln  war  allein  darum,  dass  sie  Köln  wiederum  in  ihre 
Gewalt  wollten  haben,  so  geschah  es,  wie  ich  habe  sagen  hören  und 
auch  in  einem  Theil  Bücher  gelesen  habe,  dass  der  Bischof  bei  dem 
römischen  Könige  so  viel  erlangt  hatte,  dass  die  Bürger  von  Köln  dem 
Bischof  die  Stadt  wieder  in  seine  Gewalt  liefern  sollten  oder  die  Schlüs- 
sel von  der  Stadt  zwei  Meilen  Weges  in  das  Feld  fahren  und  mit 
einem  offenbaren  Streit  dieselben  Schlüssel  ritterhch  gewinnen  und 
halten,  und  wer  den  Streit  altda  gewänne,  der  sollte  der  Stadt  und 
der  Schlüssel  dazu  Oberster  aein,  und  wer  dann  die  Schlüssel  also  ge- 
wonnen hätte,  der  möchte  mit  den  Schlüsseln  die  Stadt  aufschtiessen. 
Und  weil  der  Bischof  der  Stadt  so  nahe  lag,  wie  vorsteht,  bei  Roden - 
kirchen,  wollte  die  Gemeinde  das  nicht  leiden,  dass  man  so  nahe  bei 
der  Stadt  um  die  Schlüssel  streiten  sollte  als  verzagte  Männer,  die 
nicht  aus  ihrer  Stadt  treten  dürften,  sondern  sie  wollten  ehrlich  und 
ritterlich  nach  dem  Ausspruche  ihre  Schlüssel  und  Stadt  gewinnen 
und  behalten.  Und  dem  nach  thaten  die  Bürger  von  Köln.  Sie  legten 
die  Schlüssel  auf  einen  Karren  und  der  war  wohlverwahrt  mit  Schlös- 
sern und  Bänden,  und  sie  führten  den  Karren  mit  den  Schlüsseln  in 
das  Feld  zu  Worringen  zum  Herzoge  von  Brabant').  Sie  verbrannten 
Worringen  und  stürmten  das  Haus.  Dess  ward  der  Bischof  gewahr 
und  brach  mit  allen  seinen  Freunden  auf,  und  sie  kamen  zusammen 
zu  Streite,  wie  vorsteht.  Die  Bürger  von  Küln  bewiesen  sich,  wie  billig 
war,  frommlich  als  getreue  Glieder  des  heiligen  römischen  Reichs, 
daran  sie  in  Sonderheit  gefreiet  sind,  dass  sie,  wie  andere  gefreiete 
Bürger  und  andere  Dienstraunnen  des  heiligen  römischen  Reichs  unter 
dem  Reich  wären  und  nicht  unter  geistlicher  Gewalt  der  Bischöfe.  So 
denn  aller  Sieg  vom  Himmel  ist,  so  vergönnte  Gott  und  gab  den  Bür- 
gern, dass  sie  den  Streit  gewannen,    und  sie  behieiten  ihre  Schlüssel 


1)  Die  ErzihlaDg  von  dem  Scblässelwageu  wird  sehr  verBcbieden  gewür- 
digt. De  Noel  bst  ihre  Glaubwürdigkeit  im  Feuilleton  der  KöId.  Zeitung  Nr.  220 
von  1840  nachzuneiflen  verauclii;  Andere,  wie  v.  Mering  (Zur  Geschichte  der 
Stadt  Köln,  II.  166),  erklären  sie  für  ein  M&raben. 


134 


Das  IIbub  des  Herzogs  von  Brabant  za  Köln. 


und  ilire  Freiheit,  und  führten  ihre  Schlüssel  mit  Freuden  wiederum 
in  Köln,  und  behielten  von  der  Zeit  an  noch  bis  her  zum  Jahre  1499, 
dasB  sie  sich  schreiben  und  sind  die  Herren  der  Stadt  Köln  und  freie 
Bürger,  wie  auch  in  der  Huldung  des  Königs  oder  des  Bischofs  aus- 
gesprochen wird.  Und  um  di(^ses  herrlichen  und  ehrlichen  Sieges  willen, 
dass  der  nicht  vergessen  werde,  und  dass  Gott  zu  den  ewigen  Tagen 
darum  gelobet  und  geehret  werde,  Hessen  dieselben  Herren  von  Köln 
eine  Capelle  auf  St.  Severinsstrasse  zu  St.  Bonifatius'  Ehre  erbauen, 
auf  welchen  Tag  dieser  Streit  geschah,  und  noch  alle  Jahre  geht  der 
Rath  der  Stadt  Köln  auf  den  Tag  des  genannten  Heiligen  in  einem 
löblichen  Festzuge  dahin  und  hört  das  Amt  der  heiligen  Messe.*' 

So  schildert  die  Chronik  uns  in  ihrer  einfach  trefflichen  Weise 
die  denkwürdige  Schlacht  bei  Worringen,  die  übrigens  durch  Johann 
van  Heelu,  einen  Bruder  des  deutschen  Ordens,  der  dieser  Schlacht 
beiwohnte,  in  einem  niederdeutschen  Dichtwerke.')  sehr  ausführlich  be- 
scbrif.ben  worden  ist.  In  dem  eben  mitgetheilten  Bericlite  unseres 
Chronikschreibers  begegoen  wir  nun  aber  in  Betreff  des  Hauses,  womit 
wir  uns  hier  zunächst  beschäftigen,  einer  Angabe,  die  zwar  eine  ge- 
raume Zeit  hindurch  sich  unter  den  Schriftstellern  über  Köln's  Ge- 
schichte fortzuptianzen  und  im  Glauben  zu  erhalten  pflegte,  nichts 
desto  weniger  aber  entschieden  unrichtig  ist  —  die  Angabe  nSmlich, 
dass  das  am  Hofe  gelegene  Haus  der  Herzoge  von  Brabant  nach  dem 
Worringer  Siege  dem  Herzoge  Johann  als  eine  Vergeltung,  als  eine 
Ehrengabe  der  kölner  Bürger,  zum  pjgeuthum  geschenkt  worden  sei. 
Wir  sind  eines  Besseren  unterrichtet  durch  die  urkundliche  Mittbeilung 
in  dieser  Abhandlung,  welche  die  üeberzeugung  gewährt,  dass  nicht 
Herzog  Johann  im  Jahre  -1288,  sondern  bereits  mehr  als  ein  halbes 
Jahrhundert  früher,  nämlich  im  Jahro  1235,  dessen  zweitnächster  Vor- 
gänger und  Grossvater  Herzog  Heinrich  II.  der  erste  Erwerber  war, 
und  zwar  durch  ein  Kaufgeschäft  mit  dem  Fraueokloster  zu  Weyer  bei 


1)  Der  Original-Text  wurde  1836  zu  Brüssel  durch  J.  F.  Willems  heraus- 
gegeben:  Chronyk  van  hertog  Jan  van  Brabant  en  zondorling  van  den  Slag  van 
Worono  anno  1288  —  ein  Prachtwerk  in  Quart-Format.  Eine  verkürzte  Bear- 
beitung in  flämischer  Prosa,  von  Oovaerdt  Schoevaerdts,  war  1646  in 
Brüssel  erschienen  (neu  aufgelegt  eu  Löwen  um  1780);  auch  erschien  1641  eine 
NachahmuDg  in  lateinischen  Hexametern :  Praelium  Woeringauum  Johannis  I, 
Lotharingiae,  Brabantiae  ducis,  et  S.  Imp.  Marchionis:  quo,  memorabili  parta 
victoria  anno  dumini  1288,  die  V.  junij,  ducatus  Limburgi  ad  Brabantiam  accessio 
aetemum   mansit  obfirmata  (edente  Erioo  Puteauo).     Bruxellis,   1641.    In  Folio. 


Köln.  Wie  bei  so  manchen  anderen  bald  erweislich  ganz  unwahren, 
bald  die  Wahrheit  wesentlich  entstellenden  Erzählungen,  die  der  Chro- 
nist von  1499  aus  dem  Volksmunde  aufKrift'  und  damit  den  Worth 
seines  ira  Allgemeinen  so  schätzbaren  Buches  verringerte,  ward  er 
also  auch  hier  getäuscht.  Das  aber  wird  sich  an  seinen  Anpfaben  als 
wahrhaft  behaupten,  dass  das  Haus  des  Herzoge  nach  dem  Sle^e  bei 
Worringen,  der  der  Stadt  in  entscheidender  Weise  ihre  Selbstständig- 
keit gab,  mit  jenen  werthvoUen  Privilegien  und  Freiheiten  ausgezeich- 
net worden,  welche  es  von  da  an  Jahrhunderte  hindurch  besessen  hat. 
Zurückzuweisen  ist  auch  eine  sehr  verbreitete  Angabe'),  gemäss  wel- 
cher „sich  der  Sieger  von,  Worringen,  Herzog  Johann  von  Brabant,  mit 
den  Grafen  Walrav  von  Jülich  und  Dirk  von  Cleve,  mit  der  Stadt  Köln 
und  den  kölnischen  Geschlechtern,  die  atii  hartnäckigsten  gegen  den 
Erzbischof  gestritten  hatten,  vcrein!';;te  und  sie  gemeinschaftlich  die 
prächtigen  farbigen  Fenster  zum  Chore  unseres  Domes  verfertigen 
Hessen."  In  einem  Aufsatze  von  Archivrath  v.  Eltpster^):  „Die  Stif- 
tungen der  gemalten  Fenster  im  hohen  Oiore  und  nördlichen  Seiteii- 
schifTe  des  Domes  zu  Köln"  ist  überzeugend  dargethan,  dass  keines 
jener  Fenster  von  dem  Herzoge  von  Brabant,  keines  in  Folge  der 
Schlacht  bei  Worringen,  sondern  dass  sie  erst  zwischen  den  Jahren 
1313  und  1322,  wahrsfheinlich  zwischen  1317  und  1320,  von  dem  F.rz- 
bischof  Heinrich  von  Virnenburg,  den  ihm  verwandten  Grafenhäusern 
Holland,  Jülich  und  Cleve,  von  der  Stadt  Köln  und  vcrsch(eden<«n 
hiesigen  und  auswärtigen  edeln  Geschlechtern  gestiftet  worden  sind,  und 
dass  der  Wappenschild,  welcher  auf  den  Herzog  Johann  von  Krabant 
bezogen  worden,  dem  Grafen  Wilhelm  IIL  von  Hennegau  und  Holland 
angehört,  welcher  1317,  unter  dem  Bei.stande  des  Erzbischofs  Heinrich, 
eine  Heirath  zwischen  seiner  Tochter  und  dem  ältesten  Sohne  des 
Grafen  von  Jülich  verabredete.  (L.  HL  161.) 

Eine  der  letzten  Verhandlungen  zwischen  dem  Herzoge  und  der 
Stadt  Köln  bestand  darin,,  dass  letztere  ihm  ein  Darlehen  von  SiK) 
Mark  hergab ;  es  gcscbah  am  4.  September  1293  und  zwei  brabanti- 
sche  Edelleute  übernahmen  die  Bürgschaft"). 

Ein  MeraorieDbuch    des  Minoritenklosters  zu  Köln,   ein  defectes 


1)  fioiBser^e,  Gesch.  d.  Doms  v.  KöId,  2.  Ausg.  S.  16. 

2)  Organ   für  chiistl.   Kirnst  1865,    Nr.    21—23,    u.  Köln,  Domblatt  1856, 
Nr.  129—132. 

3)  Quellen  u  Gesch.  d.  SUdt  Köln,  III,  Nr.  S92,  S.  362—363. 


Om  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


187 


et  dinertere  poterunt  qnocumque  Toluerint  ealuo  cenaxi  bereditario  iure  auo. 
Actom  anno  domini  m°  cc''  nonagesimo  quinto  eabbaio  posi  Maoricij 
martirii." 

„Tt«m  notaoQ  Bit  quod  Henricns  dictos  Hild«ger  et  vxor  eins  Blitza 
tradiderunt  et  remisenint  domum  sitam  apad  domum  domini  ducia  bra- 
baocie  versas  Renura  retro  domum  dictam  badorn  in  qua  moratur  magiater 
DeitleuQs  faber  ante  et  retro  aubtus  et  superias  domino  Jobanni  duci  bra- 
bancie  et  eins  vxori,  Ita  qnod  iure  et  sine  contradictione  obtincbant  et 
diuertere  posaunt  quocumque  voluerint  saluo  censu  bereditario  iure  huo. 
Actum  anno  dni  m''  cc°  nonagesimo  v'*  sabbato  post  Mauricij." 
(Ibidem,  Liber  quartus.   1298.) 

„Ttem  notum  quod  Hildegerus  Heiarieb  dictus  birkelin  miles  et  vxor 
eias  ßliza  tradiderunt  et  remiaerant  lllustri  priacipi  domino  Jubanni  duci 
brabancie  et  Lumborgensi  et  domine  vxori  sae,  domum  Toam  cum  area 
ante  et  retro  eabtuB  et  supcrius  prout  iacet  inter  domum  pistoream  et 
domum  contiguam  domui  doUitidorp  vereua  pallacium  . . .  Anno  dui.  m^.cc". 
Nonagesimo  Octsuu.  craatina  Scolastice  virginis." 

(Ibidem.  Liber  »ecunduH.  1298.) 

„Notum  e\t  quod  Hilgerua  Henrich  dictus  birklin  miles  cum  vxore 
Bua  Bliza  tradiderunt  et  remiserunt  domum  dictam  ad  piscinam  ante  et 
retro  eubtue  et  superius  prout  iacet  apad  Stessam  ex  opposito  domua  offi- 
cialiam  sancti  Laurencij  iuxta  puteum  versuB  fratres  minores  lllustri  prin- 
cipi  domino  Jobanni  duci  brabancie  ac  Inmburgensi  et  domine  vxori  aue, 
Ita  quod  ipsi  predictam  domum  prout  iacet  jure  obsiaebant  et  diuertere  pote- 
runt quocumque  voluerint,  saluo  Uilgero  et  Blize  predictis  rsufructu  ac 
Hilgero  filio  eorum  post  mortem  eorum  vsufructu  et  saluo  ceesu  bereditario 
de  domo  predieta.  Actum  Anno  dni,  m"  cc"  nonagesimo  octauo  orastioo 
Soolastice  virginia." 

Die  Verkäufer  hatten  eine  Verpflichtung  veroaclilassigt,  die  dem 
Besitzer  der  beiden  zuerst  gemeldeten  }Iäuser  gegen  das  Kloster  Weyer 
oblag,  nämlich  die  rechtzeitige  Erlegung  eines  erblichen  Zinses,  Kaum 
eine  Woche  nach  dem  Uebergangc  an  den  Herzog  meldet  ein  Schrein s- 
notum  das  gerichtliche  Vcriahren,  welches  die  Nonnen  zur  Erlangung 
ihrer  Ansprüche  eingeschlagen  hatten,  und  der  Herzog  wird  wohl  nicht 
gesäumt  haben,  sie  dieaerhalb  zufrieden  zu  stellen.    Man  liesst: 

„Dax  brabancie. 
piscine. 

Item  notum  quod  prior  et  Gonuentus  monasterij  ad  piscinam  ja  figura 
Judicij  per  senteoliam  Scabinorum  optinuerunt  quad  domus  sita  apud  domum 


138 


Das  Haas  des  Hereogs  von  Brabant  zu  Köln. 


domini  dncis  brabancie  versus  rennm  quo  fuit  hadorn  in  qua  moratur  fuBor 
aniphorarum  Item  domas  sita  retro  dictam  domum  haydorn  versus  renum 
in  qua  moratur  magister  Deytlenus  faber  ipsis  cecidisset  libere  et  absolote 
eo  qaod  ceosus  hereditariua  eis  inde  debitos  non  est  solutas,  et  dedit  hoc 
Sententia  Scabinorum  et  mandnueriint  nobis  Judices  et  Scabini  quod  dictos 
priurem  et  Coiiueutum  dictis  domibus  «ascriberemua  Ita  qaod  iure  obtinere 
et  diqertere  poteruut  quocuniquo  voluerint.  Datum  anno  dni.  m'.  co". 
nonageBimo  qaioto.  fcria  Tercia  post  Rimigij." 

Das  Haus  Weyer  scheint  Ritter  Birklin's  Wohnsitz  ptewesen  zu 
sein,  da  er  mit  seiner  Gputiihlin  sieh  das  Nul7.messunjj;8recht  vorbehält, 
und  zwar  nicht  nur  für  sie  Beide,  soudern  auch  für  ihren  Sohn  Hil- 
ger.  Es  ist  dasselbe  Haus,  welches  in  der  früher  von  Carta  III  des- 
selben Schreins  niitfretheilten  Urkunde  vor  länger  als  100  Jahren  mit 
der  Bezeichnung  „doinus  cum  area  que  quondam  Bertolti  fuit  opposita 
domui  offictaltum"  an  das  Kloster  Weyer  gekommen  war.  Gerhard 
der  Zöllner  hatte  es  von  jenciu  Bertolfus  angekauft,  was  sich  auf 
Carta  V  des  Laurenzschreins  beurkundet  findet: 

,,Noturo  BJt  quod  Oerardus  telonearius  comparauit  sibi  et  uxori  sue 
aleidi  domum  cum  area  que  opposita  est  domui  ciuiam  ab  bertolfo  et 
uxore  Bua  xpina  (Cristiaa)  et  ab  omnibus  eorum  heredibus  ita  sicut  ipsi 
in  posHessione  eam  habebant.  itn  quod  idem  Gerardua  et  uxor  sua  aloidis 
predictam  bcreditatern  iure  obtinebunt.  Acta  sunt  hec  coram  iudice  et 
magistris  ciuium.  et  inde  datuin  est  tesbimonium  sicut  iure  debaerant." 

Dann  kam  es  in  den  Besitz  des  Ritters  Gerhard  und  seiner  Ge- 
mahlin Frau  Ricbmuth,  und  letztere,  nachdem  sie  Wittwe  und  Vor- 
steherin des  Klosters  Weyer  geworden,  hat  dasselbe  unter  Gutheissung 
des  Abtes  von  Knechtsteden,  tlem  ihr  Kloster  untergeben  war,  theil- 
weise  an  den  kölner  Bürper  Winrich,  {genannt  Kurzhose,  veräussert. 
Die  siebente  Carta  hat  die  Beurkundung  darüber: 

„Notum  sit  tarn  futuris  quam  presentibus  quod  Abbas  de  Knetetede. 
et  domina  Ricbmudis  magistra  de  Piscina  totusque  conuentas  remiserant  et 
contradideruat  Winrico  rurtbose  et  vxori  sue  Elyzabet  et  heredibus  eorum 
domum  cum  area  absque  piatrino.  oppositam  domuj  officialium  talj  con- 
ditione  ut  annuatim  inde  persoluent  duas  maroaa  et  .vi.  denarios  ad  einsam 
hereditario  iure  possidendam.  Item  scieadum  quod  Winricua  et  Elyzabet 
Qxor  eiuB  et  heredea  eorum  predicto  iure  babebunt  suUarium  quod  est 
Bupra  caminatam  snb  predicto  oensu  non  ampliato.  post  mortem  henrici  et 
Sapientie  uxoria  sue.  qui  morantur  in  pistrino.     Sciendum  etiam  quod  Win- 


Du  Haas  des  Herzogfs  von  Brabant  zu  Köln. 


IM 


ncns  et  beredes  eias  dimidiam  Cloacc  porgabit.   et   Pißtrinam    aliani    dimi- 
dietatem  mundabit." 

Mit  deu  geschichtlichen  Angaben  über  das  Haus  Weyer  ist  man 
bisher  wenig  glücklich  gewesen.  Glasen  hut  dazu  den  ersten  Anlass 
gegeben,  indem  er  in  seiner  Schreinspraxis  S.  38  berichtet:  , Dieses 
Haus  Weyer  (itzund  zum  Churfiiri^teu),  das  nun  ein  brabantiscbes 
Lehen  ist,  war  anfänglich  die  Wohnung  der  Stifterin  des  Klustcra  Weyer; 
nachher  die  Küche  des  am  Hofe  gelegenen  brabantischen  Hofes/  Das 
hat  nun  in  der  Phantasie  neuerer  kölnischer  Historiographcn  lebhaft 
gezündet,  die  in  ihren  romantischen  Schilderungen  des  Sieges- Einzuges 
Herzog  Johann's  I.  nach  der  Worringer  Schlacht  nicht  vergessen,  nach 
Beendigung  der  feierlichen  Schenkurigsüliergabe  eines  prachtvollen  Pa- 
lastes am  Hofe  einschliesslich  des  Hauses  Weyer,  welches  letztere  sie 
nur  als  ein  für  deu  Küchenmeister  bestimmtes  Anhängsei  betrachtCD, 
hier  die  Braten  für  das  von  der  Dankbarkeil  des  Herzogs  veranstaltete 
grosse  Festmahl  kreischen  zu  lassen.  Wir  hingegen  wissen  nuumehr, 
auf  Grund  der  vorstehenden  Urkunden,  duss  Herzog  Johann  H.,  der 
Sohn  des  Siegers  von  Worringen,  erst  zehn  Jahre  nach  der  berühmten 
Schlacht  das  Haus  erworben  hat,  die  Benutzung  jedoch  erst  nach  der 
Verkäufer  und  ihra^  Sohnes  Tode  antreten  durfte, 

Herzog  Johann  befand  sich  am  (3.  Sei>tember  1299  in  Köln  und 
schlichtete,  im  Verein  mit  Reinald  von  Geldern  und  Arnold  von  Looz 
einen  Zwist  zwischen  dem  Erzbischof  Wicbold  von  Köln  und  dem 
Grafen  Gerhard  von  Jülich.  Die  Urkunde  (Datum  Uolonie  die  dominica 
ante  natiuitatis  beate  Marie  virginis)  bewahrt  das  kölner  Stadtarchiv^). 

VII. 

Wie  die  Koelhofsche  Chronik  richtig  bemerkt,  so  pflegten  die 
Herzoge  von  Brabant  ihren  hiesigen  Häuserhesitz  in  Lehenschaft  zu 
vergeben.  Im  vierten  Decenoium  des  vierzehnten  Jahrhunderts  waren 
die  Ritter  Jobann  und  Heinrich  Quattermart  die  herzoglichen  Lehen- 
träger, und  der  ei-stere  der  beiden  Brü(ier  führte  sogar  den  Beinamen 
„de  domo  ducis",  „vom  Herzogshausp".  Im  Interesse  des  Herzogs 
Johann  UI.  von  Brabant  (f  ]355)  thaten  sie  im  Jahre  1336  eins  der 
Nebenhäuser  an  den  Goldschmied  Johann  von  Wermoilzkirchen  gegen 
Erbzins  aas;  die  Schreinsurkunde  darüber  lautet: 


1)  Sie  iat  abgedruckt  in  d.  Quell»n  z.  Gesch.  d.  Stadt  KöId,  IU,  Nr.  479, 
S.  461-4G3. 


HO 


Da«  Haoi  de»  Hersog«  vod  Brmb«ai  tu  Köln. 


(Laurcntii:  Liber  quartiis.  1336.) 

„Notum  Bit  vniaersis  quod  doroiDus  JohanceB  Qaftttermart  de  domo 
dacis  miles,  domina  Bela  rxor  eias,  dominus  HearicaB  miles  vioecomeii 
frater  ipaiua  domini  Johannis  et  Bliza  eius  vxor,  conBideraniea  profectom 
et  vtilitatem  Illustria  principis  et  domini  domini  Johannis  ducis  brabancie, 
locauerunt  remiserunt  et  concesserunt  Johanni  nurifabro  de  Wermoilzkircheo 
et  Sophie  eins  A^xori  pro  se  et  eornm  heredibne  erga  ecadem  recipientibas 
hereditatem  que  olim  vocabatur  dotnus  pistorea  aita  ex  opposito  domos 
dicte  Ringberg  cum  omnibua  cabiculia  circumiacentibae  et  attinentiboa  ante 
et  retro  subtus  et  sopra  prout  iacei  et  sitnatur  de  coquina  domiu  dacia 
brabancie  infra  Coloniam  vsque  ad  domiun  pistoris  platentarum  .  .  .  pro 
heroditario  censa  viginti  et  nouem  marcurum  dcuariorum  pagamenti  Colonie 
tempore  aolncionis  commaniter  currenti»  et  dätiui .  .  .  Datum  in  crastino 
beati  Pauli  apoatoli  conuerBionis  Anno  domini  m°  ccc""  trioesimo  sezto." 

DieserGüldsclunied')war  ein  sehr  vermögender  Mann;  die  Schreins- 
bücher von  St.  Laurenz,  St.  Alban,  St  Columba,  des  Nidcrich,  dt^s 
Scböifenschreins  melden  eine  Menge  seiner  Häuser  und  Renten-Erwer- 
bungen. Er  war  mit  Sophia,  der  Tochter  des  Ciaretmachers  Hermann, 
vermählt;  dann  in  zweiter  Ehe  mit  Bela.  Seinem  Namen  geben  die 
Schreine  vielfache  Abweichungen:  magister  Johannes  de  Wermoilz- 
ksrchen,  J.  d.  W.  dictus  de  Kaldenburch  oder  de  Kaldenbcrg,  magister 
Johannes  dictus  de  Koldenberch,  Koudeuberch  oder  Kuyldenbcrg.  1354 
ist  seiner  zuerst  als  eines  Verstorbenen  gedacht.  Im  Jahre  1367,  nach- 
dem Meister  Johann  schon  über  dreizehn  Jahre  im  Grabe  ruhte, 
tiessen  sich  seine  beiden  Söbne  Jnhann  und  Gerhard  das  vorgenannte 
Haus,  liebst  dem  dabei  gelegenen  Hause  Klein-Dollendorp,  das  eben- 
falls dem  Vater  gehört  hatte,  anschreinen.  Die  Eintragung  ist  aus- 
drücklich als  „Primus  pes"  bezeichnet,  woraus  hervorgeht,  dass  Meister 
Johann  an  dieser  Stelle  eine  vollständige  Umgestaltung  voi^enommen; 
ein  ganz  neues  Haus  hatte  er  daselbst  errichtet,  dem  er  den  Namen 
„Kaldenberg"  oder  „Koyldenberg"  gab,  und  dass  er  hier  seinen  Wohn- 
sitz und  seine  Werkstätte  gehabt,  erweist  sich  aus  dem  Umstände,  dt 
es  seine  erste  Erwerbung  gewesen  und  dass  in  vielen  Urkunden  dieses 
Haus  ihm  als  Beiname  dient.  Ich  lasse  die  betreffende  Eintragung 
aus  dem  vierten  Buche  von  St.  Laurenz  folgen: 


1)  Der  Goldechmied  Johann  von  Wermoilzkirchen  hatte  einen  Bruder, 
Gerhard  v.  W.,  der  lein  Fachgenosse  war  und,  nach  Ausweii  der  Schreine,  gleich- 
falla  ein  sehr  wohlhabender  Mann  geworden  ist. 


Du  HauB  dea  Herzogs  von  Brabant  ta  Köln. 


Ul 


„Primua  pee. 

Notum  sit  quod  Scabinj  colonienses  videlicet  dotniQua  Wilhelmas  6yr 
et  dominua  JohnDnes  de  Cerno  van  der  Lnntzkronen  mites  nobis  aunt 
testificnti  quüd  cotnpHrentcB  in  JudfcJo  Joliannes  et  Gerhardus  filij  legitimj 
quondani  Johaiiiiiä  de  Kaldejibcrg  aarifabrj  et  Sophie  coniugum.  obtinae- 
runt  sicut  de  Jure  debuerunt  quod  ipsi  et  sui  preheredcs  vItra  teinpus 
dierum  et  annorum  crescenciani  aine  iusta  allocucione  poesediasent  domum 
nuncupatam  Koyldenberg  in  ordone  conti|^e  coquine  ducis  brabancie  et  ex 
oppüBitj)  dumus  Riticberg  cum  qimtuor  auia  cubicults  et  domo  tmncupata 
Dollendorp  .  .  .  Datum  Anno  dnj-  m"  ccc°  Ix  Beptimo  qainta  die  raensia 
Äprilis." 

Die  Stelle,  wohin  uns  die  Urkuoflen  versetzen,  wird  man  genau 
erkennen,  wenn  ich  bemerke,  ilasa  die  Häuser  Grdss-  und  Kleia-Dol- 
lendorp  sich  unter  Goldschmied  Nr,  33  und  35  befinden,  und  dass  das 
auf  der  anderen  Strassenseite  domwärts  die  Ecke  einnehmende  Haus 
Nr.  66  und  68  das  Haus  Rincberg  ist.  Auf  der  westlichen  Ecke  der 
Strassen  am  Hofe  und  unter  Goldschmied  hatte  also  Johann  von  Wer- 
moilzkirchen  sein  Haus  Kaldcnberg  erbaut.  Gegenwärtig  ist  dasselbe 
mit  der  Nr.  26  (am  Hof)  versehen.  Um  1720  war  hier  die  Buchhand- 
lung von  Johann  Scblebusch,  aus  dessen  Verlag  mir  ein  Quartband  mit 
der  Adra^se  vorliegt:  „Coloniae  Agrippinae,  Sumptib.  Joannis  Scble- 
busch; Bibliopolac  am  HofI'  im  Kalten  Berg.    Anno  M.DCC.XX.*' 

Aus  diesen  Verhandlungen  mit  dem  Goldschmiede  Johann  von 
Wermoilükirchen  ergibt  sich  nun  auch  mit  voller  Bestimmtheit  die 
Stelle,  wo  die  herzogliche  Küche  lag.  Sie  kg  am  Hofe  westwärts  neben 
dem  Hause  Kaldenberg,  also  auf  einem  GrundHächentheile  des  Hauses 
Nr.  24,  welches  lange  Zeit  das  Eigenthum  der  Familie  De  Heche  ge- 
wesen ist  —  oder  auch  können  wir  die  Lage  der  Küche  so  bezeichnen, 
dass  sie  sich  rhein-  oder  ostwärts  neben  dem  Herzogshause  befunden 
habe').  Und  die  ganxe  Erzählung  von  einer  herzoglich-brabanttschen 
Küche  im  Hause  Weyer,  grosse  Budengasse,  ist  sonach  erwiesener 
Massen  eine  Unwahrheit.  (Forts,  folgt.) 


1)  Die  Lage  der  Küche  dea  HerzogehauaeH  ist  auch  in  der  Streitschrift 
dea  Doctor  P.  Oatormaua  vou  1637  genau  ange^ebeu.  Die  Anlage  K  aagt: 
„Aquo  12'.45  seiudt  di«  HerbKOgeu  von  UrahamlL  gekhoramnn  an  das  Hauas  zue 
der  Kuchen,  iat  daa  nechste  Hausa  bey  der  Croneu  zu  Rhein  warte." 


n.     L  i  1 1  e  r  a  t  n  r. 


1.     Die  Chroniken   der  niederrheinischen  Stidte.     Cöln.     Zwtüm 

und  dritter  Band.     Leipzig,  S.  Hirzel.   1876.  1877. 

Hiermit  ist  das  durch  die  histonecbe  Commission  bei  der  KSiuglickeB 
Akademie  zu  München  auf  Veranlassung  und  mit  ünterstützoog  Seiner  Majestlt 
des  Königs  Ton  Bayern  Maximilian  II.  heraosgegebene  Werk,  denea  enfeOB 
Band  wir  Jahrb.  LVII,  162  B.  mit  aller  Anerkeonong  besprachen,  OM^ 
dem  dort  näher  bezeichneten  Plane  zu  glücklichem  Absehlnsse  geUagt. 
Der  zweite  Band  bringt  ausser  den  Kölner  Jahrbüchern  de«  14.  and  15.  Jahr- 
hunderts aach  lateinische  Cbronikenfragmente  ans  den  Jahren  1332 — 1488 
and  daraof  eine  lateinische  Reimchronik  von  1081 —  1472.  Dm  in 
demselben  begonnene  Koelhof fische  Chronik  fuhrt  der  dritte  Band  sa 
Ende,  gibt  aber  auch  noch  als  Beilagen  I.  ,^e)ne  chromkAÜsche  Nodsea** 
(1.  Eroberung  Ton  Yorst  1419.  2.  Beschlagnahme  gegea  Walrsm  mn 
M&B  1436.  3.  Notizen  über  Kaiser  Friedrieh  1412.  1471.  4.  Ankuafl 
de«  pftpstlicheo  Legaten  Alexander  von  Forli  in  Cöln  am  26.  April  1475. 
5.  Zerwürfniss  mit  dem  Gubemator  Hermann  nnd  Heraog  Wilhelm  vqb 
Jalidi  1479),  die  fuglich  an  ihrer  Stelle  in  den  Anmerkongen  aar  dmnk 
close  tolhtindige  Mittheilung  hätten  benutot  werden  kteoen.  ü.  CSlnar 
Ao&eieHnungen  too  1460  —  1470.  HL  Ptoearelation  [^äe)  fiber  die  Uo- 
nihen  1481  und  U82,  lY.  Reimchronik  über  lUeeelbeo.  INe  Texte  hat, 
wie  bisher,  Dr.  Cardaans  gegeben,  zum  Theil  mit  aaeAennenawMihar 
Socg&h  wiaauBBg'ebraeht.  Bei  der  Koelhoff^sehen  ChroBik  fi^gt  eiaa 
Ton  C.  Sehröder  nach  einem  Exemplar  der  Mändkcecr  Hof-  and  Staats- 
bilitiothck  aagafivtjgte  Abaehrifi,  in  welcher  aor  die  BacJktaehreibang  aadk 
aBgemma  aBgenommeneo  Gmadsfttaea  vemaftcht  wurde,  bb  Gmade.  Oh 
dieailhe  ror  dem  Drucke  reridirt  worden  ad,  was  jedea&IIa  aStkIg  war, 
hBnm  wir  nicht,  nar  daaa  Prof.  A.  Birlinger  bei  der  Thirrhakifc!  m^ 
hstlMi%t.  Ein  voUstJLadiger  Abdruck  «nrde  als  ,aasaerkalb  das  ffakiiaia 
ainar  Saaualnag,  die  naAdut  doek  kisfairiiAa  Zwadka  verfolgt,  lM)gead* 
betracktat     Ueber  das  dabei  ttagMeUagaaeTefiahnabenarkt  Carda  an a: 


Die  Chroniken  der  uiederrhcinischen  Städte. 


143 


„Die  Wiedergabe  des  gesaromten  aniveraal-  und  reichageachichtlichen  Bei- 
werke w&re  höchBtens  in  sprachlicher  Beziehung  von  Interesse  gewesen, 
und  in  dieser  Beziehung  wird  das  Glossar  manches  erwähnen  können,  was 
der  Drnck  übergeht.  (Dass  dies  geschehen,  wird  nicht  bemerkt.)  Die 
Nothwendigkeit  starker  Sireichungen  drängte  sich  als  etwas  fast  Selbst- 
verständliches auf,  schwieriger  dagegen  war  es,  die  richtige  Auswahl  zu  finden, 
und  hier  ist  eine  Entsclieidung  erst  nach  wiederholtem  Gedankenaustausche 
zwischen  Herrn  Prof.  ÜRgel  und  dem  Herausgeber  getroffen  worden.  Als 
allgemeiner  Grundsatz  wurde  vereinbart:  Aufnahme  aller  auf  Cöln  bezüg- 
lichen, sowie  der  dem  Chronisten  eigentbiimlichen,  Streichung  aller  sonstigen 
Partien,  Mehrere  Modiiicationen  waren  jedoch  nicht  zu  vermmdon.  Mit- 
unter begegneten  Almchnitte,  in  welchen  Eigenes  und  Entlehntes  derartig 
verbanden  war,  dass  vollstündige  oder  auszugsweise  Wiedergabe  nicht  wohl 
umgangen  werden  kurmte.  JJmgekehrt  sind  einige  originale  Stellen  stark 
gekfirzt :  allgemeine  Deklamationen  ohne  gf^scbich Lüchen  Werth,  wie  deren 
der  Chronist  eiich  beispielBweise  bei  der  Marsiliussage  oder  beim  Cölner 
Concil  gestattet,  wird  man  leicht  missen  können.  (Darin  möchten  manche 
anderer  Ansicht  sein,  da  der  Chronist  eine  Stimmung  der  Zeit  bezeichnet 
uad  man  doch  auch  die  Anschnnung  drsMannus  selbst  kennen  lernen  möchte.) 
—  Unzulässig  erschien  es  endlich,  die  nicht  auf  Cöln  bezüglichen  Abschnitt^ 
einfach  zu  übergehen,  wenn  anders  der  Leser  mit  dem  für  die  Chronik 
verwertheten  Material  und  mit  der  Art  dei^  Benutzung  näher  bekannt  ge- 
macht werden  sollte.  Zu  diesem  Zwecke  sind  regeimässig  Anfang  und 
SchlusB  des  entlehnten  Abschnitts  oder,  wo  der  Zusammenhang  es  forderte, 
noch  einige  Zwischensätze  in  den  Text  aufgenommen.  Quelleucitate,  deren 
Kürze  dies  gestattete,  sind  an  den  Rand  gestellt,  ausführliche  Nachweisougen 
and  auf  die  Quellenhenntzung  bezügliche  kritische  Noten  in  [  ]  in  den 
Text  gesetzt,"  Hierdurch  ist  freilich  die  Beautzung  der  Chronik  we- 
sentlich erleichtert,  und  wenn  man  bei  den  Ausscheidungen  auf  das  freilich 
doch  nicht  immer  unbedenkliche  Urtheil  der  Herauegeber  angewiesen  ist, 
80  war  dies  eben  bei  dieser  Ausgabe  ein  noth wendiges  Uebel.  Die  Ein- 
leitangen  und  Anmerkungen  hat  Gardauns  mit  Sorgfalt  und  aus  um- 
fassender KeuntniBS  gegeben,  wenn  man  auch  von  dem  Urtheile  zuweilen 
abzuweichen  veranlasst  sein  dürfte.  Das  Glossar  hat  Birlinger  geliefert; 
über  die  dabei  befolgten  Grondaätze  äussert  er  sich  nicht.  Nachträge  und 
Berichtigungen  soll  seine  Alemannia  bringen,  wie  sie  schon  gethan. 
Worauf  sich  die  Bemerkung  bezieht:  „Die  beigegebene  Lautlehre  heruht 
aui'  Hagen 'b  Chronik,  stellt  die  allgemeinen  Gesetze  auf'',  ist  uns  unklar 
geblieben,  beim  Glosaar  finden  wir  eine  solche  nicht. 


144 


Di«  Chromken  der  niederrbelaMcben  Städte. 


Der  dritte  Band  liefert  den  Scbia»  Ton  HegePs  »DgtmtSaer  Ein- 
IdtaDg  tat  Geschiebte  and  yerfassang  der  Stadt  bis  tont  Jabre  1613; 
was  ober  die  spätere  Stadtrerfassang  aof  dr«i  Seiten  becoerkt  wird^  ersfthstat 
▼öUig  QngeDögeDd,  und  wir  hätten  ea  eben  so  gern  entbehrt  als  das.  VM 
über  das  römische  Köln  aaf  ein  paar  Seiten  äusserst  raangeHiaft  nitgeUicIlt 
ist.  Bei  BegeTs  omfassender  Kenotniss  italienischer  and  dentsdier  Stadt- 
▼erfaMongeD  mosste  seine  eingeheode  Behandlang  der  kölnischen  TerluÜt* 
mase  der  Sache  am  so  förderlicher  sein,  als  man  aach  neuerlich  rieUack 
ohne  Um-  and  Einsicht  darüber  geartheilt  hat.  Die  Kenner  haben,  weoa 
sie  anch  im  eiozHnen  abweichender  Ansicht  sind,  diese  grfindlkhe,  sacil- 
kondige  Behandlung  beifallig  begrüsst.  In  Beflagen  sind  einige  Ratbsrer^ 
Ordnungen  nnd  Zunftbriefe  mitgetheilt,  aaf  welche  die  EinJeitang  Bexog 
nimmt,  dann  der  Verbandbrief  von  1396  and  der  TransfixVirief  voi^  151 S, 
als  die  beiden  Grandgesetze  der  Verfassung,  zum  erstenmal  in  gctfenei 
Altdruck  gegeben.  Am  Schlosse  der  L'rgünznngen  und  Erlftaternogea 
sind  die  sogenannten  Münzer  Hausgenossen  ausführlich  besprochen. 

Wir  hatten  in  der  oben  genannten  Beorthetlnng  und  in  einer  SBdani 
in  Picks  Monatsschrift  nnter  ehrenvoller  Anerkennong  einige  Bericli- 
tigongen  auch  zar  ersten  Hälfte  von  Hegel 's  Einleitung  gegeben,  welch« 
Riesen  aber  so  arg  erbittert  haben,  dass  er  in  den  Beilagen  gegen  mick 
wie  als  einen,  der  kein  wahres  Wort  zu  sagen  wisse,  in  blindem  Eifer,  der 
bekanntiicb  nur  dem  Eiferer  selbst  Schaden  bringt,  zu  Felde  gezogen  ist. 
Ob  solches  gehässige  Treiben  sich  f&r  eine  mit  Söniglicber  Unterstfltziinig 
herausgegebene  Sammlung  schicke,  wollen  wir  unerörtert  lassen.  Daas  aber 
•eine  Widerlegung  nicht«  als  seinen  eigenen  Mangel  an  Besonnoiheit  nod  Mine 
kaom  halbe  Kenntnis«  der  in  Rede  stehenden  Thatsachen  an  den  Tag  gri)iracht, 
habe  ich  eben  ia  Pick'a  Monatsschrift  ffir  die  Oetehiehte  West- 
deutschlands S.  261  ff.  erwiesen,  dagegen  fär  die  Jahrbücher  die  gegen 
mich  gerichtete  rorleicte  Abhandlung:  ,Ueber  den  alten  I>om  vun  Cölu  and 
die  Cdlner  Synoden  von  870  nnd  873"  mir  aufgespart,  weil  meine  Ton 
Hegel  bertrittene  Ansicht,  dass  der  Hildeboldsdom  ein  Märchen  ist,  to 
dieMn  anagesprochen,  begründet  and  Tertheidigt  worden  ist. 

In  der  Kölnischen  Geschichte  ist  so  viel,  auch  unter  gelehrtem  Scbeioe, 
gepfascht  worden,  dass  jeder  Versuch  mit  verrotteten  Ansichten  zn  br«eken. 
von  dem  Geechichtsfreunde  mit  Dank  aufgenommen  werden  sollte.  Hegel 
aber  bat  hier  die  von  mir  zuerst  ans  Licht  gebrachte  Wahrheit  von  neaesn 
verdonkelt  and  eine,  wenn  man  sie  einmal  erkannt  hat,  äusserst  einfache 
Sache  in  arge  Verwirrung  gebracht.  Ich  verfolge  die  sämmtlichen  ge^en 
mich    aofgebracbten    fiehaoptongen,    om    ihren  Werth    za    prüfen,    woraoa 


Die  Chroniken  der  niederrheinischen  St&dte. 


145 


sieh  denn  ihre  unglaabliche  Nichtigkeit -and  zugleich  die  Richtigkeit  meiner 
Anfatellung  ergeben  dürfte. 

Wenn  ich  meine  Verwunderung  geäaesert,  daas  Hegel  in  Betreff  der 
Erbauung  der  ÜAuptkirche  von  St.  Peter  durch  Hildebold  statt  nuf  einen 
locne  classicus  auf  neuere  Darstellungen  sich  berufe,  wo  eben  solche 
Beweisstellen  fehlen,  so  wagt  mein  Gegner  zn  behaupten,  dies  Bei  unrichtig, 
da  er  in  Bezug  auf  die  Erbauung  durch  Hildebold  sich  auf  Gelen  und 
Ennen,  wegen  der  Einweihung  des  Doms  auf  die  Annales  Fuldenaes 
aod  die  Synodalakte  berufe,  d.  b.  er  widerlegt  mich,  indem  er  mir  etwas 
anderes  unterschiebt;  denn  ich  sprach  ja  nur  vun  der  ErbaauQg  des 
Domes.  Darauf,  ob  Hildebold  den  Dom  erbaut,  kommt  es  zunächst  an, 
daf&T  galt  63  einen  locus  classicus  anzuführen,  und  dass  Hegel  dies 
nicht  gethan,  tadelte  ich  mit  Fug.  Jeder  irgend  verständige  Geschicht- 
Bcbreiber  geht  von  bezeugten  Thatsachen  ans  und  führt  seine  Zeugen  an. 
Hegel  aber  macht  eine  wahre  Parodie  auf  die  Wissenschaft,  wenn  er  mit 
dem  Satze  beginnt,  die  Erbauung  des  Doms  werde  gewöhnlich  Hildebold 
EQgeachrieben,  ohne  irgend  die  Quellen  dieser  Annahme  zu  bezeichnen,  und 
gleich  darauf  mit  dem  Tone  vollster  Gewissheit  versichert:  „Doch  ist 
jedenfalls  der  Neubau  der  Kathedrale  um  diese  Zeit  begonnen  worden." 
Und  der  Beweis?  „Sie  war  am  die  Mitte  des  Jahrhunderts  schon  im 
öffentlichen  Gebrauch.''  Dass  der  Petersdom  damals  im  Gebrauch  war, 
bezweifelt  freilich  niemand,  aber  es  kommt  gerade  darauf  an,  wann  dieser 
erbaut  worden,  und  davon,  dass  dieses  unter  llildebold  geschehen,  ist  auch 
kein  Schatten  von  Beweis  gegeben,  dieser  rein  erschlichen.  So  beweist 
Hegel,  nicht  der  Philosoph ,  sondern  der  Goschtchtsforscber.  Da  ich 
behauptet  hatte,  die  erste  bischöfliche  Kirche  sei  auf  der  Stätte  des 
Kapitols  errichtet  worden,  wofür  ich  gut»  Grüade  beigebracht,  so  schüttelt 
dies  Hegel  mit  der  unwirschen  Bemerkung  ab,  über  die  Lage  des 
römischen  Kapitols  zu  streiten,  sei  völlig  unnütz,  da  nicht  einmal  seine 
Existenz  geschichtlich  bezeugt  sei.  In  dieser  Weise  entledigt  tnan  sioh 
bequem  der  Fragen,  von  denen  man  nichts  versteht.  Mich  trifft  dies 
eben  so  wenig,  als  wenn  Ennen  in  seinem  mehrfach  gedruckten  Aufsatze 
über  den  Nenmarkt  behauptet,  nach  der  allgemeinen  Ansicht  sei  das 
römische  Porom  auf  diesem  Platze  gewesen,  obgleich  ich  auf  unverwerf- 
liohe  Gründe  hio  dasselbe  auf  den  Domhof  gesetzt  habe  and  es  für  den- 
jenigen, der  etwas  von  der  Lage  der  fora  kennt,  keinem  Zweifel  unter- 
worfen sein  kann,  dass  ein  f o  r  n  m  nie  an  der  vom  Flusse  am  weitesten 
entfernten  Stelle  der  Stadt  gelegen  haben  kann.  Dass  eine  von  einer  ehr- 
■flehtigen  Eaisei'in  an    ihrem  Geburtsorte    gegründete  Golonie    kein  Capitol 

10 


1«6 


Die  Chroniken  der  niederrheioiicben  St&dte. 


gehabt,  mag  glauben,  wer  vill.  Wie  es  mit  dem  Beweise  dee  Hüdebold- 
domes  steht,  ergibt  sieb  aus  HegePs  wunderlicher  Bemerkung,  diese  Tra- 
dition sei  an  sieh  weder  glaubwürdig  noch  uagUubwürdig.  Was  er  weiter 
bemerkt,  verschleiert  nur  die  Wabrheit.  Thatsache  ist,  doss  die  älteete 
Sage  vom  Ilildeboldsdome  mit  einer  frommen  Lüge  des  Peteretifts  xusam- 
menhängt.  Hegel  beruft  sich  hierbei  auf  meine  Ausführung,  und  auch 
ihm  scheint  es  jetzt,  diese  Sage  sei  ohne  Grund  gewesen,  er  verschweigt 
aber,  dass  gerade  jene  Lüge,  die  Kathedrale  sei  ursprünglich  das  Cäcilien* 
stift  gewesen,  die  Sage  erzeugt  hat,  Ilildebold  habe  sie  von  dort  verlegt 
und  eine  neue,  den  spätem  Petersdum,  gebaut. 

So  gibt  denn  auch  Hegel  zu,  dass  diese  Sagen  nichts  beweisen, 
glaubwürdig  und  sicher  seien  allein  die  gleichzeitigen  ganz  bestimmiea 
Nachrichten  über  die  Einweihung  des  Doms  auf  der  Kölner  Synode  im 
Jahre  870  und  873.  Dass  in  einem  dieser  Jahre  eine  Weihung  des  Domes 
stattgefunden,  leugnen  wir  mit  nicbten,  aber  dass  dieses  im  Zeitraum«  von 
drei  Jahren  zweimal  geschehen,  credat  Judaeus  Äpella,  oon  ego.  Und 
dann  fragt  sich,  was  unter  dem  dedicare  zu  verstehen  sei,  da  eben  dieaea 
Wort  von  jeder  Art  der  Weihung  gebraucht  wird.  I'ie  ganz  bestimmten 
Nachrichten  wären  demnach  erst  kritisch  festzustellen.  Und  Flegel? 
„Es  fragt  sich  nur,  ob  damit  die  früheren  nud  späteren  historischen 
Zeugnisse  über  den  alten  Dom  vereinbar  .sind ,  und  wi«  es  sich  überhaupt 
mit  dem  Dombau  im  9.  Jahrhundert  verhalten  habe",  läast  dieser  sich 
vernehmen.  Wie  ein  Mann  der  Wissenschaft  so  unmethodisch  verfahren 
könne,  muss  billig  Wundt-r  nehmen.  Auf  die  Weibe  kommt  es  vorab  noch 
gar  nicht  an;  es  fragt  eich  nur,  was  durch  sichere  Zeugnisse  über  den 
Dom  im  9.  Jahrhundert  feststeht,  und  wenn  auch  die  auf  ganz  Ungewisser 
später  Sage  beruhenden  Angaben  eines  Hildebolddomes  mit  der  £tn- 
weihung  im  Jahre  H70  oder  873  vereinbar  sein  sollten,  so  würden  sie 
doch  dadurch  nichts  weniger  als  bewiesen.  Eine  methodische  Dat«r- 
suchuDg  musste  die  dedicntio  von  870  oder  873  vorab  ganz  aus  dem 
Spiele  lassen,  da  sie  unmöglich  erweisen  kann,  dass  diese  einem  Neubau 
galt,  noch  weniger  dass  dieser  vor  fünfzig  oder  sechzig  Jahren  unter  Hilde- 
bold unternommen  worden.  Hegel  aber  verlangt  in  seltsamer  Verblendung, 
ich  hätte  die  sichere  Einweihung  (dedicatio  nimmt  er  so  ohne  weiteres) 
durch  Wilbert  zum  Ausgangspunkte  nehmen  und  damit  jene  anderen 
Zeugnisse  bezüglich  der  Kirche  von  St.  Peter  durch  eine  zureichende  Er- 
kläruDK  vereiqigDQ  sollen.  Doch  nicht  etwa  auch  die  auf  ganz  unbe- 
stimmter Sage  beruhenden,  die  durchaus  keinen  Halt  haben,  wenn  sie  nicht 
anderweitig   bewährt  sind,   eine  Bewährung,    die    sie  dadurch    noch    nicht 


Die  ClironikeD  der  niederrbeinischeu  Städte, 


147 


erlangen,  dass  sie  dem  Berichte  vou  der  Einweihucg  nicht  widersprechen. 
Doch  die  richtige  Methode  scheint  eben  Hegel  bei  der  vorliegenden  Unter- 
Buchung  ganz  abhanden  gpkonmien  seiti.  F'reilich  im  Dunkeln  lügst  sich 
besser  streiten  1     Doch  er  bringt  ja  Gründe  gegen  mich  vor. 

Ich  hatte  bemerkt,  Günther  habe  dadurch  die  Kirche  entweiht, 
dou  er  trotz  des  Kirchenbanns  geistliche  Dandlangen  im  Dome  vollzogen. 
Da  verweist  mich  denn  Hegol  auf  Ennen,  der  mit  Recht  bemerkt  habe, 
dass  eine  Kirche  dadurch  nicht  entweiht  werde,  wenn  ein  gebannter  Bischof 
in  ihr  kirchh'che  Uaodlungen  verrichte.  Bemerkt,  aber  nicht  bewiesen.  Ich 
dächte,  Hegel,  der  Ennon  so  oft  Imld  stillschweigend,  bald  ausdrücklich 
verbessern  masste,  hiitte  wissen  sollen,  dass  man  sich  auf  ihn  nicht  vor- 
lassen  dürfe.  Dass  ein  katholischer  Geistlicher  sich  so  sohlecht  von  einer 
kirchlicheu  Anschauung  unterrichtet  xeigt,  ist  freiliclt  zu  verwandern,  aber 
dennoch  ist  das  gerade  Gegentheil  von  Euueu's  ßeliauptting  die  Wahrheit. 
Die  Kirclieu  der  Ketzer  wurden  für  den  katliolisclien  Guttosdieobt  wieder 
geweiht  (wofür  man  auch  das  einfache  dedicare  braucht),  aber  manche 
glaubten,  dass  durch  diese  die  Kirchen  schlimmer  als  durch  Ungläubige 
entweiht  würden  and  man  solche  Kirchen  niederreissen,  die  Altäre  zer- 
stören ,  die  gebrauchten  Üpfergefässe  vernichten  müsse.  So  berichtet 
Matthaeus  Paris,  man  habe  an  verschiedenen  Ort«n  die  Altäre  niederge- 
ri.sBen,  auf  denen  Erzbischuf  Rainald  von  Köln,  obgleich  ihn  der  Papst  in 
den  Bann  gethan,  das  Messopler  verrichtet.  Wie  stiuimt  dies  zu  Ennen 's 
Behauptung?  Anderes  gilit  Martenu  de  ritibus  aacris  H,  14,  7.  8. 
Fast  noch  seltsamer  ist,  wenn  Hegel  gegen  mich  bemerkt,  Güntlter  sei  ja 
vom  Papste  in  die  Kirchengemeinschaft  wieder  aufgenommen  worden.  Das 
setzt  doch  gar  wunderhche  Vorstellungen  voraus.  Eine  Entweihung,  die 
durch  einen  dem  Kirchenbann  Verfallenen  geschieht,  wird  nicht  aufgehoben, 
wenn  dieser  später  vom  Banne  befreit  wird ;  sie  haftet  so  lange,  bis  sie 
gesühnt  ist,  und  so  muse  bei  geweihten  .\ltären  und  Kirchen  eine  neue 
dedicatio  ütatttiiiden.  Die  Kölniscbe  Kirche  befand  sich  Ja  auch  nach 
Günther's  Bann  im  Interdiote,  wie  der  Kölner  Klerus  nebst  Volk  in  den 
870  und  noch  872  nach  Rom  gesandten  jämmerlichen  EHttgesuchen  atisdrück- 
licb  klagt.  So  wenig  trifft  Hegel 's  Behauptung  zu,  das,  was  ich  von 
einer  Entweihung  der  Kirche  durch  Günther  sage,  sei  unwahr.  Freilich 
hören  wir  nicht,  dass  vor  Wilbert'e  Consecrirung  in  der  Domkirche  eine 
Weihung  stattgefunden,  aber  auch  das  Gegentheil  steht  nicht  festj  und 
wenn  auch  die  deutschen  Bischöfe  es  hiermit  nicht  so  genau  genommen 
haben  dürften,  so  ist  es  doch  nicht  unwahrscheinlich,    daus  der  Papst^  als 


14B 


Die  Cbronikea  der  niederrheiniaoben  Städte. 


er  Wilbert  doa  Palliom  ertheilte,  anf  eine  neae  Weihong  der  dnrch  G&nther 
entweihten  Kirche  gedrangen. 

Ich  hatte  die  Möglichkeit  geäussert,  die  dedicatio  sei  anch  dadurch 
nöthig  geworden,  dass  ein  Neubau  zur  Kirche  hinzugefügt  worden  oder 
eine  umfassende  Wiederherstellung  erfolgte.  Dies  findet  Hegel  möglich, 
aber  wenig  wahrscheinlich.  Seine  Gegengründe,  Günther  würde  in  dem 
Briefe,  worin  er  des  Eioscblagens  des  Blitzes  in  die  Kirche  erwähnt,  wenn 
dabei  ein  bedeutender  Schaden  an  derselben  geschehen  sei ,  diesen  nicht 
unerwähnt  gelauen,  and  die  nothwendige  Wiederherstellung  würde  räch 
nicht  80  lange  verzögert  haben,  sind  nicht  der  Rede  werth.  Günther 
erwähnte  bloss  das  schreckliche  Ereignias,  und  die  nothwendige  Herstellung 
eines  Theiles  der  Kirche  konnte  in  Jenen  stürmischen  Tagen  längere  Zeit 
in  Anspruch  nehmen.  Hegel  möchte  sich  darüber  lustig  machen,  daos 
ich  hier  verschiedene  Möglichketten  lasse,  da  doch  bei  einer  zweifelhaften 
Sache  eben  keine  Entscheidung  möglich  ist;  mir  galt  es  bloss  nachzuweiaeo, 
das«  die  dedioatio  nicht  auf  einen  völligen  Neubau  deuten  naüase. 
Aber  Hegel  beruft  sich  auf  die  Ännales  Fuldenses.  welche  aus* 
drücklich  sagen,  die  Domkirche  sei  eatenus  minima  consecrata  ge> 
weseu,  und  einer  Volkssage  erwähnen,  die  nur  auf  eine  noch  nie  geweihte 
Kirche  paast.  Freilich  hätte  ich  dieser  Stelle  gedenken  sollen,  aber  die 
Annales,  in  deren  zweiter  Fortsetzung  diese  sich  findet,  weicht  darin 
von  der  urkundlich  bestätigten  Wahrheit  ab,  dass  sie  die  dedicatio  drei 
Jahre  zu  früh  setzt,  worüber  weiter  ooten;  auch  ist  es  nicht  erwiesen,  dua 
in  dieser  Fortsetzung  ursprünglich  Jahr  nach  Jahr  sofort  eingetragen  worden, 
vielmehr  scheint  es  sehr  möglich,  dass  diese  erst  im  Jahre  881  oder  882, 
mit  der  de  endet,  abgefasat  worden.  Dazu  haben  wir  nicht  die  ursprüng- 
liche Abschrift,  und  wie  sich  in  sp&tern  Handschriften  dieser  Annales 
Zusätze  finden ,  so  könnte  dies  auch  schon  bei  der  ältesten  uns  be- 
kannten geschehen  sein.  Und  entschieden  müssen  wir  das  wunderliche  eatenus 
minime  consecratam  als  unwahr  bezeichnen,  da  wir  von  einer  im  vollen 
kirchlichen  Gebrauch  stehenden  erzbischöflichen  Peterskirche  unter  Günther 
hören,  von  einem  Neubau  sonst  durchaus  keine  Erwähnung  sich  üodet, 
auch  in  den  Sjaodalakten  gar  nicht  diese  Kirche  als  eine  neue  bezeichnet 
wird,  was  der  Fall  sein  müsste,  wenn  die  alte  Kirche  noch  neben  der 
neuen  bestanden  hätte. 

Für  das  letztere  erklärt  sich  jetzt  Hegel,  während  er  früher  die  seltsame 
Annahme  nicht  scheute,  die  schon  im  Jahre  857  im  öffentlichen  Gebrauche 
stehende  Kirche  sei  erst  873  feierlich  geweiht  worden,  was  er  jetzt  wun- 
derlich dadurch    zu    vertheidigen    sucht,    dass    ein  Theil    einer  Kirche    vor 


Die  Chronikeo  der  niaderrheiniBcheD  St&dta. 


149 


Vollendang  des  ganzen  Baues  habe  oonaecrirt  werden  können,  die  feierliche 
Einweihung  (das  soll  dedicatio  im  Gegensatz  zu  oonsecratio  sein) 
erst  später  erfolgt  sei.  Aber  es  ist  im  Jahre  857  von  einer  vollständigen, 
mit  Glookenthürmen  Tersehenen  Kirche  die  Rede.  Jetzt  merkt  Hegel, 
dasB  auch  er  hierbei  das  glücklich-unglückliche  eatenas  minime  con- 
seorata,  das  sich  iu  den  Ann  nies  findet,  übersehen  habe,  und  er  dar- 
nach annehmen  müsse,  die  Kirche  Günther^s  sei  von  der  durch  Wilibert 
geweihten  völlig  verschieden  gewesen.  Er  merkt  gar  nicht,  zu  welcher 
monströaen  Annahme  wir  dadurch  gebracht  werden.  Hildebold  begann 
nach  ihm  seine  neue  Domkircbe  zu  einer  Zeit,  wo  die  ältere  noch  so  wohl 
erhalten  war,  dasa  sie  das  folgende  halbe  Jahrhundert  hindurch  in  gutem 
Zustande  sich  befand  und  trotz  des  Blitzschlages,  der  sie  857  traf,  sie  diese 
lange  Zeit  hindurch  im  gottesdienstlichen  Gebrauche  bleiben  konnte, 
Wilbert  auch  noch  im  Januar  1873  darin  konsekrirt  wurde,  da  darauf 
nur  Regiuos  eum  honorifice  in  sede  pontificali  imposuit  mit  dem 
folgenden  omnibus  rite  peractis  sich  beziehen  kann.  Zu  welchem 
Zwecke  sollte  Hildebold  eine  neue  Kirche  gebaut  haben,  wenn  die  alte 
noch  in  so  guteni  Zustande  sich  befand?  Und  weifls  Hegel  einen  Fall, 
dass  man  die  biBchöfliche  Kirche  an  einen  andern  Platz  verlegte?  Ist  es 
nicht  vielmehr  stehend«  Sitte,  dass  man  die  alte  Kathedrale  erweiterte? 
War  ja  auch  der  Neubau  Konrads  von  Hochstaden  nor  eine  Erweiterung 
(ampliat  hoc  templuui),  so  dass  der  frühei*»  Dom  in  den  Neubau  auf- 
genommen wurde').  Jede  Annahme,  welche  zwei  von  einander  getrennte 
Dome  annimmt,  widerspricht  der  feststehenden  Regel,  dasB  eine  Kathedrale 
nicht  an  einen  andern  Punkt  verlegt  werden  kann,  nnd  da  dies  bei  dem 
leidigen  eatenus  minime  consecratam  nothweadig  angenommen  werden 
muBS,  so  ist  dessen  Unmöglichkeit  schon  hierdurch  bestimmt  erwiesen. 
Aber  Hegel  tbut  mehr,  als  man  von  ihm  verlangen  kann,  er  will  sogar 
die  alte  Kirche  nachweisen,  ohne  zu  erwähnen,  datis  or  hierin  mit  Ennen 
zusammentrifft,  dessen  Ansicht  ich  zur  Zeit  widerlegt  habe.  Die  Fnnda- 
mentmauern  eines  fränkischen  Gebäudes,  dessen  Reste  man  an  der  Nord- 
ostseite  des  Doms  gefunden,  erscheinen  ihm  ,, immerhin  stark  genug,  um  eine 
Kirche  der  Merovingerzeit  von  massiger  Grösse  zu  tragen".  Freilich  hat 
Prof.  Hegel  darin  eine  entscheidendere  Stimme  als  der  Dombaumeister 
Voigtel,  der,  als  ich  angesichts  der  noch  blossliegeoden  Trümmer  an  ihn 
die  Frage  richtete,  ob  hier  ein  Kirchengebäude  gestAnden  haben  könne, 
dies  entschieden    wegen   des    dafür    zn    geringen    Fundamentes    veraeinte. 


1)  Vgl.  Springer,  Jahrb.  SXII,  10«. 


IM 


Die  Chroniken  der  niederrbeinischen  Städte. 


Aber  Hegel  belehrt  ans  gar.  die  ganze  Geetalt  dieser  Kii'che  sei  ähnlich 
jenem  quadrstiacfaen  Grundbso,  den  man  noch  in  der  Kathedrale  von  Trier 
als  älteste  meroviugische  Anlage  erkenne,  unsere  Leeer  liabeu  Gelegenheit, 
das,  was  der  von  Hegel  selbst  angefuhi-te  von  Quast  Jahrb.  LVIII, 
189  ff.  über  den  trierer  Dom  sagt,  mit  den  Resten  des  fränkischen  Baaea 
beim  Dome  Jahrb.  LIll  Tafel  XV  und  der  Erläuterung  Voigteis  daselbet 
S.  203  zu  vergleichet],  und  sie  werden  mit  mir  staunen,  wie  man  so  etwas 
zu  behaupten  wagen  ki^nnte. 

Doch  Hegel  ,,gibt  dies  fär  nichts  mehr  als  blosse  Vermuthung*',  bei 
der  er,  abgesehen  vom  thatsächlichen  Iirthum,  ganz  übersieht,  dass  jenes 
fränkische  Gebäude  nicht  abgebrochen,  sondern  zertrümmert  worden  ist,  und 
da  man  diese  Zerstörung  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  den  Normannen 
ziiBchreibt,  über  deren  mannigfache  Besuche  Kölns  ich  in  Picks  Monats- 
schrift die  Kenntnis»  HegeTs  etwas  erwettert  habe,  müsste  dieser  alte 
Dom  von  Hegel 's  Einbildung  wenigstens  noch  einige  Jahre  nach  der 
Weibung  des  neneii  utiabgebrochen  gestanden  haben  ! 

Weiter  beruft  sich  unser  knnst-  und  gcschiobtskundiger  Freund  darauf, 
dass  die  Grandform  des  bis  zum  Neubau  Konrad's  bestandenen  Dom»,  den 
er  fOr  den  Hildebold'schen  erklärt,  ,,a}9  Basilika  mit  zwei  Chören  und  zwei 
Krypten",  sich  auf  gleiche  Weise  in  den  grossen  Kirchenbauten  der  Karo- 
lingerzeit zu  Fulda  und  St.  Gallen  wiederfinde.  Diese  sei  gleichsam  org.a- 
niscb  erwachsen  bei  dem  allmählichen  Ausbau  der  Salvatorkirche  zu  I'ulda, 
und  diese  habe  wahrscheinlich  der  Kirche  in  St.  Gallen,  von  welcher  ein 
Grundriss  vorhanden  sei,  als  Master  gedient.  Auch  Schnaase  bemerkt, 
vorsichtiger  als  Hegel,  sehr  ähnlich  der  grossen  Kirche  von  Fulda  scheine 
der  Neubau  des  Doms  zu  Köln  gewesen  zu  sein,  welchen  er  mit  Boisseree 
im  Todesjahre  Karls  des  Grossen  entstehen  l&sst,  eine  Annahme,  deren 
sonderbaren  Ursprung  ich  Jahrb.  XXXIX.  XL,  104  f.  nachgewiesen  habe, 
wodurch  sich  freilich  ITegel  nicht  hindfrn  läast,  die  Geschichtscbreiber 
der  Kunst,  die  eben  die  geschichtliche  Grundlage  nicht  antersucht,  sondern 
atdem  geglaobt  haben,  gegen  mich  ins  Feld  zu  führen.  Was  bindert  nnzn- 
nebmen,  dass  der  alte  Dom  zu  Köln  sich  ebenso  organisch  entwickelt  habe 
als  der  der  Klosterkirche  zu  Fulda,  dass  die  zwei  Chöre  und  Krypten  bei  der 
allmählichen  Erweiterung  hinzugetreten  seien,  man  bei  der  erzbischöäichen 
Katliedrale  statt  eines  zwei  Chöre  in  Aussicht  genommen  und  nun  auch  zwei 
Krypten  entstanden  ?  Und  warum  müsste  Köln  von  Fulda  statt  Fulda  von 
Köln  seinen  Bauplan  genommen  haben?  Aber  wir  wissen  eben  gar  nicht« 
von  dem  Baue  des  Kölner  Doms,  der  873  eingeweiht  wurde,  and  die  vor- 
handene erst  a&ch  dem  Brande  von  1248  angefertigte  Beschreibung  des  Domes 


Die  Chroniken  der  niederrfaeinischen  St&dte. 


\hl 


gilt  dem  nach  den  NornianiienstUrnien  hergestellten  Gebäude,  wenn  wir  freilich 
es  Buob  für  sehr  wahrscheinlich  halten,  dasa  bei  diesem  keine  wesent- 
liche Veränderung  stattgefunden,  was  Hegel  als  sicher  bezeiclmet. 

Dieser  ist  niiu  mit  seinem  Bündel  Beweise  gegen  mich  fertig  und  scblieast 
demnach:  „Also  jQndet  sich  die  bezweifelte  Tradition  von  dem  Hildebolds- 
dom  sowohl  durch  die  unbefangene  Auffassung  der  historischen  Nachrichten 
von  seiner  Einweihung,  als  auch  und  noch  mehr  durch  den  Bau  selbst 
bestätigt".  Voll  Selbstbewusstsein  ruft  er  aus :  „Wenn  doch  die  Sache 
selbst  sich  beseugt  und  lebendig  vor  Augen  steht,  wie  mag  man  sie  dann 
noch  bestreiten?"  Aber  wäre  alles,  was  Hegel  aufstellt,  so  wahr,  als  wir 
das  Gegentheil  erwiesen  haben,  die  auf  einer  späten  Stiftslegende  beruhende 
Sage,  HiJdebold  habe  einen  neuen  Dom  begonnen,  könnte  dadurch  nicht 
die  geringste  geachichtlicha  Gewähr  erhalten.  Uildcbold  erscheiot  in  keiner 
guten  Ueberliel'erung  al«  Erbauer  dea  Doms,  Die  ßischofskataloge  wissen 
von  der  Einweihung  des  Doms  durch  Wilbert,  dagegen  geben  sie  nicht  die 
leiseste  Andeutung,  dass  Hildebold  den  Dombau  begonnen,  obgleich  sie 
diesen  Kuhnieatitel,  wenn  sie  etwas  davon  gewusst,  ihm  nicht  entzogen 
haben  könnten.  Die  fromme  Stiftslügo,  nach  welcher  die  erste  Kathedrale 
die  Cäcilienkirche  gewesen,  Hess  die  Verlegung  derselben  durch  den  ersten 
Erzbischof,  den  Karl  der  Grosse  in  seinem  Testamente  bedacht  hatte,  ins 
Werk  setzen  und  daraus  war  dos  Luftbild  fertig,  als  dessen  letzter  un- 
glücklicher Ritter  Hegel  seine  scharfe  Lanze  gegen  mich  eingelegt  bat, 
die  glücklicherweise  keinen  verwundet  und  ihm  nichts  weniger  als  den 
Dank  der  den  Preis  ertheileuden  Wissenschaft  einbringen  wird. 

Aber  ein  neuer  Trooipeteustoss  erschallt.  Wieder  reitet  Hegel  hoch 
zu  Ross  ein,  um  die  Kölner  Synode  von  870  gegen  mich  zu  retten.  Am 
27,  September 67 '{  spricht  Wilbert  selbst  von  dem  ajnodalis  conventus, 
quem  simul  nobiscum  hodierno  die  coliectum  habuimus  ob 
Dostrae  ecolesiae  dedicationem  faciendam  et  ob  plurtma 
divina  tractanda  negotia,  und  an  demselben  27.  September  wurde 
1322  gleichfalls  auf  einer  Provinzialsyuode  der  vollendete  neue  Dorochor  ge- 
weiht. Am  28.  September  873  sagen  die  dabei  anwesenden  Bischöfe  von 
Mainz  und  Trier,  Wilbert  habe  die  Synode  zusammenberufen  ob  suae 
eoclesiae  id  est  (odervel)  domas  dedicationem  et  ob  plurima 
alia  divina  et  bumana  tractanda  negotia.  Hier  ist  offenbar  von 
einer  dedicatio  des  Domes,  nicht  eines  neuen  Domes  die  Rede,  Von 
diesen  urkundlichen  Zeugnissen  weicht  nun  der  Bericht  der  zweiten 
Fortsetzung  der  Annales  Faldenses  ab,  die  unter  dem  Jahre  870,  also 
drei    Jahre    früher,    berichten:   Habita    est    antem    et    synodns    in 


tu 


Die  Cbrooikao  der 


ei^itAte  Colonia  iaisa  HIodoTiei  regia  YL  Kaleadsroa  Octo- 
brina  praeiidcntibos  Metropolitanis  epiicopis  proTincimmB, 
Laitberto  MogontiaceBiiBoi.  Bertholfa  Trev*ri»rnin,  Willi- 
b«rto  AgrippiaeDsiaiD,  cbib  eet«rit  Sftxoni»«  epl«eopit,  wbi, 
eam  plarim»  ad  atilitatem  «eelesiasticam  pertiataiia  veati* 
las8«at,  etiaa  doBBB  ■.  Pctri  «ateaa»  aiaiae  eoatoarataB 
dedieaTerBDt.  TomrtbaikfnM  Fecaeber  babea  aa  der  «ii€i»»l  dni 
Jabfe  fcialer  waamW  erfalgtea  dedieaiio  Aarta«  goaeaiMaBt  maA 
ariittcb  M  die  Saoba  ao  gaai  aaaAialtBcb,  daaa  aa  aaf  «iaea  T«fäihaa 
bwbaa  naas.  Freüidi  aaser  adTaaaias  Hildeboldi  «ml  daaü  kiebt 
fistig.  Maa  Waadkeaicbt  ■itDftaiBileraanBchaaa.diewalaERbwabB 
am  fir  a^fthig  ccUirt  vordcs,  weil  WilbarC  ne  tot  adaar  nmliligiii^  «eB- 
aogBB,  da  der  Aaaaliai  aäekt  ai^e,  daaa  der  e  I  •  e  t  B  •  ( vieinabr  c  o  D  •  e  c  r  a  t  a  1 1) 
voa  Kola  (er  aaaei  iba  doab  aogatMalropolitaaBa  epiacopaa  wia  dia 
EnbiadkifiB  vaa  Maiaz  aad  Trier)  aie  «oUangaa,  aoadam  aila  «£a  geaaaalai 
firaWaAÜa  aad  BlMcb5fe  etiaai  domBs  a.  Petri  —  dedicaTcraat**. 
WA«t  kafca  ak  elacUa  aicbt  aüt  ciaveibee  k6naaa.  Eiaa  aakba 
iliialnaaft  widcfligt  aicb  aailal.  Dia  dadicatio  wHeig^  iBaatr  danb 
da  DüaaMBkäMbof  aalar  SaMlMad  4er  Saftagadhiadiifc.  VgL  Kar- 
laBaII.18.  Uad  m  wiia  doab  gar  aa  llihafab.  BF<aa  aarFiiyaiiinf  rea 
Ua  mk  iai  Hiatargnnde  gebahaa  aad  dia  aadaa  bitte  fia  Wafta 
iwiilriibi«  UiHB.  Und  «er  giU  Hagel  daa  Becbt,  bä  dea  de4icarc- 
raatgsadedea  Söber  Erdascbaf  aaHaaddiaiaaa?  Waaa  Biaebof  Wilbart, 
«ie  daatiieb  gaaagt  iaI,  der  Sjaode  mSt  »laeaea,  aa  batte  er  aaeb  das 
Badbt  dv  Waiba.  Hegel  aber  lagt  danaf  fievi^  daaa  Waiert  ent 
aa  driMar  8lAa  gaaaaa*  kt,  aad  aidal,  als  eleeiai  bätte  er  ,,aaf  dar 
%aada  d^  bädaa  aadva  aiaiiAii  lu  ktaaea**.     Dm  «ad  daeb  gar  «aadar^ 

«aaa  Lad«ig  Ab  ^aoda,    «i»  Hegel   «iü,    aacb  Kfib    laaiWMiiiliiiirf, 


■M  WtM  gaifiail.    Sa  atvaa  Mgt  Hegel  aar 
S^pode  voa  870  am  baHaa.  imitm  «r  de  ab  ga 

aadtra  an  kaan,  ait  aalar  da 

erai  aa  dritter  Stell*  bmbI,  ao  kaaa 

gMBM  laMa»  aHnraoar  vm  «iiaan 

Sebrnbar  Uaiaa  ttnd  Trier  lanirfcal  iMea  oder  «eil  ia  der 


Gr«ad« 


Die  Chroniken  der  niederrheiniscben  Städte. 


1«8 


SyQodalbekanDtmachung  Wilberts  eben  nur  jene  beiden  ßiscböfa  genannt 
werden,  denen  er  natürlich  Wilbert  selbst^  der  die  Synode  berufen  batte, 
Kiuzufügen  mueste.  Hegel  stützt  sich  darauf,  daes  der  Annalist  ausdrück- 
lich sagt:  Habita  eat  autem  synodus  iuBsu  Hludovici  regia,  aber 
das  letztere  ist  eben  ein  Zusatz  des  fuldaer  Annalisten,  der  nicht«  weiter 
sagen  will,  als  dass  dies  mit  Bewilligung  des  Landeahorrn  gepchehcn,  ohne 
dessen  Zustimmung  der  von  ihm  beschützte  Wilbert  die  Synode  nicht  be« 
rufen  haben  würde.  Pie  Synode  von  870  erklärt  Hegel  für  eine  könig- 
liche ;  dann  aber  hätte  der  König  seihet  ihr  Vorsitzen  müssen,  was  er  nicht 
that.  Dass  er  damals  noch  zu  Aachen  krcink  gelegen,  lässt  sich  eben  nicht 
ganz  sicher  beweisen;  denn  wenn  Regino  von  zwei  Monaten  spricht,  die 
er  zu  Aachen  zu  Bett«  gelegen,  Hink  mar  sagt,  er  habe  liinger,  als  er 
gedacht,  darnieder  gelegen,  so  wissen  die  Annalen  nur  von  mehreren 
Tagen,  und  schon  am  25.  September  machte  er  zu  Aachen  die  Schenkung 
an  das  Kloster  Korvey.  Ist  wirklich  Ludwig  so  lange  krank  gewesen, 
so  ergibt  sich,  dasa  eben  der  Aunatiat  gar  nicht  so  zuverlässig  iat,  wie 
Hegel  S.  258  behauptet.  Dass  Ludwig,  wahrend  er  zu  Aachen  krank 
lag,  eine  königliche  Synode  nach  Köln  berufen,  scheint  an  sich  wenig  glaublich. 
Seltsam  ist  es,  wie  Hegel  selbst  mit  seinem  geliebten  Annalisten  in  Streit 
ger&tb,  wenn  er  sagt,  die  königliche  Synode  von  870  hätten  die  rheinischen 
Erzbischöfe  zu  Köln  abgehalten,  die  von  873  sei  eine  specieU  kölnische 
gewesen,  zu  welcher  Wilbert  ausser  den  sächaiBchen  Bischöfen  auch  die 
Metropoliten  von  Mainz  und  Trier  eingeladen.  Wie  konnte  er  übersehen, 
dass  auch  in  den  Annales  Fuldenses  von  der  angeblichfti  Synode  dos 
Jahres  870  ZU  lesen  steht  cum  ceteris  Saxoniae  epiacopis!  wie  konnte 
er  fibersehen,  dnas  Wilbert  als  Grund  der  Berufung  der  Synode  von  873 
plnrima  divina  tractanda  negotia,  nicht  bloss  rheinische  Diözesen- 
angelegenheiten t>ezeichnet.  Kurz  diese  ganze  Unterscheidung  einer  könig- 
lichen und  einer  Külniachcn  Synode  erweist  sich  als  hinfällig.  Völlig  un- 
möglich ist  eine  nach  drei  Jahren  erfolgte  Wiederholung  der  dedicatio 
des  Domes.  Hätte  auch  nach  Hegel 's  so  oicbtiger  wie  vmnderticher  An- 
nahme Wilbert  870  bei  der  dedicatio  den  blossen  Zuschauer  abgegeben, 
an  eine  neue  Weihung  konnte  er  nicht  denken,  da  diese  vollständig  ge- 
nügte, und  noch  weniger  hätten  sich  die  Erzbischöfe  von  Mainz  und  Trier 
dazu  hergeben  können,  die  dedicatio  noch  einmal  mitzumachen,  als  ob 
die  früher  von  ihnen  vollzogene  nicht  zu  Recht  bestände.  Weiss  etwa 
Hegel  ein  anderes  Beispiel  einer  solchen  eigensinnigen  W^iederholung  der 
dedicatio?  Früher  batte  er,  nachdem  er  des  Deutungsversaches  von 
Düromler  gedachte,  die  Bemerkung  hinzugefügt:  „Yielleicht  I  es  sind  noch 


IM 


Die  Chronilten  der  niedcrrheinuchen  Städte. 


andere  Möglichkeiten  denkbar.'''  Ich  hatte  Dümmler's  Annahme  wider- 
legt und  geäasHort,  dass  ich  eben  kein  »nderes  zn  ersinnendes  Anekunftfl- 
mitiel  sehe.  Nun  konmit  Hegel  mit  dieser  wunderlichen  Missdentang; 
vielleicht  hat  er  von  den  ,, andern  Möglichkeiten"  noch  einige  enr  Hand! 
Die  Wiederholung  der  dedicatio  nach  drei  Jahren  wäre  nur  durch 
inzwischen  eingetretene,  eine  neue  nothwcndig  machende  UmstAnde  erkl&r- 
lich;  solche  sind  aber  eben  bo  unwahrscheinlich  als  unbezengt.  Damit  ist 
der  Synode  von  S70  ihr  Urtheil  gesprochen.  Aber  wir  gehen  noch  weiter 
und  fragen,  ist  an  eioh  eine  Synode  am  27.  September  870  irgend  wahr* 
Bcheinlich?  Wilbert  war  im  Januar  gewfthU,  mehrere  Monate  hatte  er 
fern  von  Köln  weilen  müssen,  er  erwartete  die  Betstätigung  Roms  dnroh 
das  Pallium,  das  der  Erzbischof  Bertolf  von  Trier  vom  Papste  erhalten  hatte, 
ihm  aber  verweigert  worden  war.  Wie  konnte  er  daran  denken,  ehe  er 
von  Rom  förmlich  anerkannt  war.  mit  den  wirklich  vom  Papst  bestätigt«'!) 
Ersbischöfei)  von  Mainz  und  Trier  eine  Synode  zu  halten,  wie  die§e  m 
einer  solchen  sich  hergeben,  deren  BeschlüsBe  unter  diesen  Verhältnissen 
weniger  Werth  hatten !  Erst  als  er  das  Pallium  erhalten,  konnte  er  im 
vollen  BewuBstsein,  etwas  Förderliches  zu  wirken,  eine  solche  Versauimlung 
berufen.  Koch  eines  sei  erwähnt.  Die  Beschlüsse  der  in  dieser  Zeit  gehaltenen 
Synode  hat  man  willk&rlich  auf  die  Jahre  870  und  873  vertheili;  sicher 
gehört  der  letztern  die  Bestätigung  der  von  Lothar  genehmigten  Verord* 
nung  Günther 's  zu  Gunsten  des  Domkapitels  and  der  Nebenstifter  an. 
Man  aber  sollte  man  meinen,  dass  Wilbert  eine  solche  schon  aus  Klog- 
heitarfioksicht  gleich  auf  der  ersten  Synode  habe  geben  müssen,  wonach  sich 
denn  auch  von  dieser  Seite  die  Nichtigkeit  der  Synode  von  870  ergibt. 

Ist  aber  die  Unmöglichkeit  der  Synode  und  dedicatio  von  870 
erwiesen,  so  erklärt  sich  die  falsche  Nachricht  der  Annales  ganx  einfach 
dadurch,  dnss  der  Schreiber,  dem  die  Synodalakte  vorgelegen  haben  werden, 
diese  durch  Irrtbum  drei  Jahre  zu  frühe  setzte.  Diese  Vermnthuug  ist  um 
lo  natürlicher,  als  auch  Monat  und  Tag  fast  ganz  stimmen.  Und  wissen 
wir  nicht  selbst  von  dem  ersten  Fortsetzer  der  Annalea,  von  Rodolf, 
dass  er  die  Thatsachen  zuweilen  in  ein  falsches  Jahr  setzte?')  Wenn 
Tiegel  beweisen  will,  der  Annalist  habe  in  diesem  Jahre  die  Thatsaoheo 
richtig  chronologisch  geordnet,  so  ist  ea  doch  sonderbar,  dass  zwischen  der 
Rückkehr  nach  .dachen,  wo  Ludwig  mehrere  Tage  krank  gelegen,  und  der 
Erwähnung  der  Synode  eine  grosse  Anzahl  prodigia  erzählt  werden,  die 
•onat,  wenn  sie  nicht   zeitlich    genau    bestimmt  sind,    an    den  Schluas    dei 


1)  VgL  Partz  «criptorcs  T,  339. 


Die  Chroniken  der  niedorrbeiniBcbon  St&dte. 


166 


Jabres  gestellt  werden.  Ganz  anderer  Art  ist  es,  wenn  am  Ende  des  Jahres 
872  sogleich  das  folgende  dadurch  eingeleitet  wird.  Doch  wollen  wir  darauf 
gar  kein  Gewicht  legen.  Des  Deberganges  mit:  Habita  est  autem  et 
synodus  bedient  sich  auch  Rndolf  (8f>2,  857)  und  der  zweite  Fortsetzer 
hat;  Synodas  —  habita  est  (868)  ohne  das  sonst  im  Ueburgange  bo 
beliebte  aatem.  Jedenfalls  würde  der  Zusammenhang  darcb  den  Wegfall 
der  Stelle  von  der  Synode  nicht  nnt«rbrochen.  Ob  wir  nun  annehmen 
wollen,  der  zweite  Fortsetzer  der  Annales  habe  diese  mit  dem  geläufigen 
(Jebergange  angebracht  oder  ein  anderer  sie  später  eingefügt,  ist  für  die 
Sache  selbst  von  keiner  Erheblichkeit.  Rührte  sie  vom  Annalisten  her,  so 
würde  man  eatcnus  minime  oonsecratam,  das  seltsam  zwiachentritt, 
da  man  statt  dessen  die  Bezeichnung,  dass  die  Kirche  neu  sei  (novam 
domuro  s.  Petri)  erwartete,  mit  dem  Märchen  von  den  Göt^sen  als 
spStern  Zusat^s  betrnühten  dürfen,  sensit  auch  dieses  der  Unzuverliissigkeit 
des  späten  Einschicbers  der  ganzen  Stelle,  das  auch  in  der  Tagsbozeichnung 
irrig  VI  statt  IV  setzte,  zuschreiben  dürfen.  Mag  Hegel  diese  Kritik 
immer  oberflächlich  nennen,  ein  Geschichtaforscher  mnss,  um  mit  Mephisto 
zu  sprechen,  immer  bedenken,  „«"»8  gohn  und  stehen  mag",  und  wissen, 
wozu  ihm  die  Gabe  der  Kritik  verliehen  ist,  die  sich  von  Aberglauben 
eben  so  fern  ab  von  eigensinnigem  Unglauben  halten,  mit  Umsicht  und 
Besonnenheit  alles  erwägen  muss,  die  eben  in  unserm  Falle  Hegel  ganz 
abbanden  gekommen  sind.  Fest  steht,  dass  der  Dom  am  27.  September  S73 
geweiht  worden,  wahrscheinHch  zum  Abßclilusse  der  traurigen  Zeiten,  die 
noch  872  Klerus  und  Volk  von  Köln  so  jämmerlich  schildern,  womit  auch 
die  Eröffnung  eines  nenhergesteUten  Theiles  der  Kirche  verbunden  gewesen 
sein  dürfte.  Der  völlige  Neubau  eines  Dumes,  den  Hildebold  begonnen, 
Wilbert  vollendet,  ist  und  bleibt  trotz  Hegel  ein  Irrlicht,  das  aus  dem 
Sampf  der  Stiftslüge,  die  älteste  erzbischöfliche  Kirche  sei  Cäcilien  gewesen, 
aufgestiegen  ist,  in  welches  die  Wissenschaft  es  eben  zurücklmnnen  muss. 

H.    Düntzer. 


2.  Geschichte  von  Giessen  and  der  Umgegend  von  den  ältesten 
Zeiten  bis  zum  Jahre  12Pi5.  Auf  Grund  der  Materialsammlung 
des  Localvereins  lür  die  Geschichte  von  Giessen,  zusammengestellt  von 
Dr.  F,  Kraft,  Hofgerichtspräsident.  Dnrmstadt  1876.  Aul'  Kosten 
und  im  Verlage  des  historiachen  Vereins  für  das  Grossberzogthum 
Hessen.     Hofbuchhandlung  von  A.  KlingelhötBr. 

Nachdem   die  Localgeschichte    kleinerer  Städte    im  Grossherzogthum 
Hessen,  wie  Grünberg,  Friedberg,  Oppenheim,  Wimpfen  ihre  Bearbeiter  ge- 


15G 


Gesohtchte  tod  6ies»en  und  der  Omgegend. 


funden  bat,  ist  in  obiger  Schrift  eine  Geschichte  der  Universität«-  und 
ProTinziftl-IInuptatadt  Gieesea  bis  mm  Jahre  1265  erschienen,  die  wegen 
der  Genauigkeit  des  einschlägigi^n  Quellenstudiums  nnd  der  darin  gebotenen 
Resultate  die  Aufmerksamkeit  der  gescbichtsforschenden  Kreise  in  beson- 
derem Grade  in  Anspruch  zu  nehmen  geeignet  ist.  Diese  Schrift  ist  das 
Prodnct  langjähriger  Beschäftigung  des  inzwischen  Terstorlwnen  Verfusere, 
welcher  früher  als  Hofgerichtsrath  in  Giessen  einen  von  dem  dasigen  Pro- 
fessor Dr.  Sold  an  zur  Erforschung  und  Bearbeitung  der  Geschichte  ron 
Giessen  ond  der  Umgegend  gegründeten  LocaKerein  nach  dem  Tode  des 
GrOnders  Jahre  lang  geleitet  hat  und  hierdurch  allinjihlig  in  Besitz  eines 
Urkundetimaterials  gelangt  war,  dessen  Bearbeitung  und  Veröffentlichung 
ihm  Pilicht  schien.  Leider  wurde  auch  der  Verfasser  au  der  Vollendung 
•einet  Torhabens  dnrch  seinen  unerwartet  eingetretenen  Tod  verhindert, 
tind  so  konnte  nur  der  erste  bis  zum  Jahre  1265  reichende  Theil  seines 
Werkes  der  Oeffentlichkeit  übergeben  werden.  Diesen  ersten  Theil  hat  nan 
der  Ausschuss  des  historischen  Vereins,  nachdem  er  ihn  als  Murascript  ron 
der  Familie  des  Verfassers,  welcher  ein  langjäbrigee,  eifriges  Mitglied  des 
Veretns  war,  erworben  hatte,  cum  ehrenden  Gedtichtniss  des  Dahingeschie- 
deoea  veröffentlicht  und  seinen  Freonden  damit  ein  theaeres  Erinnemnge» 
iflieben  flbergeben.  Gehen  wir  nach  diesen  Bemerkungen  su  dem  Inhalt 
unserer  Schrift  über,  so  finden  wir  in  dem  ersten  Abachnitt  (§  1  — 10)  die 
iit«8te  Geschichte  der  Localität  von  Giessen  nnd  seiner  Umgebaog  in  böcbai 
aiaislwidef  Weise  besproi-hen,  wenn  aoch  selbetverstÄndlich  in  diesen 
Attesten  Zeitraum  Manehes  nkbt  aufxohellen  gewesen  ist.  Der  Tiiifsiwir 
bespricht  stierst  die  Li^e  end  Bodenverhältnisse  der  Umgebung  nad  iil 
der  Ansicht,  dass  die  Ebene,  in  welcher  Giessen  rwischen  Lahn  nnd  Wicseek 
erhaat  ist,  nrsprönglicb  ein  Landsee  gew—en  Mi,  der  sich  swiaehea  dam 
4lterra  Grauwackengebirg  nnd  der  Basaltformatioo  gebildet  habe.  Und  in 
6tr  Tbftt  bi  die  Lage  vtm  GieMsa  uil  der  Greaa»  awsiei  geulogisch  var- 
•cbisdwer  Bodenartea,  dsaa  Biaterlisder  Sduefisr-  oad  den  YogsUMtgcr 
BaiHgebiet  eine  aeikr  laiareasante  nnd  was  der  Vetfaacr  aber  das  DbtcIi- 
laackeii  diaaes  See*s  dnrdi  das  Granwachest'  and  Thenacbiefai  gtAiiK  von 
Naaaaa,  duin  6ber  <Ue  Bafnftaraptaoa  ni  Nordea  nm  Oieaaea,  Sbar  das 
fttl  fluwiagsii  das  Lahn-  ud  Wkaadtgehialaa  in  der  Düariaheit  od  Aber 
£c  dadureh  entataads—  Ablagemag^  anf  dem  Rodbcig,  den  Triei»-  and 
»ahfw^abarg  luaukt,  ericUrt  die  varliegaiid—  gaoli^Mrfw  YnbilUian 
««IkMadlf .  Daa  Lahabatt  bei  Gieaaea  var  in  im  iHsalaa  SAen  ndhr 
aartlirb,  aeg  «kb  an  FWase  dn  Hardberga  Ua,  bja  die  Albivittnaa  das 
Olaibaeb,  Krafbiifc  «ad  Pflnilbili  «  ««f  die  Saite  dH^lH.    Der  Mmm 


Oeeehichte  von  Giessen  and  der  Umgegend. 


ll>7 


der  Laho  selbst  wird  erst  auffallend  spät  erwähnt;  von  röm.  Schriftstellern 
gar  nicht.  Yenantins  Fortuaatus  (lib.  7,  carm.  7)  im  6.  Jahrh. 
erwähnt  in  einem  Gedicht  zwei  Flüsse,  Laugonn  und  Bordoa,  was  man  mit 
vollem  Recht  gewöhnlich  auf  Lahn  und  Wohra  bezieht  (Wenk,  besä. 
Gesch.  Bd.  2,  S.  199);  wenigstens  pasat  die  Beschreibung  der  Laugona 
vitrois  aquis  auf  die  dem  Glase  der  Alten  fthnliche,  grünliche  Farbe  des 
FlasRes,  Noch  im  9.  Jahrhundert  und  in  späterer  Zeit  heisat  der  Fluss 
Logana,  Loganaha,  dann  Loine,  Lohn;  der  Lahngau  LogAniihe ,  Logenehe, 
lAigengouwe  (Kraft  S.  2  Q.  24;  Friedemanit,  die  arkundlichen  Formen  des 
Namens  der  Lahu  im  Archiv  für  hess.  Geschichte,  Bd.  f?,  S.  419)').  Das 
Bauptthal  der  Lahn  war  durch  die  stärkeren  Anschw^emmuugen  höher  und 
trockener  geworden,  als  das  Nebenthal  der  Wieseck ,  welches  jetzt  noch 
ausschliesslich  aus  Wiesen  besteht.  Obwohl  die  Stelle,  auf  welcher  ßnrg 
und  Altstadt  Giessen  entstand,  etwas  höber  lag,  als  die  Wieseckniederung, 
80  war  sie  doch  auch  jäbrliclien  Ueberschwemmungen  der  Lahn  und  Wieseck 
ausgesetzt.  Im  Jahre  1709  worden  bei  dem  Graben  eines  Kellers  grosse 
Baumstämme  gefunden,  die  durch  die  Fluthen  der  Lahn  im  Allavialboden 
angeschwemmt  wurden.  (Vergl.  Liebknecht,  Basnae  subterraneae  epe- 
cimen,  pag.  136.)  Solche  angeschwemmte  Stämme  finden  .sich  in  dem  Roden 
von  Giessen    viele  vor;   sie   sind  schwarz  wie  Ebenhok  tmd  lassen  sich  za 


1)  Dazu  kommt  mm  Förstemaan  Altdeutacbes  Namenbuch,  Band  II, 
zweite  Auflage  der  Ortsimmen.  —  So  verdienstlich  das  Werk  von  Kraft  in  Be- 
zuff  auf  die  urkundlich-mitt«klterUchc  Gebchichte  von  Giesuen  ist,  ao  wenig  stark 
erweist  sich  der  Verfasser  in  dem  leidigen  gelegentlichen  Etymologisiren.  Der 
Name  der  Lahn ,  unzweifelhaft  eine  altkeltipche  Lougona ,  Logana,  wird  un- 
richtiger Weise  aua  dum  deutschen  Wort  „Lauch'*  (in  altgermanischcr  Form 
lauka,  vergl.  Fick  IIP,  260)  geleitet,  weil  der  Fluss  eine laucfagräne  Farbe  habell 
Der  Name  der  Chatten  wird  von  ihrer  HeHchäftigung  mit  dor  Jagd  abgeleitet,  mit 
Beziehung  auf  UDser  Wort  „Hatze"  und  dies  dann  wieder  mit  dem  französ.  „chasae" 
verglichen;  abgeBehen  davon,  dass  der  Name  Chatten  (in  heutiger  Form  Hessen) 
sehr  dunkel  ist,  hat  das  altgtrmEntHche  hatao,  haljan,  woher  t-ben  unser  „hetzen" 
mit  der  Grundbedeutung  „verfolgen'*,  etymologisch  gar  nichts  mit  französisch 
ohasser  zu  thun,  welches  vielmehr  aua  dorn  mittellatcinischen  captiarc  (von  tat. 
captos)  stammt.  Im  üebrigen  mag  bei  dieser  Gulcgenbeit  erwähnt  sein,  dass  der 
Name  „Lahu"  eine  unrichtige  Deudoutscho  Bilvlung  für  „Lohn''  ist.  wie  das  Volk 
noch  richtig  sagt;  vergl.  die  Ortsnamen  Löbnberg  und  Lohnstein,  wie  noch  bis 
Ende  des  18,  Jahrhunderts  statt  des  jetzigen  Lahnstein  geschrieben  wurde.  — 
Auf  diesen  keltischen  Flassuamen  hier  näher  einzugehen,  ist  nicht  der  Ort. 
Vergl.  indessen  diese  Jabrbäober  oben  S.  69—71.  Die  Redaction. 


Gäachiobte  von  Giesseu  und  der  ümgogeod. 


159 


der  Lindner  Mark,  aaf  der  Anneröder  Haide,  bei  Älten-Buneck,  bei  Hof 
Heibertshausen.  Die  Züge  der  Römer  voa  Mainz  aus  muBBteo  durch  die 
Gegend  von  Giessen  fuhren.  Vom  ersten  Feldzug  den  Druaiis  gegen  die 
Chatten  wissen  wir  wenig.  Ohne  Zweifel  ging  er  vom  castram  Arctaunam 
am  TaauuB  (wahr&cheinhch  die  Saalburg)  aus  und  war  ftlr  die  Römer 
glückh'ch  (in  V.  Ch).  Doch  konnten  sie  nur  in  dur  südlichen,  von  den 
Hattiakern  bewohnten  Welteran  aich  festsetzen  und  Bchützten  diesen  be- 
reits nach  Ansicht  des  Vttrrassers  durcli  einen  limefi.  Ob  indessen  der  Pfahl- 
gralien  in  der  Wetterau  in  eine  so  frühe  Zeit  /.u  setzen  ist,  möchten  wir 
im  Hinblick  auf  die  ohne  Zweifel  spätere  Entstehung  anderer  Theile  und 
auf  die  einheitliche  ConceptiMn  desselbcji  in  Zweifel  ziehen.  Im  folgenden 
Jfthre  hat  Drusus  die  Chatten  dauernd  nnterworfent  den  Hercyniachen  Wald 
(Vogelaberg  und  Spessart)  durchzogen,  die  Marcomannen  besiegt  und  war 
von  Aliao  an  der  Lippe  über  die  Weser  gegen  ilie  Cherusker  vorgedrungen, 
Anf  dem  Rückzug  vora  Pferde  gestürzt,  endete  er  sein  Leben  im  Sommer- 
lager im  Chattenlaud.  Die  castra  scelerata  müssen  zwischen  der  sächsischen 
Saale  und  Mainz  gesucht  werden  ').  Nach  der  Varusschincht  betrat  Ger- 
manicus  (IT)  n.  Ch.)  wieder  das  Chattenland,  baute  das  castrum  Arctaunum 
wieder  auf  und  überäel  von  hier  aus  die  Chatten,  die  keine  F^^indselig- 
keiten  erwarteten.  Anf  seinem  Zuge  liesH  er  L.  Apronius  zurück,  um  feste 
Wege  und  Brücken  zu  bauen  (ad  munitioncs  viarum  et  fluminum).  Nach 
der  TerrainbeschafTenheit  muss  dieser  Streifzug  des  Gemiatiicus  vora  Taunus 
nach  der  Eder  durch  die  Gegend  von  Gieesen  geführt  haben.  Ob  ein 
schon  im  17.  Jahrb.  in  Giessen  aufgefundener  Steiuweg,  der  damals  schon 
tief  unter  die  Erde  gesunken  war,  ein  Bruchstück  einer  von  Aprouius  ge- 
bauten Römerstrasse  war,  muss  dahingestellt  bleiben,  wenn  es  auch  der 
Verf.  recht  wahrscheinlich  erscheinen  lässt.  (Vergl.  Joh.  Just.  Winkelmanu, 
Beschreibung  der  Fürstpnthümer  Hessen  und  Hersfeld  161'7,  Th.  1,  S.  209.) 
Von  keinem  Zuge  der  Römer  gegen  die  Chatten  besitzen  wir  so  specieUe 
Nachrichten,  als  von  diesem;  aber  gewiss  wurden  spilter  ähnliche  Züge, 
wenn  auch  mit  geringerem  Erfolg  unt«rnommen.  Die  Gegend  von  Giessen 
war  also  zwei  Jahrhundertc  hindurch  das  Grenzgebiet,  in  welchem  die 
Waffen  der  Germanen  und  Römer  sich  trafen.  Bis  in  die  Nähe  von  Giessen 
zog  sich  der  röm.  Pfahlgrabon  vom  Taanus  herab.  Vielleicht  bergen  die 
vielen  Germanengrilber  bei  Giessen  die  in  jenen  Kämpfen  Getallenen,  viel- 
leicht ist  der  üeberfall  des  L.  Pomponius    über   die  trunkenen  Chatten  in 


1)  Hi«3rau  wären  wohl  Dederich's  Feldzüge  des  Drusus  und  Tiberius,  die 
in  den  Bonner  Jahrbüchern  XLIX,  8.  135—145  besprochen  sind,  eu  vergleichen. 

Die  Redaotion. 


Oeecbiohte  von  GiesMo  und  der  umhegend. 


diese  Oegend  za  verlegen;  vielleicht  weisen  die  vielen  bei  dem  Orftb«n  des 
'Wieseckbettes  aafgefundenen  Schädel  aaf  eine  Wahlstatt  aus  jener  Zeit. 
Doch  mit  Sicherheit  lässt  sieb  dieses  nicht  constatiren.  Als  Zeitpunkt, 
bis  BO  welchem  die  Römer  sich  in  der  Wetterau  hielten,  nimmt  der  Ver- 
fasser etwa  230  n.  Chr.  an.  Spätere  Einfälle  der  Römer  erstreckten  sich 
nicht  mehr  in  die  Gegend  von  Giessen. 

Der  Name  der  Chatten  geht  am  Ende  des  4.  Jahrhunderts  in  dem 
von  ihnen  mit  den  Chera<«kem,  Chamavun,  Ansivariorn  (bei  Hamm  und  an 
der  Ems)  und  Bructerern  geschlossenen  Bund  der  Franken  anter');  aber 
auch  nach  Auswanderung  eines  grossen  Tlieils  der  Franken  über  den  Rhein 
blieb  das  Hessenland  von  der  alten  Grenze  der  Alemannen  bis  zur  Saohsen- 
grenze  fränkisches  Gebiet.  Die  Alemannen  dehnten  sich  temporär  bis  aar 
Wetterau  aas;  aber  nie  über  den  Pfablgraben  hinaas  und  jedenfalls  nicht 
länger  als  bis  au  ihrer  Niederlage  unter  Macrian  durch  den  Frankenkönig 
Hellobaades  (um  375).  Die  Sachsen  fielen  auch  mehrmals  bis  snr  Lahn 
in  das  Frankenland:  die  Grenze  ihrer  Wohnsitze  ist  bis  auf  den  heutigen 
Tag  durch  die  Sprachgrenze  über  der  Eder  festgestellt  (zwischen  Franken- 
berg und  Sachsenberg;  Frankenau  und  Sachsenhausen);  in  der  Herrschaft 
Itter  spricht  man  in  den  auf  der  Höhe  gelegenen  Orten  platt;  an  der 
Eder  nicht.  Im  Büttelaltcr  hatte  Hessen  frankisches  Recht.  Erst  nach 
bestimmter  Ausbildung  der  Gaueintheiiung  theilt  sich  das  lleesetüand  in 
einen  Uessengau  und  Lahngau ;  die  Grenze  beider  bildete  die  Wasserscheide 
■wischen  Lahn-  und  Fuldagebiet.  Während  der  Völkerwanderung  tbeilte 
die  Gegend  von  Gieesen  daher  die  Geschicke  des  Frankenlnndes  und  zwar 
inshea.  der  salischen  Franken.  Mit  ihnen  hatten  die  Bewohner  der  Lahn- 
gegeod  die  Vandalen  lu  bekämpfen  und  den  Hannenzug  anter  Attila  aas» 
Buhalten;  mit  ihnen  gehörten  sie  zam  Reich  der  Merowinger  uud  waren 
bei  Theilangeu  zu  Austrasien  (Francia  Orientalis,  im  Gegensatz  za  Frank- 
reich) gehörig. 

Wir  ül>ergebenf  was  der  Verf.  aber  die  Ansbreitnng  des  Christen* 
thoms,  über  die  Zagehörigkeit  der  Gegend  za  dem  Archidiaeonat  Dietkirrhen, 
fiber  den  Reformator  Hefsens  Bonifaz  (Gründang  von  Ameneburg  722), 
dann  über  die  Marken  der  Gegend  sagt,  am  den  Ergebnissen  ans  znza* 
wenden,  die  der  Forseherfleiss  des  Verf.  besO^lich  der  aosgegangeoen 
Dfiifer  Selters,  Kropbach ,  Achatadt  und  ihrer  Gemarkungen  sn  Tage 
geltirdert  hat.     Inal>ti>sondere  finden    wir    aus    einer  Sammlang    serstreat<r 

1)  Dasa  dies  norichtig  iat,  leigt  schou  der  Name  Hesse,  der  mit  den  der 
ffcatton  sprachlich  identisch  ist  (vergL  das  Weigaod'scfae  deateobe  Wörterhoch). 

Die  Bedactioo. 


Oeschicbte  von  Giewen  und  der  ümpfegend. 


ICl 


Stellen  in  Urkunden  den  evidenten  Beweis  geführt,  daas  ein  bisher  unbe- 
kanntes, drittes  Dorf  in  OieBsen  aufgegangen  sei,  Achstadt  und  der  schon 
erwähnte  A8tei*weg,  den  Prof.  Noack  irrthümlicher  Weise  von  Ostara  ab- 
leitet, nichts  anderes  ist,  als  der  im  Volksmund  verkürzt«^  Achstädter-, 
(Achster-,  Aeter-jweg,  wurau  mau  auch  sieht,  wie  vorsichtig  man  bei  der 
Herleitung  aus  der  germanischen  Mythologie  überhaupt  aein  muss.  So 
lange  der  alt«  Lahngau  di\s  ganze  Fkiasgebiet  der  Lahn  umfasste,  war  es 
uicht  zweifelhaft,  dasa  Giessen  und  d\o  Umgegend  in  d»uselben  gehörte; 
tAtur  Bcboti  in  alter  Zeit  zerfiel  der  Lahngnu  in  einen  Ober-  und  Nieder- 
lahngnu;  ja.  der  Verfasser  macht  es  durch  verschiedene  Anhaltspunkte, 
besonders  dnrch  eine  L'ebcrsicht  über  die  (»eschichte  des  saliscb-fiiinkisclien 
Haoses  wahrBcheinlich,  dass  die  Gegend  von  Gleiherg,  Giessen,  das  Dekanat 
Wetzlar  einen  eigenen  Gau,  den  Mittel-Lahngau  bildete.  Der  Enkel  des 
Hensogs  Gebhard  im  Lahngau,  Conrad  I,  erhielt  den  Hessen-  niid  Ober- 
lahngau;  der  Sohn  dieses  Otto  dann  die  Gegend  bis  zur  Grenze  des  Nieder- 
lahngauB.  Der  Sitz  dieses  Otto  war  höchst  wahrscheinlich  die  Burg 
Gleiberg.  Die  Bauart  des  Gleiberger  Thurmes,  besonders  der  Uundbogen- 
styl  und  die  Süulchen  an  der  Capelle,  erinnert  an  die  ältesten  Bauwerke 
und  hat  Aeholichkeit  rait  dem  ältesten  Theil  der  Wetzlarer  Stiftskirche. 
Die  genealogischen  Verhaltnisse  der  Grafen  von  Gleiberg,  die  der  Verf.  mit 
difficiler  Genauigkeit  verfolgt  und  ins  Kliire  stellt,  wif  denn  auch  nine 
Stammtafel  derselben  dem  Werke  beigegeben  ist,  können  wir  natürüch  hier 
rnobt  wiedergeben  und  müssen  den  Leser  anf  die  Schrift  selbst  verweisen. 
Hier  mOssen  wir  uns  darauf  beschränken,  hervorzuheben,  dass  eben  vpn 
diesen  Grafen  von  Gleiberg  die  Eutstehuug  und  Gründung  von  Giessen 
aasgegangen  ist.  In  einer  Urkunde  von  1197  wird  Giessen  r.uvn  ersten 
Male  erwähnt;  das  Genauere  über  Zeit  und  Veranlassnng  seiner  Gründung 
ist  in  undurchdringliches  Dunkel  gelitillt,  denn  als  es  urkundlich  erscheint, 
ist  es  bereits  Sitz  des  Gfafenhousee  und  Hauptort  der  Grafschaft,  Wahr- 
scheinlich ist  es  indessen  die  Stiftung  des  Klosters  SchtiFäDberg  durch  die 
Grftfin  dementia  von  Gleiberg  gewesen,  welche  auch  die  Giündung  von 
Giessen  veranlasst  bat.  Denn  bei  Hochwasser  konnte  vom  rechten  Lahn- 
ofer  aus  mit  dem  Kloster  nicht  verkehrt,  ihm  nicht  genügender  Schot« 
gewährt  werden.  Ea  war  daber  nöthig,  auf  dem  linken  Lahnafer  eine  Barg 
zn  erbauen,  deren  Biirgmannen  jeder  Zeit  das  Kloster  und  die  Umgegend 
vertheidigen  konnten.  Die  Stelle  zwischen  Wiesock  und  Lahn  war  l>e- 
sonders  geeignet  und  konnte  leicht  mit  einem  tiefen  Wassergraben  nmgfben 
werden.  So  entstand  die  kleine  Grafenbarg,  deren  Urning  wir  noch  heute 
an  dem  alten  Scdiloss  (Canzleibiin)  auf  deisi    l'rand  erkeiiurji.      Der    Thurm, 

11 


Oeschiohte  Ton  Oieflsen  und  der  Umgegend. 


der  sog.  Heidentbarm ,  stammt  wohl  aub  der  ersten  Zeit  der  Erbautmg. 
Die  Entstehung  dieser  ßurg  fiillt  in  die  erste  Uillfte  dea  12.  Jahrhonderts. 
Der  Name  lautot  urkundlich:  Gysen,  Gisen,  Gyessen,  Goyssen.  Da  Giesaeu 
im  alten  Deutsch  einen  Wassergraben  bedeutet,  so  entspricht  dieser  Name 
der  von  einem  Wassergraben  umgebenen  Lage  der  Burg.  Nachdem  die 
Barg  vorhanden  war,  wurde  die  Entstehung  der  Stadt  bald  zur  Noth- 
wendigkeit.  Diener  und  Handwerker  siedelten  sich  um  die  Burg;  Bürger 
suchten  innerhalb  der  Ringmauern  Schutz.  Die  Entwickelung  war  die  ge- 
wöhnliche. Aber  die  geschichtlichen  Nachrichten  fliessen  noch  dürftig,  auch 
während  der  Periode  (von  1180 — 1265),  in  welcher  Giessen  den  Pfalzgrafen 
von  Tübingen  gehörte,  bis  es  an  Hessen  kam.  Doch  die  wenigen  urkuod- 
licheii  Nachrichten  hat  der  Verfasser  gesammelt  und  deren  Inhalt  in  den 
folgenden  .Abschriften,  in  denen  er  von  den  Pfatzgrafen,  von  der  Regierung. 
Yerfaasung,  Gerichtsbarkeit,  von  den  kirchlichen  und  gewerblichen  Verhält- 
nissen dieses  Zeitraums  handelt^  mitgetheilt.  Schliesslich  giebt  der  Verfasser 
noch  eine  Geschichte  der  Ministerialen-Familie  der  Gräfin  dementia  von 
Gleiberg,  der  Ministerialen  von  dem  Grafen  Wilhelm  und  Otto  von  Qlei- 
berg  und  der  Pfalzgrafen  von  Tübingen.  Die  Bearbeitung  der  folgendeo 
Geschichte,  seitdem  Giessen  an  Hessen  gekommen,  blieb  durch  den  Tod 
dem  Verfasser  nicht  mehr  vergünnt.  Werfen  wir  aber  zum  Schluss  einen 
Rückblick  auf  den  mitgetheilten  Inhalt  unserer  Schrift,  so  sehen  wir  wohL, 
dass  wir  es  hier  mit  einer  gründlichen  Forschung  nnd  mit  einer  SchrUt 
zu  thun  haben,  welche  aus  laugjähngcr  Beschäftigung  mit  dem  Gegenstände 
hervorgegangen  ist,  wie  denn  der  Recensent  oft  selbst  davon  Zeuge  war, 
mit  welcher  Vorliel)e  sich  der  Verfasser  der  Erforschung  der  Geschichte 
seiner  langjährigen ,  zweiten  Vaterstadt  zugewandt,  und  die  Zeit,  die  ihm 
sein  arbeitsvolles  .\mt  als  Präsident  des  Hofgerichtes  in  Darmatadt  übrig 
Hess,  für  dieses  Studium  verwendet  hat.  Wir  sehen  weiter,  wie  der  Ver- 
fasser die  juristische  Gewissenheit,  die  ihn  im  Leben  auszeichnete,  auf  seine 
Geschichtsforschang  überträgt.  Ueberhaupt  besass  der  Verfasser,  nnter> 
stützt  durch  ein  seltenes  Gedächtnisa,  eine  Kenntniss  der  historischen  and 
rechtlichen  Verhältnisse  in  Hessen,  wie  sie  kaum  wieder  gefunden  wird. 
Dieses  Alles  macht  seine  Schrift  su  einer  fKr  die  Looalgeschichtsforschang 
äusserst  wichtigen  und  den  behandelten  Gegenstand  abschliessenden  Erschei- 
nung. Da  während  der  Folgezeit  die  Quellen  reichlicher  fliessen,  so  ist  die 
Bearbeitung  des  folgenden  Theils  wesentlich  leichter  und  darf  vielleicht  aus 
den  acadamischen  Kreisen  Giesaens  die  Fortsetzung  und  Vollendung  der 
Geschichte  der  Stadt  erwartet  werden.  Seeger,   Pfarrer. 


168 

3.  Der  karoIingischeThorbanEuLorsob.  Von  Friedrich  Schneider, 
gedruckt  in  dem  Correspdndenzblatt  des  Gesammtvereina  der  deutschen 
Geachichts-  und.  Alterthumsvereine.     (Nr.   1    and  2,    1878.) 

Bei  dem  grossen  Interesse,  welches  der  lorscher  Karolingerbaa  bei 
Allen  erweckt,  welche  sich  mit  dem  Beginn  der  deutsclien  Baukunst  be- 
fassen, begrüssen  wir  die  vorliegende  Schrift  unseres  geehrten  Mitarbeiters 
nm  so  mehr  als  eine  sehr  verdienstliche,  als  durch  dieselbe  die  Streitfrage 
über  den  ehemaligen  Zweck  dieser  baulichen  Anlage  der  Entscheidung  naher 
gebracht  wird. 

In  der  Einleitung  des  Aufsatzes  nennt  der  Schreiber  die  namhaftesten 
Aatoren  der  Neuzeit ,  welche  über  diesen  Gegenstand  geschrieben  haben, 
nnd  theilt  deren  Ansicht  über  den  Zweck  des  Gehäades  kurz  mit;  wir  be- 
dauern, dasa  bei  dieser  Aufzählung  die  verdienstliche  Arbeit  von  G.  Sehaefer 
in  Pick 's  Monatsschrift  für  rheinisch-westfälische  Geschichtsforschung  und 
Aherthumakunde  (1875,  S.  453)  keine  Berücksichtigung  gefunden'). 

Gestützt  auf  die  in  Gegenwart  des  Verfassers  im  Octuber  1877  vor- 
genommenen Ausgrabungen  und  auf  eine  Plan-Skizze  des  Klosters  Lorsch 
Tom  Jahre  1744  oder  49^),  welche  dem  Aufsätze  in  Abbildung  heiliegt, 
sieht  Schneider  in  dem  Bau  ,,eine  Ehrenpforte,  mit  welcher  der  vor- 
nehmste Zugang  zur  Kirche  geschmückt  war".  Als  verwandtes  Beispiel 
wird  das  prilchtige  Triuiuphthor  aus  dem  VI.  Jahrhundert  angeführt, 
welches  den  Weg  zu  dem  Heiligthume  Syriens ,  zur  Basilika  Sinieou  des 
Styliten  zu  Deir  Sem'an  schmückte. 

Im  Folgenden  wird  besonders  betont,  dass  der  Boden  der  Kapelle 
keioerlei  Mauerwerk  enthalte,  welches  auf  Grabanlageu  gedeutet  werden 
könne,  und  dass  die  Vertäfeluogeu  in  ruthem  nud  weissem  Gestein  nicht 
aus  inländischen]  Marmor  beständen,  sondern  aus  Sandstein,  welcher  in  der 
Nähe  an  der  Bergstrnsse  resp.  im  Odenwald  gebrochen  werde,  dass  jedoch 
die  häufig  zu  Tage  getretenen  Mosaikreste  und  diu  Spuren  von  mnsivischem 
Marmor-Fussboden  darauf  hindeuteten ,  dass  gricchisch-italieuische  Kunst- 
handwerker daselbst  Beschäftigung  gefunden. 

Zum  Schluss  spricht  der  Verfasser  den  auch  von  uns  in  vollem  Masse 
getheilten  Wunsch  aus,  dass  noch  umfassendere  Nachgrabungen  auch  über 
die  noch  dunkeln  Punkte  der  ganzen  Anlage  Licht  verbreiten  möchten. 

V.  Vleuten. 


1|  Schäfer  sieht  in  dem   lorficber  Gebäude  eine  Karolinger  Grabkapelle. 
2)  Auf  der  Tafel    ist  die  Jahreszahl   1749  angegeben,   während   im  Texte 
1744  steht. 


[|l.  MiHoe]  leu. 


1,  BoHUnrliJ^nn.  Am  Nachmittag  von  FVeit&g  dem  25.  Januar  {87d 
fiMiil  oin  ÜRUW  boüii  Fflä|{eii  neines  Atjkera  auf  dem  BogenRuuten  Greimeni- 
hnrg,  intifttu  Hi\gö1  am  «üdöstlicben  Ende  der  Ciemeiudß  Itesaeringen ,  hah-Ii 
dm*  KnuHHtadt  McrKig  xu,  drat  Steinsnrkophage,  etwa  '/«  Meter  unt^r  der 
Erdohortlücho.  Diese,  wie  auch  ihre  Deck«li»  (nicht  Deck  plattes)  sinA 
au«  weiafnm  BnidbM^in  und  in  Folge  von  desseu  Härte  roh  gearbeitfit. 
\h\r  grüaste  vou  uirc«  i  Met^r  Liingt)  ist  obeu  nindlkh,,  die  zwei  audertiu 
ßben  odkig  unil  abw&i-t«  glatt.  Der  kbioste  iat  etwa  I,(iO  Meter  Jang. 
Dttr  eiu«  groait'  Surg  harg  eiiieu  Hlthlicheri  Scbüdel»  der  uoch  Haai-e  zeijiftB 
nnd  auf  »tarke  Katwicklnug  der  Diplo«  aohliesseii  läset.  Dis  HippfQ^ücke 
und;  nitbtiuiet  waron  ttur  gor<^ih«t.  Die  Dachlorm  der  loso  aufgelegten  D^iek^l 
(«t  wnlirachpinHch  sar  Feruhaltuug  des  Wassers  bestimmt  gewesen.  In  den* 
MU)«n  S&rgen  fanden  sich  auch  Thränengl&ser  (nicht  Thontöpfchen), 
Ring«,  ein  bleiernes  Aextchen,  1  Dolch  und  verschiedene  Münzen,  womnter 
l  Goldfltfiok  von  „Imp.  Constantinns  aa." 

M«tUach.  Jost. 

2.  Bonn.  Kirchhof  der  alten  Remigiaskirche  in  Bonn. 
Ah  im  Jahre  1836  der  Römerplats,  aof  dem  die  1801  abgetragene  Reni- 
givskirehe  gestand«!  hatte,  geebnet  wurde,  kam  dne  grosM  Zahl  alter  Grftbff 
«um  Vorachein.  Der  damalige  Professor  dar  Ajiatomie  Geh.  R.  Mayw  lieaa 
«ne  grosse  Zahl  der  darin  gefundenen  Schidel  nach  dem  Anatomie-Gebiiide 
bringen,  wo  sie  lange  Zeit  auf  dem  Speieber  lagen.  Bei  der  Ansräomang  des 
anafcomischea  Mnseams  kamen  sie  Tiel&eh  beechidigt  und  serbrodmi  in  das 
neoe  Anatomie-Gebtude^  wo  sie  bei  Anfertigung  eines  Catalogs  der  Bonner 
Sdiiddaammlanft  von  mir  einer  näheren  Untersachung  ontorsogea  wurden. 
Es  sind  noch  73  dieser  Sckid«!  vorhanden,  die,  nach  dem  Grade  ihrer 
Rrhaltang  *n  arih«il«fi,  aas  dem  16.  nod  17.  Jahrhundert  herBBstammen 
•f^r'oMB.  Aufidlend  ist.  dass  damnter  eüie  grössere  Zahl  selu-  seUecht 
«»twMk«4t«r.  fittt  mikroeepbaler  weibKdter  Sc^üdd  vorkosamf..  die  akk  wie 


durch  ihren  Bau,  so  aueh  meist  durch  GränsfianfleckeD  aaf  d«T  Stime  be- 
merklich  machen,  die  von  den  Stecknadeln  herrühren,  mit  denen  die  Uaaben 
an  den  Leichen  befestigt  waren.  Ein  der  rheinischen  Bevölkerung  fremder, 
sehr  kräftiger  und  roher  Typas  gehört  vielleicht  Soldaten  an,  dio  damals 
Söldlinge  aus  anderen  Gegenden  waren.  Herrn  H.  Hesae  verdanke  ich  über 
die  Bonner  Kirchliöfe  noch  einige  von  ihm  den  stüdtischen  Akten  ent- 
nommene Angaben,  die  hier  eine  Stelle  ünden  mögen,  Der  letzte  Todte, 
den  die  Sterbeliste  der  alten  Reraigiuskirche  anffühtt,  ist  Severinus  f.  leg. 
Johannis  Ilornek,  der  am  5.  Mai  1787  starb.  Der  erste,  welcher  am  6.  Juni 
desselben  Jahres  Auf  dem  jetzigen,  dem  früheren  Soldatenkirchhofc  bestattet 
wurde,  war  Henricus  Bonaventura  f.  leg.  Johannis  Geldmacher.  Zwei 
Kathsprotokolle  besagen  das  Nähere.  Am  24.  April  1787  vird  dem  Ratfa 
ein  kurfürfitliches  höchsth&ndiges  Rescript  in  Betreff  dea  vor  die  Stadt  zu 
verlegenden  allgemeinen  Kirchhofe  mitgetheilt,  demselben  aufgetragen,  für 
eine  hinlängliche  Erweiterung  des  Soldatenkirchhofes  zu  «orgen  und  wegen 
der  allenfalsigen  WegschafTuDg  der  Gebeine  aus  hiesiger  St^dt  mit  Zuziehung 
der  medicinischen  Fakultät  die  sicherste  Massregel  zu  nehmen.  In  der 
Sitzung  vom  25.  April  1787  erklärt  Herr  Hofrath  Kauhlen,  dass  der  da- 
malige Raum  des  Soldatenkirchhofs  für  eine  jährliche,  von  den  Herren 
Pastoren  angegebene  Mittelzahl  von  371  Todten.  unter  welchen  Va  Kinder 
tsu  rechnen  wfirea,  vollkommen  ausreiche,  indem  abtdann  erst  über  das  4. 
Jahr  das  nämliche  Grab  eröffnet  zu  werden  hrauche,  binnen  welcher  Zeit 
die  Körper  vollatfmdig  vermodert  seien  and  ohne  die  mindeste  Schädlich- 
keit ausgegraben  werden  könnten.  Es  wird  beachlossen,  von  der  medi- 
cinischen Fakultät  ein  Gutachten  einzufordern,  binnen  welcher  Zeit  die 
todten  Körper  auf  den  dermaligen  Kirchhöfen  ohne  die  mindeste  Schadens- 
Besorgniss  ausgegraben  werden  könnten.  .\nch  soll  auf  dem  neuen  Kiroh- 
hofe  eine  Beingrube  eingerichtet  werden. 

Es  würde  in  der  That  alles  von  Menschen  bewohnte  und  bewirth- 
Bchaftete  Land  längst  ein  grosses  Todtenfeld  geworden  sein,  wenn  man  seit 
Einführung  der  Beerdigung  der  Leichen  nicht  von  Zeit  zn  Zeit  die  Ge- 
beine gesammelt  und  in  offenen  Beinhäusero  oder  in  Beingruben  vereinigt 
hätte,  am  die  alte  Grabstätte  wieder  benutzen  zu  könuen.  Auch  am  Nieder- 
rhein waren  offene  Beinhäuser  früher  nicht  selten.  In  Oppenheim  bei  Main» 
ist  noch  bei  der  Hauptkirche  ein  solches,  wo  Tausendc  von  Schädeln  und 
Knochen  regelmässig  aufeinander  geschichtet  liegen.  In  Süddeutsohland  und 
der  Sohwei»  waren  sie  bis  in  die  letzte  Zeit  anzutreffen.  Wenn  man  bei 
Aufdeckung  alter  Grabstätten  oft  die  Gebeine  dicht  gehäuft  findet,  so  sollte 
man  an  diesen  Gebrauch  denken  und  nicht  voreilig  eine  EntÜeischung  der 


166 


Misoellen. 


Leichen  vor  der  BestAttung  atiDehmen.  Samnielo  docl  seihet  uordanteri- 
kaaische  IndianergtHuime  alle  8  bis  10  Jahre  die  Gebeine  ihrer  Todten,  um 
aie  in  eine  gemeinsame  Grube  zu  bringen. 

Es  sind  indessen  in  den  Bonner  Klosterkirchen  noch  später  Mönche 
beerdigt  worden,  dies  war  1706  noch  in  der  Franziscanerkirche  der  Fall. 
Die  Kirchgänger  beschwerten  sich  aber  bei  der  damaligen  Bezirksrerwaltung, 
dan  der  Gjei'uch  der  vor  einigen  Tagen  beerdigten  Leiche  unerträglich  aei 
und  den  Aufenthalt  in  der  Kirche  unmöglich  mache.  Das  Grab  wurde  in 
Folge  dessen  besser  verschlossen.  Herr  Hesse  erzählt  noch,  dass  die  Bürger 
«ich  anfangs  sträubten,  ihre  Angehörigen  auf  dem  früheren  Militärkirchhofe 
beerdigen  zu  lassen  und  dass  Graf  Belderbusch,  um  diesen  Widerstand  zu 
beseitigen,  ein  junges  Mädchen  aus  seiner  eigenen  Familie  dort  begraliea 
lieas.  Am  10.  Mai  1800  hatte  der  Blitz  in  den  Remiginsthurm  einge- 
schlagen, SU  dass  er  abbrannte.  Die  Materialien  der  Remigias-  und  der 
Gangolphskirche  wurden  beim  Bau  des  1807  errichteten  neuen  Arreethansea 
verwendet.  Scbaarfhauseo. 

8.  Cobern  a.  d.  Mosel.  Nachdem  in  voriger  Woche  bei  den  Erd- 
arbeiten der  Moselbahn  oberhalb  des  Lengethals,  etwa  bei  Station  89,  ein 
Stoinsarg  in  einer  Höhe  von  ca.  30  m  über  dem  Bahnplauum  zu  Tage 
gefördert  wurde,  sind  am  26.  d.  M.  wiederum  zwei  derselben  unweit  dem 
Dorfe  Cobern  in  der  Ausschachtung  der  Seitenentnabme  auf  Bahnhof  Cobera 
ia%edeekt.  Bei  Ausschachtung  der  Seitenentnabme  stiess  man  znertt, 
gleicli  nachdem  der  Mntterbodea  abgehoben  war,  auf  eine  ca.  4Ü,0  m  lange 
Mauer,  welche  aus  Grauwacke  hergestellt,  und  deren  Ansichtsflächen  noch 
deutlich  eine  »ccarate  Fügung  erkennen  lassen.  Inzwischen  war  man  mit 
den  Arbeiten  weiter  vorgedrungen  uod  deckte  zuerst  einen  colossalen  Sand- 
«iein  auf,  welcher  auf  der  oberen  Seite  dachförmig  abgeschrägt  and  M 
orientirt  war,  dass  der  Kopf  desselben  nach  Norden  und  der  Fass  nach 
Sidea  sah.  An  der  Frontseite  diesea  Sau^deckels  befinden  sich  zwei  Elcka- 
krotaiien  und  in  der  Mitte  zwischen  diesen  ein  SockeL 

Naehdem  man  die  EIrde  soweit  fortgegraben  hatte,  da&a  der  obere 
Theil  des  Sarges  zur  Seite  geschoben  werden  konnte,  fand  man  ein  noek 
«olktftai^  «rhaltenes  Skelett  von  seltener  Grösse.  SämmtUche  Theile  war« 
Mieh  voUstiodig  erhalten  und  vorhanden. 

Uebor  dem  Kopfe  desselben  lag  der  Länge  nach  ein  Krag  und  so 
beiden  Sateo  an  den  Wänden  Trinkgefasse. 

Zo  FAsaen  fimd  man  in  jeder  Ecke  des  Sarges  Glaagefaaae,  in  wdelieB 
aoeh  FlöaigkHt  sich  «oifaiid.  Diese  GlaageOaM,  welche  dann  sind,  warn 
■ik  Holft-Stöpaeln  vwwhao  and  mit  Hart  ytefkitL    Nach  Entfenuiv  te 


MiscelleD. 


167 


Stopfen  erhielt  luaa  eine  Flüseigkeit,  welche  etwas  dunkelgelb  gefärbt  uHd 
nach  deren  Gc-ruch  gefolgert  werdeu  kann ,  dass  dieee  einsteus  Wein  ge- 
wefloo  ist, 

lieber  der  linken  Hand  stand  eine  flache  GlasBchale  mit  der  gravirten 
DarsteÜnng  des  von  Fischen  nnd  zwei  Meeruugebeuern  umgebenen  Neptun. 
Am  Rande  laufen  die  Worte  herum  Propia  o  aiuautibus.  Die  Gravuren 
sind  mit  einem  harten  Steine  ziemlich  ruh  ausgeführt '). 

Als  man  noch  damit  beschäftigt  war,  diesen  Sarg  bloss  zu  legen, 
BtiesB  man  schon  auf  einen  zweiten,  worin  nach  Ahualime  des  Deckels  sich 
ebenfalls  ein  noch  vollständig  erhaltenes  Skelett  vorfand.  Dieser  Sarg  war 
weniger  gross,  auch  fanden  sich  weiter  keine  Sachen  darin  vor.  Leider 
ist  nicht  zu  constatiren,  in  welcher  Zeit  diese  Leichname  beigesetzt  sind, 
indem  keinerlei  Anhaltepunkte  noch  Münzen  zur  Ermittelung  derselben 
führten. 

4.  Coblenz.  Im  Herbst  1877  wurden  beim  Baggern  in  der  Mosel, 
bei  darei]  Mündung  in  den  Rhein,  am  sogenannten  Uundsschwanz,  die  Reste 
eines  gesunkenen  römischen  Schiffes  gefunden.  Es  waren  Holsreste  und  eine 
60  Cm.  lange,  ganz  mit  Gerolle  verkittete  eiserne  Radergabel,  die  bei  den 
rheinischen  Schiffern  immer  noch  den  Namen  ,,Furke"  (furca)  trägt.  Es 
wurden  an  derselben  Stelle  eine  grosse  Menge  römischer  Münzen ,  meist 
Grosserz  gefunden,  die  so  stark  oxydirt  sind,  dass  ihr  Gepräge  meist  unle- 
serlich ist.  Die  Rudergabel  und  81  Stück  dieser  Münzen,  darunter  solche 
von  Col.  NemauBUB,  Trajan,  Antoniuus  Pins,  sind  im  Besitze  des  Herrn 
Dr.  Rud.  Schaaffhausen  in  Coblenz.  Seh. 

5.  Erben  heim.  Gräber  von  Erbenheim.  Beim  Bau  der  Wies- 
b&den-Limburger  Eifienbahn  wurde  bei  Erbenheim  ein  fränkisches  Todten- 
feld  blosgelegt.  Nach  dem  neriohte  des  Herrn  Obtirst  von  Cohausen 
worden  über  40  Gräber  geöffnet,  die  Todten  lagen  mit  dem  Gesicht  nach 
Osten,  es  waren  Männer,  Frauen,  Kinder,  meist  einzeln,  zuweilen  bis  ttu 
fünf  Leichen  über-  und  neben  einander  bestattet.  An  Waffen  fanden  sich 
eiserne  Speer-  und  Pfeilspitzen;  auch  ein  Ango,  die  dem  römischen  Pilum 
nachgeahmte  Waffe,  die  ans  einer  fast  I  M.  langen  Eisenstange  mit  Stahl- 
spitze und  kurzem  Holzschaft  bestand,  Beile  von  der  Form  der  Franziska, 
längere  und  kürzere  Messer,  aber  nur  ein  Skramasax;  ferner  Schiidbuckel 
in  getriebener  Arbeit.  Die  übrigen  Grabfunde  sind  bronzene  Zierscheiben, 
Feuerstein  und  Stahl,  Gewandnadeln,  Ohrringe,  Perlen  aus  Thon,  Glas, 
Bernstein  und  Bergkrystall,  auch  ein  gläserner  feiner  Spinn  wirtel  mit  ein- 


1)  Unser  näobstea  Jahrbuch  bringt  eine  Abbildung  dieser  Schale. 


ffdbwotlCTf  POMiUi  Fiiden.  Eine  im  ßronzeringe  hftqgBadc  Moa^ll  iit 
i  •  r^tberiiM,  die  nur  im  rothen  and  indiaehen  Meere  lebt.     Schwarse 

lü y.^'.a  veraert«  liroen,  ScbjUseln  aod  Beokeltdpfe  zeigen  xom  Tbed 

nocb  Sparen  fliree  Oebrandie  »m  Fenerbeerd.  Von  terra  stgOLats  «orde 
aicbti  gcftiodMi,  aber  Schalen  and  Triokbecber  ans  Glaa,  daUd  grrvodet 
oder  sogopitzt.  Vwn  Mfiazen  fand  Eicb  eine  von  Dooitiaaiu  und  eis 
aiig«laftcb*iacher  Scitar  aoa  detn  6.  Jahrb.  Die  Scbidel  aind  doliehooepbalt 
haben  xurtickliegeDda  Stirne,  starke  Aagenbranenvolste ,  Tonpringvode 
Naae  ond  mJeeig  vortret-eode  Jocbbogen.  Aa  2  Scbiideln  kommt  ein  gans 
anderer  T}paa  vor,  der  mit  der  platten  Nase,  der  breiten  and  niedrigen 
NaMeruifTiiuiig ,  dem  »tarkcn  PrognuthiKmai  eine  niedrige,  mehr  brachyoe- 
phale  Basae  anzeigt.  Die  Gräber  scheineo  dem  4.  bis  7.  Jahrhundert  an- 
zugehören. Seh. 

6.  Gebr.  Ein  fränkischer  Steinban.  Die  Miscelle  11  das 
Ilcft«s  LVIII  dieecr  Jahrbücher  bespricht  das  Nymphenbeiligthum  in  Gohr. 
Bei  diefier  Gelegenheit  habe  ich  S.  209  Manerreste  erwähnt,  welche  ich 
damals  deshalb  nicht  näher  zu  bestimmen  gewagt  habe,  weil  das  zu  dieser 
Zeit  vorhandene  Material  für  eine  wissenschaftliche  Erklärung  nicht  ge- 
nügt«. Ais  mir  jedoch  im  Laufe  des  letzten  Sommers  Herr  Hahn  aus  Gohr 
die  Mittheilung  machte,  dass  sich  an  der  Stelle  der  früher  gefundt-nen 
Manerreste  weitere  gezeigt  hätteu,  habe  ich  mich  sogleich  dorthin  begeben 
and.  vereint  mit  der  freiwilligen  Hülfe  des  Herrn  Hahn,  eine  planmässig 
angelegte  Nachgrabung  und  Untersuchung  vorgenommen ,  welche  ergeben 
hat,  da^e  die  Mauerreste  von  einem  fränkischen  Steinban  und  zwar  mög* 
lieber  Weise  von  einer  Warte  herstammen,  die  im  9.  Jahrhundert,  wahr- 
scheinlich durch  die  Normannen,  zerstört  worde. 

Diesen  interessanten  Fund  wiU  ich  in  Nachfolgendem  besprechen  und 
das  Ergebniss  der  Untersuchung  begründen. 

Wie  ich  schon  damals  angegeben  habe,  liegt  das  (im  Kreiae  Neuss 
gelegene)  Dorf  Gohr  anf  einem  Höhenzuge,  der  als  uralter  Uferrand  d«a 
Kheines  betrachtet  werden  muss.  Dem  Fass  dieses  vuu  Kurilen  nach 
Süden  leit^enden  Ufers  entlaug  läuft  eine  Röroerstrasse  und  östlich  von  dieser 
befindet  sich  die  Niederung  des  Gohr-  und  Straberger-Broiches.  Im  süd- 
lichen Dovfiheile,  das  speciell  ,,ßroicb"  benannt  ist,  nimmt  die  eben  ge- 
nannte Römerstraase  eine  zweite  auf,  welche  durch  die  Torfniederung  nach 
Osten  verfolgt  werden  kann,  wo  sie  mit  einem  Sandhügel,  der  Fundstelle 
des  Nymphenht'ihgthums,  in  Verbindung  gestanden  haben  mag.  Westlich 
dieser  Stelle  und  auch  westlich  der  von  Süden  nach  Norden  leitenden 
Römerstraase,  also  in  dem  Dorftheile  Broiob^  befindet  sich  die  höchste  Stelle 


MiMelleu. 


160 


des  Uferrandes  und  diese,  welche  im  Volksniuode  ,,2ur  Burg"  genniinl  wird, 
ist  die  Fuadätclle  des  Gegeuetandiiu  meiner  Miltbeilung. 

Daselbst  stiess  man  in  einer  Tiefe  von  30  Centini.  aul  die  )J6  Ceiitini. 
breitao  Grandmaueni  zu  einem  vierseitigen  Baue  von  28  Metern  Längn 
und  4,51   Meter  Breite,  der  an  der  gegen  Osten  gelegenen  Lnngniauer  eine 

lAusbiegung  erkennen  liess,  die  von  einum  Uall^kreififörmigen  Voraprunge 
berzurühren  scliien.  Wir  liabcn  uns  deniniichst  einen  kleinen  thurmartigen 
Vorban  vorzustellen,  an  den  sich  ein  kleiner  Raum  anscbliesst.  Da  nun 
dieser    Bua    eine    freie   Aufsicht    gewährte,    dürfte    er    an  eine  Warte  mit 

I  Wttcbterwohnwng  erinnern. 

K  Die  Grundmauern  ruhten  auf  einer  dünneu  Lehmlage,  die  man  auf 
den  dort  an  der  Fundstelle  befind)i<;iieii  Snndboden  aufgetragen  hatte.  Zu 
der  Herstellung  dieuer  Grundmauern  hat  niao  alle  nur  aufzufindenden  Steine, 
gleich  welcher  Gestalt,  gleich  welcher  CirusHe  und  welchen  Stoffes  zusam- 
mengetragen. So  liegen  gewaltige  TuH'steinqu&dor  neben  schweren  Feld- 
steinen, und  flazwischen  zeigen  sich  Biuch^^tücke  Liedberger  Saudsteins  und 
Baaaltbäulen ;  ja,  hin  und  wieder  lindet  man  sogar  Stücke  von  römischen 
GuBsmauem  —  nur  sn  den  Ecken  des  Baues  hat  man  regelmässig  einen 
würfelförmigen  Block  von  rothem  Sandstein  gelegt.  Wie  die  Stücke  römi* 
sehen  Gufismauerwerk» ,  so  hat  man  ancli  augenscheinlich  noch  andere,  ja 
faat  die  meisten  Bausteine  von  den  zerstörten  rumischen  Bauten  hergenommen, 
das  ))ewei8en  nicht  nur  die  kräftigen  Profile,  welche  einige  der  gefundenen 
Toffsteinquader  zieren  und  das  erwähnte  Gussmauerwerk,  sondern  auch  ein 
dort  vermauert  gewesenes,  sehr  sauber  geroeisseltes  Profil,  das  der  umge- 
kehrten attischen  Basis  gleicht,  uitd  eridüich  ein  mit  einem  Reben-Fries  ge- 
Bcbraäckter  StelD.  An  einigen  Steinen  haftet  Mörtel,  aber  so  roh,  daM  ich 
kaum  unterscheidoD  konnte,  ob  er  als  Bindematerial  des  Baues  betrachtet 
werden  darf;  er  ist  jedoch  gröber  als  wie  der  feine  römische  Mörtel  und 
nicht  wie  letzterer  mit  Ziegelstückchen,  sondern  mit  kleinen  Kieaelstoinchen 
angemacht,  ein  Umstand,  der  den  nicht  römischen  Ursprung  desselben 
ausser  allen  Zweifel  setzt  und  der  ihn  doch  als  Bindematerial  des  Baues 
kennzeichnet.  Zugleich  beatiraiot  dieser  nicht  römische  Mörtel  mit  der  un- 
vollkommenen Art  Diid  Weise  des  Aufbaues,  sowie  der  Henatznng  römischen 
^AUmateriaU,  den  nachrömischen  —  d.  i.  fränkischen  Ursprung  —  des  ganzen 
Fundes. 

Neben  dem  Bauwerke  lagen  zwei  menschliche  Skelette,  mit  ihrem 
}e6icht.stheile  nach  Osten  gerichtet ;  auch  zeigte  eich  hier  ein  eiserner  Sporn, 
leasen  5  Cenlimeter  langer  Stachel  vor  der  eigentlichen  Spitze  von  einem 
letallenen,  mehrflächigen    Knopfe  unterbrochen  wird.     Dieser  runde  Knopf 


HiBcaUen. 


hat  eine  Dicke  von  zwei  Gentinieter  and  kennzeichnet,  zugleich  mit  dem 
Längenverh&ltniHBe  dea  Stachels,  den  Sporn  als  karolingischeu.  Ein  aolchdr« 
jedoch  reich  verzierter  Sporn,  befindet  sich  im  Lonvre  und  wird  hier  oIü 
Sporn  Earlfl  des  Orossen  bezeichnet.  Sehr  wahrflcheinlioh  seigt  uns  die 
ohristliche  Weise  der  LcichenbestAttiing  und  der  karolingiache  Sporn  sa, 
dass  der  Baa  in  der  Karolinger  Periode  bewohnt   wurde. 

Der  Raum  zwischen  den  Mauern  war  von  einer  Brandschiebt  gedeckt, 
die  offenbar  von  der  Zerstörung  des  Baues  herstammte.  In  dieser  Brand- 
Bchicht  lag  an  der  westlichen,  den  Eingang  vermuthen  lassenden  Stelle  em 
grosser  Block  aus  Liedberger  Sandstein,  der  verschiedene  Flächen  und  Ein- 
scbliffe  erkennen  lässt ,  welche  nur  durch  ort  wiederholtes  Schleifen  von 
langen  Schneidinstramenten,  wozu  vornehmlich  Schwerter  gerechnet  werden 
m&ssen,  entstanden  sein  können.  Dann  fanden  sich  in  der  Brandschicfat 
verkohlte  Holzreste,  ein  eiserner  Hohlmeissel,  Stücke  eines  eisernen  Thür- 
beschlages ,  angebrannte  Knocbenreste ,  worunter  sich  Stücke  vom  Schädel 
des  Menschen  erkennen  Uessen,  endlich  Bruchstücke  von  Dachziegeln  and 
von  Gef&ssen.  Die  Schädeltheile  tassen  auf  eine  plötzliche  Zerstörung  des 
Gebäudes  schhessen,  und  die  Qefasssclierbeu  j^ebeii  uns  die  Zeit  dieser  plöti- 
Ikfaen  Zerstörung  an.  Die  Oeftiasscherbtiu  sind  zam  Tbeil  steinhart  ge- 
brannt. Einzelne  zeigen  quadratfürmige.  eingepresiite  Verzierungen,  welche 
den  Qef&ss-Ornamenten  der  fr&nkischen  Kheingräber  entsprechen.  Aach 
lind  die  Randbruchstücke  denen  der  oberen  fränkischen  Zeit  gleich;  aber 
die  eigenthQmliche  Farbe  einzelner  Stücke  und  die  so  sehr  grosse  Festig- 
keit derselben  deutet  auf  einen  späteren  Ursprung  hin.  Eine  Vergleichanf? 
dieser  Bruchstücke  mit  den  mir  zu  Gebote  stehenden  früh  mittelalterlichen 
Thongeräthen  l&sst  recht  deutlich  erkennen,  dass  das  neunte  Jahrhundert 
Ufich  Christus  die  Zeit  ihrer  Verfertigung  sein  initss.  In  dem  neunten 
Jahrhundert  tnass  also  auch   das  Bauwerk  zerstört   worden  sein. 

Es  ist  nun  geschichtlich  bekannt,  dass  im  neunten  Jahrhundert  die  Nor- 
mannen mehrere  Male  verwüstend  in  unsere  Gegend  einfielen,  und  dass  diese  Nor« 
manneD  bei  ihrem  verheerenden  Zuge  im  Jahre  881  unter  anderen  Städten  auch 
NeuflB  serstöri  haben;  daher  ist  es  denn  auch  sehr  wahrscheinlich,  das« 
auch  unser  fränkischer  Bao,  —  die  vermuthliche  Warte  nebst  Wiiohterwohnung 
—  im   neunten  Jahrhundert  durch  die  Normannen  zerstört  worden  iat 

Koenea. 

7.  Goudorf  a  d.  Mosel.  Am  Eingange  unsere«  Ortee.  bei  den  erstso 
HiBMrn  an  der  Strasse  Ton  Cobern  aus,  wurden  beim  Auswerfen  eines 
Fnadanentes  ftknliche  Steinaftcgn  wie  in  Gobem  gefanden,  mit  spAtrOancdisB 
•ohwwMn  und  rotben  Thoing«flwwi. 


Misoellen. 


171 


8.  Köln.  Die  Marienkirche  auf  dem  Gapitol  üu  Köln.  Pipin'» 
Gi'mahliu  Plektrudis  Hess  bei  ilirem  Stifte  aiicli  eine  Kirclie  H9(>  —  710 
erbauen.  Nsrli  ihrem  um  720  erfolgten  Tode  (sie  lebte  nocli  im  März  717; 
vgl.  Görs:  M'Rheiu.  Regesten  I.  S.  57)  wurde  die  Matrone  in  der  Mitte 
des  Chores  vor  dem  Altare  begrabeu,  wie  die«  bei  Stiftern  seit  Konstantin 
dem  (troBsen  üblich  war.  .In  späterer  Zeit  nalini  n»an  Veranlasamiir  das 
Grabmal   in  die   Krypta  za   verlegen. 

Von  der  2.  Hälfte  des  12.  Jalirhuudorts  biß  Endo  du«  13.  Jalir- 
huodei'ta  erscheint  die  Kii'che  gewöhnlich  als  8.  Mar.  alta,  a.  M.  in  altis; 
aber  s.  M.  in  Malzbuuhel  oder  s.  M.  super  Malzbucbel  wird  sie  nicht 
vor  1179  in  Schreinsurkunden  und  noch  bis  in  das  16.  Jahrhundert 
hinein  genannt;  erst  seit  1233  kouiint  die  Ut^nennung  s.  M.  in  capitolio 
"urkandlich   vor. 

Zu  Anfang  des  2.  Jiilirtauseuds  erfuhr  die  Kircho  eine  völlige  Umge- 
staltung. Sie  erhielt  darauf  iiire  Cousecratiou  von  Papst  Leo  dem  Neunten, 
während  seines  Aufenthaltes  mit  Kaiser  Heinrich  dem  Dritten  zu  Köln 
am  Feste  Maria  Heimsuchung  104  9.  Von  dieser  Kirche  rührt  das  aus 
sieben  Jüchen  gebildete  Mittelscliiff  mit  starken  recht-eckigen  Pfeilern  her. 
Die  ursprüngliclio  flache  Decke  dieser  romanischen  Basilika  wurde  1250 
durch  das  Gurtgewölbe  ersetzt,  zu  welclit-ni  Zwecke  rann  an  den  Pfeilern 
die  Dienste  mit  Würfelkapitälern  eingelassen  hatte.  Gleichzeitig  ward 
auch  der   1635   zusammengestürzte   Glockentliorni   errichtet. 

Ins  eilfte  Jalirhundert  gehört  die  Thüre  der  Nordabsis.  Die  beiden 
Flügel  dieses  Sculptnrwerkes  von  Holz')  haben  in  20  Gruppen  stark  vor- 
springende Reliefs,  die  Geschichte  des  Heilandes  von  der  Verkündigung 
bis  zu  seiner  Verherrlicliang  darstellend :  roh  in  Zeichnung,  namentlich 
der  Gewänder  und  in  der  Ausführung,  sowie  auch  leider  arg  verstümmelt, 
sind  diese  Holzschnitzwerke,  an  denen  man  vor  etwa  fünfundzwanzig 
Jahren  noch  Spuren  der  ursprünglichen  Uebermalung  fand,  für  die  Kunst- 
geschichte Kölns  und  als  unicam  für  die  des  Rheintandes  von  höchster 
Bedeutung,  da  uns  dieselben  als  einziges,  zusammenhangendes  grösseres 
Werk  der  eigentlichen  Plastik  ein  Bild  geben,  wie  weit  diese  Kunst  im 
eilften  Jahrhundert  in  artistischer  and  technischer  Beziehung  bei  uns 
gediehen  war,  welchen  Standpunkt  dieselbe,  was  Erfindung  und  technische 
Ausführung  angeht,  zu  der  Zeit  bei  uns  erreicht  hatte.  An  eine  idea- 
listisch freie  oder  streng  realistische  Kunstäusserung  darf  da  nicht  gedacht 
werden,  es  ist  alles  in  Durchschnitte  noch  streng  conventional,  tr&gt 
einen  bestimmten  Typus  in  Charakter  und  Anordnung,  zeigt  aber  schon 
eine  sichere  Gewandtheit  in  der  Technik ,  als  nothwendige  Folge  der 
beständigen  Uebnng,  in  welcher  sich  Köln's  plastische  Künstler  gerade 
im   eilften   Jahrhundert  befanden. 


1)  Abgebildet  bei  aus'm  Weerth  Kunstdenkni.  II  Taf.  XL, 


W«ffc  4m  MWÜhtm  JiWfcMJMti  sa  Min.    IKe 
ft  Bracads  ■■  der  KiicW  ■ 


b  JbhrelSO« 


■).    Der  (^okfta-  im  < 


ai   14. 

swä  KafdU&m. 
Derradi 


divca 


Kaafterr  Johaoa  HatdoBmlk,  iemen  Pattisierfiiaifie  £e 

■MRn  Chorwtode  mmehn  Bmb,  «riiMte  1466 «C  fie 

S»lT»iorkftpelle  aa  der  Siiiaeite de«  Joae&ltan  aaid  ftiftete  dAri«  öae 
ligiicbe  vBBkalkc^  Meae :  ,IUb  AiagfiyWa  hau  he  (Johaa  Hanfe»- 
nil)  doia  bwiaia  «ya  paaüidi  waiiDib  woaaaf«  Vj  dar  «van  Capdl 
ibJ  4e  Wreattet  lychdidi  Uo  acht  penoin  tso.  so  vma  awjsiei'  aeagcv^ 
■o  vaa  jaagear  die  jairliehs  jr  Ijffizacht  tad  dejdaagr  ncc  lyffSAril 
iot&ia*  (CSlaer  Chroaik  fofio  1 00  a,  WcTdee  im  Ocgaa  fkt  duirtIkhB 
Kaaet  13,  'S?).  Der  Ureakel  dicM«  J.  Haidearath  war  d«r  1630  g^ 
■torlMac  Börgmaeiatcr  Joh.  Hardf  ratK  weldMr  ia  der  Siadtfcaekiekta 
berthiBi  «t  ab  üaterdrtcker  öaer  B«Tolataaa  ia  KÜn.  Dalker  h^gab 
neh  1»  tnr  Tnaaoatnxnt  der  Stadtratli  bei  jeden  Verwaltai^sve^ial 
faa  Zage  ia  die  Sahratorkapelle  aad  pries  hier  des  Bäiguiuriiter  Bar- 
dwrath  ab  eüi  TorbQd  der  ReehfaehafTeidMit ;  beim  Handaatiig«a  vd 
d«a  Gevälihea  wurde  dann  ge— gt :  ,  Werdet  ein  BBrgcnaeister  wie  Hardev- 
dearath  * .  Die  Kapsle  hat  noch  einig«  achöoe  GlaagPiaiMw  aad  wrhitaeaa 
wertbe  Bilder  aoa  der  Sdnüe  brael  vaa  Mefceaen. 

Die  Tanfkapelle  nördlich  aa  der  Sakristd  TCfdaakt  ihre  Eat- 
rtriiwag  eaem  Mitgliede  der  PatriäerfiMiiHe  Schwan  von  Hineh.  In  eiaaai 
Sehreihea  doe  Bathea  aa  dea  Borggrafen  Nikola  von  Diaehflofieia  vwa 
9.  Aprä  1493  hoiji*  ea:  «Der  haehgelehrta  Herr  Johann  rom  Hirtae, 
Doetor  nad  BttigwiaiMter  aaacrer  Stadt,  hat  eiaa  Kj^eOe  ia  iibmim  Ii^mo 
Fiaaea  Kirchea  aa  HahbOdKl  laawa  baaea,  worin  Dodi  der  Alfar  aad 
andere  Sieiae  feUea;  daaüt  die  Ehre  Gott«*  ni^t  gehindert  wetde,  be- 
g^ren  wir.  en«r  Liefaden  wollen  eriaahfn,  daas  onaera  Bttrgorawiater  die 
fraglieken  erfordertieheo  Steine  la  leiaeai  Baa  renUblgt  werden*  (Co- 
pieBhBeher  38  ia  K.  Stadtarchir.  Ennea:  Gtsaehichie  Köla'k  3.994). 
Diaae  von  Gelen  «cerrinae  grati*  sacelloni*  genannt*  KapcH«  trtgt 
ein  ecbwebendeB  Rippennetz.  In  ilir  when  wir  einen  alten  lierliehea 
Belatahl,  ein  Taofbecken  aas  Bronae,  ein  GemildeL,  deasen  Anaseaaeita  (ß» 
Auaendnug  der  Apoatel,    deaaea  InneraB  Maria'«  Tod  darstellt'). 


1)  In  uiienhtf  gaftlsehter  We 
gramm  beigaoklaM  woriea, 


■Bt  dem  Doppdbildc  das  D&rer-Moaw 


MiaoelUn. 


173 


«T'SChU^Ce      CIUIS 


Die  prachtvolle  dreiachiffige  Kj-ypta  mit  drei  viereckigen  Kapellen 
und  zwei  Nebenkammeni  ist  der  Choranlage  entsprechend  and  zeigt  noch 
Spuren   einer   Gewölbedekorution. 

Die  Eheleute  Bela  und  Arnold  vom  Pallast  erricliteten  und  dotirten 
am  22.  Dezember  1358  mit  Zustimmung  der  AbtiHsin  und  des  Kapitels 
einen  Altar  nebst  Vikarie  (£  n  n e  u  :  Quellen  4,  450).  Zu  Knde  des  14. 
oder  Anlang  des  1 5.  Jahrhunderts  dotirte  der  Bürger  Heinrich  Winter- 
sclmzce  einen  Altar  mit  einer  zu  Ichendorl"  (Biiuerschaft  in  der  Pfarrei 
(^uudrath  bei  Bergheira,  kommt  schon  1051  vor  bei  Lacombleti  Urkun- 
denbuch  I.  S.  114)  falligen  Jahresrente  von  fünf  Mark  (für  den  ihn 
bedienenden  Priester)  ;  zur  grosseren  Siclierheit  verschrieb  er  il«?n]  Stift  zwei 
biuter  der  Wohnung  der  Äbtissin,  also  unter  Ffanneusrhliiger  gelegene 
Iliiuser;  die  betreffende  Lapidarurkunde  ist  an  der  listlicben  Wand  vor 
der   Orgelbühne   eingemauert   und   lautet: 

+  neTiT  suT  ■  aveü  -  iiennic  •  oeiis    wi 

CeLOn     hGC  -  ÄLTMR« 

~  wnis  K- 

DlieB'     P'Tie  ■  8ITIS  -  I  -  yeSDÖRP     P  •  OVflTIl-  ItlU' 

ecce  -  S2tC'iioi^i:iP(n  ■  nLTZsne    eRFiciRTi    miiMsvuR  ■ 
BIS  -  ■?  •  KD  •  mnieRe  •  cnvcie'Ä)  oci    nuev  oufiies 
suKS  .  DÖss  •  oenKT  -  -i  -  Le/cTrLHT  ■  eiVÄS»    rat" 
cuRin  •  öhe    nbee    no  •  FmiBän    euLienRÖ«  •  ^ic''  • 
7    LßTs  ■  SR    h'  -  Tröctis    PLeni'  ■  conTineTjnt    4« 

Die  Emporeinfassung  und  das  Dreikönigenpförtchen  wurden  1464 
errichtet.  Aus  dem  Jahre  1523  stammt  die  im  Auftrage  des  kaiser- 
lichen Rathes  Georg  Haquenay  in  Mecheln  angefertigte  Orgelbühne  aus 
Marmor,  welciie  früher  als  Lettner  (Doxal  oder  odeum  wie  Gelen :  de 
Imiranda  magnit  p.  329  sagt)  und  Grabdenkmal  den  Chor  vom  Kirchen* 
"schiffe  trennte.  Sic  hatte  ehemals  einen  Altar  mit  vortrefflichem  Bilde. 
Das  Ganze  schliesat  sich  schon  der  sogenannten  Renaissance  an.  Die 
reicbgegliederte  Arcliitektar,  die  eigenthümlich  gestalteten  Baldachine 
und  vielen  Reliefs  und  Statuetten  müssen  diesem  originellen  Werke  an 
seiner  ursprünglichen  Stelle  einen   zauberischen    Reiz   gegeben  haben. 

Im  siebenzehnten  Jahrhundert  war  das  Kirchengebäude  sehr  schad- 
haft und  als  der  Thurm  1635  vor  Alter  zusammenfiel,  büsste  ein  Bauer 
sein  Leben  ein.  Seitdem  benutzt  man  bis  zum  heutigen  Tage  das 
Gelftate  im  Thurme  der  1803  abgebrochenen  Kleinmartinskirche.  Man 
verbesserte  nun  1637  die  Marienkirche,  legte  einen  Eisenreifriug  um 
den  Chor,  setzte  neue  Pfeiler,  Stützen  und  Streben.  Die  Formen,  z.  B. 
OQ  einigen  Fenstern,  erinnern  noch  an  die  deutsche  Baukunst,  ein  Beweis, 
daas,    wie   wir  auch   bei   der  Jesuitenkirche  sehen,  die  Gothik  nicht  plütz- 


T 1A  MUoalleO. 

Moh,  aoodern  allniähllg  io  dem  Rbgeschloss^Deti  K<*ln  aasstarb.  Zwar 
Itttitr»  «iüh  di«!^  nriio  ttnlienücbc  rümclHtle  Batnvc?ise  schon  in  dem  yurker- 
Kt^grutffuiiL^i  Julir)iuud(ji'l  uiugeacliiiclion,  wio  dk-  V'ordfsi'seite  des  ß&th- 
ltiiu«r)a  mit  <l(>r  InHchrift ;  ^  Imp,  Ctiusnri  MiixiinilirinD  ßfce. "  aabHt  der  Jahrs«* 
ttnhl  1^7  2  dt*ut!lioh  zei^t.  Albin  div  Zühif^kek  dt?B  reicIiBatädtiBcbea  und 
nflnftil^nn  Wurtflim  Waw  donnonh  die  iilti'n  lieber  lief erunge«  nicbt  gans 
KU  Ortindn  ((olunu  wie  wir  j*  in  ["lugiaiid  ancli  dieselbe  ErscheiBEtig 
Itt»  Wr*'»  ni'JH-*».  Naclif  dpm  k^lhiisplKin  Kiileoder  voji  1782  ward«  ttra 
JM»t'  ÄfMt  wiedfrmn  «ine  Ueiitnurntion  votgenomiuen  ;  dann  es  lieißat 
d«riti :  „  Dki  jHxigp  Kinrichtung  und  l'-rnenprung  mit  inwendiger  Zierde . . ,  ■ 
\%i  vränlii;  «u  «wbeu."  Vorjstljfibb  abur  wurden,  wie  ein  anderer  Kslender 
»Agt,  die  Kispnbändf»  in  d«i)  8it'«b4^nKi);7er  Jahren  wieder  Tollstäcdig  erneuert 
(cf.    Krc>Ui«Dr   im   Kölnor   Poniblutt    1^44  Ko.   123). 

Del'  IlttUi  der  Stadt  am)!,  jilhrlich  «iamal  in  Prozession  iiacb  Avt 
Mju-ivukirvbo,  wo  i^r  mu  kurzr;«  («cbut  \ot  dem  Kreuzaltar  vercicbtctv 
und  *og  von  dort  ia  die  tlatluHkap^Ue,  um  daselbst  der  Predigt,  df<ni 
fvitfrlictinn  ItnctiAtiitn  und  sülvr  rc^gioa  b<!txuwobii«n(t!fiti«  ia  :  Gesch.  Köln'» 
n,  7!«1  lUthtiprutukoUti  :i,  162).  iu  diwer  Stütskircbe  ftiieriet)  Stadtgrif 
lind  Schaffen  otc.  gliusMnd  d«n  Vorabenii  des  beiligec  Osterfestes ;  dJ« 
Kat*rU«hkt)it  wltd  teil  180S  tod.  den  PfArrgfruossen  Ton  Kbin  St.  Idiutin, 
dif  r«n  I*^riirrklttXi«  dl»  SliftskircKo  in.  jruem  Jtbr«  geworden,  beibeb*iten. 
Die  treffliclw  (>T>r«l  Öttw  der  vestlicli^o  Vqrbftlle,  «n  Konstwerk  Kßnig 
i]m  AeltercD  «u»  K«VId,  iMt  du  tHete  Spiel  in  der  ^nzen  St*dt.  Dfts 
*i!iK>n'  Orjjflwi'rJc  «tif  dem  Aniisohiircben  iiber  der  H^nienrathskapflle 
sttunrat  wmbrscheinUch  «os  der  Mitte  des    15.   Janriiiuiderts. 

Bei  dem  Abbruche  der  Augostiner-Kircbe  war  ein  marianischee 
tiiukdenbild  aas  derselben  auf  den  Speicher  der  Marienkirche  gelangt. 
Dort  fanden  «s  sp&ter  der  ehemalige  Offermann  von  Klein  St.  Martin 
und  der  Küster  ron  St,  Marien.  Sie  staubten  das  Bild  ab  and 
«teilten  «6  auf  einen  Stnhl  nebst  einer  Opferbäehse.  Die  Opfer  äossea 
9o  reicUich.  daas  man  nickt  lange  nachher  den  Altar  der  ,  Matter  Tom 
gttUtt  Ratke*'  und  die  glekknamige  Bruderschaft  nebst  besonderer  Andadit 
enickten  konnte. 

IW  aoytinanwte  Kapitelsaal  an  der  südlichen  Vcwballe  vnrde  1868 
kks    ISti^  erkaat.  J.  B.   D.  Josi. 

9.  Aa$«mbangeo  aof  der  Linborg  in  der  Pfalt.  D«-  sdiön- 
;e«l«4rHie  Sit«  de«  frikeren  Abtes  Tom  heilig>en  Kmu  trog  nickt  nnr 
eiMt  a«f  wuMw  RiKk<e«  die  Bwrfr  der  saUscken  Gräfe«,  ve^cke  kier  in 
W«r«nj>-  mw)  SpeT«r|FHi  ErKp^iter  besassien  ;Terc"..  Giesebrecht,  Kaiser- 
$**fkx-kt*  II-,  R  S  S-  3!?(5\  ««xtden  a.-kt>n  wieät  rcr  des««  Gröndnag 
^•■•Jlikr  1030*  kalt««  ^  R^mmt  kier  am  Iseaackpftsse  Bdestäg-OBgea 
vie   iema  der  Xame  Läa|p«rc  s«k««a  «laraof  ki»c«de«tm  jckent. 


Miflcellen. 


in 


(Burg  nm  limes.  wie  auch  dus  Limburg  an  der  Lahn ;  oder  =  Lintburg  ?) 
Allein  in  jüngster  Zeit  vom  Alterthumsvereine  zu  Dürkheim  mit  nam- 
hafter Untcrstützong  der  Deutschen  antbrupologischen  (Tesellschaft  unter- 
nommene Ausgrabungen  geben  diesem  IMatze  noch  eine  weitere,  in  anthro- 
pologischer   und   prähistorischer    Hinsicht    wichtige    Bedeutung. 

Im  vorigen  Jahre  machten  Ackersleute  die  Vorstände  des  Alter- 
thoma vereine  auf  mehrere  am  Kordwestabhange  des  Limburger  Berges 
beßndliclie,  sclüef  in  den  Gerollboden  gesetzte  Schaclite  aiifuierksaai. 
Ein  in  den  aus  aufgesetzten,  wallartig  geordneten  Bruchsteinen  beistehenden 
Boden  getriebener  senkrechter  Schacht  ergab  nach  mehreren  Metern 
Abtrieb  Funde  von  prähistorischen  keramischen  Resten,  Reibsteinen  ans 
verschlacktem  niedermendiger  Basalt,  Thonmörteln  and  eine  Masse  von 
Thier-  und  Menschenknochen,  ja,  ganze  Skelette.  Die  Scherben  ähneln 
auffallend  den  oberen  Scherbenlagen  an  der  Ringmauer,  die  grade  gegen- 
über liep;t.  (Vergl.  „Studien  zur  ältesten  Geschichte  der  Rheinlande". 
2.  Abth.  Tafel  1.  Situattonsknrte  der  Ringmauer  und  Umgebung.)  Beim 
Weitergraben  stiess  mau  auf  regelmitssige  Lager  von  Aschen,  Knochen 
und  Gefftsstrümmern.  Bei  einer  Tiefe  von  8,50  m  schlug  der  bisher  in 
einem  Winkel  von  50  Graden  geneigte  prähistorische  Schacht  in  einen 
horizontalen  nach  Süden  gerichteten  Stollen  um.  Im  Innern  dieses  mit 
Natnrplatteu  bekleideten  etwa  40  cm  im  Geviert  haltenden  Ganges  traf 
man  gleichfalls  Umenreste  an.  Weitere  Ausbeutung  dieser  Stelle  ver- 
hinderte ein  Zusammensturz  des  Stollens,  so  wie  die  Gefahr  der  Arbeit 
in  8  —  9  m  Tiefe  neben  rohgeschichtetem,  einbrechendem  Gestein.  Die 
Aasgmbungsoommission  beschloss  desshalb,  im  heurigen  Sommer  auf  dem 
wenige  Meter  nach  Südosten  betiudtichen  Plateau  der  Limburg  einen 
«weiten  künstlichen  Schacht  von  2  m  im  Geviert  einzutreiben,  um  so  den 
prähistorischen  Stollen  auf  verticalem  Wege  zu  erreichen.  Unterdessen 
hatte  aiob  Prof.  Virchow  persünlich  von  dem  hohen  Interesse  dieser 
Untersuchnngen  überzeugt  und  uuf  seinen  Antrag  setzte  die  Deutsche 
Gesellschaft  für  Anthropologie  vorläufig  150  i-^.  fCLr  die  Fortsetzung 
des  Unternehmens  aus.  Ende  Juni  nun  begann  man  den  Schacht  in  das 
Geröll  einzutreiben  und  bergmännisch  auszuschalen  ;  bis  jetzt  hat  er  eine 
Tiefe    von    4  m   erreicht. 

Die  ersten  zwei  Meter  brachten  Reste  aus  dem  Mittelalter,  Glas, 
Bodenplatten,  Münzen.  Bald  zeigte  sich  jedoch  -wieder  die  prähistorische 
Schicht  graphitgeschwftrzter  Gefässtrümmer,  dann  Wirbel  aufgeschlagener 
Thierknochen  von  Wildschwein,  Hirsch  u.  s.  w.  Des  Weiteren  stieas  man 
auf  Asche  und  eine  Mörtellage,  die  aus  einer  Verbindung  von  kleinen 
Kieseln  mit  Tertiärkalk  besteht.  Der  interessanteste  Fund  war  in  einer 
Tiefe  von  2,50  m  neben  einem  zerbrochenen  Reibstein  aus  vei-schlacktem 
Basalt  ein  Getreideqnetscher  in  Kegelgestslt  von   1 4  cm  Darchme«ser  und 


im 


Miicellei). 


8  cm  Höhe.  D»8  Oestein  ist  ein  weisBer  Sandstein.  (Die  Methode,  «iam 
hftitCD  und  einen  weiclien  Stein  znin  Mahlen  zn  verwenden,  ksnnt«  Mufe 
dieVoneit;  hier  der  weicKe  Sandstein  und  der  harte  Basalt.)  Noch  me 
ward  his  jetst  neben  den  sahireichen  Fanden  von  Reibsteinen  oder 
^Napoleonshäten",  darch  welehe  sich  die  iregend  nm  Därkheim  beMUuien 
aoBzeJchnet.  der  dazn  gehörige,  das  Getreide  zermalmende  Qoetwlicr  Mfi- 
deckt.  Der  Fond  beweist,  dass  hier  die  prfthistorische  Bevölkerung  de* 
laenaehthales  wirklich  gewohnt  hat.  —  Bei  einer  Tiele  Ton  3  m  stÜMi 
man  unter  einer  mit  dem  rohen  Mörtel  verbundenen  oder  vielmehr  mit 
Uno  bedeckten  Steinschicht  atrf  die  eiste  Brandst&tte.  In  einer  Höbe 
Yon  20 — 30 cm  lagen  liier  eng  verbunden  Brraphitgcschwärate,  ohm« 
Dreliatsbeibe  gefertigte  Urnen  (die  leider  beim  Herausneliroen  zerbrachen), 
andere  Scherbenreste  entbehren  des  Oraphitnberzn^  und  stimmen  genan 
mit  den  keramischen  Resten  von  der  Ringmauer  überein,  daneben  zahl- 
reiche halbverbrannte  menschliche  Knochen  von  den  Schenkeln,  den  Armen, 
dem  Rückgrat  so  wie  dem  Schädel  and  dem  Kiefer,  ausserdem  beaonden 
Zähne  von  starken  Hirschen  und  dem  Eber.    (Köln.  Ztg.  6.  Juli  78.  I.BI.) 

10.  Metternicfa.  Römische  Villa  zuMetternich  bei  Weilers* 
wisL  Vor  etwa  29  Jahren  Hess  der  verstorbene  Baron  von  Müller  in 
Mettemich  in  der  Nähe  des  Hovener  Hofs  Kunstwiesen  anl<>gen  auf  einem 
Terrain,  welches  früher  ein  Bruch  war.  Die  Arbeiter  staesaea  Rof  Mftuer- 
reaie,  auch  auf  einen  noch  erhaltenen  uotorirdischen  Gang,  der  wieder  tB- 
geworfen  wurde,  und  fanden  eine  Menge  römischer  Münzen,  einige  knöcherne 
Schreibgriffel,  Thongefiisse  u.  dergl.  Nach  bem  Berichte  des  Herrn  Schmiti 
ans  Roesberg  bei  Sechtem  wurden  im  Dezember  1677  wieder  Funde  daselbai 
gemacht,  es  sind  Reste  eines  Hypokaustum.  Stncke  von  rothem  Waodver* 
putz,  Marmorplatten,  eine  Münze  des  Constantins  Chloms.  Seh. 

11.  Berichtigungen   zu    den  Mi  Itenberger  Inschriften. 

Im  Jahrbuch  LX  kommt  Herr  Uofrsth  Uilichs  S,  70  seines  böchit 
interessanten  Artikels  über  neue  Indchriften  aus  Miltenberg  auch  auf  die 
von  mir  schon  früher  in  den  Jahrbüchern  veröffentlichten  Steine  voti  daher 
sn  sprechen. 

Dabei  ist  nun  ein  kleiner  Iirthum  mitunterlaiifen,  indes  die  erste  An- 
merkung sich  nicht  auf  die  Inschrift  Brambaoh  Nr.  1739  bezieht,  sondern 
auf  die  in  der  dritten  Zeile  von  S.  70  erwähnte  InachriH  Nr.  1740.  Hkf 
gehört  also  das  Zeichen :   1 )  für  die  .Anmerkung  her,  nicht  aber  so  Zeile  5. 

Ausserdem  ist  in  Bezug  auf  die  Sache  selbst  noch  zu  bemerken,  dnw 
Brambach  1740  von  mir  adion  in  diesen  Jahrbüchern  LH.  66  verfceeaeit 
worden  ist. 

Urltehs  hat  dies  übersehen«  und  Tihrt  die  fraglichen  Zeilen  der  In- 


TscelleTi 


Bchrift    deshalb    nach    der    früheren  Lesart  an,    die  InJiglich  auf  einen  am 
Stein  mittelst  Cenient  vorgenommenen  Restamationeversuch  biisirt  war. 

Nach  Entfernung  des  Bewurfes  trat  aber  der  Stein  in  seiner  Ursprung- 
I  liehen  Gestalt  wieder  hervor.  Die  nochmalige  gründlichste ,  erst  diesen 
Herbst  (1877)  von  mir  am  Stein  vorgenommene  Reinigung  unter  Zuhilfe- 
nahme verschiedener  Beleuchtungsnrten  desselben  hestiUigte  mir  aber  im 
Wesentlichen  meine  frühere  Lesung.  Immerhitj  stellt  sie  sich  noch  etwas 
genaoer,  jetzt  so  dar: 

IN      H      d.  d. 

MERCVRI^im-r- 
(MANS)V_Etr4Vs  SB^verus?) 
7COH-  I  SEQETR(aur.) 
r.)    SICILMERCVR-  (fec.) 
APRONIAN  ETBRACd.  cos.) 

Leider  sind  die  Buchstaben  vielfach  zerstört,  und  HOgar  durch  in  den 
Stein  selbst  eingegrabene  Interpolationsver.'suche  entstellt.  Wer  der  Urheber 
dieser  seltsameu  Experimente  ist,  konnte  ich  nicht  in  Erfahrung  bringen, 
da  es  schon  vor  langen  Jahren  geschah.  Irrt.hüml icher  Weise  glaubte  ich, 
der  HeiT  Revierförster  Madter  habe  dieselben  aasgeführt,  allein  das  ist 
Beioen  Aussagen  nach  nicht  der  FiiO.  Derselbe  macht  darauf  aufmerksam, 
dasa  auch  die  von  mir  beschriebene  MerkursbUste  erst  niichtr&glieh  mit 
Cement  auf  diesem  Inschriftsteine,  weil  er  die  Form  eines  Postaments  hat, 
befestigt  worden  sei.  Auch  sei  dieselbe,  als  er  sie  sammt  den  Inschriften 
an  gleicher  Stelle  aaf  dem  Greinberge  bei  Miltenberg  gefunden  habe,  viel 
grösser  gewesen.  Also  war  es  wohl  ursprünglich  eine  Statne  in  ganzer 
Gestalt,  die  auf  unerklärliche  Weise  jetzt  zu  einem  Brustbild  verkür/t  ist. 
—  Der  jetzige  Sockel  dieses  Bildwerkes  war  aber  nur  eine  einfache  Votiv- 
tafe],  37  cm,  hoch,  50  cm.  breit  und  26  cm.  dick. 

Gehen    wir    nun    an    die  Inschrift  selbst,  die  mit  einem  Bewurf  von 

Cement  fast    üiierdeckt  war.     Einzelne    halb    zerstörte  Buchstahen    waren, 

wie  gesagt,  durch  Kalk  wieder  restaurirt,  so  dass  man  sich  hierdurch  den 

grössten  Täuschuagen    ausgesetzt    sah.     So    gab    ich  an,    das  M  zeige  auf 

dieser    Inschrift    am  Anfang    von  Zeile  2  u.  3  eine   unregehnftssige    Form, 

indem  es  seinen  Mittelwinkel  nicht    bis  aut  die  Zeile  hfruntt'rreichen  Hesse 

(wie  ein  solches  z.  B.   auf  einem  der  Heidelherger  Meilensteine  vorkommt, 

vergl.    diese  Jahrbücher  LXI,    21),    allein  der  unbi^kannte  Cementkünstler 

hatte    mich    getäuscht.     Die    alten  M    waren    durch   ihn    einfach  auf  diese 

Weise    moderuisirt    worden.     Nach    Entfernung    der  Tünche    traten   sie  in 

ihrem  alten  Typus  zu  Tage. 

12 


r 


178 


Miscellen. 


Uebrigens  Bind  die  vier  ersten  Bncbstaben  der  dritten  Zeile  dermrt 
zerstört,  dass  ich  sie  hier,  obwohl  aie  noch  kenntlich  erscheinen,  einge» 
klammert  gegeben  habe.  Der  Name  Mansaetioitu  ist  aber  trotsdetn  os* 
zweifelhaft. 

Was  Bnn  die  vorhergehende,  d.  h.  die  zweite  Zeile  betri£Pt,  ao  ist 
nach  MERGVR  der  Stein  gröastentheils  zerstört.  In  den  Brtich  fallt 
ein  unmittelbar  darauf  folgendes  T,  an  dessen  Stelle  ich  früher  in  diesen 
Jahrbüchern  einen  Pankt  angenommen  bade,  während  ich  in  der  archäolo- 
gischen Zeitung  von  1869,  S.  77,  Nr.  12  den  Text  so  wiedergab:  MERCVRIO; 
aber  keines  von  beiden  ist  ganz  richtig,  wenigstens  ist  von  einem  0  absolut 
nichts  mehr  zn  bemerken.  Anch  scheint  überhaupt  kein  solches  Platx  xa 
haben,  selbst  wenn  es  kleiner  wäre  als  die  übrigen  Bochstaben. 

Ebenso  wenig  ist  aber  im  Originaltexte  ein  E  vorhanden,  welcher 
Bacbstabe  allerdings  muthwilliger  Weise  in  den  über  der  firaglichen  Stelle 
gestrichenen  Cement  eingedrückt  war,  von  mir  aber  schon  vor  Jahren  bei 
früheren  Besuchen  zu  Miltenberg  entfernt  wurde.  Dagegen  ?ieht  man  nach 
dem  I,  wie  ich  sicher  glaube,  die  üntertheile  von  C  I M  folgen.  Der  Schlnss 
der  Zeile,  worin  noch  drei  oder  vier  Bachstaben  oder  anch  Ligataren  der- 
selben folgten,  ist  ganz  abgeschlagen. 

Nach  meinem  Vorschlage  wäre  also  die  zweite  Zeile  so  zn  lesen,  wie 
ich  schon  früher  angab;  MERCVRIfo)  CIM(briano).  Untersuchen  wir  nan 
die  Möglichkeit,  ob  der  Beiname  Merkurs  hier  nicht  etwa  Arvemorix  ge- 
lautet haben  kann,   wie  auf  einer  andern    Miltenberger   Inschrift. 

Die  Üntersuchong  dieser  Frage  beschäftigte  mich  bei  meiner  letzten 
Anwesenheit  zu  Miltenberg,  das  Resultat  war  aber  durchweg  verneinend. 
Nach  dem  sichern  MERGVR  könnte  zwar  allerdings  statt  zonäohst  I  mit 
folgendem  untern  Strich  eines  C,  wenn  man  diese  beide  als  Ganzes  be- 
trachtet, ein  R  gefolgt  sein,  aber  von  einer  Ligatur  desselben  mit  einem 
A  {^)  kann  keine  Rede  sein,  da  dazu  der  Platz  fehlen  würde.  Aoch 
würden  die  folgenden  Bnchstabenreste  nicht  passen,  indem  sich  die  ZeSe 
auf  diese  Weise  so  ausnehmen  würde :  MERGVR  RIM . . .  also  irgend 
einen  andern  unbekannten  Beinamen  des  Mercur  enthalten  würdeu  Gibt 
man  aber  das  fragliche  zweite  R  ganz  auf  und  liest  statt  desselben 
MERCV^RIO,  als  rühre  jener  untere  C-Bogen  von  einem  0  her,  dann  bleibt 
ein  mit  IM...  anfangender  Beiname  Merkurs  übrig. 

Die  grösste  Wahrscheinlichkeit  hat  aber  doch  immer  meine  frühere 
Annahme,  dass  derselbe  zu  Gimbrianns  zu  ergänzen  wäre. 

Ein  suebischer  .\nfuhrer  zur  Zeit  des  Ariovist  führte  den  Namen 
Cimberius,  den  ich  mit  jenem  keltischen  Beinamen  Merkurs  verglichen  habe. 


MisccUen. 


lieh  ist  der  Name  des  Germanen  Cimberitis  kaum  keltisch.  Derselbe 
wird  in  CäJtar's  Commoiitareu  erwähnt,  worin  berichtet  wird,  dass  im 
Sommer  den  Jahres  58  vor  Chr.  Trevirer  an  C&sar  Gesandte  schickten  mit 
der  Mittheiliing,  die  Sueben  wären  in  das  Gebiet  der  Ubier  am  untern  Rhein 
eingefallen  and  versuchten  nun  den  Rheinühergang.  An  ihrer  Spitze  ständen' 
zwei  Brüder  Nasua  und  Cirohorius.  Nach  dem  Falle  AriovistB  und  seiner 
Sueben  am  Oberrhein  zog  sich  such  dieser  Theil  der  Sueben  vom  Rheine  aas 
dem  Ubierlande  zurück,  wenn  sie  auch  nicht  mit  Ariovist  in  unmittelbarer 
Verbindung  gestanden  hatten. 

Da  nun  unsere  Inschrift  von  dar  Mannschaft  von  Volksstämmen  aus- 
geht, welche  an  den  Quellen  der  Seine,  in  der  Gegend  des  französischen 
Jura  und  im  Oberelsas«  wohnton,  von  der  Iheilweise  berittenen  1.  Cohorte 
der  (g:\lliacheu)  Sequaner  und  Rauraker  (die  auch  bei  Stcitibach  im  Oden- 
wald« stand,  S.  WÜDianns  No,  1531),  so  wird  der  Beiname  Merkurs  von 
irgend  einer  Lokalitüt  im  Gebiete  jener  Völkerschalteti  stammen.  Vielleicht 
kann  man  das  alte  Cnnibeü,  jetzt  Grosskembe  im  Oberelsass  bei  Hüningen 
hierher  ziehen,  wie  ich  in  diesen  Jahrbüchern  LH,  84  versucht  habe.  Da- 
selbst wurde  auch  die  Bedeutung  des  keltischen  Wortes  camb  (carvus) 
erörtert,  woher  mehrere  Ortsnamen  gebildet  sind.  Vergl.  Bacmeiater  kelt. 
Briefe  104.  Daher  auch  die  verschiedeneo  Carobodunum,  jetzt  Kempten  im 
AUgäu  und  ein  anderes  bei  Bingen,  wolch  letzteres  im  Mittelalter  Chamnnd 
hieas  (S.  Förstemann,  Namenbnch  II*  398),  was  Ritter  in  diesen  Jahr- 
büchern XVI,  15  veranla«<ate,  hier  ein  caput  montia  zu  fittdcn,  welches  aber 
den  Regeln  der  Lautverschiebung  gänitlich  widersprächt':  niimlicii  daraus 
müsse  Cbammünz  geworden  s«in.  Vergl.  bea.  auch  Ghambery  in  Savoy«!), 
das  auf  ein  keltisches  Canibori^icum  zurückgeht. 

Wie  dem  auch  sei,  der  Beiname  Cimbrianus  des  Merkurs  der  MiJten- 
' berger  Inschriften  ist  eine  Erweiterung  des  Beioameus   Cimbrius  auf  einem 
von  mir  beschriebenen  Heidelberger  Steine. 

Was  nun  die  erwähnte  Hilfstruppe  betnfTt ,  so  stammt  von  derselben 
auch  eine  weitere  Inschrift  aus  Miltenberg,  die  zwar  zunächst  am  Krank* 
furter  Dome  als  Mauerstein  gefunden  wurde,  aber,  wie  Conrady  in  den 
Nassauischen  AnnaJen,  Band  XIV  nachzuweisen  sucht,  dahin  erst  aus  jenem 
Orte  verbracht  wurde.  J.  Becker  hat  diese  Inschrift  in  den  Bonner  Jahr- 
büchern LUI — LIV,  154  besprochen.  Hierbei  ist  aber  Einiges  zweifelhaft: 
Die  Coborte,  die  unter  dem  Interimsbefehle  eines  centurio  der  22.  Legion 
•taod,  soll  nach  Dunker  eher  dem  deus  iuvictus  gewidmet  sein. 

Auch  zeigt  das  7.  Consulat  des  Commüdus,  in  Verbitulunfj;  ntit  dem 
2.  des  Pertiuax  das  Jahr  192  an,  weniger  aber   193« 


180 


Miaoellen. 


IHe  Consaln  des  letzteren  Jalires  waren  nfimlich  Falco  und  Claras 
(vergl.  Wilmanns  II  p.  548),  während  Comtnodna  nicht  alloin  193,  sod- 
dem  auch  schon  im  Jahr  vorher  zum  siebten  Mal  Consul  war.  Ebenso  war 
Pertinax  192/193  zum  zweiten  Male  Consul  (vergl.  ib.  p.  515  f.).  Maass- 
gebend  für  unaern  Fall  dürfte  aber  eine  Inschrift  aus  Rom  sein,  die  Wil- 
manns  No.  62  auf  das  Jahr  192  bezieht.  Sie  enthält  die  Consolnamen 
dieses  Jahres  vollständig  ausgeschrieben.  Es  waren  eben  damals  nicht  allein 
Comntodus  zum  siebten  und  Pertinax  zum  zweiten  Male  Consuln,  sondern 
das  Jahr  192  wurde  auch  nach  ihnen  bezeichnet.  Becker  hat  denn  auch 
in  seinem  ausgezeichneten  neuen  Mainzer  Cntaloge  No.  23  (=  Brambach 
993)  anliiaslich  einer  Mainzer  Inschrift  ans  demselben  Jahre  seine  frühere 
Ansicht  berichtigt.  Hinsichtlich  des  von  ihm  beschriebenen  Miltenberg- 
Frankfnrter  St<^ines  aber  nimmt  derselbe  nun  in  den  Nassauischen  Annalen 
XIII  S.  22S  f.  das  Jahr  186  für  denselben  an,  wo  Commodus  zum  fünften 
Male  und  mit  demselben  Glabrio  zum  ersten  Male  Consuln  waren  (vergl. 
WilmannsNo.  1488  aus  Afrika  und  Brambach  1617  ans  Würtember- 
gisch  Franken.  Letztere  Inschrift  verbessert  durch  Hau  g  in  diesen  Jahr- 
büchern  LV,  160).  Kommen  wir  nun  noch  auf  das  Jahr  191  zu  sprechen. 
weichem  nnser  in  Rede  stehender  Miltenberger  Stein  (Brambach  1740) 
angehört,  so  kehrt  dasselbe  mit  den  ihm  eigenen  Consuln  Apronianns  und 
Bradua  verschiedene  Male  auf  Inschriften  wieder,  so  zu  Aschaffenburg 
(Wilroanns  1460)  und  zu   Karlsbnrg  in  Oesterreich  (ib.   1485). 

Schliesslich  wäre  noch  zu  erwähnen,  dass  das  inschriftlich  genannte 
Sigillam  Mercurii  doch  wohl  die  dabei  gefundene,  wenn  auch  nicht  unmit- 
telbar zugehörige  Statue  ist,  wenn  dieselbe  auch  nicht  in  der  Weise,  wie 
es  jetzt  der  Fall  ist,  darauf  befestigt  war.  Wahrscheinlich  stand  sie  in 
einer  Merkur- Kapelle  neben  der  Inschrift.  Solche  „Sigilla"  werden  z.  B. 
erwähnt  bei  Wilmanos  II  p.   496.    Gewöhnlich  heissen  sie  aber  Signa. 

Heidelberg.  Karl    Christ. 

Zoll.  Ich  bin  Herrn  Christ  für  die  Berichtigung  eines  Versehens  sehr 
dankbar.  An  der  betr.  Stelle  ist  An m.  1)  die  Zahl  1740  irrthütnlich  ausge- 
fallen. Ebenso  gestehe  ich,  seine  Verbesserung  der  Inschrift  übersehen  xa 
haben.  Zur  Sache  selbst  bemerke  ich,  dass  seiner  Lesnng  zwei  Bedenken 
ent.gegen9tehen :  1)  die  Abkürzung  MKRCVRI  statt  MERCVRIO,  2)  die 
Form  des  M,  die  ich  aus  den  Zügen  IV  nicht  herausfinde,  am  so  weniger 
als  in  den  beiden  andern  M  der  Inschrift  der  Mtttelstrich  bis  auf  die  Zeile 
hinuntergeht.  Ich  sehe  nach  der  Abschrift  einstweilen  keinen  Grund,  meine 
Lesnng  aufzugeben.  Den  geschweiften  Buchstaben  nach  I  lese  ich  als  0, 
die  beiden  letzten  Zeichen  als  VE;   es  bleiben  also  für  die  beiden  geraden 


Striche  noch  0  die  Buchstaben  AR  übrig.  In  wie  weit  bei  einem  ao  miAs- 
hnadelteD  Steine,  von  dem  liia  jet^t  drei  oder  vier  verschiedene  Lesarten 
exiatiren,  diese  Striche  und  der  Raum  die  Möglichkeit  der  Lesung  Ai  auH- 
schlieBsen,  wird  allenfalls  ein  Abklatsch  lehreu,  durch  dessen  Besurgung 
Herr  Christ  sich  ein  neues  Verdieoat  erwerben  würde.  Urlicbs. 

12.  Nettersheim,  Kreis  Schleiden.  Grabfunde.  Die  Herren  Jos. 
Wichterich  und  P,  J,  Meyor  berichteten  schon  im  Febr.  1877  über 
dieselben  wie  folgt  i  Bereits  vor  etwa  20  Jahren  wurden  beim  Bau  der  Com- 
raunalstrasBe  von  Nettersheim  nach  Urft  mehrere  mit  Sandsteinquadern  um- 
stellte Gräber  aufgedeckt,  in  denen  sich  Gebeine,  Urnen,  kupferne  Beschlag- 
«tücke,  Ringe,  Schnallen  und  Krampen  fanden.  In  den  Sandsteinen  fanden 
sich  beim  Zerschlagen  Bleierze  und  man  kann  vcrmuth«n,  dass  diese 
Steinplatten  aus  dem  Bleiberggehirge  bei  Mctternich  herübergeführt  worden 
sind.  Die  Köpfe  der  Todten  lagen  auf  einem  besonderen  Steine  und 
mit  dem  Gesichte  uacli  .Sonnenaufgang,  wohin  auch  die  Bergfl&che  gerichtet 
ist.  Herr  Meyer  hat  spater  bei  Errichtung  seines  Wohnhauses  und 
jetzt  wieder  mehrere  Gräber  aufgeschlossen.  Schiidel  und  Gebeine  wurden 
als  auffallend  gros«  bezeichnet,  zwei  Eisenßchwerter  sind  2V«  Fuss,  drei 
sind  1  Vi  FusB  lang,  einschneidig  mit  breitem  nach  der  Spitze  krumm 
zulaufendem  Rücken,  an  einem  fand  sich  ein  Rest  des  verwitterten  Holz- 
griffes, Das  stark  verrostete  Eisen  wird,  in  soweit  es  erhalten  ist,  als 
ansgezeichneter  Stahl  bezeichnet.  Auch  1 0  eiserne  Dolche  von  6  Zoll 
Länge  und  vorspringender  dreieckiger  Spitze  wurden  gefunden.  Ea  sollen 
bis  jetzt  40  bis  50  Schwerter  gefunden  worden  sein.  Die  irdenen  Gefässe 
sind  sehr  gut  gebrannt  und  haben  meist  die  Form  einer  Schale.  Das 
Todt'enfeld  scheint  eine  grosse  Ausdehnung  zu  liahen,  weil  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  Gräber  entdeckt  worden  sind.  Auch  theilte  ein  Orts- 
angehöriger  mit,  dass  man  bnim  Strassenbau  Geschmeide  von  Gold  und 
Silber,  Ketten,  Korallen  und  Münzen,  sowie  feine  Bronzearbeiten  gefunden 
habe.  In  der  Gegend  finden  sich  auch  in  Menge  die  Sparen  von  alten 
Eisensohmelzen.  Seh. 

13.  Neuss.  Römische  Gräber  nordwestlich  vom 
Münsterpl atze.  Bei  der  Grundsteinlegung  für  das  Kriegerdenkmal 
auf  dem  Müusterplatze  hierselbst,  gegenüber  dem  llauptporiale  der 
St.  Quirinus-Kirche,  wurden  wie  schon  früher  rnraische  Gräber  gefunden. 
Die  Grabfunde  waren  mehrere  einhenkelige  weissthönerne  Krüge,  ein 
etwas  verziertes  Gefässchen  von  samischer  Erde  (terra  sigillata)  und  ein 
eiserner  Nagel.  Dieser  Fund  gehört  nach  der  Gestalt  der  Gcfasse  dem 
dritten    oder   vierten   Jahrhundert  u.   Z.    an. 

In  dieselbe  Zeit  gehört  ein  anderer  Grabfund,  der  etwa  20  Schritte 
nordwestlich  in  dem  Garten  des  Herrn  Cornelius  Reissdorf  gemacht  wurde. 


182 


Miscellen. 


Hier  fanden  sich  mehrere  schlanke  Becher  mit  weissen  Trinksprüehen 
versieben  und  eine  LFrne,  welche  drei  Kupfermünzen  von  Constantin  dem 
Grosseu  enthielt,  wodaixh  für  dns  Vorkommen  solcher  Becher  eine  aicbcre 
Altersbestimmung  gewonnen  wird.  Ausser  mehreren  anderen  zierlichen 
GofüaBen  enthielt  daa  Grab  einen  wohlerhaltenen  Sch&del;  möglicher  Weise 
wurden  die  andern  Skelettheile  nicht  beachtet.  Doch  sind  echon  mehrfach 
Beobachtungen  gemacht  worden,  dasa  gewisse  Körpertheile  onTerbraont 
oder  nur  angebrannt  neben  den  Aschenresten  des  Verstorbenen  lagen 
(verg).  K.  B.  Heft  LVII  Jlisc.  31),  ebenso  hat  man  das  gänzliche  Fehleo 
einzelner  Körpertheile  beobachtet.  Eine  Erklärung  fär  solche  Thaf  wehen 
dürften  wohl  xunäclist  die  «feriae  denicales"  d.  h.  die  zur  Reinigung  d«r 
Faniilio  des  Verstorbenen  üblichen  Gebräuche  geben.  Danach  pflegten 
einzelne  Familienglieder  gewisse  Körpertheile  vor  dem  Verbrenoen  det 
gauTion  Körpers  mit  nach  Hause  zu  nehmen  oder  aber  diese  za  begraben. 
Es  dürften  solche  Fnnde  aber  auch  an  schwerbewegte  Zeiten  erinnem. 
So  wurde  x.  B.  der  Kopf  des  Galba  erst  am  folgenden  Tage  dem  achoa 
verbrannten  Körper  beigefügt,  nachdem  er  den  Marketendern  und  Tro«- 
knechten  als  Spielzeug  gedient  hatte ;  Otho  erbat  sich,  um  dieser  (JosittB 
zo  entgehen,  eine  schleunige  Bestattung.  Auch  ist  bei  solchen  Fanden 
an  beachten,  dass  die  späteren  römischen  Kaiser  jeden  feindlichen  Kopf 
mit  einem  Geldstücke  bezahlt  haben.  Da  wird  es  leicht  erklärlich,  wama 
manchem  Skelett«  der  Schädel  fehlt. 

Das  Stix'sche  Hans  auf  dem  Münsterplatze,  welches  etwa  swanzig 
Schritt«  vom  Kriegerdenkmale  liegt,  steht  auch  auf  einer  Fundrtitte 
römischer  Gräber,  ebenso  die  benachbarten  Häuser.  Von  diesen  Fanden 
Ut  ein«  thöneme  Figur  nach   Berlin   Terkauft    worden. 

Etwa  dreissig 'Schritte  weiter  liegen  in  dem  Hofe  dee  HerrB  SlnrBlli 
gleichfalls  Gräber.  Ein  sauber  geformter  einhenkliger  Trinkkmg,  ds 
durch   rothe   Streifen   geziert   ist.   ging   Ton  da  in  memen  Besitx  Aber. 

Weiter    nördlich,    in    der  GlockhammerstzmBse,    vnrde,    wie    tAcn 
(Heft  LX  Mtseelle  20)  mitgvtheilt  ist,  der  Saberstein'sche  Grabfund  geaneit 
Dieacm  gerade  gegenöber  nach  Nordwesten  seigtan  nch  bei  den  OilMJ 
•rbattea  an  der  Broix''sehen  Fabrik  wieder  esnigv  Bfiacrgräber  cev^Uh 
Bchca  lahattee. 

?arfolgt  mnn  die  GloddvuuDeratnaae  veiter  nach  Osten,  ao  trA 
uns  rechter  Hand,  gerade  der  BhehMti—e  gegenüber,  ein  Eekhao^  di« 
Broix^ache  Maadiii»en£abrik,  bei  deren  Anlage  »an  ebenfalls  anf  i  niiiiaiha 
Gräber  stim. 

Koeh  OMkr  äiilkk  in  dieser  Sliiiu,  hei  den  Fiwdain— taw^pan  n 
d«n  Orlean'echen  Binsem,  forderte  man  rtaüsdw  Gräber  asawdieriei  la- 
haltoe  an  Tag«.  Herr  Bwianlrirf  «cUalt  Ton  hi«r  einen  Trinkbechnr  mäi 
der  Attia^rift:   «Tivma  fielixr 


Miscellen. 


183 


Südlich  von  dieser  Stätte,  da  wo  jetBt  dio  „rothe  Schule"  liegt, 
befand  sich  ehemals  ein  Garten,  welcher  an  den  öBtlichen  Theil  des 
Münsterplatzes  anstiesB.  Hier  deckte  Herr  Sanitätsrath  Dr.  Jaeger,  der 
verdienstvolle  Alterthumsfreund,  ein  fränkisches  Grab  anf,  das  von  ihm, 
nach  dem  Standpunkte  der  damals  noch  jtiugen  AltertbumswisBeaschaft 
beartheilt,  irrthümlich  als  romisoh  beachrieben  wurde.  (Siehe  darüber 
die  Berichtigung  in  diesem   Hefte.) 

Verl&ut  man  diese  Schule  und  kehrt  man  zum  Büchel  zurück,  und 
geht  man  vou  hier  in  fast  nordwestlicher  Richtung  die  Niederstrasse  und 
Orefelderstrasse  hinunter  bis  zum  neuen  Stationsgebäude,  dann  kommt 
man  an  einer  ganzen  Reihe  neuer  IläuBer  vorbei,  bei  deren  Anlage  man 
jedesmal  römische  Gräber  vorfand.  Man  kann  wohl  sagen,  das«  die 
ganze  Strecke  vom  Münsterplatze  bis  zum  Bahnhofe  zur  Zeit  Grab  an  Grab 
geborgen  hat.  Die  Funde  wurden  zumeist  verhandelt.  Doch  lassen  sich 
noch   einige   Fundatellen  bezeichnen. 

Zunächst  zeigten  sich  viele  Gräber  in  der  Brandgasse  und  zwar  in 
dem  Garten  des  Herrn  Dachdockermeisters  Norbisrath,  der  einige  von 
diesen  Gegenstanden  noch   lange  in  seinem   Besitz  gehabt   hat. 

Eine  andere  Fundstelle  liegt  einige  Hänser  weiter,  auf  dar  rechten  Seite 
in  dem  Hofe  des  ehemals  Franken'-  jetzt  Weinhaus'schen  Gasthofes.  Diesen 
von  mir  noch  antersucbten  Fund   habe  ich  Heft  LYII  Mise.  3 1    angeführt. 

Eben  hint-er  der  Erft  in  der  Orefelderstrasse  wurden  dann  bei  der 
Anlage  der  Dünbier'scben  Brauerei  rüniische  Gräber  aufgedeckt,  sowie 
anoh  bei  den  Grundarbeiten  zu  der  Schönen'schen  Gastwirthschaft  und 
zu  den   dieser  benachbarten   Häusern. 

Das  Stressiug'schc  Hütel  und  die  zu  beiden  Seiten  des  Kirchhofs 
liegenden  Häuser  sind  ebenfalls  auf  riimischen  Gräbern  gebaut.  Die 
meisten  dieser  Funde  sind  in  letzter  Zeit  gemacht  worden.  Es  zeigte 
sich  irgend  ein  Gefäss,  eine  Schnale,  die  mit  einem  Deckel  versehen 
war  oder  mehrere  kastenförmig  aufgestellte  Ziegelplatten  mit  der  Asche 
des  Vt?r8torbe-nen,  in  deren  Umgebung  die  Beigefässe  lagen ;  sehr  häufig 
befanden  sich  unter  diesen  kleine  kuglig  abgerundete  FUlschchen  mit 
zwei  kleinen  Uenkelchen  versehen,  zumeist  aus  grünem  nicht  oxydirtem 
Glase,  seltener  aus  weissem  Glase,  das  eine  sehr  schöne,  buntfarbig 
schillernde  Oxydation  angenommen  hatte.  Hier  wurden  auch  die  Kiiro- 
linger-Gräber  blosgelegt  (vergl.  Heft  LX  Misoelle  2l);  auch  stieSH  man 
in  der  Nähe,  auf  dem  Kirchhofe,  vielfach  auf  Römorgräber ;  aucli  auf 
Spuren  einer  aus  kleinen  Steinen  gepflasterten  Strasse,  dio  mit  der  heu- 
tigen  Strasse  parallel   zu   laufen  scheint. 

Oestlich  von  dieser  Stelle  liegt  die  ehemalige  Demming'-  und 
Elaphack^sche  Kimstgärtnorei,  wo  schon  bedeutende  römische  Grabfunde 
za  Tage  gefördert  wurden.    Eine  ziemlich  grosse,  unten  spitzer  zulaufende 


Miaoelkii. 


tböiierne  üme,  welche  bis  zum  Rande  mit  Knochenresteo  angefallt  war, 
habe   ich   aDgekaaft.  * 

Diese  lo  reiche  Ftmdgmbe  siösst  an  die  dem  Siationsgebände  gegen- 
überliegenden Häaser  ron  Bohne.  Karrenberg  ond  Neidböfer  in  d«r 
Bahnliol'atraase,  wo  ich  bei  einer  mit  meinem  Freunde  Ridder  rorge- 
nomraenen  Nachgrabung  in  einer  Tiefe  von  6  Foas  abermals  viel* 
römische  Gräber  aufgedeckt  habe.  Einmal  lagen  die  Aschenrest«  auf« 
guhiiaft  in  freier  Erde  and  waren  nor  von  dem  Bmchstücke  eines 
weissthönernen  Eragea  gedeckt.  Gleich  daneben  standen  dann  mehrere 
einhenklige,  weiss  tbönerne  Trinkkrüge,  eine  flache  Schaale  aus  graner 
Erde  und  einzelne  becherförmige  Geräthe.  Ein  andermal  fand  ich  eine 
Stelle,  die  sich  durch  ihre  Schwftrze  als  Brandstätte  zu  erkennen  gab; 
gleich  daneben  lag  das  kugliche  Fl&schchen  mit  dem  seltsamen  uhrglat- 
ähnlichen  Schälchen  (vergl.  Jahrb.  LVII,  Mise.  3l).  Aach  stiessen  wir 
aof  ein  aus  Schieferplatten  zosammengestelltes  Knochenbehältniss,  znmeist 
jedoch  fand  eich  irgend  ein  mit  Knochenresten  angefülltes  Gefäss ,  von 
mehreren  andern  Terschiedenartig  gestalteten  Gefassen  umgeben.  Unter 
diesen  waren  die  kleinen  mit  Eindrücken  ond  einer  Art  Ton  schwarz- 
brauner Glasur  versehenen  Becher,  sowie  zwei-  und  dreihenkelige  kleine 
Trinkkrüge  durch  ihre  zierliche  Form  besonders  auffallend.  Es  sind  diese, 
welche  wir  auch  bei  der  Anlage  des  neuen  Stationsgebäudes  mit  Münzen 
von  Antoninas  Pius  vorfanden,  von  den  oben  erwähnten  Bechern,  die 
ro&n  mit  den  Münzen  Constantin  des  Grossen  vorfand,  sehr  leicht  darch 
ihre  mehr  gedrungenen  Formen  zu  unterscheiden.  Die  dem  Constantin'- 
Bchen  Zeitalter  angehörenden  sind  weit  grösser  und  schlanker  gebildet. 
Unter  den  Schaalen  aus  terra  sigillata  befanden  eich  einige  mit  Töpfer- 
zeicheu.  Auf  einer  ist  der  Stempel  LOSGIYS,  auf  einer  anderen  MAERNIIIYS 
zu  erkennen;  eine  dritte  Schaale  trägt  den  Namen  CASSIVS  und  ein« 
vierte  den  etwas  undeutlichen  Zug  SVRNLNF ;  von  zwei  anderen  sind 
nur  einzelne  Buchstaben  zu  erkennen:  F"  '  AV  *'  '  *  sowie  APO  '  *  CF. 
Was  die  rothe  Erde  selbst  betrifft,  so  ist  diese  von  nicht  besonderer 
Güte,  ja,  im  Vergleich  zu  der  kürzlich  in  Xanten  und  früher  bei  Grimm- 
linghausen   mit  Münzen   von   Augustns   gefundenen,   geradezu  schlecht. 

In  der  Crefelderstrasse,  gerade  dem  Kirchhofeingange  gegenüber, 
wo  das  ehemalige  Stressing^sche  Hotel  liegt,  zeigten  sich  abermals 
römische  Gräber.  Unter  dem  verschiedenartig  gestalteten  Inhalte  ist  eis 
kurz  gedrungener  Becher  zu  erwähnen,  der  aus  terra  sigillata  von  heller 
Farbe,  oder  aber  aus  einer  dieser  uhnlichenrothen  Erde  besteht.  Herr  Bal- 
duin  Fischer  gibt  mir  an,  dass  man  hier  auch  die  Fundamente  eines  quadra* 
tischen  römischen  Ziegel-Bauwerkes  gefunden  habe,  wie  er  vermutbet, 
von   einem   Wachthurme  herrührend,    was   wohl   wahrscheinlich   ist. 

Wir  sind  jetzt  an  dem   Hause  des  Herrn  Bahnbaumoisters  Richter 


m 


ia  der  Crefeldergtraase  und  den  Bauten  des  neuen  Sfcations-  und  Gdter- 
Post-Gcbäudes  angelangt,  wo  die  zahlreichen  von  mir  im  Heft  LVIl 
Miscelle  31  beschriebenen  Funde, gemacht  wurden.  Noch  weiter  nördlich 
scheinen  die  Gräber  aufzuhören.  Bei  dem  Hänserbau  von  Zinnenlauf 
fanden   sich   noch   einzelne    vor. 

Alle  die  vorgenannten  Gräberfunde  wurden  demnächst  westlich  von 
dem  den  Rhein  entlang  lauft^uden  östlicheu  und  zu  beiden  Seiten  des 
mittleren  Straasenarmee  gemacht  (Vergl.  Heft  LXJ  die  Sc  hneidor'ache 
Abhandlung).  Die  Fundstellen  deuten  Boniit  auf  einen  grössertm  gemein- 
samen römischen  Begrübnissplatz  bin,  der,  soweit  festgestellt  werden  konnte, 
vom  Mittelpunkte  des  Müusterplatzes  ausging  und  sich  in  nordwestlicher 
Richtung  hinzog.  Alle  Grüber  scheinen  in  einer  bestimmten,  planmässig 
angelegten  Reihenfolge  zu  liegen.  'Was  den  von  mir  gewonnenen  Ueber- 
blick  über  die  Keramik  der  Funde  dieses  dem  zweiten  bis  vierten  Jahr- 
hundert unserer  Zeitrechnung  angehüreudeu  Grabfeldes  anbelangt,  so  habe 
ich  beobachtet,  dass  alle  Gefässe,  so  verschieden  sie  auch  nur  in  der 
Form  sein  mögen,  alle  ein  und  denselben  Chaiakter  an  sich  tragen.  Aach 
iat  das  Material  in  Hinsicht  des  ISrandes  von  ein  und  derselben  immer 
wiederkehrenden  Härte,  die  der  unseres  mittelalterlichen  Steinguts  nicht 
gleichkommt.  Au  den  zahlreichen  Thongefässeu  bildete  immer  ein  schmaler 
FusB  den  unteren  Abscbluss,  —  kein  einziges  Gefäss  hatte  einen  kuglichen 
Boden.     Vollständig  übereinstimmend  sind  diese  Grabgefässe  mit  den  dem 

glichen  Bedarf  bestimmten,  deren  zahlreiche  Bruchstücke  ich  bei  der 
nterauchuug  der  Opferstätte  in  Guhr  gefunden  habe.  Eine  Verände- 
rung der  Gestalten  und  Umrisse  der  Gefässe  in  verschiedenen  Perioden 
ist  wahrnehmbar.  Ich  habe  oben  schon  einige  Andeutungen  gegeben, 
in  Ilinsicht  der  sputer  schlanker  werdenden  ßechergestalt.  Ganz  besonders 
zeigen  die  einfachen  Thonkrüge  eine  mit  der  Zeit  veränderte  Gestalt. 
Stellt  man  z.  B.  neben  die  Krüge  des  dritten  und  vierten  Jahrhunderts 
solche  aus  dem  ersten  Jahrhundert  unserer  Zeitr.,  so  wird  man  finden, 
dass  bei  den  Gefässen  der  fi'üheren  Zeit  der  obere  Ausgussrand  von  der 
kugeligen,  unten  nicht  sehr  spitz  zulaufenden  Bauchung,  durch  einen 
langen  Hals  unterbrochen  wird.  Bei  den  Krügen  der  späteren  Zeit 
hingegen  ist  der  Hals  kurz  und  erweitert  sich  schon  gleich  zu  jener 
kugeligen  Bauchung,  die  dann  nach  unten  sehr  spitz  ausläuft.  Die 
Umrisse  des  Gefüsses  früherer  Zeit  sind  mehr  plastisch;  es  gibt  sich 
bei  ihnen  ein  ruhiger,  ernster  Zug  zu  erkennen.  Die  Umrisse  des 
späteren  Kruges  hingegen  sind  mehr  malerisch  abgerundet;  bei  ihnen 
ist  ein  mehr  unruhiger,  heiterer  Zug  vorherrschend.  Der  erste  Zug 
entspricht  bekanntlich  der  Blüthe  der  klassischen  Euost,  der  letzte  dem 
jYerfall   derselben,    und   die  Ursachen  des  Verfalles  sind,  wie   wir  gesehen 

ben,  in  dem  Verlassen  der  strengen,  ruhigen  Linien,   in  dem  Streben 


•  ' 


}m 


Miscellen. 


i>«/.b  («hcrKüngeu  zu  Bachen.  Es  ist  merkwürdig,  wie  dieMr  Aag^ 
•iwl<  ID  den  «rpUinrn  Perioden  des  romnnischen  und  gothischen  Siylsl 
flrk«iif>«n  ifibt.  Wir  wissen,  das«  man  erst  nach  dem  Jahre  1100  die 
rltf  Eekcn  dm  romriniBchen  Säulenfussea  mit  knoUenortigeu  Wülsten  »tu- 
fttUt«  und  dtiMH  KTicIi  erst  im  spätgotliischen  Styl  die  geflcliwungenen  Linien 
V<rrkotQin«n.  Icli  Imbe  überhaupt  die  Wahrnchmang  gemaeht,  dass,  je 
MJilir  die  Ot'BtnIten  und  Fn-rmen  der  Thongeräthe  der  Constantin'schen 
Z«ii   i»ji;h    niLliorn,   sie  desto    mehr  ins  Zierliche   und    Kleinliche   verfallen. 

Conatantin  Koenen. 

14.  Nou«8.  Ein  M  erov  i  n  gor-Grab.  (Berichtigung  zu  HcftlV, 
Miwiflllo  3.)  Gegi«n  das  Jahr  1839  fand  Herr  Snnitätsrath  Dr.  Jaeger  in 
NvuiH  in  eineim  Gnrtnn,  vrelcher  an  dio  rCmieche  Begräbnissstätte  anf 
dem  MünHtrrjilntjso  anstiess,  ein  Grab,  dna  er  an  der  genannten  Stelle 
ilieat^r  Jahrhüclior  als  römisch  bezeichnet  hat.  Dieses  Grab  ist  aber 
nicht  röraiscli  nonderu  frftakisch  und  gehört  der  späteren  Zeit  der  mero- 
vingioohen  Könige  nn,  wie  sich  dies  noch  jetzt  durch  den  in  dorn  oberen 
RrtthhauBsnnle   zu   Neuss   bewahrten.  Qrabinhalt  nachweisen   läset. 

Da«  Grab  enthielt  ein  Thongefflss;  in  diesem  lag  ein  gläserner  Becher 
und  pin«'  Silh<'rmtinKc  von  Septimus  Severus.  Von  Weiterem  sobwdigea 
die  Berichte  Jaeger's,  obgleich  die  ITebereinstiramang  dieses  Funde«  mit 
vielen  andern  die  Annahme  fast  zur  Gewissheit  macht,  dass  in  der  Nähe 
aln  Hkolett   gelogen   haf. 

Dits  Thongcf&ss  gleicht  in  dnr  Gestalt  den  gewöhnlich  vorkommenden 
rAmisohon  Urnen;  f»  besteht  jedoch  aus  einer  bläulich  schwarzen  Erde, 
dSfl  to  fest  gebrannt  ist,  daas  es  beim  .\nschlag  fast  wie  unser  Steingut 
klingt.  In  der  Form  dos  GefiLsses  gibt  sich  etwas  Besonderes  zu  erkennen, 
das  von  dem  Uumisohen  gans  abweicht.  Es  ist  in  derselben  nämlich  da» 
Eckige  vorherrschend.  So  befindet  sich  nnter  dem  etwas  auswärts  g«* 
bogenen  Rande  ein  feines  Stübchen,  an  dieses  eehliesst  die  eigentliche 
Bauchung  an,  welche  sich  bis  xur  Mitte  des  Bauches  allmäldich  erweitert 
und  dann  ein«  plötxliche  VeijAngnng  annimmt,  sodass  ein  flacher  Boden 
den  unteren  Abschbisa  bildet.  Der  obere  Thcil  der  Banchnng  ist  darch 
Gruppen  vnu  kleineu  (Quadraten,  w«1che  mit  einem  llolzstäbchen  ringe- 
pr«ast  lu  sein  .wheinen,  reich  versiert.  Diese  Verzierungen  weichen 
«benfnlls  (rann  vtm  den  römischen  ab,  die  letzteren  aind  immer  r^el- 
nAisig  angvoixlnet,  wlihrrnd  die  Verzierungen  unseres  Geftasee  mehr 
phatttMtisch  durcheinander  gestellt  sind.  Eine  bessere  Vorstellnng  kann 
man  von  diotem  («efilaeo  bekommen,  wenn  man  sich  die  Abbildungen 
tiaen  Ähnlichen  GefÄsse«  ansieht,  welche  Scbaaff  hausen  im  Hefte  XLIV 
und  XI. V  Taf.  IV.  Nr.  as  unserer  Jahrbücher  und  Lindenschmit  in 
•e(n»ni  Werk*:  «Die  AltejÜiOmer  unawrer  beidniwhen  Vorzeit*,  Heft  IV, 
Tttf.  B  Mr.  8,  g«f»b«i  hsbM. 


Miaoellen. 


187 


Der  Glasbecher  von  15  cm  5  mm  Höhe  ifit  oben  weit;  er  rerengt 
'rieh  dann  allmälilic]),  wird  von  der  Mitte  auu  wieder  weiter  und  achliesst 
endlich  nach  unten  ziemlicli  plötzliclt  kuglig  ah.  Das  Aeuasere  des  weiss- 
chen  Glases  hat  durch  eine  schöne  Oxydation  eine  tiieils  blaagrQne, 
'Ibeils  mjlcii weisse   Farbe  angenommen. 

Die  Silbermünze   von  Septimas  Severus  ist  ziemlich  abgenutzt,  sodass 
je   Umschrift  auf  dem  Avers  nicht  melir  zu  entzififern  ist,   während  der 
ävers   Cos  III   uoch    zu  erkennen  gibt. 

Gehen  wir  jetzt  zu  der  Frage  über  in  welche  Zeit  das  Grab  zu 
Btzen  ist,  dann  müssen  wir  zuerst  den  Styl  des  Thongefässes,  dann  die 
Porm  des  gläsernen  Bechers  und  endh'ch  die  Münze  in  Betracht  ziehen. 
Der  Styl  unseres  Thongefasscs  kommt  in  den  keltischen  Gräbern 
nicht  vor ;  er  fehlt  auch  in  den  Gräbern  der  eingewanderten  Germanen 
und  ist  uns  auch  niemals  in  den  Gräbern  der  vorpSanzten  germanischen 
Volksstämme  begegnet.  Ebenso  ist  er  den  römischen  Gräbern  ganz  fremd. 
Das  häufige  Vorkommen  von  Gr&hem,  welche  Gefässe  dieses  Stylee  ent- 
halten, setzt  jedoch  das  längere  Verweilen  irgend  eines  auegedehnten 
^Volksstammes  voraus;  denn  unser  Fund  ist  identisch  mit  einer  ganzen 
k,nzahl  anderer  vom  Ober-,  Mittel-  und  ^iederrhein.  Da  nun  ausser 
'den  Kelten,  Germanen  und  Römern  kein  anderes  Volk  als  dns  der  Franken 
diese  so  ausgedehnte  Fundgegend  bewohnt  hat,  müssen  wir  diesen  unser 
Gefilss  zuschreiben.  Anfangs  sla  diese  Germanen  das  rechte  Hheinui'er 
überschritten,  waren  sie  uoch  Heiden  und  verbrannten  deshalb  ihre  Todten  ; 
erst  unter  Klodwig  gewann  das  Christenthum  festen  Fuss  und  dieses 
führte  das  Begraben  der  Verstorbenen  ein.  Bis  zu  Carl  dem  Grossen 
mochte  das  Begraben  allgemeine  Verbreitung  gefunden  haben.  Der  Styl 
unseres  Gefässes  kommt  nur,  wo  er  sich  auch  nur  gezeigt  hat,  in  der 
Nähe  von  Skeletten  vor,  woraus  hervorgeht,  dass  er  nicht  wohl  der 
fränkischen  Frühzeit,  sondern  vielmehr  der  spiiteren  Merovinger-Periode 
angehört. 

1         Unser  Glasbecher  fehlt  ebenfalls   in  den   Gräbern  der  Kelten,   der 

Germanen   und  auch    in   den   römischen   Gräbern   (wenigstens  sind  mir  in 

^den  römischen   Gräbern   bis   zum   Untergänge  des   weströmischen  Ileicbes 

eine  bekannt  geworden).     Neben  den  Skeletten  Jener  Gräber  hingegen, 

reiche  die  eben  als  merovingisch  nachgewiesenen  Gefässe  enthielten,  findet 

sich   sogar   häutig,   wonach  wir  auch  ilin  in  die  spätere  Zeit  der  Mero- 

ringer  setzen   müssen. 

Die  römische  Silbermünze   ist  nun,  wie  schon  gesagt,  von  Septimius 

j  Severus   und   passt  daher  wohl  nicht   zu   dem   Style   der  übrigen  Grabes- 

beigaben.     Sie   muss  also  bei  der  Altersbestimmung  des  Grabes  mehr  in 

Bn  Hintergrund  treten,   umsomehr,    weil    die    übrigen  Gefässe    auf    ein 

»uisches  Grab  aus  der  fränkischen  Zeit  hindeuten.    Aach  waren  su 


'«B* 


Mi«cellen. 


dieser  Zeit  die  röTiiischen  Möuzen  bei  den  Germanen  oocb  im  Gebraucl», 
ne  wnren  als  wirklich  gangbare  Münze  im  ümlanfe.  (Vergl.  hierzu: 
qSoetbo<>r,  Beitr&ge  zur  Geschichte  des  Geld-  and  Münzweseas  in 
Deutsoblnnd",  II.    329  ff.)  Gonstantin  Koenen. 

15.  Der  Grenzfluss  Obringa  und  die  Eintheilung  Germa- 
nipDS,  von  Dr.  C.  Mehlis  im  Correspoudenzbl.itt  des  Gesammt Vereins 
der  Deutaclien    Gesoliichts-   und  AlterthuniBvereine.     Jnlil878.   No.  7. 

Der  Geograph  Claudias  Ptolemaeus,  der  am  die  Mitte  de« 
3.  Julirhundorta  in  Alexandrien  lebte,  hat,  wieSadowaki  (die  Handels- 
«trassen  der  Griechen  und  Römer,  Jena  1877)  zeigt,  fOr  den  Osten 
Kuropa's,  die  Gegend  von  dor  Weiclisel  bis  zum  schwarzen  Meer,  selir 
gouaiie  Angaben  geliefert.  Das  Donaugehiet  konnte  er  nach  Mittheilungen 
dpr  r/'niiw'bon  Militiir-  und  Verwaltungsbeamten  feststellen;  schon  Augastua 
biittfl  Ui'it'Ii«kaiten  anfertigen  lassen,  von  denen  uns  ein  Bild  in  der 
Taliula  Peilt ingerana  erhalten  ist.  Die  Zeiten  des  Trajan,  Hndiiau  und 
Anten  in  UH  I'itis  boten  Gelegenheit  genug,  das  Rheinland  näher  kennen  zu 
hkrnen,  in  dem  grossartige  Grenzbefestigungen  angelegt  wurden.  Ptole- 
uiaouH  nonnt  in  der  Beschreibung  von  Galli.t  Belgica  das  Land  längs 
dni  Klioine»  bis  an  den  Fluss  Obringa  Untergermanien,  und  das  südlich 
rllinnpi  KluBseH  gelegene  Obergermanien,  Der  Name  dieses  Flusses  kommt 
ttJM  Abrikka  nur  nocli  bei  Marcianus  Heracleonsis,  einem  Geo- 
graphen doB  5.  .Jahrhunderts  vor.  Ptolemaeus  giebt  für  die  Lage 
von  Mainz  nOrdlich  der  Obringa  50"  15,  für  die  n&chste  Sttidt  südlich, 
JndnnfalU  Worms,  49*^  60  an.  Die  wirkliebe  Lage  beider  Orte  ist  SO^*  und 
i\)'*  10.  Mo  hl  18  erkennt  als  den  fraglichen  Fluss  die  Pfrimm,  welche 
di(t  Grenze  zwist.ben  Hessen  und  der  Pfalz  bildet;  sie  vereinigte  sich 
w»liriit'hoinli«:li  früher,  als  der  Rhein  mehr  gen  Osten  floss,  vor  ihrer  Ein- 
niüiidtitig  In  diesen  mit  der  südlicheren  Eisbach ^Isa.  Obrigheim,  welches 
nnnltirh  vom  Kisbache  liegt,  ist  der  alte  Name  Obnnga  mit  der  frnn- 
kltrliKn  ICndwug.  Die  Pfrimm  hiess  im  Mittelalter  Primm  oder  Pryme, 
liDiit«  nennt  der  hessische  und  pfälzische  Anwohner  sie  Bremm.  In 
f>niil.iir,1iland  kommen  als  Flussnamen  Prira,  Wurm,  Wirm,  Priois.  Prüm 
Mit^hrfarli  auf  keltischem  Boden  vor.  Nach  Walther  (T^opographie  von 
Uhytirn  H.  292)  war  die  Pfrimm  einst  der  Al^uss  eines  Sees,  der  sich 
¥1111  Kiikenbucli  über  Kaiserslautem,  Laudstuhl  und  Homburg  bis  an  das 
IHl«i«tbal  t'rntreckt«  und  noch  Torfgrund  in  dieser  Gegend  hinterlassen 
Unt.,  iJliHiNr  Sau  bildota  auch  die  Scheide  zwischen  dem  Buntsandstein 
du«  !Iftrlw«>birgcB  uud  dem  Porphyr  des  Donnereberges  und  anderer  Höhen. 
Sit  #oini<t' KlIflNßito  xog  am  böhern  Ufer  die  Römerstrasse  von  Metz  nach 
WnrrMM,  Mi'hlls  führt  für  B«ine  Ansicht  noch  eine  Reihe  von  Mono- 
iMbri)  an,  die  von  GoUenstein  bis  Alsenborn  und  bis  an  die  Saar  reicht. 
Kr  httit  *\n  für  (SronvHteine.    Die  von  Bergk   angeeogene  Stolle  des  Pto 


Miacellon. 


189 


/«maeas  11,  IX,  5,    wonadi    A'w.    Entfernung    der  Obringa  von  Mainz 
'    15'   beträgt,   stimmt  luit  der  wirkäiclien  von   20'   ziemlich    gut  und   um 
80    mehr,    wenn    die    Obringa    früher    nördlicher    floss.     Wenn    es    bei 
Ptolemaeus  heiset,   dass   zuerst  die  Vereinigung  der  Obringa   mit  dem 
Rhein,   dann  die  "Wendung   des    Stromes   nach   WcBten   folge,    so  stimmt 
dies   mit   der  oberhalb   der  Hheinwendung  bei  Worms  gelegenen  Pfrimm. 
Früher   trat    die  Biegung    des    Rheines    nach   Westen    sofort    nach    der 
^^einigung  mit  der  Pfrimm    ein,   denn    er  floss  als  llügelriiein  mit  einem 
^Bme  durch   das  untere  Pfrimmthal   über  Pfeddersheim,  Niederflörsheim, 
Eppelsheim,   Alzei  und  dann   durrh  das    Selz-   und  Wiesbachthal  in   den 
Bingergrund.    Vgl.   Mone,   hadisches  Archiv  1,   S.  57.    Auch   Mannert, 
Reich ard    und    Föratemann    verlegen    die   Obringa    in    den  Anfang 
des  Rheinknie's   hei   Mainz.    Mehlis   erklärt   den  Umstand,   dass  Ptole- 
maeas   Mainz   nicht  mehr  zu  ticrniania   superior  rechnet,  aus  der  strate- 
gisclien  Bedeutung,  welche  zur  Vertheidigung  der   Reichsgrenzen,   zumal 
^^gen  die  Alemannen,    von  Trajan   bis   zur  Aufgabe  d«r   Agri  decomatos, 
pVbeh   vor   Probus,  Strassburg   und  Vindonissa   hatten.    Die  geringere  Zahl 
römiacher Denkmäler  in  Strasshurg  erklärt  Mehlis  aus  der  grösseren  Zer- 
störungswuth   der  Alemannen,  während   die  Franken  nclion  halb  romanisirt 
waren.    Den  Inhalt  der  an  Citaten   reichen  Abhandlung  fasst  Mehlis   in 
folgenden   Sfitzen   zusammen:    1)  Die   Pfrimm,    ein  alter  Rheinann,    war 
die   ßrenZ8cl>eide   zwischen   (f«rmania    superior   und    inferior.      2)    Ilaiipt- 
waffenplätze   in    Untergermanieu    waren    Külu    und    Mainz,    in   Obergor- 
manien   Strasshurg    und   Vindonissa.     .'?)  Der    Sitz    des  Statthalters    von 
Obergermanien   wechselte   vom    2.   bis   zur  Mitte  des    .H.  Jahrlnmderts  je 
^uch  militärischen  Bedürfnissen.     4)   Seit  Mitte  des    3.  Jahrhunderts   war 
^Hr  Dax  transrhenani  Hmitis  und  der  Legatus  Angusti  propraet.  Germania« 
'    Bup.   zugleich  Praeses  Galliae   Lugduaensia.     5)   Seit  Constantin  wird  die 
Gewalt  am   Mtttelrhein   zwischen   dem  Comes   von   Mainz    und    dem    von 
Strassbnrg  getheilt,   beide  gehören  zu  der  Provinz   Germania  prima. 
^  Seh. 

^H  Iß.  Trier.  In  diesen  Tagen  ist  die  Sammlung  von  Alterthümern 
des  archäologischen  Vereins  zu  St.  Wendel  mit  Vorbehalt  des  Eigenthums- 
rechts  in  das  hiesige  Provinzialmuseura  übergeführt  und  somit  durch  die 
grosse  Liberalität  des  genaunten  Vereines  diese  kleine,  aber  werthvolle 
Sammlang  einem  grösseren  Publicum  and  der  wissenschaiftlichen  Bearbeitung 
zugänglich  geworden.  Die  Sammlung  entstammt  grösstentheils  Ausgrabungen, 
welche  der  Verein  in  den  Jahren  1839 — 1842  in  der  dortigen  Gpgond  hat 
vornehmen  lassen  und  erhält  für  die  Wissenschaft  besonders  dadurch  Werth, 
weil  die  Art  der  Auffindung  der  einzelnen  Stücke  in  einem  von  dem  Verein 
beraasgegebenen  Berichte  genau  verzeichnet  ist.  Aus  dem  sog.  Fuchshügel, 
der  links  an  der  Strasse  von  Tbolei  nach  Birkenfeld  liegt,  stammt  ein  Arm- 
liog  ans  reinem  Golde,  der  hobl  ist,  doch  ohne  sichtbare  Spuren  des  Zu- 


M  isoeilen. 


wmiimalötens,  und  ein  einfacher  mnssiver  goldener  Fingerring;  nua  Tholei 
•elbtt  eine  BronKesoheibe  mit  der  Reliefdarstellling  einer  Jagd  und  eine 
BolU  mit  EmaÜTerzieningen,  aus  dem  Yamswalde  eine  sebr  interMMmte 
Figur  eines  knaemden  Sileas  aus  Bronze,  der  als  Gewicbt  dieote;  aas 
•itiem  Grabhügel  bei  Rem  m  es  weiter  ein  grosses  Schwert  in  einer  Scheide 
•ofl  Bronze  mit  goldenen  Beschlägen  nnd  ein  grosser  Kmg  ans  Bronste. 
Unier  den  anderen  Alterthümern  verdienen  noch  sswe!  ausgezeichnet  erhal- 
tene gläserne  Urnen ,  römische  Becher  und  Töpfe  aus  dem  sog.  Hunnen- 
ringe  bei  Otzenhausen,  einige  etruskische  Fibeln  aus  l'umuli  bei  Orexweiler, 
ein  Rt'onzerelief,  den  Ganymed  darstellend,  wie  er  vom  Adler  emporgelrageo 
wird,  und  ein  goldener  Ring  mit  einem  Krystall  aus  dem  Ailenwalde,  sowie 
eine  Snmmlung  von  etwa  250  römischer  Münzen  nnd  einige  interessante 
Steiaskulpturen  noch  besonderer  Erwähnung.  H. 

17.  Würtemborg.  Altgcrmaniscbe  Ausgrabungen  nnd  Ent> 
deckungeo  in  den  Jahren  1876  und  1877,  von  Prof.  Dr.  Paulus  aus 
der  Viert^ljahrsschrift  fQr  Würtembergische  Geschichte  und  Alterthums- 
kande.  Bei  Ilundersingen  befinden  aicb  zn  beiden  Seiten  des  Donauthales 
zahlreiche  Grabhügel,  zumal  auf  dem  Giesshübel  in  der  Nähe  der  noch  mit 
Wällen  und  Graben  befestigten  „TIeuaeburg".  Diese  wird  gebildet  durch 
einen  Hügel,  der  Vs  Stunde  unterhalb  Hundersingeu  auf  dem  linken  Donau* 
nfer  schroff  und  breit  gegen  den  Fluss  heraustritt  und  gegen  die  L&ndaeite 
hin  heute  noch  durch  mächtige  Grüben  und  Wälle  vertheidigt  wird.  Seine 
obere  dreieckige  Fläche  betrügt  über  zehn  württemb.  Morgen,  ist  gegen 
900  F.  lang  und  gegen  500  F.  breit  (l  württ.  F.  =  0,286  Meter),  nnd 
meine  Untersachnngon  ergaben  auf  dieser  Ebene,  wie  aof  den  Willen, 
Seherben,  grobe  und  wieder  sehr  feine,  die  mit  denen  ans  den  unten  zu 
bflMhreibenden  Grabhügeln  genan  übereinstimmen. 

Der  Heuneburg  zunächst  liegen  die  Grabhügel  auf  dem  „Giesshübel**, 
einer  Anhöhe,  mit  herrlichem  Blick  auf  Oberschwaben  und  die  Hochgebirge, 
Eine  halbe  Stund«  westlich  von  der  Ileaneborg  steigt  sodann  das  riesige 
Kegelgrab  des  „Hohniicbele^*  steil  empor,  mit  45  Fuss  Höhe  and  300  Fass 
unterem  Durohmosser;  um  ihn  her  kleinere,  darunter  der  „Kleine  Hob* 
IBich«U>"  mit  gegen  200  Fuss  Durchmesser.  Dann  eine  Viertelstunde  süd- 
westlich von  der  Heuneburg,  hart  am  Donaathalrande,  erhebt  sich  der 
gewaltige,  jetzt  oben  abgestutzte  Hfigel  der  „Baumbnrg*',  ein  so  grosser 
HOgel,  duHs  sich  darauf  im  Mittelalter  eine  Burg,  die  jetzt  g&nzHch  wieder 
ftUgegftDgene  „Bawenburg**,  errichten  lies»,  daneben  der  kleinere,  doch  immer 
nooh  b*deuteiids  „Leenbühr',  und  unten  in  der  Donauebene  der  grosse,  jetzt 
H.  Th.  abgetragene  „Bettenbühl",  auf  dem  andern  Thalrande  der  hochaof- 
rügend«  „lUuho  Lmd".     Die  Untersucbnng  der  Grabhügel  auf  dem  Giess- 


Miscellen. 


Ul 


hübel  ergab:  In  dem  kleißsten  mit  175  Fubs  Durcbmeeser  b«i  14  F.  Höbe, 
fanden  sich  8  F.  über  dem  gewachsenen  Boden,  im  Kreis  nmher  gelegt, 
s.  Tb.  von  grossen  Feldsteinen  geschützt,  fünf  Skelette.  Bei  dem  ersten 
Skelet  lagen  ein  goldenes  Stirnband  mit  zwei  milanderartigen  Streifen ,  ein 
schüD  verzierter  Dolch  altitnliscber  (V)  Arbeit,  Eisenklinge  in  Bronzescheide, 
eine  sehr  grosse  eiserne  Lanze,  zwei  kleinere  solcher  Lanvien,  ein  hohler 
eiserner  Keil,  ein  gar  zierlich  dorcbbrocbeDea.Gürtelbeschläg  und  reiches 
herrliches  Pferdsgeschirr  von  Bronze  (z.  Th.  noch  mit  Lederresteu),  ein 
kleiner  eiserner  Schlüssel,  sodann  Theile  eines  Wagens,  eiserne  Radreife  und 
Nebenkapseln.  Beim  zweiten  Skelet  lagen  ein  goldenes  Stirnband  mit 
zwei  Perlstreifen,  ein  enggestreiftes  Gürtelblech  und  eine  Eiseolanze.  Beim 
dritten  Skelet,  das  mit  einem  3 '/e  Fusa  langen  Steine  bedeckt  war,  fanden 
aioh  ein  glattes  goldenes  Stirnband,  ein  goldenes  Armband  mit  zwei  Perl- 
streifen, ein  prächtiger  Dolch,  dem  oben  genannten  ähnlich,  nur  noch  reicher, 
Eisenklinge  in  Hronzesoheide,  ein  gestreiftes  Gürtelbeschläg  und  eine  Fibel 
von  Bronze,  diese  mit  eingelegten  Pasten,  Beim  vierten  Skelet  lagen  ein 
goldenes  Stirnband  mit  Peilreihcn  und  eine  Bronzeiibel;  beim  fünften 
Skelet  ein  goldenes,  wieder  geperltes  Armband,  wie  alle  übrigen  Goldsachen 
ans  Goldblech,  ein  grosser  geknoteter  Bronzering,  an  dem  kleine  Ringe 
hingen  einige  schöne  Fibeln  und  ein  kleines  zartes  Gürtelbeschläg  von 
Bronze,  ein  thönerner  Spinnwirtel  und  mehrere  mit  Schmelzperlen  besetzte 
Bernsteinkugeln  an  Bronzestiften  (ohne  Zweifel  Haarnadeln).  In  der  Niihe 
eines  jeden  Skelets  lag  ausserdem  noch  ein  runder  eherner  Kessel,  der 
gröBste  22  cm  hoch  und  53  cm  im  Durchmesser.  Auf  der  Solde  des  Hügels 
war  sodann,  etwas  über  dem  gewachsenen  Boden  erhöht,  eine  24  Fuss  im 
Durchmesser  haltende  Brandplatte,  und  auf  ihr  lagen  gewiss  hondert  thö- 
nerne  Webergewichte  (5  —  6  Zoll  hohe,  an  der  Spitze  durchbohrte  Thon- 
kegel).  Unter  der  Brandplatte  trafen  wir,  3  Fuss  tief  in  den  gewachsenen 
Boxlen  eingesenkt,  eine  saaber  geroachte  rechteckige  Vertiefung  (Grabkammer), 
15  F.  lang,  12*/«  F.  breit,  mit  einer  der  schmäleren  Seiten  gegen  Südosten 
gerichtet,  auf  dem  Boden  und  an  den  Wänden  sorgsam  mit  Uolzhrettem 
ausgeschlagen;  auch  darüber  her  waren  Reste  von  Brettern.  Die  vier  Ecken 
der  Grabkammer  raarkirten  sich  oben  durch  vier  grosse  Feldsteine  and  in 
ihr  lagen,  mit  den  Köpfen  gegen  Südosten,  drei  menschliche  Gerippe.  Das 
mittlere,  ein  alter  Mann  mit  einer  Narbe  am  Schädel,  hutte  an  der  rechten 
Seite  einen  eisernen  Dolch  in  Eisenscheide  mit  Bronzeköpfen,  zu  seinen 
Fassen  eine  grobe  dunkelbraune  Urne  aus  Thon,  mit  einem  Erzring,  Asche 
und  verbrannten  Knochen.  Ihm  zur  Linken  lag  ein  jugendliches  weibliobea 
Skelet,  mit  einem  ßemsteinschmuck  um  den  Hals,  bestehend  aus  einer  recht- 
eckigen, halbmondförmigen  und  spatenförmigen  Tafel ;  an  ihrer  linken  Seite 


Miseellea. 


fanden  sich  eine  bronzene  und  drei  eiserne  Lanzenspitzen,  zu  ihren  Ffissen 
der  Schilde!  eines  Pferdes.  Zur  Rechten  des  mittleren  Skelets  lag  ein  drittes, 
wahrscheinlich  auch  weibliches,  mit  fast  ganz  vergangenem  SchüdeL  Das- 
selhe  war  in  ein  rnit  breiten  golddurchwirkten  Säumen  versehenes  Gewand 
gehüllt,  wovon  sich  noch  ein  handgroases  Stück  des  Gewandes  selbst  und 
eine  betrüchÜicbe  Anzahl  von  ganz  kleinen,  ÜDsaerst  zierlichen  goldenen 
Zängcben  und  Knöpfchen  erhielt;  in  der  Hülsgegeod  fanden  sich  zwei  grosse 
rechteckige  Bernsteinplatten,  eine  davon  zwei  Zoll  lang,  und  mehrere  klei- 
nere  eherne  Ringe;  auch  zeigte  sich  der  Holzboden,  auf  dem  die  Gerippe 
ruhten,  bedeckt  mit  Resten  von  ehernen  Plättchen,  Fibeln  eCc  Ausserdem 
war  der  ganze  ITUgel  unregel massig  durchsprengt  von  Thirrknochen  (meistens 
vom  Schwein,  Rind  und  Schaf)^  Scherben  von  Tbongefössun,  manche  äusserst 
fein  und  sehr  fest  gebrannt,  theils  ganz  schwarz,  theils  auf  der  Ausaenseite 
roth,  auf  der  innern  und  im  Bruche  schwarz,  die  feinsten  von  weisslicher 
Grundfarbe  und  mit  rothen  Lin^amenton  bemalt;  auch  Fragmente  von 
gröberen  Gefassen  mit  eingeritzten  Verzierungen  kamen  vor,  und  gegen  den 
Nordrand  des  Hügels  bin  stand  auf  dem  gewachsenen  Boden  eine  höchst 
elcf^aut  geformte,  aussen  roth  gcfiirbte  Urne.  Ueberdiea  waren  im  Hügel 
verstreut  Röhrchen  von  Bein,  1 — 3  Zoll  lang,  eine-s  auch  von  Bernstein, 
zierliche  Fibeln,  Haarnadeln,  Ringe,  Ringlein  und  Knöpfchen  aus  Bronxe, 
farbige  Thonperlen  etc. 

Der  daneben  liegende  Hügel,  mit  220  Fuss  unterem  Durchmeaser  bei 
etwa  24  Fuss  Höhe,  enthielt  auf  dem  gewachsenen  Boden  gegen  Süden  hin 
eine  7  Fusa  im  Durchmesser  haltende  iSrandplatte,  daneben  in  der  Mitte 
des  Hügels  eine  gegen  3  Fuss  tiefe,  wieder  in  den  gewachsenen  Boden  ein- 
gesenkte und  mit  Brettern  ausgeschlagene  Grabkaramer,  1 1  F.  lang,  7,  F- 
breit,  gegen  Süden  gerichtet;  diese  beherbergte  zwei  stark  vergangene  Ske- 
lette, Köpfe  gegen  Norden  (?),  dabei  Reste  von  Eisen waffen  nnd  Brouze- 
gegenständen.  Oben  im  Hügel  aber  traf  man,  nicht  weit  nnter  der  Ober- 
fläche, einige  grosse  Kessel,  schön  geränderte  Teller  aus  Bronze  nnd  Rest« 
von  kleineren  Bronzeschüsseln,  einen  schünen  Pfeil  und  einen  Leibring  von 
Bronze  ans  Kettengliedern.  Daneben  waren  wieder  dieselben  Gegenstände 
wie  im  erstheschriebenen  Hügel  eingestreut.  Auch  zeigten  sich  bei  1  Meter 
unter  der  Oberüäche  des  Hügels  mantel förmig  gelagerte  Schichten,  schwarz 
von  Asche,  Kohle,  Thierknochen,  Thierzähnen  und  Thonscherben. 

Dieselben  Schichten  zeigte  der  dritte  der  geöffneten  Hügel.  Genau 
in  der  Mitte  des  210  Fuss  (60  Meter)  im  Durchmesser  haltenden,  13  Fusa 
hohen  Grabhügels  fond  sich  wieder,  kaum  1 V*  Fuss  tief  in  den  gewach- 
■senen  Boden  eingetieft,  eine  auf  allen  Seiten  von  Brettern  umgebene,  gegen 
Südost  gerichtete  Grabkammer,  9  F.  lang  und  über  5  F.  breit.    Die  Bretter 


Miscellen. 


198 


dea  Bodens  waren  mit  dünnem  Bronzeblech  überzogen    und  Iiieranf  ruhte, 

mit  dem   Haupt  gegeu  Südost,   das   stark  vermoderte  Skelet  eines  Mannes, 

mit  Resten    von  Eisenwaffen    (Dolch  und  Lanze),    einer    zierlichen  Bronze- 

j      fibel  and  Theilen  eines  Fingerrings  von  demselben  Metall  mit  eingesetztem 

^HBernstein.    Seitwärts,  nordöstlich  über  diesem  Grab  .lag  ein  zweites  Skelet, 

^^hne  Beigaben    und    ohne  Umriiedigiirig,    mit    dem   Kopf    ebenfalls    gegen 

^■Südost;  es  gehörte  wohl  einem  Sklaven  an.    Noben  der  Grabkainnier  dehnte 

sich  auf  dem  gewachsenen  Boden  gegen  Westen  eine  7  F.  im  Durchmesser 

haltende  Brnndplatte  auB;  höher  oben,  S'/i  F.  (I  Meter)  unter  der  Spitze 

dea  Hügels,  war  eine  zweite. 

Wahrend  das  eigentliche  Grab  so  tief  im  Schosse  des  kolossalen  Hügels 
verborgen  war,  zeigten  sich  die  beigegebenen  Spenden  fast  alle  gegen  die 
Oberääche  des  Hügels  hin ;  man  stiess  nämlich  bei  der  Tiefe  von  nur  30  cm 
auf  grosse,  3 — 4  m  von  einander  entfernte  Feldsteine  (Findlinge),  die  in 
einem  Kreis,  gerade  halb  so  weit  als  der  Umfang  des  Hügels,  umher- 
gelegt waren,  und  unter  diesen  Steinen  auf  verschiedene,  zum  Theil  werth- 
volle  GegonstÄnde,  die,  wie  es  scheint,  dem  Bestatteten  als  Angedenken 
in'a  Grab  gegeben  wurden;  so  lagen  in  dem  Kreis  gegen  Westen  zwei 
^BObrriuge  und  eine  Fibel  von  Bronze,  gegen  Nordwesten  verschiedene,  zum 
Theil  rohe  Thongefässe,  gegen  Norden  Dolch  und  Lanze  von  Eisen,  gegen 
Nordosten  ein  geriefter  Eimer  von  Bronze  von  seltener  Grösse  und  Schön- 
heit, mit  zwei  angenieteten  Henkeln,  32  cm  hoch  und  35  cm  weit.  Derselbe 
war  höchst  sorgfältig  in  Pfosnud  gesetzt  und  auf  allen  Seiten  durch  Holz- 

Pbretter  geschützt.     Weiter  lag  in  dem  genannten  Steinkreis  gegen  Südosten 
neben    einer   Eisenlanze    ein    grosser    altgeflickter   (genieteter)  Kessel    von 
Bronze,  23  cm  hoch,  50  cm  weit,    ebenfalls   in  Pfosand   gesetzt  und  durch 
Brettchen  geschützt,    und   vollständig  gleich  denjenigen  Bronzekegsein,    die 
man  in  den  zwei  eben  beschriebenen  HOgeln  entdeckte;  gegen  Süden  lagen 
sodann    ein  schöner,    aas   Kettengliedein    zusammengesetzter  Leibring    von 
Bronze,    wie  ebenfalls  einer    in   dem  zweiten  Hügel    gefunden    wurde,    ein 
glatter  Bronzering  (Armring)  und    ein   Spinnwirtel    von  Thon.     Ausserdem 
^_War  Nichts  im  Hügel  zu  finden,  als  regellos  zerstreut    einige  Kleinigkeiten 
^^on  Bronze,  Reste  von  Fibeln,  Haarnadeln,  Enöpfchen,    kleine  Ringe   etc., 
and  allenthalben  zahlreiche  Fragmente   yon  Thongefassen.     Letztere    boten 
eine  grosse  Auswahl,  von  den  gröbsten  und  rauhesten  bis  zu  sehr  dünnen  und 
feinen;    beinahe  alle  im  Bruche  schwarz,    mit    Kohlenstaub    vermengt;    sie 
waren  zum  Theil  auf   beiden  Oberflächen    glänzend    schwarz,    dann    innen 
^Kpohwarz  oder  grau  und  aussen  sehr  schön  roth,  oft  auch  weisslich  und  mit 
^■rothen  Streifen  bemalt ;  Ornamentik  durch  eingedrückte  Punkte,  Linien  etc. 
war  verhöltnissmässig  selten. 

IS 


(Mi- 


Blgoi  mt  Qock  WMrtttMtt  uaa  nisst  b«t  »)0  Fl 
14  FuBÄbe.     E«  iMlinEinl  wiitil  ketsoDZi 
Idi^HteHs^l  mit  dm  ?  ^efettni  nd 
OKi  BCTBilcmeriuBii^   eüw  Begnbnisastitie  tob  Föntei  war.   vai 

vcrdcK  dkielhen  in  <kr  HeonelNizg  g«vobnt  haboi.  gerade  vor 
«wilder,  gftfichiBM  tot  ihren  Thonn,  «^lene  tr?«^t^  oad  vökkm  aäekthana 
aii^grä&<r  aaigwchüitct  aial. 

Cm  achiM  aa  sc^  als  aoeh  dnrdi  aöae  Äehaüfcitkai  aik  den  BoadBr^ 
wmffx  Fnadea  hnrhrt  vertliToUer  weiteiet  Grak&ägdfiaai  «nrde  iiiTa«a 
Wm^a  Aftü.  l'^Tl  m  der  Nähe  tob  Ladvigsbarg.  aaf  der  Matkmg 
ffliiigf*li*n.  gtmmAt.  Der  sdfeöogefon^e  Hä;gH>  ^^^  sog-  ^JBeille  Bouse*^. 
■ff  IT.>  FiBK  BBtcreB  Darekiaeaser  bei  etwa  18  Fasi  ELöhe.  Besrt  gaaa  «af 
«ier  Aafa^lie,  em«  Tiertcjstaade  vestlkk  tob  Ludwigsbazg.  and  gevälut 
aatk  »Bai  ^mtai  die  henfidute  Fgaakkt.  Ihtrch  die  Exnsetzaa^  irnna 
ffmmmti  Wa«Mr&<!JxiIten  ßr  <£«;  Stadt  Lodaigsbarg  enlttelfcy  sieh  ds  aas 
fUHm.  «««nfriBen  Leiia  ao^c&krte  Högei  ak  em  GrabkigaL  Man  fiwui 
lA  MÜsür  Mite«  aof  dm  gevscin^eD  Bodm,  gewölbartzg  vaa  ju-aeaea 
fftadttAauoL  h«itu!kt^  eia  äekit,  iat  Rackteck  voa  Holadielea  amgeben»  and 
'tetiAi  «u  ^npffritee  Stirn-  ood  em  glattai  Armband  soa  Golifi^ack.  mn 
T^rwiluwln  iäa^ek  nät  dcaan  aas  dem  Haadersinger  BigeL  «man  ptiabtiig 
uwittrtftn.   bernften    zvoacbneifigeB   IMek.   (Etaeakfiag« 


Miscellen. 


196 


eiDst  mit  zahlreich  eingesetzteu  Bernsteinen  (wohl  auch  altitaliscVie  Arbeit), 
ein  mehrfarbiges  Glasfläschchen,  noch  viele,  mitunter  wohl  erhaltene  Theile 
eines  mit  Kupferblech  überzogenen  reichverzierten  vierräderigen  Wagens 
sammt  sehr  schönem  bronzenem  Pferdegeschirr«  dann  eiserue  Ketten,  Rad- 
schieuen  und  Nebenkapaetn,  sowie  Eisentheile  vom  Wagengestell,  zum  Theil 
noch  mit  Stoff  bezogen,  und  Reste  eines  geriefbeu  Eimers,  eines  Kessels 
und  eines  Tellers  von  Bronze  mit  Perlrand,  wieder  ganz  ähnlich  dem  liei 
Hundersingen  aufgedeckten.  Daueben  war,  gegen  Osten,  l.^JO  Meter  in  den 
Boden,  5,30  Meter  im  Geviert  eingetieft,  auch  von  vielen  grossen  Feld- 
steinen bedeckt,  auf  dem  ßodcu  mit  Holzbrettern  ansgeschiigen,  ein  zweites 
Grab  mit  sehr  vergangenen  Resten  von  Brouae-  und  Eisengegenständeu, 
schönem  DolchgvitT,  zwei  schmale»  Bemsteinplättchen,  einem  gemodelten 
Goldplüttchen,  bronzenen  Thierfigürchen :  zwei  Pfauen  und  ein  Pferdchen 
mit  Theilen  eines  Reiters.  Von  Brandplattea,  Thierknochen,  Scherben  fand 
sich  nichts  im  Hügel.  (Silmmtltche  hier  beschriebene  Funde  jetzt  im  Museum 
vaterländischer  Alterthümer  in  Stuttgart.) 

DasB  hier  wieder  ein  Fürstengrab  vorliegt,  ist  unstreitig,  und  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  hausteu  diese  Fürsten  auf  dem  benachbarten 
Aaberg,  dem  einsam,  schroff  und  weithin  beherrschend  über  der  so  frucht- 
baren Ackerlandebene  aufsteigenden  felsigen  Berg,  als  auf  ihrer  festen  Heu- 
nehurg.  Ein  ähnlich  grosser  und  schön  geformter  Hügel  (Grabhügel),  da« 
■og,  kleine  „Ashergle",  erhebt  sich,  von  drei  kleineren  Hügeln  uuigebeu, 
V4  Stunde  südlich  vom  Asherg,  nahe  dem  westlichen  Saume  des  „Osterholzes''. 

Hier  mögen  sich  einige  Angaben  über  weitere  Heidenschanzeu  und 
Heuneburgen  unseres  Landes  anschliessen.  Einen  Blick  in  eine  unge- 
ahnt groasartige,  räthselvotle  Welt  eröffnet  uns  die  Betrachtung  jener  weit 
ausgedehnten  Befestigungen,  jener  Heidenschanzen  und  Heuneburgen  (Riesen- 
burgen), die  entweder  auf  felsig  vortretenden  ßergzungen  oder  auch  auf 
ganz  freistehenden  schwer  zugänglichen  Bergen  aufgeführt  worden  sind, 
s.  Tb.  mit  drei-  oder  mehrfachen  Umwallungen  aus  Erde  oder  aus  Erde 
mit  Steinen  oder  auch  ganz  aus  grossen  Steiublöcken.  Wir  könnten  bereits 
in  Württemberg  über  50  solclier  uralten  Vesten  namhaft  machen,  doch  ist 
bis  jetst  kaum  eine  oder  die  andere  eingehend  untersucht  worden,  denn 
dieses  ist,  weil  die  meisten  sehr  gross  und  dabei  dicht  mit  Wald  bedeckt 
aind,  eine  sehr  schwierige  und  zeitruubende  Sache.  Im  Folgenden  gebe 
ich  Andeutungen  über  diejenigen,  die  ich  in  den  letzten  zwei  Jahren  be- 
sichtigte, sie  theils  entdeckend,  theils  die  Beschreibang  derselben  richtiger 
stellend.  Die  t.HeuDeburg"  bei  Hundersingen,  OA.  Riedlingen,  wui'de 
schon  oben  beschrieben. 

Eine  zweite  ,,Heuneburg*'  liegt  drei  Stuadeu  südlich  davon  auf  der 


IS 


Alb,  ta  itigiiliaiMi  I   Ge^e^  harn  Zammm^mimm  ia 
^■ger  aad  Waldctetter  TWka,  xwmat  tMfar,«««  FAhböbcb  {^ 
i)  mmi  StMem   WaUmagem 
*■  vd  trob%rte  aOcr  dKcMer  T« 

■  FKc^  kl  «iMB  rMTMk  VW  «t«m  1900  Tmm 

StomraD  ■■£■■*,  d«  _  _ 
■  BflitdlM  maljictlilixvfc,    gegea  aBHaB  alb«v  •■ 
ly  aHlclutig,   au  Thal   Mt   is  «be  Tlife  «m  M  F^  ia 
iil  mJ  d«B  AvgTVÜB-   &at 


Fri- 


Nor    V«    Stsadea    iJilaialBih    tob  dieser  flfaehig   hegl  aaf  der 

■  S^to  de»  Fridiager  Thaki  «ae  ikaSkO»,  dnÜMfa  wa  QrtbM 
ud  BnivÜlM  ynffliwi  Tau»,  dw  ^It«  Barg^,  oad  Vs— >  1|  ■■  ^w 
«M  dM  dni  Bugen  endfignt  BegC  (aaha  bei  Rwdbgeo)  der  „OaUrbetg**. 

FeriMr  ta  de«  ■neiiil  Mirrhtbal  ia  ihi  rTiiMiillial  ■niMbaiVii  UrtM 
IM  «bei*  sidi  gmide  ftber  ladelbanawi,  im  !f>lbfcr«ii  nm  der  Laator 
^AU•H»TiIlfea^  «ae  bfcbii  g»o— atjee,  McbgvtevUtaM 
Die  Kvff  wird  aiafidi  rirhltfUg  aaMcUoeaea  von  boka 
^IdbwH.  der  beOia^  ISOO  Fan  kag  «ad  1000  Fiaa  breit  iiL  Aader 
ttatiitrr,  di»  jib,  docb  aiebt  mA  Mitnibtiiii  Febea,  wia  in  Xardea  wai 
Sadwii  abfiUBt,  leg«a  neb  vor  daa  StaiBwaO,  aebm  ab  Abfcaag,  cvci  tW« 
GitbMU  Dar  F«ad  balte  aa  der  WaetMÜe  drei  Graben  and  vier  WiMf 
m  tbanebreitaa. 

DiaMa  gaaahigta  ▼iiuuliawmii  w  StdObaog  der  aebwibiNhaa 
Alb  ^atipwcbai  jmd  Notdraad  im  Oriiägai  aocb  Mahagniahere;  ao  bä 
Or»beBatetlea  und  ErkeabrecKtsveiler  bei  Uta^  Rier  maachfiiaiHi 
dii  3<ki>«inii  «UM  FlAeb«  roa  etwa  V«  Büwitniidai  Breite  und  1',^  Bei»> 
Mtandm  Ui««  (I  ■tm«nli.  Käwrtandn  =  10,000  ».  Vim.)  Ein  gaam 
Volk  aaflunt  U«««^]««  aad  aiMUgir  Habe  fimd  bier  ZaHaebt,  aedi  beul» 
Mt«|tt  «t*«"  XiV  <^  at^taaaalai  lliiidMyal^fBi  das  Stanaea  dee  Waaderen, 
BB  rM«M  SNltaük  f«a  dw  Wankroae  Ue  aar  GrabcaeoUe,  35  F^iae  hoch; 
•r  U^iMl  t«  9i<^  ^  ^^  ^'«M  BUiliüumM  Scblattst«lter  Felsentba!  and 
i»^\  bitt  Ml  daa  Ftfsaatraaf  d«  KeaSawr  Tliales,  zweimal  aaf  seineni 
tm  *^  «*(^  StrwkBB  «aa  «■«■  jibai  Gewirr  Ma^ger  Schluchten  darcb- 
bravbiM,  «ad  in  «iMr  litugi,  &  beiden  S^kicMengebiete  abgerechnet, 
«aa  lejun  MOO  S^blitlM;  aad  iweinal  föhres  doreh  den  Wall  Doch  woM- 
«b^H*«»  Ki»»gAB»*  »»t  9*9»  «M«  laafcadeB  etwa  100  Fuas  lange»,  wie 
•a*  Krd«  «B%«worlea«B  Tborfifigeln.  Dieee  letzte,  rings  von 
RkiViik   iMMiBkti*  Bigiiaiga  war  die  letzte  und  sicherste  Zu* 


MiBcellea. 


197 


locht.  Innerhalb  des  Heiflengrnbens  bestanden  früher  Grabhügel  und  fand 
man  schon  in  den  Feldern  goldene  KegenbogenscbässelcheD,  Bronzewafieii 
und  Bronzescbmuck. 

Gehen  wir  am  Nordrande  der  schwäbischen  Alb  abwärts  bis  zur 
Gegend  von  Ileubach  im  Oberamt  Gmünd,  so  finden  wir  «huliche  Ver- 
Bchanzungen:  auf  dem  südlich  vom  Rosensteinb  erg  sich  erhebenden 
i^Hochberg"  soll  früher  das  alte  [leabach,  die  ,,Hochatatt''  gestanden  sein. 
An  der  einzig  mit  dem  übrigen  Gebirge  durch  einen  tieferen  Sattel  »a- 
samnieuhfiDgenden  Südostsette  des  Hochberges  ziehen,  schon  am  Abhang 
(um  den  Wällen  eine  imposantore  Hübe  zu  geben)  zwei  Gräben  mit  Wallen 
noch  wohlerhalten  hin.  Die  Höhe  von  der  Wnllkrone  bis  zur  Grabensohle 
beträgt  14Fuss;  hinter  den  Schanzen  dehnt  sich  eine  schöne  eirunde  gegen 
'/«  Stunde  lange  und  Vs  Stunde  breite  Hochllüche  aus,  auf  der  wohl  eine 
Stadt  Raum  hatte.  —  Noch  viel  geräumiger  aber  ist  das  Plateau  des  Bosen- 
steinberges,  über  ^/g  Stunden  lang,  '/'»  Stunde  breit;  rings  mit  anerateig- 
Uchen  Felsen,  berührt  es  nur  durch  eine  schmale  I/nndengc»  beim  Unstern 
Loch,  das  übrige  Gebirge.  Diese  Landenge  ist  zweifach  durch  sehr  starke 
Graben  und  Wälle  verschanzt. 

Gehen  wir  weiter,  weit  nordwärts  ins  Tauberthal;  hier  tritt  in 
der  Nähe  von  Tauberzeil  auf  der  linken  Seite  des  Thaies  ein  auf  drei 
Seiten  freier  Berg  wildscbroflf  hervor  und  trägt  oben  auf  seiner  über  "/a 
Standen  (6700  w.  Pubs)  langen  und  über  Vs  Stunde  (2700  Fuss)  breiten 
Fläche  eine  der  grossartigsten  Verschanzungen ,  die  den  jetzigen  Weiler 
,,Burgatair'  umsohliessen. 

Auf  der  vierten  (westlichen)  mit  dem  übrigen  Terrain  zusammen- 
hängenden Seite  dringt  auf  beiden  Seiten  je  eine  felsige  Schlacht  gegen  das 
Geßlde  herein  and  ihre  Enden  sind  verbunden  durch  einen  sehr  tiefen  und 
breiten  Graben,  hinter  dem  sich  ein  mächtiger,  an  der  Aossenseite  mit 
einer  Bärme  versehener  Erdwall  hinzieht. 

Eine  weiter  höchst  interessante  Verachanzung  findet  eich  im  Oberamt 
Heidenheim,  auf  dem  an  drei  Seiten  von  der  Brenz  umilossenen  Buigen- 
berg.  Gegen  Süden,  wo  derselbe  steil,  aber  nicht  mit  Felsen  sich  in  das 
Thal  hinabwölbt,  zieht  oben  am  Abhang  im  Halbmond  Ciraben  und  Wall 
in  starken  Dimensionen  umher,  Wallbreite  50 — 60  Fuss,  bei  entsprechender 
Höbe,  weiterhin  gegen  Osten  und  Westen  verläuft  sich  der  Wall,  denn  hier 
Bind  die  jäh  abfallenden  felsigen  Bergesflanken  durch  Geröllmassen  vollends 
nnersteiglich  gemacht.  Gegen  Norden  aber,  wo  die  ziemlich  schmale  Berg- 
zunge eben  weiter  läuft,  reicht  querüber  von  Hang  zu  Hang  eine  ganz  ge- 
waltige Vertheidigungslinic,  zweimal  mit  Wall  und  Graben,  in  einer  Länge 
▼OD  500  Fuss  und  einer  Qesammtbreite  von  240  Fuss,  wovon  90  Foss  auf 


10S 


Hisocllen. 


il«n  Durohmeeser  des  inneren  Wslles,  150  fuss  auf  die  übrigen  2  Gräben 
und  dnn  WaII  dazwischen  entfiillen.  Die  Wälle  bestehen  aas  St«inen  mit 
tttwai  Grda;  die  Höhe  des  grossem  beträgt  von  der  Grabensohle  aas  25  Fom, 
gfgan  innen  15  Faas,  die  Höhe  des  äosseren  Walles  toq  der  Grabensohle 
12  KiiDH.  Die  Llüige  des  uoiwallten  Raumes  beträgt  etwa  1400  Fass  bei 
600  Fnm  Breite.  —  Sollte  sich  durch  Nachgrabungen  meine  Vermuthong 
btiwahrheiten,  so  hätten  wir  den,  wohl  auch  an  andern  ähnlichen  Werken 
nicht  iinnchwer  zu  führenden  Beweis,  dass  dieselben  bis  zum  Einbruch  der 
ilöiner  als  Zuduchts-  und  Vertheidigungsorte  benutzt  wurden. 

Znm  Schlüsse  sei  noch  des  schon  auf  bayerischem  Boden  liegenden, 
Abor  w«it  ins  Wiirttcmberger  Land  hinelnschaaenden  Heselberges  Er^ 
wfihnnng  gethan,  jenes  am  Nordende  des  RieseR  inselartig  aufsteigenden 
iiiirgxtigos  (aus  Jurakalk),  der  das  lief  uuteu  liegende  fruchtbare  Land  be- 
liNrmebead  überragt  und  von  dessen  Scheitel  aus  man  nach  allen  Seiten 
bin  ein«  fast  unbegrenzte  Aussicht,  vom  Hohenstaafen  bis  zu  der  Borg 
Vtm  Nürnberg,  geniesst.  Der  Berg  ist,  namentlich  gegen  oben,  vollständig 
bäum-  und  atrauchlos  und  bildet  drei  von  Westen  nach  Osten  lang  hin- 
•ichrndo  RUcken.  Die  gsoze  grosse,  noch  voUttändig  umwallte  Bergääche, 
auf  der  kein  Strauch,  nur  niedere  Weide,  fiaud  ich  überall  mit  Scherben 
von  lohwkfxeD  Geschirren  bedenkt;  wo  der  Boden  leicht  angerissen  war, 
tratao  noch  mehr  zu  Tage,  ein«  ganz  oberrseobeod  grosse  Menge,  genau 
wie  auf  dem  viel  kleineren  Plateau  des  Ipfs  bei  Bopfingea,  der  mit  seinem 
knhlen  Haupt  nnd  seinem  starken  Yerschaozungsgürtel  zu  mir  herüber* 
winkt«.  Auch  in  der  Nähe  des  Ipfs,  '/«  Stunde  südöstlich  davon,  liegt 
•In  „Otterbola".  Ueber  den  Ipf  und  seine  Schanzen  a.  SchrifleD  dea  W. 
Alterthumavereins,  Band  II.  H.  2,  1875.  —  Beide  Berge  waren  gewin 
ballig,  waren  Opferplätze,  aber  auch  gewaltige  Volksburgen  in  Zeiten  der 
Kotb.  — '  Auf  dem  mittleren  der  drei  Hochräcken  dea  Heeelbergee  sind 
Spuren  einer  ausgedehnten  («juadratiscben)  Verscbanzung,  doch  lang  nicht 
•o  gut  orhaltem.  Jeden  Sommer  wird  auf  dem  Berge,  innerhalb  der  Hanpt- 
vorachauzang,  ein  Markt  abgeh»It6n,  wo«  von  weit  her  alles  Volk  herauf- 
■trtfmt.  Auf  dem  Gipfel  des  Ipfs,  wo  nach  der  Volkeaige  ,,an»ere  beid- 
niaohen  Voreltarn  ihre  Götter  angebetet  und  Omen  OpCw  daigebraebt  haben'', 
bofing  man  noch  in  It^.  Jahrboodert  <Im  Ostermostagafieit  mit  groaea 
ZuImiI:  Seh. 


Jahresbericht  für  das  Vereinsjahr  1877  (resp.  Pfingsten   1877—78). 

(In  Bezug  auf  die  äussern  Verhältnisse  verblieb  die  Theilnabme  und 
die  Vermögenslage  uaseres  Vereins  in  dem  bisherigen  günstigen  Zu- 
stande. Der  Personalbestand  beläuft  sich  nach  der  Cassenführung  im 
Ganzen  auf  708  Mitglieder,  hat  also  wesentlich  gegen  das  Vorjahr, 
welches  deren  703  zählte,  keine  Veränderung  erfahren. 

Unter  den  22  durch  den  Tod  uns  entrissenen  Vereinsgenossen, 
Lden  Herren  von  Bethmanu-iloUweg  in  Berhn,  Bogen  in  Düren, 
■Boeninger  in  Duisburg,  Camphausen  in  Castellaun,  Conne- 
Wstabile    in  Perugia,    Kugelniann  in  Kreuznach,  Heimsoeth    in 

■  Bonn,  V.  d.  Heydt  in  Berlin,  Konopacki  in  Goblenz,  Leo- 
Hnardy  in  Trier,  Baiduin  von  Neufville  in  Bonn,  Nögge- 
Brath  in  Bonn,  von  Paulus  in  Stuttgart,  Rein  in  Crefeld,  Schoe- 
^mann   in  Trier,    G.  Stiunes  in  Mülheim   a.  d.  Ruhr,    Thyssen  in 

■  Limbui-g  a.  d.  Lahn,   Werner  in  Bonn,   Wilmanns    in  Strasaburg, 
Wohlers  in  Cöln,  Wolters  in  Halle,  Wurzer  in  Siegburg  —  sind 

Hder  Wissenschaft  hervorragende  Zierden,  dem  Rheinlaude  warme  und  ein- 
1  flttssreiche  Vertreter  seiner  Interessen,  unserem  Vereine  verdienstvolle 
Theilnehmer  und  Freunde  entrissen.  Was  Bethmann -Hollweg  in 
seiner  ethisch-ideal  angelegten  Natur  für  die  hiesige  Universität  als 
Curator,  für  das  gesamrate  Vaterland  in  seinen  verschiedenen  spätem 
Stellungen  gewirkt,  ist  bekannt;  wo  es  am  Rhein  allgemeine  Inter- 
essen, besonders  im  Gebiete  seiner  Wissenschaft  zu  vertreten  und  zu 
beleben  galt,  da  begegnet  man  der  immer  wohlwollenden,  immer  jugend- 
frischen Gestalt  unseres  im  90.  Jahre  heimgegangcnen  Vereinspräsi- 
denten Jacob  Nöggerath*].  Unvergessen  bleibt  bei  allen  mit  den 
musikalischen  Bestrebungen  unserer  Heimath  Verbundenen  Friedrich 


ll   Seinem  Andenken     isl   eine    von  H.  v.  Dachen    rerfasste  Sohrift  ge- 
widmet.   Bona,  Straues   1678. 


••X)      Jahreabericht  für  daa  Vorcinijahr  1877  (reap.  Pfingsten  1877—78). 

Heimsocths')  Amlcnkcu:  mit  der  Gründlichkeit  seines  philologischen 
Berufes  erwarb  er  sich  gleichraässige  Verdienste  im  Bereiche  der  Mu- 
sik wie  der  bildenden  Künste.  Fast  vom  Beginne  unseres  Vereins  an 
war  A.  Rein*)  ordentliches  Mitglied  und  auswärtiger  Secretär  desselben. 
Umfasseudes  Wissen,  seltene  Liebenswürdigkeit  und  reger  Eifer  zeich- 
neten den  ehemaligen  Director  der  Crefclder  Realschule  aus.  Die 
Verdienste  von  Wilmanns  um  die  romis^che  Epigrjiphik  hervorzu- 
heben, Cunnestabile's  Bedeutung  für  die  italienische  Archäologie 
zu  feiern;  das  dunkbare  Gedächtniss  für  unsern  ehemaligen  evangeL 
Pfarrer  hierselbst,  den  in  Halle  verstorbenen  Prof.  Wolters,  für 
den  um  Kreuznach's  Vorzeit  hochverdienten  Baumeister  Kngelmann, 
für  das  Wirken  des  Finanzraths  von  Paulus  in  Stuttgart  anzurufen, 
bedarf  es  hier  nicht.  Ihre  Verdienste  leben  ihnen  in  ihren  Kreisen 
nach,  wie  wir  ein  d;inkbares  Andenken  ihnen  l)ewahren. 

Unter  den  neu  hinzu  getretenen  Mitgliedern  gereicht  es  uns  zur 
ganz  besonderen  Freude,  Se.  Kaiserliche  und  Königliche  Hoheit  den 
Kronprinzen   des  deutschen  Reiches   uncJ    von  Preussen  begrüssen  zu 


1)  Wir  madien  die  Freunde  den  Verstorbenen  auf  den  in  der  Kölner 
Zeitang  vom  1.  Dez.  1877  3.  Bl.  erschienenen  Nekrolog  aufmerksam. 

'2)  Dr.  Anton  Kein,  geb.  1.  Mai  1804  in  Gera,  vo  sein  Vater  Director 
des  Gymnasiuma  war,  studierte  in  Halle  1822— 1826  Theol.  nnd  Philol.,  dann  ans- 
flchliesslich  Philologie.  Dort  sobloss  er  sich  mit  seinem  Freunde  Fr.  Ritsohl 
voraügUoh  an  Reissig  an  and  widmete  sich  zuerst  dem  Stadium  des  Cicero  nnd 
Plautus  mit  eigenen  Arbeiten.  Vom  päJagog.  Seminar  aus,  dessen  Mitglied  er 
schon  1823  geworden  war,  ging  er  in  eine  ordentl.  Lehrerstelle  am  Pädagogium 
1826  über  und  blieb  in  derselben  sechs  Jahre.  1832  folgte  er  einem  Rufe  als 
Rcctor  der  höheren  Stadtschule  (Realschule)  nach  Crefcld  und  entwickelte  als 
solcher  eine  segensreiche  Thätigkeit,  welche  sich  nicht  btos  der  Bildung  der 
seiner  Anstalt  anvertrauten  Jugend,  sondern  auch  der  geistigen  Anregung  der 
gesammten  Bevölkerung  zuwandte.  Als  ULeiuländer  interessierte  er  sich  nun 
auch  allmählich  immer  mehr  für  die  Archäologie  und  Geschichte  der  Proviiu; 
seine  Abhandlungen  sind  theils  in  den  Jahrb.,  tbeils  in  den  Schulprogrammen 
und  auch  im  Bulletino  arch.  („De  pbaleris")  erschienen-  In  weiteren  Kreisen 
Interesse  für  die  Geschichte  und  Alterthümer  des  Rheinlandes  zu  erwecken  ist 
■ein  stetes  Streben  gewesen,  und  bei  Anfragen  war  er  der  liebenswürdige  be- 
antworter, welcher  gern  auf  alles  einging.  —  1866  nöthigte  ihn  ein  körperliches 
Leiden  in  den  Rnhestand  zu  treten.  Seine  geistige  Beschäftigung  war  seit- 
dem hauptsächlich  der  rheinischen  Archäologie,  dem  Crefeldcr  historischen 
Laseverein  und  dem  wissensohaftL  Vortragsrerein  gewidmet.  Von  dem  immer 
mehr  zunehmenden  Leiden  erlöste  ihn  der  Tod  am  11.  Juni  1877, 


Jahresbericht  für  das  Vereiusjahr  1877  Ircsp.  Pfingsten  1877—78).       201 


dürfen.    Hüchstrterselbe   richtete   an   den  Vorstand   das   nnchfolgende 
gnädige  Uandschreiben : 

„Dem  Vorstande  danke  ich  aufrichtig  für  seine  willküinincne  Sen- 
dung und  freue  mich  besonders  des  mit  überreichten  Diploms, 
welches  meine  Zugehörigkeit  zu  einem  Vereine  bekundet,  dessen 
von  echt  vaterländischem  Sinne  getragenes  Wirken  stets  meiner 
lebhaften  Theilnahmo  gewiss  sein  darf.    Berlin,  4.  Februar  1878. 

Friedrich  Wilhelm,  Kronprinz. 
An  den  Vorstand  des  Vereins  von  Alterüitimsfreunden  im  Uheiiilandc." 
Das  unseren  Interessen  gewährte  freundliche  Entgegenkommen 
der  Herren  Ministerial-Director  Greiff  und  Geh.  Oberregierangsrath 
Dr.  Rieh.  Schöne,  beide  Käthe  im  Ministerium  der  geistl.,  Unterrichts- 
und Medicinal-Angelegenheilen  zu  Berlin,  gab  dem  Vorstande  die  willkom- 
mene Veranlassung,  auch  diese  beiden  Herren  unter  unsere  Ehrenmit- 
glieder aufzunehmen. 

Als  ordentliche  Mitglieder  wurden  aufgeuoinmen: 
Ihre  Königl.  Hoheit  die  Frau  Gräfin  von  Flandern;  Freiherr  von 
Landsberg,  Prov.-Director  in  Düsseldorf;  Prof.  Zangenmeister 
in  Heidelberg;  Kobert  Becher  in  Cöln;  Baudirector  Alt  mann 
in  CöId;  Bürgermeister  Bender  io  Worringen;  die  Bibliothek  in 
Hamburg;  die  Stadtbibliothek  in  Trier;  Kreisrichter  Conrady 
in  Miltenberg;  die  Familie  Groen  van  Prinsterer  im  Haag; 
das  Gymnasium  in  Coostanz;  Hauptmann  von  Haeften  in 
Xanten;  Prov.-Schulrath  Höpfner  in  Goblenz;  Lieutenant  Hoyer 
in  Benrath;  Alexander  Hü  ff  er  in  Bonn;  Lundrath  Knebel 
in  Beckingen;  von  Mellentin  in  Bonn;  Oberpfarrer  Nagel- 
Bchmidt  in  Zülpich;  Apotheker  Pauls  in  Cornelimünster;  Dom- 
präbendar  Schneider  in  Mainz;  Fabrikbesitzer  Schlumberger 
in  Gebweiler;  das  Seminar  in  Soest;  Kaufmann  Simon  in  Kirn; 
Stadtbaumeister  Weyer  in  Cöln;  Rentner  Weyermann  auf 
Hagerhof;  lientmeister  und  Hauptmann  a.  D.  Wirtz  in  Harff;  Buch- 
händler Hanstein  in  Bonn;  Bürgermeister  aus'mWeerth  in  Stromberg. 
Die  Finanzen  des  Vereins  verblieben  im  verflossenen  Jahre 
in  gleich  günstigem  Zustande.  Während  im  vorigen  Jahre  in  runden 
Zahlen  ein  Baarbetrag  von  642  Mark  den  Abschluss  der  Rechnung 
bildete,  erhöhte  sich  derselbe  für  dieses  Jahr  auf  1268  Mark. 

Die  diesjährigen  Einnahmen  setzen  sich  zusammen  haupt- 
sächlich aus  diesem  Ueberschuss,  aus  5661  Mark  Jahresbeiträgen, 
462  Mark  Erlös  aus  Druckschriftenverkauf  und  diversen  kleinen  Ein- 


208      JtkrMbericht  Rr  das  Vereinsjsüir  1877  fretp.  PfiogviMi  1977—78). 

nahmen.  Die  rückständigen  und  wahrscheinlich  noch  dngehendea 
Einnahmen  belaufen  sich  lediglich  auf  noch  14  Jahresbettrige  mÜ 
126  llftH^  während  allerdings  8  Personen  wegen  andauernden  Nichts 
sahlens  aus  unseren  Listen  gestrichen  werden  mussten. 

Die  Ausgaben  beziiTem  sich  auf  5869  Mark,  die  sieh  folgen- 
JcnnMflCH  vertheilen: 

3386  Mark  für  Zeichnungen,  Lithographien  und  Hotechnitte,  fir 
BnchdnidE  resp.  f&r  die  Herstellung  der  Jahrb.  60  nnd  61  and  sweicr 
TiMi  mr  das  Jahrb.  62;  518  Blark  Honorare  an  die  MiUrbeiteri 
3dl  Mark  Bocfabinderarbeiten;  231  Mark  Anscbaffinigen  fbr  die 
BIMialhek,  106  Mark  für  .Ausfirrabnngen  in  Weingarten  und  Bredit, 
$66  Mark  (ikr  Reisen,  713  Mark  Verwdtangsinkosten.  Porti,  kkäe 
Anagaben  verschiedener  Art  und  300  Mark  Gebihren  f&r  die  Re»- 
dnuir. 

Die  kauenden  Geacfaifte  worden  in  21  VoistandssitnageB  eriedigL 

Ab  GesdMnke  haben  wir  dankbar  zn  veneichnM: 

t)  Fom  Freiherm  von  Diergardt  100  Mark  für  die  Anqgrn' 
kngeii  in  Brecht 

9)  VomMtnisteriaBdesCaltas.derUnterr.-a.  Med.-An^eL: 
Hölzermanns  nacfagdaaaeBe  LocalanteTsacboniea  der  Kriege 
der  Römer  und  DeatscheBr  Mendorf:  die  Tateriind.  AütBt- 
iMtaaer  von  ScUeswig-HnMein. 

S)  Ton  Dr.  Stille:  dessen  SehrÜI  aber  die  Legio. 

4)  Vom  Pbtiognpben  Hardt  fa  Unbug  a.  d.  Lahn-,  drei  Fb»- 
tografiMi  ans  den  dortigeai  Donwfbatr 

5)  Von  Bn.  Bd.  Herstatt:  zwei  pbotograpbiacbe  Talcta  rm 
daanM  rtwncben  Trinkgefiteaen  nüt  Insthiiften. 

6)  Tan  Hrn.  Director  Becker  tnFraakfnrt  a.  M.:  einige  GeaaK»- 
abdrtcfca. 

7)  V«  Brm.  OMMWtäenratb   Boeh    in  Meiiach:   GjpenhgaB 


Vwm9  litlerarische  Tbitigikcit  etsücille  sidh  aif  die  Ana^ 
gäbe  der  Hdle  «>,  «I  ani  «1. 

Die  beiden  AbhanÜMgei  vn  Stark  iber  des  Apolle  «en 
Speyer  and  Bane's  Fiiiiii  MsdiiBin  wvnta  aatBvdHi  werter  als 
nr  PigiiiiiiiL  der  m  gtUfbw  IST? 
in  Wiwbiifi  nn  dm  Ifiliieda^ 
QpA  «M  Dr.  Bann  bnMbaiMa  Wa^M»  dv  crIbb  m  H«ft« 


Jahresbericht  fär  das  Vereinsjahr  1877   fresp.  Pfingsten  1877—78). 


I diesem  Jahre  fertig  gestellt  und  unseren  Mitgliedern  übergeben  zu 
werden. 
Auch  im  verflossenen  Jahre  Imben  wir  das  Winckelniannsfest  wie 
stets  am  Abend  des  9.  Dezember  durch  eine  Festsitzung  gefeiert, 
in  welcher  neben  einer  Ausstellung  neuer  rheinischer  Funde  aus  dem 
Besitz  des  Provinzal- Museums  und  älterer  aus  dem  Nachlaas  des 
Prof.  Heimsoeth  resp.  seiner  Schwiegermutter,  der  uns  unvergesslichen 
Frau  Mertens-Schaaft'hausen,  die  Herren  Hofrath  Prof.  Urlichs  aus 
Würzburg  und  Ärchivrath  von  Eltester  aus  Coblenz  Vorträge 
hielten.  Ersterer  sprach  über  die  Entwicklung  des  römischen  Lebens 
am  Rhein,  letzterer  über  das  vorgezeigte  Balduineura,  jene  be- 
rühmte Handschrift  des  Coblenzcr  Staatsarchivs,  welche  in  einem 
Bilder-Cyclus  den  Römerzug  Kaiser  Heinrich  VH.  darstellt. 

Am  23.  Juni  d.  J.  trat  die  statutenmässige  General-Versammkmg 
unseres  Vereins  im  HiUel  „KaiserhoP'  hierselbst  unter  zahlreicher  Be- 
theiligung zusammen. 

IDer  Präsident   Prof.  aus'm  Weerth   eröffnete  dieselbe  mit 
nugefähr  folgenden  Worten:  „Es  ist  ein  Ehrenzeugniss  für  die  deutsche 
Geistesarbeit,  'lass  in  allen  Zeiten  patriotischer  Erhebung  die  Männer 
der  Wissenschaft   sich  an  der  Spitze  der  üfi'entlichen  Bewegung  befin- 
den.   Die   General- Versammlung    eines  Vereins,  der   schon   nach   den 
Freiheitskiüegen  vom  Fürsten  Hardenberg  in  Aussicht  genommen  wurde, 
um  durch  die  Sprache  der  Denkmäler  mitzuwirken  für  die  Erweckung 
und  Belebung  deutschen  Sinnes,  und  der  in  den  36  Jahren  seines  Be- 
stehens durch  seine  Schriften  und  die  Auffassung  des  Ilheinlaufes  vom 
^St.  Gotthard  bis  zum  Meere  als  eines  untrennbaren  historischen  Gebietes 
^beigetragen  hat  an  dem  mächtig  gewordenen  deutschen  Bewusstsein  — 
wird   im  gegenwärtigen  Augenblick  ihre  Verhandlungen  nur  mit  dem 
Zuruf  eröifnen  wollen;  Heil  und  Genesung  unserem  erretteten  Kaiser." 
Die  Versammlung  gab   darauf  durch   nachfolgendes  Telegramm 
Sr.  Majestät  ihre  Segenswünsche  kund: 

„Die  heute  zu  Bonn  tagende  General- Versammlung  des  seit  36 
„Jahren  für  die  Erforschung  der  grossen  deutschen  Vergangenheit 
„und  ihrer  Denkmäler  wirkenden  Vereins  von  Alterthumsfreunden 
„im  Rheinlande  bringt  Kaiser  Wilhelm,  dem  Wiederhersteller  des 
„deutschen  Reiches,  dem  allgelieblen  Hen^scher  unseres  preussischen 
„Vaterlandes,  ehrfurchtsvollen  Glückwunsch  zur  Errettung  aus  Ge- 
„fahr  und  erfleht  mit  Millionen  Deutscher  von  Gottes  allmächtigem 
„Beistand  baldige  Genesung  zum  Heil  und  Segen  Deutschlands." 


aCM      iaktmdbtndkt  tir  du  V«r«i]HJ*)ir  1&T7  {n^  PfiafCUs  1977 — TS). 

Zur  ßefipOB  dv  vorgdegten  Jabresrechnang  ^lUDiite  die  Geacni- 
VersAmnluag  die  Herren :  K.  Cl  a  s o  n  aed  Hamiitt&asii  s.  D.  Warst 
«Dd  enriUte  feiner  lar  Ausfflbmig  drr  üfbniettifis  der  TereMB> 
«ft  dJis  PrormxUl  -  Masemn  (xgt  Jalifb.  57.  S.  237}  mm 
5  ICtj^iedeni  mit  dem  A^nge,  siBidsi  die  Eti» 
in§  dei  ViKWA  ra  einö'  junstisdiea  Pt^soo  n  enridiceiL 

fiiae  eneste  ErSrtemii;  der  Ber^schen  ;^fwripildig«^gf 
die  OcMnl-Tcfsaatahng  wh,  indeni  sie  eiagriiiiiiig 
iem  BoidUass  da  Vefstuides  rom  27.  M&i: 

^  ABbecndit  des  Umstsndes,  da»  sowoU  der  Ehrenntk  ^ 
,4k  Gwend-VwjawwlBBj  od  das  Geidht  tlicr  ^mem  Qes^ 
,^^Mmä.  gliiili^ii  i|  [ifiinTiiill  l^ira.  ifit  Stete  «Ät  «atv  n 
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Udftliadi. 


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•^ 


V.  Verzeicbniss  der  Mitglieder*). 


Vorstand  r&r  das  Vereinsjahr  von  Pfingsten  1878  bis  1879. 

T'rSsjrlent:  {'rofesaor  Dr.  aua'ni    W'eertli    in    Keasunicb  bei  Bonn. 
VioeprSfiideDi:  (ieli.  MedlciDal-R/ith    l'rofessor  Dr.  Sc  b  aafrhau  se  n  in  Ronn. 
Erster    redigiremler  Seoretär:  BeaUoliul-Dtrootor  Dr.  Kortegarn  In  Bonn. 
Zweiter  redlgiren'ier  äeoretür:  Rentner  van  VIeuton  in  Bonn. 
Bihliotbelcar:  vaoat.  (GJDstvreilen  vertreten  durch  den  zweiten Secretür  van  VIeuten.) 


Rendant:  Reebnungsratb  Frlolc»  in  Bonn, 


Ehren-Mitglieder. 

S.  Kaiserl.  und  KSoigl.  Hobeit    der  Kronprinz  des  Oeutaohen  Reiches    und 

von  Freusieo  in  Berlin. 
S.  K5nigl.  Hoheit  Carl  Anton  Mefnr&d  Fürst  su  UohensoIlerD  in  Sigmaringen. 
Deohen,  Dr.  von,  Excellenz,  Wiricl.  0«b.  Rath,  Oberbergbauptmann a. D.  in  Bonn. 
Diergardt,  Freiherr  Friedrich  von,  in  Bonn. 
Dtintzer,  Dr.,  Profeasor  und   Bibliothekar  in  Cöln. 
F«lk,  Dr.,  Excellenz,  Küoigl.  Staataminister  in  Berlin. 
Freudenberg,  Dr.,  Professor  in  Künigawinter. 
Greiff,  Wirkl.  Geb.  Ob.-Reg.-Ratb   und  MiniBterial-Direotor  in  Berlin. 
Mo  eil  er,  von,  Excellenz,  Wirkl.  UebeiTner  Ratb  und  Ob  er- Präsident  in  Strasshurg. 
Schöne,  Dr.,  Geh.  Reg.-  und  vortragender  Minlsterial-FCatb  In  Berlin. 
Urliobs,  Dr.,   Hofrath  und  Professor  in  Würzburg. 
Wilmowsky,  von,  Domkapitular  \a  Trier. 


Ordentliche  {Mitglieder. 

Die  Namen  der  avawärttgen  SecretXre  sind  mit  fetter  Schrift  gedruckt. 


Aohenbach,  Dr.,  Excellenz,  Staals- 
Minister  a.  D.  u.  Oberpräsid.  in  Danzig. 

Acbenb  ach, Qeh.  Ratb  in  Saarbücken. 

Aohenbach,   Job.,   Rentner  in  Bonn. 

Aohterfeldt,  Stadtpfarrer  ia  Anholt- 

Adler,    Bauratb  u.  Prof.  in   Berlin. 

Aebl,  Dr.,  Chorherr  in  Beroiniioster  im 
Kanton  Luzern. 

Aegidi,  Dr.,  Qeh.  Ratb  u.  Prof.  in  Berlin. 

Ahrens,  Dr.,  Gjmn. -Dir.  in  Hannover. 


Aldenkirohen,    Kector,  «usw.    Secr.,  in 

Viersen. 
Alleker,  aeminar-Director  in  Brühl. 
Alterthums-YereiD  in  Mannheim. 
Alterthums-Verein  in  Xanten. 
Altnann,  Bankdireotor  in  Cöln. 
Antiken-Cabinet  in  Gtesaen. 
.Antiquariscb-hiütorisoher  Verein 

In    Kreuznach. 
Arndts,  Max,  in  Cöln. 


1)  Der  Vorstand  ersucht  Unrichtigkeiten  in  nachstehenden  Verzelohnisaen,  Ver- 
änderungen in  den  Standesbezelohnungen,  den  Wohnorten  etc.  gefilllgst  unserem 
Rechnungsführer,  Herrn  Rechnungsratb  Frioke,  aohrirtlicb  mitzutheilen. 


906 


VerzeiolinJss  der  Mitglieder. 


Baedeker,    Carl.    BuohL.    !n  Leipzig. 

Baedeker,  J.,  Buchhäadler  in  E»8en. 

Darbet   de  Jouy  in   Paris. 

BArdoleben,  von,  Dr.,  Exe,  Wtrkl. 
Geh.   K(itb,  OberprSsideot  in  (joblenz. 

Bartels,  ausw.  Secr..  rrarrer  in  Alterkülz. 

Ba&ilewsky,  .\lexAndre,  in  Paria. 

BAUOfband,  Dr.,  Geh.  .Tustixrath.  Pro. 
fossQr,  Kronuyndiou»  und  Mitglied  des 
Uerronbaates,  In  Bonn. 

BauDtolieldt,  OutsbM.  In  Endenioh. 

Beok,   Dr.,  Setninardirector  In  Linoiob. 

Banker,  Dr.,  Oherbürgermeiiiter  lu  Cöln. 

Becker,  Hobert^  in  Cülo. 

Becker,  Dr.,  au^w.  Secr. ,  Professor  in 
Frankfurt  a.  M. 

Bocke  rat h,  von,  Keinr.  Leonh.,  Kauf- 
mann in  Crefeld. 

Bel»ael  y.  Uymnleh,  Klohard  Ornf, 
Kgl.  Kammerhorr  auf  Scblose  Frenz- 
Bender.  M.,  BürgermeiBter  in  Worringon. 

Ben  dermaoli  er,  C.  Notar  in  Boppard. 

Benratli,  Dr.,    Privatdooent   in   Bonn. 

Berg  au,  Professor  in  Nürnberg. 

Bergk,  Dr.,  Kofratb  u.  Prof.  in  Bonn. 

Ber  läge  ,  Carl,  DomTicar  in  Osnabrück. 

Bernau,  Arnold,  Kreisgeriohtsrath  a.  O. 
in   l^uisburg. 

B e  rn a y  a,  Dr.,  Professor  u.  Obetbtblio- 
tbekar  in  Bonn. 

Bernuth,  v.,  Kgl.  Reg.-Präald.  in  CSln. 

Besseliob,  Kaufmann  in  Trier, 

Bettingen,  Jiistiz-KaLb  und  Advocat- 
anwalt  in  Trier. 

Bettingen,  Künigl.  Rendant  u. Steuec- 
ompf&nger  in*  St.  Wendel. 

B  e  u  I  w  i  t  z ,  C.  von,  Hüttenbes.  in  Trier. 

Bibliothek  der  Universität   Basel. 

Bibliothek  der  Stadt  Cleve. 

Bibliothek,  Fürst]., in Donauesohlngen. 

Bibliothek  der  Stadt  Düren. 

Bibl{oi6ca-Nazionale  In  Florenz. 

Bibliothek  d.  Etrur.  Museums  in  Flo- 
renz. 

Bibliothek   der  Stadt  Frankfurt   a.  M. 

B  i  b  1 1  o  t  h  e  k  der  UnlverBit.  Freiburgtn  B. 

Bibliothek,  Stifte-,  in  St.  Uallen. 

Bibliothek  der  Universitilt  Göttingen. 

BibliothekderUniTcrsilät  H/illea.  d.  S. 

Bibliothek  der  Stadt  Hamburg. 

Bibliothek  d.  Universität   Heidelberg. 

Bibliothek   der    Unirersität    Jena. 

Blbllothekd.Unirers.  Königsbergi.  Pr. 

Bibliothek   der  UniversitSt  Löwen. 

Bibliothek  der  UniT6r»it&t  Liiedch. 

Bibliothek  der  Akademie   Münster. 

Bibliothek,  ätifls-,  in  Oehringeo. 

Biblio  thek,  Theodoran.,  in  Paderborn. 

Bibliotbok  der  Unirersität  Parma. 


Bibliothek  der  Unlversirtt  Perugia. 
Bibliothek  der   UnirerüitSt  Prag, 
Bib  liothek  der  Univeraität  Strassburg. 
Bibliothek.   Kgl.  öffentl.,  in  Stuttgart. 
Bibliothek  der  Stadt  Trier. 
Bibliothek,    OrSd.    Stolberg 'sobe,    in 

Wernigerode. 
Bibliothek,  Königl..  in  Wiesbaden. 
Binsfeld,   Dr.,  Üym.-Dir.  In    Cobleuz. 
Bin 2,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Bleib treu,Dr.  H.,  Bergwkbes.  in  Bonn. 
BOCh,    ausw.  Seoretair,  CoroinerzienraÜi 

und   Fabrikbesitser  in  MettUoh. 
Book,  Adam,  Dr.  jur.  in  Aachen, 
von  6  odelsoh  wingh,   Freiherr,   Rt' 

cellenz,  Oberpräaid.  a.  D.  in  Bonn. 
Bodcnheiro,  Dr.,  Rentner  in  Bonn, 
Boecking.    G.  A.,    Hilttenbesitxer  zQ 

Abenteuerhotte  bei  Birkenfeld. 
Boeoking,  K.  Ed.,    Uilttenbesitxer  »u 

Gräfenbacherhiitte  bei  Kreuznach. 
Boeoking.    Hud. ,    Hüttenbesitzer  tu 

.Vsbacherhiltte  bei  Kirn. 
Boed  dicker,    Dr.,    Arzt  zu    Iserlohn. 
BoeddinghauB,     VVm.   ir. ,    Fabrik- 

besitzor  in  Elberfeld. 
Boohning,  Pfarrer  in   Wesselingen. 
Boeker,  H.  H.,  Rentner  in   Bonn. 
Bone,  Dr.,  Gymnasiallehrer  io  Cöln. 
Boot,  Dr.,  Professor  in  .Amsterdam. 
B  0  rggrevo,  Wegb..Insp.  in  Kreuznach. 
Borret.  Dr.,  in  Vogelenaaog. 
Bosslor,  Dr.,    Prof.    and    Gymnasial. 

Direotor  in  Darmatadt. 
Bo  u  Tier,  Dr.,  C,  in  Vördein  Westfalen. 
Brambach,  Dr., Prof.  und  OberbibUo- 

thekar  in  Carlsnüie. 
Braselmtnn.     Albert,     Kaufmann    ia 

Bclenburg  bei  Schwelm. 
B  rasäcrt,  I>r.,  Bcrghauplmannin  Bona. 
Braun,  Dr.,  Justizrath,  Uoohtsaowalt  io 

Berlin. 
Bredow,      Freiherr     von.     Major,     In 

Cassel. 
Bredt.    Oberbürgermeister  in  Barmen. 
B  r  c  n  d  a  m  o  u  r,   R.,  Inhaber  d.  X.ylogr. 

Instituts  In  Düsseldorf. 
B  r  0  i  0  h  e  r,  Wirkl.  Oeh.-Ratb,  Exoollenz 

In  Sinzig- 
Brück,  EmIl  von»,  Com.-Rath  in  Crefeld, 
Bruok,  Moritz  vom,  Rentner  und   Bei- 
geordneter in  Crefeld. 
Brüggemann,  Hofrath  in  Aaohen. 
Brunn,  Dr.,    Prof.  in   Miinohen. 
Brusls,  Dr.,  Reslsohul-Oberl.  in  Bonn. 
BUcbeler,   Dr.,  Professorin  Bonn. 
B  üokler«.  Geh.  Commerzionr.in  Dnlkea. 
BQrgerscbule,  Höhere,   in    Booholt. 
Bürgerschule,  Höhere,  In  Eupen. 


Vorseiolinlfle  der  Mitglieder. 


307 


Bürgersoliale,  Höhere, in  Ueoiung«n. 
Bürgerschule,  Höhere,  in  I.ennep. 
nürgerscli  ule,  HöUorc,inLii(leaichei<l. 
Biirgerscliule,  Höhere, in Oberbausen. 
Bürgersoh  u  1  e  ,   ilöhoro,  in  Saarlouis. 
Bürgerschule,    Hühere.  in    Solingen. 
Bürgerschule,  Hiihere,  in  UnnA. 
BUrgerachulc,    Höhere,    in    Viersen. 
Bö  rgo  rsobiilc ,   Höhere,  in   Witten. 
BurSISn,  I)r..ausw.  Soor.,  l'rof.tnMünohen. 
Busch.   Dr.,    rjeb.    Medizinalrnth    un<l 
I      Profestior  zu   Bonn. 
B  u  eo  li  in  u  n  n  ,  ür,,  Canonicus  in  Aachen. 
Buyx.    Geometer  in  Nieukerk. 
by  la  n  J  l-Kha  y '1 1,  ÜraT   von.     Major 

a.   D.   und    lüttergutgbe».    in  Bonn. 
Calin.  Albert,  BAukler  in  Bonn. 
Ca  tnph  aa»ou,   Excellenz,  Wirkl.  Oeb. 

Kath,  K.  Staatsmluiater  n.  D.  in  Cöln. 
.  Ca  niphau»eu,  August,  Qeb.  Comnier- 
■      zienrath  in  CSIn. 
Ca  p  pell,  KreisgerioLtarath  in   Eg»en. 
Carnap,   von,   Rentner  in  Elberfeld. 
(3arfitanjen.  Adolf,  in  Cöln. 
Gatter.  C,  Bildhauer  in  CreuznacL. 
Caaer,  R.,  Bildhauer  iu  Crcuznacb. 
Getto,  Carl,  Gutsbesitzer  in  St. Wendel. 
Chrz  e^oinski,  Pastor  in  Cleve- 
Christ,  Carl,  in  Heidelberg. 
CiTil-Casino  in  Cobleuz. 
Ciaer,  Alex,  da,  Lieutenant  a.   D.  und 

Steuereinpfanger  in  Bonn. 
C lasen,  Rentner  in  Bonn. 
Clavä  T.  Bouhaben,  Gutäbes. inCöla. 
Conrads,  Dr .  ausw.  Secr.,   Professor  u. 

Gyninasial-Oberlehrer  in  Edden. 
Conrady,  Kreigriobtera.D.inMiitenbug. 
Conserv  Mtorium      der     Altorthümer, 

Oroteherzogl.  Badidohes,  in  Carlsruhe. 
Conzo,  Dr.,    Prof.    u.  Abtbcil.-Director 

am  K.  Museuin  in  Berlin. 
Cornelius,  Dr-,  Professorin  Münohen. 
Crem  er,   Pfarrer  in  Eohtz  bei  Düren. 
Crofts,  Hot.  J.  M.,  Pfarrer  In  Sev^etioaka. 
C  ule  mann,  Senator  in  Hannover. 
Cuny,  Dr.  yon,  Appellationngerichtsrath 

a.  D.  und  Profesftor  in  Berlin. 
CiJppera,    Wilh.,   Director    der    Taub- 
stummenlehranstalt in   Brühl. 
Curtius,   Dr.,  Profedsor  in  Berlin. 
CurtiuB,    Julius,    Conamerzienrath    in 

Duisburg. 
Dapper,  Seroinardirector  in  Doppard. 
Deichmana-Scbaaff  ha  usen,  Frau 

Geh.  Comm.'RJtthiji,  in  Mohlemer-Aue, 
Delhoven,  Jao.,  Gutsbes.  zuDormagen. 
Delius,  Dr.,   Profoaeor  in  Bonn. 
Delius,  O.,  Baumeister  in  Cobleuz. 
Delius,  Landrath  in  Mayen. 


Dieokboff,  Baurath  in  Aaehen. 
Dieffenbaoh,  Dr.,  in  Bonn. 
Dilthey,  Dr.,  Professor  in  Göttingen. 
Dlsch,  Carl,  in   Cöln. 
Dobbert.   Dr..  Prof.  in  Berlin. 
Doetsob,   Oberbürgermoidtor    in  Bonn. 
Drewke,  Dr.,  Advocatanwalt  in  Cöln. 
OÜtschke,    Dr.,    ausw.    Secr.    in    Ham- 
burg. 
Dubr,  Dr.,   prakt  Arzt  in  Coblenz. 
liumont,   Mich.,   Buchhändler  in  Cülo. 
Eckstein,  Dr.,  l^ector  u.  Prof.  in  Leipzig. 
£ltester,  von,  auswärt.  Secr..  Archirrath, 

It"   Staats- Archivar  in  Coblenz. 
Eltz,  Graf,   in  Rltville. 
Eltzbaoher,  Moritz,  Rentner  in  Bonn. 
E  m  u  n  d  t  s,  J.  Landgeriebtsr.  in  Aachen. 
Engola,  Dr.,  P.  U.,  Ad voOAt  in  Leiden. 
Engelskirchen,  Architeci  in  Bonn. 
E  n  u  0  n,  Dr.,  städtldoUer  Archivar  in  Cöln. 
Eskens,  Fräul.  .Fcs., Hentnerin  tu  Bonn. 
Edsellen,  Hofrath  in  Hamm. 
Eaaingh,  U..  Kaufmann  io  Cöln. 
EvUns,  John,  in  Naah-MIIls  in  England. 
Firmeoicb.  Htohar«,  Frau  Prof.  Dr., 

in  Bonn. 
Flandern,  Ihre  Kgl.  Hoheit  die  Or&ßn 

von,  in  BrüsseL 
P lasch.  Dr.,  Professor  in  Wünburg. 
Fleekeisen,  Dr.,  Prof.   in  Dresden. 
Fl  in  ach.  Major  a.D. ,1romenhurgb.Bonn. 
Florencourt,  Chassot  von,  in  Berlin. 
Flosa,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Fonk,  Landrath  in  Riidesheim. 
Franks,    August,  Conaenrator  am  Bri- 

tish-Mimeum  in  London. 
Franaseu,   Pfarrer    zu   Ittcrvort,    hell. 

Limburg  bei  Koermonde. 
F renken,  Dr.,  Domcapitular  iu  Cöln. 
Fricke,   Rechnungsrath    u.    Oberberg- 

auitsrendant  in  Bonn. 
FriedlSnder,  Dr.,    Profesaor   in  Kö- 
nigsberg in  Pr. 
Frings,  Frau  Commeroienrath  Eduard, 

auf  Marienfels  bei    Remagen. 
Fr o wein,  Landrath  in  Wesel. 
F  u  c  h  8,  Pet.,  Bildh.  in  Bayenthal  b.  Cöln. 
Fiirstenberg,  Graf  von,   Erbtruchseas 

auf  Sohloss  Herdringen. 
Fulda,  Dr.,   Director  des  Gymnasiums 

in  Sangerhauaen. 
Gaadeohens,   Dr.,  Professor  in  Jena. 
Galhau,     G.     von,      Gutsbesitzer     In 

Wallerfangen. 
Qalltr«,  Dr.,  ausw.  Se«r.,  Prof.  in  Genf, 
(j  a  t  z  e  n ,  Asseas.,  Friedensrioht.  in  Tholey. 
Geiger,  Poliz.PrJia.  a.  D.,  in   Coblenz. 
Qeorgi,    C.  H.,    Buohdruokereibeditzer 

in  Aachen. 


Vtndakaiu  dar  lli^lodar. 


Q«orfi,  W^  Daiy.'B  nehdfBokareibe». 
la  Bodo. 

Gera  OB,  C^eoiker  in  Frankfart  «.  M. 

Gsrr -SQbweppenbarg,  Fraili.  von, 
rättctgvtolMvilMr  in  A«ohen. 

Gener,  Csflaa  ia  SBeliteüi 

Gaverbeaehnlet  Pror...  in   4««lieo. 

Oaverbeaehal  e,äti<lt- tu  Reroaebeid. 

Q 1 1 1  j,  BUdb«aer  io  Berlin. 

Ooebel,  Dr.,  Gymn-Director  in  Fulda. 

f'oebem  von,  Etcelltaz,  Oener«!  il. 
(■fU  KotnisaDdireader  Oeneral  de« 
▼III,   .4.rniee-Corp«,  in  CoMenz. 

G  oerla,  Ed.,F*brikb«4. inOdenkireb«!}. 

(•eldiehmidt,  Jos.,  Bankier  In  Bonn. 

Oaldaehmidt,   (lob.,  Bankier  in  Bonn. 

Oottf  «trea,  Ref.'  u.  BaurAth  in  Cölo. 

Ijreef,  F.  W.,  Commerzfenr.  in  Vienen. 

Oroea  ran  Friuterer,  Familie  im  H««g. 

(irineberg.   Dr.,  F«br{k«Dl  in  Kalk. 

liuiehard,   Krei*b«anieiater    in   Prüm. 

Guilieaunie,  Frx,  Fabrikbe«.  in  Bonn. 

Gymaasiaci  in  Aachen. 

Ojanaaium  in  .V.rtksber^. 

Oftnaaaittm   in  Attendorn. 

Qymnasimn  in  Boobam. 

njmnssiuni  in  Bonn. 

Ujmnaaiumin  Cari^ruhe   in    Baden. 

QjmnAainm  in  Casatl. 

OTmnnaiam  In  Clere. 

Ojmnaaium  in  Coblenz. 

Gjrninasiam  an  Aposteln  lu    C3ln. 

O 7« na  sinn),  Friedrich- WIllj..,  inC31n. 

Gymnasiam,  Kaiser  Wilhelm., in CSIn. 

Gjninftaium  an  MarzeUen  in  Cvln. 

Ojoinasiam  io  Coeitfeld. 

Gymnasium  in  Conctanx. 

Gymnaaiatn  in  Crefeld. 

Oynnaaium  in  Dillenbur^. 

Qymnaaiani  in  Düaseldorf. 

Gymnasium  in  Duisbarg. 

Oymnaaiuni  in  Elber/eld. 

Oymnaatum  in  Emmerich. 

OrmnaaSum  tn  Basaa. 

Oymnaaiam  in  Freibarg  In  Ba<len. 

Cymnaainm  in  Gladbach. 

Gymnatiaro  ia  Uad&mar. 

Oymaaaium  in  Hanau. 

Gymnasium  in  HersfelJ. 

Gymnaaium  in  HSxter. 

Gymnasium  in  Mannheim. 

Qymnaainm  in  Marburg. 

Gymnaelum    in  Moers. 

Gyronasiura  In   .Montabaur. 

Gymnasium  in   MSDütereifel- 

Gytnnasinm  in  Neuwied. 

Gymnaaium  in   Neass. 

GymnaBlnm  in  Kheine. 

Gymnasium  In   Rinteln. 


OjBaaainra  ia  TImiTmWibi 
Gymaaaiam  ia  Soest. 
QyMaaaiaiB  ia  Triar. 
Gymaasian  ta  Mfmttmdmt 
Oyosaatiam  ia  y^tBhmrg- 
Gymaaaian  ia  WeML 
Gymnasium  ia  Watdar. 
Gymnasiam,  G«i«kftaa-,iB^ 
Uaakh.  L>r..   Prafcw 

des  Königl.    Maiaaw 

AlterthSmer  la  Stattfart. 
Ha« SS.  EberL.,  Apafbakar  ia  Yk 
Haeflen.  von, HnapAa. a. I 

in  Haus  Erpralh  bei  Xaailaa. 
HagelBkea,    Hafo,     Qy«aaa.-Ob<f 

lehrer  io  Emmariek. 
H  a  b  e  t  s,  J-.  Pria>  d.  arek.  Ga».  A.  Bn. 

Umbarg,  in  Betgb  b.  Miilrinhl 
H  a  g  e  n  s,  ron,  AppelL-GetiAlK.  la  CBi. 
Hammers,    Ot>«r-B5rgermasailar    IL  D. 

in  Düaseldorf. 
UanieL,  Pkal,  Laadg.-Ajeaas.iaCoU«at. 
Haustein,  Peter,  Buehhäadl.  in Boaa. 
Hardt,  A    W.,  Geheimer  ComoMtiSai. 

rath  tn  Lennep- 
Uarless.  Dr.,  Arohirrath  !a  Dfiaaet^OTC 
Uaaskarl,  Dr.,  in  CleTe. 
llSg.    Ferd.,  Professor  and  OyanaaU- 

Direotor,  ausw.  Seer-,  in  Coastaaa. 
Haagh,  Senatsprisident  in    C-Shk 
Hauptmann,  Rentner  in  Bona. 
Heekmann,  Fabrikant  in  Vlaracsi. 
Hegert,   Dr.,  Staata-Arehirar  ta  BarUa. 
Ueimendahl,     Alexand..    Gek.    Ooa- 

merzienratb  in  Crefeld. 
Heinsberg,  ron,    Landrath   la   Ncaa. 
Heister,    Ton .     Bruno ,     Rantser     •• 

Dütaeldoff. 
Heibig.  Dr.,  2.  Seoret.  das  artthXotof. 

Instituts  in  Rom. 
Uen  ry,   Buch-  u.  Knnstbindler  in  Bona. 
Henien,  Dr.,  Profe^sori  1.  Seeretär  d. 

arohäot.   Instituts  in  Rom. 
Herder,  August,  Kaofm.  in  Eujklrehen. 
Herder,  Ernst,  in  Euskirchen 
Hermann,  G.,  Haaptm.  a.  D.  au  Bonn. 
Herstat I,  Eduard,    Rentner  ia  CSla. 
Herstatt,  .loh.  DaT., Gek.  Comneraiaa* 

rath  in  Cöln. 
Herzog,  Dr.,  E^ofaaaor  in  Tübingen. 
Hettner,  Dr.,  Dir.  d.  ProT.-Mua.  ia  Trier. 
Heuser,  Dr.,  Sabregans  u.  Prof.  In  CSlo. 
Heydemann,  Dr.,  Profeesor  in  Hall«. 
Heydinger,    Pfarrer  in  Sokleidweiler 

bei  Anw,  Ueg.-Bez.  Trier. 
Hey  dt,  Freih.    t.  d.,    e.    Landrath   In 

Malmedy. 
Hiigers,  Dr..  Direetor   der  RaaUobole 

in  .\aokan. 


Verzelokmss  der  Mitglieder. 


209 


[lllegom,  5ix  van,  in  Amsterdiin). 
Hireohfold,   von,    Regierungaratb    in 

Marienwerder. 
Uifttorisolier  Verein  fürDorimund  un<l 

die  Qrafdchaft  Mark  in  I>ortiiiund. 
Hocbgiirtel,   Buchhändler  In  Bonn. 
Hoesoh,  Gustav,  Kaufmaan  in  Düren. 
Hoeeo  b,  Leop.,  Commerzienr.  in  Düren. 
H o f f m  eisten,  Ober-BSrgermeiater  a.  D. 

In  Bonn. 
UobenzoIIern,8fl.  HobettErbprinit  t., 

£U  Soblosa  Benrath  bei  Diisäeldorf. 
Hölsober,  Dr.,    Gymnasial-Director  in 

Recklingbausea. 
Uüpfoer,  Dr.,  PrOTinzial-Sohulratb  in 

Coblenz. 
US  Tel,  Freiherr  von,  Landrath  in  Esten. 
Mol  Dingen  genannt  HuenO)  Freiherr 

▼on,  Bergrath  in  Bonn. 
Holxer,  Dr.,  DoiTiprobet  in  Trier. 
Horopesob,  GrafAIfr.  von,  zu  Schloss 

Kuriob. 
Hörn,  Pfarrer  in  Cöln. 
Uout,  van,  Dr.,  Gymn.-Oberl.  in  Bonn. 
Hoyer,  Lieutn.  im  2.  weätfal.  Huaareu- 

Regiment  Nr.  11  in  Benrath. 
Hübner,  Dr.,  Frofeüsor  In  Berlin. 
Uilffer,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
H&ffer,  Alerander,  in  Bonn. 
Uultsch,  Dr.,  Professor  in  Dresden. 
H um  perl,  Dr-,  Gymn.-Oberl.  in  Bonn. 
Hünnekes,  Dr.,  Progymn.-Rpot.  in  Prüm. 
Uapertz,  General- Dir.  in    Mecberaicli. 
Hutmacber,    Oberpfarrer    in  Crofeld. 
H  u  y  8  s  e  n,  MIHI. -Oberpfarrer  in  Alton«. 
Jentges,   W.,  Kaufmann  in  CrefeJd. 
JSrIaaen,  Pastor  in  Alfter. 
Joest,   Praq   August,  in  C51n. 
Joest,  Eduard,  Kaufmann  In  Cöln- 
Joest,  Wilh  ,  Geh.  Com.-Ratb  In  Cöln. 
Jost,  J.  P.  Dom.  in  Metllach  a.  d.  Saar. 
laenbe  ok,<)uliua,  Rentner  in  Wiesbaden. 
Junker,  C,  A.,  Kgl.  Baumeister  in  Erfurt. 
Kaestner,  Techniker   in   Neuwied. 
Kamp,  Dr.  Jos.,  Qy  mnaslallebrer  in  Cöln. 
Karoher,     ausw.     Seor.,    Fabrikbesitzer 

in  SaarbrQcken. 
K  artba  us,  C,  Commerzienr, in  Barmon. 
K  aufmann,  Qberbiirgerm.  a.D.  in  Bonn. 
Kays  er,  Dr.,  Seminar-DlreotOT  in  Büren- 
Kekulä,  Dr.,    August,   (ieb.-Rath    und 

Professor  in  Poppeisdorf. 
Kekulä,  Dr.,  Keinh.,  Prof.  in  Bonn. 
Keller,  Jul.,  Religionalebrer  in  Brühl. 
Keller,  O..  ProfesMr  in  Graz. 
Kelxenberg,  Qy-mn.-Lehrer  in  Trier. 
Kempf.  Ingenieur- Lieutenant  in  Deutz. 
Kesäel,   Dr.,  Kanonikus  in  Aachen. 
Kiessling,  Dr.,  Prof.  In  Oreifswald. 


Kloin,  Dr-,  Jos.,  Privatdooent  in  Bonn. 
Klette,   Dr.,  Professor  und  Oberblblio- 

thekar  in  Jena. 
K  lostermann,  Dr.,  Geb.  Bergrath  and 

Professor  in  Bonn. 
Knebel,  Landratbtnßcckingena. d.Saar. 
K  n  0 1 1,  Jos.,  Buobdruckereibes-  in  Düren. 
Koonen,  Constantin,  Bildhauer  in  Neusa. 
Koenig,  licop.,  Rentner  in  Bonn. 
Koenlgs,  Commerzienratb  in  CSln- 
Koanigsfeld,Dr.,  Sanitälsrath  u.  Kreis- 

pbyaikus  in  Düren. 
Kohl,  Gymnaäiallebrer  in  Kreuznaob. 
Kolh,  Fr.,  General- Director  in  Vieraon. 
K  o r  t  e  g  a  rn.  Dr.,Realsch.-DircoC.  inßonn. 
K  r  a  f  f  t,  Dr-,Conslstorialr  u.Prof.  in  Bonn. 
Kram  arozik,  Gymu.-Direot.  inRatibor. 
Kraus,    Dr.,    Prof.   und   ausw.    Secr.,  in 

Freiburg  i.  B. 
Krupp,  Geh.  Commerzienratb  in  Essen. 
Kühl  weiter,  von,  Exe,  WIrkl.    Geh. 

Rath,   Kgl.   Oberpräsideut  in  Münster. 
K  ü  p  pers.  Dr.,  Sem.-Direot.  in  Siegburg. 
Kyllmann,  Rentner  in   Bonn. 
Landau,  H,,  Commerztonr.  in  Coblenz. 
Landaber  g.Ste  Inf  urt,  Freiherr    v., 

Engelbert,  Outabes.  in  Drenateinfurt. 
Landsberg- Steinfurt,    Freiherr     v., 

Hugo,  Landes-Director  der  Rheinpro- 
vinz In   Düsseldorf. 
Lange,  Dr.,  L.,  Professor  in  I.<eipzig. 
Lange.  Dr.,  Kreiswundarzt  in  Dui:)hurg. 
Lauenatein,    Historien raaler    in  Düs- 
seldorf. 
Lee m ans,  Dr.,  Dir.  d.  Reiohsmuseams 

d.  Alterthümer  in  Leiden. 
Leiden,  Franz,  Kaufmann  u.  k.  niederl. 

Consul  in  Cöln- 
Leipziger,    von,    Ober  -  Präsident    in 

Hannover. 
Lempertz,   M-,  Buchhändler  in  Bonn. 
Lempertz,  H-  Sohne,  Buobhdl.inCöln* 
Lennep,  van,  in  Zeist. 
Lesegesellsohaft,  katb,,  in  Coblenz- 
Leutsoh,  V.,  Dr-,  Hofrath  u.  Professor 

in   Oöttingen. 
Lewis,     S-   S-,    Professor    am   Corpus 

Chrisü-CoUegium   zu  Cambridge- 
Leydel,  J.,  Rentner  zu  Bonn. 
Leyen,  von  der,  Emil,  in  Crafold. 
LSebenow,  Geb.  Reoh.-liatb  in  Berlin. 
Lieber,   Regier. -Baurath  in  Düssoldorf. 
Lintz.  Jac.,  Verlagsbuohb.   in  Trier. 
Lo  S,   Graf    von,     Sohlosa    Wissen     bei 

Geldern. 
Loeracb,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Loesoblgk,  Rentner  in  Bonn. 
Lougp6iier.     Adr.    de,     meiubre    da 

rinatitut  de  France  In  Paria. 


210 


VerzoIchau8  der  MitgUader. 


LObbert,   Dr.,  l'rof-  in  Kiel. 

LSbke,  von,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Profeesor  In 

Stuttgart. 
Liithgen.  Dr.,  OymiiAäinll- in  Boohum. 
Marcus,  Vcrlngabiichhändler  in  Bonu. 
Marmor,   Dr.,  in  ConstAnz. 
Mftrtin,  A.  F.,  Maler  in   Rocrmonde. 
Martini,  Kürgemiei«ter  in    Brühl. 
Mürtana,  Bauinapector  &■  I>.  in  Bonn- 
Mayer,  Heinr.  Jorf.,  Kaufmann  in  Cöln. 
Medem,  Frhr.  v  ,  Fr.  L.C  ,  Kgl.  Archiv- 

ratli  &•   D.    zu  Homburg  v-  d.  Höhe. 
Maeater,    de,   de   RavesteSn ,    Ministre 

pUnip..     zu     Sohloäs     Kavostein     bei 
Mecbeln. 
Mehler,    Dr.,    Gymnasial  -  Direotor    In 

äneek  in  Uollaud. 
Mellentin,  xon,  in  Bonn. 
Merck,  Pfarrer  u.  Rector  in  Meisenhetm. 
Merken»,  Franz,  Kaufmann  In  Cöln. 
Morlo,  .1.  .T..  Rentner  in  Cöln. 
Measmer.  Dr.,  l'rof.  in  Münohen. 
Meurer,  Ilippolyt,  Kaufm.  in  Cöln. 
McTlsaen,   üoh.  Coramorsitonrath.  Prä- 
sident der   rheinischen   Eigenbahn-Oe- 

sellaehaft  in  Cöln. 
Miohaelis,  Dr.,  Prof.  in  Strasaburg. 
Mi  ehe  1 8,  G.,   Kaufmann  in  Cöln. 
Milani.  Kaufmann   in  Frankfurt  a.   M. 
Milz,    Dr.,    Qymn.-Oberl.  in  Aachen. 
Mirhach,  W.  Qraf  ▼..zu  Sohloss  Uarff. 
Mi  rbaoh,  Frhr.   von,  Keg.-Präaident.  a. 

D.  in  Bonn. 
Mitsoher,  Landgerichtarath  in  Slrase- 

burg  i.  ]£. 
M  Urne  r  T.  M  Orlando,  Graf,  in  Roisdorf. 
Mohr,  ProfeisBor,  Dombildhauer  in  Cöln. 
Moll,  Dr-,  Prufeasor  in  Amsterdam. 
Moramsan,  Dr.,  Professor  in  Berlin. 
MoorCi,  Dr.,    ausw.  Seor.,  Pfarrer,    Prä- 
sident des  bist.  Vereins  f.  d.  Niederrhein, 

in  Waohtendonk. 
Moyler,  Dr.,  Prof.  am  Seminar  in  Trier. 
MoTius,  Direotor   des  Schaaffh.    Bank- 

vereuiB  in  Cöln. 
Müllen  hoff.  Dr.,  IC,    Prof.,  Mitglied 

der  Akad.  der  Wigaensch,  in  Berlin. 
Müller,  Dr.,  Albert,  (ly mnaaial-Direotor 

za  Flensburg  in  Schleswig. 
Müller,   Pastor  in  Immekeppel. 
Mumm    Ton  Soh  warzendtein,  Ch., 

Kaufmann  in  Cöln. 
Münch,  Joseph,  Kaufmann  in    Düren. 
Münz.    u.  Antikea-Cabinet,  Kaia. 

Künigl.,  in  Wien. 
Museen,  die  Königl.,  in  Berlin. 
Mus^e    royal    d'Antiquiles,    d'Armures 

et  d'.Artillerie  in  Brüssel- 
Musiel,  von,  Laurent,  Outahesitzer  r.u 

ScLIoas  Thora  bei  Saarburg. 


Nagelaebmitt,  Heiar.«  Oberpfarror  in 

ZUlpioh. 
Naturwissensohaftlloher     Verein 

in  Saarbrücken, 
Nels,   Dr.,  KreUphysioua  in  Bittburg. 
Neufvtlle,  W.  von,    Rentner  in  Bonn. 
Noumann,  Bau-Inspector  in  Bonn. 
Niessen,    Conservator     des     Museuina 

Wftllraf-Richartz  in  Cöln. 
Nisse  D,  Dr.,  U.,  Professor  in  Oöttingen. 
NitKoh,   Dr.,    Gynin.-Dir.   in    Bielefeld. 
Nolte,  Dr.jProgymnasialreotor  in  Brühl. 
0  berge hulrath,   Orossherzoglich  Ba- 

dischcr,  in  Carlsruhe. 
Oppenheim,    Abraham,  Freiherr   von, 

Geheim.  Comraerz.-Rath   in  Cöln. 
Oppenheim,  Albert ,      König!.    SÜcha. 

Oeneral-Consul  in  Cöln- 
Oppenheim,    Dagobert,  Geh-    Begie- 

ri)ngi>-Ralh,  Direotor  d.  Cöln-Mindener 

Eisenbahn-tiesellsohaft  in  Culn- 
Oppenheim,   Eduard,  Freiherr  von,  k> 

k.   (jeueral-Conaiil  in  Cöln» 
0  1 1  h ,  Pfarr.  in  Wiaroannsdorf  b.  Bitburg. 
0 1 1  e,  Dr.  theol.,  Pattor  in  Pröhden  b. 

Jüterbogk. 
Overbeck,   Dr.,   ausw.   Secr..    Prof.  in 

Leipzig. 
Papen,  Ton,  Prem.-Lieut.  im  5.  Ulanen- 
Regiment  in   Werl. 
Pauls,  E.,  Apotheker  in  Cor;ieIimUnBter. 
Paulus,  Prof.Dr  ,  Conservator  d.K.Wartt. 

Kunst-  u.  Alterthurosdenkmale,  ftuiw. 

Seor.,  in  Stuttgart- 
Paul  y,  Dr.,  Rector  in  Montjoie. 
Pfeiffer,  Peter,  Rentner  in  Düren. 
Pflaume,  Kgl.  Bau-Inspeotor  in  Cöln. 
Peill.  Rentner   in  Haus  R5mlinghoT«n 

b.  Obercaasel. 
Pick,  ausw.  Secr-,  Friedener.  in  Rheiaborg. 
Piper,  Dr.,  Professorin  Berlin. 
P lassmann,    Ehrenamtmann    u.  Quta- 

besitzer  in  Allehof  bei  BaWe. 
Pleyte,  W.,  ausw.  Secr.,  Conserrator    am 

Hetohs-Museum  der  Atterth.  in  Leiden, 
i'litt,  Dr.,  Professor,  Pfarrer  in  Doaaen* 

heim   bei   Heidelberg, 
Pohl,  Dr.,  ausw.  Seor.,   Reotor   in  Linz. 
P  0  ly  t  e  c  h  n  i  c  u  m  in  Aachen. 
PoRimer-Esßhe,     von,    Geh.     Regie- 

ruiigsrath  in  Berlin. 
Poer  ting,  Bergwerksdir.,i.  Immekeppel. 
Priager,  Dr.,   Rentner  in  Bonn. 
Prinzen,    Handelsgeriahts-Präaident  in 

M.-Gladbacb. 
Proff-Irnich,  Freiherr  Dr.  von,  Land* 

gerichts-Rath  in  Bonn. 
Progymnasium  in  ADdernaeii. 
Progymaaaium  in  Bruchsal. 
Progymnasium  in   Dorsten. 


yorze!chn!ds  der  Mitglieder. 


211 


Progymnaslutn  In  Jülich. 
ProgymnasSum  in  Malmedy. 
Pr ogymnftsiuin  iu  Rietberg. 
Progynanasiuni  In   Siegbarg. 
Pr ogy mnasi um  in  Sobernhcim. 
Progymnasiutn  inTaubarbiucliofBlieim. 
Progymnasium  In  Trarbach. 
Progy  m  nasi  um   in  Vreden. 
Progyranasfum  in  dt.  Wendel. 
Provinzlal-Verwaltung   in  Dilasol- 

dorf. 
Prüfer,    TLeod.,    Arcliltect    In  Berlin, 
Qaaok,    Advokal    u.    Bankdireotor    in 

M.-Oladbach. 
Kadersoh.itt,   Kaurmann  in   CSIn. 
Radziwill,  Se.  Durchtauoht  I'rins  Ed- 
mund, Vikar  in  Ostrowo,  Provinz  Posen. 
Randow,  von,  ICaufmana'in  Crefeld. 
Rascbdorfr,  König!.  Dauratli  in  Cölo. 
Rath,  Ton,  Rittergutsbesitzer  u.  Prüsid. 

d.  land\r.  Vereinä  für  KheinpreuBsen, 

in  Lauersfort  bei  Crefeld. 
Rath,  Tb.  vom,  Rentner  in   Duisburg. 
Rautenatrauoh,    Yatentin,    Conimer- 

zienrath,  Kaufmann  in  Trier. 
Realschule  in  DarTnen-Wupperfeld, 
Realscliuie,  Kortegam'öcbe,  in  Bonn. 
Realsobule  I.  Ordn.  in    Düsseldorf. 
Realschule  I.  Ordn.  In  Duisburg. 
Roalsohule  I.   Ordn.  in  Elberfeld. 
Realsohule  in  Essen. 
Realsohulel.  Ordn.  in  Mülheim  a-   d. 

Ruhr. 
Realsohule  I.  Ordn.  In  Ruhrort. 
Realsohule  T.  Ordn.  in  Trier. 
Reiükens,  Dr.,  Pfarrer  in  Bonn. 
Rennen,  Geb.  R&tU,  Director  d.  Rhein, 

Eisenb.- Gesellschaft  in  Cola. 
Reumont,    Dr.    von.   Geh.    Legations- 

rath,  in  Aachen. 
Ueasoh,  Kaufmann   in  Neuwied. 
Rhein  en,  Hermaan,    Rentner  in  Vtlla 

Herresberg  bei  Remagen. 
Riobars,    Dr.,    Geheimer  Sanitätsr.   in 

Endonich. 
Kieu^  Dr.  du,  Seoretür  d.  Soc.  f.  Ntederl. 

Litteratur  in  Leiden. 
Rigal-Omnland,  Prhr.  t.,  in  Bonn. 
Ritter,  .Joseph,  Lehrer  in  Brühl. 
Ritter-Akademie  in  Bedburg. 
Robert,  membre  de  Tlnstitut  de  France 

in  Paris. 
Roen,  Baumeister  in  Burtscheid. 
Rohdewald,     Gymnasial-Director    in 

Bargsteinfurt. 
Rosen,    von.   Major   in    Cöln, 
Roos,   Regierungarath    u.    Oberbürger- 
meister in  Crefeld. 
Bosabach,  Dr.,Qymn.-Lehrerin  Neuss. 


Ro  th,  Fr.,  Bergrath  in  Burbaoh  bei  Siegen. 
Rotte  Is,  H.  J.,   Notar  in  Düren. 
Roulez,  Dr.,  Profeuaor   In  Gent, 
Ruhr,  Jacob,   Kauftoann  la  Euskirchen. 
Itum^el,   Apotheker  in    Düren. 
Salia,  Baron  de,  in  Metz. 
Salm  -Salm,  Se.  Durchlaucht  Fürst  zu, 

in  Anholt 
Salm-Moogstcaeten,  Hermann.  Graf 

von.  zu  Bonn. 
Salzenberg,  Geh.  0, -Baurathin Berlin. 
San  dt,  von,  Landrath  in  Bonn- 
Sa  uppe,  Dr.,  Geb.  Ueg.-Rath  u.  Prof. 

in  Götdngen. 
Sohaaffh  ausen,  U,,  Dr.>  Geh.  Medici- 

nal-ltath  a.  Professor  in  Bonn. 
S oh aaff hausen,  Theod.,   Rentner  in 

Bonn. 
Schady,  Dr.,  Gustos  an  der  UnWera.- 

Bibl.  in   Heidelberg. 
Schaefer,  Dr.,   Professor  in  Bonn. 
Suhaefer,  Grän.  Renessescher  Rentm. 

in  Bonn. 
Schaffner,  Dr.,  Medioin&lrath  in  Mei- 
senheim. 
Sc  hauen  bürg,  Dr.,  Realaohul- Director 

in  Crefeld. 
Beheben,  Wilhelm,  in  Cöln. 
Sobeers,  Dr-,  in   Nymwegen. 
S  0  h  eib  1 0  r,  L.,  Commerzienr-  in  Aachen. 
Scheppe.  Oberst  a.  D.  in  Boppard. 
So  her  er,   Dr.,  Professor  in  Borlln. 
Schiokler,  Fordin.,  In  Berlin. 
Schilling,  Advokatanwalt  beim  Appell- 

hof  iu  Cöln. 
Sohällings-Euglerth,  Burgermeister 

in  Giirzenicb- 
Sohimmelbuseb,     Hüttendireotor    In 

Hochdabl  bei  Erkrath. 
Schleicher,  C-,  Commerzienr.  in  Düren. 
ScUlottmano,  Dr.,  Prof.  in  Halle  a.  S. 
Schiumherger,  Jean,  Fabrikbesitz,  u. 

PrilsEd.  d-  Landesausschusses  f.  Elsass- 

Lotfaringen  in   Gobweiler. 
So  h  Hink  es,  Dr.,  Probst  andern  Colle- 

giatetift  in  Aachen 
Schmelz,  C.  0.,  Kaufmann  in  Bonn. 
Schmidt,   Pfarrer  in  Crefeld. 
Schmidt.  Oberbaurath  u.  Prof.  in  Wien. 
Sohmttt,    Dr.,  ausw.  Seor.,  Arzt  in  Mün- 

sterroaifold. 
Schmithals.  Rentner  in  Bonn. 
Schmitz,    Dr.,  Sanit&tsrath  In  Viersen. 
Schneider,  Dr.,    ausw.    Seor-,   Professor 

in   Düsseldorf. 
Schneider.  Dr.,  R.,  Reotor  in  Norden, 

Ostfriesland. 
Schneider,  Friedr.,  Dompräbendar  io 

Mains. 


312 


'TerzaioiinUs  >lor  Mitglieder. 


Sehnütgcn,  Doniricar  in  Cola. 
SohSnaioh -Carol  ath,    Prinr.,    Berg- 

hauptmann  in   Dortmund. 
Solioenen.  Dr.,  KreiäsohiilinDpeotor   in 

Eu&kirchen. 
Scholl,     Qutbbesitzor     zu     Thereiien- 

Grube  bei  Brühl. 
Sokroers,  Daniel,    Beigeordneter    und 

Fabrikbesitzer  in  Crefeld. 
Schuh  Art,  Dr,  Bibliothekarin  Caseol. 
Sehultze,  Dr.,  Hofapotheker  in  Bonn. 
Sehwabe,  Dr.  L„  l'rofessor  iu  Tü- 
bingen. 
Schwan,  städt,  Bibliothekar  in  .\aohen. 
Seh  wicke  rath,    C.  J.,    Itaufmana    ta 

Ehrenbreitatein 
Seligmann,  Jacob,  Bankier  In  Cc>ln. 
Seil.  Dr.,   Geh.  Justizrath  uoJ  Prof.   in 

Bonn. 
Seminar  in  SoßAt. 
Seydemann,  Arohiteet  In  Bonn. 
SBydlltT; .    ▼on,    E.xoellenz,     General- 

Lieutenant   z.  D.  In  Honnef. 
Seyffarth,  Keg..BaiirAth  tn  Trier. 
Simon,   Willi.,  Leilerfabrikant  in  Kirn- 
Simons  ,  Theodor,  Ingenieurin  München. 
Sloet  van  de  Beele,  Baron,  Dr.,  L. 
A.  J.  W.,  Mitglied  der  Köiiigl.  Acad. 
der  Wissenachaften  zu  Amsterdam,  in 
Ärnheim- 
8  ol  m  s^  Se.  DureUauoht,  Prinz  Albrooht 

zu,  in  BraanfeU. 
Sp ankeren,  von,  Reg.-Pri(Bideat a.  D., 

in  Bonn.  « 

Spie  s-Büllesbeim,    Ed.,  Freiherr  t., 
Köoigl.  Ivammerherr  u.  Bürgeruieiuter 
auf  Haus  Hall. 
Spitz,  Major  im  Kriege.Mini&terium  In 

Berlin. 
Springer,  Dr.,  Professor  in  Leipzig. 
Stahl,  Dr.,  Professor  In  Münster. 
Stahlknecht,   H..  Rentner  in   Bonn. 
Ständer,  Dr.,  Dir.  d.  Bibl.  io  Münster. 
Stark,  Dr.,  auBw.  Secr.,  Hofrath  u.  Prof. 

in  Heidelberg. 
Starts.  Aug.,  Kaufmann  in  Aaoheo. 
Statz,  Baurath  u.  Diöo. -Arohit.  in  Coln. 
Stodtfold,  Carl,  Kaufmann  in  Cöln. 
Steinbach,  Alph.,  Fabrik,  in  Malmedy- 
Stier,     Hauptmann    a.   D.    in    Berlin. 
Stier,  Dr.,  Ober-Staba-  and  Garnisons- 
Arzt  in  Breslau. 
Stinshoff,   Pfarrer   in   Sargenrotb   bei 

Gemünden,  Ueg.-Bez.  Coblenz. 
Straub,  Dr.,  ausw-  Seor.,  General-Seor. 

des  Bisthums  zu  Strasaburg. 
Strauss,  VerlAgs-Buchhändler  in  Bona. 
Strubberg,  Ton,  Gen.-Lieut.  u.  Comm. 
der  19.  DiTisloa  in  HannoTer, 


Stumm,  Carl,  Geh.  Commercionralh  in 

Neunki  rohen. 
S Werts,  Albert,  Kaufmann  in  Bonn. 
Sybel,  Dr.,  von,   Director    der  St*ats* 

Archire  und   Professor  in  Berlin. 
T  h  ei  s  e  n ,  Gl.,  ReAlsch.*Lehrer  in  Gicssea. 
Thiele,   Dr.,  Dirootor  d.  Ilealsohuie    tt. 

d.  Gymnasiums  in  Barmen. 
Thoma,  Architekt  in  Bonn. 
Trink  aus,  Chr.,  Bankier  in  Düsseldorf. 
Uck ermann,  H.,    Kaufmann    in  C<)ln. 
Ueberfeldt,  Dr.,  Rendant  in  Essen. 
Ungermann,  Dr.,  Progymn.-Reotor  in 

Rheinbach. 
Usener,   Dr.,  I'rofessor  in  Bonn. 
Vahlen,  Dr.,  Professor  in  Berlin. 
Valette,  de  la,  St.  George,  Freiherr, 

Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Veit,  Dr.,  Geh.  Mediolnat-Ratb  u.    Pro. 

fessor  in  Bonn. 
Vermeulen,  Dr.,  ausw.  Seor,  ünivers.-u. 

Provinz.- Archivar  In  ütrooht. 
Vi  Her»,    Graf  voni    Regier,  •  Präsident 

in  Frankfurt  a.  d.   O. 
Vlouten,   van,  Rentner  in  Bonn. 
Voigt el,  Regierungsrath  und  DombaU' 

meistCr  in  Cöln. 
VoigtlÄador,  Buchhdl.  in  Kreuznach. 
Voss,   Theod.,  Dergtath  in  Düren. 
Waob,   Ur.,  Professor  in  Leipzig- 
Wal,  Dr.  de,  Professor  in  Leiden. 
Walde,  Dr.  vorm,  Reotor  in  Stegburg. 
Waldoyer,  I>r.,    Gymn.-Dir.   in   Bonn. 
Walleoborn,  Peter,  junior,  in  Bitburg. 
W  an  des  leb  OD,  Friedr.,zuStromberger 

Neubütte  bei  Bingerbrüok. 
Weber,  Advooat- Anwalt  in  Aachen. 
W^eber,  Pastor  in  Ilsenburg. 
Weerth,  Dr.  aus'm,  Prof.  in  Kesscnich. 
Weerth,     aus'm,     Bürgermeister     in 

Stromberg. 
Weerth,  Aug.  de,  Rentn.  In  Elberfeld. 
Wegeier,  Dr.,  Geh.    Medioinalrath   in 

Coblenz. 
Weise,  v,,  OberbürgerrDelster  in  .\achen. 
Wei  SB,  Professor,  Director  d.  K.  Kupfer- 

stiohkabinels  in  Berlin. 
Wende,  Dr.,  Reaischullohrer  in  Bonn. 
WendeUtadt,  Victor,  Commerzienratb 

in  Godesberg. 
Werner,  v.,  Kabinetarath in  Düsseldorf. 
Werners,  Bürgermeister  in  Düren. 
Weyhe,Ph.  F.,  Geb.Regierungsr.inbonn. 
Weyer,  Stadtbaunieister  in  Cöln. 
Weyermann,    Franz,    Gutsbesitzer  In 

Hagerhof  bei  Honnef. 
W  i  e  d,  Se.  DurohlAucht  Fürst,  ta  Neuwied. 
Wieker,   Gymnasial-Oberlehrer  in  Hil- 
desheim. 


▼enalohnhs  der  MUglledc 


I 


Wieseier,  Dr.,  ausw.  ä«cr.,  Professor  in 

Göttingon. 
Wietha&e,   Königl.  BauniAi»tor  in  Cöln. 
\Viag6,   Dr.,  Apotheker   in  Aachen. 
Wirtz,    Hauptmann    a.    D. .    in    HarfT. 
Witkop,  Ptr,  Maler  in  Lippstadt. 
Witten  haus,     Dr.,  Uector  in  llheylt. 
Wittgenstein,  F.  von,  in  Cötn. 
Woercoann,  De  ,  C,  Prof.  in  Uiieseldorf. 
Wojf,   Caplan  in  Caloar< 
Wolff.  V.,  Kegierungsprisident  io  Trier. 
Wolrf,  Ivaurrnann  in  Cöln. 
WolUeitren,  Dr.  M.,  GyrDnaelal-Dtrector, 

auüw-  Soor.,  in  Crefold. 


Weltmann,  Dr.,  Prof.  in  Prag. 

Wrtght,   Ton,  G«neral  Major  in   Met/. 

\V  u  e  r  8 1 ,  H-,  Hauptmann  a.  D-  und 
Kgl.  ätouereinnehmer  in  Bonn. 

\\  Ü6len,  Frau  Gutsbesitzerin,  zu  Wiisten- 
rode  hei  Stolberg. 

Wulferl,  Dr.,  Gymn.-Dir. in  Kreuznach. 

Zangenmeiater,  Prüf.  Dr.,  Oberbib- 
liothekar  in  Heidelberg. 

Zarttnaun,  Dr.,  iSanitätsratli  io  Bonn. 

Zehme,  Dr..  Walthor,  Direotor  der  Ge- 
werbeschule in  ßarmen. 

Zengelcr,   Kgl.   Bauführer   in  Bonn. 

Zervas,  Joseph,   Kaufmaan  In  Cölu. 


Ausserordentliche  Mitglieder. 


Arendt,  Dr.,  in  Diülingen. 

Ara^ne  de  NoOe,  Dr.,  Advocat  in 
Maltuedy. 

Feiten,  Baumeiatar  Io  C.'oln. 

Fiorelli,  G.jintend.d.k.  Mus.  i.  Neapel. 

Für»ter,  Dr.,  Professor  in  Aachen. 

Gamurrini,  Director  des  etrusk.  Mu- 
seums in   Florenz. 

Ueider,  k-  k.  SccÜoDsrath  in  Wien. 

Hermes,  Dr.  med.   in  Rcmich. 

Lanciani,  P.  Arohiteot  in  Rarenna. 


Lucas,   Charles,    Architeot,  Sous-Insp. 

des  travaux  de  la  rille  in  Paris. 
Mella,  E'luard,  Graf  in  Vercelli. 
M  i  c  h  e  I  a  n  t,  Biblioth^calre  au  dcpt.  des 

Manu^crits  de  la  Bibl.  Impor.  in  Paris. 
Promis,    Bibliothekar    des  Königs  von 

Italien  in  Turin. 
Kossi,  •).  B.  de,  Arcfaäolog  tn  Rom. 
S  chlad,  \Vilh.,Buohbinderni.  l. Boppard. 
Sohmidt,    iMajor  a.  D.  in  Krouznach. 
L.  Tosti,  D.,  Abt  in  Monte  Casino. 


Yerxeiehnifis 

sämmtlicher  Ehren-,  ordentlicher  und  ausserordentlicher  Mitglieder 
nach  den  Wohnorten. 


Aachen:  Book.  Brüggemann  Busch- 
mann. Dieckhoff.  Emundts.  Foerster. 
Georgi.  von  Geyr-Schweppenburg. 
OyTnnasiam-  Hilgers-  Kossei.  Milz,  l'o- 
lyteohnioum.  Provin2.-<iewerbescbale. 
▼on  Reumont.  Soheibler.  Sohlilnkes. 
Schwan.  Startz.  Weber,  von  Weise. 
Wings. 

AbanteuerhUtte:  BoeoUag. 

Alfter:  Jörissen. 

A  11  e  h  0  f :  Plassmaon. 

Allerkcllz:  Bartels. 

Alt  ona:  Huyssen. 

Amsterdam:  Boot,  van  Hillegom.  Moll. 

Andernach:  Progyronasiuro. 

Anholt:     Aohtecfeldt.    Fürst  zu  Salm. 

Arnheim:  Baron  Sloet. 

Arnsberg;  Gymnasium. 

.^sbaoher  Hütte:   Boeoking. 

Attendorn:  Gymnasium. 

Barmen:     Bredt.      Karthaus.     Thialo. 

Zehme. 


Barmen-Wupperfeld:  Realschule- 
Basel:  UniTorsilStsbibliothek. 

Bayenthal  b.  C6ln:   Fuohs. 

Beokingen  a.  d.  Saar:   Knebel. 

Bedburg:  Ritter-Aoademie. 

Beienburg:  Braselmann, 

Benrath:  Uoyer. 

Bergh:  Habeis. 

Berlin:  Adler.  Aegidl.  Braun.  Conae. 
von  Cuny.  Curtius.  Dobbert.  Falk. 
▼-  Florencourt.  Generalverwaltung  der 
kgl.  Museen.  Gilly.  Greifif.  Uegert. 
Hübner.  Kronprinz  des  Deutschen 
Reiches  und  von  Preussen.  Liebenow. 
Mommson.  MüllenhoIT.  Piper,  von 
Pommer-Esche.  Prüfer.  Salzenberg. 
Soherer.  Schiokler.  Schoene.  Spitz. 
Stier.  V.  Sybel.   Vahlen.   Weiss. 

Beromünster:  Aebl. 

Bielefeld:  Nltzsoh. 

B I  t  b  u  r  g  :      Nels.     Wall  eaborn. 

Bocholt:  UShere  Bilrgertchule. 


»4 


Vertri«hnlM  der  MilgNsdar. 


Boehom:   GymnBaiura.  Lfitfagen. 

Bonn:  AohenbAoh-  BAU«rb*nd.  Ben- 
(•Üi.  BoTgk.  B«rna]r6.  Bins.  Blaibtreu. 
T.  BodaUohwingh.  Bodanheim-  H.  H. 
B6ker.  Brasseri.  Bratis.  Büeheler. 
Busch-  Gr&f  r.  Bf  ludt  C»hn.  AI. 
de  CUer'  CIasoo.  t.  Dechen.  Delias. 
DieffftobMii.  T.Diergardt  Döucfa.  Eltz- 
l^aeher.  £Dg«>lskiroliofi.  FrL  Eakeiu. 
FntoFiraMaleli-fiitthattc.  F1oM.Frieke- 
6«ergL  J.  QoIdsehnMt.  R.Gol<ü«hTn)dt. 
Qvilleaom«.  (iymßMiom.  HaD»t«iD. 
Hwiptmann.  Uonrj.  Uenn«nn.  Hoch- 
gSrteL  Uoifaieister.  t-  Hoiningen.  rui 
Uom.  iÜ«x.  llGff«r.  Prof.  Uüffer. 
HwBf«!  Kanfmum.  R.  KeJrali. 
KMa.  J.  J.  Klostennami.  Leop.  König. 
Koitegani-  Kraffi.  KjUiE*nn-  Lent- 
petts.  Leydel.  Loench-  Loesehigk. 
Mirtem.  Maieiu.  von  Mellentia,  von 
MiftMMh.  W.  Ton  SeafriUe-  Neu- 
Rkaiut.  Priefer.  tob  Proff-Irnick.  ReAi- 
ackiUe.  ReJTiken».  toq  RigaL  Graf 
Toa  S«1b  •  Hoocttneten.  t.  S«B4t. 
H,  SekaaAMwn.  Tk.  SchMffhaaieo. 
A.  SeliMfer.  8«kMfcr.  Sekn^a.  S«limit- 
ImI».  Sokria«,  3«U.  Sejdea&mi.  tor 
a|Hl>lei—  StekHoMakt.  Strmiu«. 
dvwte.  Th^B».  Ummt.  4«  la  Valette 
S*.Gae>geLVeiL  vaa  TIeirta«.  WaMerer- 
Waaia.  Wajrka.  Winl.  Zartnau. 
TBagriw 

B  •  p  p  •  t  4 :  Beadanaackar.  Pappte. 
9ehtppaL  SaUad. 

Branafels:  Priaa  Satea. 

Brealaa:  Sflar. 

Braokkal:  Pi  mj  ■nailaia 

B  ti kl:  .^Bafcat. Clppaci. KeBer.  Martha. 
Natea.  Btaar. 

Btlaaal:  Qat£m  tm  Flaadecm.  MaaAa 
RaraL 

Batkaek  bei  Siagea:  Retk. 

Bliaa:  Karaar. 

Bargsteiafart:  BikiiailiL 

BarUekeid:  Baaa. 

Calcar:  Walt 

Caakriiiga:  L««ia. 

Carlarakc:  Bta»ka8k.  Ciaiii  latiija« 
4.  klMrtk.  e^maadl« 

C  a  •  »a  1 -.  vaa  BMdev.  < 

Clava:  Cl hiil  Gl 

kari.   Siad«. 

Caklaaa:  vaa 


Beaker.  Robert  Becker,  t.  Beraulk. 
Bone.  Canpbaasen,  Excell.  Aag. 
Camphauaen.  Clav^  Ton  Boukabea. 
Carstanjea.  Diseh.  Drewke.  Ifamoat. 
Dänuer.  EnooD.  Escingh.  Feiten.  Fr«n- 
keo.  Friedr-Wilh.-Gymnaaittm.  Gott, 
getreu.  T.  Uagens.  Uaugh.  Ed.  Hartlatt 
Job.  Dar.  Herstatt  Heuwr.  Hei^ 
Frau  August  Joeat.  Eduard  Joeit.  WB- 

helm  Joeat.  K^ser  '"Tili    Tj Jaai 

Kamp.  König*.  Leiden.  LaipeiU. 
Marzdlen-äriQBanaiB.  Majar.  Mar- 
kens.  J.  J.  Merio.  Maoiar.  If»> 
Tissen.  Michels.  Mohr.  Movlaa.  !!■■■ 
YOD  Schwarxeoataia.  Niaiiea.  Akcakaa 
Freiherr  tob  Oppeakeim.  Albart  Oppaa- 
heim.  Dagobert  O^aakaiai.  Pdaard 
Freiherr  Toa  Oppaaheiai.  PSaaai& 
Hader«ehatl.  RaaekdortL  Bnaai 
TOB  RoMB.  Sekebaa.  ScÜlliag.  Sakait: 
gea.  SeUgnana.  Statz.  StadtMd. 
Uckennau.  ToiglaL  W«j«r.  Wial- 
kaae.  tob  Wittgeärtria.  Wel£  Zanaa. 

CoeaTeld:  Gymaadaa. 

CoBstana:  Hang. Gjaaadaa. üatmut' 

CoraelimÜBster:  FsbIk 

Crefeld:     tob    Beokeratk.     Ead  ««■ 
Stack.  MadtaToa  Bfttck.  HrfmeadaM. 


SekaMt       Sekiaan. 

BaasIg:  Anhaakaak 
Daraetadt:  Baaakr. 
Daats:  KenafC 
Dieliagaa:  Aiaadt 
Dlllaabarg:  Qyaariaai. 
Deaaaeiakiagaa:  FlHiL 
Deraagea:  Delkovea. 
Doratea: 
DortKaad:    Pina 

Tai^a. 
Deaseakeia:  PHiL 
Oreaataiafart:  Frk.  ▼. 
Dtaadaa:  Flaikabaa.     S 
Dilkaa:  BliMwi. 
Dlraa:    BBilatkak    dar  StadL    OwtL 


Md. 

Dlaaaldarn 
all 


rvk 


aakaik  Wagataa. 


Aaaakrta-Oj— ■        DalaVi 


WeaMR.  1 
DalaVargt 


Venetohatss  der  Mitglieder. 


215 


Bohtz:  Crenier. 

Ehrenbreitstflin:  Sctiwiokerath. 
ElherfelJ:  Boedriingbaus.  v.  Carna{i. 

Gymnftsium.  Kealachule.  de  Weerth. 
El  tvillo:  Üraf  Eltz. 
Ein  iiieric  li :   Gymnasiam.    llAgclÜokeii. 
Endenioii:  Baun»cheidt.     Kichar/. 
Erfurt;  Junker. 

Erprath  (Hau»)  b. Xanten:  vonHaeften. 
Essen:     Baedeker.    Cappeli.   Conrads. 

Gymnasium,    v.  Hövol.    Krupp.    Heal- 

Bohale.  Ueberfcld. 
Eupen:  Höliere  Hürgerachule. 
Euekirohen:    A.  lierder.    E.  Herder. 

Ruhr.  Schoenen. 
f  lenaburg  in  Schleswig:   Müller. 
Florenz:    Bibl.-NazioQale.    Bibliothek 

des  etrurisclien  Museums.    (lamurrini. 
Frankfurt    a.    .M. :    Becker.      Gerson. 

MilanL  Stadtbibliothek. 
Frankfurt  a.  d,  Oder:    Graf  Viller». 
Freiburg     in     Baden:       UniTeraitäta- 

Bibliothek.  Gymnauium.    Kraus. 
Frenz  (Sohioss):  (iraf  Beissel. 
Fröhden:  Otte. 
Fulda:   Uoebel. 
3t   «allen:  Stiftabibliothok. 
Gebweiler:   Scblumberger. 
Genf:    Galiffe. 
Gent:    Roulez. 

Qi essen:    Antiken  Cabinet.     Theissen. 
Gladbach:        Prinzen.       Gymnasium. 

Quaok. 
Qodesberg:  Wendektadt. 
Goettingen:    Dilthej.     von    Leutsch. 

NftiBen.  Sauppe.  UaiveraitätsbiMiothek. 

Wleseler. 
Gräfenbaeher  Hütte:  ßoeoking- 
Graz:  Kelter. 
Greifswalde:  Kiesatiog. 
Gürzenioh;  Sohilliogg-Englerth. 
Haag:  FamUie  Groen  van  Prinaterer. 
Hadamar:    Gymnasium. 
Hagerhof  bei  Honnef;    Weyermann, 
Hall  (Haus)  per  Erkelenz:  t.  Spies. 
Halle:       Heydemano.       Sohlottmann. 

Universi  täts- B  ibliothek- 
Hamburg:  Otitschke.    Stadtbibliothek. 
Hamm:  Esaetien. 
Hanau:  Gymnasium. 
UannoTer:     .\hrens.     Culemanii.      t. 

Leipziger,  t.  Strubberg. 
Harff   (Schloss):  t.  Mirbaob. 
Harff  (Kreis  Neuss):   Wirt«. 
Heo hingen:   Höhere  Bilrgersohule. 
Heidelberg:   Christ.    Schady.    Stark. 

UniTersitäts-Bibliothek.  Zangenrneister. 
Herdringen  (Kreis  Arnsberg):     Graf 

FUritenberg. 
Horresherg  bei  Remagen:  Kheinen. 


Hersfeld:  Gymnasium. 

Hilde  »heim:  Wieker. 

Hoohdahl:  Schimmclbusoh. 

Homburg  v.  d.  Hohe:  Freiherr  von 
Medem. 

Honnef:  von  Seydittz. 

Höxter:  Gymnasium. 

Ilsen  bürg:   Weber, 

Immekoppel:    Müller.   Poertlng. 

Immenburg:   I'linach. 

Iserlohn:  Boeddicker. 

Itterrort:  Franssen. 

Jena:  Gaedechens.  Klette.  Uni versilüts. 
Bibliothek. 

J  Uli  oh:  Progymnasium. 

Kalk:   (IrOneberg. 

Kessenioh:  aus'm    Weerth. 

Kiel:  LQbbert. 

Kirn:  Simon. 

Königsberg  i.  Pr. :  FriedlKader.  üni- 
versitütsbibliothek. 

Könlgswin  terr  Freudenberg. 

Kreuznaob:  Antiquarießh-hiatorisoher 
Verein.  Borggreve.  C.  Cauer.  R,  Cauer. 
Koh!.    Solimidt.   Voigtländer.   Wulfort, 

Ktauarsfort:  t,  Rath, 

Leiden:  Engel».  Leemnna.  Pleyto. 
tlu  Rleu.    de  Wal. 

Leipzig:  Baedeker.  Eokstein.  Lange, 
Overbeck.  Springer.  Wach. 

Lennep:  A.  W,  Hardt.  Höhere  Bürger- 
schule. 

Linnioh:  Beck. 

Linz:  Fohl. 

Lippstadt:    Witkop. 

London:   Franks. 

Löwen:   Unlfersitüts-Blbliothek. 

LiideoBcheid:  Höhere  Bürgerschule. 

LUttich:   UniTeraitäts-Bibliothek. 

Malmedy:  Arsine  de  NoUe.  v.  d. 
Heydt.  Progymnasium.  Steinbaoh, 

Mainz:  Schneider. 

Mannheim:  AlterthumsTereio.  Gym- 
nasium. 

Marburg:  Gymnasium. 

Marienfels  bei  Remagen;  Frau  Frings. 

Marionwerder:  Ton   Hirschfeld, 

Mayen:  Delius. 

Meohernich:  Hupertz. 

Mehleroer-Aue:  Frau  Deichmann. 

Meisenheim:  Merck.  SohafTner. 

Hettlach:  Booh.  Jost. 

Metz:  Baron  de  Salis.    von   Wright. 

Miltenberg:  Conrady. 

Moers:  Gymnasium. 

Montabaur:  Gymnasium. 

Moat  e-C  asino:  Tosti. 

Montjoie:  Pauly. 

M ü  I  h  e im  a.  d.  R. :  Realaohule. 


ai6 


Verz«f«lL&tu  dar  MItgU«d«r, 


M ilneheo:  Brunn.    Barsiatu  rarneüua, 

Metamer.  Sttnona, 
M  Unat  er:    Bibliothek    der    Akademie. 

T.  Kiihlwetter.  StSadai.  Suht, 
Mü  Osterei  fei:  GymoaBium. 
M  üiia  tertii  Ay  Folri:  Sebrailt. 
Srä»h-MnLB:  EfüDB. 
Ne&pel:   Fiorellt. 
Keunki  rohen:  Stumm. 
KäUBB:    TOQ    Heinaberg.     Gyma&ifum. 

Koeiiea.  ßoesliAoli. 
Neuwied:  Fiirat  Wiod.  K  aestoer,  0  ytn^ 

tiaiiam.    Reuse  b, 
Ni  Qukork:  Buy^x. 
NordsD;  Schneider. 
Nürnberg:  Bergau. 
N  y  Dl  w e  g  e  n :  ächfieia. 
Oberh«uäeQ;     Höhere     Bürgeräaliule. 
Odenklrchen:   QotHz- 
O  e  h  r  i  n  g  e  Q  :  St!rtä-BibUcitIi«k. 
OsnsljFÜGk:  ßerlag«. 
Oatröwo:  PtIiis!  liaditwill. 
Pnileriforti:  TheodorAofache  ßiblloth. 
pArii:  Darbet.     Baulewsky.    d«  Lung- 

pAriar.  Lucsb.  MicheUat.  Rob«rL 
Parma:  Uni-veTiMti-Bibläothak. 
Persigs«:Uni  v.-Bib  li  othek. 
Po^peledaTf:  A.  Kakuli. 
Prag:   UaivQr ».-Bibliothek.    Wältmsan. 
Präm:  Guiohartl.    HQänekeii. 
Rattbor;  Kramaroitk, 
RaTenoa:  LanoSatil. 
Eaveateln:  de  Meeiter  de  RaTeatela. 
ße  ek  1 1  ngha  uson  :   Hülaohor. 
Remich:  Hermes. 
Remaolieid:  Gewerbeschale. 
Rheinbach:  Ungermana. 
Rheinberg:  Pick. 
Rheine:  Gymnasium. 
Rheydt:  Wittenhaus. 
Rietberg:  Progymnasiam. 
Rinteln:  C^^nnnasiam. 
Roermonde:  Martin. 
R  eis  dorr:  Graf  Moemer. 
RSmlinghoven  (Haas)   bei  Obercas- 

sel:  Peili. 
Rom:  Helbig.  Hensen.  de  Rossi. 
Ruhr  ort:  Realschule. 
Rarioh  (Sohlossb.  Erkelenz):  v.  Hom- 

pesch. 
RO  des  heim:  Fonk. 
Saarbr{loken:Aohenbaoh.  Gymnasium. 

Karoher.  Naturwissenschaft!.  Verein. 
Saarlouis:  UShere  Bürgerschule. 
Sangerhausen:  Fulda. 
Sargenroth  b.  Gemünden  (R.-B.<  Cob- 

lenz):  Stinshoff. 
Sohleidweiler:  Ueydinger. 
Sevenoak.s:  Crofts. 
Siegburg:    Küppers.     Progymnasiam. 
Vorm  Walde. 


Sigtn&cinf^en:  Fntit  iM  HohänEoIleni, 
Sin  si  g:  Broicher, 
Sneek;  Mehler. 
Sobernhelni:  Progymnasiitm, 
Soest:   Gymraaium,  S^minsr. 
Solingen:    Höhere  Bürgorackule. 
Strassburi^:    Mlch«elis.  Mitaober.   tob 

Möller.      Straut«.     UüiTersitäts-Biblto» 

thek. 
Strombergr  aua'm    Weerth. 
Stromhergor- N  oiihütte:    Wände»» 

leben. 
Stuttgart:  KSngl.   öffentl.  Btbliotbek. 

Httakii.  t.  Liihke,   Prof.  Paulas, 
SUchtelen:  <ieuer. 
TAubarbls  ehofähslm!    ProgymnAi. 
Theroelengrube  bei  BrükLl:   SohulL 
Tholey:  Oatzen. 

Thorn    (ächloss):  t,  Musiel. 

Ttarbaoh'.  Pr ogymnaaium. 

Tr [  e  t :  Besseliah.  Bettingen.  t.  Beulwiti. 

Gjmna«iu.Tn.  Hettner.  HoUer.   Kelaeo. 

barg.    LiQtt.   Mosler.     Rauten strsuctt. 

Realschule.  Seyf^rDi,  Studtbir^llotbok. 

TOQ  Wolff.  TOI»  Wilmowsky, 
Tübingen:    Herzoge  Sehwabe. 
Turin:  Protni». 
Unna;  Höhere  Bürgeraobule- 

IJt recht:  Termeulen, 

VercelU:  Meli». 

Yi erdenk  Aldenkirchen.  HQhote  Oürger* 

schule,  üreaf.    Kaas.  Heokmann,  Kolb, 

Sahmitz. 
Voerde:  BouTier. 
Vogelensang:  Borret. 
Vreden:  Progymnasium. 
Wachten donk :  Mooren. 
Wallerfangen:  v.  Galhau. 
Warendorf:  Gymnasium. 
Weilburg:  Gymnasium. 
St  Wendel:  Bettingen.  Getto.  Progymn. 
We  rl:  t.  Papen. 
Wernigerode:  Bibliothek. 
Wesel:  Frowetn.  Gymnasium. 
Wesselingen:  B^bntng. 
Wetzlar:  Gymnasium. 
Wien:  Heider.  k.  k.  Münz-  und  Antik.- 

Cabinet.     Schmidt. 
Wiesbaden:    Bibliothek.     Gelehrten- 

Gymnasium.  Isenbeck. 
Wism  annsdorf  bei   Bitburg:  Ortb. 
Wissen:  Graf  Lo3. 
Witten:  Höhere  Bürgerschule. 
Worringen:  Bender. 
Würzburg:  Flasoh.  Urliohs. 
WOstenrode:  Frau  Wüsten. 

Xanten:  Niederrhein.  Alterthumsvereia. 

Seist:  Tsn  Lennep. 
Zaipioh:  NageUohmitt. 


JahtikiVertlastAkerthumsfr.  im  Hheial  Heft  LX  Hl 

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Vereins  v.  AlterthnniS'Fr.  te  Bheial.  Heft  LXIIL 


Tafel  m. 


JohrhJVtrfini  vAhfrthatm 


Lrtfc  tttfvA  Htntäjn  Bonn 


Lilh  JnÄ.v.A  Hmry  in  Bonn 


•  • 


JAHRBUCHEK 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


KHEINLANDK 


HEFT  LXIV. 


MIT  10  TAHLK  UND  2  HOLZSCHNITTflN. 


AUSGEGEBEN  AN  WINCEELMANN'S  GEBURTSTAGE, 
DEN  9.  DECEMBER  1878. 


BONN. 

GEDRÜCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

WmX,  BD  A.  MABCC8. 

1878. 


InhaltsverzBichniss. 


I.    Geschichte   und  Denkmftler. 

Der  Rhein  im  Alterthum,    Von  L.  ürlicbs 1 

Bömiache   Heeratrasson   /.wiaoben   Maas    und  Bhein.     Hiersu  Tafel  L 

Von  J.  Schneitier 18 

Ein    neaea    römlacheB    Castell    in    Britannien.     Biensu  Tafel  II,    Von 

E.  Hübner •.    .    .   .      25 

Beiträge    tu    den    römieohen    Älter thümern    der   Rheinlande.     Von 
E.  Hühner. 

I.    Die  römische  Brücke  über  den  Neckar  bei  Heidelberg.    Hierzu 

Tafel  IV 33 

IL    Der  Ursprung  von  Mainz 39 

III.    Der  Grenzstein  der  Teutonen.     Hieran  Tafel  HI 46 

6.     Der  keltische  Gott  Merdos  und  der  arische  Mithros.  Von  Karl  Christ      53 

6.  Der  achte  römische  Meilenstein  aua  Heidelberg.    Von  Karl  Christ  .       62 

7.  Datirbare  Inschriften  aus  dem  Odenwalde  und  Mainthal.  Von  Karl  Christ      65 

8.  Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Pri?ateaaiTOlungon.    Hierzu  Tafel 

V  — VI.    Von  H.  Dütschke 69 

9.  üeber   eine   goldene   Fibula   aus   Etrurien.     Hiersu   ein   Holzschnitt. 
Von  H.  Dütschke 89 

10.  Römisches  Denkmal  in  Merten.    Hierzu  Tafel  VH.     Von  F.  X.  Kraus      94 

11.  Ausgrabungen    römischer  Altertbümer   im  Regierungsbezirk  Trier  im 
Jahre  1878.    Von  Felix  Hettner 100 

12.  Datirte  Grabmäler  des  Mittelalters  in  den  Ubeiulanden.     Hierzu  Tafel 
Vm  und  IX.     Von  E.  aat'm  ViTeertb 117 

13.  Römische  Gläser,    b.  Heidnische  und  christliche  Glaskelche  und  Patenen. 
Hierzu  Tafel  X  und  ein  Holzsclinitt.     Von  E.  aus'm  Weerth    .    .    .     119 

14.  Das  Haus   des  Herzogs   von  Brabant  zu  Köln.    (Fortsetzung  von  Heft 
LXIII  S.  141.)    Von  J.  J.  Merlo 180 

U.    Litteratur. 

1.    Dr.    Heinrich  Schliemann,   Mykenao.     Mit    einer    Vorrede    von 

W.  F.  Gladstone.     Angez.  von  H.  Dütschke 164 

Ueber  die  Bedachung  der  Viorungskuppel  am  Münster  zu  Strassburg. 
Zweiter  Bericht.    Angez.  von  Heinrich  Otte 169 


IV  ^^^^^^^  Inlt&ltäTerzeichlilm. 

SeMla 
8.    idiUbriluiigen  d«r  k.  fc.  CeDtral-ConnüifRicm  zur  Erfonchung  und  Er- 

hAltuDg  der  Kanat-  und  historischen  Oeokmale.     Augez.  von  Älden- 

kircbea  .--,..,.>......... ,   .   .    .     171 

4,  Der  G^chiobtafreuDd.  Mitth.  d»  hist.  VereJos  der  fünf  Oifte  Luxem, 
tJry,  ScUwyjs,  Untel^alden  Bod  Zyg.  32,  «nd  33,  Bd.  Anget,  -roo 
Aldenkircheii ,    ..........    .     161 

5.  Adolph  Thomaa,  Geschicbte  der Prnrre Bt Maaritua eq  Eöln.  Auge«. 

TOD  Vau  VleutfiD , ,..,.....     164 

III.    MiBealleti. 

1.  MovaikbÖden  und  Wandaialereieti  zu  Aix  in  FraBkreioli    .    «   .  *   .   .     1@G 

2.  Kltsine  AitertbSmer  &at  Aodcniftcb.    Tod  ran  Ylenten  .....>     IBS 

5.  Römergrab  bei  Bertrioh ,..,.....,.     185 

4.    Töpfen tempel.    Von  van  Tleuton. , IBS 

6.  Nachtrag;  zur  BeBprecbung-  dea  Hölzermaiui'flchen  Werkea  Jahrb.  LXH, 

130 ff.     Von  J.  Schneider ,..,.....,...  186 

6.  Fände  in  der  Etfel.     Von  Hojdinger  ,    , 187 

7.  FränkiBcbeB  Grab  bei  AltenoaseQ 191 

3.  FTänkitcbe  Grabfunde  zu  NiedercaBsel,  WeuelLQfen,  Merkenich  und 
Brodenbacb,    Vc»n  E.  aua'm  Weerth ,..,....  192 

9.    Die  AstbropotogeD-Veraammlang  am    13. — 14.   Augiist  1878   ia  Eiol. 

Von  Seh.    . •. 193 

10.  I>er  Name  der  Lahn«    Von  E.  Christ 301 

11.  Römiioho  Funde  der  Motel.     Von  C.  Bendermaoher  .......  202 

12.  Die  Merovinger-Graber  von  Nlederempt  reap.  Frankesboven.  Von 
Const.  Eoenen 204 

18.    Fränkische  Gräber  zu  Wesseling.    Von  van  Vleuten 206 

14.    Ausgrabungen  bei  Xanten.    Von  J.  Schneider 206 


Berichtigung. 
S.  62  Z,  8  V.  u.  lies  „in  den  vorigen  Heften"  statt  „im  vorigen  Hefte." 


I.  Gesebichte  mtd  Denkmäler. 


I.   Der  Rhein  Im  Alferthum. 

Neben  Gold  und  Silber,  das  sie  in  der  Heiraath  gewannen, 
schätzten  die  klassischen  Völker  des  frühesten  Alterthums  keinen 
Schmuck  höher  als  den  aus  der  Ferne  geholten  Bernstein.  Die  Treue 
Penelüpeos  will  ein  sehlauer  Freier  durch  ein  Halshand  von  Gold  und 
Bernstein  versuchen;  eine  weniger  feste  Schöne  gewinnt  ein  sidonischer 
Kaufmann  durch  ein  gleiches  Kleinod,  und  auf  der  Brust  des  jüdischen 
Hohenpriesters  funkelte  ein  Bernsteingeschnieide.  Sehr  überzeugend 
ist  neulich  Dachgewiesen  worden,  dass  der  Geschmack  sich  allmälig 
änderte,  verarbeitete  Stücke  in  Griechenland  und  dem  Westen  von 
Italien  in  der  Blüthezeit  der  klassischen  Kunst  nicht  vorkommen,  in 
dem  östlichen  wenij^er  hellenisierten  Theile  der  Halbinsel  länger  und 
zwar  bis  tief  in  den  Süden  hinunter,  bis  in  der  Kaiserzeit  dieselbe 
Liebe  zum  Glänzenden  und  Durchscheinenden,  welche  ungebildete  und 
verbildete  Völker  mit  einander  geraein  haben,  diese  Leidenschaft  wieder 
in  Aufnahme  brachten.  Aber  das  rohe  Material  wurde  fortwährend 
wie  das  Zinn  auch  in  Griechenland  eingeführt,  und  weite  Landstriche 
Italiens  liebten  auch  ferner  es  zierlich  zu  verarbeiten.  Die  spärlicheren 
Funde  in  Oberitalien  selbst  reichten  nicht  aus. 

Diesen  gewinnreichen  Verkehr  mit  dem  fernen  Norden  betrieben 
zuerst  die  Phönicier,  sodann  theilten  sich  die  Griechen  von  Massilia 
und  die  industriellsten  Einwohner  Italiens,  die  Etrusker,  darein.  Jene 
zogen  mit  ihren  Waaren  und  Geld  das  Rhonethal  hinauf  und  nahmen 
Zinn  und  Bernstein  von  britannischen  und  gallischen  Händlern  an  der 
Nordküste  in  Empfang,  um  es  binnen  30  Tagen  bis  an  die  Rhone- 
mündung  zurückzubringen.  Die  Zeit  reicht  für  eine  Reise  quer  durch 
Gallien  hin,  nicht  aber  zur  BernsteJnküste:  es  hatte  also  einer  Menge 
von  Zwischenhändlern,  von  denen  wir  die  Teutonen  an  der  Nordsee 
kennen,  bedurft,  welche  von  Stamm  zu  Stamm  die  Waare  den  Griechen 
und  ihren  karthagischen  Genossen,  den  Erben  der  Phönicier,  zuführten. 
Der  Weg  war  nicht  so  lang  wie  man  lange  geglaubt  hat;  denn  nicht 
aus  Preussen,  sondern  von  der  cimbrischen  Halbinsel,  die  damals  noch 
ergiebiger  war  als  heutzutage,  stammte  die  Waare.  Den  östlichen 
Weg  zur  Ostsee  selbst  kennen  wir  nicht,  glauben  aber  annehmen  zu 


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dk  Bcfge«  nad,  «>e  >cw  Griedhei  4ea  Wolai  m 
der  f»ffcr""'V"  Wiiriirif  der  Dnidai,  tot  AOcb 
•obndtaB  AeElraika' des  Tdlfcen  der  Alpea  od  4er  Ebene  ScWt, 
Geld  Dod  Kiiste.  Die  Schrift  fiegt  m»  in  Meheiea  Tfreler  «ad 
Bbidier  leecfeHtee  tot;  ihr,  oiebt  der  griechitdheo,  aber  «egea  dv 
ftft  gfeiehea  ZOge  lekhi  mit  ikr  fvweebaelt,  mag  das  Deaknal  aa 
den  Greaoea  OeiiaaiiieBB  sad  ffilie»  gefaftrt  habca,  «oraaf  die  Geaihfa* 
aiiaoer  des  Tadtas  Od/asetts  Naaiea  ZB  lesea  glaabCea.  Echt  etnakbchei 
Engeld  bat  aich  aidit  fittdca  «oOea,  es  war  xajaqg,  n  mgrl^  od 
leliwer;  aber  gntea  etraskiedeB  Gold,  aad  dies  aovie  griechiscWs  Silber 
hatte  bessern  Klang  ood  leichteres  GewichL  Die  Ennst  aber,  aaiaealfich 
teKoait  des  Goldbkdi- oad  desEiigiusei,  wie  sie  io  dea  vendiiedea- 
aitigBteoWaiEeoBiidGcfiaseBerachenittistgaBzetnBlQBch:  MeliaBtsiA 
▼m  den  Abhänge  der  Alpen  von  der  Schweiz  aa  bis  weit  gegea  Nordea  bis 
Holland,  Dod  ebenso  von  lUtiea  west-  aad  ostwärts  in  einer  Reihe  gleich- 
artiger bzengnisse  Terfolgen.  Unter  dies«  sind  die  sicherstea  die  nut 
etmakisdi«!  leschriftea  rerseheneo:  sie  koaimeB  zahlreich  in  Ober- 
italien, der  Schweiz  und  Tyrol,  vereinzelt  in  Steiermark,  in  den  ent' 
terutertm  Landern  mit  Aosnahme  eines  goldenen  Halsringes  in  der 
WslUchei  gar  nicht  vor.  Dagegen  zeigen  diese  Kessel,  Dreifllsse, 
Waflienstucke,  auch  vereinzelte  Sculptaren,  welche  mit  den  echt  etrns- 
kiscben  Denkmälern  Italiens  auf  das  Genaueste  übereinstimmen.  So 
iasbesondere  auch  unser  Ilbeinthal.  Der  Dreifoss  von  Dürkbeim  bat 
sein  Tollkomroenes  Ebenbild  in  einem  Tolcentischen  Werke;  ebenso 
devten  dort  ein  Metallspiegd  und  plastische  Verziemngeo  bestimmt 
anf  Etrarien  hin.  Die  Funde  von  Waid-Algesbeim,  Weisskirchen, 
Mettlacb  u.  b.  w.,  auch  an  Goldschmuck  nicht  arm,  bieten  einen  Schatz 
der  feinsten  Erzgeräthe,  zum  Theil,  wie  ein  kleiner  Bronceeimer,  ohne 
Zweifel  ein  Werk  der  etruskischen ,  in  Metall  besonders  ausgebildeten 
Konst.  Diese  überraschenden  Entdeckungen,  welche  Lindenschmitt's 
grosses  Werk  anschaulich  zusammenstellt,   haben  zu  der  jetzt  wohl 


Der  Rheia  im  Alterthum. 


S 


herrscheDden  Ansicht  gefübrt,  alle  jene  Arbeiten  ohne  Ausnahme 
stammen  aus  Etrurien;  die  einheimischen  Gallier  haben  sie  gekauft 
und  ihren  Gräbern  beigegeben.  Andere  Forscher  unterscheiden  etrus- 
kische  Muster  von  gallischen  Nachahmungen,  die  sich,  wie  den  grie- 
chischen nachgebildete  Münzen,  durch  rohere  Technik  und  fremdartige, 
mehr  barbarische  Ornamente  bemerklich  machen.  Noch  ist  der  Streit 
nicht  entschieden:  ich  möchte  mich  auf  die  Seite  der  Letzteren  stellen, 
theils  einiger  Stikerschiedenhciten  wegen ,  theils  und  vornehmlich  aus 
äusseren  Gründen.  Niemand  wird  läugnen,  dass  die  Gallier  dies-  und 
jenseit  der  Alpen  im  Wesentlichen  dieselben,  auch  in  der  Kunstfertig- 
keit dieselben  waren.  Nun  wurden  hei  dem  Triumphe  des  Consuls  P. 
Cornelius  Scipio  über  die  ßojer  im  Jahre  191  vasa  aenea  Gallica  und 
Silber  in  Gallicis  vasis,  non  infabre  suo  more  factis  in  die  Schatz- 
kammer gebracht  (Liv.  36,  40).  Der  Gewährsmann  des  Livius  hat 
gewiss  etruskische  Erzgefässe  gekannt;  er  würde  nicht  den  relativen 
Kunstwerth  der  gallischen  hervorgehoben  haben,  wenn  es  etruskische 
gewesen  wären.  Dieselbe  charakteristische  Zier,  den  Halsring,  der- 
gleichen Torquatus  einen  seinem  gallischen  Gegner  abgewann,  trugen 
die  Gallier  in  Kleinasien,  wie  die  berühmte  Bildsäule  des  sterbenden 
Fechters,  ein  Denkmal  pergamenischer  Siege,  bezeugt:  an  einen  etrus- 
kischen  Handel  in  dem  griechischen  Gebiete  werden  wir  nicht  denken 
dürfen;  jenen  goldenen  Halsring  eines  belgischen  Grabes,  der  sich 
mitten  unter  echt  gallischen  Münzen  nach  griechischem  Typus  fand, 
werden  wir  für  ein  nationales  Produkt  zu  halten  haben.  Wenn  sich 
sonach  die  Entscheidung  ob  gallisch  oder  etruskisch  von  Fall  zu  Fall 
treffen  lässt,  so  kommen  als  Merkmale  die  barbarisierenden  Eigen- 
thümlichkeiten,  regellos  verschlungene,  wildere  Linien  und  punktierte 
Zierrathen  in  Betracht,  die  wir  z.  1>.  in  Wald- Algesheim,  bis  jetzt 
aber  nicht  in  Etrurien  sehen,  ebenso  die  barbarischen  Thierfiguren 
auf  Gürtelblechen  von  tadelloser  Technik  in  Oesterreich  u,  s.  w.  Aber 
die  Richtung  und  die  Muster  gewährte  unzweifelhaft  die  etruskische 
Kunst  Fragen  wir  nach  dem  Alter  dieses  Handels,  so  fehlen  uns  zwar 
im  Rhciolande  etruskische  Münzen,  deren  einige  in  der  Schweiz,  be.sonders 
in  Wallis,  entdeckt  worden  sind;  aber  die  Gleichartigkeit  des  schweizer 
Stils  lässt  auf  gleichzeitige  Verfertigung  ^chliessen.  Gold  münzten  die 
Etrusker  schon  im  6.  Jahrhundert  v.  C,  Schwerkupfer  nur  in  einem 
beschränkten  Gebiet,  wahrscheinlich  nicht  vor  dem  5.,  im  Norden 
kommt  es  gar  nicht  vor.  Bedenkt  man  nun,  dass  das  massilische 
Silbergeld  in  der  Lombardei  und  Tirol  eben  so  häufig  ist,  wie  das 
etruskische  selten,  so  wird  man  dem  etrusktscheij  Import  ein  ver« 


Der  Rhein  im  Alterthum. 


hältnissmässjg  höheres  Alter  beilegen  dürfen.  Damit  stimmt  der  gänz- 
liche Mangel  an  gemalten  Vasen  überein.  Die  Völkerschaften,  za 
welchen  jene  Händler  ihre  Waaren  brachten,  waren  zum  Theil  an  dea 
Bergseen  noch  Pfahlbauern,  denn  auch  bei  ihnen  hat  sich  dergleichen 
gefunden,  zum  grössern  Theil  im  liheinlande  die  gebildeten  und 
mächtigen  Gallier.  Auch  auJ'  dem  rechten  Ufer  wohnten  wenigstens  von 
Basel  bis  zum  Abhänge  des  Schwarzwaldes  die  gallischen  Völker  Hei- 
vetier  und  Tektosagen;  wie  weit  sie  nördlich  sich  erstreckten,  lässt 
sich  nicht  bestimmen :  der  nördlichste  Punkt  am  rechten  üfer  ist 
Wiesbaden,  und  auch  dort  ist  nnr  eine  einzige  Bronzekanne  zum 
Vorschein  gekommen,  sowie  Borsdorf  im  oberhe>sischen  Niddakreis; 
es  scheint  also  der  Handel  vom  Main  an  durch  das  Innere  von 
Deutschland  gegangen  zu  sein.  Dagegen  ist  das  linke  ßbeioufer  bis 
an  die  Mosel  eine  ergiebige  Fundgrube  geworden. 

Dieser  friedliche  Verkehr  dauerte  Jahrhunderte  lang:  von  dem 
Niederrhein  erfahren  wir  nichts.  Gegen  das  £nde  des  2.  Jahrhunderts 
V.  C.  bereiten  sich  jene  gewaltigen  Umänderungen  vor,  welche  in  dem 
Kriege  der  Cimbern  und  Teutonen  sich  entladen:  die  Schaaren  des 
Nordeas  durcheilten  die  Wege  des  Verkehrs  ihrerseits  nach  Süden, 
statt  der  glänzenden  Korallen  brachten  sie  Waffen  und  Blut.  Die 
gallischen  Völker  wurden  aus  Süddeutschland  weggefegt,  wohl  mögen 
die  Sueben  die  furchtbare  Haartracht  von  den  Galhern  «ngenommen 
haben,  und  an  mehreren  Stellen  drangen  die  Germanen  auf  das  linke 
Ufer  vor,  theüs  in  unglücklichen  Stössen,  wie  Ariovist,  theils  wie  bei 
Worms  und  Speier  und  im  Maas-  und  Scheidegebiet  zu  dauernden 
Niederlassungen.  Dass  in  dieser  Zeit  die  Verbindungen  mit  Italien 
unterbrochen  waren,  der  Handel  grossentheils  aufhörte,  beweist  die 
grosse  Seltenheit  der  römischen  Cousulurmünzen;  liess  doch  Obar 
einen  verunglückten  Versuch  m;icheo,  den  Weg  über  den  grossen  Bern- 
hard von  den  Belästigungen  der  Kauäeute  durch  die  Bergbewohner  za 
befreien. 

Mit  wunderbarer  Schnelligkeit  und  Geschicklichkeit  richteten  die 
Römer  sich  am  Rhein  ein.  Sie  fühlten  sich  wie  im  Vaterlande:  die 
sanften  Linien  des  Taunus  erinnerten  an  das  albanische  Gebirge;  den 
einheimischen  Caemcnt  fanden  sie  in  dem  Brohler  Trass,  den  ein* 
heimischen  Tuff  ähnlich  der  Lava  in  Niedermendig  wieder,  warme 
Bäder  in  Badenweiler,  Baden,  Wiesbaden,  und  wenn  der  feine  Jura- 
kalk an  der  Mosel  in  Lothringen  auch  dem  Peperin  oder  Marmor 
nicht  glich,  so  war  er  doch  als  Baumaterial  diesen  Steinen  gleich  zu 
stellen.    Da  wurden  emsig  Strassen  gebaut,  Ziegel  gebrannt,  Stldte 


Der  Rbwn  im  AUerthnni. 


und  Lager  befestigt.  Die  breiten  Ströme,  vor  allen  der  Rbeio  selbst, 
trugen  geduldig  Handoissdiiffe  unil  Lasten;  ja  auch  ein^'  Kriegsflotte 
sichert«  seine  Ufer,  Die  Kosten  trugen  die  gallischen  Steuern,  welche 
zuerst  die  Statthalter,  unter  ihnen  der  Pracurator  von  Belgien  nach 
einem  sorgfältigen  Anschlag  erhob,  und  die  Zolle  an  der  schweizer 
und  lothringischen  Grenze.  Anfänglich  litt  es  sie  nicht  an  dem  linken 
Rheinufer:  bis  an  die  Weser,  an  die  Elbe  sollte  das  Reich  sich  er- 
strecket!, und  von  der  Donau  her  bis  zur  See  römische  Gewalt  sich 
ausbreiten.  Aiigustus  sonnte  sich  in  der  Herrlichkeit,  welche  die  Züge 
des  feurigen  Drusus,  des  vorsichtig  unternehmenden  Tiberius  ihm  be- 
reiteten; sah  er  ja  tn  dem  kupfernen  Kessel,  den  ihm  die  Cinibern 
sandten,  ein  Zeichen,  dass  die  Furcht  seines  Namens  bis  an  die  Spitze 
von  Jütland  gedrungen  war.  Da  geschah  der  unerwartete  Umschlag 
im  Teutoburger  Walde;  die  Schlachten  des  Germanicus  hatten  keinen 
bleibenden  Erfolg,  und  ClaudiuÄ  war  verständig  genug,  die  in  Friesland 
stehen  gebliebenen  Truppen  zurückzurufen.  Von  der  Zeit  an  blieb  nur 
ein  schmaler  Saum  auf  dem  rechten  Ufer  "des  Niederrheins  den 
Kömern  in  halber  Selbständigkeit  dienstpflichtig,  und  wie  ungern 
man  auch  diese  Abhiängigkeit  ertrug,  bewies  der  Aufstand  des  Civilis, 
die  abenteuerliche  Fahrt  der  Usiper,  welche  aus  Britannien  entwichen, 
um  an  der  heimischen  Nordküste  in  Empfang  genommen  und  ganz 
nach  der  Weise  des  ältesten  Tauschhandels  von  Stamm  zu  Stamm  den 
Römern  als  Sklaven  ausgeliefert  zu  werden.  An  die  Stelle  der  Watfen 
trat  die  Diplomatie:  mit  Jubel  sah  das  römische  ObservationscorpSj 
wie  sich  unter  Trajuii  die  Brukterer  und  ihre  Nachbarn  gegenseitig 
zerfleischten.  Aber  die  Verbindungen  mit  dem  Norden  wurden  nicht 
abgebrochen;  noch  deu  letzten  Fürsten  der  Cherusker,  den  wir  kennen, 
Cbariomer,  unterstützte  Doniitian  mit  Gelde,  wie  man  deutsche  Ge- 
sandte mit  Geschenken  und  silbernen  Geffesen  bedachte. 

Von  diesen  Bezi*?hungen  ist  ein  glänzendes  Denkmal  erhalten, 
der  Silberschatz  von  Hil<Jesheini.  Ich  wenigstens  sehe  keinen  Grund, 
die  bekaunte  Stelle  bei  Tacitus  Germ,  b  wegen  der  rhetorischen  Wen- 
dung anders  zu  verstehen  als  der  Wortlaut  besagt:  man  schenkte 
ihren  Gesandten  und  Fürsten  silberne  Gefässe,  welche  sie  nicht  weiter 
achteten  als  ihre  Thonurnen,  Das  kann  aus  Stolz  geschehen  sein, 
wie  auch  Attila  von  Silber  umgeben  aus  hölzernen  Geschirren  tafelte. 
Aber  man  stellte  die  Vasen  doch  auf  und  zeigte  sie.  Es  gibt  also 
keinen  zwingenden  Grund,  der  aumuthifjen  Vermuthung  beizutreten, 
welche  daiin   einen   Theil   von  Varus  Tafelgeschirr   erblicken  wollte. 


Der  Rhein  im  AUerihum. 


Allerdings  die  Überwiegende  Zahl  jener  58  Gefässe  gehört  dem 
1.  Jahrhundert  an;  namentlich  zeigt  das  P  satt  P  auf  jene  Zeit  hin; 
und  das  Original  eiuer  Schale,  der  schönsten  von  allen,  mag  wohl  dem 
Empfange  eines  römischen  Grossen,  warum  nicht  des  Kaisers  Augustus 
selbst,  in  Athen  gegolten  haben.  Denn  dass  wir  Athen,  nicht  etwa, 
wie  ein  neuerer  Erklärer  gemeint  hat,  Aktium,  die  Stelle  der  Seeschlacht, 
vor  uns  sehen,  ist  unzweifelhaft.  Auf  dem  Fels  der  Akropolis  steht 
colossal  gebildet  die  yAon)|  iv  ttoUi,  um  seine  Zacken  windet  sich  ein 
Oelkrauz.  Die  (Jöttin  aber,  welche  zu  seinen  Füssen  auf  einem  Steine 
sitzt,  in  friedlicher  Haltung,  obgleich  gerüstet,  wendet  sich,  ofTeubar 
um  einen  Ankömmling  zu  begrüssen.  Ist  ihr  Attribut  wirklich  nicht, 
wie  auf  syrischen  Münzen,  eine  Trompete,  ihre  Erfindung,  soDdern  ein 
Schiffshintertheil,  wie  man  zu  beweisen  sucht,  so  werden  wir  in  der 
hier  nicht  angegebenen,  in  der  Ürigiualconiposition  vorauszusetzenden 
zweiten  Person  den  Sieger  Augustus  vermuthen  dürfen.  Aber  das  be- 
weist nur  die  Zeit,  nicht  den  Eigenthümur.  Dass  die  Sieger  des  Varus 
auch  das  Silber  unter  sich  vcrtheilt  hätten,  widerspricht  der  Analogie 
von  der  Bedrängniss  des  Drusus  bei  Arbalo.  Dort  forderten  die  Katten 
Gold,  die  Marser  Pferde,  Andere  Sklaven,  kein  Silbergeschirr.  Die 
Römer  des  Varas  zerstörten  ihre  Habe  vor  dem  Untergang,  die  Beute, 
Pferdeköpfe  und  Waften,  nagelten  die  Deutschen  an  die  Bäume,  ein 
Tempel  der  Göttin  Hilda  ist  ganz  problematisch;  der  starke  Gott  der 
Cherusker  Cheru  hatte  sich  beklagen  können;  weder  Tempel  noch 
Tempelschätze  werden  ausser  der  Irrainsul  erwähnt,  und  die  lag  nicht 
bei  Hildesheim.  Warum  konnte  nicht  Italicus,  als  er  von  Rom  in  sein 
Reich  zog,  warum  nicht  Chariomer  oder  dessen  Gesandte  dergleichen 
Ehrengeschenke  erhalten,  und  wie  König  Guntram  bei  Gregor.  Tur.  55, 
bis  auf  2  Schalen  zerschlagen  haben,  um  sein  Gefolge  zu  bezahlen. 
Genug,  die  germanischen  Fürsten  legten  sich  gern  einen  Schatz  an;  und 
wenn  man  bedenkt,  dass  z.  B.  Pomponius  Paulinus,  als  er  58  in  seine 
Provinz  Untergerraanien  zog,  12,000  Pfund  Silber  mit  sich  führte,  wird 
man  selbst  jenes  Hildesheimer  Geschirr  für  Varus  Tafel  zu  arm  halten, 
üebrigens  mag  das  Hildesheimer  Silber  uns  von  der  Pracht  und  Schön- 
heit dieser  Ausstattung  einen  Begriff  geben;  interessant  ist  daran  die 
Silberverzierung  eines  grünen  Kranzes,  der  sich  um  den  Krater  schlingt. 
Reiche  Funde  von  Münzen,  geringe  von  andern  Kostbarkeiten, 
beweisen,  dass  mit'der  Occupation  die  Beziehungen  zu  dem  rechten 
Ufer  nicht  aufhörten;  an  verschiedenen  Punkten  des  alten  Wegs  die 
Lippe  hinauf  haben  sie  sich^angesammclt,  und  selbst  an  abgelegeneren 


Der  Rhein  im  Altnrthmn. 


Gegenden  fehlen  sie  nicht,  Die  interessanteste  Entdeckung  ist  in  Pyr- 
mont, ziemlich  abseits  vom  Wege,  im  Jahre  1863  gemacht  worden. 
Wie  an  dem  Brunnen  von  Vicarello,  Baden,  am  Rhein  Roisdorf,  Tönnig- 
stein  hatten  auch  hier  fromme  Wanderer  Mflnzen,  Fibeln,  Nadeln  und 
Schöpfgefässe  niedergelegt,  die  technisch  wichtig  weiter  besprochen  wer- 
den sollen. 

Auf  das  rechte  Rheinufer  hatte  Claudius  verzichtet;  durch  die 
Eroberung  von  Britannien  gab  er  reichlichen  Ersatz,  und  von  dieser 
Zeit  an  war  der  Provinz  ein  lebhafter,  beiden  Theilen  vortheilhafter 
Verkehr  gegönnt.  Alle  Völker  gallischer  Zunge  waren  dergestalt  unter 
dem  römischen  Scepter  vereinigt;  in  Wissenschaft  und  Kunst,  in  Handel 
und  Wandel,  in  militärischem  Truppenwechsel  stetig  von  einander  be- 
einflusst,  hätten  sie  eine  für  das  Reich  gefährliche  Anziehungskraft 
geübt,  wenn  nicht  den  Galliern  ausser  dem  Bürgerrechte  auch  der  Zu- 
tritt in  den  Senat  eröffnet  worden  wäre.  Die  Vornehmen  strebten 
nach  der  Hauptstadt,  und  auch  ihre  religiösen  wie  wissenschaftlichen 
Interessen  gruppierten  sich,  da  die  Macht  der  Druiden  gesprengt  war, 
um  den  Altar  des  August  in  Lyon,  um  die  geistigen  Wettkämpfe  latei- 
nischer Sprache,  die  Caügula  begrtlndet  hatte.  So  vollzog  sich  unauf- 
haltsam jene  Latinisierung  der  Provinz,  welche  lebensfrische  Elemente 
hinzubrachtc. 

Anders  am  Oberrhein.  So  lange  die  Cherusker  ihre  Macht  be- 
hielten, d.  h.  während  des  ersten  Jahrhunderts,  waren  die  Katten  be- 
schäftigt; ohne  bedeutende  Erfolge  blieben  auf  beiden  Seiten  gelegent- 
liche Angriffe,  und  als  die  Katten  schwerer  auf  ihre  westliche  Nach- 
barschaft zu  drücken  anfingen,  zog  Doraitian  den  schützenden  Grenzwall, 
den  seine  Nachfolger  vollendeten.  Hinter  ihn»  entfaltete  sich  von  Neu- 
wied aufwärts  in  zunehmender  Breite  reges  Leben  in  Baden,  Schwaben, 
der  Schweiz;  auch  die  rätischen  Alpen  waren  gesichert,  und  so  konn- 
ten über  alle  Pässe  Truppen  und  Reisende,  zwischen  Po,  Donau  und 
Rhein  frei  verkehren,  Allerdings  kostete  es  gewaltige  Anstrengungen, 
die  Wacht  am  Rhein  und  in  den  Decumatcnlanden  in  einem  Achtung 
gebietenden  Zustande  zu  erhalten.  Nicht  weniger  als  acht  Le.gionen, 
mit  den  Hülfstruppen,  ursprünglich  etwa  80,000  Mann,  hielten  die 
Militärgrenze  besetzt,  und  h.irte  Steuern  musste  Gallien  aufbringen. 
Suchen  wir  uns  von  dem  Zustande  beider  Provinzen  ein  Bild  zu 
machen,  so  haben  wir  vor  Allem  der  Befestigungen  zu  gedenken. 
Starke  Lager  schützten  die  Grenze:  Vindonissa  die  Schweiz  und  die 
Nähe  des  Bodensees,  Strassburg  den  Elsass,  die  Saalburg  den  Taunus, 


8 


Der  Rliein  im  Altorthnm. 


bei  Neuwied  eine  Feste  die  Einmünrlung  der  kattischen  Berge  in  die 
Rheinebene,  Vetera  bei  Xanten  den  NiedeiThein,  und  hinter  ihnen  in 
zweiter  Linie  am  Main  kleinere  Festen,  Mainz,  Bonn  und  Köln  &m 
Rheinstrorae  selbst.  In  den  Castra  standen  die  Legionen,  in  den 
Castella  die  Kohorten  der  Ilülfstruppen  oder  aus  beiden  gemischte  Ab- 
theilungen  unter  Legionsofficieren.  Alle  drei  oder  sechs  Jahre  wechselte 
der  Oberbefehl.  Die  Statthalter,  Männer  der  höchsten  Stellung,  ohne 
Ausnahme  Cousularen,  siedelten  sich  in  den  Prätorien  von  Mainz  und 
Köln  an ;  es  war  die  hohe  Schule  des  Kriegsdienstes,  und  mehr  als 
ein  Kaiser  ging  aus  ihr  hervor.  Sie  begleitete  das  Hauptquartier,  und 
Rechtsverständige ;  die  Generale  der  Divisionen,  die  Legaten,  hatten 
zumeist  die  Prätur  schon  hinter  sich  und  warteten  auf  das  Consulat, 
unter  ihnen  dienten  die  strebsamen  jungen  Männer,  die  Tribunen  der 
I^gion,  die  Präfecten  der  Reitergeschwader  und  der  Kohorten,  die 
ebenfalls  den  höhern  Aemtern  nahestanden.  Der  ältere  Plinius  war 
Rittmeister,  als  ihm  Drusus  Heldengestalt  im  Traum  erschien  und  die 
BeschreibungdergermanischenKriege  auftrug;  Tacitus  war  vielleicht  fried- 
licher Befehlshaber  einer  Legion,  als  er  jene  unschätzbaren  Nachrichten 
Über  Germanien  einzog;  und  von  Zeit  zu  Zeit  erschien  der  Procurator 
von  Belgien,  um  von  den  Publicani  die  vigesima  libertatis,  die  Steuern 
der  Decumaten  u.  s.  w.  zu  empfangen  und  den  Feldherrn  die  Krieg?»- 
kasse  zu  füllen.  Einen  schmalen  Streifen  Landes  nahmen  die  eigentlich 
germanischen  Provinzen  ein;  sie  genossen  Zollfreiheit,  wie  sich  aus  der 
Lage  der  Zollstättcn  ergibt,  zu  Gunsten  der  Soldaten.  Mit  einem  fast 
königlichen  Pomp  ausgestattet,  kamen  die  Feldherrn  in  die  Provinzen; 
ihnen  gehorchte  das  Heer,  aber  das  Damoklesschwert  schwebte  über 
ihrem  Haupte:  die  Frumentarii  oder  Armee- Gendarmen  flogen  als 
Kuriere  zwischen  der  Hauptstailt  und  ihren  Residenzen  hin  und  her, 
und  die  Ankunft  eines  Freigelassenen  aus  dem  Kabinet  brachte  den 
Legaten  Befehle,  Lob  oder  Abberufung.  Unter  ihrem  Oberbefehl  ge- 
nossen die  Träger  der  Discipliu,  die  Centurionen,  ein  bescheideneres, 
aber  sicheres  Loos:  sie  befehligten  auch  die  Kohorten  und  Abtheilungen 
mit  zugetheilter  Reiterei  (numeri).  und  unter  ihrer  Aufsicht  wurden 
von  den  Soldaten  die  grossen  Bauten  und  Städteanlagen  ausgeführt. 
Endlich  bildet  eine  grosse  Zahl  von  niedern  Officieren,  Aerzten, 
Amliteuren  (cornicularii)  und  Intendanten  unter  verschiedenen  Titeln 
den  Uebergang  zu  den  untern  Chargen  und  den  gemeinen  Soldaten. 
Diese  aber  waren  aus  dem  weitesten  Umfang  des  Reichs  zusammen- 
geströmt.   Mehr  und  mehr  verschwinden  die  Italiener  aus  den  Legio- 


Der  Rhein  im  Alierthnin. 


neo ;  man  kennt  sie  an  der  Hetmath,  der  Tribiis  und  dem  vollständigen 
Namen;  schwerlich  wird  sich  eine  Inschrift  finden,  die  über  das 
2.  Jahrhundert  hinunterreichte.  Wer  von  Italienern  sich  ausserhalb 
der  hauptstädtischen  Truppen  dem  Militärstand  widmete,  that  es  in  der 
Regel  unter  den  Hülfstruppen  freiwillig.  Die  Aushebung  traf  überwie- 
gend die  Bürger  in  den  Provinzen.  Unter  den  Cohorten  der  Hitlfs- 
truppen  aber  erscheinen  Thracier,  Rätier,  Vindelicier,  Spanier,  Gallier, 
Germanen,  Griechen  aus  Kreta  und  Cyrene,  Syrer  aus  Damascus,  Helvetier, 
Pannonier,  Eritten  und  Britannier  mit  zweifelhaftem  Unterschiede.  Denkt 
man  sich  dazu  die  Masse  der  Bevölkerung  gallischer  Zunge,  dazwi- 
schen die  verpflanzten  Germanen,  Gugerner,  Ubier,  Sigambrer,  Triboc- 
cher  u.  A.,  am  Oberrhein  die  Nemeter  und  Vangionen,  so  wird  man 
unter  diesem  bunten  Völkergemisch  kein  anderes  Band  entdecken  ala 
das  lateinische  Commando,  Utid  doch  waren  den  Galliern  und  Deut- 
schen ihre  Stammeseigenschaften  so  fest  eingeprägt,  dass  die  Versuche 
der  Treverer  sich  für  Germanen  auszugeben  keinen  Erfolg  hatten. 
Diese  Truppenmacht  blieb  in  der  Provinz;  während  die  Legaten  und 
Beamten  kamen  und  gingen,  siedelten  die  ausgedienten  Soldaten,  die 
Veteranen,  nach  langjährigem  Dienste  sich  an,  das  römische  Bürgerrecht 
war  ihr  Lohn,  und  ihre  Familien  wurden  Römer.  Daher  die  Unzahl  von 
lulii,  Vitellii,  Flavii,  Ulpii,  Aurelii  in  den  Inschriften,  welche  uns  unver- 
hältnissmässig  weniger  echt  gallische  oder  deutsche  Namen  überliefern; 
daher  auch  die  auschliessliche  Herrschaft  der  lateinischen  Sprache. 
Diese  Ansiedelungen  waren  zunächst  die  vici  militares,  wie  der 
vicus  Britannorum  bei  Mainz,  aber  einheimische  Bestandtheile  fehlten 
nicht.  Hoch  über  ihnen  standen  die  Coloniae,  in  welchen  die  Vetera- 
nen massenhaft  zusammen  mit  den  Galliern  und  Germanen  wohnten, 
am  linken  Ufer  und  theilweise  am  rechten,  und  die  Municipia,  die  an 
und  neben  den  Besatzungen  entstanden.  Endlich  bildete  das  unkrie- 
gerische Gefolge  des  Heeres  ein  sehr  bedeutendes  Element  der  Romani- 
sierung.  Von  dem  Schwärme,  welcher  die  Heere  begleitete  und  unter 
ihrem  Schutze  friedliche  Gewerbe  in  Neubauten  ausserhalb  des  Walles 
trieb,  erwähnt  uus  Tacitus  bei  Vetera  eine  Masse;  sie  wurden  ge- 
legentlich in  Nothfällea  bewaffnet :  wie  sie  aus  dem  Heere  selbst  her- 
vorgingen, lehrt  eine  Inschrift  aus  Nimwegen  bei  Brambach  117.  AusCala- 
garris  in  Spauien  dienten  2  Brüder  in  der  Leg.  X  Claudia  Gemina;  der 
Sohn  des  Einen  war  Lixa.  Eine  höhere  Art  von  Gewerbe,  hauptsächlich 
Geldgeschäfte,  trieb  der  Negotiator.  Beide  Städte  siedelten  sich  näher 
oder  ferner  von  den  Legionslagern  in  den  sog.  Cauabae  an  und  hiessea 


10 


Der  Rhein  im  Atierthom. 


daher  Canabenses,  ebenso  die  entlassenen  Veterani  anter  selbstge- 
wählten Obrigkeiten,  den  Curatores  civium  Romanorum.  Allmälig  er- 
langten sie  faktisch  (oder  rechtlich)  die  Bedeutung  eines  Manicipium, 
und  auch  das  Lager  selbst,  wenn  es  damit  beschenkt  wurde.  Während 
also  die  höchste  Stufe  der  Colonia  gebührt,  folgt  auf  sie  das  consti- 
tuierte  Municipium  unter  der  gesetzmässigen  Obrigkeit  der  Decemvirn 
und  Aedilen,  so  z.  B.  Castellum  Mattiacorum  Mainz  gegenüber,  Maioi 
selbst  ist  Municipium ;  hiernach  stehen  die  Castra  der  Legionen,  wie 
Bonn,  unter  militärischem  Oberbefehl;  endlich  die  Canabae,  eigent- 
liche Lagerstüdte,  die  sich  allmäUg  zum  Municipium  erheben,  bis 
Diocletian  die  Unterschiede  aufhebt,  endlich  die  Vici  und  für  die  Land- 
leute,  denen  die  Peregrinen  zugezählt  werden,  die  Pagi;  was  ausser- 
halb auf  dem  Lande  in  Villae  wohnte,  befindet  sich  ganz  ausserhalb  des 
städtischen  Verbandes.  Diejenigen  Gewerbe  endlich,  welche  sich  in  den 
Städten  als  CoUegia  zunftmässig  einrichten,  ohne  eigentliche  Heimatbs» 
berecbtigung,  bilden  die  Consistentes  in  oppidis. 

Welche  Folgen  hatte  dieses  System  für  die  Bewohner?  Man 
braucht  nur  die  misstrauische  Beschränkung  des  freien  Verkehrs  mit 
dem  andern  Ufer  zu  betrachten,  um  die  Entfremdung  der  rechtsrheini- 
schen Deutschen  zu  ermessen.  An  der  Donau  fand  nur  am  Ufer  Handel 
Statt;  voller  Verwunderung  hebt  Tacitus  hervor,  dass  die  Hermunduren 
bis  Augsburg  kommen  dürfen,  und  zwar  ohne  Wächter.  In  Köln  liess  man 
die  Landsleute  vom  rechten  Ufer  nur  bei  Tage,  ohne  Waffen,  unter  strenger j 
Bewachung  und  besteuert  ein,  wenn  sie  den  Markt  besuchten.  Die  ao 
das  linke  Ufer  verpflanzten  Deutschen,  von  denen  die  Triboccher  tief  im 
Metzer  Lande  wohnten,  waren  unter  den  Galliern  vereinzelt,  gegen  die 
Römer  ohnmächtig.  Die  Gallier  wohnten  in  dichtem  Massen,  und  nicht 
weit  von  ihren  Grenzen  hatte  sich  reges  wissenschaftliches  Leben  ent- 
wickelt, Die  Universität  Autun  unterwies  die  Jugend,  und  wie  die 
athenischen  Studenten  dem  Brutus,  so  folgten  die  gallischen  begeistert 
dem  Julius  Sacrovir,  der  sie  unter  Tiberius  zu  einem  Nationalkampf 
enttlammte.  In  Lugdunum  vollends  sammelten  sich  die  schönen  Geister 
zum  Wettkarapf  der  Rede  und  der  Dichtkunst  um  den  Altar  des 
Augustus.  Diese  Nachbarschaft  Hess  die  Treverer  nicht  kalt:  an  jedem 
Aufstande  betheiligien  sie  sich;  einmal  zur  Zeit  des  Civilis  hegten  sie 
die  stolze  Hoifnung,  ihre  in  römischer  Kriegskunst  erfahrenen  Söhne 
würden  düs  Reich  Gallien  herstellen.  Dann  aber  blieben  sie  angesehen, 
aber  unterworfen.  Das  bürgerliche  Leben  im  Kleingewerbe  bietet  an- 
ders als  zu  genreartigea  Werken  keinen  Stoff,  und   zu  idealen   Vor- 


Der  Rhein  im  Altcrtbum. 


11 


würfen,  schlichte  Göttergestalten  abgerechnet,  gab  es  keine  Anregung, 
So  musste  das  geistige  Lebeo  in  Wissenschaft  und  Kunst  auf  die 
Muster  der  hochgebildeten  Herrscher  sich  beschränken ;  es  fragt  sich, 
in  wie  weit  sie  einheimische  oder  italische  Künstler  beschäftigten. 
Dass  die  Statthalter  und  Legaten  Eich  mit  künstlerischem  Schmuck 
umgaben,  versteht  sich  von  selbst;  und  schon  die  Silbergeschirre,  das 
argentum  escarium  atque  potoriiim,  würden  es  bezeugen.  Auch  unter- 
liegt es  keinem  Zweifel,  dass  kleine  Kunstwerke,  wie  der  Erzbecher  in 
Bonn,  Mars  und  Silvia,  'Hercules  und,  wie  ich  noch  immer  meine, 
Laomedon,  ein  schönes  Werk  gewiss  des  1,  oder  2.  Jahrb.,  von  Rom 
aus  mitgebracht  worden  waren;  ebenso  die  Bronzestatuette  des  Bonus 
Eventus,  ohne  Zweifel  die  Phalerae  in  dem  Kästchen  des  P.  Flavius  Festus, 
dessen  Name  auf  die  flavische  Dynastie  hiindeulet  u.  s.  w.  Dasselbe 
gilt  von  Gemmen,  Edetsteinbildera  und  Elfenbein.  So  zahlreich  auch 
diese  Denkmäler  sein  mögen,  und  sehr  häufig  sind  sie  aus  dem 
1.  Jahrh.  nicht,  ihre  Auffindung  in  den  Rheinlanden  ist  Zufall.  Anders 
steht  es  mit  den  Denkroälern  der  Einwohner,  welche  nicht  vorüber- 
gebend das  Land  besuchten,  vor  Allem  der  Soldaten  und  Veteranen, 
80  wie  mit  denjenigen,  welche  der  Natur  der  Sache  nach  im 
Lande  verfertigt  werden  mussten,  den  Reliefs  und  Statuen  an  Felsen, 
den  Grabmälern,  den  bleibenden  Verzierungen  öffentlicher  und  privater 
Gebäude,  den  Tempeln  und  Standbildern  römischer  und  nationaler 
Götter.  Diese  haben  eine  Menge  provinzieller  Bildhauer  und  Stein- 
metzen beschäftigt,  Leute  ohne  Namen  und  Ruf,  aber  handwerks- 
mässiger  Geschicklichkeit,  üeber  die  Herkunft  entscheidet  zunächst  das 
Material;  Marmorwerke  werden  wir  für  eingeführt,  Arbeiten  aus  Jura- 
kalk und  noch  mehr  aus  Sandstein  für  einheimisch  halten  müssen. 
Sodann  der  Gegenstand:  gallischen  oder  fremden  Göttern,  dem  Mercu- 
rius  Arvernus  u.  s.  w.,  der  Rosmerta,  den  Matronen  gewidmete  Denk- 
mäler sind  gewiss  in  der  Provinz  verfertigt  worden.  Was  sich  vor- 
aussetzen lüsst,  dass  die  einheiinischen  Steinmetzen  römische  Muster 
nachzuahmen  pflegten,  mag  ein  Beispiel  belegen.  Aeussorst  selten  ist 
in  der  Kunst  eine  Darstellung  der  Befreiung  der  gefesselten  Hesione 
durch  Hercules:  ein  marmorner,  übrigens  späterer  Sarkophag  (aus 
dem  3.  Jahrh.)  in  Köln  zeigt  sie;  wir  finden  sie  dreimal  in  den  Rhein- 
landen, in  Durlach,  in  Mainz  und  in  einem  Mosaik  von  Neunig  wieder. 
Endhch  entscheiden  in  den  seltenen  Fällen,  worin  sie  mit  plastischen 
Werken  noch  verbunden  sind,  die  Inschriften.    Reliefs,  auf  denen  die 


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Die  frieificfti 
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DcudBcrag  f« 
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vertbeidiffa  wImib,  wo  inkit 

svsckgckclHi  «««■,  da  fr-ffr*  »  EiiML    Ich 

fidi  iQMMciU  SS  hibn^  &■§  tfaiff  •■  Bkoa,  lei 

im  Jahre  180,  Statt  fwd.    Die  Leg.  MIL  Aa^  < 

Ober  j« 

▼oa  Ofaerjgenaaaiea,  hrftwi/p  Vevia  voa  cncr  Bdageros-    Sa 

die  bekaante  bsduift  eiac»  BflaMn,  der  ab  Tri  »L  aajeMrWa 

tbal  »cfa  betbeÖigte.   ?küm,  eia  aeatt  aabckaaalrr  Ort,  gcfearte  utA 

eiaer  itaKichra  laachiiftp  wie  a0e 

aacb  daa  <MitlfBfaft  Spaaien,  za  der 

Qairiaa,  da«  dieaaeitige  üüer  aidit    Auf  der  Eedrtea  Seite  lyrid*  eia 

Verzeichnias  der  I'roTtnzen  m  Veraea  vaa  aovaaia  aictmaibai^  \i> 

tona  wurde  dea  lasciinften  aack  ia  dcai  Kaatdl  law  Niederkiher 

Tcrebrt,  das  maa  geglaubt  hat,  jeaer  Niedcriaaaaag   dieaea  Kai 

gchea  za  aoUeo.    Liest  man  aber  die  Terdorbeaea  Worte 

victrieeoa3>aa,  ao  criaH  aMa  ciaea  efareadea 

voB  Novia;   ihre  Stadt,   woaebea  wabiaeheadieb  Veteraaea 

mag  Novia  vjctria  (etwa  Coloaia  K.  ?)  geaaant  worden  seia,  ia 

Jahre,  worin  Commodoa  aom  7.  Male  wegen  eines  soost 

Siegs   den  Titel   Imperator  erfaieU.    Mit  jener  Niederlage  horte  dia« 

üefabr  nicht  auf;   io  die  Decamatenlaade  fielea  Ae  Aleataanea,  aia 

BeoeH   Volk   oder  VMkerhuDd,   gefahrdrohend    ein,  und  ea   bedarfle 

groeser  Siege  Caracallas  am  Main  und  Neckar,  um  sie  za  vertreibca. 

Von  nun  an  handelte  es  «ich  um  den  Umes :  der  weichherzige  Sete- 

rüg  Alexander   erlag  der  VVoth  der  Soldaten  bei  Mainz;  da  die  LaoT- 

bahn  der  Senatoren  und  Krieger  nanmehr  getrennt  war,  stehen,  als 

ffich  das  lieich  unter  Gallienos  aufzulösen  drohte,  kräftige  Usurpatorea 

auf,  um  gleich  kräftigen  Kaisern,   Probus,  Aarelian   u.  s.  w.  Platz  za 

macb<m.  Die  Regierung  des  Philippus  Arabs  (249)  iät  ziemlich  die  lezte, 

welche  auf  der  rechten  Seite  in  Inschriften  erwähnt  wird ;  die  prächtigen 

SAülcn  bei  Milt«n1)erg  waren  noch  nicht  aufgestellt,  als  die  Alemannen 

aieh  Über   den  Main   bis   in  die  Schweiz  ergossen,  im  Jahre  253 — M. 


Der  Rbein  im  Alterthnm. 


18 


Diese  Periode  ist  an  Monumenten  die  reichste.  Sicher  datiert  sind 
sehr  viele  Inschriften,  und  viele  Denkmäler  tragen  den  Stil  dieses 
Zeitalters  an  sich,  kräftig,  aber  im  Einzelnen  roh.  Die  Sculpturen 
eröffnen  einen  Blick  in  den  Kreis  der  religiösen  Vorstellungen;  die 
Inschriften  lassen  durch  die  Widmung  I.  H.  D.  D.  (in  honorem  domus 
divinae)  einen  Abschnitt  von  der  Zeit  des  Com  modus  erkennen.  Neben 
den  römischen  und  den  fromm  verehrten  pallischen  Göttern  zeigt  sich 
kein  einziges  Wesen  der  germanischen  Mythologie,  wohl  aber  asiatische, 
und  zwar  in  doppelter  Reihe:  1)  des  Mithras,  verbunden  mit  Attis 
oder  dieser  allein,  2)  des  Juppiter  Dolichenus  von  Syrien.  Einen  chronolo- 
gisch sicheren  Stein  gibt  es  m.  W.  nicht ;  wohl  aber  lässt  sich  aus  dem 
umstände,  dass  auch  Legionssoldaten,  und  zwar  mit  einfach  guten 
Namen,  dem  Mithras  ergeben  sind,  schliessen,  dass  der  Dienst  frtlh, 
etwa  im  2.  Jahrh.  am  Rhein  Verbreitung  gefunden  hat.  Die  Mithräen 
des  Rheins  gehören  zu  den  allerbedeiitendsten,  das  Heddcmheimer  in 
Wiesbaden  ist  unter  allen  Vorstellungeß  die  ausführlichste.  Die  Oert- 
lichkeit  selbst  beweist,  dass  sie  von  einheimischen  Künstlern  veri'ertigt 
worden  sind;  von  Marmor  ist  mir  keins  bekannt;  seine  Stelle  vertritt 
in  den  besten  Werken  feiner  Jurakalk.  Künstler  nennen  sich  nicht: 
ein  ehernes  Cohortenzeichen  aus  Sigmaringen  in  Karlsruhe  scheint  den 
Namen  Conatus  (Cognatu)  fecit  zu  enthalten.  Eine  datierte  rohe  Statue 
der  Minerva  aus  Sandstein  in  Oehringen  gibt  die  Jahreszahl  232  n.  C. 
Die  zahlreichen  Töpfer  führe  ich  nicht  an,  aber  die  Gefässe  auch  aus 
terra  sigUlata  sind  häußg  und  schön. 

Die  Bildung  der  Provincialen  erhielt  ohne  Zweifel  durch  die  im 
2.  Jahrh.  mehr  und  mehr  aufhörende  Zurücksetzung  der  Griechen 
eine  erfreuliche  Bereicherung.  Zu  einer  Zeit,  worin  ein  Philosoph  auf 
dem  Throne  sass,  die  Griechen  zu  hohen  Würden  gelangten,  die  ju- 
ristische Ausbildung  ihren  Gipfel  erreichte,  gingen  auch  die  Statthalter 
mit  einer  gelehrten  Begleitung  in  die  Provinz.  Dio  Cassius  rühmt  einen 
hochgebildeten  Mann  Salvius  Julianus,  welcher  auch  in  philosophischen 
Studien  bewandert  war;  er  bekleidete  das  Consulat  im  Jahre  175  und 
ging  dann  als  Statthalter  in  eine  Provinz,  wie  Borghesi  bewiesen  hat^ 
nach  Unter-Germanien.  Ihn  begleitete  unter  dem  Gefolge  ein  Grieche» 
welcher  sich  selbst  einen  Philosophen  nennt.  Sein  Grabstein  im 
Bonner  Museum  lautet  Q.  Aelio  Egrilio  Evareto  philosopho  amico 
Salvi  luliani  Aelia  Timoclia  uxor  cum  lilis;  er  wurde  in  Wesseling 
gefunden,  also  auf  der  Stelle  einer  Villa,  worin  wir  nns  den 
gelehrten    Mann    wohnhaft    zu    denken    haben.     Der    Titel   amieus 


u 


Der  Rhein  im  Alterthum. 


bezeichnet  eine  Ehre  des  Comitats;  er  gehörte  zu  der  docta  cobors 
des  Statthalters,  der  ohne  Zweifel  nicht  allein  mit  ihm  über 
Philosophie  verkehrte;  den  Daniophilos  hatte  er  in  Rom  unterhalten. 
Der  Gedanke  lässt  mich  nicht  los,  dass  dieser  weltweise  Legat  and 
sein  gelehrter  Freund  auf  die  Wahl  eines  ihnen  theuern  Stoffs  für  ein 
Kölner  Gebäude  Einäuss  geübt  haben:  ich  meine  das  berahmte  Mo- 
saik, welches  unser  Verein  im  Winckelniannsprograram  1845  bekannt 
gemacht  hat.  Es  stellte  7  griechische  Weisen  dar,  unter  ihnen 
Sophokles,  vielleicht  Liebling  des  Bestellers,  dann  Kleobulos,  Cheilon, 
Sokratcs,  in  der  Mitte  Diogenes.  Schon  Lersch  hat  darauf  hingewiesen, 
dass  die  Spuren  des  gegen  40  Fuss  langen  Gebäudes,  worin  es 
15  Fuss  tief  zum  Vorschein  kam,  auf  eine  grössere,  vielleicht  öffent- 
liche Anlage  schUessen  lassen,  vermuthlich  dieselbe  Anlage,  welche 
im  Jahre  393  verfallen  und  auf  Befehl  des  Coraes  Arbogast  hergestellt 
wurde.  Freilich  fehlt  es  nicht  an  Bedenken.  Die  Kirche  der  h.  Cäcilia, 
neben  welcher  bei  dem  Bau  des  Bürgerspitals  das  Mosaik  zu  Tage 
kam,  liegt  zwar  neben  der -Peterskirche,  an  welcher  der  zuletzt  er- 
wähnte Stein  eingemauert  ist,  aber  warum  mauerte  man  ihn  nicht  in 
die  erstgenannte,  sehr  alte  Kirche?  Ferner  liegt  sie  nicht  in  der  Mitte 
der  Stadt,  sondern  ziemlich  nahe  an  der  alten  römischen  Maaer;  der 
Statthalter  Julianus  hat  im  Praetorium  gewohnt,  dieses  aber  lag  in  der 
Gegend  des  Rathhauses.  wenigstens  ist  dort  die  Inschrift  des  Q.  Tar^ 
quitius  Catulus  leg.  Aug.  gefunden  worden,  welcher  das  aus  den  Rui- 
nen hergestellte  Praetorium  erneuert  hat.  Wenn  man  nur  wOsste, 
wann  jener  Mann  von  sehr  altem  Adel  (denn  den  Namen  trug  in  den 
ersten  Jahren  der  Republik  ein  mag.  eq.)  gelebt  hat.  Also  in  dem 
Prätorium  kann  das  Mosaik  sich  nicht  befunden  haben;  Aegrilius  Evaretus 
selbst  war  freilich  verbeirathet  und  Familienvater,  er  wird  also  in  einem 
eigenen  Hause  gewohnt  haben.  Aber  neben  einem  Landliause  ein  palastähn- 
liches Gebäude  ist  für  einen  Begleiter,  der  nur  wenige  Jahre  dort  zu 
verweilen  denken  musste,  zu  schön.  Aber  eine  Stelle  des  Sidonius 
Apollinaris  führt  uns  auf  eine  andere  Möglichkeit  Nach  ihm  malte 
man  Philosophen  und  Dichter  per  gymnasia  Areopagitica  vel  Prytaneum. 
Letzteres  bedeutet  ia  seinem  verschnörkelten  Stil  (genere  dialectico) 
die  Curia,  also  ersteres  die  Basilica  —  wie  nun  wenn  jenes  Mosaik  ar^ 
sprünglich  eine  Basilika  geschmückt  hätte  ?  Dass  es  älter  war,  als  der 
Neubau  von  393,  folgt  aus  jener  Inschrift,  wenn  sie  sich  auf  diesen 
Palast  bezieht,  sicher  und  wird  auch  durch  die  verhältnissmässig 
grosse  Tiefe  des  Fundes  wahrscheinlich.  Der  Stil  ist  in  diesen  Wer- 
ken ein  ziemlich  unsicherer  Führer. 


Der  Rhein  im  Alierthum. 


15 


Auf  alle  Fälle  breitet  sich  die  Wissenschaft  aus.  Wir  lesen  nun- 
mehr von  einem  Hedyepea,  dessen  trostlose  Eltern  in  halben  Versen 
klagen ;  ein  Stein  aus  Trier  enthält  merkwürdiger  Weise  einen  Vers 
aus  Lucan,  ebenda  begegnen  wir  einem  Graramaticus  Graecus,  dessen 
echter  Name  Aemilius  Epictetus  sive  Hcdonius  auf  römisches  Bürger- 
recht und  eine  etwas  ältere  Zeit  mutbmasslich  schliesseu  liisst. 
Die  Zeit  stimmt  mit  jenem  Afrikaner,  der  im  Jahre  231  gepriesen  wird, 
dass  er  studiis  utriusque  linguae  perfecte  eruditus  war.  Mit  dieser  wissen- 
schaftlichen Regsamkeit  geht  die  Kunstproduction  in  gleichem  Schritt. 
Man  darf  das  3,  und  4.  Jahrhundert  recht  eigentlich  das  Zeitalter  der 
Mosaiken  nennen.  Denn  dem  ersten  seheint  keines  anzugehören ;  dann 
aber  je  später  desto  häufiger  werden  sie.  Diese  mögen  etwa  ursprüng- 
lich von  italienischen  Mosaicisten  gelegt  worden  sein,  wie  ja  auch 
heutzutage  die  eigentliche  Kunst  an  Rom  und  Florenz  geknüpft  ist; 
aber  hier  dürfen  wir  sicher  für  die  Rheinlande  den  Ruhm  origineller 
Thätigkeit  in  Anspruch  nehmen.  Das  berühmte  poseidonische  Mosaikbild 
von  Vilbel  an  der  Nidda,  jetzt  in  Darmstadt,  welches  Jahn  erklärt  hat, 
nennt  seinen  Meister  Pervincus  fe,;  der  Name,  offenbar  unröraisch, 
kommt  in  Mainz  und  südlich  davon  mehrmals  vor:  wir  werden  also 
den  Wohnsitz  dieses  Künstlers  am  Uoflager  des  Statthalters  zu 
suchen  haben. 

Seit  der  Regierung  des  Gallienus  in  der  Mitte  des  3.  Jahrhunderts 
drückten  die  Germanen,  nachdem  sie  Caracalla  besiegt,  dessen  Nach- 
folger mühsam  zurückgehalten  hatten,  wieder  mächtiger  auf  die  Grenz- 
befestigungen ;  jener  friedliche  Wohnsitz  an  der  Nidda  konnte  nicht 
ungestört  bleiben.  Da  bildete  sich  von  258—74  eine  merkwürdige  Reaktion 
des  einheimischen  mit  den  Römern  verbundenen  Elementes  in  der  kräftgen 
Regierung  jener  tüchtigen  Krie^'sfürsten,  von  denen  Poatumus  258— 68  mit 
Recht  auf  seinen  schönen  Münzen  besonders  Hercules  darzustellen 
liebte.  Die  Fürsten  residierten  in  Köln  und  in  Trier;  sein  Mitregent 
und  Nachfolger  Victorinus  hat,  ehe  er  auf  den  Thron  gelangte,  in 
Trier  ein  Denkmal  hinterlassen.  In  einen  prachtvollen  Mosaikfussboden 
war  eine  Inschrift  eingelassen,  welche  wahrscheinlich  die  Herstellung 
eines  öffentlichen  Gebäudes,  das  mit  dem  spätem  kaiserlichen  Palast 
zusammenhing,  betrifft.  Die  glücklichen  Erfolge  des  Probtis  auf  dem 
rechten  Ufer  bis  an  den  Neckar  waren  doch  insofern  bedenklich,  als 
er  die  besiegten  Deutschen  massenhaft  in  die  Legionen  aufnahm. 

Und  nun  drängt  Alles  nach  Trier;  die  Theilung  des  Reichs,  die 


16 


Der  Rhein  im  Alterthom. 


Stiftung  der  gallischen  Präfectur,  die  persönliche  Anwesenheit  des 
Kaisers  macht  auf  ein  Jahrhundert  die  alte  Colonie  des  Claudius  zur 
Weltstadt.  Ck)nstant!n  und  seine  Nachfolger  schmücken  die  Stadt  mit 
onTergänglicheu  Gebäuden,  deren  kräftiger  und  theilweise  origineller 
Charakter  einen  Goethe  und  Niebuhr  zur  Bewunderung  hinriss;  die 
Umgegend  belebt  sich  mit  reizenden  Villen:  Nennig  und  Conz;  das 
entferntere  Eifelland  wird  zu  einem  Ungeheuern  Jagdgebiet.  W&hrcnd 
Valentinian  auf  seiner  Villa  in  Conz  malt,  dicbtet,  in  Wachs  und 
Ton  modelliert,  Scbulen  errichtet,  kennt  sein  Sohn,  der  wilde  Jäger 
Gratian,  fein  gebildet  von  Hause  aus,  kein  grösseres  Vergnügen  als  den 
Jagdspiess,  den  er  gegen  das  Wild  schleudert,  und  dessen  Beute  er 
in  seiner  Villa  zu  Fliessem  einsammelt.  Dies  kaiserliche  Hoflager  bietet 
die  herrlichen  Mosaiken;  in  Nennig  setzte  er  seinen  Fuss  auf  Jagdscenen, 
aufdie  Kämpfe  des  Amphitheaters.  Und  weiter  den  Fluss  hinab,  hinauf, 
nach  Metz  und  Neumagen  schimmert  es  von  Landhäusern,  Industrie 
und  Städten,  Kupferbergwerke  nahe  bei  der  Saar  beleben  das  Gewerbe, 
die  Münze  arbeitet  fleissig.  Mit  den  kostbaren  Bildwerken  in  En 
und  Marmor,  welche  diese  Gegenden  gewiss  aus  Italien  herbei  gezogen 
hatten,  kann  sich  auch  der  Rhein  nicht  messen ;  gleich  das  jQngst 
bekannt  gewordene  Erzbild  eines  Amor  wetteifert  mit  den  schönsten  Pro- 
dukten, jener  Amazone,  jenem  Sat3rr,  die  unsere  Jahrbücher  heraus- 
gegeben habeo,  und  die  Funde  von  Neumagen  werden  vielleicht  gleich 
Bedeutendes  liefern. 

Mit  der  Kunst  geht  die  Wissenschaft  und  Litteratur  Hand  in 
Hand.  Rhetoreo  und  Grammatiker  bereiten  um  hohen,  festen  Lohn 
die  Jugend  zu  den  Studien  in  Autun  vor,  griechische  Verse  auf  Her- 
mes, Verse  aus  Lucan  lesen  wir  auf  Inschriften  und  Steinen.  Die 
Dichtung  und  Beredsamkeit  blüht  wieder  auf.  Zwischen  falscher  Rhe- 
torik gewinnt  des  Ausonius  Moseila  durch  empfänglichen  Sinn  für  Natur 
und  Leben  unser  Herz;  die  pruukhafteu  panegyrischen  Redner,  die  geist- 
reichen Briefschreiber,  die  Blüthe  von  Gallien,  fesseln  unser  Interesse. 
Gallien  ist  der  blühendste  und  gebildetste  Theil  des  abendländischen 
Reiches.  Ja  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  belebt  sich  die  Kunst 
auf  kleinerem  Gebiete  durch  die  Anwendung  und  Ausbildung  älterer 
einheimischer  Schöpfungen  und  neue  Erfindungen.  Dass  das  Email  in 
vertieftem  Felde  den  Römern  bekannt  war,  beweisen  mehrere  Funde 
der  letzten  Jahre,  unter  denen  der  Pyrmonter  schon  oben  er- 
wähnt wurde.  Mit  Sicherheit  darf  man  die  Schöpfkiinne  für  römisch 
halten  und  kunstreich  emaüirt  nennen.    Diesen  Funden  schüessein  sich 


Der  Rhein  im  Alterthum. 


ir 


andere  in  Gallien  und  namentlich  Britannien  an.  Das  schönste  ist 
leider  jetzt  nur  in  Abbildungen  erhalten  (Labarte  Taf.  100).  Da 
solche  Gefässe  in  Italien  fehlen ,  darf  man  vermuthen,  dass  die  Arbeit 
in  Gallien  einheimisch  und  von  dort  aus  in  Britannien  eingeführt  war, 
Provinzen,  deren  Geschicklichkeit  in  der  Verschmelzung  von  Silber, 
Gold  und  Erz,  auch  ohne  eigentliche  Emaillicrung  Tlinius  und  Philo- 
stratos  rühmen,  der  Krstere  wohl  aus  eigener  Kenntniss,  der  Letztere, 
ein  Günstling  der  Julia  Dorana,  aus  Erzählungen  von  den  brittischeo 
Zagen  ihres  Gemahls. 

Noch  mehr  zeichnen  sich  die  rheinländischen  Glassachen  durch 
besondere  Kunstfertigkeit  aus:  das  mit  dem  Dreheisen  bearbeitete  Ge- 
fäss  in  Köln,  das  Prometheus  darstellt,  die  merkwürdigen,  altchrist- 
lichen  Bilder  in  Schaumgold,  ausser  den  Katakomben  einzig,  eine  christ- 
liche Schale  aus  Köln,  denen  sich  dieVasa  diatreta  oderpseudodiatreta 
in  würdigster  Weise  anreihen.  Sind  jene,  wie  die  Zeugnisse  des  Mar- 
tial  und  Ulpiim  beweisen,  in  Rom  verfertigt  worden,  so  gehören  die 
letzteren  wahrscheinlich  einer  localen  Industrie  von  Trier  an;  in  Italien 
findet  sich  nichts  der  Art,  man  kann  also  nicht  entscheiden,  in  wie  weit 
die  Technik  verschieden  war,  aber  die  Zahl  und  Bedeutung  der  Funde 
spricht  für  einheimische  Production,  der  nur  ein  pannonisches  christ- 
liches Gefäss')  den  Rang  streitig  macht. 

Dieser  Glanz  war  trügerisch  und  binfüllig.  Seit  den  Zügen  der 
Vandalen  und  Sueben,  seit  Attila's  Verheerung  lagen  die  rrmiischen 
Städte  in  Asche.  Zwar  erhoben  sie  sich  immer  von  Neuem,  ja  sie 
überdauerten  das  römische  Reich,  und  ihre  Bildung  eigneten  sich  die 
fränkischen  Könige  von  Metz  an,  so  gut  es  ging;  auch  fehlte  es  nicht 
neben  geschmacklosen  an  geschmackvollen  Schriftstellern  in  Gallien 
und  Trier,  Salvian  wurde  dort  geboren,  und  wir  lesen  noch  eine  Be- 
schreibung der  Moselfahrt,  welche  König  Siegebert  mit  Gelehrten 
unternahm.  Aber  es  fehlte  in  df^m  römischen  Gallien  des  5.  Jahr- 
hunderts an  Römern,  die  Deutschen  bildeten  den  Kern  ihrer  Heere, 
die  sich  dem  Nationalgefühl  entfremdeten.  Das  alte  Celtische,  das  neue 
Deutsche  konnte  mit  aller  Gewalt  in  den  Schulen  nicht  unterdrückt 
werden,  und  um  das  Jahr  470  rühmt  Sidonius  ApoUinaris  einen  vor- 
nehmen Manu,  der  noch  allein  ordentlich  Latein  könne:  er  hiesB 
Arvogast,  er  war  ein  Franke, 

Würzburg.  L.  Urlichs. 


Ij  Ich  verstehe  die  Worte  der  Inachrift  t^  notftfvi  vom  BiBchof. 


18 


Römisciie  Heentruaen  zviscbes  Maaa  uiui  Rheia. 


2.  Römische  Heerstrassen  zwischen  Maas  und  Rhein. 

Bierxa  TmM  L 

Wir  haben  auf  Gnind  der  von  uns  ontersachten  römisdwn  Heer- 
strassen unsere  Meinung  über  die  Rheinübergäoge  Cäsar^s  dakiB 
geäussert,  dass  der  erste  Uebergang  bei  der  jetzig^eo  Staidi  MQl- 
heim,  V«  Meile  unterhalb  Cölo,  stattgefunden  habe;  vir  woüen  nun- 
mehr zunächst  die  linksrheinischen  Heerstnssen  im  Kinirinen  nach- 
vdsen,  welciie  uns  zu  jener  Ansicht  geführt  haben,  and  deantekst  die 
rechtsrheinischen  Heervege,  auf  ^reichen  derFddberr  inDaUach- 
land  vorgedrongen,   bei  einer  andern  Gel^enheit  nadifolgcn  lassea. 

1.  Von  dem  linken  Ufer  des  Bheuwa,  gegentber  MQlhwm,  Tcrfolgt 
man  die  Spuren  eines  alten  Weges,  ans  der  Kähe  der  jetzigea  Fähre» 
in  westlicher  Richtung  bis  zum  Durchschnitt  mit  der  Sadedce  der 
Mülheimer  Haide,  wo  er  Terschwindet,  und  dann  denüichnr,  bald  ab 
Fahrweg,  bald  ab  Pfiad,  in  wechselnder  Breite,  bnld  andi  «alB^ 
brochen.  bis  Nippes  «scheint,  auf  welcher  Streckn  «iederhok  rfiaünbhe 
Zie^elstücke  auf  und  an  dem  Wege  angetroffea  «ecdea.  Von  Kippen 
an  bildet  die  Fortsetrung  ein  aher  Grasweg,  der  bei  Ossendoif  noch 
eil»  Seiteaböschung  Tun  2  n^  Höhe  zeigt  und  sich  dentüch  ab  ein 
ebenaUger  Dammweg  ausweist  Bei  der  alten  Windmahle  thaüK  er 
sich  in  zwei  Arme,  Ton  denen  der  eine  nach  Boddemond  geht  od 
weiter  unten  näher  erörtert  wird ,  der  andere  aher  sidh  ab  GnswK 
hb  anr  Colner  Chanssee»  mitten  zwischen  Bockbaflnd  md  Mmwift 
futeCzt  Von  hier  an  geht  die  Strasse  mit  der  ChaiMsee  flher  Pool- 
beim,  Stonmeln  nnd  Bommerskizchen  bis  Allrath,  wo  römische  Ses^ 
in  den  Fddero  gefimden  werden,  dann  bis  Grevenbroich,  wo  die  Stein 
Blinnai  2  m  tief  im  Boden  znm  Yoradiein  kana,  hieranf  mä  der  GhaaBBBb 
■eben  «dcbo*  man  die  Reste  alter  Seüengräben  tnfi,  an  Elses  Torhei, 
in  deBsen  Kihe  ein  romisches  Gdtinde  nebst  Gräben  mt deckt  wnxde^ 
Ui^  ^luB  mm  Theil  als  Hohlweg  na^  Jachen.  Jensäts  dieses  Orte^ 
am  Jigeriwft  gdU  die  Ilömerstrasse  voa  der  Chansiee,  neben  welcher 
noch  Wallreste  und  alte  Gräben  begeo,  rechts  ab  über  die  Höhe»  nahe 
an  Snsaenth  nod  Odenkirchen  fwcbei,  kB  Millfiuth,  wähnend  die  OmoBn 
links  in  derNiedeiwng  kkibt;  die  KieBStnaBe  iit  in  dieser  Sbecke  «b« 
l  m  tief  im  Boden  noch  vor  Kanem  nnjgefnndcn  wonten.  Bei  MAI- 
forth  kamea  rSiieche  (käber  nnd  venchiedeDe  ladcn 


Römische  HeeratrMien  zwischen  Maas  und  Rhein. 


19 


zain  Vorschein,  uad  sowohl  südlich  als  nördlich  des  Ortes  wurden  in 
einer  Tiefe  von  2  m  die  Ueberreste  der  Kömerstrasse  gefunden.  Die- 
selbe zieht  weiterhin  über  Rheidt  und  Gladbach,  wo  viele  römische 
Älterthümer  entdeckt  wurden,  mit  der  Chaussee,  und  geht  von  der 
Nordseite  des  letzteren  Ortes,  als  Communalweg  erneuert,  bis  Dülken; 
südlich  von  Rassel,  wo  sie  eine  grosse  Grenzwehr  durchschneidet,  finden 
sich  noch  Wallreste  der  Chaussee  entlang.  Von  Dülken  an  verfolgt 
man  die  Richtung  der  Strasse  bald  in  einem  alten  Fahrwege,  neben 
welchem  sich  der  Kiesdaram  unter  der  Bodentiäche  streckenweise  durch 
dünne  Streifen  in  den  Feldern  kennzeichnet,  bald  als  Pfad  oder  Gras- 
weg bis  Dyk ,  wo  eine  Localität  neben  der  Strasse  „die  Schanz"  heisst. 
Weiterhin  setzt  sich  dieselbe  als  Pfad  oder  schmaler  Fahrweg  über  die 
HochÜäche  links  neben  dem  Communalwege  fort  und  führt  dann  mit 
demselben  bis  nach  Lobberich.  So  gering  auch  die  Kennzeichen  der 
Strasse  über  der  Erde  in  der  letzteren  Strecke  sind ,  so  bat  sie  doch 
noch  den  Namen  „der  hohe  Weg"  oder  „die  Hochstrasse"  bewahrt. 
Weiterhin  heisst  sie  „die  Karstrasse",  ^angeblich  so  viel  wie  „Karl- 
strasse", weil  sie  der  Sage  nach  von  Karl  d.  Gr.  angelegt  sein  soll, 
ist  zwischen  Lobberich  und  Hinsbeck  als  Communalweg  erneuert,  und 
geht  dann  über  den  Nordcanal  an  der  Flootsinühle  vorbei  auf  die 
Wankunier  Heide  über.  Hier  wurden  an  dem  Buschberge  mehrere 
Gräber. an  der  Strasse  entdeckt  und  weiterhin,  ca.  30()  Schritt  südlich 
der  Chaussee  von  Herongen  nach  Wachtendonk,  liegt  „der  Heiden- 
kirchhof" neben  der  Strasse,  wo  in  den  letzten  Jahren  römbJiche  Älter- 
thümer ausgegraben  wurden.  Die  Rümerstrasse  durchschneidet  die 
Chaussee  beim  Hause  Amandus  als  breiter  Fahrweg  und  verläuft  als- 
bald in  einen  schmalen  Grasrain,  bis  sie  ganz  verschwindet;  ihre  Rich- 
tung lässt  sich  nur  streckenweise  verfolgen  bis  zur  Chaussee  von 
Herongen  nach  Straelen,  die  sie  bei  der  Corneliu.skapelle  trifft.  Von 
hier  an  bis  Straelen  kann  man  den  Kiesdamm  der  Strasse  fast  ununter- 
brochen links  neben  der  Chaussee  verfolgen,  besonders  deutlich  in  dem 
Tannenwalde  bei  Nr.  12,0,  und  wo  das  Häuschen  ,>am  Handpfahl"  auf 
der  Strasse  steht,  die  man  dicht  daneben  als  Kiesstreifen  im  Felde 
gewahrt;  bei  Nr.  13,3  liegt  auch  noch  der  mittlere  Damm  mit  seinen 
beiden  Seitenwällen,  die  gegenwärtig  als  Sandgrube  benutzt  und  bald 
verschwunden  sein  werden.  In  Zand  liegt  links  neben  der  Strasse  ein 
Warthügel.  Von  Straelen  bis  Walbeck  ist  dieselbe  als  Communalweg 
erneuert,  aber  noch  dammartig  geblieben,  und  man  bemerkt  sowohl 
einzelne  starke  Reste  der  Wälle  als  auch  die  alten  Seiteugräben  neben 


so 


Römische  BeerttnMoi  swiMlMa  Hut  aad  Rhata. 


dem  Wege.  Dagegen  sind  in  der  sandigen  Uaide  BÖrilkk  «oa  Wal- 
beck durchaus  keine  Spnreo  vorhanden  and  nur  germaamAit  Giiber 
begleiten  den  Weg  in  grosser  Zahl;  erst  von  Twisteden  aa  eräd»Bt 
die  Strasse  wieder  als  alter,  beiderseits  ?on  Wällen  he^beiUüBr  Oim- 
weg.  Bei  letzterem  Orte  wnrdeo  ehedem,  aoaser  Gnlbem,  vcxsAiedene 
Alterthümer  gefunden.  Jenseits  Twisteden  setzt  sich  die  Straa»  Im 
WemberdTk  wiederum  als  Grasweg,  der  beiderseits  v<m  starken  Wall- 
resten  begleitet  ist,  fort  \  on  Wemb  bis  zum  Dafehadititt  mit  der 
Chaussee  nach  Weeze  ist  der  Kiesdamm  rechts  and  links  des  Dwnv- 
nalweges  auf  grössere  Strecken  and  l»s  sa  1  m  H*ihe  deutlich  erhalteiu 
die  Kiesreste  schwinden  aber  immer  mehr,  da  sie  nun  Wegbaoe  to^ 
wendet  werden.  In  der  Uees  ist  die  Römerstrasse  beidersats  ton 
nhlreicben  Grabhageln  begleitet  Von  der  Weeier  Ghanssee  geht  die 
Strasse  bald  als  breiter  Fahrweg,  bald  als  Dammweg  mit  Restea  der 
alten  Seitengriben  weiter  bis  Goch;  saweilen  ist  äe  MKk  dardMckert 
oad  Terackwiadet  anf  kurze  Strecken;  am  rtdüchwi  Bande  dar  jetift 
bewaldeten  iüiopphaide  bemerkt  man  noch  einen  Best  des  mittkrcn 
Strasseadammes  and  des  rechten  Seitenwalkes.  An  der  Gtilifilf  van 
Goch  mundet  die  Strasse  in  die  jetz^  ChaasMe,  geht  doicli  den 
westUdiea  Theil  des  Ortes,  and  setxt  sick  aordwtrts  in  zwei  Armea 
fort:  der  eine  geht  als  Fahrweg  mit  alten  Seitengriben  links  aeiten  der 
Ciwirwwr  bis  mm  Hanse  Krua,  dana  mit  deradbcn  aa  den  ^pedcar- 
hSfn  Torbei  bis  Hoistauanehaos,  daan  von  dgaclben  ab  gemrtwinf, 
aber  streckenweise  unterbrochen^  am  Eukuk  vorbei  dardi  den  Stunea 
bosdi  aach  dem  alten  Rhein.  (Gleich  jynineitu  des  dMamfigen  Bkem- 
bettes  trifit  man  in  den  Wiesen  die  drei  WiBe  der  Stnase,  die  mdi 
Aber  Kellen  aad  Grietbaasen,  in  dessen  Xähe  ebeafiüb  vor  imikmai 
Jahren  der  StrasBendamm  nodi  crimMen  war,  am  Spyk  und  dem  EllBi- 
bmge  vorbei  aack  der  hohen  Ellen*sdien  Häkle  kKtatm,  wo  da  gnomr 
Begrilmissplatz  aa  deraelben  fingt;  sie  ist  bis  an  dem 
DorfB  Beek  verMgt  weiden,  das  me  1000  Sehrilt  finks 
legen  tiast)  Der  andere  Ann  geht  als  Grasweg  mh  Tiden 
and  alten  Seitengriben  von  Goch  ober  Herfcst  aack  der. 
MakK  aetit  Ober  die  Kien  oad  tritt,  xaent  als  QohlmB&  in  den 
Beidkswald,  indem  er  sieh  wieder  in  zwei  Tkeile  spähet»  nm  denen  ier 
«atfiehein  sdnafgerader  Bicktang  an  dmi  aUenBbeiB  bdCteragek^ 
dw  andere  ebeaCaUi  dardi  den  Bekhswild  aa  dem  „TliidfidiiicklmP 
vorbei,  wo  viele  rSmische  AttertkABker  gefeadea  werden,  anf  niedm« 
Gebiet  triu  and  aber  Groesheek  anck  Hjmwegen  Akrl  — 


ttömische  Heerstraescn  zwiBclien  Maas  und  Rhein. 


Sl 


Auch  an  ihrem  südlicheD  Ende  ging  die  Strasse  in  zwei  Armen  an  den 
Rhein,  indem  sie,  ausser  nach  Mülheim,  über  Bocklemünd  und  ßicken- 
dorf  in  der  Richtung  der  Chaussee  nach  Cöhi  führte. 

Aus  den  erhaltenen  Ueberresten  ergiebt  sich,  dass  diese  Strasse 
aus  einem  Erddamm  bestand,  dessen  oberer  Theil  eine  bald  stärkere, 
bald  schwächere  Kieslage  enthielt;  die  hier  und  da  noch  vorhandenen 
Reste  lassen  ausserdem  erkennen,  dass  der  Ilauptdamm,  ausser  den 
Gräben,  beiderseits  noch  von  Seitenwällen  begleitet  war. 

Schmidt  kannte  die  Strasse  .,über  Hinsbeck  nach  Dülkeu,  und 
nördlich  über  Straelen  und  Waibeck  u.  s.  w."  unter  dem  Namen  „hohe 
Strasse"  nur  von  Hörensagen;  ßuyx  kennt  sie  als  „alte Landstrasse'* 
und  Aldenkircheu  hat  von  ihrem  Dasein  unter  dem  Boden  nördlich 
und  sildlich  von  Mitlfurth  Kunde  gegeben  *). 

2.  Der  zweite  Hauptarm  geht  von  der  ehemaligen  "Windmühle 
über  Bocklemünd,  Widdersdorf  und  Freimeradorf  nach  Klein-Königs- 
dorf,  tritt  von  hier  alsbaJd  in  die  Waldungen,  die  er  als  breiter  Fahr- 
weg mit  alten  Kiesresteu  und  Scitengräben  durchzieht,  bis  zu  einem 
von  Hausweiler  kommenden  Communalwege;  jenseits  desselben  lässt 
sich  die  Richtung  in  einem  Pfade  bis  zum  Ende  des  Waldes  verfolgen, 
von  wo  «lie  Strasse  durch  die  Felder  nach  Ichendorf  führt.  Von  hier 
geht  sie  etwas  nördlich  der  Chaussee  über  die  Höhe  nach  Quadrath, 
wo  römische  Alterthümer  gefunden  wurden.  Von  letzterem  Orte  tritt 
sie  in  die  Erftnicdcruog,  wo  alle  Spuren  über  dem  Boden  geschwunden 
sind,  aber  der  feste  Steindamm  unter  der  Erde  auf  längere  Strecken 
aufgefunden  wurde  und  hier  und  da  noch  erhalten  ist;  die  Steine  sind 
von  den  Landleu ten  öfters  zu  öconomischen  Zwecken  verwendet  worden; 
auch  sollen  Pfähle  und  Bohlen,  sowie  eine  grosse  Menge  kleiner  Huf- 
eisen in  der  Erde  gefunden  worden  sein.  Bei  Thorr  wurden,  ausser 
Gräbern  an  der  Strasse,  viele  Alterthümer  entdeckt.  Dann  geht  die 
Letztere  über  Grouven  nach  Elsdorf,  zum  Theil  als  Grasweg,  neben 
welchem  öfters  Kiesreste  in  den  Feldern  bemerkt  werden,  auch  lassen 
Streifen  mageren  Getreidewuchses  die  Kiesstrasse  unter  der  Boden- 
6äche  äusserlich  erkennen ;  zuweilen  tritt  dieselbe  auch  dammartig  mit 
ihren  alten  Scitengräben  auf.  Von  Elsdorf,  wo  ein  römischer  Sarko- 
phag gefunden  wurde,  bis  nach  Jülich,  wo  eine  römische  Ansiedelung 
stand,  ist  die  Chaussee  auf  die  Römerstrasse  gelegt.    Von  Jülich  ging 


1)  Jahrbb.  XXXI,  LIX,  B  u  y  x ,  die  alten  Wege  und  Strassen  in  der  Um- 
gegend von  Geldern. 


22 


Römische  neerstraaBcn  zwischen  Maas  und  Rhein. 


die  Strasse  von  der  Chaussee  rechts  ab  über  Engelsdorf  und  Frauen- 
rath,  nördlich  von  Diirbuslar,  zwischen  Itötgen  und  Sinnersdorf,  und 
durch  den  nördlichen  Theil  von  Baesweiler,  auf  welcher  Strecke  sie  hier 
und  da  im  Boden  gefunden  und  streckenweise  noch  jetzt  an  den  dünnen 
Streifen  in  den  Feldern  zu  erkennen  ist.  Von  Baesweiler  gebt  sie  als 
schmaler  Fahrweg  oder  Giasweg,  öfters  durchackert,  bis  zur  Chaussee 
von  Aachen  nach  Linnich,  die  sie  am  Wegweiser  bei  Nr.  181  durch- 
schneidet; dann  fuhrt  sie  in  gerader  Richtung  bis  Schloss  Rimburg. 
Sie  überschreitet  die  Wurm  etwas  unterhalb  der  jetzigen  Brücke  und 
heiast  in  der  dortigen  Gegend  „der  alte  Mastrichter  Weg"  oder  auch 
„die  Römerstrasse".  Bei  Rimburg  tritt  sie  auf  niederländisches  Gebiet 
und  ist  daher  nicht  weiter  uutersucht  worden. 

Nach  dem  Rheine  hin  ging  die  Strasse,  gleich  der  vorigen  in  drei 
verschiedenen  Armen,  und  zwar  lief  ausser  dem  genannten  ein  zweiter 
von  Elsdorf  in  der  Richtung  der  jetzigen  Chaussee  über  Ziverich  nach 
Bergheim  und  von  da  anfangs  als  Hohlweg  auf  die  Höhe,  wo  man  die 
Kiesreste  und  alten  Seitengräben  und  weiterhin  im  Gebüsch  den  Kies- 
damm noch  deutlich  wahrnimmt.  Von  dem  Hofe  Bethlem  bis  Ober- 
aussem ist  die  Strasse  als  Communalweg  erneuert.  In  letzterem  Orte 
zeigt  der  kegeliörmig  vorspringende  Hügel,  auf  welchem  die  alte  Kirche 
(nach  der  Volkssage  „Heidentempel")  steht,  eine  völlig  geebnete  obere 
Fläche  mit  ringsum  regelmässig  abgeflachten  Böschungen.  Elier  trifft 
man  auch  die  Strasse  wieder  als  Hohlweg,  neben  welchem  der  Stra.ssen- 
damm,  mit  Gebüsch  bewachsen,  liegt;  dann  hört  sie  auf  und  erscheint 
in  den  Feldern ,  öfters  durchackert ,  und  streckenweise  als  schmaler 
Weg  oder  Grasrain,  bis  sie  den  Communalweg  von  Büsdorf  nach 
dessen  durchschneidet.  Dann  wendet  sie  sich  als  ein  tiefer,  nicht  mehr 
im  Gebrauch  beündlicher  Hohlweg  rechts,  und  führt  wieder  als  Grasweg 
von  weciisehvder  Breite  durch  die  Felder,  südlich  von  Fliesteden  und 
nördlich  an  Mansteden  vorbei  nach  Poulheim,  und  hierauf  bei  Rhein* 
kassel  an  den  Rhein.  —  Der  dritte  Arm  geht  von  Ichendorf  etwas 
nördlich  der  Chaussee,  wo  er  im  Walde  noch  wohlerhalten  ist,  nach 
Grossköbigsdorf  und  von  da  mit  der  Chaussee  nachCöln;  bei  Weyden 
wurde  ein  ansehnliches  römisches  Grab  an  der  Strasse  aufgedeckt, 

Schmidt  hat  die  Römerstrasse  vom  Rheine  bis  Sclüoss  Rimburg 
bereits  aufgefunden  und  gezeichnet,  ohne  jedoch  di§  beiden  nach  Mül- 
heim und  Rheinkassel  führenden  Arme  zu  kennen.  Einen  in  den 
suraptigen  Wiesen  südlich  der  Strasse  bei  Rimburg  gelegenen  kegel- 
förmig aufgeworfenen  Hügel  hält  er  für  ein  römisches  Grab,  wogegen 


RAmi^ebo  HeeretraaBeQ  rwiochpn  Maas  nnd  Rhein. 

jedoch  seine  Lage  spricht.  Wir  vermuthen,  rlass  es  ein  Warthdgel  ist, 
der  nicht  der  Strasse,  von  der  er  zu  weit  abliegt,  sondern  einer  hier 
über  das  Thal  führenden  Grenzwehr  angehörte,  wovon  etwas  weiter 
unterhalb  der  letzte  Rest,  bestehend  in  einem  50  m  langen,  2  m  hohen 
und  oben  5  m  breiten  Walle,  vor  mehreren  Jahren  eingeebnet  wurde. 
Die  Kiepert'sciie  Karte  (Jahrhli.  LXIII)  hat  die  Strasse  ebenfolls  richtig 
gezeichnet,  aber  nur  den  nach  Cöln  ftihrenrlen  Arm ,  die  beiden  andern 
fehlen ;  auch  liegt  Ziverich  mit  der  zugehörigen  römischen  Ansiedelung 
nicht  auf  dem  rechten,  sondern  dem  linken  Ufer  der  Erft '). 

Sowohl  in  der  Peutingei'schcn  Tafel  als  in  dem  Antonin.  Itinerar 
sind  Reiserouten  angegeben,  welche  zum  Theil  auf  unserer  Strasse  statt- 
gefunden haben.    Die  Pewtmger'sche  Tafel  enthält  folgende  Angaben: 

Agrtppina 
Juliaco  XVIII 
Cortovallio  XII 
Die  wirkliche  Entfernung  von  Cöln,  Agrippina,  bis  Jülich,  Juliacum 
beträgt  55,000  Sehr.,  was  mit  dpr  Entfernungsangabe  von  18  g.  M.  = 
54,000  Sehr,  hinreichend  stimmt    Ebenso  stimmt  die  Angabe  12  g.  M. 
==  36,000  Sehr,  von  Juliacum    bis  Cortovalliuin ,    wenn  man  letzteren 
Ort,  wie  gewöhnlich  geschieht,  in  dem  heutigen  Kortenbach  sucht. 
Das  Ant.  Itinerar  hat  folgende  Angaben: 

Coriovallum 

Juliacum  XII 

Tiberiacum  VIII 

Colonia  Agrippina  X, 
Die  Entfernung  von  Coriovallum  bis  Juliacum  stimmt  mit  der 
wirklichen  sowie  mit  der  Angabe  der  P.  T,,  wie  wir  gesehen,  iiberein. 
Die  Entfernung  8  g.  M.  =  24,000  Sehr,  von  Juliacum  nach  Tiberiacum 
trifft  in  die  Nähe  des  Dorfes  Ziverich,  welches  seinen  Namen  von  Ti- 
beriacum, gleichwie  Zülpich  von  Tolbiacum  hat.  Aber  die  Ansiedelung  lag 
nicht  an  der  Stelle  des  jetzigen  Dorfes,  sondern  etwa  1000  Sehr,  südlich, 
wo  mehrere  römische  Alterthümer  gefunden  wurden,  und  ebenso  lag 
es  noch  1000  Sehr,  von  der  Strasse  nach  Cöln,  woraus  es  sich  erklärt, 
dass  es  in  der  P.  T.  übergangen  ist.  Da  es  in  der  Mitte  zwischen 
beiden  Strassenarraen,  dem  nach  CoIn  und  dem  nach  Rheinka&sel,  lag, 
so  konnte  es  für  beide  zugleich  als  zugehörige  Mansion  dienen.  Die 
Entfemangsangabe   10  g.  M.  =  30,000  Sehr,   von  Tiberiacum   nach 


1)  Jahrbb   LVII,  XXV.  XV,  XXXI.  V  u.  VI,  XVI. 


itj 


Römische  Heentra«teu  zwUeben  Vaas  und  Rbain. 


Aggrippina  stimmt  sowohl  mit  der  wirklichen  EntfernaDg  als  mit  der 
Angabe  der  P,  T.,  welche  für  die  ganze  Entfernung  von  Jülich  nach 
Cöln  XVUI  (Vm  +  X)  g.  M.  giebt. 

3,  Bei  dem  niederländischen  Städtchen  Gennep  kommt  eine  Heer- 
strjisse  über  die  Maas,  welche  10(H)  Sehr,  vor  Ilouimersum  sich  mit 
dem  jetzigen  Coramunalwege  vereinigt  und  bei  letzterem  Dorfe  auf 
deutsches  Gebiet  tritt.  Sie  führt  als  Comniunalweg ,  mit  Resten  der 
alten  Seitengräben ,  über  Eiassum  bis  Goch.  Im  Gebüsch  trifft  man 
neben  den  alten  Gräben  auch  Spuren  eines  Seilenwalles  und  rechts  des 
Weges  den  Seitenwall  deutlich,  mit  Gesträuch  bewachsen,  an.  Wir 
wollen  die  Untersuchung  der  Fortsetzung  dieser  Strasse  von  der  Maas 
nach  Westen,  durch  die  Provinz  Limburg,  den  niederländischen  Alter- 
thumsforschern  hiermit  angelegentlichst  empfehlen,  indem  wir  nicht 
ermnngeln  werden,  die  östliche  Fortsetzung  bis  zum  Rheine  später  aus- 
führlich zu  ermitteln,  und  vorläutig  nur  einige  allgemeine  Angaben 
hinzufügen.  Die  Strasse  ging  wahrscheinlich  nördlich  von  Calbeck,  wo 
viele  germanische  Gräber  gefunden  wurden,  über  dieNiers,  dann  Ober 
üedem  und  durch  das  Bruch  in  den  Hochwald,  an  mehreren  germa- 
nischen Grabhügeln  vorbei,  und  zuletzt  über  Manenbaum  bei  Vynnen 
an  den  Rhein. 

Es  folgen  nunmehr  die  Beschreibung  und  Zeichnung  derjenigen 
Heerstrassen  zwischen  Maas  und  Rhein,  welche  auf  die  Cäsarif^chen 
Heerzüge  keine  Beziehung  zu  haben  scheinen  und  einer  späteren  Zeit 
angehören.  Mögen  unterdessen  die  vorstehend  beschriebenen  Heerwege, 
in  Verbindung  mit  ihren  in  dem  Januarheft  der  ,, Monatsschrift  für  die 
Geschichte  Westdeutschlands"  zur  Beschreibung  und  Zeichnung  ge- 
langenden Fortsetzungen  auf  der  rechten  Rheinseite,  von  den  Sach- 
kundigen bezüglich  des  ersten  ßheinüberganges  unbefangen  geprüft 
werden.  Es  sollen  dann  in  diesen  Jahrbüchern  diejenigen  Militär- 
strassen zwischen  Rhein  und  Mosel  nachfolgen,  welche  auf  den 
zweiten  RheinUbergang  bei  Bonn  nicht  minder  deutlich  hinzuweisen 
scheinen.  (Schluss  folgt.) 

J.  Schneider. 


Ein  neues  römisehca  Cutall  in  Briiaanien. 


äs 


3.  Ein  neues  römisches  Castell  In  Britannien. 

Hierzu  Tafel  II. 

Das  neuerwaclUe  Interesse  fflr  die  römischen  Militai-Rtationen  im 
Rbemiande,  wovon  vor  alkm  die  in  Au{?riff  genommene  voüstäiidige 
Aufgrabung  des  römischen  Castrums  zu  Bonn  Zeugniss  ablegt,  ver- 
spricht theiinehmeiules  Verständniss  auch  für  an  anderen  Orten  ge- 
machte Entdeckungen  gleicher  Art.  In  diesem  Sinne  habe  ich  in  diesen 
Jahrbüchern ')  auf  die  wiedergefiindeoen  Keste  einer  der  ältesten  römi- 
schen Colonieen  im  südlichen  England,  zu  Glevum,  dem  heutigen  Glou- 
cester,  hingewiesen.  In  demselben  Sinne  sei  es  gestattet,  über  die 
neuerdings  erfolgte  Blofslegung  eines  viel  kleineren,  aber  in  seiner  An- 
lage viel  vollständiger  erhaltenen  Castells  im  nördlichen  England  hier 
in  Kürze  zu  berichten. 

Unmittelbar  nördlich  von  der  Mündung  des  Flusses  Tyne  (dem 
Tina  der  Römer)  in  die  Nordsee  beginnt,  wie  bekannt,  der  Wall  des 
Hadrian;  er  läutl  von  diesem  seinem  östlichen  Ende  in  westlicher 
Richtung  bis  zum  anderen  Meere  zum  Schutze  des  südlichen  Hinter- 
landes. Das  letzte  Castell  am  Walle  selbst  führt  noch  heute  den  be- 
zeichnenden Namen  Walls  End;  weiter  östlich,  am  nördlichen  Ufer 
der  Tynemündung  ist  das  mittelalterliche  Castell  und  das  Priorat  von 
Tynemouth  ebenfalls  aus  den  Steinen  eines  wahrscheinlich  der  Fluss- 
mündung zur  Deckung  dienenden  römischen  Castells  entstanden.  Dass 
aber  auch  südlich  von  derselben  Mündung  des  Tyne,  da,  wo  jetzt  die 
aufblühende  Hafenstadt  South  Shields  liegt,  ein  Castell  gestanden 
habe,  war  im  sechzehnten  Jahrhundert  noch  wohlbekannt.  Wahr- 
scheinlich hatten  irgend  welche  Reste  desselben  bis  dahin  noch  sich 
sichtbar  erhalten.  Die  Sage,  wie  sie  der  alte  Chronist  Leland  auf- 
gezeichnet hat,  nannte  es  Caer  ürfe  und  Hess  den  König  O.swin  dort 
geboren  sein.  Aber  die  gewöhnlichen  Zeugen  römischer  Niederlassungen, 
Münzen,  Töpferscherben,  Inschriftsteine  und  ähnliches  (worunter  ein 
Knpferas  des  Marc  Aurel  aus  Ephesos  Erwähnung  verdient),  sind  nur 
sp&rlich  zum  Vorschein  gekommen;  wofür  es  allerhand  locale  Gründe 
geben  mag.  Nur  ein  römischer  Altar  mit  Inschrift,  die  Weihung  eines 
Officiers,  wie  es  scheint,  an  den  Juppiter  zum  Heil  des  Kaisers  Marc 


1)  Heft  59  (1876)  S.  U2  ff. ;  vgl.  60  (1877)  S.  167  f. 


ae 


Ein  neaes  rAmischei  Caatell  in  Britannien. 


Aurel,  ist  im  siebzehnteD  Jahrhundert  In  Soath  Shields  gefunden  und 
von  mir  in  Oxford  wieder  eatdeckt  worden').  Von  einem  anderen  ist 
die  Inschrift  völlig  weggeineisselt  worden,  wahrscheinlich  um  ihn  beim 
Kirchenbau  zu  verwenden ') ;  von  einem  Grabstein  fand  sich  ein  kleines 
Stück,  nur  den  Buchstaben  M  enthaltend,  wahrscheinUch  ein  Rest  der 
Formi'l  d(is)  M(anibus)^).  Dazu  sind  neuerdings  noch  drei  Fragmente 
gekommen:  das  untere  Stück  einer  Basis,  ein  kleines  SteinstQck,  das 
nur  die  Buchstaben  AC  enthält,  und  ein  einziger  Grabstein,  von  wel- 
chem aber  nur  das  übliche  D.  M  deutlich  lesbar  ist*).  Zweifelhaft  ist, 
ob  zwei  Stücke  einer  grofsen  Steintafel,  welche  sich  in  den  Mauern 
der  durch  Beda  berühmten  Klosterkirche  von  Jarrow,  südwestlich  von 
South  Shields  landeinwärts,  erhalten  haben '),  aus  dem  römischen  Castell 
an  der  Tynemündung  oder  aus  dem  näheren  bei  Jarrow  stammen; 
denn  auch  bei  Jarrow  selbst  ist  ein  römisches  Castell  erkennbar').  Der 
leider  sehr  verstümmelte  Test  aber  macht  es  wahrscheinlich,  dass  sie 
die  vom  Kaiser  Hadrian  unternommene  Anlage  des  Walls  zwischen 
beiden  Meeren  durch  seine  Heere  und  deren  nur  gezwungenen  und  vor- 
läufigen Stillstand  vor  der  geplanten  Eroberung  von  ganz  Britannien 
erwähnten').  Sie  könnten  also  sehr  wohl  zu  einer  Weihinschrift  an 
die  Siegesgöttin  im  Praetorium  dieses  oder  eines  andern  am  Ende  des 
Walles  gelegenen  Castells  gehört  haben.  Aber  noch  einen  anderen 
Beweis  ihrer  Thaten  haben  die  Heere  des  Hadriaa  in  diesen  Gegenden 
zurückgelassen:  in  dem  Flussbett  des  Tyne  bei  South  Shields  hat  sich 
der  bronzene  Buckel  vom  Schilde  eines  Legionars  der  achten  Legion  ge- 
funden, welche  aus  ihrem  Standlager  in  Mainz  ein  Contingent  von 
tausend  Mann   zum   biitanniscbcn  Heere  des  Kaisers  gestellt  hatte"). 


1)  C.  I.  L.  VU  496. 

2)  C.  I.  L.  VII  497  a. 

3)  C.  I.  L.  VII  497. 

4)  EptiemiTis  epiffrajihica  Ul  (1877)  8.  181,  97  und  IV  (1878). 

5)  Jetzt  ist  das  eine  in  Newcaslle,  daa  audere  in  London;  C.  I.  L.  VII  498. 

6)  Nach  den  genauen  Angaben  in  Bruce's  Sotnan  Wall  (3.  Ausg.,  London 
1867,  4.),  S.  308. 

7)  C.  L  L,  VU  498. 

8)  C.  I.  L.  Vn  495;  abgebildet  in  Bruco's  Laptdarium  »eptentrionaU^ 
8.  58  und  in  Lindenichmits  Denkmälern,  fid.  3  Heft  4  Taf.  III;  mit  d«a 
übrigen  DenkTnnlern  dieser  Art  von  mir  besprochen  in  den  'arobaeologiaeh-epi- 
graphischen  Mittheilungen  aus  Oesterreich'  II  2  (1678). 


Ein  neues  römiBches  Cftsiell  in  Britannien. 


97 


Ueber  diese  ganz  allgcraeinen  Daten  ging  die  Kenntniss  des  Castells 
von  South  Shields  bis  vor  Kurzem  nicht  hinaus. 

Vor  vier  bis  fünf  Jahren  aber  ist  das  östlich  der  Stadt  bis  zum 
Leuchtthurni  hin  sich  erstreckende  Gebiet,  bekannt  unter  dem  Namen 
the  Lawe  (so  heissen  in  Durham  und  Northumberland  die  Plätze,  wo 
Recht  gesprochen  wurde),  in  Bebauuug  genommen  worden.  Bei  der  Anlage 
der  Straußen  stiess  man  nach  und  nach  auf  die  alte  römische  Heer< 
Btrafäe,  welche  vom  Süden  kommend  bis  hierher  vordrang,  und,  in 
hierdurch  veranlassten,  seit  dem  März  1875  unternommenen  regel- 
rechten Ausgrabungen,  auf  die  ümwallung  des  Castells,  auf  Reste  der 
Thore  und  vor  Allem  auf  eine  Reihe  zusammenhängender  Bauten  in 
Mitten  des  CastellSf  in  welchen  man  'das  Forum'  desselben  zu  erkennen 
meinte.  Genauen  Bericht  über  das  bisher  Gefundene  giebt  eine  Ab- 
handlung des  Rev.  R.  E.  Hooppell,  welche  vor  mir  liegt');  über  die 
epigraphischen  Funde  erhielt  ich  briefliche  Mittheilungen  von  Herrn 
Robert  Blair,  Advocateg  in  South  Shields. 

Von  den  beiden  beigegebenen  Plänen ,  welche  die  Architekten 
S.  Oswald  und  Sohn  in  Newcastle  aufgenommen  haben,  zeigt  der 
erste  (Taf.  V)  die  hohe,  weithin  herrschende  Lage  des  Castells,  nach 
Norden  und  Osten  steil  abfallend,  nördlich  von  dem  heutigen  South 
Shields  und  an  der  Flussmüudung,  parallel  zu  welcher  (nach  N.-O.) 
die  schmale  Vorderfront  gelegt  ist,  nur  rund  800  (englische)  Fuö  von 
dem  heutigen  Leuchtthurm  unmittelbar  an  der  Mündung  des  Flusses 
entfernt.  Das  Castell  w:ir  also,  vielleicht  zugleich  mit  dem  gegenüber- 
liegenden von  Tynemouth,  dazu  bestimmt,  den  für  die  Verproviantie- 
rung der  im  Norden  operierenden  Truppen  so  wichtigen  Flusseingang 
zu  decken;  ein  weiterer  Beweis  für  die  von  mir  oft  hervorgehobene 
Planmäfsigkeit ,  mit  welcher  bei  der  Occupation  von  Britannien  ver- 
fahren wurde.  Der  zweite  Plan  (Tafel  XIII)  giebt  das  Castell  allein 
in  gröfSerem  Maafsstab   mit  den   darin  aufgedeckten  Resten").    Die 

1)  Ott  the  discovery  and  exploration  of  Bomän  Remains  nt  South  Shields, 
in  the  ye^rs  1875-6,  by  the  Rev.  R.  E.  HooppcJ],  M.  A.,  LL.  D.,  F.  R.  A.  Ä,  with 
tieo  mapa,  aeven  plates,  and  tmmerous  uooodcuts  [ftotn  the  l^atural  History  TrcatA- 
aeüona  of  Northumberland,  Durham,  and  Newcaatlc-on-Tyne,  Vol.  VII],  London 
nnd  Newcaatle  1878  {44  S.)  8. 

2)  Diesen  Plan  wiederholt  die  beigegebene  Tafel,  in  welcher  nur  an  Stelle 
der  englischen  deutsche  Bezeichnungen  gesetzt  sind.  Da  Herrn  Hooppell's 
Schrift  schwerlich  über  England  hinaus  Verbreitung  finden  dürfte,  so  wird  di« 
Wiederholung  wenigstens  des  Häuptplans  zur  Vergleichung  desselben  mit  den 
rkainiMhen  CaetellaoiageQ  den  Lesern  dieser  Blätter  sicherlich  erwünscht  sein. 


S8 


Ein  neues  römiaohei  Cutell  in  Britannien. 


Langscitcn  sind  danacli  (einschliesslich  der  abgestumpften  Ecken)  fast 
genau  600  (engl)  Ful^  lang,  die  Schmalseiten  370;  es  ist  also  eine 
keineswegs  unbedeutende  Anlage;  das  Castell  von  Brcmenium  (üigh 
Rochester),  von  mehr  quadrater  Form,  misst  etwa  580  zu  440  (engl) 
Fuft,  und  dies  ist  eines  der  grüßten  der  im  Norden  von  England 
angelegten  Castelle.  Sein  Fläclienraum  beträgt  47«,  der  des  Castells 
von  South  Shii'lds  SVa  englische  Acres.  Von  der  äusseren  Umfassungs- 
mauer auf  der  Ostseite  ist  eine  Strecke  von  mehr  als  neunzig  yards 
blofsgclegt  worden');  an  einer  Stelle  sind  noch  sechs  Reihen  sorgfältig 
behaueuer  Quadern  der  Aussenseite  übereinander  erhalten.  Wohl- 
crhalten  ist  die  eine  der  abgemndeten  Ecken  des  Castelb*)  mit  ihren 
schräg  profilierten  Basamentsteinen.  Ein  Stück  Mauer  stöfet  innen  im 
Radius  auf  die  Rundung  (c).  Hier  sind  Schwerter  und  ein  Ornament 
mit  Emaillierung  gefunden  worden.  Die  Dicke  der  Mauer  beträgt 
durchweg  etwas  über  sechs  Fufs  (englischl  Festgestellt  ist  die  Lage 
s&mmtlicber  vier  Thore'):  das  Nord-  und  ^üdthor  genau  auf  dem 
decmMHM  maximus,  das  Ost-  und  Westthor  etwa  195  FuX^  südlich  von 
der  Nordfront,  also,  wie  auch  sonst,  unge^Lbr  auf  dem  Drittel  der 
Frontlänge,  aber,  wie  es  seheint,  nicht  ganz  genau  in  derselben  Aze 
liegend ;  das  Ostthor  liegt  etwas  nördlicher  wie  das  Westlhor  Auf 
das  Sädthor  trifft  in  spitzem  Winkel  die  von  Süden  kommende  cinxigQ; 
r^imische  lleerstrafse  zu  dem  Castell,  welche  gefunden  worden  ist  Ihre 
Reste,  in  einer  Breite  von  fünfzehn  Fufis,  sind  auch  innerhalb  dem- 
selben,  in  der  Richtung  von  Süden  nach  Norden,  erhalten.  Von  der 
Strafse  vom  Ost-  zum  Westthor  ist  das  Pflaster  am  letzteren  BOdh' 
eriialten.  Vielleicht  führte  eine  Fortsetzung  der  Hauptstrafse  vom 
Nordthor  zum  Fluss  hinab,  in  der  Richtung  der  alten  *Low8lreet\  derj 
ältesten  Strafte  des  Ortes,  etwa  zu  einer  Fähre  über  deo  Fluss.  Aach 
den  inneren  Umkreis  begleitet  Strafsenpflaster,  flache  Decksteioe  auf 
einer  Grundlage  von  Kieseln  (peUbUs),  erheblich  höher  als  das  Nireaa 
der  Gebäude.  Von  den  Resten  der  Thore  sind  die  des  sidliclieo  am 
iMsten  erhalten-,  die  Einfahrt  scheint  einfach  u  sein.  Geaanere  Aitf>, 
bbIumb  werden  später  boffentlidi  nachgeliefert. 


1>  A«f  imm  Pha  tm  ft  Vi*  £ 

ffplmriif  BapfrfMlkio  dar  iwi  J.  Stor«j  aach  der  PbotogtapkM 
ebfloa»  nd  du  tbrifts 


Ein  neues  römiachoa  Castell  in  Brit&nnien. 


39 


Besonderes  Interesse  bieten  die  innerhalb  dcsCastells  aufgedeckten 
Bauten.  Eis  ist  zunächst  die  für  das  'Forum'  gehaltene  Anlage ').  An 
der  Nordseite  desselben,  an  dem  'Praetortum^  liegt  ein  viereckiger 
Kaum,  aus  gewaltigen  Quadern  gemauert,  deren  eiserne  Verbinduugs- 
haken  herausgerissen  sind-).  Vier  Stufen  führten  vom  Praetorium 
zu  ihm  herunter.  Der  einzige  Ueberrest  bildlichen  Schmuckes,  wel- 
cher sich  hier  fand,  ist  der  Schlussstein  eines  Bogens,  einen  grofsen 
Stierkopf  mit  hohen  HörnGm  zeigend  ^j.  Zwischen  der  'grofsen  llallc' 
und  dem  nachher  zu  nennenden  Gebäude  auf  der  Westseite  lag  ein 
kleineres*)  von  ganz  unbestimmbarem  Zwecke;  und  östlich  (hei  tq)  ist 
die  Wand  eines  anderen')  zu  einem  kleinen  Theil  erst  blofsgelegt. 
Man  sieht,  hier  sind  Anfänge  zu  einer  Klarlegung  des  innersten  Kernes 
der  ganzen  Castellanlage  gemacht  worden,  welche,  mit  den  analogen 
Anlagen  in  dem  Castell  von  Bremenium  und  der  Saalburg  verglichen, 
einst  werthvoUe  Resultate  gewäbren  künnen.  Ich  vermag  aus  der 
Beschreibung  der  bisher  aufgedeckten  Heste  mir  noch  kein  Bild  von 
der  ursprünglichen!  Bestimmung  dieser  verschiedenen  Baulichkeiten  zu 
machen.  Die  'große  Halle'  (t)  liegt  fast  genau  im  Mittelpunct  des 
Castells,  wenig  südlich  von  der  StraC^e  zwischen  dem  Ost-  und  West- 
thor. Ein  grofses  Stück  Mauer  (ti)  fand  sich,  ungebrochen,  danieder 
liegend;  es  muss  über  dreissig  FuJiä  hoch  gewesen  sein.  Diese  Lage 
und  die  Reste  selbst  machen  es  allerdings  nicht  unwahrscheinlich,  dasa 
sie  zum  Praetorium  und  seinen  nächsten  Umgebungen  gehörten.  Gröfsere 
architektonische  Aufnahmen  bleiben  abzuwarten ;  leider  scheint  für  die 
Erhaltung  des  Aufgedeckten  keine  rechte  Fürsorge  getroffen  zu  werden. 
Spuren  späterer  Umbauten  und  der  Benutzung  bis  in  verhältnissmäf^ig 
junge  Zeiten  sind  überall  deutlich;  Herr  Uooppell  weist  sie  im  Ein- 
zelueo  nach  (S.  U).  Bei  q,  vor  kleinen  Räumen,  welche  für  I>äden 
(shops)  erklärt  werden,  steht  ein  Tisch  oder  Altar,  eine  grofse  vier- 
eckige Steinplatte,  weit  übergreifend ,  auf  einen  steinernen  Pfeiler  ge- 
stellt, offenbar  nachröraischen  Ursprungs.  Hinter  'den  Läden'  ist  ein 
Brunnen  (r).  Die  vielfach  tief  ausgetretenen  Steine  des  Pflasters  und 
der  Treppenstufen  sind  stellenweise  umgekehrt  worden,  um  sie  auf  der 


1)  Ansicht  Tafel  VI,  auf  dem  Plan  bei  5. 

2)  A\\f  dem  Plan  u;  abgebüdet  auf  Tafel  VIL 
8)  Abgebildet  S.  7. 

4)  Auf  dem  Plan  0. 
6)  Anf  dem  Plan  w. 


80 


Ein  neues  römiacbe«  C&etell  in  BriUnnien. 


Rückseite  wieder  zu  benutzen.  Vollkommen  erhalten  sind  die  zahl- 
reichen Abzugscanäle  für  das  Regenwasser,  so  dass  sie  noch  jetzt  den 
Regeufall  schnell  ableiten.  Einige  der  tiefsten  und  besterhaltenen,  nahe 
dem  Nordthor,  sind  auf  Tafel  DC  abgebildet.  Nichts,  wrs  auf  sacrale 
Bestimmung  schliessen  Hesse,  ist  in  der  Nähe  des  vermeinten  Praeto- 
riums  bemerkt  worden ;  ob  der  oben  erwähnte  Juppiteraltar  in  situ  ge* 
funden  wurde,  ist  unbekannt.  Westlich  vom  'Forum'  ist  ein  gro&es 
Gebäude  von  oblonger  Form  (etwa  70Fufs  lang  und  51  Fufs  breit)  fast 
völlig  blofsgflegt  ')•  l^s  wird  für  einen  Tempel  gehalten ;  Herr  H  o  o  p  p  e  11 
vermuthet  darin  eine  christliche  Basilica.  Vor  der  südlichen  Front  des« 
selben  sind  drei  Basen  (p)  erhalten,  auf  welchen  die  Pfeiler  oder  Säulen 
einer  Halle  gestanden  zu  haben  scheinen.  In  demselben  befindet  sich 
ein  gewölbter  Raum*),  welcher  wohl  mit  den  Heizungsanlagen  zusam- 
menhing. Der  Eckpfeiler  (m)  ist  offenbar  späteren  Ursprungs.  Ausser 
diesem  Gebäudecomplex,  wie  man  ihn  wohl  bezeichnen  kann,  in  der 
Mitte  des  Castells  sind  noch  an  drei  anderen  Stellen  desselben,  westlich 
vom  Südthor  (bei  A),  und  hiervon  weiter  nürdlieh  gegen  die  westliche 
Umfa.ssungsmauer  (bei  d),  endlich  etwas  südlich  vom  Ostthor  an  der 
ostlichen  Mauer  (bei  x)  Gebäudereste,  theilweise  mit  Hypocausten, 
blofsgelegt  worden,  welche  möglicher  Weise  zu  verschiedeneu  Casernen- 
bauten  gehört  haben.  Eines  dieser  Gebäude  (y)  zeigte  noch  eine  in 
mehreren  Farben,  blau  und  roth,  gemalte  Wand.  In  einem  anderen, 
welches  für  ein  besseres  Wohnhaus  gehalten  wird,  sind  eine  Latnpe  aus 
Erz"),  eine  erzene  Radnabe*),  ein  Schreibgriffel*)  und  ähnliche  Gegen- 
stände mehr  gefunden  worden. 

Südwestlich  vom  Castell,  wahrscheinlich  an  der  zu  ihm  führenden 
römischen  HeerstrafSe,  war  der  Begräbnissplatz.  Ein  ziemlich  wohl- 
erhaltenes  Grab,  aus  roh  behauenen  Steinplatten  um  das  noch  darin 
befindliche  Skelett  des  Todten  aufgeschichtet,  ist  unweit  des  Punktes  d 
auf  dem  Plan,  aber  ausserhalb  der  Ringmauer  des  (Jastells,  auf- 
gedeckt worden^);  eine  Reihe  von  ähnlichen  fanden  sich  in  der  Nähe. 


1)  Auf  dem  Plan  a;  abgebildet  Tafel  X. 

2)  Taf6l  XL 

8)  Abgebildet  S.  11  Fig.  6. 

4)  Dies   oder   etwas   Eihnlicbes  acheiot  mir  der  'Becher  8.  12  Fig.  S  go- 
Wesen  eu  sein. 

5)  S.  11  Fig.  7. 

6)  AbgebUdet  auf  Tafel  XII. 


Ein  naaes  römischca  Caetell  in  BriUinnieiL 


81 


Andere  Anlügen  ausserhalb  der  Castellmauern,  die  sonst  üblichen  zu 
VorstädteD  erwachsenen  canäbae,  sind  bisher  nicht  gefunden  worden. 

unter  den  üeberresten,  welche  während  der  Ausgrabungen  in  den 
Jahren  1875—77  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  und  in  mamiigfachen 
Orten  in-  und  ausserhalb  des  Castells  gesammelt  worden  sind  — 
Münzen,  Stein-  und  Thoufragmente,  Töpfer scli erben ')  —  verdienen,  da  die 
oben  erwähnten  epigraphischen  Funde  unbedeutend  sind,  nur  zwei  Arten 
von  Gegenständen  besondere  Hervorhebung.  Es  ist  dies  erstens  eine 
Anzahl  der  bisher  nur  an  verschiedenen  Orten  in  England  gefundenen 
buUae  von  Blei,  welche  nach  der  richtigen  Bemerkung  des  Ilerni  J.  C. 
Coote  die  Erkennungszeichen  römischer  Soldaten  waren  *),  und  zweitens 
eine  Reihe  von  gestempelteu  Ziegeln.  Dreizehn  bis  jetzt  bekannte 
Exemplare  tragen  sämmtlich,  raehr  oder  weniger  vollständig  erhalten, 
den  Stempel 

COH  V  C 

Andere  gestempelte  Ziegel  sind  iiberhauptbis  jetzt  nicht  gefunden 
worden.  Auf  einem  Fragment  aus  Thonerdc  ist  der  Buchstabe  A,  davor 
ein  Zeichen  und  darunter  vielleicht  ein  liegendes  C  oder  0  eingegraben, 
nicht  eingestenipelt.  Dies  ist  also  ein  singuläres  Stück,  bei  welchem 
die  Ziegelerde  wie  Stein  verwendet  worden  ist.  Ausserdem  sind  auf 
Ziegeln  nur  noch  einige  eingeritzte  Wörter  vurhanden.  Die  Ziegel  mit  dem 
Stempel  der  cohCors)  V  G(allorum)  —  denn  diese  ist  natürlich  gemeint 
—  Bind  also  bisher  die  einzigen  überhaupt  bei  den  bedeutenderen  Bauten 
des  Castells  verwendeten.  Sie  beweisen,  dass  das  Castell  von  South 
Sbields  das  ursprüngliche  Standquartier  der  Cohorte  war.  Ob  ausser- 
dem noch  andere  Truppcnkörper,  dauernd  oder  zeitweise,  in  dem  Castell 
gelegen  haben,  wie  man  sich  versucht  fühlen  könnte,  aus  der  Gröffee 
desselben  zu  schliessen,  lässt  sich  mit  irgendwelcher  Sicherheit  nicht 
bestimmen.    Auf  alle  Fälle  reicht  der   vorhin  erwähnte   kleine  Stein 

mit  A  C  nicht  aus,  das  einstige  Vorbandensein  einer  Ala  G ,  neben 

der  Cohorte,  zu  erweisen.  Dass  die  fünfte  gallische  Cohorte  zum  bri- 
tannischen Heere  gehörte,  wusste  man  bisher  nur  aus  einer  einzigen 
Inschrift,  welche  in  dem  schottischen  Castell  von  Cramond,  südlich  vom 
Wall  des  Antoninus  Pius,  gefunden  worden  ist").    Unter  Domitian  stand 


1)  Herr  Booppell  giebt  eia  aasführlicbes  VerzeicboiBe  derselben  S,  21  S. 

2)  Siebe  die  Nacbweisungen  im  C.  I.  L.  VII  1269  und  additametUa  S.  813, 
tpigr.  m  (1877)  S.  144  und  S18. 

8)  C.  1.  L.  Vn  1083. 


83 


Ein  neues  römische«  Costell  in  BriUnnien. 


sie  in  Pannonien');  also  wird  sie  zum  britannischen  Heere  deaHadrian 
gehört  und  von  ihm  zum  Bau  dieses  Castells  unmittelbar  südlich  von 
dem  von  ihm  angelegten  Wall  verwendet,  später,  wie  viele  der  am 
Wall  gamisonierenden  Truppentheile,  von  Pius  weiter  nach  Schottland 
vorgeschoben  worden  sein.  Gern  wiisste  man  den  alten  Namen  des 
Gasteils  von  South  Sbields.  Aber  da  die  notitia  dignitatum  in  ihrer 
Liste  der  römischen  Garnisonen  in  Britannien  die  fünfte  Cohorte  der 
Gallier  überhaupt  nicht  nennt,  so  ist  ein  sicheres  Mittel  für  die  Iden- 
tificierung  des  Castells  mit  einem  der  bei  den  Geographen  oder  in  den 
Itinerarien  überlieferten  Namen  nicht  vorhanden.  Es  giebt  im  nörd- 
lichen England  weit  mehr  sichere  Plätze  antiker  Garnisonen,  als  über- 
haupt Namen  überliefert  sind;  ähnlich  wie  am  lUiein  für  zahlreiche 
Castello  uns  jede  sichere  üeberlieterung  der  Namen  fehlt.  Von  den 
zwischen  Eburacum  und  dem  Wall  des  Hadrian  gelegenen  freien  Platzen 
im  Lande  der  Brigantcn,  den  casteUa  Briganium,  von  denen  der  Dichter 
Juvenalis  aus  eigener  Anschauung  spricht,  sind  die  meisten  namenlos: 
das  Castell  von  Piers  Bridge  bei  Gainford,  Lanchester,  Chester- 
le- Street,  Ebchester,Corbridge(fi-üherCorchester), Hexham, 
Jarrow,  deren  Namen  meist  schon  den  Ursprung  der  modernen  Orte 
aus  römischen  castra  zeigen,  —  und  dieses  sind  nur  die  auf  der  öst* 
liehen  Hälfte  Britanniens  gelegenen  — ,  theilen  mit  South  Shields  die 
gleiche  Unsicherheit  oder  das  völlige  Fehlen  der  alten  Namen.  Nur, 
an  Ort  und  Stelle  gefundene  inschriftliche  Denkmäler,  welche  den' 
Namen  der  alten  Niederlassung  in  unzweideutiger  Weise  angeben,  können 
hier  Aufklärung  verschaffen.  Die  fortschreitende  Bebauung  des  neuen  i 
Stadttheils  von  South  Shields  '(he  Lau-e  wird  vielleicht  noch  manchen 
interessanten  Fund  zu  Tage  fordern*). 

Berlin.  £.  Habner. 


1)  Xkcb  dem  Diplom  C.  I.  L.  m  8.  855  N.  XII. 

3)  Dies  i«t  incwitchen  bereit«  geabkdien:   eine  intereennte  büirnfmUf  da« 
Denkmal  einer  Palmyreaerin ,  von  dem  Gatten  in  nrei  Spracbaa  gwBUt,  tsi 
iooden  worden  und  wird  demnfcutut  an  geei^etem  Ort  publiciert  «ardaa. 
berichtet  Herr  Blair  ron  fortgeaetaten  Fnaden  kLeinerer  Anti«agli«o;  di 
iat  da»  Stück  einer  Elfenbeinteaaera  mit,  wie  ea  wheint,  orieotaliadiar  SdirifL 


Beiträge  zu  den  römischen  Ältertbümern  der  RbeiDlando.  33 


4.  Beiträge  zu  den  römischen  AlterthQmern  cfer  Rhein  lande. 

Die  nachstehenden  Bern erkungen  über  dreiiiervorrageude  römische 
Denkmäler  der  ßheinlunde  hätten  eigeutüch  der  freundlichen  Mittheilung 
von  eingehenden  Berichten  über  dieselben  durch  die  Herren  K.  Christ 
in  Heidelberg,  Jac.  Becker  in  Frankfurt  und  A.  von  Cohausen  in 
Wiesbaden  in  höflicher  Dankbarkeit  unmittelbar  auf  dem  Fufse  folgen 
sollen.  Allein  sie  mussten  im  Drang  von  anderen  Arbeiten  und  Be- 
rufsgeschäfteu  bei  Seite  gelegt  werden,  zum  Theil  seit  längerer  Zeit. 
Doch  bürgt  der  Werth  der  Denkmäler  wohl  dafür,  dass  ihre  Mitthei- 
luug  an  dieser  Stelle  den  Lesern  der  Jahrbücher  und  den  Freunden 
der  rheinischen  Alterthüiner  überhaupt  auch  jetzt  noch  nicht  unlieb 
kommen  wird.  Dem  Vorstande  unseres  V^ereins  wird  ilirc  Ausstattung 
mit  wohlgelungenen  Tafeln  verdankt,  welche  viele  Worte  ersparen; 
ohne  solche  bildliche  Erläuterung  sollten  auch  bei  uns,  wie  anderswo, 
dergleichen  Alterthüiner    überhaupt  nicht  mehr  verdüenllicht  werden. 


I.   Die  römische  Brücke  über  den  Neckar  bei  Heidelberg. 

(Uiorzu  Tafel  IV.) 

Der  mir  vorliegende  Bericht  des  früher  in  Mannheim,  jetzt  in 
Wertheim  am  Main  thätigen  Ingenieurs  Hrn.  Bär  über  die  systema- 
tische Aufräuraung  und  Vermessung  der  alten  Brückenreste  im  Neckar, 
welche  im  October  des  Jahres  1877  auf  Veranlassung  des  Landescon- 
servators  überschulrath  Wagner  und  auf  Kosten  der  badischen  Re- 
gierung ausgeführt  worden  ist»  verdient  auch  nach  der  Erwähnung  des 
Fundes  durch    Hrn.  K.Christ   in  Heidelberg ')   etwas    eingehender 


1)  la  diesen  Jahrbüchera  Heft  62  (1878)  S.  20.  Ich  verdanke  den  Herren 
Verfassern  die  Mittheilung  dar  nur  Hutograpbierlen  und  nicht  im  Buchhandel 
erschienenen  Schrift.  Sie  führt  den  Titel:  'Die  römische  Neckarbrücke  in 
Heidelberg.  Bericht  über  die  im  Jahre  1877  durch  die  Wasser-  und 
Strafsenbau'Iospection  Mannheim  vorgenommenen  Aasgrabungon 
und  Aufnahmen  der  imFlussbette  des  Neckars  bei  Heidelberg  unter- 
halb der  neuen  Neckarbrücke  aufgefundenen  Pfahl-,  Stein-  und 
Eiienreste  von  Ingenieur  Hermann  Bär.'  Beigefugt  sind 'Betrachtungen 
über   die   bis  jetzt   aufgefundenen  Ueberreste  einer  Kömerbrücke 

S 


34 


Beiträge  zu  den  römischen  Alterthümem  der  Bbeinlande. 


besprochen  zu  werden.  Es  ergiebt  sich  daraus  eine  erwünscJite  Er- 
gänzung und  Erläuterung  der  früher  in  diesen  Jahrbüchern  *)  geführten 
Verhandlungen  über  ein  ähnliches  Denkmal,  die  Moselbrücke  bei  Coblenz. 

Ich  stelle  kurz  das  Thatsächliche  zusammen.  Die  Brücke  schneidet 
den  Neckar  da,  wo,  wie  aus  sicheren  Beobachtungen  (die  ich  jedoch 
nicht  controlieren  kann)  hervorgehen  soll,  sich  die  römischen  Strafsen- 
züge  von  der  Colonia  Nemetuni  (Speyer)  und  nach  dem  durch  die  be- 
kannten Funde-)  ordentlich  berühmt  gewordenen  Lopodunum  (Oster- 
burken) hn  rechten  Winkel  am  Flusse  treffen.  Es  entsteht  also  die 
Frage:  hat  die  Brücke  zu  der  ursprünglichen  Anlage  gehört,  oder 
wurde  auch  hier,  wie  wahrscheinlich  über  die  Mosel  bei  Ck)blenz,  lange 
Zeit  hindurch  der  üebergang  durch  eine  Fähre  bewerkstelligt?  Und 
in  diesem  Falle:  wann  ist  die  Brücke  gebaut  worden?  Sehen  wir  «u, 
ob  die  Reste  der  Anlage  selbst  oder  anderweite  Zeugnisse  und  Coro- 
binationen  zu  einer  Antwort  führen. 

Zunächst  ist  bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  der  Neptunusaltar 
gänzlich  bei  Seite  zu  lassen.  Denn  nichts  führt  zu  der  Annahme,  dass 
dieser  Inschriftstein  mit  der  Brocke  das  Geringste  zu  thun  gehabt 
habe.  Wenn  von  den  zwei  Männern  Valerius  Paternus  und  Aelios 
Macer,  welche  zu  Ehren  des  kaiserlichen  Hauses  dem  Neptun  in  Folge 
eines  Gelübdes  eine  (ledes  und  sein  Bild  darin  geweiht  hatten,  der  eine 
wirklich  ein  architedus  war,  so  war  er  doch  darum  noch  lange  nicht 
der  Baumeister  der  Brücke.  Aber  dafs  er  kein  architectus  gewesen, 
geht  schon  daraus  hervor,  dafö  die  Abkürzung  prc.  schlechthin,  wie 
auch  Herr  Christ  angiebt,  niemals  nrcA/Vec/tts  bedeutet,  aus  Gründen, 
welche   dem  Epigraphiker    nicht  unbekannt  sind,  hier  aber  nicht  ent- 


im  Fluisbette  des  Neokara  bei  Heidelberg,  verfasst  von  K.  Chriai 
in  Heidflborg',  welche  in  erweiterter  Gestalt  in  diesen  Jahrbüchern  a.  a.  0. 
wiederholt  worden  sind.  Im  Ganeen  16  gescKriebene  Folioseiten.  Dazu  eine  Tafel, 
den  NeptuDiisaltar  darstellend,  und  drei  Beilagen:  der  Situation splan  (MaarBStab 
1 :  1000).  die  Details  der  Fundamente  (MaaTsstab  1 :  100),  eine -zweite  Ansicht  des 
Neptirnsteins.  Die  beiden  Ansichten  des  Neptunsteins  sind  jedoch  nicht  rocht 
genügend:  gezeichnete  Skizzen  von  Inschriften  nützen  nichts,  entweder  man  b«- 
gnüge  sich  mit  dem  Typendruck,  oder  man  gebe  ein  wirklichea,  nach  Abdrack 
oder  Photographie  gemachtes  FaCEimile ;  tcrlium  non  dcAur.  Werthvoll  dagegen 
sind  die  Autnahmea  des  Herrn  Bär,  und  daher  hier  in  verkleinertem  Maafs- 
stabe  wiederholt 

1)  Heft  42  (1867)  S,  45  ff. 

2)  Diese  Jahrbücher  Heft  44.  45  (1868)  8.  1  ff. 


Beitr&gc  zu  den  römischen  Alterthümern  der  Rbeinlande. 


35 


wickelt  werden  können ').  Also  wird  er  wohl  ein  nrcarhis  gewesen  sein, 
vielleicht  eines  Collegiums  von  cuUores  JVepfwn»,  welche  wohl  meist  Sol- 
daten oder  Veteranen  der  nächsten  Legion  oder  Gehörte  waren*).  Dass 
die  meisten  der  inschriftli;;li  bezeugten  arcarii  mit  ihrem  Peisoiiiil  von 
dispensatores  und  anderen  Üntorbeamtea  unfreie  Männer,  Sclaveu  oder 
Freigelassene  waren,  wie  Hr.  Christ  aus  den  Indices  zuWilnianns 
undHenzen  und  etwa  etlidien  Bänden  des  Corpus  unschwer  ermitteln 
konnte,  ist  kein  Wunder,  da  diese  Leute  meist  bei  grofsen  Gassen  der 
Municipien  oder  der  kaiserlichen  Verwaltung  angestellt  waren.  Keines- 
wegs aber  ist  damit  ausgeschlossen,  dass  nicht  auch  ein  freier  Bürger 
römischen  oder  lateinischen  Rechts  die  arca  seiner  Genossenschaft  hätte 
führen  können,  so  wie  etwa  bei  uns  Gemeinde-  und  Staatskassen  von 
mancherlei  Art  von  nichtstudierten  Subalternbeamten  geführt  werden, 
während  auch  ein  vornehmer  Matm,  ein  hochgestellter  Beamter  oder 
ein  Kaufherr,  die  Casse  eines  Wohltliattgkeitsvereins  oder  einer  gemein- 
nützigen Gesellschaft  unter  sich  hat.  Sicher  ist,  dass  der  arcarius  nicht 
zu  den  stehenden  militärischen  Chargen  gehurt  hat  (erst  in  der  nach- 
diocletianischen  Hecresverfassung  scheint  er  sich  zu  finden)  und  mit- 
hin kann  auf  die  Lebensstellung  des  Paternus  auch  aus  diesem  Ehren- 
amt an  sich  durchaus  kein  Schluss  gemacht  werden.  Nach  dem  Inhalt 
und  nach  den  etwas  verwischten  Schriftformen,  über  welche  mir  genauere 
Mittheilungen  des  Hrn.  Christ  vorliegen,  scheint  der  Altar  etwa  in 
die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  zu  gehören,  kann  aber  leicht 
auch  um  ein  halbea  Jahrhundert  älter  sein.  Für  das  Alter  der  Brücke 
ist  seine  Zeit  aber  in  keiner  Weise  verwerthbar. 

Denn  die  Brücke  war,  wie  ja  die  Reste  deutlich  zeigen,  ein  Holz- 
bau. Ueberall  ist,  wie  in  der  Natur  der  Sache  liegt  und  durch  zahl- 
reiche Zeugnisse  feststeht,   der   hölzerne  Brückenhau  dem  steinernen 


1)  DttBS  das  arc.  der  Inscbrift  von  Birrens  in  SchoUland  C.  I.  L.  VII  1065 
nicht  architecins  bedeutet,  ist  an  sich  klftr,  und  noch  viel  weniger  kann  das 
nach  den  ungenügenden  Abichriflen  dahinter  stehonde  X  für  daa  —  griechisch 
geschriebene!  —  CH  de»  Wortes  architectus  genommen  werden.  Solche  Inter- 
pretationen sollten  ernsthaft  gar  nicht  vorgebracht  werden. 

2)  Einen  solchen  arcarius  einea  Veteranenoollegiums  von  cuUores  lovüi  au« 
Lambaesis  führt  Hr.  Christ  aus  Wilmanns  1488  selbst  an;  er  hiess  P.  Tamu- 
diiia  YenustuB  und  war,  wie  sciae  Genossen ,  ein  Veteran  der  dritten  Legion, 
üebrigens  .  dürfen  solche  saorale  Genossenschaften  nicht  mit  den  Veterauen- 
gomeindec  der  canabae  verwechselt  werden,  über  welche  Mommsen  im  Hermes 
7  (1872)  S.  313  ff.  gebandelt  hat. 


86 


Beiträge  zu  den  römischen  Altertbümern  der  RheiolaDde. 


vorangegangen;  oft  wurden  beide  Bauweisen  verbunden,  so  dass,  wie 
bei  Traians  Donaubrilcke,  eine  hölzerne  Brückenbahn  auf  steinernen 
Stronipfeilern  ruhte.  Immer  aber  ist  auch  nach  und  neben  dem  steinernen 
der  hölzerne  Brückenbau  in  Uebung  geblieben,  im  Alterthum  wie  heut- 
zutage. Ich  habe  früher  schon  darauf  hingedeutet,  dass  zwar  in  Italien 
und  in  den  völlig  befriedeten  ausseritalischen  Provinzen  des  Reiches, 
wie  in  Hispanien,  die  solide  Pracht  der  Straften-  und  Befestigungs- 
anlagen den  Bau  zahlreicher  steinerner  Brücken  zur  Folge  gehabt  habe, 
dass  aber  am  lUiein  und  an  seinen  Nebenflüssen  keine  sicheren  Spuren 
solcher  Brückenbauten  nachgewiesen  seien.  Jac.  Becker  hat  dann  in 
seiner  Abhandlung  'über  die  Rheinüberg&nge  der  Römer  bei  Mainz"*) 
dasselbe  iu  Bezug  auf  den  Rhein  selbst  uähcr  ausgeführt :  vor  der  von 
Constantiu  unternommenen  UeberbrQckung  des  Rheins  bei  Köln  hat  es 
überhaupt  keine  stehende  steinerne  Rbeinbrücke  gegeben. 

Was  wir  von  den  constructiveu  Deiails  der  Brücke  erfahren,  ist, 
wie  alle  thnt^^äcblichen  Mittheilungen  jder  Art,  vom  höchsten  Interesse. 
Es  kann  nicht  oft  genug  darauf  hingewiesen  werden,  wie  der  Sache 
durch  schlichte  und  möglichst  genaue  Mittheilung  des  Beobachteten 
unendlich  mehr  gedieut  ist,  als  durch  gelehrt  sein  sollende  Lrörte- 
rungeo  und  Verraulhungen.  Erst  wenn  eine  erhebliche  Anzahl  von 
Beobachtungen  gleichartiger  Erscheinungen  vorliegt,  kann  ja  überhaupt 
mit  Aussicht  auf  Erfolg  an  die  wissenschaftliche  Verwerthung  derselben 
gedacht  werden.  Der  beigefügte  Plan  und  die  Details  da^u  (Taf.  IV) 
sind  vollkommen  übersichtlich.  Man  sieht,  dass  die  Heidelberger 
Neckarbrückc  ein  Bau  von  mäisigen  Dimensionen  war.  Zwei  steinerne 
Widerlager  an  den  beiden  Ufern,  von  deren  einem  früher  noch  Reste 
sichtbar  waren,  und  sechs  Strompfeiler,  deren  Reste  aus  Kichenpfählen 
in  gleichmä£sigen  Abstanden  von  34.50  M.  aufgefunden  wurden,  sind 
sicher  ermittelt.  Ueber  die  Breite  der  Brückenbahn,  welche  vielleicht 
aus  der  Anlage  der  Widerlager,  verglichen  mit  der  üblichen  Breite  der 
römischen  Strafsen  zu  ermitteln  gewesen  wäre,  ebenso  über  die  von 
dem  mittleren  Wasserstand  bedingte  Höhe  derselben  finde  ich  keine 
Angal)en.  Hier  wäre  eine  Vergleichung  mit  den  ziemlich  genau  be- 
kannten Maafsen  der  Coblenzer  Moselbrilcke  sehr  erwünscht. 

Besonders  merkwürdig  ist  die  Fundamentierung  der  Strompfeiler. 
'Die  Hölzer  der  Roste  liegen  gröMentheils  horizontal;  es  sind  bis  jet2t 


I)  In  den  Annklen  des  Vereins  für  Nassauisohe  Älterthamakande  and  Ge^ 
sohichte  Bd.  10  (1870)  8.  1  ff. 


Beiträge  su  den  römischen  Alterthümem  der  Rheinlande. 


37 


nur  wenig  senkrechte  Pfähle  gefunden  worden,  so  bei  Pfeiler  Nr,  2  ein 
StQck,  bei  Nr.  3  zwei,  bei  Nr.  4  ein  Stück.*  Dies  sind  Herrn  Bar's 
Worte.  Es  ist  ja  möglich,  dass  die  Eiöwirkungen  der  Strömung  und 
die  Verwitterung  des  Holzes  sehr  viele  senkrechte  Pfühle  zerstört 
haben.  Aber  merkwürdig  ist  das  Folgende,  das  ich  möglichst  mit  den 
Worten  des  Technikers,  Hrn.  Bär,  wiedergebe.  *Eine  auffallende 
Construction  zeigten  die  quer  über  die  Flussrichtung  ziehenden  Schwellen 
des  Pfeilers  Nr.  4.  Aus  der  Oberftäche  derselben  war  nämlich  zu 
ersehen,  dafs  sie  aus  mehreren  schräg  in  den  Boden  ziehenden  und 
über  einander  liegenden  Hölzern  bestehen.  Um  ihre  Construction  zu 
untersuchen,  zog  man  mit  Hilfe  der  im  Neckar  verwendeten  Steinhebe- 
maschine die  vier  Hölzer  der  auf  der  Taf.  IV  Fig.  1  mit  nb  bezeich- 
neten Querschwellen  heraus.  Es  gelang  jedoch  nur,  dieselben  in 
Stücken  von  1.4  —  2.25  M.  Länge  zu  erhalten,  da  sammtliche  Hölzer 
abbrachen.  Die  herausgezogenen  Stücke  haben  einen  rechteckigen 
Querschnitt  von  0.22/0.35  M.  und  zeigen  an  der  Bruchfläche  Einschnitte 
bis  in  die  halbe  Holzdicke;  an  dieser  verschwächten  Stelle  trat  auch 
der  Bruch  ein.  Fig.  2  der  Taf.  IV  zeigt  die  Hölzer  in  ihrer  Lage  im 
Boden ;  die  herausgezogenen  Stücke  sind  durch  die  Querltnie  des  Bruches 
bezeichnet.  Möglich  ist  es,  dass  diese  Pfähle  ursprünglich  eine  senk- 
rechte Wand  bildeten  und  durch  Bewegungen  der  Flusssohle  umgestürzt 
wurden,  wobei  dann  die  aus  der  Sohle  heraussteheuden  Pfahlköpfe  durch 
das  Flussgeschiebe  abgeschnitten  und  der  Flusssohle  gleich  gemacht 
worden  sein  müssten'.  Soweit  Hr.  Bär;  mir  scheint  aus  seinen  Ausfüh- 
rungen vielmehr  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  hervorzugehen,  dafs  wir 
es  hier  mit  einer  beabsichtigten  schrägen  Einbettung  der  Pfeiler  zu  thun 
haben ,  welche  an  die  schrägen  Strebestützen  an  Caesar's  RheinbrQcke 
erinnert.  Doch  will  ich  dies  nur  mit  aller  Reserve  den  Technikern 
zur  Prüfung  anheimgeben.  Dafs  sich  Pfähle  mit  eisernen  Spitzen,  wie 
in  der  Mosel  bei  Coblenz  in  so  grofser  Zahl,  hier  im  Neckar  gar  nicht 
gefunden  haben,  kann  ja  auch  zuletzt  in  zufälligen  Umständen  seinen 
Grund  haben.  Aber  gut  wird  es  sein,  diese  Thatsache  für  künftige 
Fälle  in  der  Erinnerung  zu  behalten.  Constructive  Unterschiede  so 
durchgreifender  Art  können  leicht  einmal  zu  festeren  Zeitbestimmungen 
führen.  Ich  wiederhole,  dass  es  verwegen  sein  würde,  jetzt  schon 
solche  zu  wagen  und  danach  die  Brücke  über  den  Neckar  für  älter, 
etwa  dem  zweiten  oder  dritten  Jahrhundert  angehörig  zu  bezeichnen 
(die  Alamannenkriege  des  Severus  Alexander  lief^en  sich  vielleicht 
damit  in  Verbindung  bringen),  während  die  Coblenzer  nicht  ohne  einige 


38 


Beiträge  na  den  römüohcn  Altertbfinieni  der  Rheinland». 


WahrscheiDlichkeit,  wie  ich  glaube,  in  die  Zeit  des  ersten  Valentinian 
gesetzt  worden  ist 

Eine  Eigenthüralichkeit  aber  scheinen  beide  Brücken,  wenn  auch 
vielleicht  nicht  von  Anfang  an,  gemeinsam  gehabt  zu  haben.  Aus  dem 
Flussbett  der  Mosel  sind  bekanntlich  in  ziemlicher  Anzahl  groJiie  be- 
hauene  Steinblöcke,  Inschriftfragmente  u.  s.  w.,  ursprünglich  zu  Denk- 
mälern und  Bauten  des  ersten  und  zweiten  Jahrhunderts  gehörig,  her- 
vorgeholt worden.  Sie  haben  zu  Anschllttungen  gedient,  bestimmt,  die 
Brückenpfeiler  gegen  den  Ajiprall  der  Hochäath  und  des  Eisganges  zu 
schlitzen.  Es  scheint  mir  nicht  unwahrscheinlich  zu  sein,  dass  auch  an 
der  Neckarbrücke  die  Conglomerate  von  Steinblöcken ,  welche  bei  den 
Pfeilern  gefunden  worden  sind,  dem  gleichen  Zweck  gedient  haben. 
Hr.  Bär  bemerkt:  'Conglonierat  2  (auf  Taf.  IV)  schliesst  zweifelsohne 
einen  Pfahlschuh  ein,  was  aus  den  drei  emporstehenden  und  mit  Löchern 
versehenen  Kisenlappen  zu  schliefen  ist;  derselbe  dürfte  wohl  auch 
durch  einen  Umsturz  auf  die  Neckarsohle  gekommen  sein.  Congloraerat 
2,  an  welchem  während  des  Herausziehens  einer  der  emporstehenden 
Arme  abbrach,  lässt  durch  ein  aus  der  BruchÜäche  heraustretendes 
Eisen  erkennen,  dass  dieser  Arm  die  Umhüllung  eines  Eisentheiles  ist; 
und  es  ist  zu  vermuthen,  dass  dieses  Conglomerat  ebenfalls  einen 
Pfahlschuh  einschliesst'  Diese  gewiss  auf  richtiger  Beobachtung  be- 
ruhenden Bemerkungen  des  Technikers  zeigen  also,  dass  auch  hier  An- 
schüttungen von  Steinen  um  die  'Pfahlschuhe*  zu  deren  Sicherung  statt- 
gefumlen  haben.  Zu  bemerken  ist,  dass  hier  auch  die  Verbindung 
gewisser  Theile  der  Holzconstruction  durch  eiserne  Bänder  statt- 
gefunden hat. 

Nichts  liegt  hiernach  näher,  ja  zwingt  sich  gleichsam  von  selbst 
auf,  als  die  Vermuthung,  dass  auch  der  Neptumisaltar  und  die  dazu 
gehörige,  aber  ziemlich  entfernt  davon  gefundene  Fufsplatte  eines 
Reliefbildes,  vielleicht  des  Gottes  (den  Fundort  beider  Stücke  giebt 
Taf.  IV  nach  Hm.  Chr ist's  handschriftlicher  Notiz  an),  ihr  Vor- 
handensein auf  dem  Boden  des  Flussbettes  einer  solchen  Anschüttung 
verdanken.  Dieselbe  braucht  natürlich  dem  ursprünglichen  Bau  keines- 
wegs gleichzeitig  zu  sein:  bei  jeder  der  gewiss  sehr  häufig  uöthigeo 
Reparaturen  der  Brücke  kann  die  Anschüttung  je  nach  Bedarf  verstärkt 
worden  sein.  Hrn.Christ's  Vermuthung,  dass 'mitten  auf  der  Brücke  zu 
Römerzeiten  der  Neptunstein  in  einer  Art  von  Capelle  errichtet  gewesen 
sei,  in  derselben  Art  wie  auf  späteren  christlichen  Brücken  ein  Nepomok 
stand',  und  dass  er  dann  'bei  der  Zerstörung  der  Brücke  in  das  Strom- 


Boitrige  m  den  römiscben  Altertbümern  der  Rhelnlande. 


39 


bett  gestürzt  und  dort  dicht  hinter  dem  mittelßteo  Pfeiler  liegen  ge- 
blieben sei',  kann  ich  mir  schon  mit  der  Holzconstruction  der  ganzen 
Brücke  nicht  recht  zusammenreimen.  Nach  dem  oben  Gesagten  wird  man 
zugeben,  dass  diese  Annahme  mindestens  nicht  nothwendig  ist.  Dies 
ist  der  Grund,  weshalb  ich  oben  bemerkte,  dass  bei  der  Frage  nach 
dem  Alter  der  ßrilcke  der  Neptunustcin  gänzlich  hei  Seite  zu  lassen  sei. 
Eine  bestimmte  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Zeit  der  An- 
lage dieses  Brückenbaues  ist  mithin  vor  der  Hand  noch  nicht  möglich. 
Aber  es  darf  als  wahrscheinlich  bezeichnet  werden,  dass  sie  einem  be- 
sonderen, später  vielleicht  auch  einmal  chronologisch  annähernd  fixier- 
baren System  des  Brückenbaues  ihreu  Ursprung  verdanlit,  für  welches 
sich  mit  der  Zeit  gewiss  noch  weitere  Beispiele  finden  werden.  Ich 
kann  diese  Mittheilung  daher  nur  mit  dem  Wunsche  schliefsen,  dass 
das  weitverbreitete  loteresse  der  Alterthumsfreunde  aller  Art  im  Rhein- 
lande, welches  neuerdings  so  eifrig  den  römischen  StraTsea  und  Castelleu 
zugewendet  worden  ist,  auch  die  in  den  Flussbetten  sicherlich  noch  an 
so  manchen  Stellen  unbekannt  vergrabenen  Fundamente  der  römischen 
Brücken  —  bei  der  günstigen  Gelegenheit  niedrigen  Wasserstandes  und 
neuer  Stromregulierungen  —  immer  mehr  in  seinen  Kreis  ziehen  möge. 


U-   Der  Ursprung  von  Mainz. 

Nachdem  Mommsen  zuerst  hi  einem  Aufsatze  im  Hermes  'die 
römischen  Lagerstädte' ')  und  ihre  Entstehung  aus  den  Canabac,  den 
Zelthütten  der  Marketender  neben  den  Standlageru  der  Legionen'), 
eingehend  besprochen  hatte ,  ist  wenigstens  einer  solchen  Lagerstadt, 
nämlich  des  afrikanischen  Larabaesis  Entstehung  und  Gestalt,  welche 
sich,  wie  bekannt,  unter  dem  Wüstensand  in  wunderbarer  Vollständig- 
keit erhalten  hat,  io  weiteren  Kreisen  genauer  bekannt  geworden  durch 
die   lehrreiche  Beschreibuog,   welche   der  jüngst   verstorbene  Gustav 


1)  Bd.  7  (1872)  S.  299  ff. 

2)  Das  Wort  »cheint  mir  unzweifelhaft  mit  der  altorientaliBohen  Bezeich- 
nung des  Ilanfee  xavvaßi^  zusammenzuhängen.  Wie  ein  anderes  oriontalieches 
Gewebe  »KQnaaof,  ein  LeinenstofiF,  im  lateinischen  carbasus  als  allgemeine  Be- 
zeichnung für  Segeltuch  erscheint,  so  erhielt  cantiabus  und  eannaba  die  der  Zelt- 
decke. Dass  die  Marketenderzelte  auch  als  sie  später  aus  Stein  errichtete  Häuser 
waren,  ihren  alten  Namen  behielten,  findet  sein  Analogoo  in  unseren  Berliner 
'Zelten  im  Thiergarten,  welche  bekanntlich  seit  vielen  Generationen  aufgehört 
bftben,  wirkliche  Zelte  zu  sein.  ^ 


40 


Beitr&ge  zn  den  römiBohen  Alierthümem  der  Rheinl&nde. 


'Wilmanns  aus  eigener  Anschauung  und  zuerst  mit  vollständiger 
Benutzung  des  für  den  achten  Band  des  Corpus  inscriptimum  Laiinctnm 
von  ihm  gesammelten  inschriftlichen  Materiales  von  ihr  gegeben  hat '). 
Inzwischen  hat  Professor  Becker  in  Frankfurt,  der  verdiente  Ver- 
fasser des  umständlichen  und  genauen  Catalogs  der  Mainzer  epigraphi- 
schen  Sammlung-),  in  einem  Auf satze  'zur  Urgeschichte  von  Mains 
und  Castel\  welcher  in  einer  politischen  Zeitung  erschienen  ist  und 
daher  wenig  dauernde  Verbreitung  unter  den  Fachgenossen  und  Alter- 
thumsfreundeo  gefunden  hat*),  einige  neugefundene  inschriftliche  Denk- 
mäler veröffentlicht,  welche  seiner  Meinung  nach  neues  Licht  auf  den 
Ursprung  der  Lagerstadt  Mainz  zu  werfen  geeignet  sind.  Ich  stimme 
in  der  Deutung  dieser  und  einiger  schon  früher  bekannten  Denkm^er 
nicht  ganz  mit  Hrn.  Becker  überein;  sie  verdienen  auf  alle  Fälle 
auch  den  Lesern  dieser  Blätter  mit  einigen  kurzen  Erläuterungen  vor- 
gelegt zu  werden,  da  uns  das  Interesse  an  dieser  Lagerstadt  doch  noch 
etwas  näher  liegt,  als  das  an  der  französischen  Strafcolonie  Lambessa. 
Freilich  muss  auch  hier  wieder,  wie  so  oft,  mit  der  Klage  be- 
gonnen werden,  dass  es  an  einer  zuverlässigen  topographischen  Grund- 
lage für  die  hier  anzustellenden  Erörterungen,  wenigstens  soweit  meine 
Kenntniss  reicht,  bisher  noch  fehlt.  Ich  meine  eine  genaue  Statistik 
der  römischen  Funde  in  Mainz,  nicht  blos  der  inschriftlichen,  wie  sie 
bis  zum  Jahr  1867  Brambach's  Sammlung*)  und  bis  1875  Becker's 
'Verzeichniss  der  Fundorte'*)  in  ziemlicher  Vollständigkeit  giebt,  son- 
dern auch  aller  anderen,  mit  sorgfältiger  Unterscheidung  der  in  »tu 
gefundenen  und  der  nachweislich  verschleppten  oder  in  späteren  Zeiten 
verbauten  StücJce.  Damit  zu  verbinden  wäre  eine  topographische  Auf« 
nähme  des  Zuges  der  Mauern  und  Thore,  so  weit  er  sich  nach  dai 
erhaltenen  Resten  und  allen  vorhandenen  Aufzeichnungen  noch  ermitteln 
und  bestimmen  lässt.    Was  bisher  in  dieser  Beziehung  geleistet  worden 


1)  In  den  Omimentationes  phHohgae  in  honorem  Theodori  Mommaeni  (Berlin 
1877,  8.  S.  190  ff. 

2)  Die  römischen  Inschriften  und  Steinsculpturen  des  Moseums  der  Stadt 
Mainz,  EusammuDgestellt  von  Dr.  phil.  Jacob  Becker  u.  s.  w.  u.  b.  w.  Mainz 
1875  (140  S.)  8. 

3)  Er  liegt  mir  darch  die  Güte  des  Hrn.  Yerfassers  in  einem  Separat- 
abdruck des  'MatQxer  Journal'  1877  Nr.  280  and  281  outer  der  oben  angegebeoen 
Uoberschrifb  (Mainz  1877,  12.  S.  8.)  vor. 

4)  Corpus  inscr.  Bhenan.  (Elberfeld  1667,  4.)  8.  190  ff. 

5)  In  seinem  Catalog  S.  120. 


Beiträge  zu  den  römischen  Alterthümem  der  Rheinlande. 

ist,  scbeiot  mir  in  keiner  Weise  ausrcicfaend  zu  sein.  Nur  so  aber 
wird  sich  mit  annähernder  Sicherheit  die  Frage  entscheiden  lassen,  ob 
Drnsus,  oder  wer  es  war,  das  erste  Lager  der  Legion  ad  confluentcs 
Rheni  et  Moeni  unmittelbar  auf  dem  Fleck  eines  alten  keltischen 
Oppidum,  des  Namens  Mogontiacum,  angelegt  habe,  oder  ob  dies  alte 
Oppidum  identisch  sei  mit  dem  späteren  sogenannten  mcus  Mogontia- 
censtum,  wie  Becker  anzunehmen  scheint,  aber  verschieden  von  dem 
ursprünglichen  Lagerplatz  der  Legion  (oder  der  Legionen).  Ao  sich 
ist  beides  möglich;  die  bisher  gefundenen  inschriftlichen  Zeugnisse 
geben,  wenn  ich  nicht  irre,  nach  keiner  von  beiden  Seiten  hin,  eine 
sichere  Entscheidung. 

Durch  die  schon  von  Mommsen')  zusammengestellten  inschrift- 
lichen Zeugnisse  steht  nämlich  fest,  dass  Veteranen  der  Mainzer  Legionen 
als  eives  liomani  bereits  seit  der  Zeit  der  julisohen  Kaiser  ein  solches 
Geraeinwesen  canabcnsischen  Rechtes,  wie  Mommsen  es  bezeichnet, 
unter  einem  curator  gebildet  haben,  und  es  ist  wahrscheinlich,  dass 
diese  quasistädtische  Verfassung  in  Geltung  blieb,  bis  vielleicht  in  dio- 
cletianischer  Zeit  die  Gemeinde  zu  einem  Municipium  erhoben  wurde*). 
Wie  sich  aber  auch  diese  ursprüngliche  Stadtgemeinde  zum  Lager  ver- 
hielt, sie  ist  höchstwahrscheinlich  eine  in  sich  geschlossene  und  einheit- 
hche  gewesen.  Nach  ihrer  staatsrechtlichen  Qualität  wird  sie  aller- 
dings am  nächsten  dem  vicus  civium  Romanorum  entsprochen  haben. 
Das  hispanische  Italica  wenigstens  scheint  im  siebenten  Jahrhundert 
der  Stadt  so  bezeichnet  worden  zu  sein').  Nur  in  Strafsburg  kommt 
aufserdem    der   Genius   vici   Candbaruni   et  tncanorum   Canabenmim  vor 


1)  A.  a,  0.  S.  308. 

2)  Es  iat  nicht  unmöglich,  dass  dsa  von  tlro.  Becker  früher,  in  dem  achon 
oben  S.  36  Anm.  1  oilierten  Aufsatz  üher  die  Rheiaübergäng«  der  Römer  bei 
Mainz  besprochene  Bleimedainon  aus  Lyon,  mit  der  DaratelluDg  von  Mains  und 
Castel  und  der  sie  verbindendeu  Holzbrlicke  nebst  deu  beiden  Kaisero,  mit  der 
Ertheilung  einer  höhcrem  staatsrechtlichen  Würde  an  die  Stadt  irgendwie  zu- 
•ammenhängt.  Die  Bezeichaung'  civitas  Mo[gontiaeensis]  auf  dem  Altar  aus 
diooletianisoher  Zeit  (Brambach  Nr,  1281)  beweist  dies  freilich  noch  nicht, 
dft  civiiat  ein  sehr  allgemeiner  Ausdruck  ist;  doch  heifat  Mains  bei  Ammianus 
Marcellinua  XV  11,  8  ausdrücklich  mtmicifium. 

3)  Doch  ist  zu  bemerken,  dass  die  von  Mommsen  zu  C.  I.  L.  I  546  =  II 
1119  vorgeschlagene  Lesung  der  Dedieatiou  des  L.  Munimius  fvieoJUaiicenai  nur 
auf  einer,  allerdings  wahrscheinlichen  Ergänzung  beruht;  das  Wort  viau  ist 
nicht  beizeugt. 


jyi  Beitr&ge  za  den  rÖTRisohen  Alterthümern  der  Rheinland«. 

(Brambach  Nr.  1891).  Hiemach  also  scheinen  wenigstens  einzelne 
solcher  Niederlassungen  von  Händlern  und  Bürgern  neben  den  Legions- 
lagern eigentliche  viel  gewesen  zu  sein.  Dass  dies  tiberall  der  Fall 
gewesen  sei,  kann  aus  Zeugnissen  nicht  erwiesen  werden.  Eine  der 
neugefundcncn  Inschriften  scheint  nun  Hrn.  Becker  diese  bis  dahin 
fehlende  Bezeichnung  der  staatsrechtlichen  Qualität  eines  vieus  auch 
für  Mainz  zu  enthalten. 

1.  Der  neugefundene  Altar  (ich  finde  in  Hm.  Becker's  Au&atz 
keine  genauere  Angabe  über  den  Fundort)  ist  98  Centimeter  hoch  und 
zeigt  auf  drei  Seiten  die  üblichen  Hochreliefgestalten  des  Apollo  (nackt 
bis  auf  die  lange  Chlamys,  mit  Strahlenkranz,  Scepter  und  Peitsche), 
der  Ceres  (in  langen  Gewändern,  mit  Modius?  auf  dem  Haupte  und 
zwei  brennenden  Fackeln)  und  der  Fortuna  (mit  Diadem  und  Schleier, 
Füllhorn,  Steuerruder  und  Kugel).  Ihre  Ausfilhmng  scheint  (nach  der 
Hrn.  Becker's  Aufsatz  beigegebenen  Steinzeichnung  des  Herrn  C.Kissel) 
ungewöhnlich  sorgfältig  zu  sein ').  Die  Vorderfläche  enthält  in  schönen 
Schriftzügen,  wie  es  scheint  etwa  des  zweiten  Jahrhunderts,  die  fol- 
Inschrift : 


gende 


I 


O 


M 


ET.  I  VNO  rJ 
RECIN AE 
VICANI    MO 
5     CONTIAC  E  N 
sES     VICINO 
VI      DSP 

Also  I{ovi)  o(ptimo)  m(aximo)  et  lunoni  retinae  (welche  sich  aber 
beide  unter  den  auf  den  übrigen  Seiten  dargestellten  Gottheiten  nicht 
finden,  also  wohl  einst  in  eigenen  siiftiis  auf  der  Basis  selbst  standen) 
vicani  Mogontiaccnses  vici  novi  d(e)  sfua)  p(eamia).  Hier,  meint  Hr. 
Becker,  haben  wir  also  den  vicus  Mogontiacensium^  also  ein  bestimmtes 
Zeugniss,  dass  die  Mainzer  cambae  wirklich  als  victis  bezeichnet  worden 
sind.  Ich  bezweifele  wie  gesagt  nicht,  dai?s  dies  nach  unserer  bisherigen 
Kenntüiss  der  für  eine  solche  Gemeinde  geeignete  Name  sein   würde;] 


1)  E«  liegt  dein  Aufsatz  Becker's  noch  eine  zweite  Stelnzeicbuung  de«- 
«elbon  Um.  C.  Kiesel  bei,  welehö  einen  vierseitigen  Altar  mit  den  eämmtlicb 
der  Köpfe  beraubten  Reliofbildem  des  Mars,  des  Juppiter,  der  Victoria  und  dea 
Hercules  zeigt.     Ueber  die  Auffindung  desselben  ist  im  Texte  nicht«  goMigt. 


Beiträge  zu  den  rdmiBehen  AltertLümern  der  Rheinlande. 


43 


aber  ich  bestreite,  dass  die  Inschrift  ihn  bezeugt.  Becker  vergleicht 
sehr  passend  mit  dem  neu  gefundenen  Inschriftstein  vier  bisher  schon 
bekannte,  drei  aus  Mainz  und  einen  aus  Castel. 

2.  Mainz,  im  ehem.  Kftpuzinerkloster  18GG  gefunden,  Altar, 
65  Cm.  hoch,  der  oberste  Theil  fehlt.    Schrift  wohl    des   ersten  Jahr- 

hnnderts M.  Val(crius)  Pudlens],  L.  Anto(nius)  JPlacidua,  M.  Bi- 

racius  Indutius^  C.  Silmiis  Senecio  platiodanni  vici  novi  sub  cura  sua 
d(e)  8(uo). 

Becker's  VerzeichnJss  S.  26  Nr,  93  (noch  nicht  hei  Brambach). 
Zu  Anfang  fehlen  die  Namen  des  oder  der  Götter,  denen  der  Altar 
geweiht  war.  Die  sehr  merkwürdige,  wie  es  scheint,  keltische  Amts- 
bezeichnung der  vier  Männer  als  platiodanni  ist  noch  nicht  erklärt. 
Becker  denkt  an  platca  und  ilbersetzt  *Straffeenaufseher'.  Der  viats 
novus  wird,  wie  auch  Becker  sah,  höchst  wahrscheinlich  mit  dem  des 
neu  gefundenen  Juppiteraltars  identisch  sein. 

3.  Mainz,  Viergötteraltar,  Juppiter  Juno  Apollo  Fortuna,  an  der 
Domdecbanci  1813  eingemauert  gefunden,  1  Meter  hoch.  Schrift  etwa 
des  zweiten  Jahrhunderts.    Ifovi)  oCptimo)  m(aximo)  et  lunotn  reffhtae 

vicani  Salutares (folgen  in  24  Zeilen  die  Namen  der  «Vawj,  von 

denen  etwa  zwanzig,  fwmiua  und  cogmmhm,  noch  zusammenzubringen 
sind;  doch  ging  das  Verzeichniss  vielleicht  noch  auf  anderen  Steinen 
weiter;  auf  den  Seiten  scheint  nichts  zu  stehen). 

Brambach  Nr.  994;  Becker's  Verzeichniss  S.  6  Nr.  21. 

4.  Mainz,  in  der  im  Jahr  1793  zerstörten  Vorkirche  derAureus- 
capelle  bei  dem  heutigen  Kirchhof;  jetzt  verloren. 

I(n)  [li(onorem)  d(omu8)\  d(ivinae)  genio  coUegi  iuentidis  vici 
Apollinesis  Acutius  ürstts  ei  Actdia  Ursa  donum  dedenmt  imp.  [der 
Name  des  Caracalla  ausgemeifseltj  imp.  [der  Name  des  Alexander 
atisgemeifSelt]  et  Cowajsonte  co(n)s(ulihus). 

Brambach  Nr.  1138.  I.N.M.D  ist  überliefert  und  schon  von 
Lehne  verbessert  worden.    Das  Jahr  ist  220  n.  Chr. 

Wegen  des  Genius  luventuiis  zieht  Becker  auch  noch  den  fol- 
genden Stein  aus  dem  Jahr  199  hierher. 

Mainz,  1842  vor  dem  ehemaligen  Bischofshof  'auf  dem  llöfchen' 
gefunden,  78  Centimeter  hoch;  der  oberste  Theil  fehlt. 

.  ...et  genio  imntutis  Vobergens(is)  T.  Gmialinius  Crescens  v(otum) 
8(oli>il)  l(aetus  Ifibcns)  m(erito)  Anullino  II   et  Frontone  cofn)s(ulihus). 

Brambach  Nr.  1000;  Becker's  Verzeichniss  S.  19  Nr.  68. 


6ei(r&ge  zu  den  römischen  Altertbämem  der  Rheinlande. 

Dass  die  iuvenUis  Vohergensis  einem  vicus  Vdbergenm  angehört 
habe,  ist  nicht  unmöglich ;  aber  desslmlb  das  Vorhandensein  eines 
solchen  vicus  als  gesichert  anzusehen,  geht  nicht  an.  Wir  lassen  ateo 
diesen  vicus  bei  Seite. 

Dagegen  bietet  allerdings  eine  zutreffende  Analogie  der  Stein  aus 
dem  gegenüberliegenfleu  Castel,  welchen  Becker  ebenfalls   vergleicht: 

5.  Castel,  1835  im  von  Esbeck'schen  Hause  gefunden;  im  Museum 
zu  Wiesbaden.  Rechts  und  links  Juno  und  Victoria,  unten  Mercur 
und  Fortuna,  hinten  Hercules. 

[In  Juniorem]  d((mms)  d(ivinae)  I(ovi)  o(ptimo)  m(aximo)  Jl . . . 
Meloni  Ckirmhtus  et  Ittcundus  de  suo  d(ani)  vico  novo  Mdoniomm  Cdh^go 
ei  Claro  co(n)$(uUbus), 

Brarabach  Nr.  1321.  Oh  in  dem  F.^  nach  dem  Namen  des 
Juppiter  et  steckt  ist  unsicher;  es  müsste  denn  das  übliche  luttoni 
Beginae  durch  Schuld  des  Steinmetzen  ausgefallen  sein.  Das  Jahr  ist 
170  n.  Chr. 

Das  alte  casfeUmn  Mattiacorum  ist  vielleicht  durch  Traian  oder 
Hadrian  zur  Colonic  erhoben  worden ;  wie  aber  auch  seine  staatsrecht- 
liche Qualität  im  Jahr  170  beschaffen  gewesen  sein  mag,  es  hat  kein 
Bedenken  aus  dieser  Inschrift  den  Schluss  zu  ziehen ,  dass  ein  vicM 
Melouiorum^  wahrscheinlich  nach  dem  altkeltischen  Geschlecht  der 
Melofiii  so  genannt,  mit  Castel  irgendwie  verbunden  war. 

Dasselbe  lehren  in  Bezug  auf  Mainz  die  drei  Inschriften  Nr.  2 — 4. 
Ehe  die  Stadt  ein  Municipium  war,   fand   ihre  Vergröfserung,   welche 
ja  bei  ihrer  hohen  militärischen  Bedeutung  nothwendig  eintreten  musste, 
in  der   Weise   statt,    dass   die  nächstliegenden  Ortschaften   sichln 
eigenen  vici  constituicrten.    Die   aus  den  oben  gegebenen  Zeugnissen« 
sich  ergebenden  drei  vici,  der  vicus  tiovifs,    der  vicus  Sahäaris  und  der 
vicus  ApoUinesis  (eventuell  auch  der  vicus  Voberffcnsis)    können    wegen 
ihrer   nahen    Zugehürigkcit  zu    Mainz  sämmtlich  vici   Moffontiacataet] 
genannt    werden;   sie   gehörten   zu    Mainz   so    wie  z.    B.    der  patjus] 
Atujiustus  feltx  suhurhanus  zu  Pompeji  gehört  hat'),    und  wie  sich  auch 
in  andern  antiken  Städten  Vorstädte,    vici    und  pagi  sviburbcmi,   nach' 
weisen  lassen.    Der  Ausdruck  der  neuen  Inschrift  (Nr.  1)  vicatti  JfiHi 
goniiacenses  vici  novi  ist  daher  nur  der  umständlich  genaue  für  dasselbe] 
Verhältniss,  welches  in  den   übrigen  Inschriften  kürzer  z.  B.   durchj 


1)   Vgl.  H.  Kissens  pompejanische  Studien   zur  Städtekunde  dee  AI1«S] 
tham«  (Loiprig  1877,  8.)  S.  879  ff. 


Beiträge  zu  den  römiscbeQ  Alterth&mern  der  Rheiolande. 


46 


vicani  Saluiares  ausgedrückt  wird;  auch  dafür  hätte  vicani Mogontiaccnscs 
vid  Salularis,  oder  dem  entsprechend  in  Castel  vicani  Castellani  (oder 
Mattweil)  viel  novi  Meloniorum  gesagt  werden  können.  Freilich  darf 
nicht  verschwiegen  werden,  dass  wir  aus  dem  einstigen  Vorhandensein 
jener  vier  Inschriften  in  Mainz  seibat  noch  keineswegs  auf  die  nahe 
Verbindung  jener  in  ihnen  genannten  vici  mit  Mainz  einen  sicheren 
Schluss  machen  können.  Wer  weifs,  wie  weit  her  sie  vielleicht  im 
Mittelalter  zu  Kirchen-  oder  Festungsbauten  aus  der  Umgebung  heran- 
geschleppt worden  sind?  Auch  in  diesen  Dingen  ist  ja  unser  Wissen 
Stückwerk,  und  so  bleiben  die  Ergebnisse  unseres  Forschens  provisorisch. 
Immerhin  ist  der  angedeutete  nahe  Zusammenhang  der  vici  mit  Mainz, 
wie  ihn  Becker  annimmt,  wahrscheinlich.  Aber  sicherlich  beweist  der 
neue  Altar  keineswegs,  dass  auch  Mainz  wirklich  einst  vicus  Mogotir 
tiacensium  geheiüjen  habe.  Wenn  auch  in  altreputblicanischer  Zeit  der 
Begriff  des  vicus  ctüium  Bomanorum  in  den  Provinzen  nicht  selten  vorge- 
kommen sein  mag,  für  die  Zeit  von  Augustus  abwärts,  mit  welcher 
wir  es  doch  bei  Mainz  allein  zu  thun  haben,  scheint  es  mir  nicht 
wahrscheinlich,  dass  die  zu  einer  Gemeinde  cauabensischen  Rechts  in 
städticher  Ausiedlung  constituierten  Veteranen  und  cives  Eomani  ihre 
Stadt  überall  einen  vicus  genannt  haben  werden.  Gerade  die  getüssent« 
liehe  Bezeichnung  kleinerer  territoria  contributa  als  vici  neben  dem 
Hauptort  scheint  mir  vielmehr  dafür  zu  sprechen,  dass  dieser  nicht 
unter  die  gleiche  nivellierende  Bezeichnung  mit  einbegriffen  worden  ist. 
Anders  wäre  es,  wenn,  wie  in  Strafsburg,  die  vicani  Canabenses 
oder  tncani  vici  Canabarum  Mogontiacensittm  inschrifthch  bezeugt  wären. 
Ob  die  Gesammtheit  der  in  Mainz  neben  dem  Lager  bestehenden  vici 
überhaupt  so  zu  sagen  einen  gemeinsamen  Titel  gehabt  habe,  kann 
bezweifelt  werden.  Vielleicht  knüpfte  sich  der  Name  Mogontiacum, 
möglicher  Weise  aus  topographischen  Gründen,  gerade  an  das  Lager, 
sodass  im  Gegensatz  zu  den  meist  schlechthin  Mogontiacum  genannten 
casira  Mogontiacemia  (oder  ausführlicher  castru  leyiotm  XXII  u.  s.  w. 
quae  sunt  Mogontiaci)  die  mä  MogoniUtcenses  mit  ihren  verschiedenen 
Sondernamen  wiederum  eine  Art  Einheit  bildeten.  Es  ist  oft  hervor- 
gehoben worden,  dass  wir  die  gewiss  sehr  grofsc  Mannigfaltigkeit 
städtischer  Ansiedelungen  in  den  weiten  Provinzen  des  römischen 
Reiches  noch  eutl'ernt  nicht  übersehen.  Hier  kann ,  wie  schon  gesagt, 
nur  die  genaue  topographische  Aufnahme  vielleicht  mit  der  Zeit  Licht 
geben.  Mir  kam  es  aber  darauf  an  hervorzuheben,  dass  ein  vicus 
MogotUiacum  bis  jetzt  wenigstens  nicht  bezeugt  ist  und  dafs  mir  daher 


4A 


Beiträge  zu  den  rönaUohen  Alt«rthümern  der  Rheinl&nde. 


platte  entstanden  zu  sein;  der  Obeliskenform  ist  nur  durch  rauhe 
Zurichtung  mit  dem  Hammer  oder  Steinschlägel  etwas  nachgeholfen 
worden.    Soweit  der  Fundbericht. 

Die  Inschrift,  in  klaren  und  guten  SchriftzOgen,   lautet,    wie  die 
Abbildung  zeigt: 

INTER 
TOVTONOS 
C 
A 
ö    H 


Der  Steinmetz,  welcher  sie  eingehauen  hat,  war  offenbar  kein 
ungeübter  Mann ;  er  hat  nur,  da  die  Schrift  der  Schmalheit  des  Steines 
wegen  in  der  zweiten  Zeile  fast  um  den  ganzen  Stein  herumläuft,  sein 
Lineal  nicht  recht  anwenden  können.  So  sind  die  vier  letzten  Buch- 
staben des  zweiten  Wortes  etwas  zu  grofs,  V  und  T  desselben  Wortes 
(da  er  wohl  erst  den  Raum  spaien  wollte),  zu  klein  ausgefallen ;  im 
übrigen  ist  die  Schrift  gleicbmäfsig.  Sie  kann  meines  Erachtens  recht 
wohl  noch  dem  ersten  Jahrhundert,  etwa  der  Zeit  Domitians,  angehören. 
Aber  ich  bin  durch  fortschreitemies  genaues  Beobachten  der  verschie- 
denen Schriftfornien  in  den  Inschriften  der  Kaiserzeit  sehr  vorsichtig 
geworden  in  Bezug  auf  Zeitbestiuimungcn  aus  der  Schrift.  Wenn  sich 
aus  irgend  welchen  Gründen  herausstellte,  dass  die  Inschrift  erst  in 
die  Zeit  des  Marc  Aurel  gehörte,  also  fast  hundert  Jahre  jünger  sei 
als  Domitian,  so  würde  ich  mich  nicht  allzusehr  wundern.  Aber  vor 
der  Hand  scheint  mir  der  ganze  Ductus  der  Schrift,  ihr  vorherrschend 
quadratischer  Charakter,  in  der  That  eher  auf  das  erste  Jahrhundert 
zu  weisen.  Die  Form  des  F  widerspricht  dem  keineswegs,  da  sie  über- 
haupt, wie  viele  rustikc  Schriftformen,  nicht  an  eine  bestimmte  Zeit 
gebunden  ist.  Auf  dem  Grenzstein  der  Karuker  ist  das  F  von  /W» 
ganz  ähnlich. 

Auf  der  Kückseite  des  Steins,  über  dem  N  von  Toirfonos,  finden 
sich  die  vier  Kerbeu  im  Stein,  welche  Fig.  3  unter  o  in  halber  natur- 
licher Gröfee  wiedergiebt.  Hr.  Conrady  lässt  es  unentschieden,  ob 
sie  blof^  eine  Geschirr-  und  Steinprobe  des  Steinmetzen  bilden,  oder 
ob  ihnen  eine  Bedeutung  beizulegen  sei.  Gegen  die  erste  Auffassung 
spräche  —  wenn  ich  Hrn.  Conrady  recht  verstehe —  ihre  verhältniss- 
miJ^ige  Zierlichkeit ;  gegen  die  zweite,  dass  sie  —  freilich  siemlich 
correct  iu  der  Mitte  —  auf  der  Rückseite  angebracht  sind.    Vielleicht 


Beiträge  za  den  römischen  Altertb&icern  der  Rlieialande. 

sind  es  Kerbraale  aus  germanischer  Zeit,  wie  sie  auch  der  Stein  der 
Karuker  zeigt. 

Für  die  Formulierung  der  loschrifteu  von  Grenzsteinen  (denn  dass 
wir  einen  solchen  vor  uns  haben  kann  ja  nicht  bezweifelt  werden)  ist 
im  allgemeinen  zweierlei  möglich  und  in  den  nicht  zahlreichen  erhal- 
tenen Beispielen  dieser  Dcnkmälerclasse  in  der  That  nachweislich. 
Das  eine  ist,  dass  ganz  kurz  der  Stein  selbst  (wie  auch  in  den  ältesten 
griechischen  Inschriften  der  Art  üblich  ist,  welche  sich  als  oqoi  be- 
zeichnen) fermimts  oder /iw/s  genannt  wird;  cippi,  lapides,  iermini  helC>cn 
die  GrenzsU'ine  wiederholt  in  den  schiedsrichterlichen  Urkunden  und 
in  auf  Grenzbestiramungei)  bezüglichen  anderen  Inschriften.  So  steht 
z.  R.  auf  dem  ."^chon  erwähnten  Grenzstein  der  Karuker  fitiis  pagi 
Carucum,  und  auf  dem  von  Cleve  fines  vici.  Oder  aber,  und  dies  ist 
das  gewöhnlichere,  nicht  blofs  das  zu  begrenzende  Gebiet  wird  auf  dem 
Stein  angegeben,  sondern  auch  das  angrenzende,  so  dass  die  Grenze 
zwischen  den  beiden  Gebieten  genau  bezeichnet  ist.  So  steht  schon 
auf  den  bekannten  alten  Grenzsteinen  zwischen  Ateste  einerseits  und 
Vicentia  und  Patavium  andererseits  Sex.  Aülhts  M.  f.  Saranus  pro  coa. 
(und  L.  CaeicUitts  Q.  f.  pro  coa.)  ex  senati  conaullo  inier  Atestinos  et 
Veicentinos  (oder  Pnfavhios)  finis  ierminosque  slatui  iiisit ').  Ebenso 
heifst  es  in  späterer  Zeit  auf  einer  luachrift  aus  dem  Castell  Museihha 
in  Syrien  finea  poaiti  inter  Caesarensea  ad  Libanum  ei  Gigartettos  de  vko 

Sidoniorum  iuam procuratoris  AngusCi^};    auf   einem    zu    Dium    in 

Macedonien  gefundenen  Stein  vom  Jahre  101  ex  auctorüaic  imperatoris 
Aufftisti  fines  derecti  inier  Dienscs  et  ÖlossOnioa  ex  conventiotie  ipsorum^)^ 
und  auf  dem  schon  von  Bergk  angeftihrten  Stein  aus  Coriniuiu  in 
Dalmatien  finis  inter  Nedifas  et  Corhmnsrs  deredus  u.  s.  w.  *).  Dem 
entsprechend  steht  ganz  kurz  auf  den  Grenzstcinrn  der  Weidetiächen 
der  vierten  Legion  im  nönilichcn  Hispanien  terminus  Augustalis  dividit 
prata  Icgionis  IUI  et  agrum  luliobrigensem  oder  Segisamonensem^), 

Danach  also  sollte  man  auf  einem  Cippus,  welcher  zu  solcher 
Grenzlinie  gehörte,  auch  erwarten,  dass  er  in  der  Fortmilierung  die 
beiden  aueinaudergrenzenden  Gebiete,  nicht  blofs  eines  derselben,  aus- 


1)  C.  I.  L.  I  547  -  549  =  V  2490  -  2492. 

2)  C.  I.  L.  III  183. 

3)  C.  I.  L.  III  594. 

4)  G.  1.  L.  III  2883. 

6)  C.  1.  L.  n  2916  and  Ephemeris  epigr.  IV  (1878)  S.  20  Nr.  27. 

4 


i» 


Beiträge  zu  den  römischeD  Alterthümern  der  Rbeiolaade. 


drücklich  angiebt,  also  nach  der  Formel  inter  hos  et  ülos  tenmnus  oder 
finis  posiius  oder  dergleichen.  Statt  dessen  finden  wir  auf  dem  Milten- 
berger Cippus  nur  inier  Toutotws  und  dann  unverständliche  Utterae  sin- 
guhtres.  Um  bei  diesen  zunächst  zu  bleiben,  so  sollte,  wer  sie  zu 
deuten  unternimmt,  nicht  vergessen,  dass  der  nüchterne  Sinn  der  Römer 
das  wohlüberlegte  System  der  Utterae  singulare^  nicht  erfunden  und 
ausjjebildet  hat,  um  denen,  für  deren  Gebrauch  es  bestimmt  war, 
Eäthsel  aufzugeben.  Die  Hm.  Courady  mitgetheilten  Deutungsver- 
sucbe  der  Herren  Jac.  Becker  (inter  Toutonos  Cattos  Arudes  Hasudes 
oder  Ildvetios  fines)  und  K.  Christ  (inter  Toutmos  [et  nos\  civitas 
oder  colonia  Äelia  Hadriana  finivit  oder  auch  colonia  Aurelia  oder 
Anioniniana  hie  finivit)  bedürfen  danach  keiner  Widerlegung*)  und 
eigentlich  ist  es  überhaupt  überHüssig  sich  den  Kopf  darüber  zu  zer- 
brechen, was  die  Buchstaben  wohl  bedeuten  könnten.  Denn  unzweifel- 
haft gab  es  einst  gleichsam  eine  Hauptgrcnzinscbrift,  an  geeignetem 
Orte,  auf  welche  sich  dieser  einzelne  Grenzstein  wie  viele  andere  gleich- 
artige zurückbezog;  nur  nach  vorausgegangener  Kenntniss  jener  Haupt- 
inschrift, welche  uns  fehlt,  konnten  die,  die  es  anging,  auch  die  ein- 
zelnen Buchstaben  der  Nebeninschriften  verstehen.  Will  man  einen 
Versuch  hören,  wie  beispielsweise  solche  Buchstaben  gemeint  sein 
könnten,  wofern  sie  nicht,  wie  das  A  auf  dem  Grenzstein  der  Karuker 
nach  Bergks  richtiger  Bemerkung  nur  einen  Zahlwerth  haben,  so 
wäre  etwas  wie  c(ippusj  a(grum)  H... .  {illorum,  darin  könnte  allen- 
falls ein  zweiter  Gauname  stecken)  fCinit)  oder  dergleichen  wenigstens 
möglich. 

Dies  führt  gleich  auf  die  Hauptschwierigkeit,  welche,  wie  Becker 


1)  Hr,  ChriaC.  bat  bei  aeitier  Deutung  ein  InBchriiUragment  im  Sinne, 
welches  jüngst  bei  Miltenberg  zum  Vorschein  gekommen  und  von  Herrn  Con- 
rady  bei  Gelegenheit  der  Deaprecbung  des  Toutonensteinea  ebenfalls  mitgetbeilt 
wird-     Ea  lautet  so: 

SEXPRO 

RIENSIIN 

COLONIAE 

ASE  PRAEFEC 

Wie  viel  dem  Stein  oben  und  links  fehlt,  ist  niclit  zu  errathen,  und  daher 
»ind  alle  Deutqngsvorsuche  unsicher.  Allein  das  Wort  coloniae  kann  in  eehr 
mannigfaltigen  Beziebungen  zur  Verwendung  gekommen  Bein  und  braucht  tioh 
keineswegs  auf  den  Fundort  zu  beziehen. 


Beiträ.g'e  zu  den  rötnischen  Alterthümerii  der  Rbeinlaude. 


51 


und  Christ  wohl  gelfühlt  haben,  in  dem  Fehlen  des  zweiten  Nachbarn 
liegt,  zwischen  dein  und  den  Toutonen  die  Grenze  ging.  Dem  stehenden 
Gebrauche  nach  hätte  dieser  zweite  Name  durch  ein  verhiiKlendes'oder 
vielmehr  trennendes  d  angeknüpft  werden  müssen,  wenn  man  nicht, 
wie  ich  versuchsweise  gethan,  die  beiden  vorhin  bezeichneten  Formu- 
lierungen der  Grenzsteine  hier  als  gleichsam  mit  einander  verbunden 
annimmt.  Doch  das  bleibt  alles,  wie  gesagt,  gänzlich  unsicher,  bis 
das  gute  Glück  uns  den  Schlüssel  der  Deutung  einmal  in  ilie  Ilämle  giebt. 

Sicher  dagegen  und  von  grofsem  Interesse  ist  die  Bezeugung 
eines  Gaues  der  Toutonen  in  diesem  nördlichsten  Zipfel  (ies  Decumaten- 
landea  zwisclien  Main  und  Rhein.  Wie  ein  Blick  auf  die  Limeskarte 
im  letzten  Heft  dieser  Jahrbücher  (LXIII  Taf.  II)  lehrt,  liegt  dies 
Gebiet  gerade  zwischen  der  sogenannten  Mümlingslinie  im  Odenwald 
und  dem  Umes  zwischen  Walttlürn  und  Freudenberg.  Dort  rauss  also 
vielleicht  in  Folge  der  Occupation  in  domitianischer  Zeit,  oder  vielleicht 
auch  erst  ein  Jahrhundert  später,  der  ager  provincialis  von  den 
römischen  Vermessungsbeamten  vermessen  und  zwischen  den  einzelnen 
Gauen  abgesteckt  worden  sein.  So  hat  nach  einer  bekannten  Inschrift 
von  Faucigny  ex  auctoritale  imp.  Caes.  Vespasiani  Aug.  potUificis  max. 
trib.  poL  F  cos.  V  desig.  VI  (das  ist  im  Jahre  74)  Cn.  Pinarüis  Cornelius 
Clemens,  legattis  eius  pro  praetore  exerdtus  Germanici  superioris^)^  die 
Grenzen  väer  Viemtenses  et  Ccntronas  terminiert-).  DieThatsache  wirft 
ein  neues  Licht  auf  den  Zustand  jener  Gegenden  unter  der  römischen 
Herrschaft  und  verdient  nach  allen  Seiten  hin  erwogen  zu  werden. 

Und  nun  zuletzt  noch  die  wichtigste  Frage,  wer  waren  die  ToxUonil 
Ohne  Zweifel,  wie  auch  die  Herren  Conrady,  Becker  und  Christ 
einsahen,  ist  die  Form  des  Namens  identisch  mit  dem  berühmten 
unserer  Stammväter,  der  Teiüones.  Der  Wechsel  der  Diphthonge  cu 
und  ou,  wie  bei  dem  Mars  Teutafes  und  Toutales,  steht  durch  zahl- 
reiche Beispiele  besonders  im  Altkeltischen  fest,  und  die  heteroclitische 
Flexion  in  -ones  und  -oni  ist  bei  den  alten  keltischen  Völkernamen 
fast  solenn  zu  nennen.  Aber  selbst  der  JfercMriHs  Cvm^nViHws  in  Milten- 
berg') wird  uns  nicht  verführen  dürfen,  die  ürsitze  der  Cimbern   und 


1)  Diese  Bezeichnung  ist  einer  von  den  urkundlichen  Beweisen  dafür,  daaa 
M  dumals  eine  provincia  Germania  superior  noch  nicht  gab. 

2)  Wilmanns  exempJa  Nr.  867. 

3)  Brambaob   Nr.    1739   nach    Hrn.   Chriit's    Lesung   am   oben  ange- 
fahrten Orte  Jahrb.  52  (1872)  S.  75. 


62 


Beitr&ge  zu  den  rdmisoben  AlterthütnerD  der  Rheiolacd«. 


Toutonen  im  Odenwald  zu  suchen  oder  versprengte  Reste  derselben 
als  dort  zurückgeblieben  auzunelimen.  Sehr  wolil  aber  kaun  der  alte 
Name  in  jüngerer  Form  nls  Name  eines  besonderen  Volk?stjimmes  und 
Gaues  sich  erhalten  oder  ganz  unabhängig  von  jenem  vorgefunden 
haben.  Professor  Mttllenhoff,  der  erste  Kenner  des  germanischen 
Alterthums  unter  den  jetzt  lebenden,  macht  mich  darauf  aufmerksam, 
dass  Ptolemaeos  (II  11,  22)  unter  den  Völkern  am  Abnoba  die  Tiw(/uivoi 
nennt.  Auf  die  geographische  Ansctzung  ist  bei  den  durch  einander 
geschobenen  Karten,  welche  Ptolemaeos  benutzte,  nicht  viel  zu  geben; 
die  Gegend  ara  Odenwald  ist  freilich  fern  von  den  von  ihm  bezeichneten 
Breiten.  Bei  den  lateinischen  Schriftstellern  (wie  in  den  lateinischen 
Inschriften)  herrscht,  wie  mich  Müllenhoff  belehrt,  die  Form  Teutoni 
fast  ausnabmslofs;  bei  den  griechischen  findet  sich  ausschliefslich 
Teutot}^\  Ptolemaeos  mag  also  hier  einer  lateinischen  Quelle  gefolgt 
sein.  Denn  es  hat  nicht  das  geringste  Bedenken,  die  überlieferte 
Form  in  Tovuovoi  zu  ändert).  Dann  hätten  wir  fiir  die  sprachlich 
den  Tculones  gleichen,  sachlich  durch  Jahrhunderte  von  ihnen  ge- 
trennten Tmtmi  doch  ein,  wenn  auch  unsicheres,  antikes  Schnft- 
stellerzeugniss.  Auch  diese  Hindeutiing  beansprucht  aber  nur  als  eine 
vorläufige  angesehen  zu  werden. 

Nach  den  von  Hrn.  Conrady  erwähnten  Zeugnissen  giebt  oder 
gab  es  in  jenen  Gegenden  zahlreiche  Hoidensteine,  welche  unter 
den  Namen  Spindel-,  Hinkel-,  Gollensteine  und  anderen  bekannt 
sindO;  sie  sollen  in  der  äufseren  Form  dem  Toutonenstein  mehrfach 
gleichen.  Möchten  geduldige  Wanderer  sie  aufsuchen,  wo  sie  noch  zu 
finden  sind,  und  wenden  und  kehren.  Vielleicht  kündet  der  eine  oder 
andere  noch  mehr  von  den  Toutonen  und  den  ihnen  benachbarten 
verschollenen  Gauen, 

Berlin.  E.  Hübner. 


1)    Daxu    Jacol)    Grimm,    deutsche    Grenzalterthümer  (1843),    kleiner« 
Schriften  3  S.  42. 


Der  keltische  Gott  Merdos  aod  der  arische  Mitbras. 


63 


5.    Der  keltische  Gott  Merdos  und   der  arische  Mithras. 

Ein  Beitrag  zur  vergleichenden  iMythologie. 

Während  der  sprachhistorische  Weg,  welcher  die  Resultate  der 
vergleichenden  Sprachforschung  uüd  Mythologie  auf  die  aus  der  Kenntüiss 
der  Inschriften  gewonnenen  keltischen  wie  germanischen  Orts-,  Personen- 
uöd  Götternainen  in  Anwendung  bringen  will,  nicht  allein  ein  höchstes 
Hngui>itisclies,  sondern  be>onders  auch  ein  geographisches  und  ethno- 
logisches Interesse  darbietet,  sehen  wir  dennoch,  dass  dieser  Versuch  die 
historische  Sprachwissenschaft  für  das  Gebiet  unserer  antiquarisch- 
geschichtlichen  Zeitschriften  nutzbar  zu  macheu,  nur  äusseret  wenig 
gemacht  wird. 

Schlagen  wir  dagegen  irgend  eine  beliebige  franzüsische  Zeitschrift 
gleicher  Richtung  auf,  so  müssen  wir  mit  Beschämung  constatiren, 
dass  fast  jede  Nuuimer  derlei  linguistisch-antiquarische  Untersuchungen, 
wie  die  Erklärung  geugraphischer  und  anderer  jSamen  cnthillt.  Ohne 
an  das  eigentliche  Fachblatt,  die  berühmte  von  Gaidoz  und  andern 
Linguisten  herausgegebene  Revue  Celtique  zu  erinnern,  braucht  man 
in  dieser  Hinsicht  blos  die  nicht  minder  bekannte  Revue  Archöologique 
zu  nenueu,  worin  namentlich  d'Arbois  de  Jubainville  seine  scharf- 
sinnigen, den  keltischen  Sprachkreis  umfassenden  Forschungen  niederlegt. 

Was  nun  speciell  die  rheinischen  Jahrbücher  betrifft,  die  beson- 
ders geeignet  erscheinen  die  französischen  und  deutschen  Studien  auf 
diesem  Gebiet  mit  einaudcr  in  Einklang  zu  setzen,  so  war  es  bis  jetzt 
vorzugsweise  nur  der  unermüdliche  J.  Becker  in  Frankfurt  a.  M., 
welcher  hier  in  diesem  Sinne  wirkte. 

Seine  Beiträge  zur  keltischen  Mythologie  gehören  überhaupt  zum 
Besten,  was  die  Jahrbücher  schon  geliefert  haben.  Aber  nicht  allein 
in  ihnen,  sondern  auch  in  einem  deutschen  Fachbkttc,  in  „Kuhü'a 
spraehvergleichenden  Beiträgen"  hat  derselbe  seine  Untersochungeu  über 
„die  inschriftlichcu  Ueberreste   der  keltischen  Sprache"    verOtTentHcht. 

Verschiedenes  davon  gehört  nun  auch  dem  Gebiete  der  rhei- 
nischen Epigraphik  an  und  ist  es  daher  selbstverständlich,  wenn  wir 
eine  der  von  Becker  besprochenen  keltischen  Inschriften  oberrhei- 
nischen Fundortes  hier  betrachten  und  unsere  abweichende  Ansicht 
mittheilen. 

Wir  meinen  oämlich   den  in  den  genannten  Beiträgen   Band  IV 


64 


Dar  kelti«che  Gott  Merdo«  uitd  der  u-iache  MithrM. 


8.  105  f.  besprochenen  Votivaltar  aus  dem  Hagenauer  Forst  im  Elsass, 
der  im  Jahr  1820  am  Ufer  der  Moder  (der  altkeltischen  Matra»))  ge- 
funden wurde,  leider  aber  mit  der  Strassburger  Bibliothek  zu  Grunde 
ging  —  ein  mahnendes  Beispiel ,  dass  die  üeberbringung  von  Alter- 
thrimwrn  in  grössere  Sammlungen  nicht  immer  im  Interesse  ihrer 
I'lrhultiitig  ist. 

Ivine  Prüfung  der  Inschrift  ist  daher  zwar  leider  nicht  mehr 
möglich,  wir  sind  derselben  aber  insofern  enthoben,  als  Brambach 
dit'sellic  ^lUckliclier  Weise  noch  vor  Thorschluss  verglichen  und  hier- 
nacli  in  seinem  rheinischen  Inschriftenwerke  Nr.  1902  mitgetheilt  hat 
Kiri  neuer  vollständiger  Abdruck  ist  also  ilberöüs^ig  und  es  wäre  höch- 
stt'us  nocli  in  Bezug  auf  die  Literatur  der  Inschrift  vorauszuschicken, 
duss  der  c>rtjte  Herausgeber  derselben,  Schweighäuser,  dieselbe  auch 
in  seinem  gedruckten  j,Cas-Rhin"  p-  151  gab,  einem  kleinen  Aaszug 
aus  seinem  wahrscheinlich  ebenfalls  zu  Grunde  gegangenen  Manuscripte, 
welche«  Brambach  noch  verglichen  hat.  Was  nun  die  bildliche  Dar- 
stelhing,  womit  der  Stein  geziert  ist,  betrifit,  so  erscheint  darauf  die 
Figur  eines  nackten  Mannes,  welcher  in  der  einen  Hand  einen  Speer 
hliU  und  mit  der  lunieru  einen  Stier  zwischen  den  Hörnern  anfassU 
Ausserdem  sull  derselbe  eine  phrygische  Mütze  auf  dem  Kopfe  gehabt 
haben  und  sich  dadurch  hauptsächlich  als  Mithras  beurkunden. 

Wenn  wir  nun  aber  auch  zugestehen  wollen,  dass  ein  üeber- 
fliesscn  des  allgemein  verbreiteten  orientalisch-mithrischen  Colts  in 
denjenigen,  der  auf  unserem  Steine  repräsentirt  ist,  stattgefunden  hat,  so 
m«)c.htcn  wir  andererseits  doch  wieder  die  ursprüngliche  Selbstständigkeit 
des  letzteren  bei  den  Kelten  behaupten.  Doch  ehe  wir  dies  aosfahroi, 
ist  es  vor  .\Ilem  nöthig,  die  Widmung  auf  der  über  dem  Bilde  befind« 
hohen  Aufschrift  zu  betrachten,  aus  welcher  im  Vereine  mit  dem  Bild- 
werke, nach  der  bisherigen  Auflfassung  unverkennbar  hervorgehen  soll, 
dass  wir  es  hier  mit  dem  römisch-orientalü^cheu  Mithras  zu  thon  haben. 

Dieselbe  lautet  nämlich  0  .NEÖRV«  mit  R  im  D,  was  J.  Becker  zu 
deo  Modra  auflöste,  einem  regelmässigen  echt  keltischen  Dative  auf  V, 
deren  er  mehrere  nachweist.  Der  Nominativ  hierzu  würde  Metlros  lauten 
und  dies  wftre  nun  die  Keltisirung  für  den  lateinisch-arischen  Mithras.  Die 
«(geotlich  keltisirte  Form  für  diesen  letztem  müsste  nun  aber  an  Stelle 
des  «spirirtcn  TH  ein  keitäadm,  diesem   entsprediendes  B  enthaltea 


I)  Vom  Komb  «mm  FIumw  labe  iok  in  den  Bobmt  JakrUelHn  LUD 
8.  TT  jii^iiinii  dar  fcahiwhaa  Utiiemmtnn  bergvleitel,  ik  darer,  di*  aillm 
VM  nfe  Ittli'a 


Der  keltiacbe  Gott  Merdos  und  der  arisohe  Mithras. 


66 


(vgl.  über  diesen  Laut  die  Bonner  Jahrbücher  LXIII,  77)  wie 
Becker  selbst  mit  Recht  hervorbebt;  eio  selch  gestrichenes  D  findet 
sich  aber  auf  unserem  Steine  nicht,  wie  durch  Brauibach's  Ver- 
gleicliung  constatirt  ist.  Auch  war  hierzu  gar  kein  Raum  vorhanden, 
da  man  in  das  D  ein  kleineres  R  hineinschricb.  Wäre  aber  wirklich  ein 
B  beabsichtigt  gewesen,  dann  hätte  man  sicher  diese  Ligatur  nicht 
in  Anwendung  gebracht,  sondern  hätte  einfach  MEBRV  geschrieben, 
bei  Raummangel  etwa  mit  kleinerem  V. 

In  Berücksichtigung  dieser  Umstände  löse  ich  nun  in  umge- 
kehrter Folge  den  Namen  des  Gottes  auf  in  MERDV  und  glaube  die 
Richtigkeit  dieser  Lesung  bestätigen  zu  können  durch  das  von  mir  in 
diesen  Jahrbüchern  Heft  XLIX,  S.  105  ;  L,  196  und  LH,  171  wiederholt 
behandelte  Merkurs- Altürchen  vom  Staufenberg  bei  Baden-Baden,  das  ich 
unlängst  wieder  einer  erneuten  Prüfung  unterwarf.  Dort  erscheint  näm- 
lich die  Widmung  „deo  Mercur.  Merdu",   wofür  ich  fi'üher  Merdi  las. 

Der  fragliche  letzte  Buchstabe  des  keltischen  Beinamens  Merkurs 
ist  ein  umgedrehtes,  d.  h.  retrogrades  D,  das  aber  oben  ein  wenig  offen 
gelassen  ist,  um  hierdurch  anzudeuten,  dass  es  mit  einem  V  ligirt  sei. 

Dass  hier  eine  Ligatur  mit  V  vofliege,  hatte  allerdings  schon 
Fröhner  richtig  erkannt,  er  hatte  aber  die  Stellung  des  zweiten 
Schenkels  als  zu  geneigt  angegeben,  wälirend  derselbe  wie  ein  über 
die  Linie  hervorragendes  fast  gerades  I  aussieht.  Auch  war  er  der 
Meinung,  das  V  sei  mit  einem  vorausgehenden  C  ligirt,  statt  wie  es  der 
Fall  ist,  mit  einem  nach  rückwärts  gewandten  D ').  Es  mag  nun  zur 
Veranschaulichung  dieser  etwas  ungewöhnlichen  Buchstaben-Verbindung 
QV  die  Inschrift  nach  meiner  neuesten  Besichtigung  auf  dem  Staufen- 
berge  folgen: 

IN  HO-6* 
DEO  f^ER 

(va)isPRVSoI 


In  h(onorem)  d(omus)  d(ivinae)  deo  Mercur(io)  Merdu  ValCcrius) 
Pruso...  Wir  haben  also  zu  Baden  ganz  denselben  Gott  wie  zu 
Hagenau.    Der   keltische  Nominativ   hierzu   würde  MERDOS  lauten, 


1)  Ein  Bolch'  umgedrehtes  D  befindet  sich  scheinfs  auch  auf  einer  Insobrift 
des  Bonner  Museums,  wenigstens  nach  Hettners  Katalog  Nr.  43.  Vielleicht 
lautet  der  betreffende  Name  mit  AuFlösuDg  der  Ligaturen  AserieduxB,  indem  eine 
Verschärfung  des  X  durch  S  inechriftUoh  öfters  vorkommt,  z.  B.  in  EXS. 


Der  keltisobe  Gott  Merdoa  und  der  arische  Mithraa. 


wohl  ohne  gestrichenes,  aspirirtes  D  (B),  da  ein  solches  entschieden 
nicht  auf  dem  Badener  Aitärcben  vorliegt. 

Hiermit  ist  nun  aber  freilich  nicht  ausgeschlossen,  dass  der  römische 
Steinmetz  den  Strich  einfach  weggelassen  hat,  wie  in  vielen  Fällen, 
um  dem  Namen  dadurch  sein  allzu  fremdes  Gewand  zu  benehmen. 

Diese  Möglichkeit  habe  ich  zwar  schon  in  den  Jahrbüchern  LH, 
172  in  Erwägung  gezogen,  allein  es  kommt  hier  noch  eine  weitere 
Instanz  hinzu,  die  dafür  zu  sprechen  scheint,  dass  man  als  eigentliche 
ursprüugliclieForm  MERBOS  =MERTHOS  mit  der  Aspirata  (resp. Spirans) 
statt  des  inschriftlich  bezeugten  /WERDOS  mit  der  einfachen  media  D 
anzusetzen  habe.  Es  ist  dies  nämlich  auf  einer  niederrheinischen  In- 
schrift ein  Mars  HALAANARÖ  (Brambach  Nr.  2028),  der  desselben 
Stammes  wie  unser  Mcrdos  zu  sein  scheint. 

Allein  der  Umstand,  dass  das  Eundgebiet  Holland,  welchem  jene 
Inschrift  angehört,  eher  auf  germanischen  Ursprung  des  bezeichneten 
Beinamen  von  Mars  hindeutet,  lässt  die  Vergleichung  wieder  zweifel- 
haft erscheioen. 

Der  im  oberrheinischen  Keltenlande  verehrte  Merdos  ist  dagegen 
sicher  keltisch,  üeber  die  Etymologie  seines  Namens  habe  ich  aller- 
dings schon  früher  in  diesen  Jahrbüchern  verschiedene  Vermuthungen 
aufgestellt,  allein  die  Frage  muss  heutigen  Tages  einer  erneuten  Prüfung 
unterzogen  werden,  die  indessen  hier  vorläufig   nicht  stattfinden  soll. 

Nur  soviel  mag  erwähnt  sein,  dass  der  früher  von  mir  andeutungs- 
weise gemachte  Versuch  das  kynirische  Wort  merth  „Erschöpfung' 
mit  unsermGötternamen  zu  vergleichen,  ganz  aufgegeben  werden  muss, 
da  Zeuss  und  Ebel  in  der  gramni.  celt*  p.  61,  135  — 6,  140,  506, 
795  —  6,  1052  und  ganz  neuerdings  hiernach  auch  H.  Zimmer  in 
Kuhn's Zeitschrift  f.  vergl.  Sprachforsthung  Band  XXIV,  210  nachgewiesen 
haben,  dass  jenes  Wort,  resp.  neukymrisch  merytld  auf  altkymrisch 
meryid,  als  Substantiv  „dehilitas"  als  Adjektiv  „flaccidus"  (als  Verbal- 
staram „flaccesco,  evanesco")  zurückgeht,  rcsp.  auf  eine  allgemein 
arische  Wurzel  mark  , aufreiben,  versehren,  verkümracni"  über  welche 
Fick  Vergl.  Wh.»  I  174  und  720,  Vanicek  griech.-lat.  etymol. 
Wb.  709  handeln.  Derselbe  Stamm  ist  nach  Zimmer  auch  im  alt- 
irischen  merc  „ruga"  zu  belegen,  was  Alles  gänzlich  von  unserra 
Merdos  absteht,  Hiernach  ist  auch  Di^fcnbach's  Versuch  in  seinem 
gothischen  Wörterbuche  H  p.  46  zurückzuweisen,  welcher  die  genannten 
neukymrischen  Wörter  auf  einen  Stamm  mer-  zurückführt. 

Oh  wir  aber  nun  mit  unserm  Merdos  vielleicht  das  bretonische 
Wort  merdeat   „nauta"    (gr,  celt.'  284  und  839)   vergleichen  dürfen, 


Der  keltische  Gott  Merdos  und  der  arische  Mithras. 


67 


muss  dahin  gestellt  bleiben.  Dagegen  scheint  der  von  Qiiicherat  'les 
noms  de  lieu'  erwähnte  gallische  Ortsnamen  Merdacus  mittelst  des 
häufig  patronymischen  Suffixes  -Ileus  von  Merdos  abgeleitet  zu  sein. 

Welche  Gottheit  nun  aber  dieser  Merdos  selbst  war,  darüber 
lassen  sich  natürlich  vorerst  blos  Vermuthuugen  aufstellen.  Dass  er 
anf  dem  Badener  Steine  mit  dem  römischen  Merkur  identificirt  erscheint, 
I  besagt  nicht  viel,  denn  dasselbe  vs'ar  bei  den  meisten  keltischen  Gott- 
heiten der  Fall.  Ein  auf  diesem  Altärchen  jetzt  aufgestelltes  Relief 
des  Merkurs  gehört  nicht  unmittelbar  dazu,  wenn  es  auch  an  gleicher 
Stelle  gefunden  worden  ist.  Ausserdem  zeigt  dasselbe  nur  die  gewöhn- 
liehen römischen  Attribute  Merkurs:  Schlangenstab  und  Beutel  (vergl. 
Frühner  Catalog  der  Karlsruher  Sammlung  Nr.  89  und  Bonner  Jahr- 
bücher H.  49  S.  104).  Maassgebend  kann  also  für  uns  einzig  die  Dar- 
stellung des  auf  so  klägliche  Weise  vernichteten  Hagenauer  Steines 
sein.  Vor  Allem  wird  es  in  dieser  Hinsicht  unser  Restreben  sein 
müssen,  eine  ähnliche  Darstellung  auf  andern  Monumenten  zur  Ver- 
gleichung  herbeizuziehen.  Eine  solche  bietet  sich  nun  aber  auf  einem 
Mannheimer  mithrischen  Relief  dar  (Hang  „die  römischen  Denksteine 
zu  Mannheim"  Nr.  6,  mit  Nachtrag),  welches  am  Ausführlichsten  und 
Besten  von  B.  Stark  beschrieben  und  in  diesen  Jahrbüchern  Heft  46, 
Tafel  IV,  I  zu  S.  23—24  auch  abgebildet  worden  ist  auf  Grundlage 
einer  (übrigens  nicht  ganz  correkten)  Zeichnung  eines  Heidelberger 
Künstlers. 

Die  Hauptdarstellung  auf  dem  obern  Tlieil  des  Steines  zeigt  nun 
zwei  Personen,  deren  eine  die  gewöhnliche  mithrische  ist:  ein  Jüngling, 
der  mit  dem  linken  Bein  auf  dem  Rücken  eines  zusammensinkenden 
Stieres  kniet,  mit  der  Linken  ihn  am  Hörn  fasst  und  mit  einem 
Schlachtmesser  in  der  Rechten  zum  Todesst osse  ausholt.  Dies  i-st 
ohne  Zweifel  der  persische  Mithras  selbst.  Hinter  demselben  erscheint 
nun  aber  eine  zweite  Hauptfigur,  die  sich  <'benfalls  ara  Stieropfer 
betheiligt,  aber  nicht  als  blosser  Gehilfe,  sondern  otl'onbar  mit  gleicher 
Hervorhebung  behandelt  ist.  Diese  Gestalt  steht  nun  aufrecht  auf 
einem  ornamentfrten  Postamente,  während  sie  narh  der  erwähnten 
Zeichnung  irrthümlich  darüber  zu  schweben  scheint.  Auch  erhebt  sie 
mit  der  Rechten  kein  so  sehr  gebogenes  Instrument,  wie  es  abgebildet 
ist,  sondern  schwingt  nach  meiner  eingehenden  wiederholten  Besieh-. 
tigung  des  Steines  ein  nur  leicht  gebogenes  Schlachtmesser,  während 
die  Linke  den  aufgerichteten  Schweif  des  Stieres  hält.  Was  aber  be- 
sonders charakteristisch  erscheint,  ist  der  hinter  dieser  Gestalt  in 
entgegengesetzter  Richtung  wie  der  Stier  sich  bewegende  Eber.  Sonst 


Der  keltische  Gatt  Merdos  and  der  arische  Mitbraa. 


sind  diese  beiden  raännlichen  Hauptgestalten  ganz  übereinstimmend 
gebildet:  beide  nackt  mit  Üiegendem  Mantel,  das  Schlachtmesser  in 
der  Rechten  und  mit  der  Linken  den  Stier  erfassend.  Der  Eine  er- 
scheint aber  mehr  als  ausführender  Theil,  tiämlich  der  knieeude  Mithras, 
der  andere  Aufrechtstehende  mehr  als  der  das  Opfer  anordnende,  wess- 
halb  Stark  diesen  zuletzt  auch  als  die  im  Cult  verehrte  Hauptgestalt 
aufifasst.  Bei  Beiden  liegt  aber  wie  gesagt  dasselbe  Motiv  vor,  das  der 
Stiertchltung.  Uns  interessirt  hier  nun  vorzugsweise  diese  letztere  Haupte 
gestalt,  weil  sie  mit  dem  Hagenauer  Bildwerke  Aehnlichkeit  hat.  Es  darf 
nämlich  wohl  die  Frage  erhoben  werden,  ob  nicht  auf  diesem  dieselbe 
national-keltische  Gottheit  vorliegt  wie  zu  Mannheim,  nämlich  die 
keltische  Gestaltung  des  arischen  Mithras.  In  dieser  Hinsicht  können 
aber  zwei  verschiedene  Möglichkeiten  angenommen  werden. 

1)  Entweder  war  Merdos  ein  bloses  Fremdwort  im  weiteren  Sinne, 
wie  ja  auch  das  griechische  und  lateinische  Mithras  einfach  dem  Per- 
sischen entnommen  ist.  Während  nun  aber  die  beiden  klassischen 
Sprachen  das  fremde  Wort  nicht  verändert  haben,  sehen  wir  dasselbe 
im  Keltischen  vollkommen  umgestaltet,  wie  es  bei  eigentlichen  Lehn- 
wörtern öfters  der  Fall  zu  sein  scheint,  die  in  einer  früheren  Epoche 
aus  einer  fremden  Sprache  aufgenommen,  meistens  nicht  mehr  als 
fremd  empfunden  wurden. 

Ein  solcher  älterer  fremder  Bestandtheil ,  der  schon  wie  ein  ein- 
heimisches, acht  keltisches  Wort  behandelt  worden  wäre,  kann  nun  aber 
Merdos  nicht  wohl  sein,  da  die  Gallier  erst  durch  die  römischen  Sol- 
daten mit  dem  Mithrasdienst  des  Orients  bekannt  wurden.  Wenn  nun 
aber  Merdos  kein  eigentliches  Lehnwort,  sondern  blos  ein  Fremdwort 
im  engern  Sinne  war,  d.  h.  ein  von  den  Galliern  neu  aufgenommenes, 
noch  nicht  akklimatisirtes,  dann  ist  niclit  abzusehen,  warum  sie  dasselbe 
so  durchaus  umgestaltet  haben  sollten,  da  sie  es  doch  noch  als  fremd 
empfunden  haben  mussten. 

2)  Der  keltische  Merdos  (oder  Merthos?)  scheint  daher  ein  ein- 
heimisches Wort  zu  sein,  d.  h.  urverwandt  mit  Mithras,  in  der  Weise, 
wie  ja  überhaupt  alle  arisch-europäischen  Sprachen  Urverwandtschaft 
miteinander  aufweisen.  Hiernach  würde  sich  diese  Form  aus  dem 
ursprünglichen  arischen  Mithras  durch  Umstellung  der  Consonanten 
entwickelt  haben,  wie  eine  solche  in  vielen  Fallen  bei  R  nachzu- 
weisen ist. 

Die  einzigen  Sprachen,  in  welchen  nun  aber  Mithras  bis  jetzt  als 
original  nachgewiesen  werden  konnte,  sind  die  spcciell  asiatisch-arischen, 
altindisch  und   eranisch.    Ueber  seine  Bedeutung  ist  jetzt  vor  allem 


Der  keltische  Gott  Merdos  und  der  arische  Mithras. 


69 


Hillebraodt's  ;,Varuna  und  Mitra"  (Breslau  1877)  nachzulesen. 
Diese  beiden  sind  vedische  männliche  Himmels-Gottheitcn :  Vdruna  ist 
der  Schöpfer  und  Umfasser  des  Wettalls,  die  Personificiruug  des  Raumes, 
der  griechische  Himmelsgott  üranos.  Später  wird  Vdrunn  auch  Gott 
der  Gewässer  (vergl.   Fick  Vergl.  \Vb.  *  I,  212  und  Vanicek  895). 

Mitra  —  dies  ist  die  Sanskritform  —  ist  die  Personiticirung  aller 
wohlthätigen  Eigenschaften  der  Sonne,  kann  aber  nacli  Hillebrandt 
nicht  mit  der  Sonne  selbst  identificirt  werden,  oder  ausschliesslich  mit 
ihrem  Lichte. 

Altpersisch  heisst  derselbe  Mithra,  welcher  im  Avesta  der  Zoro- 
astrianer  beschrieben  wird  als  Engel,  erzeugt  durch  Ahura-Mazda, 
dem  so  viel  Ehre  zu  bezeugen  ist,  wie  seinem  Herrn  selbst. 

Die  Etymologie  von  Mithra  macht  dies  klar;  denn  die  Bedeutung 
von  arischer  Sonnengottheit  ist  nicht  die  ursprüngliche;  im  Zend  be- 
deutet das  Wort  nämlich  eigentlich  so  viel  wie  „Freund,  Gesell,  Ver- 
trag"; ebenso  im  Sanskrit  niitra  (das  die  ursprüngliche  Form  mit 
einfacher  tenuis  T  bewahrt  hat)  und  ist  zu  arisch  mith  „sich  gesellen, 
verkehren f  tauschen,  wechseln"  zu  stellen,  das  sich  wieder  aus  einer 
Wurzel  MI  entwickelt  hat.  Hierzu  gehört  auch  lateiQ.  mitis  „freund- 
lich, mild"  (Fick  I,  176—177;  396—397;  II,  190). 

Von  Mithra  abgeleitet  ist  der  Name  des  Königs  von  Pontus  am 
schwarzen  Meer,  Mithridates.  — 

Wie  nun  der  keltische  Merdos,  resp.  Merthoa  (MERDOS)  die  kel- 
tische Form  des  arischen  Mitra  (Mithra)  sein  könnte,  so  würde  dann 
auch  der  oben  genannte  wahrscheinlich  germanische  Mars  HALAMAR&(us) 
der  deutsche  Vertreter  desselben  arisclicn  Gottes  sein.  Der  erste  Theil 
des  Wortes  ist  nämlich  wahrscheinlich  die  germanische  (übrigens  auch 
keltische)  verstärkende  Partikel  ALA  (alla-)  „all,  ganz,  völlig"  (Fick  I, 
499;  III,  26);  denn  in  Fällen,  wo  wirkliches  germanisches  anlautendes 
H  ausgedrückt  werden  sollte,  schrieben  die  Römer  meistens  Ch,  z.  B. 
im  Namen  Chatti,  unserem  heutigen  Hessen.    (Jahrb.  LXIII,  157  Anm.) 

Man  wird  also  einen  etwaigen  Bezug  auf  altgermanische  Worte, 
wie  hala  ,Mann,  Held"  oder  halja  „Hölle,  UnterwelL^göttin"  (Fick  III 
69)  besser  unberücksichtigt  lassen.  Was  aber  den  zweiten  Theil  dieses 
Namens  betrifft,  MARD(us)  —  Marthus,  so  könnte  man  denselben  aller- 
dings aus  dem  Altgermanischen  allein  erklären,  wo  das  neutrum  mortba 
„Mord"  naheliegt,  welches  der  Lautverschiebung  zu  Folge  dem  latei- 
nischen Stamme  mort-  und  einem  indoeuropäischen  marta  „der  Tod" 
entspricht  (Fick  I,  172,  716;  lU,  233). 

Die  ZusamraensteLung  dieses  Gottes  mit  dem  römischen  Kriegs- 


60 


Der  keltische  Gott  Merdos  und  der  arische  MithrM. 


gotte  Mars  ist  jedenfalls  charakteristisch.  Vielleicht  gab  aber  auch 
die  Naniensiüinlichkeit  Anlass  dazu,  die  aber  trügerisch  ist,  denn  Mars 
ist  wohl  zur  Wurzel  MAR  ,, leuchten'*  zu  stellen  (Vanicek  715). 

liasseu  wir  nun  aber  diesen  Bezug  des  Mars  llalamarthus  auf 
das  nltji;criiiaiiische  inortha  gi\nz  bei  Seite  und  betrachten  ihn  vielmehr 
unter  Annahme  einer  deutschen  Urform  Ala-martha  (masc.)  als  ger- 
nmnisdicn  Rcpräsentftnteii  des  arischen  Mithras,  wie  Merdos  fMerthos) 
als  keltischen,  dann  /.eint  sich  auf  dem  Mannheimer  Relief  eine  merk- 
würdige \'erniischung  des  durch  die  Römer  eingeführten  Mitbrascultus 
mit  demjenigen  der  eutsprechenden  einheimischen,  kelto-germanischen 
Gottheit. 

Nun  erhält  auch  der  dem  betreffenden  (von  Stark  für  den  win- 
terlichen Herkules  erklärten)  Gotte  zu  Mamiheim  beigegebene  Eber 
seine  volle  Bedeutung.  Spielte  derselbe  schon  im  orientaIisdi«mithri- 
schen  Cultc,  wie  Stark  nachweist,  eine  bedeutsame  Rolle,  so  wurde  diese 
dadurch  noch  erhöht,  dass  man  bei  den  Germanen  zur  Zeit  der  Wia- 
tersonnenwendc  (Weihnachten)  einen  Eber  als  Smnbild  der  Kraft  der 
Sonne  ojiferte.  Ebenso  ist  es  von  deu  Galliern,  die  ja  am  Oberrhein 
vorzQglich  in  Betracht  kommen,  bekannt,  dass  ein  (vielfach  gedügelt 
Abgebildeter)  Eber  das  ihnen  heilige  Thier  war. 

Mit  Erwägung  dieser  Thatsachcn  wird  man  also  schon  zunoserer' 
Annahme  greifen  dQrfeu,  dass  der  Hagenauer  Stein  denselben  keltisdm  < 
(zu  Baden  mit  Merkur  identificirten)  Gott  vorstellt,  der  im  Yeran  nÜr] 
dem  orientalischen  Mithras  zu  Mannheim  in  Begleitung  eines  Eben] 
abgebildet  ist. 

Kelten  wallen  ja  ihrem  Namen   nach  die  PersoneOi  weleh«  auf 
dem  Hagenauer  Votivsteine  erscheinen:   Hatatina  Ooboerti  (filia)  von 
kymr.  cobio  .klopfen*,  coblvn  »Klopfjgeist*  =  bretonisch  gobilin  »Irr- 
licht*, woher  framu,  eagl.  goblitt  „böser  Oessl,  Alp'%  vergllaL 
(toq  cSbare,  cumliire  auflieget'*)  ood  griecfa.  xnßcdo^  ^  xr/lwi^a^l 
Sdialk.  PoaNUfteer  (womit  aber  unser  Kobold  gar  nichts  sa  thaaj 
hat,  da  dies  nrspr.  einen  Gnibeageist  des  Erzgebinges  bcarichnft, 
hUui^sdi  ko«  'Engrabe',  Komlty  „erzhaltig,  emzür*)-  —  Ueberatt-J 
MtMi  aerto  (vis.  valor)  vergl.  Fick  *!,  128.  649;  TL,  138. 

In   den  neneren  camboBehen  Dialekten  gehl  das  T  der 
wwlMi^Nvhnteig  RT  in  th,  dann  in  Folge  der  Imlbwiiliiirfcii  Katar 
das  R  ia  ite«  tSacadca  Spraatca  iber,  dh.  in  der  Ihilijia  a« 
liBMchw  Art  a  (s  aeidies  s);  m  md  also  altirisGh  ast  hier 
VW  der  heltisclfc'  Name  Arthur  tu  Arnir.) 

Der  Staan  dieses  Worte  iHaach  im  GgaBs-lUMirhga 


Der  keltiicbe  Oott  Merdos  und  der  arische  Mithraa. 


61 


aber  im  Germanischen  und  den  übrigen  norrleuropäischeii  Sprachen 
(slavisch  etc.)  nicbt  bewahrt.    {Jahrb.  LH,  171  unten.) 

Was  den  Namen  Matutina  betrilTt,  der  auch  als  mascul.  auf  -us 
auf  rheiuischen  Inschriften  vorkommt  {ßrambnch  749,  1779,  1849), 
80  kann  derselbe,  wie  J.  Becker  meint,  der  einen  Mercurius  Matutiuus 
aus  der  Schweiz  vergleicht,  allerdings  auch  keltisch  sein.  Zunächst 
wird  man  ihn  aber  doch  als  römischen  Namen  aufzufassen  haben  mit 
Rücksicht  auf  latein.  raatutinus  „zeitig,  früh"  und  die  mater  Matuta, 
welche  Worte  von  einem  Stammworte  mäta  „Zeit**  abzuleiten  sind. 
(Vanicek  653,  Fick  I,  705,  II,  182.) 

Da  dies  letztere  nun  auch  in  anderen  arisch-europäischen  Sprachen 
auftritt,  so  ist,  wie  in  so  vielen  Fällen,  nicht  zu  entscheiden,  ob  in 
einem  gegebenen  Falle  ein  Name  dem  römischen  oder  keltischen  Sprach- 
gebiete angeliört. 

Was  nun  noch  den  Valerias  Pruso  des  Altars  aus  Baden  betrifft, 
den  ich  auch  auf  einem  Grabsteine  von  daher  nachgewiesen  habe 
(Jahrb.  Heft  49  S.  103),  so  wird  derselbe  auf  dem  letzteren  als  Sohn 
eines  Valerius  Castus  bezeichnet,  welch  letzterer  einen  durchaus  romi- 
schen Namen  trägt.  Auch  die  übrigen  auf  dem  Grabsteine  genannten 
Familienglieder  tragen  alle  römische  Namen,  so  dass  also  die  Ver- 
muthung  dafür  spricht,  dass  auch  Pruso  lateinisch  ist,  von  dem  Stamme 
prus  „brennen",  der  im  Griechischen  in  seiner  ümkehrung  purs-,  so 
z.  B.  in  dem  altgriechischen  Manns-Namen  nigatov  (später  ni^^atv, 
ni^^ng)  für  fl^laun'  auftiitt,  was  vollkommen  mit  unserem  lateinischen 
Pruso  übereinstimmt.  Vergl.  Va  n  i cek  511 ;  Fick  I,  150,  G80,  II,  154 »). 

Mit  diesen  kurzen  linguistischen  Ilinweisungen  schltessen  wir  hier. 
Sic  reihen  sich  den  im  vorigen  Hefte  der  Jahrbücher  gegebenen 
Untersuchungen  über  keltische  Namen  auf  rheinischen  Inschriften  an 
und  verlolgcu  dasselbe  Ziel:  auf  Grundlage  der  heutigen  sprachvcr- 
gleichenden  Methode  das  speciell  keltische  Sprachgut  an  schon  be- 
kanntes indogermanisches  anzuknüpfen  und  auf  diese  Weise  die  rheinische 
Ethnologie  und  Urgeschichte  zu  fördern. 

Heidelberg.  Karl  Christ 


1)  Eine  ähnliche  Bildung  wie  dieae  ist,  nebenbei  bomerkt,  ein  anderer 
römischer  Name  Ruso,  den  man  früher  irrlhümlieh  atich  auf  dem  badener  Mer- 
kunaltar  angenommen  hat.  Dieser  laUiniscbe  Name  Rubo  (z.  B.  bei  WilmannB, 
exempla  1537,  1651;  ebenda  auch  Rusonius  1.39)  ist  wohl  von  dem  lateinischen 
Worte  rils  „Land"  abgeleitet  und  kommt  daher  auch  in  seiner  Bedeutung  überein 
mit  rästicuB  „Landmann'S     Vergl.  Vanicek  796;  Fick  II,  210. 


Der  achte  römiaehe  Meilenstein  aus  Heidelberg. 


6.  Der  achte  römische  Meilenstein  aus  Heidelberg  ')• 

Die  Ausgrabungen,  welche  unter  der  sachkundigen  Leitung  des 
Herrn  Bauinspeetors  Schäfer  seit  Jahresfrist  in  Heidelberg  auf  dem 
Terrain  zwischen  der  Thibautstrasse  und  der  jetzt  fertig  gestellten 
Irreuklinik  unternommen  wurden,  sollten  nicht  ihrem  Abschlüsse  zu- 
eilen, bevor  nicht  noch  ein  Fnndobject  von  höchster  Wichtigkeit  zu 
Tage  kam.  Es  ist  dies  nämlich  ein  achter  römischer  Meilenstein, 
welcher  die  Reihe  der  früher  gefundenen  vervollständigt.  Derselbe  ist 
gewidmet  dem  Kaiser  Maximinus  bei  seinem  Regierungsantritt  im 
Jahr  235,  und  seinem  Sohne  Maxirans  als  Thronfolger,  welch  letzterer 
hier  irrthümlit-n  Maxinus  geniiniit  wird.  Diese  Umstände  lassen  sich 
alle  erkennen  aus  der  Inschrift,  welche  nach  des  Unterzeichneten,  als- 
bald nach  ihrer  am  22.  October  1878  erfolgten  Auffindung*)  vorge- 
nommenen Entzifferung  folgendermassen  lautet: 

JMP-  C^S-  C-  IVLIO 
VERO  •  MAXIMImO* 
PIO  •  FELICI     AVG- 
P-  M-  TRI-  P   COS-  P-  P 

5)  PRO  •  COS-  ar-  c-  ivl- 

VERO-  MAXINO 
NOBILISSIMO   C^S- 
C  •  S-  N  • 

L  ■  m- 


1)  Zuerst  bekannt  gemacbt  in  der  Heidelberger  Zeitung  vom  Mittwoch, 
23.  Octüber  1878  (Heideib.  FamilienUatter  Nr.  85)  =  Karlsruter  Zeitung  vom 
26  October  (Beilage).  Hiervon  ohne  Nennung  des  Autors  oder  dieser  Quellen 
eigenmächtig  abgedruckt  im  englischen  Athenaüum  vom  9.  November  Nr.  2663.  — 

Im  Alheoaeuvn  1877  Nr.  2686,  2592,  2600  befinden  sich  auch  die  im  vorigen 
Hefte  publiuirtcn  Heidelberger  Inschriften  mit  den  fast  wörtlichen  Erklärungen 
des  Herrn  Christ  ohne  Nennung  seines  Namens  reproducirt.  Eine  solche  Re- 
productioD  mit  der  Nennung  dea  ersten  Herausgebers  kann  nur  zu  dessen  Freude 
gtreichen;  ohne  dieselbe  widerstreitet  aio  aller  Billigkeit  und  litterarischen 
Rücksicht.  D.  Hcd, 

2)  Am  folgenden  Tage,  den  %.,  kam  dieser  Meilenstein  nach  Karlsruhe  eu 
den  übrigen. 


Der  achte  römische  McslleuBtein  aus  Heidelberg. 


«8 


Mit  Ausschreibung  der  Abkürzungen  lautet  dies  r 

Imperatori  Caesari  Gaio  Julio  Vero  Maximino  Pio  Felici  Augusto, 
pontifici  maximo,  tribunicia  potestate,  consuli,  patri  patriae,  proconsuli 
et  Gaio  Julio  Vero  Maxioo ,  nobilissimo  Caesari :  civitas  Severiana 
Nemetura  leugae  quatuor  [seil,  a  Lopoduno]. 

Betrachten  wir  nun  noch  die  Umstände  des  Fundes,  so  war  diese 
Säule  von  den  Römern  bei  ihrem  Abzüge  in  die  Tiefe  eines  Brunnens 
gesenkt  worden,  offenbar  mit  der  Absicht,  dieselbe,  wenn  das  Kriegs- 
glück ihnen  erlauben  sollte  zurückzukehren,  wieder  heraus  m  winden, 
Aehnliches  geschah  mit  den  sieben  andern  Meilensteinen,  welche  man 
behutsam,  die  Inschrift  gegen  den  Boden  zu,  in  einem  der  vielen  vor- 
gefundenen Kellerräume,  dicht  neben  den  Brunnen  gebettet  und  mit 
Erde  zugedeckt  fand. 

Der  ursi)rilngliche  Standort  aller  8  Säulen  war  offenbar  eine  sich 
an  den  Brunnen  aulehneode  viereckige  Tenne,  die  ehemals  wahrscheinlich 
leicht  überdacht  war,  um  den  Trinkenden  Schutz  zu  gewähren,  Ueber- 
haupt  war  der  50'  tiefe  Brunnen  die  Mitte  der  ganzen  Anlage,  die 
sich  längs  der  Speierer  Römerstrasse  vom  Neckar  bis  an  die  heutige 
Mannheimer  Chaussee  hinzog.  Wir  haben  hier  eine  kleinere  Lagerstadt 
vor  uns,  welche  sich  in  der  Regel  in  der  Nähe  eines  römischen  Stand- 
lagers bildete.  Ein  solches  lag  aber  unterhalb  Neuenheim  und  war 
durch  eioe  Brücke  mit  den  auf  dem  Unken  Ufer  gelegenen  „Canabae 
legionis"  verbunden. 

Dies  ist  der  gewöhnliche  Ausdruck  f(lr  derlei  Baracken,  deren 
Keller  wie  gesagt  in  so  grosser  Anzahl  beim  Irrenhause  durch  die 
unermüdliche  Thätigkeit  des  Herrn  Schäfer  aufgedeckt  wurden.  Die 
Construction  war  bei  allen  gleich  und  entsprechend  ihrer  Bestimmung, 
die  Wohnung  der  Marketender,  Krämer  und  Händler  (canabenses) 
abzugeben.  Ueberalt  ein  kleiner  gemauerter  Kellerraum  mit  Keller- 
lichtern und  Wandnischen  zum  Aufbewahren  der  Speisen.  Der  Zugang 
wurde  von  aussen  her  mittelst  einer  hinunter  rührenden  Treppe  oder 
nur  eines  Ganges  bewerkstelligt,  durch  welchen  man  an  die  Kellcr- 
thüren  gelangte,  deren  Schwellen  sich  noch  vielfach  vorfanden.  Die 
Decke  des  Kellerraums  war  offenbar  aus  Holz  gewesen,  nicht  gewölbt, 
wie  denn  auch  der  ganze  Ueberbau  blos  aus  Holz,  nicht  aus  Stein 
bestanden  hatte ;  es  waren  also  einfache  Blockhäuser,  wie  sich  aus  den 
Fundumständen  zur  Evidenz  ergibt. 

Neben  denselben  befanden  sich  regelmässig  tiefe  in  die  Erde  ge- 
grabene Löcher,  die  voll  Scherben  lagen,  weil  sie  dazu  gedient  hatten 


M  Der  achte  römische  Meileasteio  »ui  Heidelberg. 

den  Wein  and  sonstige  Getränke,  wie  auch  Speisen  kühl  zu  halten 
(oder  auch  um  abgängige  Stoffe  hineinzuwerfen).  In  einem  Falle,  bei 
einem  der  schon  voriges  Jahr  gefundenen  Kellerräume  war  auch  eine 
solche  «apotheca*  im  Boden  des  Kellers  selbst  angebracht  nnd  zwar 
brunnenartig  ausgemauert. 

Dieses  interessante  Denkmal  ist  nun  der  von  mir  in  den  Bonner 
Jahrb.  LXI S.  19  sub  Nr.  IH,  an  dessen  Stelle  er  stehn  raftsste,  vermisste 
Leugenzciger  des  Maximinus.  An  gleicher  Stelle  wurde  nun  auf  einen 
gleichen  Meilenstein  von  demselben  Jahre  235  hingewiesen,  den  die 
Provinzialhauptstadt  Mainz  auf  dem  Wege  nach  dem  Maincastell 
Obemburg  gesetzt  hätte  (Brambach  1963).  Nun  reicht  aber  einer- 
seits das  Gebiet  der  civitas  Mogontiacensium  wahrscheinlich  nicht  aof 
das  rechte  Rheinufer  herüber,  indem  dieselbe  wahrscheinlich  erst  nach 
Vertreibung  der  Römer  von  demselben,  d.  h.  gegen  Ende  des  3.  Jahrh. 
ein  Stadtgebiet  erhielt,  andererseits  scheint  es,  dass  der  betreffende 
Meilenstein  vielmehr  von  der  civitas  gesetzt  wurde,  woza  auch  das 
Milteiiberger  Castell  gehörte '). 

Mit  dieser  Inschrift  nun  (über  welche  ich  bereits  in  den  Bonner 
Jahrb.  LII,  73  einige  .\ngaben  gemacht  habe)  stimmt  die  neugefnndene 
Heidelberger  so  /.iimlich  überein,  nur  dass  auf  letzterer  dem  Kaiser 
einige  weitere  Würden  beigelegt  sind.  Aber  auf  keinem  der  beiden 
Steine  erscheint  der  Titel  Germanicus,  den  Vater  und  Sohn  in  der  That 
auch  erst  im  folgenden  Jahre  236  annahmen.  Dass  unser  Heidelberger 
Stein  aus  dem  Jahre  235  ist,  geht  unzweifelhaft  hervor  aus  der  An- 
gabe der  tribunicischen  Gewalt,  welcher  keine  Zahl  folgt,  die  also  die 
erste  war. 

Bei  dieser  Gelegenheit  ist  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass 
man  diese  Würde,  wie  aus  dem  ältesten  vom  J.  220  stammenden 
Meilensteine  (vergl.  Jahrb.  LXI,  18)  hervorgeht,  als  Person  auffassle 
und  bei  der  Fassung  des  Kaisernamens  im  Dativ  ebenfalls  in  diesen 
Casua  setzte. 

Die  spätem  Römer  sagten  nämlich  ,hic  potestas"  d,  h.  dieser 
(der)  Beamte,  obwohl  das  Wort  eigentlich  femin.  ist.    Ebenso  heisst 


l)  Nach  dem  daselbtt  nen  gefundenen  Grenzstein  des  römischen  Deka- 
matenlandes  gegen  die  Btu-bareo  ta,  die  Toutoni,  über  welche  ich  ad  »nderer 
Stelle  handeln  werde.  Vorl&ufig  mag  nur  kors  meine  Lesung  der  Inschrift  hier 
stehen ;  INTER  TOVTONOS  [et]  C(ivitatem)  A(eliam)  H(adrianam)  F(ine«).  Die 
Errichtung  des  Steines  setoe  ich  in's  J.  97(96  p.  Chr.  als  Hadtiaa  am  Rhein  weilte. 


Datirbare  Inschriften  aus  dem  Odenwalde  und  Maintbal. 


65 


es  italienisch  „il  podesta".  „Indem  das  natürliche  Geschlecht  de3 
concretums,  für  welches  das  abstractum  gebraucht  wurde,  hervorbrach, 
wurden  die  feminina  zu  Maskulinen."  (Liter.  Centralblatt  1878  Nr.  30 
S.  984.) 

Schhesslich  ist  noch  hinsichtlich  der  Buchstabeoformen  unseres 
Maximinsteines  zu  erwähnen,  dass  dieselben  den  gleichen  monumentalen 
Charakter  wie  die  der  übrigen  Heidelberger  Meilensteine  haben,  den 
überhaupt  die  Inschriften  aus  dem  Anfang  des  dritten  Jahrliunderts 
noch  grösstentheils  zeigen,  dass  also  besonders  die  P  hier  noch  alle  offen 
sind  (P),  die  M  ihre  Mittellinie  auf  die  Zeile  heruntergehen  lassen 
u.  s.  w.  Auf  der  andern  Seite  zeigt  die  Inschrift  aber  auch  wieder 
einzelne  Hinneigungen  zur  Cursive.  So  hat  das  T  in  der  vierten  Zeile 
blos  einen  Seitenstrich  nach  der  Rechten  (wie  der  obere  Strich  eines  F). 
Der  erste  Schenkel  des  N  ist  höher,  wo  es  auch  keine  Ligatur  mit  I 
enthält.  Dass  auch  ein  Steinmetzenvcrsehcn  vorliej^e,  wobei  N  für  M 
geschrieben  wurde,  ist  schon  oben  erwähnt.  Desgleichen  wurde  zuerst 
am  Anfang  der  Inschrift  INP  gesetzt,  dann  erst  das  M  hineiuconigirt. 
Was  endlich  die  Säule  selbst  betrifft,  so  besteht  dieselbe  wie  die  andern 
aus  rothem  Sandstein.  Ihre  Höhe  beträgt  1,95  m,  wovon  0,45  auf  den 
Sockel  kommen ;  der  Durchmesser  ist  0,40  m. 

K.  Christ. 


7.  Datirbare  Inschriften  aus  dem  Odenwalde  und  Mainthal. 

(Vergl.  Jahrb,  LXU,  51  ) 

* 

VII.    Meilenstein  aus  Kleestadt. 

Da  die  neue  Ötrasseusäule  des  Maximinus  von  Heidelberg  aus 
demselben  Jahre  235  ist  wie  die  schon  längere  Zeit  bekannte  aus  Klee- 
stadt im  he.ssischen  Odenwalde,  so  war  es  selbstverständlich,  die  letz- 
tere einer  erneuten  l'rüfung  zu  unterziehen,  was  umsomehr  angezeigt 
schien,  da  Brambach  den  Stein  zu  Darmstadt  nicht  gefunden  hatte 
(vergl.  sein  C.  1.  Rh.  H>68).  Der.selbe  steht  aber  jetzt,  der  allgi'meinen 
Ansicht  zugänglicher  geworden,  in  der  Sammlung  des  historischen 
Vereins  zu  Darmstadt,  dessen  Vorstand,  der  bekannte  Herausgeber  des 

b 


Datirbure  loachrifleü  aus  dem  Odenwaldo  uad  Mainthal. 

Correspondenzblattes  der  deutschen  Geschichtsvereine,  Ernst  Wörner 
mich  auf  das  Liebenswürdigste  bei  der  Lesung  des  Steines  unterstützte. 
"Was  nun  vorerst  das  Aeussere  dieser  fragmentirten,  aus  rothem  Sand- 
steine bestehenden  Säule  betrifft,  so  bildet  dieselbe  nur  noch  ein  einziges 
56  ein  hohes  Bruchstück,  seiner  Figur  nach  ein  Halbkreis,  worauf  die 
Inschrift  steht.  Der  zugehörige  hintere  Halbkreis  der  Säule,  deren 
Durchmesser  etwa  40  cm  betrug  und  welche  der  Länge  nach  gespalten 
ist,  war  wohl  schon  bei  der  Auftlndung  nicht  mehr  vorhanden.  Die 
Inschrift  ist  nun  nach  meiner  genauesten  Vergleichung  folgendermaassen 
zu  verbessern: 

(i)MP-CAES-  CIVL(io) 
(v)ERO  •  MAXSIMIN(o) 
(pi)OFEL'CIAVGETC 
(i)VL'OVERO  ■  MAXSI(ino) 
5)  (c)AESNOBJLtS'SIMO 

AA  A 


Wie  hieraus  ersichtlich,  ist  die  Inschrift  sowohl  auf  beiden  Seiten 
zerbrochen  (jedoch  nur  so,  dass  immer  nur  1 — 2  Buchstaben  vorne,  wie 
hinten  fehlen)  als  auch  unten,  wo  die  letzte  Zeile  rait  der  Angabe  der 
Entfernung  ganz  abgeschlagen  ist.  Die  felilenden  Buchstaben  sind 
mit  Minuskel  ergänzt.  Hinsichtlich  der  Buchstabenformen  ist  zu  be- 
merken, diiss  auf  diesem  Steine  nirgends  eine  Ligatur  angewandt  ist, 
nur  in  der  jetzt  untersten  (in  Wahrheit  aber  eigentlich  zweitletzten) 
Zeile  ist  es  fraglich  ob  nicht  das  letzte  Zeichen  ein  A/  (=  A  -f  V)  ist, 
da  es  wie  ein  liegendes  N  (N)  aussieht,  bei  welchem  aber  der  letzte 
Strich  auf  einem  natürlichen  Bruch  im  Steine  beruhen  könnte,  weshalb 
er  oben  im  Text  weggelassen  und  blos  A  gegeben  wurde,  um  nun  gleich 
mit  dem  Ende  den  Anfang  zu  machen,  so  wurde  die  betreffende  Zeile 
(die  sechste  von  oben)  bisher  von  allen  Editoren  unrichtig  gelesen. 
Mau  faud  iti  jenen  Buchstaben  ein  M.L,  allein  von  einem  L  kann  ab- 
Bohit  keine  Rede  sein  und  wurde  dies  denn  auch  von  J.  Becker,  dem 
letzten  Editor  der  Inschrift,  in  den  Nassauischen  Annalcn  B.  VIII  S.580 
Nr.  24  und  hiernach  von  Brambach  add.  p.  XXXIII  gestrichen. 

Aber  auch  kein  M  steht  iu  dieser  Zeile!  Alterdings  glaubt  man 
auf  den  ci-Hteu  Anblick  ein  solches  zu  erkennen,  indem  die  drei  A  so 
nahe  bei  einander  stehen,  dass  man  zwei  davon  für  ein  weites  M  mit 
BL'hr  gusprcizton  Schenkeln  nehmen  könnte  (AA)  wenn  nicht  doch  noch 
ein  kleiner  Zwischenraum  zwischen  den  beiden,  ein  solches  eventuell 


Datirbare  InBchriften  aus  dorn  Odeuwalde  und  Mainihal. 


67 


constitujreftden  Theilen  bestände.  Ausserdem  steht  dem  aber  entgegen, 
dass  bei  dem  ersten  und  besonders  bei  dem  mittelsten  der  Ü  A  der 
Querstrich  des  A  sehr  deutlich  ist,  während  er  bei  dem  letzten  nicht 
mehr  erkennbar  ist.  Es  könnte  also  doch  höchstens  von  einer  Ligatur 
von  M  mit  A  die  Rede  sein,  denn  so  würde  man  doch  wenigstens  er- 
klären konncü,  warum  das  angebliche  M  so  j^elir  gespreizte  Schenkel 
habe,  während  die  übrigen  M  der  Inschrift  voUkomnien  senkrechte 
Aussenschenkel  haben  (ihr  innerer  Winkel  aber  wie  gewöhnlich  bis  auf 
die  Zeile  herabgeht). 

Allein  bei  genauerer  Besichtigung  des  Steines  wird  man  zu  der 
Ueberzeugung  gelangen,  dass  auch  kein  M  in  der  letzten  Zeile  steht, 
sondern  wie  gesagt  nur  drei  durch  Punkte  getrennte  A,  deren  letztes 
wie  gesagt  vielleicht  mit  V  ligirt  ist.  Vor  und  nach  diesen  Buchstaben 
ist  aber  der  Stein  .noch  vollkommen  erhalten  und  enthält  keine  weitern 
Zeichen. 

Die  Erklärung  des  ersten  A  macht  nun  keine  Schwierigkeiten, 
denn  es  bedeutet  einfach  Ab.  Hierauf  muss  nun  der  Ortsname  folgen, 
der  in  den  beiden  folgenden  Zeichen  enthalten  ist.  Das  zweite  A  wird 
nun  wie  in  der  Regel  Abkürzung  eines  Kaisernamens  sein,  dem  die 
betreifende  Stadtgemeinde,  welche  die  Strassensäule  gesetzt  hat,  ihren 
eigenen  Namen  verdankte.  Mit  dem  dritten  A  kann  es  sich  ebenso 
verhalten.  Nichts  könnte  uns  also  hindern  hier  zu  lesen  Aelia  Aurelia, 
mit  andern  Worten  anzunehmen  der  Meilenstein  sei  ausgegangen  von 
der  civitas  Aelia,  die  nach  meiner  Annahme  auf  dem  neuen  Mitteu- 
berger  Steine  genannt  wird. 

In  späterer  Zeit  scheint  nun  diese  letztere  nach  unserem  Meilen- 
steine den  Kaiseruaiiien  Aurelia  ihrem  frühereu  beigefügt  zu  h;iben 
nach  einem  der  aurelischen  Kaiser,  nach  denen  sich  auch  der  vicus 
Aurelius  (Oehriugen)  und  die  davon  abhängige  Civität  nannte  (vergl. 
meine  Ausführungen  hierüber  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  von 
1872  S.  654  —  658),  Auch  an  einen  der  Antonine  könnte  mau  denken, 
d.  h.  an  Antoninus  Pius,  den  Nachfolger  des  Aclius  Hadrianus,  von 
welchen  beiden  dann  die  betretTende,  den  Norden  des  Odenwaldes  um- 
fassende civitas  sich  Aelia  Antoniniatia  genannt  haben  würde. 

Auch  dafür  scheint  der  Stein  zu  sprechen,  denn  man  kann  das 
letzte  Zeichen  für  eine  Ligatur  von  A  -h  N  ansehen.  Auf  dem  letzten, 
allerdings  wie  gesagt  prekären  Striche  scheint  weiter  ein  kleines  ver- 
wischtes T  aufzusitzen  (das  freilich  gänzlich  unsicher  ist),  sodass  man 
eine  dreifache  Ligatur  vor  sich  hätte,  welche  aufgelöst  ANP  ergäbe. 


Dttirbare  Inschriftea  aus  dem  Odenwalde  and  Mainth&l. 

Will  man  aber  in  dem  letzten  Zeichen  unseres  Steines  blos  ein 
einfaches  A  erkennen,  also  die  letzte  Zeile  A'A'A  lesen,  dann  bleibt 
natürlich  die  Möglichkeit,  dass  man  Ab  Aelia  Augusta  (Vindelicorum) 
zu  verstehen  habe,  der  allzu  grossen  Entfernung  wegen,  von  Augsburg 
(das  in  einer  ganz  andern  Provinz  lag),  bis  in  die  Gegend  von  Aschaflfen- 
bnrg,  gänzlich  ausgeschlossen. 

Dagegen  könnte  das  fragliche  letzte  A  wohl  Abkürzung  sein  für 
Aacapba,  nach  dem  Geographen  von  Ravenna  der  Name  von  Aschaffen- 
burg am  Einfluss  der  Aschaff  in  den  Main  (Steiner,  Maingebiet 
S.  185  f.),  einem  Bachnamen,  der  mit  dem  altkeltischen  und  altger- 
raanischen  apa  (später  apha,  affa)  „Wasser"  zusammengesetzt  ist. 

Von  grösster  Wichtigkeit  in  dieser  Beziehung  jst  nämlich,  dass 
der  in  Rede  stehende  Meilenstein  vor  Allem  an  der  Römerstrasse  von 
AschaiTenhurg  nach  Dieburg  (östlich  von  Darmstadt)  stand').  (Vergl. 
des  Verfassers  Artikel  im  Correspondenzblatt  des  histor.  Gesammt- 
vereins,  Deceraber  1878.) 

Am  meisten  Wahrscheinlichkeit  hat  als  Mittelpunkt  eines  den 
nördlichen  Odenwald  und  die  untere  Mainebene  umfassenden  Verwal- 
tungsbezirkes der  östlich  von  r>arnistadt  gelegene  römische  vicus  zu 
Dieburg,  welches  wohl  der  bedeutendste  Römerort  jener  Gegend  war. 

Dies  wcnlen  wir  in  einem  eigenen  Artikel  im  nächsten  Ilefte 
auszuführen  suchen. 

Heidelberg.  K.  Christ. 


1)  Hinsichtlich  der  loBcbrift  ist  BchliessUch  noch  zu  bemerken,  dass  Becker 
mit  Unrecht  die  Pankte  weggelassen  hat,  während  sie  doch  alle  ganz  deatiich 
sind.  Auch  sonstige  kleine  Verseben  in  den  Ergänzungen,  die  sich  in  seiner 
Editiou  befinden,  sind  leicht  nach  di.'m  Obigen  zu  vürbesseru.  So  z.  R  ist  nach 
Zeile  8,  wo  dau  letzte  G  nur  noch  halb  erhalten  ist,  nicht  der  Anfang  des  in  der 
folgenden  Zolle  stehenden  Wortes  (])VLIO  zu  ergäneen,  von  dem  blos  der  erste 
Buchstabe  abgeschlagen  ist  —  Wie  aus  meiner  Abschrift  ersichtlich,  ist  das  1 
einige  Malo  kleiner ,  v,-ie  die  übrigen  Buchstaben.  Zeile  5  steht  es  auch  einmal 
irrig  zwischen  dem  Duppcl-S. 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Privatflammlungen. 


69 


8.   Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Privatsammlungen. 

(Hierzu  Taf,  V-VI.) 

IL 

Die  Bronzen,  MetAlIgeräthe  und  Schmucksachen. 

A.  Brouzeu  (l— 79J. 

a.  Menschliche  FigurcQ  (1—32). 

In  der  Sammlung  Her  Stadt  (Nr.  1 — 3.): 

1.  Herakles  in  angreifender  Stellung.  Der  jugendliche 
Held  (h.  0,165)  hat  die  Lüwenhaut  über  den  Kopf  gezogen  und  unter 
dem  Kinne  zusammengeknüpft;  ihre  Enden  sind  zweimal  um  den  1. 
vorgestreckten  Unterarm  geschlungen;  die  I.  Hand  muiss  einen  Gegen- 
stand gehalten  haben,  vielleiclit  den  Bogen,  wie  nach  analogen  Dar- 
stellungen vorauszusetzen  ist.  Die  wie  zum  Schlage  erhobene  Rechte 
hielt  vermuthlich  die  Keule.  An  der  untersetzten  Figur  fallen  die 
kurzen  Unterschenkel  und  breiten  Hüften  auf.    Gute  Arbeit, 

Exemplare  dieses  Typus,  welchen  man  auf  ein  Werk  des  Ünatas, 
mittelbar  auf  den  Phoinikischen  Herakles  von  Tyrus  hat  zurückfiibren 
wollen  (vgl.  Fried erichs,  Berl.  ant.  Bildw.  II,  S.  442  ff.  und  die 
ergänzenden  Bemerkungen  von  Kluegmann,  Anuali  deir  Inst.  arch. 
1877,  p.  292  f.),  finden  sich  mit  mehr  oder  weniger  Modifikation  über 
alle  Theile  des  römischen  Imperiums  verbreitet  Sehr  ähnlich  ist  em 
Berliner  Exemplar  nach  Friederichs,  a.  a.  0.  Nr.  2040. 

2.  Athlet.  Die  Figur  (h.  0,145)  neigt  sich  etwas  nach  vom 
herüber;  r.  Standbein.  Die  herabhängende  L.  hält  einen  undeutlichen 
Gegenstand,  die  zurückgehaltene  R.  zeigt  eine  geballte  Faust.  Der 
Kopf  wendet  sich  nach  der  r.  Schulter,  Die  Kürperformen  sind  etwas 
übertrieben  athletisch.  —  Die  antike,  sechseckige,  profilirte  Basis  ge- 
hört nicht  zu  der  Figur. 

3.  Opfernder  Römer  (h.  0,055).  Die  Figur,  welche  in  der  L. 
eine  Acerra,  in  der  seitwärts  ausgestreckten  R.  eine  I'atera  hält,  ist 
bekleidet  mit  Schuhen,  Tuuica  und  einer  über  den  Kopf  gezogenen 
Toga.    L.  Staudbein.    Gefunden  in  Müngersdorf  bei  Köln. 

Uebor  diesen  ungemein  liäufigen  Typus  kleiner  Bronzen  vgl, 
Friederichs,  a.  a.  0.  S.  453  ff. 


70  Die  antiken  Denkmäler  der  Eöloer  Privatsammlangen. 

In  der  Sammlung  Mcrlo  (Nr.  4 — 11)*): 

4.  Zeus.  H.  0,18.  Abgebr.  r.  Fuss  und  der  Blitz  zum  Theil. 
Der  nackte  Zeus  hat  das  r.  Bein  vorgesetzt,  die  straff  gesenkte  R.  hält 
den  Donnerkeil,  die  erhobene  L.  den  etwas  verborgenen  vierzackigen 
Blitz.  Das  Haar  ist  etwas  wild  durcheinander  geworfen  und  weniger 
gut  gearbeitet,  als  der  nicht  schlecht  behandelte  Körper. 

Verwandt  die  Berliner  Figur,  beschrieben  von  Friederichs  a.  a.  0., 
Nr.  1865.  Ein  schöneres  Exemplar  unter  Nr.  12.  Overbeck,  Kunst- 
myth.  Zeus,  S.  267,  7  hält  die  Echtheit  dieses  Typ\is  bei  den  kleinen 
Bronzen  für  zweifelhaft;  aber  eine  unzweifelhaft  ächte  Figur  des  blitz- 
schleudernden Zeus  ist  von  Carapanos  kürzlich  in  Dodona  ausgegraben 
worden,  abgebildet  Dodone  et  ses  ruines,  pl.  XII,  4. 

5.  Aphrodite  (?).  H.  0,06.  —  Auf  viereckiger  flacher  Plinthe 
steht  eine  Frau,  die  in  der  vorgestreckten  R.  einen  Klappspiegel  hält. 
Ein  ihren  Unterkörper  bedeckendes  Gewand  ist  mit  beiden  Enden  über 
den  l  Unterarm  zusammengeschlagen.  Die  L.  hält  einen  runden  Gegen- 
stand. Von  dem  welligen  zurückgestrichenen  Haar  fallen  auf  die 
Schultern  je  eine  Locke,  auf  den  Rücken  zwei  Locken  herab;  die 
Figur  ist  ziemlich  öach,  das  Gesicht  roh  behandelt  und  verletzt. 

Vermuthlich  soll  in  dem  runden  Gegenstand  ein  Apfe!  zu  erkennen 
sein;  demnach  dürfte  man  an  Aphrodite  denken,  bei  der  beide  Attribute 
besonders  an  kleinen  Bronzen  häufig  sind;  vgl.  Bernouilli,  Aphro- 
dite S.  359  f.  und  die  Turiner  Bronze  ebenda  S.  363.  Die  Art  der  Ge- 
wandung ist  nicht  selten  bei  einer  ganzen  Reihe  von  Äphroditefiguren, 
z.  B.  auch  bei  der  „Venus  victrix";  vgl  Bernouilli  a.  a.  0.  p.  184  ff. 

6.  Knabenfigur.  H.  0,10.  Auf  einer  kugelförmigen  Basis  — 
unter  der  sich  ein  Zapfen  erhalten  hat  —  steht  ein  schlanker  Knabe, 
das  1.  Bein  etwas  zurücksetzend  und  nur  mit  den  Zehen  den  Boden 
berührend.  Bekleidet  ist  er  mit  kurzem,  mit  einem  Bande  gegürteten 
Chiton.  Die  R.  (Hand  abgebr.)  ist  gesenkt,  die  L.  erhoben.  Der  Kopf 
wendet  aich  mit  leichter  Neigung  nach  der  r.  Schulter.  Das  lange, 
zurückgestrichene,  und  hinten  zusammengebundene  Haar  ist  auch  auf 
der  Höhe  des  Kopfes  in  einen  Knoten  zusammengebunden.  Gewand- 
behandlung der  zierlichen  Gestalt  ist  gut,  weniger  gut  auf  der  Rück- 
seite. Die  Figur  diente  offenbar,  me  schon  der  Zapfen  und  die  eigen- 
thümlich   geformte  Basis  zeigt,   als  Bekrönung  irgend  eines  Geräthes. 


1)   Die  Figuren  4,  5,  9,  11    sind   inzwischen    in    die  Sammlung  Uerstadt 
übergegangen. 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Privntsammloiigei]. 


71 


An  eine  mythologische  Beziehung  drtrfte  bei  dem  Fehlen  aller  Attri- 
bute schwer  zu  denken  sein.  Die  Haartracht  ist  die  besonders  bei 
Eroten-  und  Kinderfiguren  römischer  Zeit  ganz  gewöhnliche. 

7.  Poseidon,    H.  0,103.  —  Abgebr.    r.  Fuss    und  I.  Unterarm. 
Der  Gott  hatte  den  rechten  Fugs  auf  einen  (jetzt  weggebrochenen) 

Felsen  gesetzt.  Auf  dem  r.  Knie  liegt  die  einen  Delphin  haltende  U. 
Die  L.  war  seitwärts  in  die  Höhe  gestreckt  Die  Behandlung  von  Haar 
und  Bart  ist  etwas  roher  als  die  des  Körpers,  übrigens  dem  Zeustypus 
sehr  ähnlich. 

Eine  Wiederholnng  in  der  Xanteoer  Figur  hei  Friederichs  a.  a.  0. 
1872.  Ueber  den  Typus  im  Allgemeinen  vgl.  Ov erbeck,  Kunstmyth. 
m,  277  ff. 

8.  Nackter  Ephebe,  H.  0,11.  —  Abgebr.  beide  Füsse,  ganzer 
1.  Arm  und  r,  Hand. 

R,  Standbein,  das  1.  ist  vorgesetzt.  Die  erhobene  R.  hielt  einen 
Gegenstand,  die  1,  war  gesenkt.  Der  unbedeutende  Kopf  hat  kurzes, 
schlichtes  Haar.    Nicht  sonderliche  Arbeit. 

Vielleicht  ist  die  Figur  nach  Analogie  der  Statuen  zu  ergänzen, 
welche,  aus  dem  mit  der  K,  hoch  gehaltenen  Salbfliischchen  Oel  in  die 
Fläche  der  1.  Hand  einträufelten.  Vgl.  Diitschke,  Ant.  Bildw.  II,  22 
und  25;  Friederichs  a.  a.  0.  Nr.  1852. 

9.  Herakles.    H.  0,12. 

Die  Figur,  welche  auf  einem  Zapfen  steht  (r.  Standbein),  hat  das 
1.  seitwärts  gesetzt  Ueber  den  1.  Unterarm  ist  eine  Löwenhaut  ge- 
worfen. Die  II.  stützt  eine  Keule  auf  den  Boden.  Das  kurze  Haar  scheint 
bekränzt  zu  sein.    Besonders  der  Unterkörper  ist  sehr  ruh  behandelt. 

Vgl.  die  Pompejauische  Figur  bei  Friede  rieh  a  a.  a.  0.  Nr.  20G4. 

10.  Krieger.    II.  0,08.  —  Abgebr.  fast  der  ganze  r.  Arm. 
Die  Figur   ist  bekleidet  mit  einem  Lederjianzer,    unter  welchem 

die  Lederstreifen  oder  der  kurze  Chiton  hervorsieht.  Auf  dem  Kopfe 
ein  zurückgeschobener  Helm  mit  Bügel  und  grossem  Busch.  Gute  Arbeit. 

11.  Schöne  kleine  Priapusstatuette  von  der  Art  wie  die  von 
0.  Jahn.  Jahrbb.  XXVU  Taf.  II,  1  publicirte. 

In  der  Sammlung  Wolff  (Nr.  12-32): 

12.  Zeus.    H.  0,12.  —  Staramt  aus  der  Garthe'schen  Sammlung. 
R.  Standbein,   das  1.   ist   energisch  vorgesetzt.    Die  gesenkte  R. 

hielt  vermuthlich  den  Donnerkeil,  einen  ähnlichen  Gegenstand  hält 
auch   die  L.    Lockiges,  volles  Haar,    in  der  bei  Zeusköpfen  gewöhn- 


Die  antiken  Deokmäler  der  Kölner  PrlvatsammlaDgen. 

liehen  Anordnung.  Der  Bart  ist  nicht  allzulang.  Die  Proportionen 
sind  eher  scblauk  zu  nennen;  der  Körper  ist  anatomisch  sehr  gut 
durchgebildet. 

Vgl.  zu  Nr.  4  und  13. 

13.  Z  e  u  s.    H.  0,09.  —  Sehr  beschädigt.  —  Stammt  aus  Xanten. 
Der  bärtige  nackte  Zeus  dringt  eilig  nach  r.  vor,  die  L.  ist  nach 

r.  ausgestreckt,  die  R.  erhebt  Blitz  oder  Douuerkeil. 
Vgl.  Nr.  4  und  12. 

14.  Nackter  Jüngling.    II.  0,078.  —  Gefunden  in  Köln. 

L.  Standbein.  Die  gesenkte  L.  hielt  einen  Gegenstand  (Kanne?), 
die  R,  ist  etwas  Yorgestreckt  und  hielt  vielleicht  ursprünglich  eine 
Patera.  Die  Haartracht  ist  die  bei  archaistischen  Statuen  gewöhnliche: 
scharf  gesträhltes,  von  einem  Bande  durchzogenes  Haar,  welches  vom 
in  steife  Locken  ausgeht.    Der  Körper  ist  gut  modellirt. 

Die,ser  bei  einer  grossen  Anzahl  von  Bronzen  und  Statuen  wieder- 
kehrende Gestus  ist  besprochen  von  Friederichs  a.  a.  0.  S.  453  ff. 

—  Vielleicht  ein  Weihgeschenk  und  so  aufzufassen,  wie  nach  Friederichs 
der  Florentiner  Idolino  u.  a. 

1.5.  Athena.     H.  0,04G. 

Die  Göttin,  bekleidet  mit  langem  Chiton,  Mantel  und  einem  Helm 
mit  drei  Bügeln,  giesst  mit  der  L.  aus  einer  Patera  über  einen  kleinen, 
säulenartigen  Altar  etwas  aus;   die  L.  hält  Lanze  und  runden  Schild. 

Vgl.  die  Berliner  Bronze  bei  Friederichs  a.  a.  0.  Nr.  1884  f.; 
der  Helm  mit  drei  Bügeln  kehrt  bei  der  Turiner  Bronze  aus  Industria 
(abgeb.  Clarac,  Mus.  de  sc.  pl.  462  E,  848  Ä)  und  einer  Bronze  aus 
Dodona  (Carapanos,  Dortonc  et  ses  ruines  pl,  XI,  4)  wieder. 

10.  Hermes.    H.  0,15.—  Gefunden  in  Köln.    Sehr  abgescheuert. 

R.  Standbein.  Die  gesenkte  R.  hält  den  Beutel,  die  L.  einen 
undeutlichen  Gegenstand.  Der  krauslocK'ige  Kopf  wendet  sich  etwas 
nach  der  1.  Schulter.  In  beiden  Handgelenken  Löcher  zur  Aufnahme 
eines  Gegenstandes.    Die  etwas  dünnen  Beine  sind  nach  innen  verbogen, 

üeber  Hermes  mit  dein  Beutel  vgl.  Fried  er  ich  s  a.  a.  0.  S.  407  t 

17.  Hermes.    H.  0,07.  —  Gefunden  in  Küln  am  Weissen  Hause. 

—  Gut  erhalten,  aber  1.  Hand  abgebrochen. 

Das  r.  Standbein  ist  vorgesetzt,  das.  1.  berührt  nur  mit  den 
Zehen  den  Roden.  Auf  der  1.  Schulter  liegt  eine  Chlamys.  Die  aus- 
gestreckte R.  hält  :den  Beutel.  Auf  dem  kurzen  krausen  Haar  liegt 
der  geflügelte  Petasos.  Auch  die  Füsse  sind  geflügelt.  Die  Proportionen 
sind  etwas  gedrungener  als  wohl  sonst  beim  Hermes. 


Die  antiken  DeDkoiäler  der  Kölner  Privatsamrolusgen. 


73 


18.  Nackter  Mann.    IL  0,11.  —  Gefunden  in  Bingerbrück. 
Die  R.  iät  in  die  Ilüfte  gestemmt,  die  L.  hält  ein  Schwert  in  der 

Scheide.    Auf  der  I.  Schulter  eine  eingedrückte  Stenipelforra.    Unför- 
mig kleiner  Kopf  und  Oberkörper. 

19.  Jugendlicher  Herakles.    H.  0,095.  —  Gefunden  iu  Köln. 
Die  unter  dem  Kinne  zusaiimiengeknü]>fte  Löweuluiut  ist  chlamys- 

artig  um  die  L.  gewunden;  die  R.  schwingt  die  Keule. 
Vgl.  zu  Nr.  1. 

20.  Desgleichen.  H.  0,07.  —  Gefunden  ia  Köln.  —  Rohere  Arbeit 
als  Nr.  19. 

21.  Desgleichen.    H.  0,06.  —  Gefunden  in  Köln. 

22.  Desgleichen.  —  Gefunden  in  Köln.  —  Von  den  Knieen  an  ab- 
gebrochen, auch  die  Hände  fehlen. 

In  ruhiger  Stellung,  sonst  wie  Nr.  19. 

22.  Fortuna.   11.  0,0G.  —  Gefunden  in  Köln.  —  Schlecht  erhalten. 
Die  Gottin  ist  bekleidet  mit  langem  gegürteten  Chiton  und  einem 

auf  der  Schulter   befestigten  Mantel.    Die  L.  scheint  ein  (jetzt  abge- 
brochenes)  Füllhorn    gehalten  zu  haben;  auch  die  R.  (Hand  abgebr.) 
muss  ein  Attribut  gehalten  haben,  wahrscheinlich  ein  Ruder. 
Vgl.  Friederichs  a.  a.  0.  S.  423. 

23.  Erot.    H.  0,005.  —  Gefunden  in  Köln. 

Der  nackte  geflügelte  Eros  (l.  Unterarm  abgebr.)  hält  in  der  R. 
eine  Keule.  Das  doppelt  gescheitelte  Haar  ist  in  der  Mitte  in  einen 
Knoten  zusainniengebunden. 

24.  Desgleichen.  H.  0,14.  —  Schlecht  erhakeu.  Abgebr.  1.  Fuss, 
r.  Arm,  1.  Hand  und  die  Flügel  zur  Hälfte. 

Dargestellt  ist  ein  geflügelter,  schlanker  Ephebe,  der  den  r.  Arm 
ch  erhebt;  das  r.  Bein  steht  auf-  den  Zehenspitzen,  der  r.  Fuss 
scheint  vorgesetzt  gewesen  zu  sein,  rdä  schritte  die  Figur  nach  vorn. 
Der  Kopf  wendet  sich  mit  sanftem  Blicke  nach  der  r.  Schulter.  Das 
langlockige  Haar  ist  hinten  in  Reihen  aufgenommen.  Das  Original  der 
Figur  ist  sicher  von  griechischer  Erfindung,  wenngleich  das  Motiv  der 
Körperhaltung  nicht  klar  ist. 

25.  Lar.  H.  0,045.  —  Gefunden  in  Köln.  Von  den  Knieen  an 
abgebrochen  und  sclilecht  erhalten. 

Der  Lar  ist  mit  einer  flatternden,  kurzen,  gegürteten  Tunica  be- 
kleidet und  schciut  bekränzt  zu  sein;  die  L.  hält  ein  Füllhorn,  die  vor- 
gestreckte R.  hielt  wohl  eine  Patera  oder  Aehren. 

üeber  diesen  Larentypus  vgl.  Friederiche  a.  a.  0.  S.  438  ff. 


74 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  PriTatsrunnilangen. 


26.  Kleiner,  nackter,  sitzender  Knabe  mit  hoch  erhobenen  Händen. 
H.  0,038, 

27.  Kleine,  karrikaturartige,  miinnliclie  Figur,  um  deren  Brust 
Kreuzbänder  »eben.  Die  r.  Faust  ist  erhoben,  l  Fuss  abgebrochen; 
sehr  rohe  Arbeit. 

28.  Hypnos  (?).  H.  0,075.  —  Gefunden  an  der  Heidenraauer  bei 
Kreuznach.  —  Abgebr.  r.  Unterarm,  r.  Fuss  und  halber  1.  Fuss. 

Ein  lockiger  nackter  Knabe,  aus  dessen  Haar  Flügel  wachsen, 
schreitet  nach  vora,  indem  das  1.  Bein  zurückgesetzt  ist.  Der  Kopf 
neigt  sich  leicht  nach  der  I.  Schulter.  Die  gesenkte  L.  hält  einen  un- 
deutlichen Gegenstand.  Ernster  Gesichtsausdruck.  Durch  die  etwas 
rohe  Arbeit  schimmert  doch  noch  ein  gutes  Original  hindurch. 

Verglichen  mit  dem  bekannten,  durch  die  Madrider  Statue  (Ar- 
chäol.  Zeit.  XX,  Taf.  CLVII)  repräsentirten  Typus  ist  die  Figur  kind- 
licher und  weniger  bewegt. 

29.  Frau..    H.  0,08.  —  Gefunden  in  Köln. 
Die  Figur   ist   bekleidet  mit    einem  langen  Chiton,  der  mittelst 

eines  Obcrgewaiides  um  die  Hüften  festgegürtet  ist.    Wolliges  zurück- 
gestrichenes Haar.    Lächelnder  Gesichtsausdruck.    Die  vorgestreckte  ß. 
hält  eine  Patera,  die  L.  einen  undeutlichen  Gegenstand. 
Vielleicht  ein  Weihgeschenk.    Vgl.  zu  Nr.  14. 

30.  Weibliche  Figur.    H.  0,065.  —  Gefunden  in  Köln. 

L.  Standbein.  Die  Figur  ist  bekleidet  mit  einem  langen  Chiton 
mit  gegürtetem  üeberschlag.  Ein  Obergewand  liegt  schleierartig  auf 
dem  Iliuterkopfe  auf  und  ist  mit  dem  einen  Ende  um  den  1.  Unterarm 
geworfen.  Die  L.  ruht  am  Busen,  die  H.  ist  vorgestreckt.  —  Rohe  Arbeit 

Vgl.  zu  Nr.  29. 

31.  Demeter  (?).  H.  0,1«.  —  Gefunden  in  Köln.  —  Schlecht 
erhalten. 

Die  Figur  (r.  Standbeinl'ist  nach  r.  vorgeschritten.  Bekleidet  ist 
sie  mit  einem  langen  Chiton  und  einem  auf  dem  Kopfe  aufliegenden 
Obergewande,  das  um  den  r.  Arm  (Unterarm  abgebr.J  geworfen  und 
mit  finera  Umschlage  über  die  1.  Schulter  zurückgeworfen  ist.  Auf 
dem  Kopfe  ein  hoher  abgebrochener  Aufsatz  (mit  Halbmond?).  Die 
vorgestreckte  L.  scheint  ein  Aehrenbüschel  zu  halten.  Gutes  Ge- 
wandmotiv. 

Eine  ganz  ähnliche  Bronze,  in  der  R.  eine  Fackel  aufetützend, 
aus  Kypros  in  das  Berliner  Museum  gekommen,  beschreibt  Fried crichs 
a.  a.  0,  Nr.  1873. 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  PriTat8ammlun;^n. 


76 


32,  Etruskisclie  Bronze.  H.  0,09.  —  Stammt  aus  der  Mer- 
lo'schen  SammluDg. 

Eine  mit  langem,  faltenlosen  Chiton  bekleidete  Frau  scheint  das 
Gewand  mit  der  L.  in  die  Höhe  zu  ziehen.  Lächelnder,  archaischer 
Gesichtsausdruck.    Im  Profil  gesehen  ist  die  Figur  brettartig  flach. 

Eine  Reihe  ähnlicher  Figuren  bei  Micali,  Storia,  I,  Ann.  XXXII  f.; 
Inghirami,  Mon.  Etr.  III,  X  ff. 


b.  Thierfiguren  (32-50). 
In  der  Sammlung  Wolff  (Nr.  33—56): 

33.  Zwei  liegende  Frösche  (1.  0,02), 

34.  Ein  auf  der  Rückseite  abgeplatteter  Delphin,  wahrscheinlich 
ein  Affix. 

34a.  Desgl.,  hohl  gegossen,  wird  also  wohl  gleiclifalls  als  Affix 
gedient  haben. 

35.  Eine  auf  dem  Boden  kriechende  Schlange  von  halbmond- 
förmiger Gestalt  (1.  0,042),  vielleicht  ein  Mithrassymbol.  —  Vgl.  Cara- 
panos,  Dodone  et  ses  ruines,  pl.  XXI,  8. 

36.  Schildkröte  (1.0,028);  vgl.  Beger,  Thes.  Brandenb.  UI,  p.  374. 

37.  Ein  Hahn  (H.  0,04). 

38.  Eine  den  Kopf  zurückwendende  Taube  (0,05). 
38a.  Eine  auf  einer  Basis  stehende  Taube  (0,04). 

39.  Die  obere  Hälfte  einer  gleichsam  schwimmenden  Ente  (1.  0,04). 

40.  Ein  Vogel  mit  herabhängendem  gebogenen  Schnabel  auf  teller- 
förmiger Basis,  welche  hinten  eine  Oese  (zum  Aufhängen?)  hat,  h.  0,1)4. 
"Wahrscheinlich  ein  Amulet. 

41.  Widder  mit  lockigem  Fell  (h.  0,03), 

42.  Ein  gut  gearbeiteter,  dahinschreitender  Ziegenbock  (1.  0,06) 
aus  Heddcrnheim. 

42  a.  Eine  stehende  Ziege  (h.  0,02). 

42  b.  Bockskopf,  als  Aufsatz  eines  glockenförmigen  Geräthes  (h,  0,03). 

43.  Gemse  oder  Steinbock  (1.  0,03), 
43a.  Desgl.    Etwas  unförmlich;  diente  wohl  als  Affix. 

44.  Galoppirendes  Pferd  (die  r.  Beine  abgebr.),  aus  dessen  Rücken 
ein  Ansatz  mit  Oese,  also  "wohl  zum  Anhängen,  wächst  (1.  0,04). 

45.  Hund  mit  emporgerecktem  Halse,  den  Kopf  zur  Seite  wendend 
(h.  0,03). 


76 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölaer  Privat BammluBgen. 


46.  Desgl.,  auf  einem  Steine  stehend  und  gleichsam  zurück- 
schauend,  sehr  lebendig  gebildet  (1.  0,025). 

47.  Maus,  welche  mit  den  Hinterbeinen  auf  einer  tellerförmigen 
Basis  steht  und  mit  den  Vonlerbeinea  etwas  zum  Munde  fühit. 

48.  Lowe,  den  Kopf  zur  Seite  wendend;  wahrscheinlich  der  Träger 
eines  Geräthes,  wie  aus  dem  im  Rücken  befindlichen  Einschnitt  her- 
vorgeht (l.  0,044). 

48a.  Desgl.,  wohl  Affix  eines  Geräthes  0-  0,045), 

49.  Springender  Fuchs  (I.  O,0ii)  aus  Heddernheim. 
50—54.  Drei  Schweine,  ein  Eber  und  ein  Bar  (1.  je  0,04). 

55.  Bär,  etwas  mager  (!.  0,05). 

56.  Kuh  (Hirschkuh?),  deren  Hinterbeine  abgebr.  sind,  sehr  mager 
und  laug  gestreckt. 

Sämmtliche  Thierfiguren   von  33—56,  ausgenommen  42  und  49,' 
stammen  aus  der  Gegend  von  Köln. 

c.   Ve  r  s  c  h  i  e  d  e  n  e  s  (57  —  79). 
In  der  Sammlung  Wolff  (Nr.  57—78): 

57.  Sphinx  in  Tkierklaue  endend  (h.  0,06),  wohl  Träger  oder 
Affix  eines  Geräthes. 

58.  Desgleichen,  aber  kleiner. 

59.  Zwei  kleine  Greifenküpfe  (fragraentlrt),  offenbar  von  derselben 
EestimmuDg. 

60.  Adlerkopf  (Affix). 

61.  Schwanenkopf,  dessen  Hals  aus  einem  Blatte  wächst. 

62.  Widderkopf  (Affix). 
G3.  Langbärtiger  Bockskopf  (Affix). 

64.  Löwenkopf  auf  quadratischer  Grundfläche  (h.  0,075;  b.  0,06). 

65.  Bärenkopf  als  Affix  (h.  0,038). 

66.  Gespaltener  Ihif  (Affix). 

67.  Klaue  als  Träger  eines  Geräthes. 

68.  Vicrzehige  Vogelklaue,  aus  deren  Innerm  eine  ballförmige  Ge- 
schwulst wächst. 

69—73.  Griffe  von  Gcräthen:  69.  Adlerhals;  70.  Hammer;  71.  He- 
rakles mit  übergezogener  Löwenhaut;  72.  Hand,  eine  Kugel  haltend; 
73.  Desgleicheu.  74.  Drei  übereinander  kauernde,  nackte  Kinder  über 
einem  Pflanzcnornament ;  vielleicht  ein  Gnfi'.  Ein  ähnliches  Geräth, 
an  welchem  mehrere  übereinander  kauernde,  nackte  Kiuderfiguren, 
mit  Eichhörnchen  abwechselndj  angebracht  sind,  hat  Dorow,  Opfer- 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Privaisammlungen. 


77 


Stätte  und  Grabhügel  der  Germanen  und  Römer,  Tab.  XVIII,  5  ver- 
öffentlicht. 

75.  Phalera.    Durchm.  0,09.  —  Gefunden  in  Köln. 

Ein  geflügelter  Erot  steht  breitbeinig  auf  besonders  angedeutetem 
Boden.  Die  gesenkte  R.  hält  eine  Weintraube  (Pinienzapfen?),  die  L. 
ein  herzförmiges  Blatt  (Epheu?).  Die  doppelt  gescheitelten  Haare  sind 
in  der  Mitte  in  einen  Knoten  xusanimengcbunden;  Augensterne  ange- 
geben. Die  Nase  ist  etwas  abgeplattet  und  die  Oese  an  der  Rück- 
seite zerbrochen. 

Ueber  diesen,  auch  auf  einer  Lauersforter  Phalera  wiederkehrenden 
Eros  mit  Dionysischen  Symbolen  vgl.  0.  Jahn,  Lauersforter  Pha- 
lerae,  S.  11  f. 

76.  Phaleraartige  Scheibe.  —  Durchm.  0,055.  —  Gefunden  in  Köln. 
Sehr  undeutliche  Vorstellung:  Zwei  gegeneinander  gekehrte  Männer, 

von  denen  der  r.  einen  langen,  viereckigen  Schild  auf  dem  Rijcken 
trägt,  der  1.  vielleicht  mit  einem  kurzen  Schwerte  in  der  IL  zum  Stosse 
ausholt  (Gladiatoren?).  Dieselbe  riestinunung  wird  die  bei  Ho  üben 
und  Fiedler,  Denkmäler  von  Castra  Vetera  Tab.  XXIV,  6,  abgebil- 
dete Bronzescheibe  gehabt  haben. 

77.  Desgleichen.  —  Ein  nackter  Manu  dringt  von  1.  in  heftiger 
Bewegung  auf  eine  r.  dastehende  Figur  mit  entblüsstem  Oberkörper 
ein,  welche  die  L.  flehend  erhebt  <  Orestes  und  Klytaimaestra?). 

78.  Sieben  kleine  Mithrassyrabole:  Leiter,  Eidechse,  Schlange 
(eine  viel  grössere  in  der  Sammlung  Herstadt;  vgl.  auch  Nr.  3(5),  ein 
kamraartiges  Geräth  von  die.'^er  Form:  'vUJQiX?»  «las  Ende  einer 
Schaufel,  eine  Hand  und  der  Querbalken  einer  Wage.  Sämmtliche 
Gegenstände,  zusammen  in  Köln  gefunden,  sind  nicht  länger  als  0,06. 

79.  In  der  Sammlung  Herstadt  befindet  sich  ein  kleines  (h.  0,145), 
bei  Köln  am  Weissen  Hause  gefundenes  Tropaeum,  sehr  verrostet, 
aber  trotzdem  gut  zu  erkennen:  An  einen  schlanken  Stamm  mit  Quer- 
ast ist  ein  Panzier  mit  Achselklappen  gehängt,  aus  dessen  Armaus- 
schnitten die  befranzten  Lederstreifen  hervorsehen;  am  unteren  Rande 
gleichfalls  befranzte  Lederst  reiten  und  darüber  /ireQiyeg;  am  Hals- 
ausschnitt sieht  der  Rand  der  Tunica  hervor;  um  den  Leib  ist  ein 
cingulum  gegürtet,  dessen  Enden  nochmals  diirchge.steckt  sind.  Darüber 
hängt  ein  römischer  Helm  mit  BackenUiscben,  und  an  zwei  tieferen 
Aesten  des  Stammes  sind  zwei  Beinschienen  aufgehängt.  Das  Ganze 
ist  wie  Hochrelief,  aber  hohl  gegossen. 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  PriTatsammlangcn. 

B.   Metallgeräthe  (80-92). 
lu  der  Sanimluug  Herstadt  (80—86): 

80.  Kleiner  Spiegelrabmen  (Blei);  auf  der  Rückseite  ein  Adler  in 
Relief  (h.  0,11). 

81.  lleicb  gravirter,  silberner  Spiegel  mit  Griff  (Durchm-  0,11), 
sehr  lerstört,  gefunden  in  einem  Sarge  zasammen  mit  mehreren  aoderea 
silberara  Qegenstandeu  in  der  Ursulagartenstrasse.  —  Ausser  einem 
BroQicspiegel  und  zwei  bruiueuen  Spi^elgiiffen  besitzt  die  SammlaBg  ■ 
noch  einen  schönen  Spiegelgriff,  aus  einem  Pflanzenomameoi  gebfldekl 
mit  einer  Maske  am  Spicgelraode  und  r.  und  1.  davon  in  zirei  Vogel' 
h&lse  mit  gewundenem  Sdinabel  ausgehend. 

82—86.  Fttnf  silbene  Löffel,  mit  einer  sitbenai  Fibula  za- 
SftMmengefundeQ. 

83.  Siehtöflelchen  (1.  0,15),  in  dessen  IGue  ein  durch  Löcher  gO' 
bildetes  Bakenkreux  sich  befindet 

V^.  den  FamftjßxMkoL  Sichlöffel  bei  Gargiulo,  Mnseo  Xazi»- 
nale  di  Napoli  TL,  59. 

84  SchAMT  LMd  mUL  glattem  Stiel,  ans  der  Gastte^tahc» 
Saauiiuig.  bn  Innen  «an  ciigf aTüte  Palaette  nnd  dnnrai  ew  Lti-i 
hisciMB  l^yaatiMi  (L  0a6X 

86.  LÜel  MB  der  Gartbe'scbea  Sammlnag;  der  Stiei  ist 
^nB  gugliniirt^    Im  Innen  des  Lifeb  ongniirt  eine  Vnse;  an 

QH^B     CM     tBXMBGBBk   lrBlCBBBflM&    ■B^QRIBL«    MHIT    Q^t    vSBI 

fimidiito  UnscM  (Sckkiss  nach  nnten). 

Achnladka  Qnimetr  knhcea  nnf  4m  GnSm  einiger 
nii^ftihnder  Tnriner 


Ki. 


MV. 


BMMVSl 


Die  ontikea  Denkmäler  der  Kölner  Privaiaammlungen. 


79 


89.  Bronzener  Fingerhut  für  den  Daumen  (h,  0,04).  An  der  Spitze 
ein  Stern  mit  vier  Strahlen. 

90.  Eigentliüinliches  Gefäss  von  Bronze  (h.  0,032),  etwa  einem 
Schröpfkopfe  ähnlich. 

91.  Medicinische  Geriithe,  welche  in  der  S|)iesergasse  in  Köln  in 
einer  Urne,  zusammen  gefunden  worden  sind:  ein  ilacher,  oblonger 
Stein,  wohl  zum  Reiben  von  Salben  (h.  0,058;  I.  0,0Ö),  ein  Reibgviffel, 
eine  kleine  Zunge  (l.  0,05),  eine  stumpfe  Knopfuadel  (1.0,1^5)  und  ein 
Ohrlöffel  (1.  0,124). 

92.  Eine  grosse  Anzahl  chirurgischer  Instrumente,  auch  diese  oft 
noch  geschmackvoll  verziert. 


C.   Schmucksachen. 

a-  Fingerringe  (93  —  103). 

In  der  Sammlung  Herstadt  (93  —  95); 


93.   Goldi 


In   dorn   Ste 


(Nicolo) 


sich 


ligendc 


veremi 
Hände,  und  dahinter  Aehren,  Mohn  und  eine  Blume. 

Der  in  Xanten  gefundene  Hing  ist  abgebildet  bei  Houben  und 
Fiedler,  Denkrimler  von  Castra  Vetera,  Tab.  XXII,  15.  Vgl.  auch 
den  geschnittenen  Stein  ebeudas.  XLIII,  51.  —  Ueber  die  verschlungenen 
Hände,  das  Symbol  der  Eintracht,  vgl.  Büttiger,  Vasengemälde  II,  118. 

94.  Bronzeriug  (NicoloJ.  In  dem  Steine  ein  behelmter  Athena- 
kopf  (e.  pr.)  0.  l.  (ein  ähnlicher  Ring  abgebildet  bei  Huubeu  und 
Fiedler,  a.  a.  0.,  Tab.  XXII,  16). 

95.  Vergoldeter  Bronzering  mit  geripptem  Rande  aus  der  Garthe'- 
schen  Sammlung.  Im  Stein  (Nicolo)  ein  römischer  Soldat  in  Stiefeln, 
kurzer  Tutiica  und  Panzer,  Helm  und  einem  auf  der  r.  Schulter  be- 
festigten Mantel;  von  den  Armausschnitten  und  dem  unteren  Riinde 
des  Panzers  hängen  befranzte  Lederstreifen  herab.  In  der  L.  schultert 
der  Soldat  em  gebogenes  Schwert,  die  herabhängende  R.  hält  die  Scheide. 

In  der  Sammlung  Wolff  (96  —  103): 

96.  Bronzering  mit  Bauilugat,  darin  ein  kauernder  Greif. 

97.  Bronzering  mit  Nicolo;  darin  schöne  Amphora  mit  Masken 
unter  den  Henkeln.  —  Ein  ähnlicher  Ring  bei  Houben  und  Fiedler, 
a.  a.  0.  Tab.  XXII,  14. 

98.  Bronzpring  mit  grünem  Jaspis;  darin  eine  nackte  Frau  mit  einem 
nackten  Knaben  au  der  Hand  dahin-schreitend  (Aphrodite  und  Eros?). 


80 


Die  antiken  Denkmäler  der  Köloer  PriTRUaininlangeo. 


99.  Bronzering  mit  hellblauem  Jaspis ;  darin  eine  bekleidete  For- 
tuna (n.  l),  in  der  L.  ein  Ruder,  in  der  R.  ein  Füllhorn  haltend. 

100.  Bronzering  mit  Agat;  darin  eine  kleine,  bekleidete  Figur. 

101.  Bronzering  mit  dunkelblauem  Stein;  darin  ein  weibliches, 
bekleidetes  Brustbild. 

102.  Bronzering  (Durchm.  0,055),  gefunden  in  Köln  in  der  Spie- 
sergasse, aussen  mit  drei  WidderkÖpfen  und  drei  Mal  mit  je  drei  runden 
Knöpfchen. 

103.  Silberring  aus  Heddcrnheim.  Im  Steine  (Jaspis?)  eine  be- 
kleidete, gcHügclte  Victoria,  in  der  L.  einen  Zweig  (?)  haltend,  in  der  R. 
einen  Kranz  erhebend. 


b.   Fibulae. 

Indem  wir  den  im  vorstehenden  verzeichneten  Denkmälern  und 
Gerätlicn,  deren  figürliche  Darstellungen  für  uns  die  Hauptsache  waren, 
die  Klasse  bronzener  Schmuckgeräthe  anreihen,  bei  denen  die  rein 
architektonische  Bildung  der  allein  oder  wesentlich  bestimmende  Ge- 
sichtspunkt ist,  sehen  wir  uns  genöthigt,  die  beschreibende  Behand- 
lungs weise  dabei  aufzugeben.  Wie  wenig  eine  solche  allein  nutz- 
bringend ist,  wird  Jeder  bemerkt  haben,  der  z.  B.  den  die  Fibulae 
behandelnden  Abschnitt  in  dem  sonst  so  musterhaften  Katalog  von 
Fr  iederichs  [Berlins  ant.  Bildw.  II,  S.  96—100}  untersucht.  Der  Werth 
desselben  beruht  in  der  That  fast  ausschliesslich  in  den  allgemeinen 
Bemerkungen  des  Verfassers  über  diese  Gattung  von  Schmuckgegen- 
ständen, während  die  beschreibende  Aufzählung  der  einzelnen  Stücke 
über  Detailfragen  weder  der  Ornaiuentation  noch  der  Form  genügende 
Auskunft  zu  geben  im  Stande  ist,  was  vielmehr  nur  eine  Anzahl  von  Äb- 
bildungea  oder  Verweisung  auf  bereits  bekannte  Publikationen  bewirken 
konnte.  Einem  ähnlichen  Uebelstande  abzuhelfen,  ist  die  auf  photo- 
graphischer Nachbildung  beruhende  Taf.  IV — V  bestimmt,  auf  welcher 
man  die  wichtigsten  Typen  der  in  den  Kölner  Sammlungen  der  Herren 
Herstadt  und  Wolff  betindlichen  Fibulae  vereinigt  findet.  Diese  Samm- 
lungen sind  in  der  That  so  reich  an  verschiedenen  Formen,  dass  ihnen 
kaum  ein  wesentlicher  Typus,  der  auf  diesem  Gebiet  der  antiken 
Technik  hervorgebracht  ist,  fehlt.  Im  Folgenden  ist  deshalb  der  Ver- 
such gemacht,  die  einzelnen  Fibulae  unter  den  allgemeinen  Gesicht 
punkt  ihrer  Formentwickelung  zu  stellen. 

Aus   dem   Zwecke   der   Fibula,   zwei  Gewandenden  mit  einander 
künstlich  zu  verbinden,  ergiebt  sich  zunächst  die  Form  einer  dergestalt 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Privatsammlungen. 


fil 


umgebogenen  Nadel,  daas  ihre  Enden  gleichsam  zangenartig  den  Stoff 
zwischen  sich  fassen,  sich  in  ihrer  Mitte  zu  einer  Curve  aufbiegen, 
welche  dem  zusammengedrängten  Stoffe  Spielrftum  gewährt,  und  endlich 
durch  ihre  Vereinigung  die  Trennung  beider  Gewandstücke  verhindern. 
Je  nachdem  nun  eine  solche  Nadel  künstlerisch  gestaltet  wird,  kann 
man  zwei  Hauptgattungen  von  Fibulae  unterscheiden:  entweder  ent- 
wickelt sich  der  eine  Nadelarm  zu  einer  bü^clartigen  Form,  in  welcher 
der  Zweck  der  Fibula,  wenn  auch  verschleiert,  so  doch  für  das  Auge 
nicht  aufgehoben  wird,  oder  der  obere  Arm  der  Nadel  gewinnt  eine 
rein  künstlerische,  dem  Auge  wohlgefälligere  Form,  unter  welcher  der 
ursprüngliche  Zweck  völlig  versteckt  ist.  Zu  der  letzten  Klasse  rechnen 
wir  alle  knöpf-  oder  scheibenförmigen  Fibulae,  sowie  alle  die,  deren 
oberer  Thei]  in  eine  bildliche  Darstellung  umgewandelt  ist.  Diese 
Klasse  sowohl  wie  jene  andere,  mehr  zweckentsprechend  aber  weniger 
schön  gestaltete  der  bügelfürraigen  Fibulae  werden  im  Alterthum  neben 
einander  in  Gebrauch  gewesen  sein,  aber  man  begreift,  weshalb  gerade 
die  knopfförmigen  Fibulae  sich  fast  ausschliesslich  auf  den  Bildwerken 
der  guten  und  besseren  Zeit«dargestellt  finden,  die  bügelföruiigen 
Fibulae  dagegen,  obgleich  sie  ohne  Zweifel  die  ursprüngliche  und 
älteste  Gattung  kennzeichnen,  erst  wieder  auf  den  Denkmälern,  wie 
Diptychen,  Mosaiken  u.  s.  w.  der  späteren  Kaiserzeit  erscheinen ,  und 
zwar  auch  da  wieder  in  einer  Form,  die  als  der  Ausläufer  des  guten 
Geschmackes  gelten  muas. 

a)  Als  einfachste  und  roheste  Form  der  Fibula  hat  man  die  unter 
Nr.  14  verzeichnete  angesehen,  bei  welcher  die  obere,  das  Gewand 
zusammendrückende  Nadel  (1,004)  die  ursprüngliche  drahtartige  Gestalt 
behalten  und  nur  da,  wo  sie  in  die  untere  Stichnadel  übergdit,  zwei 
Mal  spiralförmig  umgebogen  ist,  um  durch  diese  Windung  gegen  den 
Stoff  elastischer  wirken  zu  können.  Die  Fibula  stammt  aus  Köln. 
"Von  gleicher,  höchst  primitiver,  nur  mehr  regelmässiger  Construction 
ist  eine  in  Dodona  gefundene  Fibula,  abgebildet  bei  Carapanos, 
Dodone  et  ses  ruines  IM,  LI,  7.  Als  eine  spielende  Eutwicklnng  dieser 
einfachsten  Gestalt  muss  man  die  beiden  zur  voUstitiKligsten  Zaugen- 
form  umgewandelten  Fibula  bezeichnen,  von  denen  Nr.  18  (1. 0,09)  aus 
der  M er lo 'sehen  Sammlung,  Nr.  16  (1.0,0(5)  aus  Dormagen  stammt. 
Die  letztere  trägt  auf  dem  Bügel  eine  in  der  Abbildung  nicht  ersicht- 
liche eingravirte  lineare  Verzierung.  Während  diese  Ausbildung  der 
zwei  Zangennadeln  zur  wirklichen  Zangenform  nicht  allzu  häufig  vor- 
zukommen scheint,  —  mir  ist  aus  Abbildungen  nur  das  Berliner  Exem- 

6 


82 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Priyatiammlgagwi. 


plar  bei  Beger,  Thesaarus  Brandenburgensis,  III.  p.  432, 1  bdtaiml  — 
besitzen  wir  dagegen  eine  stattliche  Reihe  von  Fibeln,  bei  denen  die 
drahtfurmige  und  wie  bei  den  vorigen  mit  der  Sticbnadel  durch  eine 
Spiralwinduog  verbundene  BQgelnadel,  bevor  sie  sieb  wiederum  der 
Stichnadel  anschliesst,  mehrere,  keineswegs  immer  symmetrische  Bie- 
gungen macht,  durch  welche  offenbar  ein  scheinbares  sich  Anschmiegen 
an  die  darunter  liegenden  Gewandfalten  zum  Ausdruck  gebracht  werden 
sollte.  Diesen  Typus  repräsentiren  Nr.  12  und  13,  bei  welchen  die 
Stichnadel  durch  das  hakenförmige  Ende  der  Bügelnadel  festgehalten 
zu  werden  scheint.  Sehr  bizarr  und  unschön  sind  die  Biegungen  des 
Bügeldrahtes  bei  Nr.  21,  womit  sich  eine,  wenn  auch  viel  regelmässiger 
geformte  Fibula  des  Hallstädter  Grabfeldes  (bei  v.  Sacken,  Taf. XIII, 
13)  vergleichen  lässt.  Das  der  Nadel  zum  Halt  dienende  Ende  des 
Bügels  ist  zu  einer  tellerförmigen  Spirale  gedreht,  eine  Form,  die  be- 
sonders bei  Etruskischen  Fibulae  wiederkehrt  und  unten  weiter  be- 
sprochen werden  wird.  Eine  nur  scheinbare  Abweichung  dieser  Gat- 
tung bietet  die  aus  der  Sammlung  des  Prinzen  Wittgenstein  stammende, 
durch  ihre  aussergewöhnliche  Grösse  (0,18)  ausgezeichnete  Fibula  Nr.  11, 
insofern  hier  die  Bügelnadel  ohne  Windungen  rechtwinklig  auf  der  in 
ein(^  Knr^pf  endenden  Stichnadel  ansetzt,  während  ihr  entgegengesetztes 
Ende  anstatt  in  einen  Haken  in  einen  jetzt  sehr  zerstörten,  grossen 
Teller  ausgeht,  auf  welchem  innerhalb  zweier  concentrischer  Kreise  ein 
HenkcJkreuz,  das  uns  auch  sonst  noch  unter  den  Fibulae  begegnen 
wird,  eingravirt  ist.  Fibulae  derselben  Construction,  nur  hie  und  da 
am  Kopfe  der  Stichnadel  noch  etwas  künstlerischer  gestaltet,  begegnet 
man  überaus  häufig  auch  im  Norden,  besonders  in  den  Gräbern  Jüt- 
lands  wie  in  Norddeutschland  (vgl.  So pbus  Müller,  die  nordische 
Bronzezeit  S.  35  zu  Fig.  33);  wir  finden  sie  wieder  einfacher  in  Sfld- 
deutschland  (vgl.  Lindenschmidt,  Alterth.  aus  heidn.  Vorz.  II, 
Heft  XI,  2,  4),  in  Frankreich  (Linden Schmidt,  a.  a.  0.  11,  Hefl  XI, 
2.2)  und  in  den  Gräbern  von  Hallstadt  (vgl.  v.  Sacken,  Grabfeld  v. 
Hallst.  Taf.  XXVI,  17);  gerade  an  letztem  Orte  gefundene  Exemplare, 
wie  ein  im  Museum  zu  Wiesbaden  (Lindenschmidt,  a.  a.  0.  I, 
Heft  VII,  3.  8)  befindliches,  dürfen  als  üebergangsglieder  zu  der  be- 
sonders in  Etrurien  häufigen  Form  gelten,  die  indessen  auch  am  Rhein 
und  in  Süddeutschland  ihre  Vertreter  hat  (vgl.  Lindenschroidt,  a. 
a.  0.  I.  Hefl  IX,  2,  2  und  Lindenschmidt,  die  Vaterl.  Alterth.  der 
F.  Hohenz-  Samml.  zu  Sigmaringen,  Taf.  XIU,  10  und  11),  und  die 
sich,  abgesehen   von   einem   grösseren  Schwung  in  der  Führung   des 


Die  antiken  DeQkTn9.]er  der  Kölner  Privatsammlungen. 


88 


Bügels  dadurch  auszeichnet,  dass  die  Windungen  der  Bügeloadel  nicht 
an  ihren  Anfang,  sondern  meist  an  die  Mitte  verlegt  sind.  An  diese 
Windungen  setzten  sich  bei  den  Etruskischen  Fibulae  oft  in  einer  etwas 
bizarren  Weise  allerlei  knopfavtige  Auswüchse  an,  so  bei  den  Nadeln 
aus  Corneto  (Monumenti  dell'  Inst.  arch.  1874,  Vol.  X,  Taf.  Xb  7 
und  11)  und  der  Gr-ibfibula  aus  Praeneste  (ebendas.  1876,  Vol.  X, 
Taf.  XXXI,  a,  7  a,  vgl.  auch  die  offenbar  itaJische,  nah  verwandte 
Form  der  Sigmaringer  Sammlung  bei  Linden  Schmidt,  a.  a.  0. 
Taf.  XXXVII,  6  und  die  Hallstädter  Fibulae  bei  v.  Sacken,  a.  a.  0. 
Taf.  XIV,  9  und  10).  Wenn  wir  Exemplare  dieser  Gattung  mit  einer 
derartig  origiiielleti  Verzierung,  wie  Nr.  15  und  Nr.  27  zeigen,  auch 
am  Rhein  wiederfinden,  so  dürfen  wir  dieselben  unbedenklich  ihrem 
Formcharakter  nach  als  etruskische  Fibulae  bezeichnen,  gleichviel  ob 
sie  aus  P^trurien  importivt  oder  nur  in  Nachahmung  etruskischer  Formen 
in  Deutschland  verfertigt  sind.  Eine  derartige  Seitenverzierung  des 
Bügels  durch  Knöpfe  verbot  natürlich  bei  einem  mehr  ausgebildeten 
Geschmacke  die  Windung  des  Bügels,  erlaubte  dagegen,  dass  derselbe 
theils  stärker  (Nr,  15),  theils  bandartig  breiter  (Nr.  27j  gebildet  wurde. 
Wie  sehr  dies  im  Grunde  unorganische  Ansetzen  rundlicher  Verzie- 
rungen oder  gar  schematisch  gebildeter  Figuren  auf  Gefässhenkeln 
(Monum.  delT  Inst.  X,  XXXII,  7)  und  ähnlichen  rein  architektonisch 
gebildeten  Geräththeilen  dem  Etruskischen  Geschmacke  zusagte,  ist  be- 
kannt genug')  (vgl.  z.  B.  die  gerade,  mit  drei  Sphinxen  besetzte 
Etruskische  Goldfibel  bei  Micali,  Storia  etc.  II,  Tav.  XLVI);  wir 
verweisen  unter  den  deutschen  Fundstücken  hierbei  noch  auf  die  kegel- 
förmigen Spitzen,  welche  als  Mittelvcrzierung  an  dem  grossen  Gold- 
ringe von  Besseringen  (Bonner  .Jahr bb.  XLI,  Taf.  1, 1)  angebracht  sind. 
Während  diese  Ornamente  mit  plastischem  Charakter  unzweifel- 
haft einer  schon  vorgerückteren  Zeit  angehören,  weisen  uns  dagegen 
die  unter  Nr.  25  und  Nr.  20  abgebildeten  Fibulae  in  eine  ältere 
Periode.  Zwar  ist  der  ihrer  Construction  zu  Gruiule  liegende  Gedanke 
auch  der  besprochenen  Gattung  eigen,   insofern   der  Bügel    sich    noch 


1)  Es  wiederholt  sich  auch  besonders  bei  den  »og,  Fränkiscb-Alamanniscben 
Fibalae,  nnd  man  hat  darin  eine  Nachahmung  von  Perlenschmuck  sehen  wollen; 
ich  glaube  vielmehr,  dasis  auch  hier  ein,  wenn  auch  ferner  Nachklang  jener 
Etruskischen  Dekorationsweise  zu  erkennen  ist,  and  mache  noob  auf  den  bei 
jenen  Fibulae  sehr  gewöhnlichen  Abschluss  eines  länglichen,  stilisirten  Thier- 
kopfes  aufmerksam,  eine  Form,  die  sich  z.  B.  in  ganz  derselben  Weise  bei  Etrus- 
kiacben  Spiegelgriffen  wiederholt;  Tgl.  Gerhard,  Etnuk.  Spiegel,  I,  Taf.  XXIII  ff. 


84 


Die  antiken  Donkm&ler  der  Kölner  Privataammlungen. 


vermittelst  einer  Windung  aus  der  Stichnadel  entwickelt,  aber  weder 
schweift  er  zu  willkürlichen  Curven  aus,  noch  lässt  er,  eben  in  Folge 
seiner  einfacheren,  strengeren  Form  eine  andere  als  graphische  Ver- 
zierung zu.  Man  ptiegt  diese  Fibulae  mit  Recht  zu  den  ältesten,  uns 
erhaltenen  zu  rechnen;  ihr  ornamentaler  Charakter  ist  der  einer  rein 
linearen  Verzierung,  ein  Stil,  den  Conze  (Zeitschr.  f,  oest.  Gymnas. 
1873,  836)  seinem  Ursprünge  nach  gewiss  mit  Recht  als  „t«xtil-erapä- 
stlsch"  bezeichnet  hat.  Unter  diesen  Fibulae  finden  sich  meist  sehr 
grosse  Exemplare;  Nr.  25,  aus  der  Sammlung  des  Prinzen  Wittgenstein 
herrührend,  hat  die  Länge  von  0,16.  Der  schön  gerundete  Bflgel, 
dessen  Ende,  ahnlich  wie  bei  Nr.  11,  zur  Aufnahme  der  Stichnadel  in 
eine  grosse  tellerartige  Rille  übergeht,  schwillt  nach  der  Mitte  zü 
leicht  an  und  ist  rings  herum  mit  feinen  Doppelkreisen  ornamenUrt 
Gleiche  oder  noch  kunstreicher  verzierte  Exemplare  fanden  sich  nicht 
nuram  Khcinin  Siuldeutschland  (Lindenschmidt,  Alterth.  I,  Heft  IX, 
II,  5  und  C),  sondern  auch  in  den  Gräbern  von  Hallstadt  (v. Sacken, 
a.  a,  0.  Taf.  XIH,  11,  14,  15).  Mehr  dem  Süden  eigen,  obwohl  auch 
durch  Deutschland  verbreitet,  ist  die  feinere  und  vielleicht  noch  ältere 
Form  26.  Die  geometrische  Dekorationsweise  des  Bügels,  der  hier 
nach  der  Mitte  zu  breiter  anschwillt  und  nach  innen  geöffnet  ist,  be- 
steht meist  aus  schraffirteu  Fekleru,  Zickzacklinien  und  Würfelaugen, 
Dekorationselementen,  welche  noch  unbekümmert  um  die  Form  des 
Gegenstandes  den  Raum  ausfüllen.  Exemplare  dieser  Gattung  fanden 
sich  in  Holstein  (Lindenschmidt,  I,  Heft  IX,  11,  1  und  3),  am 
Rhein  (ebendas.  Nr.  4),  in  Süddeutschland  (ebendas.  Heft  VII,  III,  9) 
in  Corneto  (Monum.  dell'  Inst.  1874,  Vol.  X,  Tav.Xb,  9),  wie  in 
Italien  überhaupt  (vgl.  Lindenschmidt,  Vaterl.  .\lterth.  zu  Sigma- 
ringen, zu  Taf.  XXXVIII),  in  Dodona  (Carapanos,  a.  a.  0.  I'l.  LI, 
1)  und  in  etwas  stilvollerer  Gestalt  auch  noch  in  Pompeji  (Gargiulo, 
Museo  Nationale,  111,  12). 

Derselben  Form  verwandt,  aber  darin  abweichend,  dassdieN&del 
mit  dem  Bügel  durch  einen  Knopf  verbunden  ist,  während  dieser  selbst 
mit  dein  entgegengesetzten  Ende  sich  schnabelartig  zurückbiegt,  ist 
die  Fibula  Nr.  23  (1. 0,08),  aus  der  Sammlung  Minutoli  stammend  und 
ihrer  Form  nach  offenbar  Italischen  Ursprungs;  wenigstens  tragen  bei 
den  Exemplaren  dieser  Gattung  die  phantastischen  Köpfe,  in  welchen 
meist  das  Ende  des  Bügels  ausgeht,  oder  die  der  Mitte  desselben  auf- 
geprägten Masken  (vgl.  Lindenschmidt,  Alterthümer  II,  Heft  IV, 
Taf.  2)  durchaus  etruskischen  Charakter;    eine  ähnliche  Fibula  fand 


Die  antiken  Denkm&ler  dor  Kölner  PnTatB&mnilungeD 


85 


sich  auch  einmal  zusammen  mit  einer  Etruskischen  BronzekaDne  (vgl. 
LindenschraicU,  a.  a.  0.  I,  Heft  IV,  3)  in  einem  Grabe  bei  Weiss- 
kirchen an  der  Saar. 

Diese  ganze  Reihe  der  besprochenen  Fibulae  hat  das  gemein- 
same, dass  (mit  scheinbarer  Ausnahme  von  Nr.  11  und  23)  Bügel  und 
Nadel  aus  einem  Stück  gearbeitet  und  der  ücbergang  nur  durch  eine 
Windung  des  Nadeldrahtes  hergestellt  ist;  die  folgende  Reihe  zeigt 
uns,  dass  der  Bügel  an  einen  besonderen,  meist  röhrenförmigen  und 
nach  unten  offenen  Querstab  angesetzt  ist,  in  welchem  sich  die  Nadel 
wie  an  einem  Charnier  bewegt.  Am  deutlichsten  wird  diese  Con- 
struction  an  den  beiden  Fibelu  Nr.  32  und  Nr.  38  sowie  Nr.  G  und 
Nr.  8.  Bei  den  letzteren  bildet  der  Bügel  ein  einfaches,  schilfartig 
geripptes  Blatt,  bei  den  ersteren  ist  derselbe  schon  künstlicher  profi- 
lirt  und  in  linearer,  aber  geschmackvoller  Weise  ornamentirt,  bei  den, 
gleichfalls  liierhiu  gehörigen  Fibulae  Nr.  19  und  20  ist  die  Protilirung 
des  durchaus  architektonisch  gestalteten  Bügels  soweit  entwickelt,  dass 
z.  B.  Nr,  19  dadurch  fast  die  Form  einer  Vase  erhalten  hat;  dem 
sich  hierbei  einstellenden  Oroament  eines  Wiirfelauges  begegneten  wir 
bereits  auf  deu  Fibulae  (Nr,  2fj)  ältester  Gattung.  Dass  übrigens  auch 
diese  Klasse  von  Fibeln  ihrer  Form  nach  alti tauschen  Ursprungs  ist, 
scheint  mir  unzweifelhaft.  In  der  Profilirung  von  Nr.  20  vcrrath  sich 
auf  das  Deutlichste  das  Detail  antiker  Architektur;  Nr.  8  erinnert  mit 
seinen  knopfartigen  Auswüchsen  (je  5  auf  jeder  Seite)  an  die  oben 
berührte  Etruskiache  Dekorationsweise  und  bei  Nr.  0  und  32  gewahrt 
man  als  Randverzierung  jene  leinen,  wie  ein  gedrehter  Faden  aufgc- 
setzten  Streifen,  in  denen  mau  gleichfalls  wohl  ein  speciell  Etruskischcs, 
bei  Goldarbeiten  häufigeres  Ornament  voraussetzeu  darf.  Die  Fibulae 
Nr.  6,  8  und  3S  scheinen  ihrer  eiufacheren  Gestalt  wegen  einer  älteren 
Zeit  anzugehören,  die  künstlicher  proölirten  Nr.  32  und  20  auf  spätere 
Zeit  hinzuweisen.  Verwandte  Exemplare  fanden  sich  in  Xanten 
{Houben  und  Fiedler,  Denkmäler  von  Castra  Vetera,  Tab.  IX  und 
Tab.  XXIII)  und  in  Dodona  (Qarapanos,  Dodone  et  ses  ruines, 
PI.  LI,  2,  3,  4,  G,  8).  Ihnen  schliesst  sich  die  originelle,  in  der 
Spiesergasse  in  Köln  gefundene  Fibula  Nr.  22  (1.  0,09j  an,  deren 
bronzener,  nach  oben  an  sich  verjüngender,  und  durch  einen  profilirten 
Knopf  abgeschlossener  Bügel  mit  eingelegtem  Silber  ornamentirt  ist. 
Diese  Verzierung  ahmt  deutlich  die  Seiten  eines  Würfels  nach,  wenn- 
gleich die  Neunzahl  der  Würfelaugen  im  Alterthum  nicht  vorkam; 
vielleicht  hat  aber  der  Verfertiger   dieser  Fibula,  die   auf  jeden  Fall 


Dto  antiken  Denkmäler  der  Kölner  PriTatBamnilungen. 


schon  den  Geschmack'  spätrömischer  Kaiserzeit  verräth,  die  Würfel- 
verzicrmig  einer  älteren  Fibula  in  ungenauer  Weise  nachgeahmt'), 
(über  diese  auch  sonst  bei  rijmischeti  Fibulae  vorkommende  Technik 
der  'l'anschirarbeit  vgl.  Lindenschmidt,  die  vaterl.  Alterth.  der 
lldhonz.  S.  zu  Sigmaringen,  S.  47  f.).  Je  nachdem  nun  der  Bügel 
freier  oder  strenger  gestaltet  wurde,  konnte  z.  B.  eine  Form  entstehen 
wie  die  bei  Nr.  '2S  abgebildete  (auch  mit  einem  Wilrfelauge  verzierte), 
irelclie  ihr  Analogou  in  einer,  noch  kunstreicheren  Xantener  Fibula 
(bei  Ho  üben  und  Fiedler,  a.  a.  0.  Tab.  XXin,  4)  hat.  Offenbar 
zeigt  sich  hierin  schon  der  Uebergang  zu  jener  Fibulaform,  bei  welcher 
der  Hauptnachdruck  auf  dem  ganz  frei  und  willkürlich  gestaltete 
Bügel  liegt.  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  den  spätrömischen,  überaos 
hAufigeu  Fibulae,  bei  welchen  der  meist  blattartig  gerippte  Bügel  noch 
durch  eine  frei  ornamentirte  Zierscheihe  gesteckt  ist  (Nr.  8,  9  und  18) 
oder  unter  einer  solchen  liegt  (Nr.  10).  Die  gleichen  Formen  findet 
man  in  den  Xantener  Fibulae  bei  Houben  und  Fiedler  (a.  a.  0. 
Tab.  XXIII.  10,  12,  falls  sie  nicht  mit  der  Kölner  identisch) 
und  bei  Lindenschmidt  (Alterthümer ,  II,  Heft  XII,  Tai:  3). 
Dass  dic^se  ihrer  ganzen  Construction  und  Form  nach  schon  etwts 
rohe  Art  von  Fibulae*  erst  dem  späteren  AUertham  aogehdre% 
kann  auch  aus  dem  Nr.  8  beigeßigten  Anhängsel,  des  an  eiiMr 
Erxkette  hängenden  Tmperatorenmi^daillons,  geschlossen  werdeo  (iini 
Fibula  I.  0,14  stammt  aus  der  Garthe'schen  Sammlung)-,  ein  tweitii^ 
an  der  Kette  hängendes  Fragment  lisst  sich  nicht  nihtr  be 
sümmen.  Jedenfalls  genügt  aber  das  Vorhandene  zum  Gegenbeweia» 
gegen  Lindenschmidt's  Annahme  (a.  a.  0.  m  Taf.  3),  als  «irai 
diese  Fibulae  so  getragen,  dass  die  Röhre,  in  wddier  die  Feder  der 
Nadd  lag,  nach  antea  gelegen  hätte:  das  herabhingmide  MMaübn 
bewHSt  gerade  das  Gegei^hctL  Es  sckekt  daher,  dass  aaf  jck 
BOdweikea,  auf  die  sidi  Lindenadnndl  benrfl,  and  in  denen  sie^  nac 
•in  Mosaik  ans  S.  Vitale  in  BaTenna  (bei  A.  Weltmann,  GcsdneMe 
der  Ifaleiei,  F^  49)  flkgen  liasl,  eine  andere  Ait  wen  FibalM  n  cr- 
kenaen  ist»  md  iwar  xtautßätA  die  in  ErensesfKM,  deren  TTpss 


DDmT 
•ÜekaalllMtHi 


(iL  &  dM  nitoJHi  an  Itaü«  1«  LimdsMckvidl, 

«i»  dte  IMlii»  dar  IHrM  m*«;  i|i  B^kalaa, 
AasB  iOr  IML  18»  p.  141  £ 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Priratsammlungon. 


87 


durch  Nr.  1  —  4  repräsentirt  wird.  Die  Construction  dieser  Fibulae 
ist  bei  allen  vieren  dieselbe;  die  Feder  der  Nadel  liegt  tbeils  innerhalb 
der  den  Bügel  traj;;enden  Querröhre  (1  —  3),  tbeils  umschlingt  sie 
dieselbe  noch  einmal  in  Spiralwindiingen  (4).  Verwandte  Exemplare 
zu  Nr.  1  bis  4  findet  man  bei  Beger,  Thesaur.  Brandenb.  III, 
p.  431  ff.,  auch  hier  wieder  mit  den  Wiirfelseiten  von  4  und  6;  Keller, 
Vicus  Aurelii,  Taf.  VII;  Lindenschm j  dt,  Alterth.  II,  Hx'ft  VTI, 
Taf.  3  und  vaterl.  Alterth.  der  Ilohcnz.  S.  zu  Sigmaringen,  Taf.  XXXVII, 
10;  Bonner  Jahrb.  XLVI,  S.  45  ff.;  v.  Sacken,  a.  a.  0.  Taf.  XIV, 
7;  Revue  arch6ol.  1857,  PI.  822,  7.  Während  der  Bügel  sich  noch 
zweckentsprechender  (nls  bei  den  Formen  Nr.  8  —  10)  in  die  Höhe 
hebt,  um  die  Gewandfulte  durchzulassen,  macht  der  Abschluss  von 
Bügel  und  Querröhre  durch  grosse  Knöpfe  doch  meist  einen  etwas 
rohen  Eindruck,  welchen  auch  das  edle  Metall,  aus  dem  die  meisten 
dieser  Fibulae  verfertigt  sind,  nicht  zu  verwischen  vermag;  zierlicher 
ist  die  auf  dem  Bügelende  mit  einem  Würfe!felde  von  .sechs  Augen 
verzierte  Fibula  Nr.  1,  von  grosser  Plumpheit  dagegen  Nr.  2.  Bis 
zu  welcher  Monstrosität  aber  diese  Gattung  von  Fibula  sich  ent- 
wickeln konnte,  besonders,  wenn  da.s  Bügelende  noch  einmal  zuriick- 
gebogen  wurde,  dag  beweist  u.  a.  die  in  den  Bonner  Jahrbüchern 
XLVI,  S.  45,  1  abgebildete  silberne  Fibula  aus  lUyrien,  sowie  die  des 
Wiener  Antikencabinets  bei  Arneth,  die  antiken  Gold-  und  Silber- 
monumente, IX,  97. 

Dies  Zurückbiegen  des  einen  Bügelendes  fanden  wir  schon  bei 
Nr.  23,  einer  Fibula,  deren  Form  wir  als  ursprünglich  Etniskisch  in 
Anspruch  nahmen;  iihulich  ist  auch  der  Bügel  bei  Nr.  5  gestaltet,  imr 
dass  hier  das  obere  Ende  des  ßügeldrahtes  in  Spirahvindungen  um 
den  Querarm  der  Stichnadel  gelegt  ist  und  sich  somit  der  zuletzt  be- 
sprochenen Gattung  fler  Fibula  in  Kretizesforra  nähert.  Die  Gewand- 
nadeln  verwandter  Bildung  sind  ungemein  weit  verbreitet  und  werden 
sowohl  inner-  wie  ausserhalb  Deutschlands  gefunden  (vgl.  Linden- 
schmidt, Alterth.,  II,  Heft  VII,  Taf.  III). 

Mit  keiner  der  beschriebenen  Formen  verwandt,  sondern  auch 
ihrer  Construction  nach  allein  stehend  ist  die  unter  Nr.  37  abgebildete 
Schnallenfibula,  eine  Form,  die,  wie  es  scheint  früher  als  die  anderen 
Gattungen  ausser  Gebrauch  kam,  jedenfalls  weniger  in  Gebrauch  und 
daher  wohl  auch  weniger  entwicklungsfähig  gewesen  ist.  Eine  ent- 
sprechende Nadel  fand  man  in  einem  Grabe  bei  Hettingen  (abgebildet 
Lindenschmidt;  die  vaterl.  Alterth.  der  Hohenz.  S.  zu  Sigmaringen, 


Die  antiken  Denkmäler  der  Kölner  Prlvats&mmlangeD. 


Taf.  X,  6),  dessen  die  Nadel  begleitende  Fundstücke  mit  Recht  als 
Beispiele  römischer  Teclmik  und  Erfindung  in  Anspruch  genommen 
worden  sind.  Zu  einem  aus  kleinen,  herzförmigen  Blättern  bestehenden 
Reifen  ist  dieselbe  Form  entwickelt  in  der  Herliner  Goldtibula  aus  dem 
alten  Castra  Trajani,  welche  bei  Beger,  Thesaurus  Brandenb.  lü, 
p.  429  abgebildet  worden  ist,  und  eine  ähnliche  aus  gefassten  Perlen 
bestehende  liingfibula  befindet  sich   in   der  Herstadt'schen  Sammlung. 

ß)  Wir  sahen ,  wie  sich  bei  dieser  ganzen  Gruppe  von  Fibulae 
die  Form  des  Bügels  bei  aller  Verschiedenheit  seiner  Bildung  nicht 
verliiugnete.  Vollständig  unabhängig  von  der  Nadelform  der  Fibula 
entwickelt  sich  dieser  Bügel  bei  den  übrigen,  auf  Taf.  V— VI  abgebildeten 
Exemplaren.  Bei  dieser  willkQrlichen  Gestaltung  des  die  Nadel 
deckenden  oberen  Theiles  der  Fibula  dürfen  wir  von  einer  C4assi* 
ficirung  der  Exemplare  absehen;  ein  Blick  auf  die  Abbildungen  lehrt 
zur  Genüge,  ein  wie  weiter  Spielraum  hier  der  bildenden  Phantasie 
gegeben  war.  Die  grössere  Zierlichkeit  dieser  Fibulae,  sowie  ihre 
theilweise  Ausschmückung  mit  Steinen  und  Glasfiass,  kennzeichnet 
diese  Gattung  als  Geräthe  besonders  der  weiblichen  Toilette,  unter 
den  EIxemplaren  der  Kölner  Sammlung  sind  die  oblonge  (30),  rauten- 
förmige (31),  radförmige  (33,  35)  Bildung,  das  Hakenkreuz  (39),  der 
Stern  (40),  die  Vase  (30)  und  unter  den  Thierbildungen  die  in  d» 
Abbildung  leider  misslungene  Taubenfibula  (41)  bemerkenswerth.  Ana- 
loge Beispiele  aus  andern  Sammlungen  dürfen  wir  dabei  unberück- 
sichtigt lassen;  sehr  häufig  ist  die  Form  Nr.  29  unter  den  Anticaglien 
dieser  Art ;  in  der  convexen  Form  des  Schildes  zeigt  sich  noch  einmal 
die  der  ersten  Klasse  eigene  zweckentsprechende  Gestaltung  des  Bügel- 
blattes  (Vgl.  Beger,  Thes.  Brand.  III, p.  433, 3;  Houben  und  Fiedleri 
a.  a.  0.  Tab.  IX,  10). 

Mehr  Interesse  als  alle  diese  mehr  oder  weniger  willkOhrUdiei 
Formen  gewährt  die  in  Köln  gefundene  Fibula  Nr.  24,  bei  welcher  die 
Stichnadel  durch  eine  grosse  Doppelspirale  (1.0,14)  verdeckt  ist  !)■ 
der  Mechanismus  dieser  Fibula  darin  besteht,  dass  das  Drahtende  der 
einen  Spirale  aus  dem  Mittelpunkte  derselben  heraus  in  die Stidmadd, 
das  der  andern  in  den  die  Nadel  haltenden  Haken  abergebt,  mitbio 
die  ganie  Fibula  ans  einem  einzigen  Drahte  and  zwar  dorch  den 
SnnunM'  allein  hei^estellt  werden  konnte,  begreiit  man,  dias  disM 
Gnttang  bei  der  Leichtigkeit'  ihrer  Verfertigang,  «ne  sebr  gnMse  Vor- 
brettnng  erlangen  mnsste.  In  der  That  finden  wir  «fieadbe  w  ^eicter 
Weise  aber  den  Norden   und  Säden    verbreitet    Das  Gnbieii   ««■ 


Deber  eise  goldene  FibaU  aus  Etrarien.  8B 

Hallstadt  lieferte  deren  allein  über  400  Stück  (vgl.  v.  Sacken,  a.  a.  0. 
S.  59  f.)  Eine  Reihe  von  Fibulae  derselben  Art,  oft  auch  mit  vierfacher 
Spirale  (wie  deren  eine  auch  in  der  Herstadt'schen  Sammlung  sich 
befindet),  besitzt  das  Berliner  Museum  (Friederichs,  Berlins  ant. 
Bildw.  II,  S.  105  f.).  Da  die  Mehrzahl  derselben  aus  UnteritaUeu  oder 
Etrurieu  stammt,  darf  angenommen  werden ,  dass  auch  diese  Gattung 
eine  altitalische  Form  repräseotirt  und  durch  die  Etrusker  zuerst  nach 
dem  Norden  gebracht  worden  ist.  Als  eine  Weiterbildung  derselljen 
darf  man  vielleicht  die  freilich  schon  sehr  barbarische,  brillenförmige 
Fibula  (vgl.  Lindenschmidt,  Alterth.,  I,  Heft  VII,  Taf. 4j  bezeichnen, 
welche  im  Norden  nicht  selten  ist  (vgl.  Sophus  Müller,  Die  nor- 
dische Bronzezeit,  zu  Fig,  34),  im  Süden  aber  meines  Wissens  noch 
nicht  nachgewiesen  ist.  Die  Hallstädter  Scheibenfibula  aus  Gold, 
welche  mau  zur  Vergleichung  allein  herbeiziehen  könnte  (vgl, 
V.  Sacken,  a.  a,  0.  Taf.  XIV,  14),  zeichnet  sich  wenigstens  vor  den 
nordischen  Exemplaren  durch  weit  feineren  Geschmack  und  kunst- 
reichere Technik  aus. 

Hamburg.  H.  Dtitschke. 


9.  Ueber  eine  goldene  Ftbula  aus  Etrurien. 

[Hierzu  ein  Jlolzschnitl.) 

Im  Jahre  1871  fand  man  bei  Volterra  in  einem  Grabe,  von 
dessen  sonstigem  Inhalt  ich  keine  weitere  Kunde  habe  einzrehen  können, 
eine  goldene  Seheibenfibula,  von  welcher  der  S,  94  befindliche,  nach  einer 
Photographie  in  der  Grösse  des  Originals  ausgeführte  Holzschnitt  eine 
Vorstellung  giebt.  Der  damalige  Vorsteher  des  Etruskischen  Museums 
in  Florenz,  Hr.  Gamurrini ,  welcher  in  dem  Funde  ein  werthvoUes 
Denkmal  Etruskischer  Kleinkunst  erkannte,  bewirkte  es,  dass  die  Fibula, 
wie  aus  den  Akten  der  Florentiner  Gailcrie  zu  ersehen  ist,  am  9.  Sep- 
tember 1871  von  der  Rogierung  für  das  Etruskische  Museum  von  Flo- 
|renz  um  den  Preis  von  320  Lire  it.  erworben  wurde.  Als  ich  im  ver- 
flossenen Jahre  die  Fibula  in  einem  der  Schaukästen  des  genannten 
Museums  erblickte,  glaubte  ich  nicht  anders,  als  man  habe  irrthümlich 
eine  „fränkische"  Fibel  unter  die  Etruskischen  Anticaglien  gemischt. 
Denn  das  wird  jedem  sofort  in  die  Augen  springen :  nach  Technik  und 


w 


IMbar  dae  gMtmm  Ftbola  Bat  Ktriiilw. 


Stfl  steht  diese  Fibula  in  der  aUemidtsten  Verwaodtsdhall  Bit  des 
FibebL,  von  deDen  bereits  eine  ganze  Reihe  ans  emBaBiadwi  Gtihen 
der  Bbeingegend  sn  Tage  glommen  siod,  mtd  von  meiehai  ■■■  eiae 
Amah)  bei  Liodenschmidt,  Altertbfimer,  I,  Heft  1,8  BidHdlXn, 
Tai.  8  mbgiänldet  findet  Auch  das  kann  keinem  Zweifel  nnterfieieiB,  das 
Kniatiirodacte  des  Mittelalters,  wie  z.  B.  die  ,  Krone  von  Tfiir' 
(pnblktrt  Bonner  Jahrb.  XXXYII^  VD,  der  Aachener  &  g  TaTiiiMi 
de  Charlemagne  (BoDner  Jahrb.  XXXIX,  Taf.  T),  die  nm  Eirmm 
Ton  Essen  und  Aachen  (aos'm  Weerth,  Kosstdenkniiler  des  christL 
MitteUlters  in  den  RheinL  Taf.  XXIY  and  XXXIX)  vnd  die  Em«B- 
Baiiendeckd  von  Trier  (ehoid&s.  T&f.  LVn,  3  —  SX  nn  mr  das  fli 
— aen,  was  durch  ragtogMfhr  Abbildungen  eoaiiolirbar  Jct»  dardoni 
hl  dflndben  Tcchmk  omaaeatirt  and,  einer  Technik,  die  im  «caMt- 
liehcn  darin  besteht,  dass  aaf  eine»  GoUblecbe  böte  Siene  od 
OlafliBMe  in  der  Umrahoinng  cnes  gntdaeB  FSKenaBetiwetka  tag^ 
bracht  «efden.  Handelte  es  sich  hier  na  etnbdi  Unenre  Vuiiunngen 
nad  die  priantiisteB  rJünMii  eiaer  Omnamitik  iberiwapt,  ao  Wfß 
in  ton  Unstaad,  difiwWwa  hA  Voltera  des  Kdrdeas  nrie  des  Sidoi 
in  dorthaos  gleichartiger  Weise  Teiticlea  ra  seheo,  nichts  aafiffiges; 
dcan  gewisse  deaieBtare  VerzieningBackeBata  änd  sdbst  aidU  direet 
vervnadten  YSOcera  gfrinwam;  allein  vir  hahaa  Incr  ciae  cinheit- 
hiktt,  fest  aasgebOdelB  aad  staroHe  Orauaeotioosweise  vor  aaa.  db 
eick  olMe  directe  Vexvitäaag  auf  mei  so  fem  liegendem  GcMetea  wk 
Mittiditalien  oni  den  BheiagegeBdeB  ni**"*nh  cataidhefc  hahoa  würde  aad 
deanach  wohl  die  Ftnge  crUirlidi  mmAA,  ah  am  Flhiala 
nadi  ta  der  That  dea  Charakter  der  aatikea,  specidl 
Kaast  trigL  Eine  anfinerksaiae  Bdrachtang  der  Fibola 
Ueriber  aofklarea. 
Die  IBtte  der  ScMbe  manat  iaaerUb  eiaea  adbaalei 

Bca  GoUblKh,  da  kobaÜhteKr,  U^bA 
raadcr  Stein  toq  ^aanztigeai  Scheine  aad  eoareier  OberHid»  m» 
aakhar  ä  >Mr  giiasat  ist  Zwei 
gelwble«  GaUdnkt  gehihkCe  Kreine 
Scheibe  van  ihraa  brsitea  Rnade,  wckher  adhst  wieder  aaf  das 

«dkhardaa  Baad  aach  aassea,  mä  oianaKiaaB  «aa  34 

Perlea,  waleher  dea  Baad  aad 


üeber  eine  goldene  Fibula  aue  Etrurien. 


»1 


Steine*),  von  denen  jedoch  nur  noch  Spuren  vorhanden  sind,  und 
zwischen  diesen  wiederum  sechs  aus  einer  kegelförmigen  Spiralwindung 
von  Ftligrandraht  herauswachsende  weisse  Perlen  angebracht.  Die 
Zwischenriuime  endlich  zwischen  diesen  zwölf  Kreisen  sind  mit  je  einer 
losen  Doppelspirale  aus  Filigrandraht  ausgefflllt,  in  der  Weise,  dass 
durch  die  Gegeneinanderstelliing  der  Spiralen  die  Kreise  mit  den  weissen 
Steinen  gleichsam  als  l>esonders  wichtig  hervorgehoben  sind.  Diese 
'Ornamentation  ist  nicht  blos  durch  die  geschmackvolle  und  einfache 
Farbenzusammenstellung  von  ausserordentlich  harmonischer  Wirkung, 
sondern  sie  überrascht  fast  noch  mehr  durch  die  ungemein  klare  An- 
ordnung ihrer  einzelnen  Theile.  Auf  das  feinste  erwogen  ist  die  Ver- 
mittlung des  glatten,  ruhig  wirkenden,  tiefblauen  Steines  mit  der  be- 
wegteren Zeichnung  der  den  Rand  füllenden  12  Kreise,  und  auch  diese 
sind  wieder  in  Beziehung  zu  einander  gesetzt  dun-h  die  feinen  Spiralen, 
welche  wie  stilisirte  Ranken  aus  den  feinen  Knospen  der  34  Perlen 
herauswachsen.  Endlich  darf  nicht  übersehen  werden,  dass  das  Orna- 
ment nicht  allein  graphisch,  sondern  auch  plastisch  wirkt,  insofern 
auch  hier  die  stärkste  Erhebung  auf  die  die  sechs  kegelförmigen  Spi- 
ralen krönenden  Perlen  gelegt  ist,  alle  Mittel-  und  üebergangsglieder 
aber  flach  gehalten  sind. 

Nimmt  somit  das  kleine  Monument  durch  die  stilvolle  Art  seines 
Schmuckes  unser  besonderes  Interesse  in  Anspruch,  so  steht  es  ande- 
rerseits doch,  was  seinen  allgemeinen  Charakter  und  die  Elemente 
seiner  Ornamentik  betrifft,  keineswegs  vereinzelt  da  unter  den  üeber- 
resten  antiker  Goldschmiedekunst.  Die  scheibenförmige  Fibula  aus 
Erz  oder  edlen  Metallen  war  nicht  nur  in  der  Blütbezeit  der  Kunst 
ein  überaus  gewöhnlicher  Schmuck,  sie  fand  sich  sogar  überaus  häufig 
in  den  Gräbern  von  Mykenai  (vgl.  Schlienianu,  Mykenae,  S.  178, 
248,  302  ff.  und  besonders  die  Abbildungen  auf  S.  368  f.)  und  gerade 
da  meist  mit  einem  aus  Kreisen  und  Sjiiralen  gebildeten,  freilich 
stets  nur  eingravirtem  Ornament;  für  das  hohe  Alter  der  geperltcn 
oder  gekerbten  Linien,  welche  zur  Umrahmnng  besonders  von  kreis- 
und  sternförmigen  Figuren  verwandt  wurden,  bieten  gleichfalls  die 
Funde  von  Mykenai  (vgl,  z.  B.  die  Goldkrone  des  dritten  Grabes  bei 
Schliemann,  a.a.O.  Fig.  281)  den  sprechendsten  Beleg.   Sobald  aber 


1)  Dafür  hielt  ich  dieselben;  auf  meine  erneute  Anfrage  in  Florenz  wird 
mir  die  Antwort  zu  Thoil,  dass  die  Steine  vielmehr  Ueberreate  von  MuBcheln 
zn  sein  schienen. 


üeber  eine  goldene  Fibula  aas  Etmrien. 


die  getriebene  Arbeit  des  Metalls^  deren  Hauptwirkung  mehr  oder 
weniger  auf  der  Zeichnung  beruhte,  der  Kunst  des  Löthens  Platz  machte, 
da  war  es  nur  natürlich,  wenn  auch  jene  geperlte  Linie  nunmehr  durch 
den  gekerbten  Draht  ersetzt  wurde,  welcher  besser  zu  dem  plastischen 
Charakter  der  neueren  Ornamentik  passte.  Diesen  Charakter  weisen 
zwar  die  Funde  von  Mjkenai  nicht  auf;  dagegen  zeigt  er  sich  in 
seinen  Anfängen  unter  den  Trojiioischen  Goldfunden  (vgl.  Schlie- 
mann,  Atlas  Troj.  Alkrth.  Taf.  19ö,  3562  —  3565,  3569;  vgl.  auch 
Taf.  209),  und  entwickelt  er  bei  den  Etruskischen  Goldsacben.  Wer 
hieran  zweifelt,  beliebe  nur  einen  Blick  zu  werfen  auf  die  Abbildungen 
der  kleineren,  goldenen  Scbniuckgegenstände  aus  Vulci,  in  dem  Museum 
Etruscum  P.  I,  Taf.  LXX  und  LXXII.  Hier  kehrt  nicht  nur  die  aus 
gekerbtem  Draht  aufgesetzte  Doppelspirale  wieder,  sondern  wir  begegnen 
auch  den  im  Kreise  um  einen  Mittelpunkt  gestellten  Perlen  und  auf 
Taf.  LXXIX  sogar  einem  k  jour  gefassten,  von  gekerbtem  Draht  und 
Netzwerk  umgebenen  Amethyst.  Etruskisch  ist  jedenfalls  auch  die 
8chetbenförniige  Goldfibula  bei  Arneth  (die  antiken  Gold-  und  Silber* 
monumente  des  kk.  Äutikenkabinets),  duren  Mitte  ein  Gorgoneion  ein- 
nimmt, deren  Rand  aber  ganz  ähnliche,  aufgesetzte  Spiralverzierungen 
aufweist  wie  die  Volterraner  Fibula. 

Vielleicht  war  es  die  Vorliebe  der  Etrusker,  durch  AuflÖthen 
von  Goldstaub  auf  eiue  Fläche  einen  Gegensatz  zu  dem  darüber  lie- 
genden, glatten  Ornament  kervorzurufen  (vgl.  Abeken,  Mittelitalien 
p.  374),  welche  umgekehrt  auch  das  Einkerben  des  Golddrahtes  be- 
günstigt hat,  den  mau  dadurch  von  seiner  glatten  Unterlage  abheben 
wollte.  Endlich  kann  auch  die  Verzierung  der  Fibula  von  Volterra 
mit  weissen  Perlen,  falls  dieselben  nicht  vielmehr  Imitationen  aus 
weissem  Glase  (vgl.  Scbaaffhausen  iu  Bonner  Jahrbb.  XLIV,  S.  128) 
sind,  an  Etniskischcii  Werken  nicht  auffullcü,  denn  Perlen  fanden  sich 
besonders  häufig  gerade  iß  den  Gräbern  Südetrurieiis  (vgl.  Abeken, 
Mittelitiilien,  p.  267  u.  374). 

Ist  somit  kein  triftiger  Grund  vorhanden,  an  dem  Etruskischen  Ur- 
sprung der  Fibula  von  VoUcrra  zu  zweifeln,  weist  dieselbe  vielmehr  auf  das 
bestimmteste  ihren  Zusammenhang  mit  ülteren  Produkten  der  antiken 
Kunst  nach,  so  ist  damit  auch  dei*  Beweis  geliefert,  dass  der  wahre 
Uispruug  der  durch  die  s.  g.  Fränkischen  Fibeln  repräsentirten  Orna- 
menttechnik in  der  antiken,  griechisch-italischen  Kunst  wurzelt.  Auf 
italischem  Boden  tritt  uns  diese  Technik  noch  einmal  in  ziemlich  später 
Zeit  bei   der  goldgcfassten   Münze  Valentiüians   (Arneth,  a.  a.  0. 


Ueber  eine  goldene  Fibula  ruh  Etrarien. 


93 


Taf.  XVII,  7)  entgegen,  ileren  Randverzierung  —  aufgesetzte  Doppel- 
spiralen zwischen  oblongen  Masken  —  der  der  Volterraner  Fibula  auf 
das  nächste  verwandt  ist.  Später  kam  sie  vor  allem  in  Byzanz  bei 
der  die  dortige  Kunstrichtung  charakterisironden  Sucht  nach  Prunk 
und  buntem  Geschmeide  zur  Geltung,  und  es  ist  vielleicht  nicht  bedeu- 
tungslos, dass  gerade  Byzantinische  Münzen  auch  die  gekerbte  oder 
geperlte  Linie  als  Verzierung  und  Einrahmung  besonders  häufig  zeigen 
(vgl.  Ärneth,  a.  a.  0.  Taf.  XV. ff). 

Ob  freilich  jene  in  den  fränkischen  Gräbern  gefundenen  Goldfi- 
bulae mit  Filigranornamenten  und  bunten  Glasstücken  schon  die  Spuren 
germanischer  Kunst  aufweispn,  welche  dabei  die  Producte  der  spät- 
römischen  oder  byzantinischen  Kunst  nachahmt,  oder  ob  sie  schon  in 
viel  früherer  Zeit  aus  Etnirien  iraportirt  sind,  lässt  sich  bei  dem  ver- 
hältnissmässig  geringen  Material  dieser  Untersuchung  noch  nicht  ent- 
scheiden. Vergleicht  man  die  Fibula  von  Volterra  mit  den  betreuenden 
Funden  der  fränkischen  Gräber 'J,  so  darf  man  sich  wohl  eingestehen, 
dass  keine  einzige  der  Germanisehen  Fibulae,  so  ähnlich  sie  den  Etrus- 
kischen  auch  sind,  ein  so  durchgebildetes,  feines  Stilgefühl,  ein  solches 
Maasshalten  in  der  Anwendung  der  Verzierungen,  wie  wir  es  oben 
andeuteten,  aufzuweisen  vermag.  Allein  dies  kann  sehr  wohl  auf  Zufall 
beruhen  und  schliesst  die  Annahme  eines  Etruskischen  Importes  nicht 
aus,  um  so  weniger,  wenn  man  annimmt,  dass  die  Ktrusker  bei  den 
Germanischen  Barbaren  wohl  auch  mit  der  weniger  fein  gearbeiteten 
Waare  ihres  Landes  auf  Absatz  rechnen  konnten.  Die  endgültige 
Entscheidung  in  dieser  Frage  dürfen  wir  demnach  wohl  nur  von  einer 
Reihe  neuer  Funde  auf  Etruskischem  Boden  abwarten.  Gegenwärtig 
kann  man  wenigstens  so  viel  als  gesichert  festhalten,  dass  die  Orna- 
mcQtik  jenet  fränkischen  Fibulae  keine  originale  Schöpfung,  sondern 
aus  antiker  Technik  abgeleitet  ist;  wenn  aber  diese,  wie  wir  sahen, 
schon  in  Etrurien  ihre  Ausbildung  erfahren  hat,  so  liegt  allerdings 
der  Schluss  nahe,  dass  es  nicht  erst  Byzanz,  sondern  jenes  vielge- 
schäftige und  vielgeschmähte  Volk  der  Etrusker  gewesen  ist,  welches, 
wie  so  vieles  andere,  auch  die  Technik  der  s.  g.  fränkischen  Fibeln 
den  Germanen  gebracht  bat. 

Hamburg.  H.  Dütschke. 


l)   Dieselben   sind  zuletzt  nocb   einmal  zuBammengestellt  und  besprochen 
von  &cbaaffhau8en  in  den  Bonner  Jabrbb.  XLIY,  S.  141  ff. 


M 


Ueber  eine,  goldene  Fibuln  aas  Etrnrien. 


Nachtrag. 

Hr.  Dr.  G.  Körte,  der  auf  meinen  Wunsch  die  Gefälligkeit  gehabt 
hat,  die  beschriebene  Fibula  an  Ort  und  Stelle  noch  einmal  zu  be» 
trachten,  ni.icbt  mich  darauf  aufmerksam .  dass  er  die  Technik  der 
aufgesetzten  Ornamente  anderen  etruskischen  Stücken,  z.  B.  den  Mon. 
d.  lost.  II,  7  publicirten  gegenüber,  für  weniger  fein  halten  müsse, 
dass  sich  jedoch  dieselben  Elemente  der  Ornameutation  auch  auf  einigen 
anderen  Stücken  etruskischer  Sauimlimgen  Italiens  wiederfinden.  Er 
ist  geneigt,  die  Fibula  in  das  3.  oder  gar  2.  Jahrhundert  zu  setzen. 
Ich  darf  hierzu  bemerken,  dass  die  Florentiner  Fibula  anderen  Pro- 
dukten etruskischer  Kunst  immerhin  nachstehen  mag,  den  sog.  fränki- 
schen Fibulae  gegenüber  zeichnet  sie  sich  trotzdem  durch  einen  weit 
feineren  Geschmack  aus,  wie  ich  oben  darzulegen  versuchte  Auf  die 
verwandten  Monumente  itallenisch-etruskischer  Sammlungen  hoffe  ich 
demnächst  zurückzukommen.  H.  D. 


10.  Römisches  Denkmal  in  Herten. 

Hierzu  Tafel  VE. 
Im  Frühjahre  1878  wurden  in  Merten,  einem  10  km  von  Saarlouis 
im  lothringischen  Kreise  Bolchen  gelegenen  Dorfe,  sehr  ansehnliche 
römische  Sculpturresle  zu  Tage  gefördert.  Ein  Bewohner  des  Ortes, 
Namens  Fuchs,  grub  in  seinem  Garten  einen  Brunnen  aus,  bei  welcher 
Gelegenheit  er  in  geringer  Tiefe,  etwa  3—4  Fus3  unter  der  Sohle 
des  Gartens,  auf  einen  Haufen  sculptirter  Steine  stiess,  die  dann 
aus  der  Tiefe  hervorgeholt  sofort  die  Aufmerksamkeit  auf  sich  lenkten. 
Der  damalige  Kreisdirector  von  Bolchen,  Freih.  von  Saldern,  trat 
mit  dem  Eigenthümer    in  Verbindung,   um    die  aufgefundenen  Alter- 


RömiBcbeB  Denkmal  in  Merten. 


95 


thümer  für  den  Staat  zu  erwerben;  ich  begab  mich  bereits  im 
März  d.  J.  nach  der  Fundstätte  und  beantragte  sofort  bei  Sr.  Escellenz 
dem  Oberpräsidenten  von  Elsass-Lothringen  die  nöthigen  Mittel,  um  in 
dem  Garten  des  Fuths  weitere  Nachgrabungen  anzustellen:  die  durch 
den  Zufall  bekannt  gewordenen  Reste  hessen  mit  Sicherheit  auf  eine 
namhaftere  römische  Niederlassung  schhessen.  Erst  im  Monat  October 
konute  eine  sysleniatiseh«  Erfor-schung  des  Terrains  vorgenommen 
werdeai  indessen  ergaben  die  während  der  zweiten  Octoberwoche  ange- 
stellten Ausgrabungen  in  dem  besagten  Terrain  selbst  leider  keine 
weiteren  Funde,  als  geringe  Reste  rfimischer  Tcrracotta.  Auf  die  Mit- 
theilungen mehrerer  Durfbewohner  hin,  welche  in  ihren  Feldern 
Mauei'werk  entdeckt  haben  wollten,  liess  ich  die  anstosscnden  nach  SW. 
gelegenen  Ackerstücke  in  eiuein  Umkreise  von  etwa  300  m,  nament- 
lich an  den  bezeichneten  Stellen,  untersuchen.  Es  fanden  sich  keinerlei 
Sculpturreste,  welche  mit  denen  des  Hauses  Fuchs  in  Beziehung 
standen;  dagegen  traf  man  an  verschiedenen  Stellen  auf  fieilich  sehr 
zerbröckeltes  Mauerwerk  ("nioyen  appareil),  untermischt  mit  ziemlich 
zahlreichen  Stücken  römischer  Ziegelsteine  und  zerbrochener  Thon- 
gefässe;  auch  einige  Reste  {spiU-)römiachen  Stucco's  konnte  ich  auf- 
lesen. Die  angestellten  Nachgrabungen  ergaben  die  Existenz  mehrerer 
etwa  2 — 3  Fuss  unter  der  Erde  liegender  Mauern.  Die  beträchtliche 
Ausdehnung  dieser  Substructionen  lässt  nicht  bezweifeln,  dass  wir  es 
hier  mit  den  spärlichen  Resten  einer  umfangreichen  römischen  Ansied- 
lung  zu  thun  haben. 

Man  behauptet  iu  Merten,  dass  zwischen  dem  Dorfe  und  dem 
Jagdschlosse  des  Herrn  H.  de  Galhau,  auf  der  rechten  Seite  des 
Baches,  ein  Rümerweg  nach  der  Richtung  von  Saarlouis  geführt  habe 
und  will  häufig  Spuren  desselben  gefunden  haben.  Es  war  mir  uicht 
möglich  die  Richtigkeit  dieser  Angabe  festzustellen.  Der  fragliche 
Weg  raüsste  eine  Verbindung  der  von  Metz  über  S.  Avold,  Cocheren, 
Heerappel  nach  Forbach  zulaufenden  Strasse  mit  der  Saar  hergestellt 
haben;  er  ist  meines  Wissens  nicht  erwiesen,  aber  höch.st  wahrschein- 
lich und  vielleicht  identisch  mit  der  Fortsetzung,  welche  von  Beau- 
marais  über  Wallerfaugen  nach  Fremmersdorf  führte.  An  dieser  Strasse 
lag  ohne  Zweifel  auch  Altforweiler,  wo,  am  Fusse  des  Gebirgsvor- 
sprunges  zwischen  ßerus  und  S.  Oranna  die  Fundamente  eines 
römischen  Gebäudes   zu   Tage   traten ').     Bekanntlich   ist   die  ganze 


1)   8.  G.  Baltzer,   Bist.  Nachrichten   über  d.  Stadt  Saarlouis  d.   deren 
uDiuittolbare  Umgegend.    Trier  1865  II,  S.  77  f. 


d6 


Römischea  Denkmal  in  Merten. 


Saargegend  von  ßues  und  Ensdorf  ab  reich  an  römischen  Resten^ 
namentlich  das  benachbarte  Pachten,  wo  sehr  namhafte  Grabfunde 
gemacht  wurden.  Dass  auch  die  unmittelbare  ümgepend  von  Merten 
römische  Niederlassungen  aufzuzählen  hatte,  wird  durch  die  Aufdeckung 
zweier  römischer  Molae  bestätigt,  welche  etwa  10  Minuten  südlich  von 
Merten,  in  der  Nähe  des  Kluckenhofes,  ausgegraben  und  nach  Merten 
gebracht  wurden,  wo  ich  sie  im  Besitze  zweier  Landleute  vorfand; 
eines  der  beiden  Exemplare  konnte  ich  erwerben. 

Ob  eine  andere  Entdeckung  hierher  gehört,  mass  ich  dahinge- 
stellt sein  lassen.  Vor  einer  Reihe  von  Jahren  fand  ein  Ackerer  auf  ^ 
seinem  Felde  in  der  Nähe  des  v.  Galhau'schen  Gutes  ein  gemauertes 
Gewölbe,  in  welchem  einige  Skelette  lagen.  Leider  brach  man  das 
wie  es  scheint  noch  wohlerhaltene  Mauerwerk  ab,  um  die  Steine  zu 
andern  Zwecken  zu  benutzen. 

Ich  gehe  zu  den  in  dem  Fuchs'schcn  Garten  gefundenen  Resten 
Ober.  Dieselben  sind  zur  Stunde  theils  an  dem  Fundorte,  theils  in 
dem  Keller  der  Gemeindeschule,  theils  in  der  Kreisdirection  zu  Bolchen 
aufbewahrt  und  sollen  nach  Abschluss  der  Ausgrabungen  dem  Museum 
der  Stadt  Metz  zur  Aufbewahrung  übergeben  werden. 

Es  wird  nicht  möglich  sein,  ein  einigermassen  gesichertes  Urtheil 
über  die  Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  Sculpturreste  und  den 
Cliarakter  des  oder  der  Denkmäler  zu  fällen,  mit  denen  wir  es  hier  zu 
thun  haben,  so  lange  die  Reste  nicht  an  einem  Orte  vereinigt  sind. 
Herr  Communalbaunieister  Arnold  in  Bolchen,  welcher  im  Auftrage  der 
Kreisdirection  sich  mit  den  Ausgrabungen  beschäftigte,  hat  auf  der  bei- 
folgenden Tafel  VII  zwar  den  Versuch  gemacht,  die  aufgefundenen  Trümmer 
zu  combiniren:  ein  Versuch,  den  man  im  Allgemeinen  anerkennenswerth 
finden  wird,  über  den  man  aber  vor  einer  eingehenden  Prüfung  der  an 
einem  Orte  vereinigten  Reste  ein  endgültiges  Urtheil  nicht  fällen  kann. 
Zunächst  steht  mir  keineswegs  fest,  ob  die  sämratlichen  Stücke  zu  einem 
und  demselben  oder  zu  mehreren  Monumenten  gehurt  haben.  Bildeten 
sie  nur  ein  Denkmal,  so  ergiebt  sich  eine  Ehrensäule  von  ansehnlichen 
Verhältnissen:  auf  einigen  Stufen  erhob  sich  der  viereckige,  reich  pro- 
filirte  Sockel,  in  dessen  Nischen  Krieger  oder  Gottheiten  in  ■/»—'/♦ 
Lebensgrösse  standen.  Den  Sockel  schloss  eine  mächtige  Deckplatte 
ab,  welche  ein  achteckiges  Po.stament  trug,  dessen  sieben  Seiten  mit 
Statuetten  in  halber  Lebensgrösse,  wie  jene  in  Hochrelief,  geschmückt 
waren,  während  die  achte  Seite,  etwa  für  die  Inschrift,  leer  blieb.  Von  i 
diesen  Reliefs  haben  sich  die  Füsse  und  einige  Köpfe  erhalten,  während 


Römiaohes  Denknial  in  Merten. 


97 


von  den  grossen  Reliefs  des  Sockels  sich  ausser  einigen  unteren  Par- 
tliieen  namhafte  Theile  der  Oberkörper  vorfinden.  Auf  dem  Oktogon 
8t&nd  eine  vielleicht  6—8  m  hohe  Säule  mit  attischtT  Base  und  reichem 
Coinpositcapitell,  dessen  vier  Seiten  Köpfe  von  voller  Lebensgrösse  und 
trefflicher  Arbeit  aufwiesen;  zwei  dieser  Köpfe  sieht  man  noch  au  dem 
in  Bolchen  liegenden  Theil  des  Capitells.  Fraglich  ist,  ob  die  Säule 
nicbl  ein  D<)pi)elcapiteII  trug.  Als  Abschluss  des  Ganzen  hätten  wir 
dann  eine  freigearbeitete  Gruppe,  die  auf  einer  Platte  aufsitzend  sich 
über  dem  Capitelt  erhob.  Diese  Gruppe  stellte  eiüen  mit  Panzer  und 
Ghlamys  bekleideten  Reiter  auf  hochgebiiumteni  Pferde  dar,  der  ntit 
der  Lanze  nach  einem  unter  den  Vurderfüssen  des  Rosses  sich  win- 
denden Gegner  stösst.  Letzterer,  nackt,  liegt  auf  den  Knieen;  sein 
Oberkörper  wendet  sich  abwehrend  nach  den  Hufen  des  Pferdes  empor, 
der  Unterkörper  geht  in  einen  Schlangenlcib  über. 

Das  Material,  aus  welchem  dieses  Denkmal  gefertigt  ist,  ist  der 
gewöhnlich  in  unseren  Gegenden  verwandte  Sandstein;  die  Arbeit  ist 
viel  besser  als  sie  es  bei  den  Schöpfungen  der  ausgehenden  Römerherr- 
schaft zu  sein  pflegt  und  darf  kühnlich  in's  dritte  Jahrhundert  n.Chr., 
wenn  nicht  in's  zweite,  gesetzt  werden:  die  Köpfe  am  Capitell  sind, 
wie  schon  bemerkt,  von  grossem  Ausdruck,  die  architektonischen  De- 
tails sorgfaltig  und  sauber  ausgeführt.  Das  Motiv  des  einen  M;inn  mit 
Schlangcnleib  niederwerfenden  Reiters  ist  in  der  römischen  Ivuust  des 
Rheinlaudcs  nicht  neu:  das  Karlsruher  Museum  besitzt  eine  ähnliche 
Gruppe,  hinsichtlich  der  ich  mich  allerdings  nicht  mit  Gewissheit  des 
Schlangenleibes  erinnere ;  dagegen  hat  Nancy  in  der  Antiquitäten- 
Sammlung  des  Palais  ducal  (n"  18)  ganz  die  nämliche  Darstelluug  wie 
Merten,  und  fast  in  denselben  Proportionen,  üeber  andere  Denkmäler 
dieser  Art  aus  dem  Lothringischen  schrieben  Bretagne  in  den  M6- 
moires  de  la  soci^tß  d'archeologie  de  Lorraine,  1863,  XIII  1,  und  Benoit 
ib.  1868,  XVIU  374;  Simon  in  den  Mem.  de  rAcadeniie  de  Metz 
1854 — 60,  p.  407 ').  Eine  genügende  Erklärung  des  Motivs  hat  bis 
jetzt  Niemand  gegeben. 

Ungewiss  ist  nun  vor  Allem,  ob  die  in  Merten  aufgedeckten 
Bruchstücke  der  Säule  zu  einem  und  demselben  Schafte  gehört  haben. 
Die  angestellten  Messungen  scheinen  dies  sehr  in  Zweifel  zu  setzen. 
Es  liegen   vier  Säulentrumme  vor,   deren  Dimensionen,   wie  aus  den 

1)  Ich  vordanke  diese  bibliographischen  Angahen  Horrn  Prost  in  Mutz, 
dessen  ausgezeichnete  Leistungen  aui'  dorn  Gebiete  der  Metzer  Geschichte  und 
Archäologie  bekannt  eind. 

7 


96 


Eumisch^B  Denkmal  in  Herten. 


unten  anzurührenden  Ziffern  sicli  crgiebt,  schwer  miteinander  za  ver- 
binden sind:  die  Dianieter  sind  verschieden  und  die  einzelnen  Stücke 
zeigen  keine  entsprechende  Verjüngung.  Weiter  ist  ungewiss,  ob  wir 
nicht  die  Reste  zweier  gänzlich  verschiedener  Capitelle  besitzen;  ob 
ferner  die  Reitergruppe  wirklich  über  dem  Capitell  angebracht  war 
oder  nicht.  Dass  das  Oktogon  auf  dem  quadratischen  Sockel  gestanden, 
ist  gewiss,  da  letzterer  die  Spuren  des  achteckigen  Aufsatzes  noch  zeigt. 
Nehmen  wir  die  Zusammengehörigkeit  der  Stücke  an,  so  gewinnen  wir 
eine  Ehrensäule,  für  deren  künstlerische  Gestaltung  ich  keinen  schla- 
genderi'H  Pendant  kenne,  als  das  in  dem  Karlsruher  Museum  neben  dem 
Neuenheimer  Mithraeum  aufgestellte,  wenn  ich  nicht  irre,  1838  im 
Odenwald  gefundene  und  noch  wohlerhaltene  Denkmal,  bei  welchem  wir 
auch  demselben  ikonischen  Capitell  begegnen. 

Es  erübrigt  mir  em  Verzeichniss  der  efnigermassen  bestimmbaren, 
bis  jetzt  zu  Tag  geförderten  Stücke  zu  geben. 

Von  dem  präsumptiven  Sockel;  2  Stufen,  Platten  ohne  Profi- 
lirung.  —  Stück  eines  Postaments  mit  verticaler  omamentirter  Ein- 
fassung (B),  —  Stück  mit  den  Resten  zweier  Reliefs:  auf  der  einen 
Seile  gepanzerter  Krieger,  auf  der  andern  nackter  Oberkörjier  eines 
Maimes.  —  Fragmente  eines  Reliefs :  Torso  eines  Kriegers  mit  Mantel 
über  der  Schulter.  —  Dsgl.  Kniepartie  einer  weiblichen  (?)  Figur.  — 
Grosses  Bruchstück  der  viereckigen  Deckpla'tte,  welche  das  Oktogon 
trug,  dessen  Grundriss  auf  der  einen  Seite  angedeutet  ist.  Diese  Platte 
war  von  Consolen  gestützt,  deren  ZwischenfeUkr  Bluraenornamente  auf- 
weisen. Breite  1,43,  Höhe  1,20  m.  Ein  ähnliches  Stück  in  B.  — 
Mehrere  schwer  bestimmbare ,  kaum  mit  jenem  Postament  in  Ver- 
bindung zu  bringende  Bruchstücke  mit  starkbetonter  Prüfilirung 
(M.  u.  B),  —  Grosser  Abacus,  welcher  das  Postament  abschloss?  (B.). 
—  Kleinere  Stücke  Ornament  (Mj.  —  Kleines  Stück  vom  Leibrock 
eines  Kriegers. 

Zwei  bärtige  Männerküpfe,  ein  weiblicher  Kopf  mit  Haarband  und 
Diadem,  ein  weiblicher  Kopf  mit  Haarreif  (ß).  —  Fragment  mit  einem 
Vogel  (Eule?).  —  Vom  Oktogon:  Base  mit  den  nackten  Fusstheilen 
der  an  sieben  der  Achtseiten  in  Nischen  aufgestellten  Relief figuren; 
an  der  achten  Seite  zeigt  der  Boden  eine  Art  Kugel.  —  Bruchstück 
mit  einem  Theil  des  Gesichts  einer  der  Nischenfiguren,  —  Kopf  eines 
Knaben  von  sehr  edler  Auffassung  und  trefflichen  Formen  (B).  — 
Stück  vom  Oktogon  mit  Fusstheilen  einer  bekleideten  Gestalt  (B)?  — 
Dgl,  von  einer  unbekleideten  Gestalt  (B).  —  Bruchstück  einer  jagend- 


RömiBches  Denkmal  in  Merten. 


99 


liehen  Gestalt  mit  phrygischer  Mütze;  die  rechte  Hand  hält  einen 
Spiegel  C?  B). 

Von  der  Säule:  Base  einer  Säule,  Bruchstück;  der  Durchmesser 
hatte  71  cm.  —  Bruchstück  vom  Schaft,  D.  öV'/i  cm.  Auf  demselben 
ein  Steinmetzzeicheu  M  in  der  Schrift  des  1.  —  2.  Jh. -^  Dsgl.  Bruch- 
stück D.  65Vs.  —  Dsgl.  D.  64—65,6.  -  Dsgl.  D.  60,4  —  63,7? 

Vom  Capitelh  Rundes  Säulencapitell,  röm.  Composit,  Bruchstück 
0,63  d.  —  Capitell  mit  Köpfen  an  den  Seiten ;  zwei  dieser  Köpfe  er- 
halten. Ob  allegorische  Darstellungen  der  Jahreszeiten ').  —  Akanthus- 
blattwerk,  mehrere  Fragmente  von  verschiedenen  Verhältnissen.  — 

Reitergruppe:  Bruchstück  vom  Pferde  mit  dem  linken  Bein  des 
Pfierde»,  einem  Theile  des  Leibrocks  (B).  —  Fragment  vom  (rechten) 
Beine  des  Reiters.  —  Bruchstück  vom  Fuss  des  Reiters.  —  Pferdekopf, 
verstümmelt  (B).  —  Ein  Stück  von  der  Brust  und  dem  Gesäss  des 
Schlangen mannes.  —  Unterkörper  vom  Nabel  ab  und  mit  den  Geschlechts- 
theilen  des  letzteren,  nebst  dem  Schlangenschwanz.  Diese  Partie  liegt 
auf  einer  Platte  und  ist  sichtlich  in  grössern  Dimensionen  gearbeitet 
als  der  Reiter  und  das  Pferd,  sodass  sich  der  Gedanke  an  die  schlangen- 
schwänzigen  Giganten  (Ovid.  Met.  I  183.  Macr.  I  20)  nahe  legt.  — 
Torso  des  Reiters,  ohne  Kopf,  bis  zum  Nabel,  linke  Schulter  erhalten, 
trägt  die  Chlamys.  —  Stück  von  einem  Oberarm.  —  Mehrere  Stücke 
von  den  Beinen  des  Pferdes;  —  Hinterthei)  des  Pferdes.  Ausserdem 
eine  namhafte  Zahl  bis  jetzt  uubestimmbarer  Fragmente. 

Diese  Mittlietlung  will  nur  als  eine  durchaus  vortäufige  Benach- 
richtigung betrachtet  werden.  Sobald  die  definitive  Aufstellung  der 
Funde  eine  eingehende  Beschreibung  und  Abbildung  des  Monumentes 
gestattet,  werde  ich  an  diesem  Orte  auf  den  Gegenstand  zurückkommen'). 

F.  X.  Kraus. 


1)  El  wiU  mir  scheinen,  als  ob  hier  die  vier  LebeoBalter —  und  swar 
indem  kräftigen  männlichen  Kopf  mit  vollem  Kosenltranse  und  dem  iJteren  mit 
einem  (iewand  verhüllten  die  beiden  letzten  Lehensperioden  —  dargestellt  seien. 
Einen  aufklärenden  Vergleich  gewährt  ein  ähnliches  grosses  Capitell  unter  den 
Neumagener  Funden  im  Provinzial-Museum  eu  Trier,  wie  überhaupt  dio  Bolchener 
und  Neumagener  Sculpturen  gleicher  vortrefflicher  Suhule  und  Zeit  angehören. 

aus'ni  Weerth. 

2)  Auch  wir  betrachten  dieselbe,  wie  namentlich  den  von  Herrn  Bau- 
meister Arnold  freundlich  zugegebenen  liestauralionsversuch  lediglich  als  eine 
erste  und  vorläufige  Ankündigung  dea  Denkmals,  auf  welches  die  J^br' 
bächer  aasführlicher  zurückkommen  werden.  Die  Redaotion. 


100         AusgrabuDgea  römiacber  Aliertbümer  im  RegierungsbeEirk  Trier. 


[|.  Ausgrabungen  römischer  Alterthümer  im  Regierungsbezirk  Trier 

im  Jahre  1878. 

(Steinmonuraente  aus  Neumagen;   Gräber  bei  Trier,  Besseringeu  und  Walscheid; 
Villen  bei  Oberweis  und  Leuderadorf;  Wohnhaus  in  Trier  auf  der  .lohannisstraaje; 
die  öffentlichen  Thermen  Triers.) 

Neumagen,  einst  die  erste  an  der  Mosel  gelegene  Station  der 
von  Bingen  nach  Trier  führenden  Römerstrasse,  ist  als  Punkt  von 
strategischer  Wichtigkeit  und  Festung  Constaatins  den  Alterthums- 
forscheru  bekannt;  ein  Fund  jüngsten  Datums  lehrt  uns  dasselbe  auch 
als  eine  durch  Weinbau  blühende  Gemeinde,  als  Sitz  einer  reichen 
Kaulmannschaft  kennen,  welche  Trier  und  die  grossen  Niederlassungen 
am  Rhein  mit  den  Erzeugnissen  des  Weinbaues  am  Moselstrome  versah. 

Der  Fund\),  welcher  aus  etwa  achtzig-)  Sculpturen  und  Inschriften 
aus  Sandstein  und  Muschelkalk  besteht,  deren  Gesammtgewicht  über 
2000  Centiier  betragen,  lüsst  nicht  nur  durch  die  Anzahl  und  Grösse 
der  aufgefundenen  Monumente  alle  anderen  in  Deutschland  gemachten 
Entdeckungen  dieser  Art  weit  hinter  sich,  sondern  überragt  auch  durch 
die  Kunstfertigkeit,  mit  welcher  fast  alle  Sculpturen  behandelt  sind, 
bei  weitem  das  meiste,  was  in  den  Provinzen  einheimischem  Meissel 
entstammend  zum  Vorschein  gekommen  ist. 

Die  Auffindung  geschah  zufällig.  Als  man  eine  Schiefermauer, 
den  letzten  sichtbaren  Rest  des  einst  hinter  der  heutigen  Pfarrkirche 
gelegenen  Wittgenstein'schcn  Schlosses,  der  sog.  Ilelenenburg,  abbrach, 
stiess  man  in  den  Fundamenten  auf  ein  römisches  Relief.  Eingehendere 
Nachibrschungen,  welche  von  Anfang  August  vorigeu  Jahres  bis  zu 
dein  diesjährigen  August  gefühlt  wurden,  ergaben,  dass  die  ganze  Burg 
mit  rümischeu  Monumenten  fundamenlirt  war. 

Die  Zeit  der  Erbauung  der  Helenenburg  und  somit  die  der  Zer« 
Störung  und  Vermauern ng  der  römischen  Monumente  ist  unbekannt; 
indess  möchte  ich  glauben,  dass  dieselbe  sehr  früh  anzusetzen  ist. 
Denn  die  Monumente  zeigen  fast  keine  Spuren  der  Verwitterung,  und 
die  Darstellungen  sind  so  scharf  in  den  Formen,  als  kämen  sie  eben 
aus  der  Werkstätte  des  Steinmetzen.    Auch  die  Bemalung  war  bei  der 


1)  Der  gesammte  Fund  ist  vom  ProviDzialmuseuin  in  Trier  angekauft  worden. 

2)  Dabei  eind  alle  kleineren  Fragmente  nicht  gerechnet. 


Auflgrabungeu  römischer  Alterthümer  im  Regierungabezirk  Trier.        101 

Auffindung  in  selteoer  Frische  erhalten.  Freilich  schwanden  die  Farben, 
80  wie  die  Steine  austrockneten. 

Je  besser  aber  die  einzelnen  Briichstiicke  conservirt  sind,  rtm  so 
mehr  bedauern  wir,  dass  uns  auch  keines  der  grösseren  Monumente 
vollständig,  sondern  alle  nur  in  Bruchstücken  erhalten  sind.  Manche 
Stücke  mögen  freilich  noch  in  Neumagen  begraben  liegen,  welche  die 
weiteren  Nachforschungen  zu  Tage  fürdern  können;  aber  es  ist  auch 
nicht  zu  bezweifeln,  dass  schon  in  früheren  Jahrhunderten  viele  Alter- 
thümer in  Neumagen  gefunden  wurden,  welche  zum  grössten  Theil  auf 
immer  verloren  gegangen  zu  sein  scheinen.  Freher')  sagt  uns  in 
seinen  notae  in  Ausonü  Mosellam  zu  den  auf  Neumagen  bezüglichen 
Versen,  dass  zu  seinen  Zeiten  daselbst  römische  Alterthümer  theils 
zerstreut  herumgelegen  hätten,  theils  eingemauert  gewesen,  theils  vom 
Grafen  Mansfeld  nach  Luxemburg  gebracht  worden  wären. 

Diejenigen  Monumente,  welche  damals  ofien  zu  Tage  lagen,  sind 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  spurlos  verschwunden,  mit  Ausnahme  der 
im  Museum  aufbewahrten  Inschrift  des  Varusius  Atto  uud  zweier 
Reliefs,  welche  uns  wenigstens  in  Abbildungen  bei  Freher  a.  a.  0., 
S.  18«)  und  bei  Brower  I  S.  105»)  erhalten  sind. 


1)  Sei'ue  Worte  kateo:  ad  III  milliaria  distat  Augusta,  in  doxtra  Mosellae 
ripa,  paguB  cam  castro,  ipso  aspectu  vetusUtem  saam  referens.  CasteUum  ipsum, 
Dncis  praetorium,  iüco  edito  et  oportuno  sitam,  hinc  Uosellae  alveura,  inde  jugi 
dorsa  circumquaque  circumspicietis,  foBsa  cinctum.  In  eo  turria  rotunda,  ipsissimum 
RomanoruDi  opus,  ingeiitibus  quadris  extructa,  in  fundo  solida,  rupi  imposita: 
quam  murus  cum  pianis  ambit,  quadratas  turres  circumhabens,  opere  firmissimo, 
nee  humana  vi  faoile  BoWeado:  etai  bumanarum  rerum  vices  pasaura  appareat, 
dirupliB  et  hinc  inde  diaperais,  vel  parietibuB  insertii,  antiquia  sculpturis,  in- 
8criptiouibu8,  Btatuis,  sarcophagia ;  quarum  para  eljam  ibi  viaitor,  pars  alio  (Lutzöl- 
burgum  in  bortoB  Com.  Mansfeld)  translata  dicitur.  Dieses  dacia  praetorium 
und  somit,  wie  ea  scheint,  das  Castell  Constautins  lag  nicht  an  derselben  Stelle, 
wie  die  oben  erwähnte  Metenenburg,  soudcru  gerade  am  erttgcgeugeaetztoQ  £ndo 
des  Ortes.  Ea  hiess  Petoraburg  and  war  vom  Ersbischof  lioemund  von  Wara- 
berg  im  13.  Jahrhundert  erbaut.  Vgl.  Stramberg,  Moselthal  II  8.  393  und 
Besobreibung  Neumagena  von  A.  J.  L.  Bei  Brower  I  S.  574  befindet  sich  eine 
Abbildung  der  Ruinen  dieser  Burg. 

2)  Stellt  einen  mit  ^inem  grossen  Schilde  bewaffneten  Krieger  hinter  einem 
Thann  und  einer  Mauer  dar.  Freher  nennt  dos  Relief  sculptura  e  marmnre 
insignis;  indess  Hegt  hier  wahrscheinlich  eine  Verwechslung  von  Metter  Muschel- 
kalk und  Marmor  vor. 

S)  Auf  einer  Stellage  liegen  in  drei  Schichten  übereinander  BficherroUcn. 
Ein  Jüngling  ist  im  Begriff,   eine  dieaer  Rollen  wieder  an  ihre  Steile  zu  legen« 


102        AaBgT&baDgen  römischer  AUerthümer  im  Regierungsbezirk  Trier. 

Auch  die  Scnlpturen,  welche  unter  Graf  Peter  Ernst  von  Mans- 
feld,  Statthalter  von  Luxemburg  unter  Philipp  IT.,  aus  Neumagen 
fort;,'efülirt  and  im  Mansfeld'sclien  Park  in  Claussen  bei  Luxemburg 
aufgestellt  wurden,  scheinen,  so  weit  meine  Nacliforschungen  bis  jetzt 
gediehen  sind,  bis  auf  wenige,  im  Mansfelder  Thor  und  an  einem  Hause 
in  Luxemburg  einpcniauerte  Monumente,  nicht  mehr  vorhanden  zu  sein. 
Wir  ktinnen  uns  zwar  über  die  Sculpluren,  welche  der  Graf  &us  Luxem- 
burg, aus  den  Rheinlanden,  aber  auch  aus  Italien  erwarb,  aus  Wut- 
heims  Luxemburgum  romanum^X  woselbst  auch  eine  grosse  Anzahl 
dieser  Monumoüte  abgelnldet  sind,  leidlich  unterrichten,  aberdaWilt- 
heim  nur  selten  die  Fundorte  angiebt,  so  wird  es  nur  in  wenigen 
Fallen  gelingen ,  allein  auf  die  Darstellungen  gestützt,  gewisse  Sculp- 
turen  oder  Inschriften  mit  Sicherheit  als  Neumagener  zu  bezeichnen  und 
sie  für  die  Zusammensetzung  der  Monumente  zu  benutzen. 

Wenn  nicht  alle,  so  gehören  sicherlich  die  meisten  der  aufgefun- 
denen Steine  zu  Grabraonumenten;  dies  lehren  die  Darstellungen  der 
Seulpturen  und  auf  das  Unzweideutigste  die  Inschriften. 

Diese  Grabdenkmäler  waren  von  sehr  verschiedener  Form  und 
Grösse.  Theils  sind  es  nur  einfache  Inschriftsteine,  theils  etwa  zwei 
Meter  lange  und  einen  Meter  breite  Monumente,  auf  deren  Vorder- 
seite der  Verstorbene  in  einer  Nische  stehend  in  überlebensgrosser 
Gestalt  dargestellt  ist.  Ein  Monument  aber  kommt  der  Igler  Säule  in 
Form  und  Gestalt  nahe,  wenn  es  (terselbcu  auch  an  Grösse  nachstehen 
mag.  Eine  Zusammensetzung  ist  bis  heute  nocb  nicht  gelungen,  es 
heben  sich  nur  aus  der  Masse  der  Neumagener  Seulpturen  eine  Reihe 
heraus,  welche  sicherlich  zu  einem  Monument  gehört  haben  müssen. 

Die  Inschriftsteiue  bestehen  entweder  in  Platten  oder  sind,  wie 
dies  in  der  hiesigen  Gegend  vielfach  vorkommt,  halbkreisförmig  ge- 
bildet oder  an  der  Vorderseite  grösserer  Monumente  angebracht.  Im 
Ganzen  wurden,  von  kleineren  Fragmenten  abgesehen,  zehn  Stück  auf- 
gefunden. Sie  enthalten  meist  nur  Namen.  Nur  auf  zwei  Inschriften 
ist  den  Verstorbenen  die  Bezeichnung  negotiator  beigefügt  und 
eine  erwähnt  Seviri  Augustales.  Den  Buchstaben  nach  zu  Of' 
theilen,  welche  noch  durchaus  strenge  und  monumentale  Formen  haben, 


1)  Auf  diesem  fusst^  Berthalet:  Hietoire  de  Luxemhourg  I  S.  386  ff. 
Yerg].  auch  Eagelhardt,  Geachichte  Luxemburgs,  S.  78  fT.  Letzterem  enl- 
Dehme  ich  die  Notiz,  daas  die  Ahertbumsaammlung  des  Grafen  16C1>  nach  Madrid 
und  Brüssel  geschaß't  worden  sei. 


Aiugmbaag^  röiaiscber  Alterthämer  im  Regierungsbezirk  Trier.        103 


sind  die  Inschriften  nicht  später  als  im  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts 
n.  Chr.  gesetzt. 

Unter  sämnitlichen  Rculpturen  nehmen  künstlerisch  Friese  mit 
Darstellungen  von  Meergötteru  und  Seethieren  den  ersten  Fiang  ein. 
Sehen  wir  die  Tri  tonen  im  heissen  Kampfe  gegen  die  geschwänzten 
Löwen,  Leoparden  und  Stiere,  oder  die  Götter  sich  behaglich  auf  ihren 
Thieren  wiegen,  in  den  kühnen,  stark  verkürzten  Figuren  der  Tritonen 
und  in  den  schön  geschwungenen  Linien  der  Thiere  ist  der  Einfluss 
hervorragender  Werke  der  griechischen  und  römischen  Kunst  unver- 
kennbar. In  die  Reihe  dieser  an  antiken  Grabmonumenten  sehr  viel 
verwendeten  Darstellungen  von  Meerwesen  gehören  auch  zwei  gleiche 
Friese,  die  ein  grosses  viereckiges  Monument  zieren.  In  der  Mitte  der 
Friese  sind  Flussgottmasken  dargestellt  und  zu  beiden  Seiten  Fisclie. 
Die  Enden  der  Friese  nehmen  grosse  Medusenmasken  ein,  Thuc  ich 
hier  noch  eines  dem  Capital  der  Igler  Säule  genau  entsprct^lienden 
Capitäles  Erwähnung,  auf  welchem  an  den  vier  Ecken  Atlanten  und  in 
der  Mitte  menschliche  Köpfe  dargestellt  sind,  so  habe  ich  dasjenige 
aufgezählt,  was  Neumagen  an  Sculpturen  idealen  Vorwurfs  geliefert  hat. 

Weit  zahlreicher  ist  die  Klasse  derjenigen  Sculpturen,  deren  Dar- 
stellungen dem  tätlichen  Leben  entnommen  sind.  Hier  sehen  wir  einen 
Jüngling  hoch  zu  Ross,  die  Hunde  an  der  Leine  führcndj  zur  Jagd 
ausziehen;  einen  Knaben,  wie  er  einen  Ilund  nach  einem  hochgehal- 
tenen Hasen  springen  lässt;  ferner  in  freistehenden  Kolossalgruppen  einen 
Bären,  im  Begriff,  einen  unter  ihm  liegenden  Widder  zu  vertilgen,  und 
einen  Löwen,  welclier  seine  Vorderfüsse  auf  einen  umgeworfenen  Korb 
voller  Blumen  und  Früchte  gesetzt  hat.  Drei  grosse  Reliefs  stellen 
gefangene  Barbaren  dar,  welche  mit  auf  dem  Rücken  zusammengebun- 
denen Händen  zwischen  erbeuteten  Waffen  sitzen;  ein  anderes  Relief 
bester  Arbeit  und  prächtigster  Erhaltung  einen  alten  Mann,  der  auf 
einer  Tafel  schreibt,  während  ein  Jüngling  ihm  eifrig  zusieht.  Zwei 
sich  ähnelnde  Sculpturen  zeigen  uns  Damen,  die  mit  ihrer  Toilette 
beschäftigt  sind;  eine  Giebelgruppe  vier  Frauen  hinter  einem  Tisch 
mit  Schaalen  voller  Früchte,  Besonderes  Interesse  bietet  ein  Hoch- 
relief, in  dessen  Vordergrund  ein  Tisch  dargestellt  ist,  auf  welchem 
ein  Haufen  Geldos  ausgebreifet  liegt.  Um  den  Tisch  stellen  drei  Jüng- 
linge: der  eine  legt  seine  Hände  auf  das  Geld,  der  zweite  prüft  auf- 
merksam eine  Münze,  der  dritte  macht  Notizen  in  ein  Buch.  Hinter 
dieser  Gruppe  stehen  vier  Männer,  von  denen  nicht  klar  ist,  ob  sie 
kommen   oder  gehen,   was  sie  sollen.    Sie  sind  mit  der  Pänula,  an 


IM 


fötirifhrr  Altcftkiacr  im 


Trier. 


welcber  der  ChcuIIds  bangt,  bekleidet  Der  Cacalloa  aber  ist  von  doer 
nngewohnlidi  spttzea  Form,  so  dass  er  mit  der  Capaze,  welche  hentr 
zutage  die  Mdncfte  tragen,  aoflallende  Aehnlichkeit  haL 

Von  grösserer  Wichtigkeit  indess  sind  fftr  die  Geschichte  Nen- 
roagens  unter  den  s&mmtlichen  Fandstücken  eine  Reihe  Monnmeate, 
welche  sich  anf  Weinbau  beziehen.  Diese  Scalpturen  sind  der  manoig* 
lachsten  Art  Um  nicht  der  vielen  Monamente,  an  denen  Weinranken 
nnd  Weintrauben  ornamental  verwandt  sind,  zu  gedenken,  erwähne 
ich  zanächst  eine  eigenthamliche  Gruppe,  die  vier  grosse,  mit  Stroh 
umwundene  doppelhenkelige  Weinkriige  (dolia)  darstellt  Diese  selben 
Dolien,  zwar  kleiner,  aber  ebenfAlIs  mit  Stroh  umwunden,  finden  wir 
auch  auf  einem  Tisch  stehend  auf  einem  Relief.  Auf  die  Weinlese 
scheint  mir  ein  schön  erhaltenes  Hochrelief  hinzudeuten,  auf  dem  ein 
Märlchcn  im  Tanze  dargestellt  ist,  mit  wallendem  Schleier  und  mit 
einer  mächtigen  Weintraube  in  der  hoch  erhobenen  Linken.  Ein  auf 
einem  Wagen  liegendes  Weinfass  zeigt  uns,  wie  die  Neumagcner  Nego- 
tiatores  den  Wein  zu  Lande  transportirt  haben.  Den  Wassertransport 
fahren  uns  zwei  Sculpturen  vor  die  Äugen,  die  wohl  zu  dem  Origi- 
nellsten gehören,  was  überhaupt  die  provinzielle  Kunst  geschaffen  hat 
Man  denke  sich  zwei  als  vollkommen  freistehende  Gruppen  gearbeitete 
Schiffe,  von  denen  jedes  etwa  eine  Länge  von  3  m  und  eine  Höbe  von 
1^0  m  hat.  Der  Kiel  der  Schiffe  läuft  in  einen  Delphin  aus.  Die 
Schiffe  sind  Zweiruderer.  Von  der  unteren  Reihe  der  Schiffer  sind  nur 
die  Ruder  sichtbar,  von  den  oben  Sitzenden  ragt  der  Oberkörper  über 
die  Brüstung  des  Schiffes  hervor.  In  der  Mitte  liegen  die  Weinfässer. 
Die  Köpfe  der  Schiffsleute  —  meist  derbe,  bärtige  Gesellen  —  sind 
alle  einzeln  charakteriairt,  namentlich  ist  der  Kopf  des  einen  Steuer- 
mannes, der,  in  unmittelbarster  Nähe  eines  Weinfasses  sitzend,  den 
sQssen  Weinduft  in  sich  aufnimmt,    mit  kösthchstem  Humor  gebildet 

Diese  Darstellungen  zeigen  nicht  nur,  dass,  wie  jetzt  so  auch  in 
den  ältesten  Zeiten  in  Neumagen  der  Weinbau  die  Hauptquelle  des 
Erwerbes  bildete,  sondern  sie  legen  auch  für  das  Vorhandensein  der 
Weinkultur  in  Neumagen  und  an  der  Mosel  überhaupt  schon  vor  dem 
Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  unwiderleglich  Zeugoiss  ab.  Denn 
nicht  nur  die  Buchstabenforinen  der  lti.scbrifteu,  sondern  auch  der  Stil 
der  Sculpturen  widerspricht  einer  späteren  Ansetzung  der  Neumagener 
Grabmonumcnte. 

An  diese  vorläufige  Besprechung  dieser  grossartigen  Grab- 
monumcDtc    reihe    ich    den    Bericht    über   die    anderen    Grabfande, 


Ausgrabungen  römischer  Alterthümer  im  Regierungsbezirk  Trier.        106 

welche  im  Laufe  dieses  Jahres  im  hiesigen  Regierungsbezirk  gemacht 
worden  sind. 

In  Trier  hat  das  grosse  Gräberfeld,  welches  nördlich  vor  der 
Porta  nigra  gelegen  ist,  an  thönernen  Gefässen  der  verschiedensten 
Form  and  Technik,  an  Sigillatas^chaalen ,  Lämpchen,  Tcrracotten, 
Gläsern  und  Bronzegegenständeu  wieder  eine  sehr  reiche  Ausbeute 
geliefert. 

Unter  den  von  daher  dem  Museum  zum  Ankauf  zugekommenen 
Stücken  ragt  ein  zierliches,  doppelhenkliges  Fläschchen  (H.  0,12mJ 
aus  dunkelgrflDcm  Glase  hervor,  dessen  Bauch  in  Gestall  einer  Wein- 
traube gebildet  ist.  Es  wurde  auf  der  Paulinstrasse,  gegenüber  dem 
Landrathamte  gefunden. 

Ferner  gelang  es  zwei  auf  jenem  Gräberfelde  gemachte  Funde 
in  ihrem  Gesammtbestande  für  das  Museum  zu  erwerben  uad  über  die 
Lage  der  einzelnen  Stücke  die  zuverlässigste  Auskunft  zu  erhalten. 
Ich  schätze  diese  Funde  und  deren  gesicherte  Fundangabe  um  so 
höher,  weil  eine  genaue  wissenschaftliche  Erforschung  gerade  dieses 
Gräberfeldes  für  die  Trierer  Älteilhumskunde  von  höchster  Wichtig- 
keit ist,  die  Angaben  aber  über  die  daselbst  aufgefundenen  Stücke, 
welche  allesamnit  bei  Gelegenheit  von  Neubauten  zufällig  zu  Tage 
gefördert  als  unrechtmässige  Beute  der  Arbeiter  zum  Verkaufe  kommen, 
meistentheils  verheimlicht  oder  gar  absichtlich  gefälscht  werden.  Der 
eine  der  Fmide  besteht  in  einem  Kastengrabc.  Dasselbe  wurde  in 
Maar  auf  einem  Acker  entdeckt,  welcher  unniittelbar  nördlicli  an  das 
Grundstück  des  Herrn  Baurath  Kitter  angrenzt.  Von  vier  grossen 
Ziegelplatten  umschlossen,  von  einer  fünften  bedeckt,  fand  sich  eine 
grosse  thönerne  Urne,  in  welcher  ausser  Knochen  noch  ein  prächtig 
erhaltenes  Mittclerz  Dnmitians  aus  dem  Jahre  90  n.  Chr.  und  ein  schwarzes 
und  neun  weisse  thönerne  Spielsteincbe:«  lagen.  Um  die  Urne  standen 
ein  Schaf,  ein  Hahn  und  ein  langgeschwänzter  Vogel  unklarer  Be- 
nennung aus  Terracotta,  ferner  drei  Lampen,  von  denen  eine  den 
Stempel  Sattonis  trägt  und  sechs  Thongefässe.  Eines  dieser Gefässe 
ist  sehr  beachtenswerth.  Aus  feinem,  grauen  Thon  gebildet  und  am 
Bauch  mit  einem  Eierstab  geziert,  hat  es  eine  den  griechischen  Lekythen 
verwandte  Form.  Die  Zartheit  der  in  der  Urne  liegenden  Knochen, 
sowie  die  kleineren  Thieiüguren  sprechen  dafür,  dass  hier  ein  Kind 
begraben  lag. 

Der  andere  Grabfund  ward  bei  einem  Neubau  auf  der  Maximin- 
strasse No.  46  gemacht.    Auf  einer  grossen  Schüssel  aus  terra  sigillata 


AtbrnihimBT  im 


(Dorchroesser  0^\  stand  en  «dif  intf ff  wintrr,  doppelfcfnMjgw  Gjmj^ 
becber  mit  dnsncfanitteoeii  Onunoiten,  velcber  ia  dem  i 
AvhMtxe  Too  Mi8*m  Weerth  fiber:  ..Röniaclie  Gliser"  abgAadcii 
Im  Umkreis  da*  Schofisel  fanden  sich  eine  kleinere  Sigillatasdi&BBd  i 
(D.  0,17),  ein  Teller  aus    gewöhnlichem   hellgraaem  Thon  (D.  O^U), 
eine  mit  einem  gUaeraen  Spiralüaden  omirmidene  Glasbodise,  zwti 
Becher  ans  terra  nigra,   ein  weiss  and   roth  gefledcter  Kmg  vndi 
zwei  gewöhnliche  graue   Urnen.     Neben   diesen  Grabesgsbea 
sternförmig   nenn   Leichen,    deren   Fasse   nach   dem  Mittdponkt  za 
gewendet   waren.     Etwa   drcissig   Schritte   von   dieser  StiUe  onrer- 
braonter  Todtenbestattang  fanden  sich   die  Reste  einer  verbranaleai 
Leiche.   Dieselben  lagen  in  einer  Glasbächse.   Die  Glasbüchse  ist  0,25  m 
hoch  and  ist  uoscm  Einmachebüchsen  ähnlich,  nur  mit  dem  ünterschtede,  ^ 
das«  sie  dicht  unter  dem  Rande  zwei  kleine  Henkel  bat.    Die  Bflcfase^ 
enthielt  ausser  den  Knochen  zwei  sich  vollkommen  entsprechende  0,05  m 
lange,  sehr  interessante  Fibeln.    Diese  gleichen  der  Form  nach  im  All- 
gemeinen etwa  der  in  Houbens  Antiquarium  XXIII,  6  abgebildeten,  aber 
die  Oberfläche  des   DOgels   bildet   keine  Fläche,    sondern  einen  Halb- 
bogen.   Sowohl  der  Bügel,  wie  die  Querstange  sind  mit  kleinen  blanen 
F.inailsteincben  besetzt   und  am   obeni  Ende  der  Fibel   befindet   sich 
eine  Ocse,  un  welcher  ein  Drahtkettchen   hängt.    Neben   der  BQchse 
stand   ein  Lämpchen    mit  dem  Stempel  Fortis,  ein  Becher  mit  der 
Aufschrift  Ave,  zwei  Krügelchen  und  zwei  Schaalen. 

Fanden  wir  auf  dem  Trierer  Gräberfeld  drei  verschiedene  Arten 
von  Leichenbestattung:  ein  Kastengrab,  ferner  unmittelbar  im  natürlichen 
Boden  stehend  ein  Glas  mit  den  verbrannten  Knochen  und  unverbrannte 
Leichname  ebenfalls  unmittelbar  in  den  natürlichen  Boden  gebettet, 
so  zeigen  uns  die  Grabfunde  zu  Besseringen  und  zu  Walscheid,  zu 
deren  Besprechung  wir  uns  jetzt  wenden,  wiederum  zwei  andere  Arten: 
die  Bettung  des  Leichnams  in  grosse  Steinsarkophage  und  die  Auf- 
stellung des  die  Knochenreste  enthaltenden  Gefässes  in  einem  Hiigclgrab. 

Der  auf  dem  Greimerzberge  bei  Desseringen  aufgefundenen 
Sarcophage  hat  schon  Jost  im  vorigen  Hefte  dieser  Jahrbücher  S.  164 
Erwulinung  gelhanj  ich  hin  jedoch  nach  einer  freundlichen  Mittheilung 
des  Herrn  Cornnierzienrath  Boch  in  Mettlach,  welcher  die  Gräber  un- 
mittelbar nach  ihrer  .Auifindung  besichtigte,  in  den  Stand  gesetzt,  die 
Angaben  Jost 's  in  einigen  Punkten  zu  berichtigen  und  zu  vervoU- 
ständisen. 

Die  Särge  waren,  wie  meist  die  Sandstcinsärgc  in  hiesiger  Gegend 


Aasgrabungen  römiBcher  Alterthümer  im  Regierungsbezirk  Trier,        107 


mit  vermittelst  des  Kräntel  sorgfältig  gearbeiteten  parallelen  Halb- 
kreisen omamentirt.  Die  Gebeine,  welche  in  den  Särgen  lagen,  zer- 
fielen, sowie  man  sie  berührte,  in  Staub.  Nur  ein  Sdiädol  war  erhalten, 
der  durch  den  rothen  Lehmboden,  in  welchem  die  Särge  standen  und 
der  in  die  Särge  eingedrungen  war,  eine  röthiiche  Färbung  angenommen 
hatte.    Von  Haaren  fand  sich  keine  Spur. 

Die  aufgefundenen  Grabesgabeu,  welche  von  Herrn  Roch  dem 
hiesigen  Museuin  zum  Geschenk  übergeben  worden  sind,  bestehen  aus 
folgenden  Stücken,  Das  interessanteste  Fundstilck  ist  ein  0,15  m  hoher 
Glasbecher  ohne  irgend  welche  Verzierung.  Nur  unmittelbar  unter 
dem  Rand  befindet  sich  eine  Inschrift,  welche,  weil  der  Rand  theil- 
weisc  ausgebrochen,  stark  verstümmelt  ist.    Sie  lautet 

VIVAS  TVio    .    .    'STI  I    e 

Sie  ist  wohl  vivas  tuis  Faustioe!  zu  lesen  und  mit  der  Trierer 
Inschrift  bei  Brarabach  Nr.  813  zu  vergleichen. 

Ferner  fanden  sich  in  den  Sarcophagen  noch  zwei  Gbsfläschchen, 
das  eine  von  der  in  der  hiesigen  Gegend  häutigen  Art  mit  Kugelbauch, 
das  andere  mit  länglich  ovalem  Bauch,,  ausserdem  zwei  Sparbüchsen 
und  ein  Hahn  aus  Thon,  zwei  eiserne  Aexte,  mehrere  Theile  einer 
Schnalle  und  au  Münzen  ein  Grosserz  11.  Aureis,  ein  Mittelerz  Con- 
stantins,  Kleincrze  von  Gordian,  Constantin  und  Cotistantius.  Die 
Angabe  Jost'a,  e-s  sei  eine  Goldmilnxe  Constantin's  gefunden,  beruht 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auf  Irrthum. 

In  der  Nähe  des  Dorfes  Wal  scheid  bei  Mimderscheid  wurde  im 
Laufe  des  Juli  ein  grosser  Grabhiigel  auf  Kosten  des  Museunis  geöffnet 
unter  Leitung  des  Herrn  Bürgermeister  Thielen  und  freundlicher  Mit- 
wirkung des  Herrn  Justizraths  Schmitz  zu  Manderscheid  und  des 
Herrn  Försters  Hilgers  zu  Eckfeld.  Einem  Berichte  des  Herrn  Thielen 
in  Nr.  196  der  Trierer  Zeitung,  welcher  die  Beschreibung  dieser  Aus- 
grabungen und  zugleich  werthvolle  Notizen  über  andere  in  der  dortigen 
Gegend  gelegene  Gräber  und  Reste  alter  Nieilerlassungen  enthält, 
entnehme  ich  folgendes  über  die  Lage  und  Form  des  betreffenden 
Grabhügels : 

„Auf  dem  höchsten  Punkte  der  Gemarkung  von  Walscheid,  wo 
der  liVeg  von  Walscheid  nach  Eckfeld  steh  mit  der  Ha,sboni-Dauner 
Strasse  kreuzt,  liegt  ein  alter,  runder  Grabhügel,  welcher  durch  seine 
Grösse  und  hohe  Lage  von  den  zahlreichen  Grabhügeln  der  Umgegend 
ausgezeichnet  ist.* 


106        Ausgrabungen  römiscber  Alterihümer  im  Regierungsbezirk  Trier. 


„Der  Grabhügel  hat  eine  Höhe  von  circa  3  m  und  einen  Umfang 
von  circa  100  m.  Es  darf  mit  Sicherheit  angenommen  werden, 
dass  der  Hflgel  ursprünglich  erheblich  hoher  war,  dagegen  einen  ge- 
ringeren Umfang  hatte.  Abpflügcn  und  Regengiisse  u.  s.  w.  werden 
den  Hügel  im  Laufe  der  Zeit  verflacht  haben.  Der  Hügel  besteht  aas 
verwitterter  Grauwacke,  wie  auch  die  ganze  Umgebung." 

„Ungefähr  in  der  Mitte  des  Hügels,  etwas  nach  der  einen  Seite, 
zeigten  sich  Spuren  von  Kohlen  und  Asche  und  endlich  auf  dem 
ursprünglichen  Boden  stehend  ein  grosses  Becken".  Das  Becken  besteht 
aus  getriebener  Bronze.  Es  ist  vollkommen  rund  und  von  ovaler 
Bauchung.  Der  Form  nach  gleicht  es  dem  oberen  Theile  der  Schaale 
mit  Fuss  bei  Sacken,  Grabfeld  von  Hallstatt  Taf.  24,  1.  Das  Becken 
hat  eine  Höhe  von  0,22  m,  eine  grösste  Breite  von  0,53  m  und  ara 
Rande  eine  Breite  von  0,45  m.  Der  Rand  ist  ringsum  mit  einem 
3  cm  breiten,  eisernen  Reifen  eingefasst,  welcher  vermittelst  eiserner 
Nägel  an  das  Becken  festgenietet  ist.  An  dem  Reifen  hängen  frei 
beweglich  zwei  eiserne  Henkel  von  der  Form  eines  Omega.  Das  Becken 
ist  ohne  jede  Verzierung. 

In  dem  Becken  lagen  Holzreste,  Reste  von  Geweben,  verkohlte 
Knochen,  etwas  Asche  und  drei  Reifen  aus  dünnem  Hronzedraht  im 
Durchmesser  von  0,03  m. 

An  einigen  der  Holzreste  ist  deutlich  ein  Rand,  an  einem  andern 
flachen  Stücke  ein  kleiner  dünner  Bronzehenkel  zu  erkennen.  Hieraus 
scbeitit  mir  Herr  Thielen  mit  Reclit  geschlossen  zu  haben,  dass  in  dem 
Bronzebecken  ein  Holzgofäss,  welches  mit  einem  Holzdeckel  versehen 
war,  gestanden  und  dieses  die  Knochenreste  enthalten  habe. 

Ueber  das  Holzgefiiss  waren  Lappen  gelegt j  welche  auch  noch 
den  Rand  des  Bronzebeckens  bedeckten.  Die  Lappen  sind  zum  TbeU 
am  Holze  haften  geblieben  und  haben  auch  im  Roste  des  eisernen 
Beckenrandes  deutlich  Spuren  hinterlassen. 

Die  Holzart  des  Gefässes  ist  nicht  mehr  deutlich  festzustellen. 
Doch  schien  es  Herrn  Director  Dronke,  der  die  Freundlichkeit  hatte, 
dasselbe  mikroskopisch  zu  untersuchen,  wahrscheinlich,  dass  es  Buche 
gewesen  sei.  Unter  den  Geweben  unterschied  Herr  Drooke  zwei 
Arten.  Das  eine  sei  ein  Gewebe  aus  Ziegenwolle,  das  andere  ein  fei- 
neres, nicht  näher  bestimmbares. 

Etwas  von  dem  Becken  ab  lagen  zwei  eiserne  Pfeilspitzen;  sie 
haben  eine  Länge  von  0,0ti3  m  und  die  bei  Lindenschmit  II 
Heft  IX,  Taf.  5,  2  abgebildete  Form. 


Auagrabungen  römischer  Alterlhümer  im  Regierungsbezirk  Trier.        109 

Obgleich  noch  die  Oeffnuug  einer  ganzen  Reihe  in  tJen  vnrschie- 
densten  Gegenden  des  Regierungsbezirks  gelegener  tumuti  geplant  war, 
so  niusstc  dies  doch  bis  auf  weiteres  verschoben  werden  wegen  der  andern 
grossen  Unternehmungen  des  Museums,  der  Ausgrabungen,  welclie  in 
^ Oberweis  bei  Bitburg,  in  Leudersdorf  bei  Hillesheina,  in  Trier  auf  der 
Johannisstrasse  und  bei  dera  Vororte  St.  Barbara  in  diesem  Jahre 
yeranstaltet  worden  sind. 

Ueber  die  Freilegung  der  grossen  römischen  Villa  zu  Oberweis, 
welche  im  Anfang  dieses  Jahres  vorgenommen  wurde,  ist  schon  im 
LXII.  Hefte  dieser  Jahrbücher  S.  185  berichtet  worden.  Es  braucht 
deshalb  hier  nur  hinzugefügt  zu  werden,  dass  sich  seit  Abfassung  jenes 
Berichtes  die  Einzelfutide  noch  bedeutend  gemehrt  haben,  dass  nament- 
lich noch  ein  dritter,  mit  Kreisen  und  Sternen  gezierter  Mosaikhoden 
und  ein  sehr  fein  a  fresco  gemaltes  Kinderköpfchen  aufgefunden  wurden. 
Die  Mosaikböden  wurden  unter  Leitung  des  Herrn  Prof.  aus'm  Weerth, 
der  auf  meine  Bitte  iiersönlich  nach  Oberweis  kam,  nach  einer  neuen 
Methode  nicht  in  einzelne  Stücke  zersägt,  sondern  im  Ganzen  ge- 
hoben und  sind  woblbchaltcn  im  Museum  zur  Aufstellung  gelangt. 

In  Leudersdorf)  wird  eret  seit  einigen  Wochen  gegraben,  doch  ist 
schon  jetzt  erkennbar,  dass  man  auf  eine  grosse,  aus  mindestens  drei 
Häusern  bestehende  römische  Niederlassung  gestossen  ist.  Dass  an 
der  betreffenden  Stelle  ein  grosser  Complex  von  Mauerwerk  unter  der 
Erde  verborgen  liege,  wusste  man  in  der  dortigen  Gegend.  Die  grossen 
Wolkenbrüche,  unter  denen  die  Eifel  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
zu  leiden  hatte,  hatten  einen  Theil  der  Gebäullchkeiten  frei  gelegt  und 
auch  später  waren  die  Leute  beim  Ackern  öfters  auf  Mauern  gestossen. 
Die  übertreibende  Volksphantasie  verlegt  demnach  an  diese  Stelle  eine 
römische  Stadt,  die  sie  nach  dem  Namen  Panweiler,  welchen  der  be- 
treffende Di  strict  führt,  Panphylia(oderPanvillia??)  benennt.  Indess 
mehr  als  durch  diese  Angaben  über  aufgefundenes  Mauerwerk,  die  hier 
allerorts  gemacht  werden  und  deren  Glaubhaftigkeit  sich  ja  ohne  Unter- 
suchungen nicht  feststellen  lässt,  wurden  die  Ausgrabungen  durch  deu 
Umstand  veranlasst,  dass  auf  dem  Felde  massenhaft  Reste  antiker 
^larmorbekleidung  und  bei  Aufsanimluug  alles  dessen,   was   auf  dem 


X)  leb  will  nicht  unterlassen,  auf  einen  von  ktindigor  Hand  geschriebenen 
Artikel  der  Nr.  252  der  Trierer  Zeitung  aufmerksam  za  machen,  in  welchem  die 
neuen  Ausgrabungen  und  die  früher  in  der  Umgegend  von  Leudersdorf  aof- 
gefandenen  Altertbiimer  besprochen  werden. 


110 


Ausgrabungen  römiBchcr  Altertbümer  im  Regierungsbezirk  Trier. 


Felde  lag,  auch  der  Stein  eines  Siegelringes  zum  Vorschein  kam,  ein 
Carneol,  auf  dem  ein  Pan  dargestellt  ist. 

Die  Niederlassung  liegt  auf  einem  langen,  nach  Süden  gewendeten 
Abhänge,  lu  der  Mitte  des  Abhanges  steht  das  Hauptgebäude.  Seine 
Anlage  scheint  in  sofern  Aehnlichkeit  mit  denen  der  grossen  Villen  zu 
Neiinig  und  Überweia  zu  haben,  als  die  ganze  Front  von  einer  laugen 
schmalen  Halle  eingenonimen  wird.  Hinter  der  Halle  liegen  die  Wohn- 
räume; bis  jetzt  sind  deren  fiinfzelm  aufgedeckt,  aber  die  Zahl  der- 
selben wird  sifh  mindestens  verdoppeln.  Dem  kalten  Eifler  Klima 
angemessen,  sind  eine  veiliältnissmässig  grosse  Anzahl  der  Zimmer  mit 
Heizvorrichtungen  versehen.  Ziemlifh  in  der  Mitte  des  Hauses  liegt 
ein  Bad  von  guter  Erhaltung.  Die  Fussböden  sind  meist  mit  Marmor- 
platten getäfelt,  die  Wände  a  fresco  gestrichen.  Das  Mauerwerk, 
welches  aus  dem  Stein  der  dortigen  Gegend,  aus  Grauwacke  besteht, 
steht  ztint  Tlieil  noch  über  zwei  Meter  hoch. 

Von  dem  Gebäude,  welches  fast  auf  der  Höbe  des  Abbanges 
liegt,  ist  erst  ein  Zimmer  mit  seiner  Heizkammer  freigelegt.  Ein 
drittes  Gebäude  liegt  unten  in  der  Niederung.  Es  hat  eine  Länge 
von  80  m  und  scheint  sehr  grosse  Eäume,  vielleii;ht  Ställe  und  Scheunen 
zu  enthalten.  Das  Mauerwerk  ist  hier  am  meisten  zerstört.  Dagegen 
fanden  sich  iti  demselben  eine  Reihe  interessanter  Terracotten,  zwei 
Juppiter-Stutuetten,  welclie  dou  Gott  auf  einem  Sessel  sitzend,  in  der 
Rechten  den  Blitz,  in  der  Linken  den  Scepter  haltend,  darstellen, 
ferner  eine  Juno  mit  einem  Kästchen  in  der  linken  Hand,  zwei 
stehende  Frauengestalten  mit  Kindern  auf  den  Armen  und  drei  sitzende 
Göttinnen  mit  Zweigen,  Schaalen  und  Thieren. 

In  den  andern  Gjehäuden  wurde  noch  nichts  von  Belang  gefunden. 
Die  Untersuchungen  sind  von  den  Herren  Pastor  Haubrich  in  Nohn 
und  Kaufmann  Spuhr  in  Uexheiin,  welche  mich  auch  auf  die  betref- 
fende Stelle  aufmerksam  machten,  mit  Umsicht  geführt  worden.  Auch 
verdankt  das  Museum  diesen  beiden  Männern,  welche  ein  lebhaftes 
Literesse  für  die  Erforschung  der  Altertbümer  und  der  Geschichte 
ihrer  Gegend  habea,  einige  wcrthvoUe  Geschenke. 

In  Trier  stiess  man  in  dem  auf  der  Johannisstrasse  290  c 
gelegenen  Grundstücke  der  Herren  Staadt  und  Wie  weis  beim  Bau 
eines  Kellers  auf  ein  rOniistihes  Wohnhaus.  Da  die  Herren  Eigentbümer 
die  grosse  Freuijdlichkeit  hatten,  die  Direction  des  Museums  davon 
sofort  in  Kenntuiss  zu  setzen,  so  wurde  es  mir  möglich,  im  Laufe  des 
Sommers  eine  systematische  Nachfoi*schung    zu    führen,    bei    welcher 


:Aaigrabuogen  römisoher  Alterthümer  im  Regieningsbeeirk  Trier.        111 


mich  der  KgL  Bauinspector  Herr  Bruns  in  der  liebenswürdigsten 
Weise  unterstützt  hat.  Es  ergaben  sich  an  dem  Gebäude  zwei  Bau- 
perioden.  Von  der  jüngeren  Periode  waren  nur  die  IJöden  erhalten. 
Um  so  besser  dagegen  waren,  eben  Dank  der  Umbauten  der  zweiten 
Periode,  Theile  der  ersten  conservirt.  Denn  da  die  Böden  der  zweiten 
Periode  1,50  m  über  dem  Estrich  der  ersten  gelegt  waren,  so  war  das, 
was  zwischen  den  Böden  tag,  vor  Feuchtigkeit  und  Zerstörungssucht 
auf  das  beste  geschützt. 

Sonach  konnten  von  der  ersten  Anlage  vier  viereckige  Räume 
freigelegt  werden  und  von  einem  fünften  eine  Apsis.  Die  Wände  der- 
selben waren  in  pompejanischer  Weise  gemalt  und  mit  Thicrfi,ij;uren 
geziert.  Im  Ganzen  fanden  sich  zwei  Hirsche,  ein  Luchs  uud  ein 
viertes  Thier,  wie  es  scheint  ein  Bär;  indess  gelang  es  nur  einen 
Hirsch  und  den  Luchs  von  der  Wand  abzulösen  und  zu  erbalten.  Der 
Hirsch  ist  im  Laufe  dargestellt;  er  ist  0,80  m  lang  und  mit  grünlich 
grauer  Farbe  auf  rothen  Grund  gemalt.  Der  Luchs  ist  etwas  kleiner 
und  mit  derselben  Farbe  wie  der  Hirsch  auf  einen  gelblich  braunen 
Grund  aufgetragen. 

lu  einem  Zimmer  stand  ein  Püstamcnt  unverrüekt  an  seiner 
Stelle.  Eine  Jiippiterstatuette,  die  offenbar  ehemals  darauf  gestanden, 
lag  unmittelbar  daneben  am  Boden.  Die  Statue  ist  aus  Muschelkalk 
und  hat  jetzt,  wo  der  Kopf  fehlt,  eine  Hohe  von  0,60  m.  Die  Dar- 
stellung i.st  die  in  den  Rheirilaudeu  gebrüuclilichste  dieses  Gottes.  Der 
Gott  sitzt  auf  einem  sehr  detailirt  ausgearbeiteten  Stuhl  und  ist  mit 
einem  Hiniation  bekleidet,  welches  den  Unterkörper  und  den  Rücken 
bedeckt  und  dessen  eines  Ende  über  die  linke  Schulter  geworfen  ist. 
Der  linke  Arm  ist  erhoben  und  hielt  ehemals  den  Scepter;  die  rechte 
Hand  hält  —  und  dies  ist  das  interessanteste  —  noch  jetzt  den  Bronze- 
blitz. Nicht  weit  von  der  Statue  lag  ein  Juppiterkopf,  welcher  aber  zu 
gross  ist,  als  dass  man  ihn  mit  der  Statue  in  Verbindung  bringen  dürfte. 
Auch  wurde  der  Torso  eines  Amors  aufgefunden,  welcher  sich  an  einen 
Baumstamm  anlehnt;  er  ist  aus  Muschelkalk  und  0,25  m  hoch;  sonst 
noch  viele  Anticaglien,  als  Töpfe,  Fragmente  von  Sigiilataschüsseln, 
Griffel  u.  dgl. 

Alle  diese  Fundobjecte  gehören  dem  Bau  der  ersten  Periode  an. 
Aus  der  zweiten  Periode  ist  uns  nur  ein  Stück,  aber  von  hervorra- 
gendem Werthe  erhalten,  ein  6,40  m  langer  und  5,10  m  breiter  Mo- 
saikboden. Die  Composition  des  Bodens  ist  folgende.  In  der  Mitte 
befindet  sich  ein  etwa  1  m  grosses  Quadrat;  dieses  umgeben  vier  kreuz- 


112        AasgrabongeD  rötniscber  Altertbümer  im  Regierungsbesirk  Trier. 


weise  gestellte  Achtecke.  Die  Quadrate  und  die  Achtecke  Bind  mit 
figürlichen  Darstellungen,  die  übrige  Fläche  mit  Ornamenten  geziert 
Sämmtliche  Figuren  stellen  Musen  dar,  welche  in  langer  Gewandung 
meist  von  rothbrauuer  Färbung  auf  weiten  grünen  Lebustühlen  sitzen: 
die  eine  Muse  spielt  Leier,  die  zweite  hält  eine  tragische  Maske,  die 
dritte  (die  Figur  selbst  war  nicht  mehr  erhalten)  bläst  Flöte;  die 
Attribute  der  beiden  letzten  Figuren  sind  zerstört.  Die  Omaraente  sind, 
wie  auf  den  nieisten  hiesigen  Mosaiken,  aus  rotheu,  schwarzen,  gelben, 
grauen  gebackeuen  Steinchen  auf  weissen  Grund  gesetzt;  zur  Darstel- 
lung der  Figuren  dagegen  sind  Steinchen  aller  Farben  benutzt,  vod 
denen  die  gelben,  blauen  und  grünen  Steinchen  aus  Glas  bestehen.  Die 
Benutzung  der  Gla-ssteinchen  und  die  hohe  Lage  des  Mosaikbodens  ver- 
weisen den  zweiten  Bau  in  späte  Zeit  —  Sämmtliche  Fundobjecte  sind 
durch  die  grosse  Liberalität  der  Herron  SUiadt  und  Wiewcls  dem 
Museum  zum  Geschenke  übergeben  worden. 

Die  bedeutendste  Unternehmung  des  Provinzialrauseums  ist  die 
Erforschung  de.s  grossen,  römischen  Gebäudes,   welches  im  Südwest 
der  Stadt  in  der  Nähe  der  Mosel   beim  Vororte  St.  Barbara  noci' 
im  Anfang    des  siebzehnten  Jahrhunderts  als  stolze  Huine  sichtbar, 
nunmehr  in  seinen  Obertheilen    total  zerstört,  unter  dem  Erdboden 
begraben  liegt. 

Seit  Anfang  Juli  vorigen  Jahres  sind  die  Ausgrabungen  daselbst 
mit  wenigen  Unterbrechungen  geführt  worden  und  werden  bis  zu  ihrer 
Vollendung  mindestens  mich  ein  Jahr  in  Anspruch  nehmen. 

Wenngleich  eine  eingehende,  voü  Plänen  begleitete  Besprechung 
erst  nach  Abscliluss  der  Untersuchungen  gegeben  werden  kann,  so 
möchte  ich  doch  hier  einige  vorläuüge  BemerkuDgen  mittheilen,  um 
das  Interesse  des  archäologischen  Publicuras  für  diese  Ausgrabung  einer 
der  umiangreichsteu  und  luxuriös  ausgestattetsteu  antiken  Prachtbauten 
wachzurufen. 

Die  jetzigen  Ausgrabungen  sind  nicht  die  ersten,  welche  auf 
diesem  Plat/e  vorgenommen  werden.  Schon  im  Anfang  des  17.  Jahr- 
hunderts wurden  unter  Caspar  von  der  Leyen  Untersuchungen  da- 
selbst angestellt,  ebenso  in  den  Jahren  1822  und  1825.  Aber  über 
die  dabei  erzielten  Resultate  sind  nur  sehr  ungenaue  Beschreibungen, 
geschweige  denn  Pläne  auf  uns  gekommen. 

Alsdann  wurde  der  1845  zufällig  gemachte  Fund  der  berühmten 
Replik  der  capitolinischeo  Amazone  Anlass  zu  Untersuchungen,  welche 
in  den  beiden  Iblgenden  Jahren  unter  Leitung  des  auch  weiteren  Kreisen 


Atugprabungon  römischer  Alterthümer  im  Regierungsbezirk  Trier.        118 

durch  seine  Publicationen  bekannten  Architecten  Schmidt  geführt 
wurden.  Da  aber  die  zur  Disposition  stehende  Geldsumme  eine  geringe 
war,  so  wurde  nur  ein  Tbeil  der  Mauerlinien  verfolgt  und  leider  nir- 
gends in  die  Tiefe  gegangen.  Auf  diese  Weise  gewann  man  freilich 
einen  Ueberblick  über  einen  Theil  der  Anlage,  der  Zweck  des  Gebäudes 
aber  konnte  natürlich  nicht  ermittelt  werden.  Aber  trotzdem  sind  diese 
letzten  Ausgrabungen  nicht  ohne  Wcrth,  ja  sie  sind  in  sofern  sogar 
von  hoher  Bedeutung,  als  sie  Stellen  berührt  haben,  welche  heute,  weil 
mit  Häusern  bebaut,  nicht  mehr  untersuchbar  sind.  Ueber  die  Resultate 
jener  Ausgrabungen  kann  sich  Jedermann  aus  einem  von  Schmidt 
verfassten  Berichte  der  Nr.  101  des  Philanthropen  und  einem  im  Archiv 
der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  hierselbst  aufbewahrten 
Grundrisse  Eenntniss  verschaffen. 

Ohne  also  im  Folgenden  ausdrücklich  zu  bemerken,  was  etwa 
schon  durch  die  früheren  Untersuchungen  festgestellt  war,  beginne  ich 
den  Bericht  Über  die  neuen  Ausgrabungen,  indem  ich  der  Einzelbe- 
schreibung ein  kurzes  Bild  der  Gesammtanlage  voranstelle. 

Die  Westfa^ade  des  Gebäudes  war  der  Mosel  zugewendet  Von 
einem  Theil  desselben  geben  uns  Abbildungen  von  Ortelius,  Browei^ 
und  Wiltheim  eine,  wenn  auch  ungenaue  Vorstellung.  Hiemach  war 
die  Fa^ade  durch  kräftige  Gesimse  in  drei  Stockwerke  getheilt,  die 
einzelnen  Stockwerke  wiederum  waren  gegliedert  durch  paarweis  ge- 
stellte, corinthische  Säulen,  welche  Giebel  tragen.  Zwischen  den  Säulen 
lagen  zur  Aufnahme  von  Statuen  bestimmte  Nischen.  Fenster  waren 
nicht  vorhanden.  Ein  gewölbter  Eingang  nahm  fast  die  ganze  Höhe 
des  Gebäudes  ein  und  hat  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  der  Mitte 
der  Fagade  gelegen. 

Die  Nordfa^de  läuft  ziemlich  parallel  mit  der  heutigen  Südallee. 
Sie  lag  nicht  frei  an  einer  Strasse,  sondern  bildete  die  südliche  Rück- 
seite eines  grossen  Hofes,  welcher  im  Westen  und  Osten  durch  Seiten- 
flügel und  im  Norden  durch  eine  lange  Mauer  begrenzt  war. 

Wie  der  Aussenbau  des  Gebäudes  nach  Süden  und  Osten  zu  gebildet 
war,  lässt  sich  bis  jetzt  noch  nicht  erkennen,  die  Ausgrabungen  werden 
aber  wahrscheinlich  schon  in  wenigen  Monaten  hierüber  Aufschluss  geben. 

Das  Mauerwerk  besteht  aus  abwechselnden  Schichten  von  Ziegel- 
platten und  Kalksteinen  und  zwar  das  Kalksteinmauerwerk  wiederum 
im  Innern  aus  durch  Mörtelguss  verbundenen  Bruchsteinen,  welche 
nach  aussen  mit  sorgsam  rechteckig  zugehauenen  Steinen  verkleidet 
sind.    Die  Bauart  gleicht  also  durchaus  derjenigen  der  am  südöstlichen 

8 


Ctt^rattaiigen  romiiene^Alterthümer  iteTwgtenmpbBEirl«  Trier. 

Ende  der  Stadt  gelegenen  Ruine,  welche  gewöhnlieli  als  römisclie  Bador 
bezeichnet  wird.  Die  Manern  stehen  an  manchen  Stellen  noch  etwa  zwei 
Meter  hoch  über  dem  ehemaligen  Fussboden,  au  andern  sind  sie  dagegen 
weit  tiefer  abgebrochen.  In  den  FundaDicnten  haben  die  Aiissenmauern 
durchschnittlich  eine  Starke  von  1,90  m,  die  Innenmauern  von  1/25  m. 
Im  aufgehenden  Mauerwerk  sind  dfe  Aussen  mauern  0,90  m,  die  Innen- 
roauern  0,75  m  breit.  Die  Fussbödeti  waren  (heils  mit  Estrich  bedetkl, 
theils  mit  MoBaikbüden,  welche  hauptsächlich  aus  Glassteinchen  be- 
standen, geziertt  theils  mit  Marmorplatten  oder  Platten  ans  Muschel- 
kalkstein  musivisch  getäfelt.  Die  Wände  waren  stellenweise  Ter- 
putzt  und  bemalt,  vielleicht  auch  mit  Mosaiken  geziert*),  zum 
grössten  Theü  aber  mit  Marmor  belegt;  für  die  Innenwände  beweisen 
dies  viele,  noch  an  ihrer  Stelle  haftende  Stücke,  fiir  den  Aussenbau 
die  überaus  grosse  Menge  von  Marmor  —  ganze  Wagenladungen  konnte 
ich  abfahren  lassen  —  welche  längs  der  Kordfaqade  zum  Vorschein 
kam.  Es  wurden  die  verschiedensten,  gewöhnlichen  aber  auch  seltensten 
Arten  von  Marmor  gefunden,  zu  Platten,  Gesimsen,  Pilasterstnck«»n 
und  Pilastercapitälen  verarbeitet.  Letztere  sind  immer  von  compositer 
Form  und  auffallend  flachem  Relief. 

Säulen  sind  in  dem  Gebäude  sehr  viel  zur  Verwendung  gekommen. 
Es  wurde  nicht  mir  ein  Capit&l  aus  weissem  Marmor  und  Trommeln 
aus  gelbem  und  vielfarbigem  Marmor  aufgefunden,  sondern  eine  ganze 
Reihe  mächtiger  compositer  Capitiile,  Trommeln  und  Basen  aus  Muschel- 
kalk. Eines  dieser  Capitäle  hat  schön  Wiltheim  in  seinem  Luxemb. 
rem.  Nr.  44  abgebildet. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Beschreibung  des  Einzelnen.  Den  deut- 
lichsten Einblick  hat  man  bis  jetzt  in  die  Anlage  der  Nordfa^ade  und 
der  dahinter  liegenden  Räume.  Denn  die  grössere  Hälfte  der  genannten 
Fagade  ist  in  einer  Breite  von  20  m,  nach  dem  Innern  des  Gebäudes  zu 
gerechnet,  im  Laufe  des  letzten  Jahres  vollkommen  freigelegt  und  der 
Schutt  abgefahren  worden.  Zudem  lernen  wir  aus  demSchmidt'schen 
Grundriss  von  1847  nicht  nur  die  Anlage  einiger  weiteren,  jetzt  nicht 
mehr  erforschbaren  Theile  dieser  Fagade  und  der  ihr  anliegenden 
Räume  kennen,  sondern  der  Vergleich  des  jetzt  freigelegten  Gebietes 
mit  jenem  Grundriss  zeigt  uns  auch,  dass  die  Fagade  und  der  dahinter 


1)  Schmidt  a.  a.  0.  Diese  Mosaik  diente,  nach  dem  Mörtel  zu  artheilen, 
der  noch  an  derselben  haftet,  zur  Verzierung  von  Wänden  oder  gewölbten 
Decken. 


'^ 


AnsgrabuTigen  römischer  Alterthümer  im  Regiernngsbezirk  Trier.        115 

liegende  Theil  vollkommen  symmetrisch  componirt  waren  und  giebt 
uns  somit  die  Mittel  zu  einer  Reconstruction  der  ganzen  Nordfa^adc. 

Danach  hatte  die  Facade  eine  Länge  von  125  m.  In  ihrer  Mitte 
liegt  ein  4,50  m  breiter  Eingang,  der  auf  beiden  Seiten  von  mächtigen, 
4  m  breiten  Pfeilern  flankirt  wird.  An  diese  schliessen  sich  sowohl 
rechts,  wie  links  drei  Nischen  an,  deren  Gesammtlänge  21  m  beträgt. 
Die  beiden  äusseren  Nischen  sind  halbkreisförmig,  die  mittlere,  grösste 
rechteckig.  In  diesen  Nischen  scheinen  Statuen  gestanden  zu  haben, 
wenigstens  wurde  in  einer  derselben  der  schon  erwähnte  Amazonen- 
torso *)  aufgefunden.  Während  so  der  mittlere,  eine  Länge  von  55  m 
einnehmende  Theil  der  Facade  in  der  abwechselndsten  Weise  gebildet 
ist,  indem  die  Fagade  bald  in  Bogen,  bald  in  Rechtecken  hinter  die 
Hauptlinic  zurückspringt,  so  bildet  der  noch  übrige  Theil  der  Fa(;ade,  der 
an  beiden  Enden  eine  Länge  von  35  m  beträgt,  eine  vollkommen 
gerade  Linie  ohne  irgend  welche  Gliederung.  An  beiden  Enden  der 
Facade  liegen,  rechtwinklig  auf  dieselbe  stossend,  je  ein  Seitenbau. 
Freilich  ist  nur  der  ösllicfic  wirklich  constatirt  worden,  die  Annahme  des 
westlichen  beruht  allein  auf  der  Annahme  vollkommen  durchgeführter 
symmetrischer  Composition.  Der  östliche  Seitenbau  hat  eine  Länge 
von  88  m  und  wahrscheinlich  eine  Breite  von  21  m.  Er  zerfällt  in  zwei 
Theile.  Der  vordere,  nach  dem  Hauptgebäude  zu  liegende  südlichere 
Theil,  der  eine  Länge  von  41m  hat,  ist  als  geschlossenes  Gebäude 
behandelt;  er  scheint  nur  einen  grossen  Raum  enthalten  zu  haben; 
aus  diesem  führte  eine  über  6  m  breite  Thür  nach  dem  davorliegcnden 
nördlichen  Theile,  welcher  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  einer 
oflFenen  Säulenhalle  bestand.  Diese  beiden  Flügel  und  die  beschriebene 
Facade  umschliessen  einen  grossen  Hof,  der  im  Norden  seinen  Abschluss 
durch  eine  einfache  anderthalb  Meter  breite  Kalksteinmauer  findet. 

Wenden  wir  uns  zurück  zu  der  Fagade  und  treten  durch  das  in 
der  Mitte  gelegene  Portal  in  das  Gebäude  ein,  so  gelangen  wir  in 
einen  grossen  ovalen  Saal,  dessen  kleinerer  Durchmesser  eine  Länge 
von  12  m  hat.  Von  hier  aus  links  liegen,  hinter  den  drei  Nischen  der 
FaQade,  drei  kleine  Kabinete.  Dann  folgen  in  einer  Flucht  vier  grosse 
Räume,  alle  von  gleicher  Breite:  9  m  im  Lichten.    Der  erste  ist  mit 


1)  Im  Rücken  der  Amazone  befindet  sich  noch  ein  Rest  des  Zapfens,  mit 
welchem  sie  an  der  Wand  befestigt  war.  —  Auf  ihrem  linken  Schulterblatt  sind 
die  Buchstaben  J]3  eingravirt,  worauf  meines  Wissens  noch  nicht  aufmerksam 
gemacht  worden  ist. 


115        AuBgrrtmn^m  römischer  Alter thüroer  im  RögiertiogebeBirk  Trier. 

einer  Apais  versehen  und  hat  eine  Länge  von  12  na,  die  anderen  Räutne 
sind  rechteckig,  der  zweite  3,50  m,  der  dritte  5,20  m,  der  vierte  13  ra  lang. 

Genau  dieselben  Räumlichkeiten  liegen  auch  rechts  von  dem 
ovalen  Saal. 

Unter  dem  Fussboden  dieses  Saales  fand  sich  ein  0,93  m  breiter 
und  1,40  m  hoher  überwölbter,  aorgfältig  verputzter  Wassercana], 
Nachdem  derselbe  den  Hofraum  in  einem  weiten  Bogen  imterirdisch 
durchschnitten,  bricht  er  plötzlich  ab,  lief  aber  ehedem  zweifellos  der 
Mosel  zu.  In  diesen  Caoal  mündeii  unter  dem  ovalen  Snal  von  rechts 
und  links  zwei  grosse  Seitencanäle,  welche  das  in  den  beiden  Hälften 
des  Nordbaues  gebrauchte  Wasser  dem  Hauptcanal  zuführen.  In  den 
östlichen  Seitencanal  ergicssen  sich  sechs  Nebcncanäle  von  einer  Hübe 
von  0,35  m  und  einer  Breite  von  0,30  ra,  je  zwei  aus  dem  Apsiszinimer, 
aus  dem  oben  an  dritter  Stelle  genannten  Raum  von  9  ra  zu  5,20  in,, 
und  ferner  aus  einem  von  dem  Apsiszimroer  Hüdlieh  gelegenem  Räume. 
Wahrscheinlich  erhielt  der  westliche  Seitencanal  aus  den  entsprechenden 
Zimmern  des  rechten  Flügels  seine  Speisung, 

Mass  ich  fürchten,  dass  es  mir  schon  bis  hierher  vielleicht  nicht 
möglich  war  dem  Leser  ein  klares  ßild  des  Gebäudes  m  entwerfen, 
so  scheint  mir  eine  vei-ständliche,  eingehendere  Darstellung  des  weiter 
nach  Süden  liegenden  Theiles  des  Gebäudes,  der  coinpücirten  An- 
lage wegen,  ohne  Pläne  geradezu  unmöglich  zu  sein.  Ich  beschränke 
mich  deshalb  anzugehen,  dass  hier  einige,  tiher  2  m  hohe  gewölbte 
unterirdische  Gänge,  mehrere  Zimmer  mit  Heizungen  und  ein  sehr 
grosses  Wasserbassin,  welches  jetzt,  wo  seine  Aufdeckung  noch  nicht 
vollendet  ist,  doch  schon  eine  Ausdehnung  von  18  zu  16  m  hat,  auf- 
gefunden sind.  Das  Bassin  ist  durchweg  mit  Marmor  ausgelegt,  mit 
Fussboden-  und  Wandheizung  versehen  und  hat  an  der  Stelle,  wo 
Fussboden  und  Wand  zusammenstossen,  die  bekannte  aus  Mörtel  und 
Ziegelmehl  bestehende  Wasserleiste. 

Die  Canäle,  welche  den  Nordbau  durchziehen  und  zeigen,  dass 
hier  mächtige  Wassermassen  zur  Verwendung  kamen,  die  mit  doppelten  - 
Abzugscanälen  versehenen  Zimmer,  und  schliesslich  das  grosse  Wasser- 
bassin des  Südbaues  lassen  über  die  Bedeutung  des  Gebäudes  keinen 
Zweifel  bestehen :  wir  haben  die  öffentlichen  Thermen  vor  uns.  —  Das 
Verdienst,  dies  gleich  in  den  ei-sten  Wochen  nach  Anfang  der  Aus- 
grabungen erkannt  zu  haben,  gebührt  dem  Herrn  Regierungs-  und 
Baurath  Seyffarth,  der  mich  bei  dieser,  wie  bei  den  anderen,  von  dem 
Museum  veranstalteten  Ausgrabungen  mit  seinen  aus  langjähriger  Be- 


•^ 


Ausgrabungen  römischer  Altertbümer  im  Regierangsbezirk  Trier.        117 

schäftigung  mit  den  römischen  Ruinen  der  hiesigen  Gegend  geschöpften 
Kenntnissen  und  technischen  Rathschlägen  unterstützt  und  gefördert  hat. 

Freilich  ist  die  Meinung,  dass  an  diesem  Platze  die  römischen 
Thermen  gestanden  hätten,  schon  von  Wiltheim  in  seinem  Luxemb. 
roman.  S.  132  ff.  ausgesprochen  und  neuerdings,  nachdem  durch 
Schmidt  die  Benennung  'römischer  Kaiserpalast'  in  Umlauf  gekommen 
war,  von  Ladner  sowohl  in  dem  Jahresbericht  der  Gesellschaft  für 
nützliche  Forschungen  1872,  S.  70,  wie  in  einer  Ende  October  1877 
verfassten  Abhandlung  der  Pick'schen  Monatsschrift  III,  10—12  ver- 
theidigt  worden. 

Wiltheim  glaubt  auf  Angaben  über  die  unter  Caspar  von  der 
Leyen  geführten  Ausgrabungen  die  Bezeichnung  Thermen  basiren  zu 
dürfen,  und  Ladner  theilt  diese  Ansicht. 

Ich  würde  mich  aufrichtig  über  jeden  begründeten  Beweis  freuen, 
welcher  die  neuerdings  wieder  zum  Durchbruch  gekommene  Ansicht 
stützen  und  festigen  könnte.  Aber  die  Wiltheim'sche  Argumentation 
ist  der  Art  nicht.  Sie  stützt  sich  auf  die  Entdeckung  von  Fussboden- 
und  Wandheizungen  und  auf  die  Auffindung  eines  goldenen  Ringes, 
einer  thönernen  Strigilis  und  einer  auf  der  Höhe  der  Ruine  gelegenen 
Wassermulde,  welche  zum  Aufsammeln  des  Regenwassers  gedient  haben 
soll,  —  Angaben,  die  ja  offenbar  theils  unrichtig,  theils  ohne  alle  Be- 
weiskraft sind.  Lad n er  seinerseits  glaubt  die  Vei-se  der  Mosella  335  ff. 
auf  die  Bäder  Triers  beziehen  und  für  deren  unmittelbare  Lage  an 
der  Mosel  anführen  zu  dürfen.  Aber  wie  die  vorstehende  Partie  über 
die  Villen,  so  entbehren  auch  diese  Verse  jedes  Hinweises  auf  irgend 
welche  Localität.  • 

Trier,  im  November  1878.  Felix  Hettner. 


12.  Datirte  Grabmftler  des  Mittelalters  In  den  Rheinlanden. 

IIL») 
Adelheid,  Gräfin  von  Waldeck  f  1329. 

Hierzu  Tafel  VIII. 
Der  Grabstein  befindet  sich  in  der  westlichen  Wand  der  evange- 
lischen Pfarrkirche,  frühern  Stiftskirche  zu  St.  Goar  eingemauert  und 
ist  übertüncht.    Seine  Grösse  beträgt  2,16  u.  0,93  m.  Die  Verstorbene, 


1)  Siehe  Jahrb.  LVII  S.  148  u.  LX  S.  188. 


118  IHtlriiKrB  ermbniler  det  Mlttdmll«n  w  de 

verhüllt  uiifi  mit  HandiHcbubeci  bekIddeU  war  die  xweiü*  GetnAlüiii  4ei 
Grafen  WUhelm  voü  KatzeaeUeabogeo ,  wdclieo  sie  1^14  hatsÜKU- 
Sie  verKUrb  1329. 

Voti  den  beidi5ii  VV^tpenecliildeii   m  DlopUii  gdiUrt  dts 
bcTAtdiscliCD  iCeckU^a,  liok»  vom  Beschauer,  mit  dnn  acbtarkigei 
den  GrAÜBU  von  Waldeck,  das  Unke  mit  dem  an&pruii.'«odei)  L&vei 
den  Ormfen  vuu  Kaü&enclJenbogeii  an. 


Diüther,  Graf  von  RatKenellciibogeo  t  ISäO. 
Uiercu  Tkfel  DL 

Audi  dietser  Grebstein  befindet  sich  in  dff  evaagelischen  Kircbe 
2U  St  Goar  und  xmur  in  der  stid lieben  VVaod  derselben.  Der  V( 
storben«;  erscbeiDl  1:£{1  jukU  luiooreno;  IS^M  aU  Pfarrer  2U  ßieber  nni^ 
Hcddetjdorf  bei  Neawied ;  1339  in  gleicher  SteUang  za  Bessungen  bei  Uano- 
stadt;  1342  iat  er  Abt  m  Vfüm  und  starb  uii  Oclober  VSM.  Dk  £1 
des  h^ligen  Gmut  war  tod  Pipin  an  die  Abtei  Prom  aberwiesen  vardcn* 
and  seitdem  eine  der  ReaidcDzen  derselben,  bis  PriJin  im  15.  Jahr- 
handert  HesiüEangea  und  Itecht^aine  »i  St  Goar  ao  die  dort  heimtschen 
Grafen  von  Kat^eneUeabogea  veHLusserte.  Grand  genag,  dass  Abt 
Dicther  hier  seine  Itnbestätte  fand.  Der  Grabstein  des  im  Abt-Costüm 
Dsi^esteUten  bat,  ftührscbeiulich  durch  den  falschen  puri:»ti§cbeii  Eifer 
der  Reformation,  eine  BeciDträchtigung  erfahren.  Die  rechte  Hand  hielt 
urüprüuglich  ein  ihcilweiae  iu  die  Brust  eingelassenes  Ostensoriuui  uiit 
einer  Reliquie  empor,  nach  dessen  Zerstörung  man  die  sich  als  vier- 
eckige Fläche  abzeichnende  Vertiefung  mit  Gips  ausfällte. 

Pie  in  den   oberen  Ecken  angebrachten  beiden  Wappen  kenn- 
zeichnen Diether  als  Grafen  von  Katzenellenbogen  (Schild  zur 
Linken  mit  dem  aufspringenden  Löwen)  und  als  Abt  von  Prüm  (Schild 
mit  dem  Lamm  Gottes). 
Die  Umschrift  lautet; 

Ter  C.,  millenis  anis  simul  .X.  quater  .V.  bis 
Octobris  trina  dapnabilis  ipa  (ipsa)  ruina. 
Abbas  Ditherus  pulcher  no(n)  tpe  (tempore)  serus, 
Mortuus  e(est),  xpc  (Christe)  veni,  peto,  cernat  ut  ipse. 
Die  Grösse  beträgt  2,28  und  1,24  m. 
Auch  dieser  Grabstein  ist  übertüncht*). 
E.  aus'm  Weerth. 

1)  Der  Verein  verdankt  die  Zeichnung  beider  Grabsteine  Herrn  Achitecten 
Lambris  in  Aachen,  dem  wir  hierfür  unsern  Dank  aussprechen. 


Bömisohe  Gläser.  119 

13.  Römische  Gläser. 

b.  Heidnische  und  christliche  Glaskelchc  und  Patenen. 

Hierzu  Tafel  X. 

Wenn  die  im  vorigen  Hefte  dieser  Jahrbücher  *)  ausgesprocheneu 
Ansichten,  dass  die  Goldgläser  weder  eine  christliche,  noch  eine 
örtliche  Specialität  der  Stadt  Rom  seien,  und  daäs  ilirc 
Schmuck-Medaillons  (die  fondi  d'oro)  gesondert  und  für 
sich  gearbeitet  wurden  und  auch  an  und  für  sich  und  ohne  die 
ledigliche  Bestimmung,  in  die  Böden  von  Glusschalen  eingelassen  zu 
werden,  eine  dekorative  Verwendung  fanden,  so  hat  inzwischen 
gerade  die  letztere  Behauptung,  durch  die  auf  der  eben  geschlossenen 
Pariser  Ausstellung  von  dem  Herrn  Dr.  Salviati  in  Venedig,  wieder 
von  ihm  früher  geleiteten  Gesellschaft  vorgeführten  imitirten  alt- 
christlichen  Gläser  mit  Gold-Medaillons  und  Einzel-Medaillons  ihre  volle 
Bestätigung  von  Seiten  der  heutigen  Glas- Industrie  gefunden. 

Für  die  wissenschaftliche  Erledigung  der  Herstellungs-Frage  jener 
römischen  Goldgläser  wird  aber  festzustellen  bleiben,  ob  der  das 
Schaumgoldgebilde  stets  schützende  Glasüberfang  niemals  fehlt,  ob 
dieser  Uebcrfang  nicht  überhaupt  eine  Voraussetzung  und  charakteri- 
sirende  Bedingung  der  alten  römischen  Goldgläser-Industrie  ist,  gegenüber 
der  spätem  byzantinischen'),  der  darauf  folgenden  italienischen 
des  14.  und  15.  Jahrhunderts  3)  und  der  sich  daran  anschliessenden  böh- 
mischen Glasdekorationen  in  Gold  und  Farben,  welche  sämmtlich  ohne 
Ueberfang  durch  Einbrennen  fixirt  wurden.  Es  wird  besonders  «nser 
ausserordentliches  Mitglied  Herr  Giovanni  Battista  de  Rossi  in 
Rom  berufen  sein,  sich  über  diese  Frage  zu  äussern,  und  wir  bitten 
ihn  dringend  und  freundlichst,  es  in  unseren  Jahrbüchern  zu  thun. 
Denn  der  berühmte  Forscher  wird  mit  mir  darin  einverstanden  sein, 
dass  bisher  viel  zu  wenig  Rücksicht  auf  die  Klarlcgung  der  technischen 
Herstellung  solcher  Kunstwerke  genommen  wurde,  deren  Besonderheit 
und  Richtigstellung  auf  dieser  so  wesentlich,  wie  es  bei  den  Fondi 
d'oro  der  Fall  ist,  beruht. 

Neuere  Funde  gestatten  uns  heute  die  Ansicht  auszusprechen, 
dass  die  in  der  alten  christlichen  Kirche  üblichen  Kelche  und  Pa- 


1)  Jahrb.  LXIII  S.  99  ff. 

2)  Theophilua,  Sobedula  div.  Art.  2.  Bach  übersetzt  von  Ilg  im  7.  B. 
d.  Quellenschriften  für  Kunstgeschichte.  Wien  1874. 

3)  Lobmeyr,  Glasindustrie  1874  S.  61. 


«v;L*.r,*ii,  *H>^£i."l*  i:*!!*  T<>r.  des  diT-aes  is  Art.  F'-na  ^ind  Ver- 

ZlHnZi'J  L*?."i  vri'^r-f*:!-:  Z*rZLr:ll.  h'jTArTL  Ixri.slih  €Er*   'becX^ZXüLZ  Tflr- 

Id  B«tr<r?  d^  k'iXesU:zt  Form  det  chrirJichca  Eeldhes  belelim  sbs 
zaiöucLTt  öie  NftchrlchtErc  von  Aagen2<&?ge&  aber  das  iic  7.  J&farikasdert 
zu  Jeros^lem  &ifU;v^hne  Tr.ükgrfä».  irclcies  aU  dasj^nise  eilt, 
d<^«»«D  der  Heilacd  rieh  'r>«;i  der  Eiiüetzaii?  de«  h.  Abendixiahls  bediente ';: 
Kü  war  ein  doppelt  gf-benkelter  Caniharas  antiker  Form,  vie  er 
auch  bis  in's  Mittelalter  auf  jödischen.  grlecbiächen  und  fränkisdieo 
Münzen 'j  vorkoiomt.  Und  diese  F:>rni  Hieb  gleichmässig  bis  znm  11. 
Jafarbnndert  uhLch:  vjwobl  fordie  groi-^en  Speisekelcfae  bei  Austheilaog 
der  Coizimunion  in  den  Kirchen,  wie  für  die  kleinen  Rnse-  nnd  Grab- 
kelche geistlicher  and  weltlicher  Würdenträger.  Vielfach  finden  wir 
die<ielben  auf  gott^ieriÄtlichen  Darstellungen  abgebildet:  in  einem 
I&elief  arn  Dome  zu  Monza,  welches  die  Königin  Theodolinde  mitdoi 
von  ihr  geschenkten  Kirchenschätzen  darstellt'):  auf  dem  Paliotto, 
jenem  berahmten  goldenen  Antependium  des  9.  Jahrhunderts  inS.  Am- 
brogio  zu  Mailand*),  auf  der  Kaiser -Dalmatika  des  12.  Jahr- 
hunderts in  S.  Peter  zu  Rom');  in  Rheinischen  Denkmälern  auf 
einer  Elfen  bei  ntafel  des  10.  Jahrhunderts  —  die  Celebrirung  der 
Messe  darstellend  —  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M.,  auf 
dem  Ottonischen  goldenen  Antependium  zu  Aachen*)  Q*  s.w.  Dop- 
peltgehenkclte  Speisekclche  prächtiger  Ausschmückung  bewahren  heute 


1)  Adamnan  über  die  beil.  Orte  bei  MabiUon,  Act  S.  S.  Ord.  Bened. 
b.  III  P.  I  p.  &06  Paris.  Ausg.  Beda  venerab.  in  Haapt'a  Zeitachr.  I  261.  Ueber 
die  Erzählung  der  apokryphen  Evangelien,  wonach  Josef  Ton  Arimathia  den 
Keleb,  worin  Jesus  das  Abendmahl  austheilte,  bewahrte  und  die  Entstehung  der 
Legende  rooi  h.  Gral  vergl.  Michel,  le  saint  graaL  Bordeaux  1841.  Der  als 
b.  Gral  im  Dom  zu  Genua  aafbe wahrte  1101  von  den  Kreuzfahrern  in  Cäsarea 
erolK'rte  für  Smaragd  gehaltene  Kelch  ist  byzantinischer  Glasfluss.  Lobmeyr, 
Glas-Industrio  1674  S.  52. 

2)  S  a  u  I  c  y,  Recberches  sur  la  Namisneatiqne  Indaiqae  1854  Tom.  LX; 
vergl.  Anmerk.  1  S.  122. 

3)  Frisi,  Memorie  della  Cbiesa  Monzese  und  darnach  bei  Martigrny,  Die« 
tionnaire  dos  Antiquites  cbretiennes.  2.  Aufl.  S.  106. 

i)  Agincourt,  Sculpt.  XXVIa. 

5)  8.  Boisseree,  die  Kaiserdalmatika  in  der  Abhandl.  d.  Akad.  d.  Wis- 
sentchaften  in  München  von  1842. 

G)  aua'm  Weerth,  Kunstdenkm.  U,  98. 


Römische  Gl&ser.  121 

noch  die  Dome  zu  Nancy*)  und  Venedig'),  die  Stiftskirche  zu 
Wilten»)  in  Tyrol  und  bis  zur  Revolution  besass  den  Kelch  des  be- 
rühmten Abtes  Suger^  die  Kirche  von  S.  Denis  u.  s.  w. 

Zu  der  Gattung  der  ausnehmend  kleinen  Kelche  des  persönlichen 
Privatgebrauchs  —  welche  wir  deshalb  vorherrschend  als  Reisekelche 
ansehen  —  und  zwar  als  der  hervorragendste  derselben  gehört  jener  bei 
Gourdon  gefundene,  nunmehr  im  C  abinet  desm^dailles  zuParis 
befindliche.  Er  ist  von  Gold,  nur  T'/scm  hoch,  doppelt-gehenkelt,  im 
untern  Theile  cannelirt,  am  Rande  mit  einem  Ornament  verschen,  dessen 
kleine  Blätter  mit  Granaten  und  Türkisen  gefüllt  sind.  Nach  dem  Stil 
der  Verzierungen,  besonders  der  mit  tafelförmig  geschnittenen  Granaten 
ausgeführten  Berandung  der  zugehörigen  viereckigen  Patene,  nach 
dem  Vergleich  mit  ähnlichen  datirten  Denkmälern  und  gemäss  den 
mitgefundenen  Münzen  der  Kaiser  Anas tasius  (f  513)  und  Justin  I. 
(t  527)  haben  wir  ein  Goldschmiedewerk  des  6.  Jahrhunderts  in  dem 
Funde  von  Gourdon  vor  uns  *). 

Für  unsere  auf  die  christlichen  Glaskelche  gerichtete  Be- 
trachtung erlangen  Kelch  und  Patene  von  Gourdon  lediglich  dadurch 
Bedeutung,  dass  das  in  der  Mitte  der  Patene  befindliche,  mit  rothen 
Edelsteinen  eingelegte  Kreuz  die  religiöse  Zweckbestimmung  unzwei- 
deutig charakterisirt,  und  der  kleine  Metallkelch  einem  gleicher  Zeit 
zugesprochenen,  ebenfalls  in  Frankreich,  bei  Amiens  (dem  römischen 
Samarobriva),  gefundenen  von  blauem  Glase  entspricht.  Ob  letzterer 
aus  einem  Grabe  stammt,  unter  welchen  Umständen  er  überhaupt 
gefunden  wurde,  vermag  ich  leider  nicht  zu  ersehen').  Aber  die 
ähnliche  Form,  bei  etwas  mehr  als  doppelter  Grösse  (c.  17  cm),  die  gleichen 
Canelluren  an  Fuss  und  Wandung,  die  Gleichartigkeit  der  ganzen 
Erscheinung  führt  zur  Annahme  einer  auch  gleichen  Bestimmung  oder 
mindestens  zu  einem  Beweise  mehr,   dass  dieser  für  die  christlichen 


1)  Kelch  des  heil.  Gozelin^  Bischofs  ron  Toni  (922—62)  abgebildet  hl 
Caumont's  Abecedaire  4.  Aufl.  II  S.  67. 

2)  Mittheil.  d.  k.  k.  Central-CommiBsion  v.  1861  S.  196. 
8)  Jahrb.  d.  k.  k.  Central-Commission  lY.  B.  S.  1  ff. 

4)  Felibien,  Hist.  d.  S.  Denis.  1706  T.  III;  daroach  bei  T ex i er,  Dict. 
d'Orfevrerie  S.  1474.    4. 

5)  Cbabouillet,  Catalogae  da  Gabioet  des  Medailles  1868.  Nr.  3660—68. 
Caumont,  Abecedaire  4.  Aufl.  S.  G6.  Labarte,  Histoire  des  arts  industriels  aa 
moyen-age  I,  492  ff. 

6)  Meine  einzige  Quelle:  Catalogue  of  the  Collection  of  Glaaa  fonned  by 
Felix  Slade.  London  1871,  giebt  an  der  betr.  SteUe  8. 66  keine  weitere  Naohrioht. 


]22  ^^^^^B  HÖDiisc'hQ  Gläser. 

Kelche  massgebend  gewordene  antike  Typus  des  doppcltgehenkelten 
Cantharus,  noch  lange  im  profanen  Gebrauch  nebenher  \kt  Der 
Herausgeber  der  blauen  Glasvase  bemerkt,  es  sei  nach  der  Plumpheit 
ihrer  Form  wahrscheinlich,  dass  sie  in  das  5.  oder  6,  Jahrhundert 
gehöre,  denn  sie  gleiche  ähnlichen  Vasen  auf  den  ehristlicben  Sareo- 
phageii  jener  Zeit.  Wirköoneii  noch  hinzufögen,  dass  jene  Vasenfonn  aus 
den  Sarcophagdarstellungen  überall  in  die  Ornamentik  übergegangen  ist, 
und  sich,  um  unter  vielen  auf  Wandmalereien,  Mosaiken  u.  s.  w.  vorkom- 
menden Beispielen  nur  zwei  anzuführen,  an  den  Elfenbeinreliefs  der  Kanzel 
von  Aachen  wie  an  dem  Stuhl  von  Elfenbein  des  Bischofs  Maximin  {j  552) 
ira  Dom  zu  Ravenna  filr  Gefässe  angewendet  findet,  aus  welchen  der 
eraporrankeude  Weinstock  herauswächst,  vielleicht  nicht  ohne  symbo- 
lische Absiebt  und  Hißdeutung  auf  die  Eucharistie,  Das  blaue  Glas  von 
Amiens  wird  bei  Slade  als  Teutonic-Glas  bezeichnet.  Den  Kelch  von 
Gourdon  halte  ich  unbedingt  für  eine  fränkische  Arbeit '),  und  er  ver- 
dient mehr  die  Bezeichnung  der  Ungeschickhchkeit,  wie  der  von  Amiens, 
Es  wird  für  die  weitere  Behandlung  der  Frage  nicht  unwichtig  sein, 
beide  abgebildet  neben  einander  auf  der  beigegebenen  Tafel  X  zu  be« 
trachten. 

Dass  sich  in  den  franzosischen  Kirchen  Glaskelche  befanden, 
bestätigen  mannigfache  historische  Mittheilungen.  Eupert  von  Toulouse 
vertauschte  die  kostbaren  Kirchcngefäsae  gegen  einen  Glaskelch,  um 
die  Armen  zu  unterstützen  *).  Ich  hebe  unter  andern  Beispielen ')  nur 
die  vonMartene  und  Durand,  jenen  gelehrten  beiden Benedictinem, 
aus  ihrer  litterarischen  Reise  gegebene  Notiz  aus  Dijon  hervor,  woselbst 
sie  einen  alten  Messkelch  von  Glas  sahen  *).  Gehören  die  vonTexier*) 
und  Gareiso ^)  abgebildeten  Glaskelche  einer  spätem  Periode  an,  so 
gewährt  fttr  die  frühere,  die  gleiche  Zeit  des  6.  Jahrhunderts,  aus 
welchem  die  kleinen  Kelche  von  Gourdon  und  Amiens  stammen, 
die  Erzählung  Gregor's  von  Tours  von  einem  in  S.  Lorenzo   in 


1)  Ich  berufe  mich  dabei  nicht  lediglich  auf  die  am  Schwert  des  Chil de- 
rieb, an  den  Kronen  von  Guarrazar  u.  s.  w.  befindliche  gleiche  Omamen- 
tation  mit  tafelförmig  geschnittenen  rothen  Steinen,  sondern  auf  das  Vorkommen 
dieser  Kelchform  auf  Münzen  fränkischer  Könige,  mitgetheilt  bei  Texier,  Dic- 
tionnaire  d'Orfevrerie  S.  1474. 

2)  Godard,  Cours  d'Archeologie  II  338  ff. 

3)  Kraus,  Roma  Sotterranea  2.  Aufl.  S.  345, 

4)  Voyago  litteraire  Paris  1717  I  S.  147. 

5)  Texier  am  angef.  0.  S.  1474  u.  75. 

6)  Gareiso,  L'archeologue  chretien  1867  I  S.  180. 


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RömiBche  Gläser.  123 

Mailand  zerbrochenen  und  durch  ein  Wunder  wieder  hergestellten 
Cri  stall -Kelch  ein  werthvoUes  Zeugniss  ^)  für  deren  Gebrauch,  dem 
sich  mannigfache  andere  anschliessend). 

Und  dieses  lokale  Vorkommen  entspricht  dann  der  Aufzeichnung 
im  liber  pontificalis,  wonach  der  Papst  Zephyrinus  (202—19) 
die  Verordnung  zum  Gebrauch  gläserner  Patenen  erliess,  eine  Auf- 
zeichnung, aus  welcher  Hefele^)  mit  Recht  auf  den  allgemeinen  Ge- 
brauch gläsemer  Kelche  und  Patenen  schliesst  *).   Dass  dieser  Gebrauch 


1)  Gregor  v.  Tours,  Mirac.  c.  46,  Migne  T.  71  S.  747—48. 

2)  Agiuoourt,  Maleroi  Taf.  12  bringt  mehrere  aus  Rom. 

S)  Hefele, Beitr. z. Eirohengeschichte, Archäologie u.Liturgik.  1864IIS.32S. 

4)  G.'B.  de  Rossi  äussert  sich  über  diese  Stelle  im  Bulletino,  Anno  II 
1864  Nr.  12  wie  folgt:  —  Der  Libor  pontificalis  erzählt,  der  Papst  Zephyrinus 
habe  verordnet,  dass  vor  dem  celebrirenden  Bischof  die  Diener  gläserne  Schalen 
(Teller)  hielten,  von  denen  jeder  der  assistirenden  Priester  die  Corona  consecrata 
(d.  h.  das  Abendmahlsbrod  in  Gestalt  einer  Brezel)  nehmen  musste,  um  es  der 
gläubigen  Gemeine  auszutheilen.  Von  Urban  findet  sich  nur  zwanzig  Jahre  später 
in  demselben  Buche  geschrieben:  fecit  ministeria  saorata  omnia  argentea  et 
patenas  argenteas  XXY  posuit.  Aus  dem  Vergleich  dieser  beiden  Zeugnisse 
ergiebt  sich,  dass  der  vorbesagten  Patenen  eben  so  viele  waren,  als  priester- 
liche Titel,  nämlich  25,  und  dass  Zephyrinus  in  dem  berühmten  Decret  etwas 
Aehnliches  festsetzte,  wie  wir  später  im  Leben  des  Miltiades  und  in  den  Acten 
der  Päpste  Siricius  und  Innocenz  finden,  dass  nämlich  die  Titularprio8t«r  zum 
Zeichen  der  Gemeinschaft  mit  dem  Papste  das  heilige  Abendmahl  in  Gestalt  des 
von  ihm  geweihten  Brodes  empfangen  mussten,  um  es  ein  jeder  nach  seinem 
Titel  an  die  Gläubigen  auszutheilen,  und  dass  sie  ohne  dasselbe  nicht  celebrirten. 
Die  Kirchenschriftsteller  des  Mittelalters  haben  deshalb  diese  Stellen  des  Cerimo- 
nien-Buchos  so  erklärt,  als  ob  Zephyrinus  den  Gebrauch  gläsemer  Kelche  und 
Patenen  für  das  Abendmahl  eingeführt  und  ürban  ihn  abgeschafft  hätte,  woher 
es  gekommen  ist,  dass  viele  Alterthumsforschcr  behaupten,  die  gläsernen  Kelche 
und  Patenen  seien  für  liturgische  Zwecke  nur  ganz  kurze  Zeit  in  Gebrauch  ge- 
wesen. Daher  es  sich  denn  auch  erkläre,  dass  von  den  heil.  Glaspatenen  bisher 
vergeblich  irgend  ein  Rest  gesucht  worden  sei.  Allein  in  Wahrheit  behauptet  der 
Liber  pontificalis,  weder  von  Zephyrinus,  dass  er  zuerst  den  Gebrauch  der  gläsernen 
Gefasse  zum  Gottesdienst  eingeführt  habe,  noch  von  Urban,  dass  er  denselben 
abgesohafit,  sondern  nur,  dass  er  zur  Abwechselung  sich  silberner  bediente,  wie 
sie  nachher  zu  öfteren  Malen  auch  in  Gold  vorkamen.  Und  wenn  nicht  in  Rom, 
80  doch  wenigstens  ausserhalb  Roms  ist  es  gewiss,  dass  der  Gebrauch  der  glä- 
sernen GeßssCj  bei  der  heiligen  Handlung  noch  immer  unbeschränkt  im  4.  Jahr- 
hundert and  selbst  noch  später  fortdauerte.  —  Die  auf  den  Papst  Zephyrinus 
bezügliche  Nachricht  wird  von  den  meisten  Schriftstellern  ohne  weiteres  auf 
Kelche  und  Patenen  bezogen.  v.Wilmowsky  8.44 „Archäol.  Fonde"  1873 z.B. 


IH 


BimSaAm  G&99. 


Jähr  400  Qocfa  hiafig 


i   I     ■       i 


audi  der  gUsemen  Kelclie  um 

UieroDymuSf  wenn  er  schreibt :  nihil  itlo  ditios,  qai  sUlguiMm  (Ckristi) 

porUt  in  vitro  i).    Er  dauerte  noch  bis  id's  11.  JtüirhiiBderL 

Für  Deatschltad  hat  mau  gliserDC  Kelche  faisiMr  vUhi 
Bad^eirieseD  '),  aber  atidi  auf  die  FeststeUDog  ihres  Yoirkammem  ii 
christlichen  GriWrn  keine«  Bedacht  geDonnoeiL  Mit  grosserer  oder 
geringerer  Wahr%hemlichkeit  wird  roan  nun  die  drei  üa/ddeUgfioi 
bezdchnetem  in  diese  Citegorie  vefsetEen  köDiie»,  mit  Si^eAdt  firCH 
lieh  Dor  einen  derselbea. 

Vor  einigen  Jahren  wurden  bei  &  Sererin  in  €öln  eine 
steinerDet  ^rge  anfgedeckt,  welche  nach  Form  und  lohalt  zu  den 
iltesten  Denkmälern  der  alichrisllichen  Kirche  Cola's  gehOreo.  Leider 
hat  man  diesen  Funden  nicht  die  hinretcheode  Äufojerksamknt  znfe> 
wendet  und  die  Tbat^chen  nicht  festgestellt.  Einzelne  Gegenstiade 
kamen,  wie  die  ber&hinte  Patene  mit  den  blaugoldeDen  Me<IaiUoss,  ia 
die  Sammlnng  Disch,  .andere,  weiterhin  m  besprechende»  »erlidie 
GbS'Ampullen  in  die  des  Bm.  Wolf,  das  werthvallste  Glas,  ein  mit 
grarirten  Figuren  geschmückter  Becher,  gelangte  aas  dem  Besitz  des 
ehemaligen  Direcfors  der  nahebei  gelegenen  Gasfabrik  Hm.  Pepjs  in 
das  Britische  Afaseum. 

Ans  dieser  aJtebnstlichen  Begilhnissstätte  K$ln*s  ^ammt  aoch 
der  auf  Taf.  X,  3  abgebildete  dojipeltgeLtrAelte  Kelch.  Er  hat  eine 
Höhe  Ton  c.  lO'/t  cm  und  zeichnet  sich  ganz  besonders  aus  durch  die 
anregelmässig  in  seinen  ambra-gelben  Mantel  eingelassenen  Wftrfel  von 
weissem,  undurchsichtigen  Glasfluss. 

Leider  fehlen  uns  ausser  dem  Hinweis  auf  den  christlichen  C3ia- 
rakter  der  Grabstätte  im  Allgemeinen,  alle  näheren  Angaben  über  den 
Einzelfund,  dem  das  merkwürdige  Glas  angehört  Dass  es  fränkisch 
sei,  daran  wird  man  nach  der  Farbe  und  der  Unregelmässigkeit  der 
eingelassenen  Würfel  nicht  zweifeln»). 


sagt:  „Wir  wissen,  dass  Papst* Zephyrin  die  Spendang  der  h.  Eucharistie  inPa- 
tenen  und  Kelchen  aus  Glas  anordnete."  Man  darf  mit  H  e  f  e  1  e  aus  dem  Ge- 
brauch der  gläsernen  Patenen  wohl  den  Schlnss  auf  gläserne  Kelche  ziehen,  aber 
der  Wortlaut  der  Nachricht  gibt  dazu  gar  keine  Berechtigung. 

1)  Hieron.  ep.  4  ad  Bustic. 

2)Thangmar,  im  Leben  des  h.  Bern  ward  c.  8  lässt  Letzterer  einen 
Glaskelch  anfertigen ;  'Kaiser  Heinrich  U.  schenkte  einen  solchen  der  Kirche 
d.  h.  Vitus  in  Yerdan,  Gest.  episc.  Yirdun.  bei  Pertz,  Hon.  YI  p.  49. 

8)  Abgebildet  bei  Slade  a.  angef.  0. 


4 


4 

4 


u^ä 


Römische  Gl&ser.  126 

Ein  anderer  ganz  ähnlicher  Kelch  wurde  vor  einer  längeren  Reihe 
von  Jahren  in  einem  Grabe  in  der  Nähe  von  Neuss  gefunden,  von  dem 
verstorbenen  Sammler  J.  G.  Eberle  in  Düsseldorf  erworben  und  gelangte 
aus  dessen  Nachlass  durch  die  am  30.  August  1865  stattgehabte  Verstei- 
gerung*) des  Herrn  H.  Lempertz  in  Cöln  in  unsere  Vereinssammlung. 
Die  Abbildung  in  Vs  Grösse,  das  Gefäss  misst  11  cm  in  der  Höhe,  auf 
Taf.  V,  1  im  vorigen  Jahrbuch  zeigt  einen  niedrigeren,  doppeltgehenkelten 
Becher  mit  aufgeschmolzener  Bordüre  von  blauem  Glase  am  Rande  und 
ebensolchen  im  Gefässmantel  eingesetzten  Tapfen.  Die  Liederlichkeit  der 
Form  dieser  Tupfen,  gegenüber  den  sorgfältig  gerundeten  blauen  Me- 
daillons der  Disch'-Patene,  ihre  unregelmässige  Vcrtheilung  und  das 
schlechte  grüne  Glas  des  Kelches  würden  denselben  frühestens  in  das 
5.  Jahrhundert  zu  stellen  gestatten,  also  in  die  gleiche  Zeit  des  Kölner 
Kelches.  Ist  es  zuverlässig,  was  ich  von  dem  verstorbenen  Besitzer 
gehört  zu  haben  vermeine,  so  war  das  Grab,  aus  welchem  das  Glas 
stammt,  ein  christliches,  und  ist  dieses  somit  wohl  ein  Grabkelch,  aus 
welchem  der  Verstorbene  das  letzte  Abendmahl  als  Wegzehrung  empfing. 

Vor  Kurzem  ist  in  der  nördlichen  Vorstadt  von  Trier  im  Bereiche 
der  Kirche  von  S.  Maxim  in  ein  solcher  Kelch  in  einem  Grabe  ge- 
funden worden,  den  mein  verehrter  College,  der  üirector  des  Provinzial- 
museums  in  Trier  S.  106  dieses  Jahrbuchs  nur  kurz  erwähnt,  um  mir 
seine  Besprechung  an  dieser  Stelle  zu  überlassen.  Ob  ein  nachträglich 
nebenan  gefundener  Sandstein-Sarcophag  mit  unverbrannter  Leiche  im 
Zusammenhang  zu  dem  ersten  Funde  steht,  weiss  ich  nicht  ^). 

Betrachten  wir  das  Glas  nach  dem  in  Vs  Grösse  umstehenden 
Holzschnitt,  so  ergeben  sich  folgende  Wahrnehmungen. 


1)  Nr.  1288  des  Auctions-Catalogs. 

2)  Herrn  Dircctor  Hettner's  Mittbeilung  laiitet:  Der  Fund  ist  auf  der 
Haximinstrasse  Nr.  40  gemacht  wosdcn,  etwa  SO  Schritte  entfernt  von  der  Stelle, 
wo  die  (Bonner  Jahrbücher  LYIII  S.  175)  publicirte  Inschrift,  welche  den  christ- 
lich modificirten  Lacanvcrs  enthielt,  zum  Vorschein  kam.  Zudem  ist  femer  eine 
Nachricht  von  Wichtigkeit,  welche  mir  erst  gestern  zugegangen  ist,  dass  näm- 
lich unmittelbar  neben  dem  Grabfund  ein  Sandsteinsarkopbag  gefunden  ist.  In 
dem  römischen  Grabfeld,  welches  rechts  und  links  von  der  Paulinstrasse  liegt, 
sind  meines  Wissens  Sandsteinsärge  bisher  nicht  zu  Tage  gefordert  worden,  da- 
gegen finden  sie  sich  massenhaft  in  dem  etwas  weiter  nördlich  gelegenen  Maxi- 
min, einer  der  wichtigsten  christlichen  Grabstätten  Triers.  Ich  möchte  darum 
glauben,  dass  die  Fundstellen  der  Inschrift,  dos  Glaabecbcrs  und  des  eben  ent- 
deckten Sarcophages  die  Grenze  der  römischen  und  der  christlichen  Grabstätten 
bezeichnen. 


I2C  yjrzS-MC'.h  Glivsr. 


l)U'.  grosse  Anzahl  von  altchrhtlichon  Grabinschriften,  welche  in  der 
üü'llichen  wi(;  in  «1er  nönllichrrn  Vdrätadt  vonTrier  in  den  Umgebungen  der 
alten  Suburbal-Kirchon  von  S.  E uchar i  "is  ''jetzt  S.  Mathi as),  S. Pan- 
lin  und  S.  Max  im  in  gefunden  wurden,  die  ganz  abgesehen  von 
ihren  J>;genden  nachweisbare  frühhistorischc  Bedeutung  dieser  Got- 
teshäuser V»  lassen  von  vom  herein  die  um  dieselben  sich  grup- 
pirenden  Gräber  als  römisch  -  christliche  ansehen.  Die  heidnisch 
römische  Grablinie  bleibt  an  beiden  Seiten  der  durch  die  Porta  nigra 
nach  I'falzel  laufenden  Uömerstra«sc').  Aber  auch  ohne  diese,  man 
darf  wohl  sagen  christliche  Lage  des  Grabes,  in  welchem  unser  Glaskelch 
sich  befand,  gewährt  die  Aehnlichkeit  der  Verzierungen  desselben  mit 
denjenigen  einer  grössern  Anzahl  andrer  Rheinischer  Gläser  die  be- 
rechtigte Veranlassung,  die^-elbcn  zu  einer  besondem  Gattung  und 
Gruppe  unter  den  mimischen  Gläsern  zusammen  zu  stellen  und  in  der 
Mehrzahl  als  christliche  zu  bezeichnen.  Es  sind  dies  diejenigen 
Gläser,  welche  mit  eingeschnittenen,  oft  nur  mit  eingerissenen 
Verzierungen  geschmückt  sind,  ein  Schmuck,  der,  anfänglich  noch 
in  künstlerischer  Ausführung  unverstandene  mythologische  Dar- 
stellungen wiedergibt,  wie  bei  der  Prometheusschale  von 
C  ö  1  n »),  jetzt  im  Berliner  Museum,  der  bachischen  Flasche  von 

1)  Vcrgl.  m.  Kunstdenkm.  II  S.  72  u,  73.     Jahrb.  V,  329.  VII,  80  u.  XII,  60. 

2)  Dio  vielen  römischen  Gräber  in  den  Gärten  links  dieser  Strasse  därlten 
sich  auch  an  eine  dort  befindliche  Qaerstrasso  anlehnen. 

3)  Jahrb.  XXVIII,  S,  54,  Taf.  XVIII. 


*  Römische  Gläser.  *       127 

Hohen-Sfllzen^)  im  Mainzer  Museum,  einer  dritten  ähnlichen 
aus  der  Gegend  von  Worringen  in  der  Disch' sehen  Sammlung;  bald 
dem  Münz-Typus  entnommene  Halbfiguren  in  Medaillons >) 
oder  nur  noch  g  e  o  ra  e  t  r  i  sehe  Ornamente*)  imitirt ;  endlich 
in  aufTällig  verschlechterter,  an  das  Buch  der  Wilden  erinnernder 
Zeichnung  und  Technik,  sich  der  christlichen  Vorgänge 
bemächtigt  und  darin  den  Verfall  der  einst  auf  so  hoher  Stufe  stehenden 
Rheinischen  Glas-Industrie  repräsentirt. 

Aus  Byzanz  herstammend,  wie  die  mit  griechischen  Inschriften 
versehenen,  in  Cöln  und  bei  Merseburg  gefundenen  Exemplare  dieser 
Kunstart')  und  ähnliche  Darstellungen  in  anderm  Material,  besonders 
Elfenbeinreliefe  darthun,  scheint  gerade  diese  Kunstart  der  geschnittenen 
Gläser  eine  vorherrschend  Rheinische,  ja  Cölnische  geworden  zu  sein,  denn 
wir  kennen  mindestens  ein  Dutzend  Fundstücke  der  letzten  Jahre  vom 
Rhein,  besonders  aus  Cöln.  Solche  geschnittene  oder  gravirtc  Gläser,  zu 
denen  auch  die  weiterhin  zu  besprechenden  Patenen  gehören,  wurden 
auch  einige  in  Trier  in  den  christlichen  Sarcophagen  bei  Pallien  ge- 
funden und  darunter  gerade  ein  Glas  mit  einer  dem  Glaskelch  von  S. 


1)  Jahrb.  LIX  Taf.  III  u.  IV. 

2)  Runder  Becher  in  der  Form  von  Taf.  V.  4  im  LXIII.  Jahrb.  mit  4  Brust- 
bildern, 10  cm  im  Dnrchm.  5  cm  hoch,  vergl.  S.  5  Nr.  32  im  Catalog  der- Kölner 
bist.  Auestellung  t.  1876. 

8)  Wir  verweisen  nur  auf  die  Jahrb.  LIX  Taf.  III  abgebildeten  Flaschen. 
Aehnliche  befinden  sich  in  der  Sammlurg  Disch  und  anderwärts. 

4)  Ein  Becher  im  Kölner  Museum,  darstellend  Lynkeus  bewaffnet  und 
weit  ausschreitend;  vor  ihm  Hypermnestra  bekränzt,  die  Hand  nach  einem  zwi- 
schen beiden  befindlichen  Kranzgewinde  ausstreckend.  Hinter  ihr  der  beflügelte 
Pothos.    Um  den  äusseren  Rand  läuft  die  Inschrift: 

YnePMHKjAYNreY  noooc 

TPA  i  0 

(cf.  Jos.  Kamp,  Anticaglien  etc.  p.  15.  Ueber  die  Schreibung  Hypermnestra  vgl. 
Fr.  Ritsclil,  Kleine  Schriften  II,  p.  497  sq.,  p.  517  sq.);  ein  Kölner  Becher  im 
Britischen  Museum  aus  der  Sammlung  Pepys  mit  stehenden  Figuren;  zwei 
Schalen  aus  einem  Grabe  bei  Merseburg  (jetzt  im  Britischen  Museum),  eine  nur 
omamentirt,  die  andere  mit  der  Darstellung  des  Actäon,  der  die  Artemis  im 
Bade  überrascht,  und  von  dieser  in  einen  Hirsch  verwandelt  wird.  Die  beiden 
Namen  APTEMIC  und  AKTAIÄN  sind  einpunktirt.  (Anz.  f.  Kunde  d. 
Vorzeit  1866  S.  116);  das  Brit.  Museum  besitzt  noch  eine  ähnliche  zweite  Schale 
mit  dieser  Darstellung,  abgebildet  Fig.  74  n.  75  bei  Slade;  die  schönsten 
Exemplare  dieser  Art  sind  im  Schatz  von  S.  Marco  in  Venedig« 

Bei  diesen  griechisoben  Getiwsen  mag  auch  einer  weissen  Crystallflasche  in 


12B 


'^SllplMsfae  Gläser. 


Max  im  in  durchaus  enlsprccbeoden  Ornamentation,  welches  unsre 
Vereinssammlung  erhielt  '). 

Führte  der  Charakter  der  Fundstätte  und  die  Art  fler  geschnit- 
tenen Ornamente  Jiur  Annahme  ehristlich-Htiirgischer  Bcstiimimng,  so 
tritt  dadurch  die  Form  uosres  doppeltgehenkelten  Calix  erst  in  ihre 
bijstätigende  Bedeutung  und  lässt  uns  auch  m  dem  K  e  i  c  h  von 
Trier  wie  in  denen  von  Köln  und  Neuss  einen  altchristlächenGi-ah- 
kekh  erblicken. 

Ob  aus  dieser  Categorie  von  Gefässen  mit  gravirten Figaralioocn 
auch  jene  bald  grossem,  bald  kleinem,  oben  erwähnten  Recher') 
kirchlichem  Gebrauch  angehörten,  muss.  bei  den  Anfängen,  worin  die 
Untersuchung  hierüber  sich  noch  befindet,  dahingestellt  bleiben.  Den 
grössten  derselben,  ira  Herbst  1877  in  einem  Grabe  vor  dem  Külnthor 
in  Bonn  gefunden,  haben  vvir  seines  barbarischen  Stiles  wegen  als 
ein  sprechendes  Zengniss  des  Verfalls  der  alten,  oder  des  rohen  An- 
fanges der  neuen  Kunst  —  denn  darauf  deutet  immerbin  eine  ge- 
wisse UnTnittelbarkeit  der  Bewegung  —  zur  Abbildung  gebracht  In 
halber  Grösse  gibt  Taf.  V,  4  des  Jahrb.  LXUI  die  pörapectiviscbc 
Ansicht,  4a  in  natürlicher  G;'ÖS8e  den  aufgerollten  Mantel.  Letzterer 
vergegenwärtißt  sechs  eingravirt^  Figuren  von  so  plumper  und  eigen* 
thümlicber  Zeichnung,  dass  man  sie  nur  in  die  aus  den  Nachklängen 
der  römischen  Kunst  hervorgegangeneu  Versuche  fränkischer  Werk- 
stätten verweisen  kann.  Es  ist  nicht  schwer  in  dem  ersten  Vorgang 
links  vom  Beschauer  Moses  zu  erblicken,  der  Wasser  aas  dem  Fel- 
sen schlägt ;  in  der  zweiten  zwischen  zwei  Bäumen  stehenden  Figur  den 
eingewickelten  Lazarus  zu  erkennen,  wie  ihn  durch  die  Berührung 
mit  dem  Stab  der  Heiland  zu  neuem  Leben  erweckt.  Das  dritte 
Wunder  wird  dann  durch  die  drei  nachfolgenden  Personen  dargestellt 


gedrückter  Kugelform,  10  cm  hoch,  ohne  Henkel,  der  Disch'schen  Sammlung  an- 
geblich aus  Melaten  Erwähnung  geschehen,  an  welcher  auf  einem  rund  hemm- 
laufenden  Bande  die  Jahrb.  XYI  S.  75  von  einem  anderen  Glase  mitgetbeile  In- 
schrift sich  wiederholt: 

nie  ziicAic  Aei 

€N  ATAO  O  I  C 

{me,  ^t^aaig  del  iv  dya&o7g). 

1)  Einen  ähnlichen  Becher  aas    Crystall-Glas  in  Dormagen  gefanden,  be- 
sitzt ebenfalls  die  Disch'sohe  Sammlung. 

2)  Es  befindet  sich  einer  im  Besitz  der  Frau  Wittwe  Carl  Stein  in  Cöln; 
drei  im  Britischen  Museum  in  London,  zwei  in  der  Sammlung  Disoh  n.  a.  w. 


EömiBcbe  Gläser. 


129 


und  bezieht  sich  auf  die  Vermehrung  der  Fische  und  Brode.  Von  der 
Annahme  geleitet,  dass  man  in  der  dreimal;  gleichartig  erscheinenden, 
durch  den  Stab  als  Zeichen  der  Herrschaft  ausgezeichneten  Ge- 
stalt Christus  zu  erkeimeo  habe,  würde  man  in  dieser  Gruppe  in 
derea  letzter  Figur  den  Heiland  erblicken.  Ihm  gegenüber  steht  mit 
ausgebreiteten  Händen  Andreas  und  spricht,  indem  er  auf  den  hin- 
zugekommenen, zwischen  ihnen  stehenden,  zwei  Fische  bringenden  Kna- 
ben deutet :  „es  ist  ein  Knabe  hier,  der  hat  fünf  Gerstenbrode  und 
zwei  Fische,  aber  was  ist  das  unter  so  viele"?  Ev.  Joh.  G,  9,  worauf 
Jesus  dann  damit  die  50(X),  welche  sich  gelagert  hatten,  spei- 
set. Man  wird  mit  Recht  dieser  Deutung  gegenüber  den  Einwand 
machen  können,  dass  hier  ja  die  Darstellung  der  Brotl-Verraehrung 
fehle  und  desshalb  das  Wunder  seiner  Vollständigkeit  entbehre.  Ich 
will  mir  nicht  mit  dem  Umstände  zu  helfen  suchen,  dass  ein  vor  dem 
Angesicht  des  Heilandes  befindlicher  Punkt  in  Brodform  als  Andeu- 
tung des  zu  vermehrenden  Brodes  gelten  könne,  da  ich  diesen  für 
zufiUlig  und  bedeutungslos  halte.  Die  Unvollständigkeit  des  Vor- 
ganges hat  für  diese  Zeit  aber  nichts  Auffälliges.  Es  ist  gerade  das 
Wesen  vieler  mir  vorliegenden  Kunstdfirstellungen  aus  der  Zeit  des 
Verfalles,  dass  sie,  zurückgreifend  in  die  ihres  Verständnisses  bereits 
beraubten  Mythen  des  Alterthums  und  sich  heranwagend  an  die  noch 
nicht  künstlerisch  gestalteten  christlichen  Wunder,  bald  in  verworrener 
Weise  heidnische  und  christliche  Geschichten  durcheinander  werfen  und 
mischen;  bald  aus  allgemeinen  Erinnerungen  in  uugenauester  Weise 
bestimmte  Vorgänge  hier  abweichend,  da  verkürzt  darstellen,  so  dass 
man  oft  die  Andeutung  für  den  Inhalt,  den  Theil  für  das  Ganze 
nehmen  muss. 

Ein  erhöhtes  Interesse  für  die  Kunstgeschichte  gewinnen  diese 
Darstellungen,  welche  auf  der  Schwelle  des  Christenthiiras  in  willkür- 
licher Mischung  von  Heidnischem  und  Christlichem  den  Kampf  und  die 
Scheidung  zweier  Zeiten  vergegenwärtigen,  wenn  sie  gesammelt  und  als 
Ganzes  behandelt  werden  können.  Und  dazu  wird  die  nächstfolgende 
Veröffentlichung  von  fünf  theils  heidnischen,  theUs  christlichen  Glas- 
Patenen  mit  eingeschlitlenen  Darstellungen  beitragen.  Fundorte  und 
Darstellungen  sind  bei  diesen  glücklicher  Weise  unzweifelhaft. 

E.  aus'ra  Weerth. 


130 


Das  Haus  dea  Herzog!  von  Brabant  za  Köln. 


14.  Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 

(Fortsetzung  von  Heft  LXUI  S.  141.) 

VKL 

Nach  Erzbischof  Siegfried's  Tode  wurde  1289  Wichbold  von  Holte 
zum  Nachfolger  gewählt,  ein  Mann  von  gemässigter  und  wohlwollender 
Gesinnung,  der  zwar  auch  Kriege  geführt,  dieselben  aber  nicht  auf- 
gesucht, nicht  aus  Herrschsucht  muthwillig  hervorgerufen  hat.  So  ver- 
band er  sich  denn  auch  im  Jahre  1300  in  vigilia  assumptiouis  b.  Ma- 
rie vii^nis  mit  dem  Herzoge  Johann,  der  nunmehr  die  Titel  von 
Ixjthringen,  Brabant  und  Limburg  in  sich  vereinigte,  zur  Aufrechthal- 
tung eines  friedUchen  Zustandes  zwischen  ihren  beiderseitigen  Landen, 
und  der  Herzog  übenaahm  ferner  auch  die  Schlichtung  des  Streites, 
der  zwischen  dem  Erzbischof  und  dem  Grafen  Gerhard  vun  Jülich  be-* 
stand,  welchen  letzteren  er  in  der  Urkunde  als  „consanguineum  et 
fidelem  nostruni"  bezeichnet,  was  mit  Beziehung  auf  die  vorhin  dieser- 
halb  behandelte  Frage  beachtenswerth  erscheint  (L.  2.  1057.)  Weniger 
friedlich  waren  hingegen  die  Zeiten  des  nachfolgenden  Erzbiscbofs 
Heinrich  von  Virneuburg.  1306  im  Juli  verbindet  er  sich  mit  dem 
Bischof  Thibaut  von  Lüttich  gegen  den  Grafen  von  Jülich,  den  Herzog 
von  Brabant,  die  Grafen  von  Flandern,  Luxemburg,  Namur  und  Los«. 
(L.  III.  45.)  Aber  schon  im  September  desselben  Jahres,  „des  neisten 
dages  sent  Gilien  daige",  scbliesst  er  mit  dem  Herzoge  Johann  ein 
Bündui:>'s  auf  Lebenszeit,  gegenseitig  ihre  Gerechtsame  zu  schätzen 
und  die  Streitigkeiten  ihrer  Mannen  und  üntertbanen  auf  dem  Rechts- 
wege zu  schlichten.  (L.  III.  48.)  1307  ist  der  Herzog  Schiedsrichter 
zwischen  dem  Erzbischof  und  dem  Grafen  Gerhard  von  Jülich  in  einem 
Zwiste  wegen  des  Hauses  Grevenbroich:  „om  dat  huus  te  Broeke", 
(L.  lU.  .54.)  1308  gelobt  der  Erzbischof  in  einer  zu  Neuss  im  Minder- 
brüderkloster ausgestellten  Urkunde  mit  dem  Herzoge  Johann  von 
Brabant  und  dem  Grafen  Iteinald  von  Geldern  einen  Schiedsspruch 
über  die  Streitigkeiten  zwischen  den  Grafen  von  Cleve  und  von  der 
Mark  zu  erlassen.  (L.  HI.  ÜO.)  Beim  Jahre  1327  berichtet  die  Kocl- 
hof'sche  Chronik,  dass  damals  dem  Herzoge  Johann  lU.  von  Brabant 
sechszehn  Landesherren  widersacht  haben,  darunter  auch  der  Bischof 
von  Köln;  „dazu  half  der  Konig  von  Frankreich  und  der  wollte,  dass 
Herzog  Johantfs  Sohn  von  Brabant  seine  Tochter  zu  einem  Weibe 
sollte  nehmen.    Aber  der  Herzog   hatte  lieber,  dass  er  des   Grafen 


Tochter  von  Hennegau  geoommen  hätte,  und  die  war  ein  einzig  Kind, 
und  er  war  verhofFt,  dass  das  Herzogthum  von  Brabant  und  die 
Grafschaft  von  Hennegau  sf>llten  vereint  werden,  abor  pr  vermochte 
nicht  das  zu  thurj,  da  alle  diese  genannten  Herren  ihm  wideisacht 
hatten.  Diese  Herren,  als  sie  versammelt  waren  zu  Fexhe,  so  ver- 
brannten sie  Hannat  und  Landen.  Hier  inzwischen  sandte  der  Her- 
zog zu  dem  Könige  von  Frankreich  und  ergab  sich  dazu  und  wollte 
seinen  Sohn  an  seioe  Tochter  bestatten.  Und  der  König  von  Frank- 
reich nahm  die  Sache  an  sich,  und  mit  dem  verstinjr  der  Unfriede." 
Es  ist  dies  in  der  That  ein  merkwürdiges  Beispiel  ries  Znstandebrin- 
gens  fürstlicher  Eheverbindungen!  Aus  dem  Jahre  1333  ist  eine  Ur- 
kunde bekannt,  worin  Herzog  Johann  das  kölner  Domcapitel  nachdrtlck- 
lichst  bittet,  den  Erzbischof,  dessen  Anverwandter  und  Getreuer  er  sei 
(„cuius  consanguineus  sumus  et  tidelis"),  zu  bewegen,  ihm  bei  Verthei- 
digung  seiner  Rechte  und  seiner  Lande  gegen  den  Grafen  von  Flan- 
dern beizustehen.  (L.  HL  265.)  Im  nächstfolgenden  Jahre  starb  der 
Erzbischof  nach  langjähriger,  ruhmvoller  Regierung,  zu  deren  glän- 
zendsten Ereignissen  die  am  Tage  der  heiligen  Cosraas  und  Damian 
(27.  September)  im  Jahre  1322  geschehene  feierliclie  Einweihung  des 
neuen  Chores  im  Dom  zu  Köln  gehört.  Den  erzbischüflichen  Stuhl 
bestieg  nun  Graf  Walrani  von  Jülich,  der,  im  Bunde  mit  Bischof 
Ludwig  von  Münster,  einen  grossen  Krieg  gegen  den  Grafen  Adolph 
von  der  Mark  und  dessen  Helfer  geführt  hat,  zu  dessen  Beilegung 
Herzog  Johann  von  Brabant  mit  den  Grafen  von  Jülich,  von  Cleve, 
von  Loen  und  von  Berg  den  Schiedsspruch  tliat;  die  Urkunde  datirt 
vom  25.  November  ,,up  sente  Katherynen  dach"  1345  aus  Köln. 
(L.  lU.  426.)  Der  nachfolgende  Erzbischof  Wilhelm  von  Gennep  hat 
am  13.  Mai  „up  seute  Sernatius  dagh''  1351  mit  dem  Herzoge  Johann 
von  Brabant  und  dessen  Sohne  Godart,  ferner  mit  den  Städten  KiHn 
und  Aachen  auf  10  Jahre  einen  Landirieden  und  ein  Schutzhündniss 
abgeschlossen  (L.  III.  496),  in  welchen  Vertrag  am  3.  December  desselben 
Jahres  Johann,  Herr  von  Montjoye  und  Falkenburg  ^),  am  18.  Februar 
1353  Heinrich  von  Flandern,  Montjoye  und  Falkenburg  *)  und  am 
21.  Februar  1355  auch  Wenceslaus,  Herzog  von  Luxemburg,  Lothrin- 
gen, Brabaut  und  Limburg,  der  Gemahl  und  Mitregent  Johannas,  der 
ältesten  Tochter  des  nun  verstorbenen  Herzogs  Johann  HI.  eintrat, 
und  hn  Jahre  1358  wurde  diesem  Vertrage  eine  Gültigkeit  auch  über 


1)  Quellen  s.  Geach.  d.  SUdt  E51d,  IV.  Nr.  331,  8.  363—364. 
3)  Ebendu.  Hr.  845,  S.  378-379. 


132 


Das  UaiiB  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


die  festgestellte  Dauer  von  10  Jahren  zuerkannt.  (L.  III.  576.)  Cm 
diese  Zeit  findet  man  den  Herzog  von  Brabant  auch  wieder  in  den 
Schrcinsbflchern  der  Stadt  Köln,  und  zwar  als  Erwerber  einer  Hufe 
von  zwei  Hufen  Ackerlandes,  gelegen  in  den  Feldern  vor  dem  St  Se- 
verinsthore.  Der  Ritter  Arnold  vom  Palast  und  seine  Gemahlin  Bela 
stellten  dieselbe  unter  die  immerwährende  Lebensherrlichkeit  der  ho^, 
zoglichen  Krone  von  Brabant,  sie  selbst  aber  blieben  die  Lehenstrager. 
Dies  geschah  l.'ißl.  Zehn  Jahre  früher  hatten  sie  bereits  in  ähnlicher 
"Weise  über  die  andere  der  beiden  Hufen  Ackerlandes  verfügt,  indem 
sie  dieselbe  dem  Bruder  des  Herzogs  Wenceslaus,  dem  römischea 
und  böhmischen  Kouige  Karl  IV.  in  der  Form  übertrugen,  das8  sie. 
fortan  unter  der  Lehensherrlichkeit  der  jezeitigen  Grafen  von  Luxem' 
bürg  verbleiben  solle.  Hier  die  Urkunden  aus  dem  Buche  Extra  muros 
des  Severinaschreines : 

„Comes  latzelenburgensis. 

Notum  sit  qaod  Arnoldus  de  palacio  et  Bela  eins  vxor  donauernot 
et  remiserunt  Serentssimo  domino  uostru  dotnino  Regi  Romaoorom  et  bo- 
h«ymie  ac  Oomiti  lutzillinburgensi  in  feodum  perpetuum  Comiti  lotdUin- 
bargensi.  vunm  mansum  de  duoboB  inansibos  terre  arabilis  bIUb  in  eatopii 
Bancti  Seuerini  ColonJe  extra  muros  Cioitatis  quos  sibi  quoDdam  emcrunt 
erga  relictam  Jofaannis  de  Vlattin  proat  ad  eos  scripti  sant.  ItA  qnod  Amoldu 
prefatus  neciion  perpetuus  succeissor  dicti  roansoB  in  feodum  dictum  manaoai 
a  domino  Comili  latzillenborgenri  tenebit  poesidebit  et  acceptabit.  (Datan 
anno  doi.  m^  occl  primo  in  vigilia  annuntiationis  bte.  Marie  virginis.)" 

,,Dux  brabancie. 

Notum  sit  qnod  Arnoldus  de  palacio    et  bela    eius   vzor   doooaenuiil 
et  remieerunt  duci  brabancie  in  perpetuum  pro  tempore  existenti  in  feodaa 
perpetuum  Toum  mansum  terre  arabilis  de  duobus  maosibus  terre   ailis  k 
campis  sancti  Seuerini.  qaos  sibi  emerunt   erga  Agnetem  relictam  Jol 
de  Ylattin  Ita  quod  possessor  dtdti  mansus  terre   in    feodum  a    dooe  bra* 
bancie  semper  percipiet  et  optinebit.  Datum  anno  dni.  m**coc  Iz  priOM)." 

(Im  darauffolgenden  Notum  be-^timmen  Arnold  und  Bela,  d«; 
nach  ihrem  Tovle  das  Lehen  der  beiden  Hufen  auf  ihren  Schwi« 
söhn  Heinrich  von  Cusin  und  ihre  Tochter  Bela,  dessen  Gemahlin, 
übergehen  solle,  „Saluo  ducibus  lutzilliuburgen.  et  brab&ntinen.  eonun 
iure  feodali  in  dictis  mansibus  terre".) 

Im  Jahre  13(il   gab   Kaiser  Karl  IV.   dem   Erzbischof  Will 
von  Köln  einen  Beweis  des  ehrendsten  Vertrauens,  indem  er  ihn  er- 
mächtigte, zwischen  ihm  und  seinem  Bruder,  dem  vorgenaontea  Ett^ 
zog  Wenceslaus,  einerseits   und  dem  Bischof  Engdbrat  von  Lftt 


Das  Haus  dee  Herzof^s  von  Brabant  tu  Köln. 


133 


anderseits  ein  gegenseitiges  Schutzbünduiss  in  Beziehung  auf  dre  Lande 
von  Luxemburg,  Brabant,  Limburg  und  Lütticb  zu  vermitteln.  (L.  IIL 
6U.)  1362  war  der  Erzbischof  mit  dem  Herzoge  wegen  der  Burg  Tom- 
berg in  einen  Zwist  gerathen,  den  Herzog  Wilhelm  von  Jülich  schlich- 
tete. (L.  III.  627.)  13G4  kam  Engelbert  HL,  ein  Graf  von  der  Mark, 
auf  den  Erzbischofssitz  von  Köln.  Gleich  im  ersten  Jahre  trat  er 
nebst  der  Stadt  Köln  einem  Landfrieden  bei,  den  Herzog  WencesJaus, 
Herzog  Wilhelm  von  Jülich  und  die  Stadt  Aachen  schlössen.  (L.  III. 
657.)  Ein  ähnliches  Bündniss  wurde  im  Jahre  1375  unter  Erzbischof 
Friedrich  TU.,  einem  Grafen  vf>a  Sarwerden,  zu  Stande  gebracht  (L.  III. 
766),  und  in  einer  Urkunde  vom  7.  August  1377  ,,des  neisten  vry- 
dages  na  vincula  Petri"  einigen  sich  die  Verbündeten  wegen  des  vor- 
zunehmenden Angriffs  gegen  Stadt  und  Burg  Linn.  (L.  lU.  798.) 
Mit  der  Stadt  Köln  aber  kam  dieser  Erzbischuf  in  grossen  Unfrieden, 
und  es  begannen  wie'der  Kämpfe,  die  fast  au  die  Zeiten  Conrad's, 
Engelberts  II.  und  Siegfried's  erinnerten.  Durch  das  Bündniss  des 
Landfriedens  erachteten  sich  der  Herzog  von  Brabant  sowohl  als  die 
Stadt  Aachen  verpflichtet,  dem  Erzbischof  beizustehen ;  sie  traten  auf 
seine  Seite  und  nahmen  Thcil  an  den  Feindseligkeiten  gegen  die  Stadt 
Köln.  Die  Feindschaft  ward  noch  gesteigert,  als  die  Kölner  im  Som- 
mer 1376  die  Abtei  St.  Heribert  und  die  Pfarrkirche  zu  Deatz  zer- 
stört und  sich  dadurch  das  Interdict  auf  acht  Jahre  zugezogen  hatten. 
Brabant  erhielt  dagegen  im  Jahre  1387  auch  vom  Erzbischof  einen 
erheblichen  Freundschaftsdienst.  „In  demselben  Jahr",  sagt  die  Chronik, 
„als  Frau  Johanna  das  Herzogthum  von  Brabant  regierte  (Wenceslaus, 
ihr  Gemahl,  war  nicht  mehr  am  Leben),  ward  Herzog  Wilhelm  von 
Jülich  und  von  Geldern  der  Brabänder  gewaltig.  Darum  begehrte  die 
Herzogin  von  dem  Könige  von  Frankreich,  ihrem  Oheim,  dass  er  ihr 
beiständig  sein  wolle  gegen  den.  Also  kam  der  König  von  Frankreich 
in  demselben  Jahr  im  Herbste,  und  das  Volk  ward  geachtet  über  die 
60  tausend  Ritter  und  Knechte,  und  sie  legten  sich  in  das  jiilicher 
Land  wider  den  Herzog  von  Geldern,  und  sie  verwüsteten  und  ver- 
darben mit  Brand  und  Raub  das  Land  weit  und  breit  mit  gross<^m 
Hochmuth.  Bischof  Friedrich  von  Sarwerden  legte  sich  dazwischen 
und  sühnte  den  Krieg." 

IX. 

Wir  treten  in  das  15.  Jahrhundert  ein.  Gleich  im  ersten  Jahre 
desselben  wurde  Köln  der  Schauplatz  glänzender  und  bedeutungsvoller 
Feierlichkeiten.  Der  Chronist  von  1499  erzählt  uns  Folgendes  darüber: 

„Im  Jahr  des  Herrn  1401.    In  demselben  Jahr  zwei  Tage  vor 


134 


D&s  Haus  dos  Herzogs  von  Brabant  za  EöId. 


dem  13.  Tag  nach  Christtag  kam  Herzog  Rupprecht  von  Bayern  und 
Pfalzgraf,  der  neu  gekorene  König,  wobnhaftig  zu  Heidelberg,  nach 
Köln  mit  seiner  Frau,  mit  4  Söhnen  und  mit  seinen  3  Töchtern,  mit 
vielen  anderen  Herzogen  und  Grafen,  Herren,  Rittern  und  Knechten, 
als  mit  Bischof  Johann  von  Nassau  von  Mainz,  Dischof  Friedrich  von 
Köln,  Bischof  Werner  von  Trier,  mit  Herzog  Stephan  von  Baiem, 
seinem  Schwager,  mit  dem  Landgrafen  von  Hessen,  seinem  Eidam,  etc. 
Diese  zwei  Erzbischöfe,  nämlich  Köln  und  Mainz,  führten  den  neu  ge- 
korenen König  Rupprecht  zwischen  sich  beiden  zu  Köln  ein,  und  der 
Rath  der  Stadt  Köln  empfing  die  Fürsten  und  Herrschaften  köstlich 
und  ehrlich,  wie  man  das  zu  thun  pflegt  Noch  viele  andere  Herren 
aus  der  hiesigen  Umgegend  kamen  her  nach  Köln  zu  dem  neu  geko- 
renen Könige." 

„Wie  König  Rupprecht  und  die  Königin  nicht  zu  Aachen,  wie 
gewöhnlich  ist,  sondern  zu  Köln  In  dem  Dome  gekrönt  wurden. 
Rupprecht,  Pfalzgraf  bei  Rhein  und  Herzog  von  Baiem,  als  w, 
wie  vorsteht,  zu  einem  römischen  Könige  gekoren  war,  so  begehrte  er 
die  Krönung  zu  Aachen,  wie  das  gewöhDlich  ist.  Und  weil  König 
Wenzel  von  etlichen  Kurfürsten  abgesetzt  war,  darum  wollten  die  von 
Aachen  nicht  gewähren  und  zulassen,  dass  der  neu  gekorene  König 
zu  Aachen  gekrönt  würde,  weil  sie  dem  ersten  Könige  mit  Eid  und 
Gelübde  verbunden  wären.  Und  dcss  hatten  sie  zu  Hülfe  Herzog  Wil- 
helm von  Geldern  und  von  Jülich.  Und  also  empfing  der  König  diese 
Krone  zu  Köln  in  dem  Dome  von  Bischof  Friedrich  von  Sarwerden, 
und  kam  nicht  nach  Aachen  zu  der  Zeit,  aber  nachmals.  Und  das  ge- 
schah wienachfolgt:  Am  Tage  der  drei  heiligen  Könige  des  Morgens  vor  Tag 
machten  und  salbten  die  vorgenannten  Kurfürsten  Herzog  Rupprecht 
zu  einem  römischen  Könige  und  seine  Hausfrau  zu  einer  Königin  in 
dem  Dome  vor  St.  Peters  Altar,  wie  das  zu  Aachen  zu  geschehen 
pHcgt,  Bischof  Friedrich  sang  die  Hochmesse  an  St.  Peters  Altar» 
und  der  König  sang  das  Evangelium  in  der  Hochmesse,  und  des  Kö- 
nigs Sänger  sangen  die  Hochmesse.  Und  das  geschah  alles  zu  dieser 
Zeit  ehe  sie  aus  dem  Dome  gingen.  Als  das  Amt  der  Messe  geschehen 
war,  so  hatte  der  König  die  Kurfürsten  und  andere  Landesherren, 
gross  und  klein,  bei  sich  zum  Essen  auf  dem  Saale  bei  dem  Dom. 
Und  da  war  grosser  Staat  und  Hofiruug  und  aus  der  Massen  grosse 
Köstlichkeit  mit  allen  Dingen,  mit  Speise,  mit  Trank,  mit  Pfeifen  und 
Trompeten  und  mit  vielen  anderen  Sachen,  die  der  königlichen  Maje'd&t 
zu  Ehren  untl  Freuden  geschahen.  Da  war  wunderliche  uud  überaus 
sehr  lustige  Kurzweiligkeit,  der  Königin  und  ihren  Töchtern  und  an- 


Das  Haas  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


186 


deren  edeln  Jungfrauen  zur  Behaglichkeit  und  Fröhlichkeit.  Auch  ward 
zu  derselben  Zeit  eine  Heimth  gemacht  zwischen  Herzog  Stephan,  des 
Königs  Schwager,  und  der  Gräfin  Tochter  van  Cleve,  die  man  nannte 
die  Frau  von  Boniheim.  Und  also  ward  eine  Freude  und  Fröhlichkeit 
versammelt  zu  der  anderen.  Der  König  mit  den  Seinen  und  mit  an- 
deren Fürsten  blieb  zu  Köln  bis  auf  den  sechsten  Tag,  und  viele 
Herren  empfingen  ihre  Lehen  von  der  königlichen  Majestät  vor  dem 
Saale  auf  dem  Domhof.  In  allen  den  vnrgemeldetcn  Sachen  hat  sich 
die  Stadt  KÖh»  freundlich  und  grosslich  bewiesen  gegen  die  Majestät 
und  die  Königin  und  gegen  des  Königs  Leute.  Da  war  grosse,  unaus- 
sprechliche Freude  und  Wollust  des  Volkes,  das  zu  der  Zeit  aus  vielen 
Landen  nach  Köln  gekommen  war,  um  die  heiligen  drei  Könige  zu 
besuchen,  denn  da  ward  gehatten  ein  Freihof,  damit  ein  jeglicher  sich 
theilhaftigmachenmöchtederköniglichen  Gütigkeit  und  Milde.  In  demselben 
Jahr,  weil  die  Stadt  Aachen  sich  geweigert  hatte,  den  neu  gekorenen 
König  einzulassen,  aufzunehmen  und  ihm  zu  hulden,  wobei  sie  sich  auf  den 
Herzog  Wilhelm  von  Geldern  und  von  Jülich  verliessen,  der  ihnen 
Hülfe  zusagte,  so  ward  sie  in  des  Königs  Acht  gethan  und  hatte  grossen  treflf- 
lichen  Schaden  davon.  Doch  huldete  diese  Stadt  König  IUipi)rccht  im 
Jahre  des  Herrn  1406."  Ein  anderer  gleichzeitiger  Berichterstatter 
meldet  einen  Umstand,  der  uns  berechtigt,  dieser  Festlichkeiten  in 
gegenwärtiger  Abhandlung  zu  gedenken.  Wir  erfahren  nämlich,  dass 
der  König  seine  Herberge  in  des  Herzogs  von  Brabant  Hause,  die 
Königin  aber  die  ihrige  daneben  im  Hause  Falkenstein  genommen. 
Auch  beschreibt  dieser  zweite  Bericht  die  von  Seiten  der  Stadt  ge- 
schehene Huldigung,  nach  deren  Beendigung  sie  dem  Könige  reiche 
Geschenke  überbringen  liess,  goldene  Pokale  und  andere  Kleinodien. 
Ausserdem  wurden  ihm  neun  Ohm  Wein  verehrt,  jede,  mit  einem 
weissen  Laken  überdeckt,  von  zwei  Knechten  an  einem  Baume  getra- 
gen. Die  Tür  die  Königin  bestimmten  Geschenke  wurden  derselben  in 
ihre  Herberge  geschickt.  „So  lange  die  Majestäten  in  der  Stadt  ver- 
weilten, versammelten  sich  die  hohen  Herrschaften  allabends  zu  Tanz- 
belustigung, und  der  Rath  schickte  seine  Freunde  und  Schützen  gut 
bewaffnet  an  die  Thürcn,  wo  die  Herren  tanzten,  um  die  Herrschaften 
vor  jeder  Ungebühr  und  jeder  ßeliLstigung  zu  bewahren')- 

Brabant  war  im  zweiten  Jahrzehend  dieses  Jahrhunderts  durch 
Herzog  Philipp  den  Guten  dem  Herzogthum  Burgund  einverleibt  wor- 


1)  Die  Chroniken  der  oiederrhein.  St&dte,    Bd.  I,  S.  334  n.  Bd.  II,  S.  61; 
EQch  Eoaen,  Geschichte  der  Stadt  Köln,  Bd.  III,  S.  36. 


186 


Das  Hans  de«  HflrEogB  von  ßrabani  zo  Köln. 


den.  Dieser  Fürst  war  ein  Freund  und  Bundesgenosse  des  Erzbischofs 
von  Köln,  Theoderich 's>  eines  geborenen  Grafen  von  Moers,  der  wäh- 
rend des  langen  Zeitraumes  von  1414  bis  1463  die  Inful  und  den  Kur- 
hut voü  Köln  trug.  Der  Herzog  von  Burgund  kam  im  Jahre  1440 
mit  einem  grossen  und  prachtvollen  Gefolge  nach  Köln,  worüber  die 
Chronik  Folgendes  berichtet:  „In  demselben  Jahr  nach  der  Heilig- 
thunisfahrt  brachte  Graf  Friedrich  von  Moers')  den  Herzog  Philipp  von 
Burgund  von  der  Ileiligthunisfahrt  zu  Aachen  nach  Köln,  um  die  hei- 
ligen drei  Könige  zu  sehen.  Die  Stadt  Köln  hatte  grossen  Hof  mit 
ihm  und  that  ihm  grosse  Ehre.  Von  dannen  zogen  sie  nach  Neuss, 
allda  Hess  man  ihn  St.  Quirin  leibhaftig  sehen  *). 

Nach  Theoderich's  Tode  folgten  die  stürmischen  Jahre,  als  Pfak- 
graf  Rupert  Kurfürst  und  Erzbischof  von  Köln  war  —  1463  bis  1480. 
Brabant  halte  damals  den  kriegerischen  Karl  den  Kühnen  zum  Herr- 
scher. Ihn  rief  Rupert  herbei,  nachdem  er  sich  mit  seinen  geisüichen 
und  weltlichen  Untergebenen,  besonders  aber  mit  seinem  Domcapitel 
auf  das  ärgste  verfeindet  hatte.  Der  Herzog  fand  die  Stadt  Köln  so 
wohl  befestigt  und  so  gut  vorbereitet,  dass  er  von  dem  gegen  sie  be- 
absichtigten Angriffe  abstand  und  sich  gegen  Neuss  wandte,  welche 
Stadt  von  dem  Landgrafen  Hermann  von  Hessen,  Propst  zu  St.  Gereon 
in  Köln  und  vom  Domcapitel  gegen  Rupert  eingesetztem  Verwalter 
des  ErzstifLs,  heldeomüthig  vertheidigt  und  behauptet  wurde.  Als  diese 
Drangsule  herunbrachen,  als  die  wilden  burgundischcn  Schaaren  gegen 
die  Stadt  Köln  im  Anzüge  waren,  wurde  das  Kloster  Weyer  das  erste 
Opfer  des  Krieges.  Die  Stadt,  weil  sie  besorgte,  dass  der  Feind  sich 
hier  zur  Belagerung  gegen  sie  festsetzen  werde,  liess  das  Kloster 
Weyer  gegen  den  Willen  und  unter  dem  Wehklagen  der  Nonnen  im 
Jahre  1474  niederreissen.  Die  armen  Vertriebenen  flüchteten  in  die 
Stadt,  aber  unvergessen  war  ihnen  der  Vorbehalt,  den  die  Urkunde 
vom  Jahre  1235  beim  Uebertrage  des  Zöllnershauses  an  den  Herzog 
Heinrich  von  Brabant  für  einen  Unglücksfall  der  Art,  wie  der  jetzt 
eingetretnie,  zu  ihren  Gunsten  enthielt.  Um  so  vergesslicher  aber  war 
man  in  dem  Herzogshause  selb.'^t  geworden,  welches  man  damals  Costin 
oder  Costen  Greven  Haus  im  Volke  zu  nennen  pflegte  —  ein  Punkt,  auf 
den  wir  noch  zurückkommen  werden.  Als  eine  Abtheilung  der  Nonnen 
an  dem  Hause  erschien,  um  von  ihrem  so  wohl  verbrieften  Aufnahme- 


1}   Näheroa   über   ihn  und  leiae  Beziebtmgea   zur  Stadt  Köln  in  niemer 
Schrift:  Die  Familio  Hackeney  zu  Köln,  S.  36  a,  ff. 

2)  M.  s.  auch  Geleoiua,  De  magnitudine  Coloaiae,  p.  244. 


Du  Haue  des  Herzogs  von  Brabaot  za  Eölo. 


137 


rechte  Gebrauch  zu  machen,  wurden  die  Obdachlosen  ohne  alle  Rück- 
sicht hinweggewieseu.  Eine  alte  Handschrift,  die  Glasen  i),  zum  Ab- 
druck befördert  hat,  berichtet  darüber :  „Ind  de  Meistersche  und  andre 
Quersten  ind  de  Eisten  van  den  Jonfferen  de  geincken  myt  etzJichen 
van  den  besten  der  Stat  und  myt  Notarien  zo  dem  Huysse  genant: 
Kosten  Greven-Huyss  ind  gesunnen  des  umb  sych  da  yn  zo  inthalden, 
as  yn  dat  van  Recht  geburde,  sunder  de  Duyr  wart  yn  vur  der  Nae- 
sen  zogeschlossen  ind  neniant  in  woulde  sy  bescheyden.'*  Diese  Ver- 
treibung geschah  im  Jahre  1474  und  hatte  den  bleibenden  Untergang 
des  Klosters  Weyer  zur  Folge.  Die  Nonnen  wurden  im  St.  Cäcilien- 
Stifte  zu  Köln  untergebracht»  und  ihre  letzte  Priorin  oder  „Frauwe 
Meisterse"  Elisa  von  der  Reven  starb  im  Jahre  1515  als  Äbtissin 
daselbst«). 

Bei  dem  im  Jahre  1505  durch  Kaiser  Maximilian  I.  zu  Köln  ab- 
gehaltenen grossen  Reichs-  oder  Königs-Tage  ward  Herzog  Erich  von 
Braunschweig  des  Hauses  Gast.  In  der  Beschreibung  dieser  grossar- 
trgen  Verhandlung  und  der  damit  verbunden  gewesenen  Festlichkeiten, 
welche  „Mertin  Fucker  eyn  armer  Diener  eyns  wirdigen  Raits  der 
heiliger  Statt  Coellen"  vcrfasst  hat,  liest  man:  „Item  der  durchluch- 
tig  hochgeboren  Fürst  vnd  beer  her  Erich  hcrtzog  zo  Brunswich  jnd 
Lunenborch,  quam  mit  der  K.  Maj.  vp  Dounersdach  den  xvij.  Mey 
van  bouen  her  äff  mit  vill  säuerlicher  wal  geruster  Man  vnd  Pert,  jnd 
was  gelegert  20  der  Kronen  an  dem  hoeve  in  dem  fryen  huyse  van 
Brabant,  jnd  bracht  mit  sich  15  Ritter  vnd  Edelmaa.  Item  ward  syner 
fürstlichen  Gnaden  van  einem  wirdigen  Raidc  von  Coellen  ein  stuck 
Wyns  geschenckt." 

X. 

Die  Periode  des  Mittelalters  verlassend,  finden  wir  das  Herzogs- 
haus  noch  für  längere  Zeit  fortwährend  als  eine  vornehme  Herberge 
benutzt,  „für  Fürsten  und  Herren",  nach  Aussage  der  Chronik  von 
1499.  Im  Jahre  1531  stdlt  sich  ein  interessanter  Zeuge  ein,  der  des 
Hauses  Ruhm  in  dieser  Beziehung  verkündet.  Johann  Haselbergh,  ein 
herumziehender  Buchhändler,  war  nach  Köln  gekommen  und  hatte 
sich  mit  den  Merkwürdigkeiten  der  Stadt  ziemlich  genau  bekannt  ge- 
macht, inFcilgedesscn  er  sich  zu  einer  poetischen  Leistung  begeistert  fühlte, 
die  im  genannten  Jahre  mit  dem  Titel:  „Eyn  lühspruch  der  Keyser- 


1)  Daa  edele  Coellen,  S.  47—48. 

2)  Die  Peterskirohe  uod  die  Cäcilienkirche  io  Cöln,  von  F.  £.  v.  Hering 
(2.  Aufl.  1836),  a  81—82. 


n» 


Du  Bsas  Am  Beraogi  tea 


licheD  fnjpUMÜk  CoeOeo**  bei  Melckior  toq  Kcub  MiwilBi  ■  DnA 
erschien.    Nachdem  in  dem  lASsent  selteocB  Wtikclwm  der  Dob  ni 
seine  Umgfkmgfia  bewandert  worden,  fährt  der  Diehter  fsft: 
f^Duth  die  hadMportsea  da  sei  maa  Mg 
Der  hereo  betberg  stondt  da  dre^ 
Ttu  der  guldin  cron  was  gnant  die  da 
Die  ander  dar  bei  tzuui  falckenstein 
Die  dritte  herberg  heist  Izudera  schwer!') 
Da  Tind  der  gast  waa  er  begehrl'*') 
Lehensträger  des  Herzogs  von  Brabant  waren  am  diese  Zeit  dk 
Scheiffart  von  Merode,  Herrea  zu  Hemmersbach,  welche  das  Haas  an 
vornehme  Gastwirthe  in  Miethe  gaben. 


1)  Wir  Verden  hier  zu  den  NtebbftrUaMni  nscfc  der  Sporergawe  and 
HoehftrwR  hin  geführt  Nettes  den  Herziog«h*iiM  liegt  iwniehrt  dam  Bam 
FaJkeDrteia  (jetzt  Nr.  18,  Kientr*«),  e«  bst  oock  ü«ib«rt>iflibtel  oidm  Bitter- 
thormi;  dann  folgt  dos  Haub  xum  Schwert  (jetzt  Nr.  16).  d&ttn  da*  Baoa  aar 
Glocke  (jetzt  Kr.  14)  and  danach  daa  Ham  xurSaar  (jetzt  Nr.  12).  Im  LaarMC» 
Schreine,  Lib.  I,  tteht  1740  am  6.  Mai  der  Eacfmano  Joh.  Georg  Erren  „an  daa 
Haus  Eur  Klocken  am  BoF  mit  einer  Seite  nach  dem  Rheine  hin  nächat  dem 
Bao*  zom  Schwerdt,  mit  der  anderen  Seite  nach  der  Goldenen  Wag«  (so  hiCM 
ein  nahebei  auf  der  HochstraaM,  der  Sporergaaw  gegenüber  gelegene«  Hans, 
wonach  ein  Hjell  dieser  Stnu»e  „unter  Golden- Wagen"  genannt  wurde)  ifia  nebea 
dem  Hana  zur  Saar*'  geschrieben.  Deraelbe  Kanfmann  Erven  ist  am  n&BliebeB 
Tage  im  Schrcintbuche  Scabin.  Martini  an  daa  Haut  «aum  tdiwehrdt",  gelbes 
bei  dem  Hauae  „zom  Falkenütein"  zn  Felde  wärta  geschrieben  worden.  Beachtena- 
wertb  int  auch  fulgende  alte  Urkunde  von  1265:  ,^'otum  sit  tarn  presentibai 
quam  futaris  qnod  Gertradis  relicta  qaondam  Symonis  dicti  Comitis  tradidit  et 
remisit  post  mortem  suam  Theoderico  fitio  suo  domum  sitam  iuxta  domum  ducis 
Brabancie  nersus  sanctam  Columbam  ante  et  retro  lubtus  et  saperioB  proat  ibi 
nta  eat  in  parrochia  sancti  Laareocij.  que  inhabitacio  ipsius  Gcrtrudia  et  Sjmoail 
fuit  .  .  .  Scriptum  Auno  dni.  m^  oc\  Sexagesimo  quinio,  vigilia  asoenaionia 
dominL**    Sie  geht  der  Worringer  Schlacht  23  Jahre  vorher. 

2)  Bei  EInnen  (GescL  der  Stadt  Köln  UI,  S.  927)  sind  verschiedene  kölner 
Herbergen  ans  dem  15.  Jahrhundert  genannt,  darunter  auch  „Costingrefenhaos 
am  Hofe":  ,,In  letzterem  finden  wir  1446  Johann  vom  Steine,  1469  Kraft  von 
Wolftbach  und  1498  Wilhelm  von  Wolfsbach,  1511  Wilhelm  Kracht  als  Wirth." 
Der  nun  folgenden  Bemerkung :  „.\11  diese  Herbergen  waren  d&rftig  eingerichtet 
nnd  keine  war  geeignet,  fürstlichen  Personen,  die  zum  Vergnügen  and  cur  Unter- 
haltung nach  Köln  kamen,  ein  passendes  Unterkommen  zu  bieten"  —  scheint 
Haselbergh's  Zeugniss  (1531)  and  ebenso  die  Einkehr  des  Herzogs  Erich  von 
Braunsobweig  mit  zahlreichem  Gefolge  daselbst  im  J.  1505  zu   widersprechen. 


Das  Haus  des  üerzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


139 


Am  13.  Mai  1545  wird  (les  Herzogshauses  in  den  Rathsverhand- 
lungen  der  Stadt  Köln  erwähnt.  Die  Besitzerin  des  anstossenden  Nach- 
barhauses,   eine  Jungfer  von  Boniheira,  war  zum  Bauen  entschlossen. 

Die  Aenderungen,  welche  sie  vorzunehmen  gedachte,  waren  der 
Art,  dass  dadurch  die  bestehenden  Nachbarverhältnisse  und  namentlich 
auch  das  öffentliche  Interesse  berührt  wurden.  Der  Rath,  durch  seine 
Rentnieister  unterrichtet,  legte  ihr  desshalb  Schwierigkeiten  in  den  Weg. 
Es  ist  dabei  von  einem  Winkel  und  Anbau  die  Rede,  die  möglicher- 
weise als  Gemeingut  angesehen  werden  dürften,  wesshalb  naan  sich  mit 
ihr  vergleichen  und  auch  beim  Kaiser,  als  nunmehrigem  Herzog  von 
Brabant  und  Lehensherm  des  kölner  Herzogshauses  für  sie  einstehen 
wolle.  In  unklarer  Fassung  liest  man  darüber  im  XII.  Bande  der 
Batbsverhandlungen  Folgendes: 

(Änno  45.  Mercurij  xiij  Maij.) 
„BelaDgendt  den  Wyockell  by  des  hertzogen  huiBB  van  Brabandt. 
Ea  hat  die  Janffer  van  Bornheim  am  boS*  beneuen  dem  hniss  van 
Brabaodt  einen  Bow  vffwollen  richten,  Das  jst  Iro  durob  die  hern  Renth- 
meistere  verboden,  Dweil  ea  ein  Wynckel  vnd  anbow  ist,  vnd  ecbyndt  alsa 
solt  BS  gemein  seyn,  Igt  derhalber  hern  Suderman  Bürgermeister  vnd  h. 
heimbach  Renthmeister  beuolhen  mit  der  JunfTeren  zusprechen,  das  ay  den 
Bow  staen  lasse,  ein  Rath  will  sieb  mit  Ire  vergleichen,  vnd  auch  sooill 
das  leben  betreffen  mag,  daruff  aich  die  Junffer  getzogen,  will  ein  Rath 
such  bej  Key.  M.  als  hertzog  van  Brabandt  ubdragen." 

Hier  ist  Kaiser  Karl  V.  gemeint,  zu  dessen  überreichem  Länder- 
besitze auch  das  schöne  Brabant  gehörte.  Seinem  Grossvater  Kaiser 
Maximilian  I„  Friedrich's  III.  Sohn,  dem  Helden  des  Teuerdank  und 
des  Weiskunig,  hatte  Muria,  die  letzte  Spi-ossin  und  Erbtocbter  von 
Burgund,  auch  dieses  Her/.ogthum  in  die  Ehe  zugebr.icht 

Im  zweitnächsten  Jahre  befanden  sich  kaiserliche  Coramissarien 
in  Köln,  zu  deren  Aufträgen  auch  einer  gehörte,  welcher  das  Herzogs- 
haus hierselbst  betraf.  Kaiser  Karl's  V.  Schwester  Maria, ')  die  verwitt- 
wete  Königin  von  Ungarn,  führte  damals  die  Regentschaft  über  die 
niederländischen  Provinzen.  Die  alten  Erwerbstitel  über  die  dem  Kai- 
serhause nunmehr  zugehörigen  Lehenhäuser  in  Köln  scheinen  im 
Archiv  der  Fürstin  nicht  vorfindlich  gewesen  zu  sein ;  desshalb  hatten  die 
Räthe  von  ihr,  die  als  Regentin  in  den  Niederlanden  weilte,  den  Auf- 


1)  Sie  war  die  Nachfolgerin  der  im  November  1530  zu  Meobela  verstor- 
benen Herzogin  Margaretha,  der  MuLme  des  Kaisers. 


140 


Das  Haus  dos  Herzogs  vot)  Brabant  «u  Köln. 


trag,  von  dem  Rath  zu  Köln  eine  Abschrift  der  in  den  SchreiDsbüchem 
der  Stadt  anzutreffenden  Eigen thumstifcel  zu  begehren.  Die  darauf  be- 
zügliche Stelle  in  den  Rathsverhandlungen  (Band  XIII)  lautet: 

,,Fridach  den  ixviij  Januarij  (Anno  1547) 
Am  vurg.  tag  hait  der  Secretarius  Helman  vertzalt  wie  die  Kay. 
GomtniBsnrij  nach  Im  getjant  vnd  Jem  hetten  vurgehalden  das  ümen  van 
frauwen  Marien  der  konnynckjnne  Regenten  der  Nederlaoden  Im  vura« 
Jahre  vfferlagt  were:  aflfscbrej-fft  des  Huya  das  Brabantz  Huye  gnant 
wylchs  jm  Schryn  Laurentij  geschreuen  zu  haben,  wylchs  er  an  syne  heren 
zu  brengen  angenonien  Hait  darauff  begert  verstendiget  zu  werden  wie  die 
Schrynraeistere  vnd  Schrynschrybere  «ich  darjnnen  sulten  erz.  (erzeigen?) 
lat  bewilgt  einhellich  daa  man  den  Cominissaren  zu  wyllen  daijnnen  ayn 
Balte  vnd  Iren  G,  vnd  Fraw  mittheilen  alles  des  gheynicha  ay  in  namen 
Irer  Commiasaren  weren  gesynnende.*' 

Das  Ilerzogshaus  trat  jetzt  in  eine  Periode,  wo  sein  alter  Glanz 
vollends  erloschen  ist.  Dem  mächtigsten  Fürstenhause  des  Erdkreises 
anerfallen,  stand  ihm  nicht  mehr  die  Ehre  in  Aussicht,  dass  die  Lehen- 
herren, die  nunmehr  die  Kaiser-  und  Königskrone  trugen,  bei  ihrer 
zeitweiligen  Anwesenheit  in  Köln  unter  sein  Dach  einkehrten,  wie  sol- 
ches der  alten  Ilericoge  des  kleinen  Landes  Brabiint  Gewohnheit  gewe- 
sen. Jetzt  aber  pflegten  die  vornehmsten  und  reichsten  Geschlechter 
Köln's,  die  von  Merle,  Hackeney  u.  a.,  bei  solchen  Gelegenheiten  zu 
wetteifern,  ihre  palastähnlichon,  aufs  kostbarste  ausgestatteten  Wohn- 
sitze den  hohen  Gä.sten  aDzubieteo.  Auch  die  Lehenträger  des  Her- 
zogshauses, die  auswärts  wohnende  Familie  tScheiffart  von  Merode, 
wollten  keine  Opfer  mehr  bringen,  dem  Hause  sein  früheres  Ansehen 
zu  erhalten.  So  trat  denn  in  Folge  der  Vernachlässigung  ein  Verfall 
ein,  der  allmülig  bis  zur  äussersten  Raulosigkeit  ausartete  und  ein 
gefahrdrohendes  öffentliches  Aergerniss  wurde.  Da  oiusste  sich  endhch 
wohl  der  Rath  von  Köln  veranlasst  finden,  aus  polizeilichen  Gründen 
einzuschreiten.  Sowohl  an  die  burgundische  Regierung  in  Brüssel,  der 
Lehensherrlichkeit  wegen,  als  an  die  Wittwe  Scheiffart  von  Mcrode  zu 
Hemmersbach,  die  damalige  Lehenbesitzerin,  richtete  er  die  Aufforde- 
rung zur  Vornahme  der  nöthigcn  Herstellungsbauten  und  unterliess 
nicht,  für  den  Weigerungsfall  mit  der  Anwendung  jener  Privilegien  zu 
drohen,  welche  die  Stadt  für  solche  Fälle  besass.  üeber  den  anfangs 
1568  gefassten  Rathsschluss  berichtet  der  dreiundzwanzigste  Band  der 
Protokolle  im  Stadtarchiv: 


Das  Haus  den  Herzogs  von  Bradant  zu  Köln. 


Ul 


,,Lnna6  den  5.  Janaarg   (Anno  1568) 
HausB  zur  Cronen  am  hoeffe. 

Eynn  Erbar  Radte  hath  vf  heut  Datum  beuelcb  geben  an  die  Bur- 
gundlsche  Regierungh  auch  an  die  Wittib  zu  hemmersBbach  zuschreiben 
des8  veriallen  lenen  hauaa  halben  Zur  Gronen.  mit  Vermeidung  da  der 
Bawe  nicht  reparirt  werde,  werde  Ein  Erb.  Hadte  sonderlich  verursacht  Ire 
habende  Priuilegien  dargegen  zu  gebrauchen  Da^  jedoch  Ein  Erb.  Rndt  vngern 
ihuQ  wolt  80  das  haass  jn  nothwendigo  Repnratnren  geatelt  werde." 

Der  Stadt  war  nämlich  ein  kaiserliches  Privilegium  ertheilt,  wel- 
ches sie  berechtigte,  die  dem  Verfalle  überlassenen  Häuser  als  öffent- 
liches Eigenthuin  einzuziehen,  um  sie  dann  entweder  auf  Kosteu  der 
Gemeinde  in  Stand  setzen  zu  lassen  oder  sie  völlig  niederzulegen  und 
zu  Neubauten  zu  verwenden  *).  Diese  Aneignung  Seitens  der  Stadt  war 


1)  Dieses  Privilegium  erwarb  sich  die  Stadt  Köln  von  Kaiser  Karl  V.  in 
einer  aus  „Pamplona  in  Navarra"  vom  20.  October  1523  datirten  Urkunde.  Der 
Kaiser  bemerkt  darin,  daas  „die  T^^hrsame  unser  und  des  Reichs  lieb  getreue 
Bürgermeistere  und  Rßth  unser  and  des  heiligen  Reichs  Stadt  Colin  durch  ihr 
Bottschafft  haben  Fürbreugen  lassen,  Wie  in  verschjTien  Jahren  und  Zeiten  etwa 
viel  Hiufier.  Wohnunjren  und  Geb&we  in  der  jetzt  berührten  Stadt  durch  Brunst, 
Alter,  )inwesentlich  halten,  und  verlassen,  vergangen,  niedergefallen  und  in  Abgang 
kommen.  Und  der  täglich  noch  mehr  verfalleu  und  abgehen,  .  .  .  dass  derselben 
ätadt-Ordnuug  Abbruch  und  Nachtheil  wäre,  und  an  ihrer  Zierde  und  Manuschafl't 
auch  ander  Gerechtigkeit  und  Nutzung  za  ihrer  und  des  gemeinen  Nutz  Unter- 
haltung tnerklichcn  Abuehme,  und  uns  und  dem  Reich  uit  so  Stattlichen,  als 
fär  alten  Zeiten  beschehcn  ist,  und  sie  gern  tfaäten,  davon  gedient  werden  möge", 
und  auf  diese  Vorstellung  hin  befiehlt  und  verordnet  der  Kaiser,  dass  alle  Eigen- 
thümer  oder  Rentbesitzer  von  solchqp  verödeten  (lebäuden.  wenn  sie  dieselben 
nicht  innerhalb  dreier  Jahre  nach  der  von  Bürgermeistern  und  Rath  an  sie 
ergangenen  Aufforderung  wieder  „in  Wesen  bringen",  dann  aller  ihrer  Rechte 
und  Forderunfren  verlustig  sein  sollen,  und  , .dieselben  lioffstätten  und  Flecken 
sollen  samentUch  und  sonderlich  mit  ihr  aller  und  jedes  Zugtbörung  der  ge- 
nanten Stadt  Collen  frey,  ledig,  oliu  alle  Zinss,  üült,  Fuhr,  Rhent,  Schulden,  und 
ander  Forderungen ,  Beschwörungen  und  Gerechtigkeiten  heimfallon  und  <.<ygon 
sein,  Die  wir  auch  derselben  gemeinen  Stadt  Collen  alsdan  also  zngest<'llt  und 
gegeben  haben  wöilen  Und  sollen  und  mögen  die  gedachten  Bürgermeister  und 
Bath  KU  Collen,  und  Nachkommen,  solche  Hoffstätt,  Flecken  und  weit  in  samentlich 
osd  sonderlich  zu  derselb  gemeinen  Stadt  Collen  Nute  und  Qnt  entziehen  und 
im  Baw  und  Wesen  kehren,  oder  anderen,  die  solches  thun  fürther  zustellen  und 
übergeben,  nach  ihrem  Ansehen  und  Uutbedüncken,  wan  und  zu  welcher  Zeit  sie 
wollen  and  ihnen  am  besten  fugt  .  .  /'  (Nach  einem  gleichzeitig  in  Dmck 
erschienenen  Pltdcat.) 


142 


Daa  Haua  des  Herzogs  ron  Brabant  eq  Köln. 


mit  der  Förmlichkeit  verbunden,  dass  an  der  betreffenden  Hausstelle 
ein  Schild  mit  dem  Wappen  der  Stadt  angeschlagen  wurde.  Zu  diesem 
Aeussersten  ist  es  indessen  bei  dem  Hause  von  Brabant  nicht  gekom- 
men. Die  schöne,  freundlich-freie  Stelle,  wo  dasselbe  gelegen  ist,  er- 
v?(^ckte  die  Baulust  eines  Mannes  aus  einer  sehr  angesehenen  und 
vfoiilhabenden  hiesigen  Familie.  Herr  Theodor  Birckraan  *),  Doctor  der 
Medicin,  trat  im  Jahre  1574  mit  Johann  Scheiffart  -von  Merode  zu 
Hemmershach  in  Unterhandlungen,  welche  dahin  führten,  dass  dieser 
ihm,  unter  Zustimmung  des  Lehenhofes,  für  die  Summe  von  700  Tha- 
lern den  Lehenbesitz  des  Horzogshauses,  oder  richtiger  der  GrundHäche 
worauf  ein  solches  ehedem  gestanden,  („praeter  pauca  rudera,  nihil 
nisi  pura  et  plana  area  vacua'')  abtrat.  Doctor  Birckman  begab  sich, 
ehe  er  den  Neubau  begann,  persönlich  nach  Brüssel  und  enipting  hier 
am  4.  Juli  1576  vor  dem  Lehenhufe  von  Brabant  die  Investitur.  Die 
Urkunde  lautet«): 

„Op  heden  vierden  Julij  xv**  Ixxvj.  voor  beer  ende  meester  Jacob 
Boonen  Raedt  ordiaaris  indea  Raede  vtin  Brabant  als  Stadthoudere  vaaden 
Leeuhove  vau  Brabant  in  absentie  Joncker  Caerles  van  Tianacq  Stadtboudere 
prlucipael,  ende  voor  meester  Diouys  Vitsias,  Licentiaet  inde  Rechten  ende 
Otaffier  des  voorschreuen  Leenhoffa,  Jan  Minne,  Peeter  Fabri,  ende  Ard 
Conniux,  mannen  van  Leenen  des  voors.  Leenhoffs,  comparerende  in  per* 
eoone  Theodoricua  Birckman  Dootoor  inde  medicijnen  ende  borger  der  Stadt 
van  Golen  heeft  aldaer  midts  coope  bij  opdracbte  ende  ouergeueoe  van 
meester  Jan  Crieckelman  als  gemechtichde  t^tter  saeken  naerbeschreuen 
bij  Joau  Schijifaert  van  Merode  Heere  tot  Hemersbach,  Limborcb,  etc. 
blijckende  bij  de  procuratie  daeraff  sijudo  gepasseert  voor  Boorgermeestere 
ende  Raedt  der  voors.  ätadt  Colcn  den  tweden  Julij  1575.  besegelt  met 
eenen  groenen  segclti  in  dobbelen  steerte  vu^Lliaugeade,  ende  noch  met 
eenen  anderen  kleijnen  8egel  oich  iu  groenem  wase  voor  opt  begioBe! 
vande  seine  procuratie  gedruckt  met  papier  bedeeckt  onderteockent  Laareoa 
Yvever  Secretaries,  hebbende  de  voorscbreuen  Crieckelman  tot  effecte  van 
dese  opene  brieueu  van  OctroiJ  odb  Heeren  des  Connincz  tot  validiteyt 
van  de&elne  procuratie  dienende  vercregea  ouer  den  grooten  segele  vao 
Brabant  bij   den   Secretaris  Baudeweijus    geexpedieert,    te   leen   ootfsogea 


1)  Er  stammte  aiia  einer  in  der  Geachichte  des  Buohbandela  und  der  Typo* 
grapbie  von  Eöln  berülimten  Familie  dieses  Namens,  nach  de^en  Signet  „In 
pingai  gallina"  die  Strasse  Unter  Feltenlicnncn  ihren  Namen  führt. 

2)  Nach  der  Copie  in  der  Ketteler'ßcheu  Streitschrift  von  1641. 


■ 


irree  haysen  binnen  der  voorachreaen  Stadt  van  Colen  gelegen,  d'  een 
daeraff  geheeten  des  Hertcgen  huijs  ende  d^  ander  t'  hnije  te  Callenbergh 
na  al  in  een  stoick  gelegen,  zoo  de  voors.  coopere  verclaert  genaempt  de 
golde  Croone,  weaende  iegenwoordelijck  geheel  vertiallen  ende  clesolaet, 
gerepareert  nocbtans  om  van  nieuwes  te  herbauwen,  gelijck  deselue  coopere 
verclaert  in  mijnungbe  te  sijn  t'  aelne  van  stonden  aen  wederomme  opte- 
richten  ende  te  bauwen  in  een  ofte  raeer  huijaen  sijnder  gelegentheit,  doende 
den  TOorscbr.  Gomparant  oneen  Connick  als  Hertoghe  van  Brabant  daeraff 
inaofichnp  met  bulde  ende  eede  van  trouweu  voor  t'  beergb.  x.  croonen. 
Oedaen  iuder  Stadt  van  Bruesaelle  op  den  dach  ende  int  jaer  voorachreaen/' 

Das  Kaufgeschäft  mit  Johann  von  Mcrode  war  1574  durch  einen 
BevoUmächtigteü  desselben  abgeschlossen  worden.  Seinen  Verkäufer 
veranlasste  Doctor  Birckmaun  im  Jahre  1578  noch  zur  Ausstellung  einer 
Urkunde,  worin  dieser  in  eigener  Person  nicht  nur  den  geschehenen  Han- 
del und  die  Zahlungsquittung  bestätigte,  sondern  sich  auch  herbeilieas, 
dem  Ankäufer  und  seinen  Nachkommen  die  feierlichste  Wehrschaft 
gegen  jedwede  Ansprache  und  Gefahr  zu  leisten.  Ich  gehe  das  Docu' 
ment  nach  dem  Original,  einem  Pergamentbriefe  mit  Siegel,  auf  der 
Rückseite  mit  der  Bemerkung  von  Dr.  Birckman's  Hand  versehen: 
„Kauffbrieff  der  Bawplatz  beyder  häuser  zur  Crohnen  de  Ao.  1578 
d.  7.  Septembris": 

„Ich  Joban  Scheiffori  von  Merode  Herr  zu  Hemmerssbach  Sjndorff 
vnd  Lytnparg,  Thuen  Enndtt  zenge  vnd  bekenne  biemit  vor  mich  mein 
Erben  vnd  nhakhommen,  So  als  Ich  hinbeuorn  mit  verwillighungb  Könning- 
licber  Maiesteitt  zu  Hispanien  Ilertzogen  jn  Brabant  etc.  meines  aller 
gnedigsten  Hern  Inhaltt  derwegen  vfgerichter  verschriebungh  vor  Sieben 
hundertt  IhaHer  Colaiacher  Müntzen  vnd  Valuation  (so  ich  jn  einer  alinger 
vnd  gantzlicher  Sunamea  entfangen  vnd  derwegen  auch  biemit  nacbbe- 
atimpte  geldera  Ire  Erben  vnd  nactikboninien  endtlich  quitiere  vnd  frey- 
apreche)  verkhaafiPt  vnd  erlassen  hab,  dem  Werdigen  vnd  Hochgelerten 
Dedericben  Birckman  der  Medicinen  Doctorn  vnd  Elizabethen  Angolmecher 
Eheleutten  Iren  Kindern,  erbon  vnd  nhakhommen,  die  HoefFstede  vnd  gründe 
wie  dieselbe  ja  Iren  Ruinis,  binnen  der  Statt  Colin  am  Houe  gelegen  vnd 
genant  Costin  Greaen  Hauss,  oder  dess  Hertzogen  hauss,  oder  die  güldene 
Croen,  in  allormasaen,  wie  Ich  solche  mit  Irem  Zubehoer  vnd  gerechtig- 
keitten  erErbtt,  von  Hochstgedachter  Kö:  Mt:  zu  Hispanien  als  Hortzochen 
JD  Brabaot  Anno  1.  5.  7,  0  zu  Lehen  entfangen,  Ingebabtt  vnd  besessen. 
Demnach  gelob  Ich  Joban  Scbeifiartt  von  Mcrode  Herr  zu  Hemmerssbach  etc. 
obgl.  vor    mich  mein  Erben    vnd    nachkhommen,    bei  Adelicber  Ehre    vnd 


144 


Das  HauB  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


waro  wortien  iin  Eidtz  Statt  deses  beecbeheneD  Eauffs  halben  den  ermelten 
geliern ,  Iren  Erben  vnd  nachkommen  gutte  vffrechte  warscbafft  zu  sein 
vnd  zu  pleiben,  aej  die  Eeaffere  Ire  Erben  vnd  ohaekhommen  obbemeltten 
Kauffa  halben  alle  ansprachen  vnd  forderungen  so  vfT  benirte  hofistede 
beschehn  tiiochteu,  zu  frien  zu  quitten  zuuertbedigea  vnd  allerdiogen 
schaidtlosa  zu  halten  vnd  zu  entheben  vor  alteo  Rechten  vnd  gericbtom, 
In  vnd  ausserhalb  Colin,  vff  mein  Gost  zuuertretten,  da  sich  auch  bemae- 
mala  beJSnden  wurde,  dass  obberürto  HolTBtede  etwas  weitters  oder  ferners 
dan  mit  dtm  Hern  geweide  an  Höchst  ermelter  Ko:  Mt;  von  Hispanien, 
Herzoge  jn  Brabant  etc.  oder  Jemantz  anders  Leybzuchtiger  oder  eigen- 
thumblkher  weis  beschweret  oder  belestiget  Solches  alles  wie  dass  auch 
sein  mogte  soll  and  will  Ich  Innen  den  Eeuflern  Iren  Kindern  Erben  vnd 
nachkhomnienj  nuff  meine  Cost  sorgh  mhue  vnd  arbeitt  abschaffen,  vnd 
ob  sei  auch  mit  dieser  meiner  angelobter  schuldiger  weerschafft  nit  genoch* 
sam  versichertt  oder  verwaert  euweren,  so  gelob  ich  noch  ferner  oraffl 
deser  meiner  vnderzeigneter  handt  vnd  angehengktem  Segl,  abzeit  vnd  Im 
fall  der  noitt  beaser  zuuersicheren  vnd  zuuerwharen  Damitt  vnd  waebd 
obernantte  Kouffer  Ire  Kinder  vnd  Erben  nhn  vnd  zo  den  ewigen  Dagen 
zu,  obermelten  Kauffs  halben  allei-  bestendigat  crefftigst  vnd  bundigst  ver- 
sichert vnd  verwtirtt  sein  sollen  vnd  pleiben  Dessen  alles  zu  wharen  Vr- 
kundtt  hab  Ich  Johan  Scheiffartt  von  Merode  oberg.  diesaen  brieff  mit 
eigener  handt  vnderschreben  vnd  mit  meinem  angepornen  Insiegel  besegellt 
vnd  bekrefftigt,  Anno  thaueent  vunffhondertt  Siebentzich  Ächtt,  den  Sie- 
benden Septembrifi. 

(gez.)  Johan  von  Merode 

h.  zu  Hemraerabach." 


Ueber  den  darauf  begonnenen  Bau  hat  Birckman  eigenhändig 
ein  Rechnungsbuch  geführt,  das  sich  noch  jetzt  erhalten  hat.  Beim 
Durchlesen  finde  ich  darin  unter  Anderen  als  beschäftigte  Werkleute 
genannt:  „Meister  Johan  den  Zimmerraaun,  Meister  Gorris  Sarckmecher, 
Jan  Leyendecker,  Meister  Hans  Kachelbecker  vf  Maxioiinsstrassen, 
Meister  Gotschalck  Scbnitzler,  Meister  Jühau  Goramersbach  Schmitt, 
Johan  Schlossmecher  auf  der  ßreiderstrassen" ;  auch  „Meister 
Kolbrant     der     Maler"  ')      war    für     die     innere    Ausschmückung 


1)  ,, Jörgen  Kollebrandi"  und  „R^iuhardt  Kollenbrandt",  letzterer  wahr- 
scheinlich des  erateren  Sohn,  sind  in  einem  Malerverzeichnias  aus  dem  16.  Jahr* 
hundert  gen&nnt,  welches  in  mGvnem  Buche:  Nachrichten  von  dem  Leben  und 
deu  Workeu  kölnischer  Künstler,  S.  557--B58  abgedruckt  ist. 


D&8  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


145 


mit  tbätig.  Der  Steinmetzer  kommen  mehrere  vor:  „Meister 
Peter  Steinmetzer",  „Johann  Westschütz  Steinmetzer",  der  auch 
als  „Johan  Steinmetzer  von  Siburg"  auftritt;  der  eigentliche  Leiter 
scheint  aber  ein  Meister  Winaudt  gewesen  zu  sein,  bei  dessen  Kinde 
der  Herr  Doctor  zur  Taute  gestanden;  er  schreibt:  „am  2.  Januar 
1580  mit  meineiB  Gefatter  Mr.  Winandt  steinmetzer  abgerechnet." 

XI. 
Doctor  Theodor  Birckman  war,  wie  die  eben  mitgetheilte  Urkunde 
anzeigt,  vermählt  mit  Elisabeth  Angelmecher,  einer  vornehmen  Patri- 
zierin aus  einer  Familie,  welche  Köln  zwei  Bürgermeister  gegeben  hat '). 
Er  starb  noch  vor  der  gänzlichen  Vollendung  des  Neubaues,  und  seine 
"Wittwe  hat  denselben  zum  Abschlüsse  gebracht  *).  Hermann  von  Weins- 
berg, der  die  Denkwürdigkeiten  seiner  Zeit  in  einem  interessanten  Ma- 
Duscripte  aufgezeichnet  hat,  welches  das  külner  Stadtarchiv  aufbewahrt 
gibt  folgende  Notiz  über  Theodor  Birckman: 

„Obijt  Doctor  Birckman. 
Vom  Haasa  zur  Cronea  am  Haiff. 
Anna  1566  den  15.  Scptembr.  starb  Doctor  üirckman  jn  synem  eigen 
HansB  zur  Cronen  am  HnifiPe,  Hat  eyn  gälte  weill  kranck  gelegen,  war  ejn 
weitberoimpter  medicas,  der  bei  fursten  herrn  vnd  burgem  köstlich  gebalten 
wart,  kant  vil  leuthen  helffen,  al^er  es  geluckt  jm  mit  synen  brodern, 
bewanten  vnd  swagner  vbel,  der  vil  vor  jm  gestorben»  er  war  eelbst  noch 
nit  vber  50  Jar  alt,  hat  vil  leodt  dhoit  vffgesneiden.  exemptereirt  vnd 
gebalaamet,  vfF  lest  liess  er  sich  vflf  lauthen  siGtern  vod  baffen  (V)  jm 
tboidt  bedt  war  klein  raith  vnd  hiltf.  Er  war  jn  der  fetterbenuen  von 
synem  fatter  Arnoldo  Birckman,  eym  riehen  boichtrucker,  elich  jn  Coln 
gebom,  Die  medicin  hatt  ja  reich  gemacht,  dnss  er  vom  hauss  Brabandt 
dass  Hauas  zar  Cronen  am  Haiff  erlangte,  dasa  vor  et  lieb  hondert  Jarn 
eyn  Rhaidt  zu  Coln  dem  Hertzogen  von  Brabandt  nach  der  Belacht  bei 
Woringen  geacbenckt  hat  vnd  war  genant  Costin  Grenea  haoss,  vnd  hatten 
68  die  von  Merrhade  zu  Heminersbach  jn  der  belenang  gehatt  von  hinge 
zit  vermedet,  dass  es  eyn  offenbar  Herberge  vnd  wirdtz  huyss  vur  lursten 


1)  Bruno  Angelmecher  kam  1572,  Gerhard  Angelmeober  1591  als  Bürger- 
meiater  an  die  Regierung;  letzterer  fährte  1603  zum  fünften-  und  letzten  Mal 
den  SUb. 

2)  Ausdrücklich  meldet  dies  die  Schrift  Consilium,  sive  Responsum  Jnria, 
p,  2:  „Quibns  aedificijs  partim  in  vivia  per  ipsummet  (D.  Theodorum  Birck- 
mannum),  partim  post  eius  mortem  p«r  viduam  eias  funditüji  exstruotis''  eto. 

10 


14ti 


Das  Haus  des  Herzogs  voa  Brabant  ku  KöIu. 


vnd  heru  wart,  Dar  jn  icb  offt  frolich  gewest  byn  vor  40.  Jare  md  lengvr,' 
vnd  vffs  letzst  durch  ünbaw  vnd  widderwertigkeit  der  partheiea  vnd  ver- 
seumniss  jnüele  vnd  lange  woist  lag,  biss  es  vffs  letsst  diaser  Doctor 
Birckmaa  gentzlich  aa  eich  bracht  vud  eyn  eigen  Deonen  fioitzs  von  BmcI. 
her  ab  komen  leise  vnd  es  herlich  widder  vifbauwet«,  wie  es  dan  eitz  aal 
Hai£f  stet  vnd  hat  bonen  der  portzen  eyne  Croin  jm  stein  gebauwan  da  ba 
man  es  kent  ueben  dem  falckenstein  liegendt,  vormailäs  plach  es  mit  eyn 
altfrenschen  gifFcl  hoicher  zu  seyn,  vud  wirt  nuhe  fortan  wol  eyn  burger- 
Ucli  hauss  plibcD,  den  er  bat  weib  vnd  kynder  verlaissen." 

Aus  Doctor  Birckmau's  Ehe  entsprossen  vier  Kinder,  drei  Söhne: 
Arnold,  Gerwin  und  Hermann,  und  eine  Tochter:  Catharina.  Nach  des 
Vaters  Tode  wurde  zuerst  der  älteste  Sohu  Arnold  beim  brabantischeo 
Lehenhofe  an  die  Lehengerechtitfkeit  geschrieben.  Nachdem  auch  Ar- 
nold gestorben,  einigten  sich  die  Betheiligten  dahin,  dass  nunmehr  die 
Ueberschreibung  auf  den  Namen  des  Zweitältesten  Sohnes  von  Theodor, 
nämlich  auf  Gerwin  Birckinan,  Doctor  der  Rechte  zu  Köln,  erfolgen 
solle  —  jedoch  nur  formell,  während  in  der  Wirklichkeit  die  Ansprüche 
auf  den  besitz  und  Genuss  gemeinschaftlich  blieben.  Der  souveraine 
Leheuhof  von  Brabant  stellte  am  29,  April  1617  folgende  Verleihungs- 
urkunde aus  '): 

„Up  heden  znx.  dagen  iode  monat  van  Aprill  des  Jaen  xyj".  Seooi- 
thiene  voer  ende  t«D  Overataene  van  Heer  Charles  van  Bourgoignen,  Heere 
van  Bredam,  etc.  Edelman  van  monde  Hünder  doorlüchtigste  Hooch^** 
die  Ertshertoghen  van  üistenrick  onse  genadigste  Heeren  ende  Princen  als 
Statthoudere  des  Souuerain  Leenhoffs  van  Brabandt,  ende  inde  presentie 
vande  Leenmannen  naergenoempt,  met  naomen  Guillem  de  Goor,  Jan  Dom» 
bry  endo  meer  andere,  Coniparerende  Mr.  Jan  de  Waure  Licentiat  iode 
Rechten  ende  Advooaet  postuleerende  inden  Raede  van  Brabant,  alss  gesab- 
stitueerde  van  Mr.  Gerwinas  Birckman  Doctoir  inde  Hechten  ende  Schepen 
des  Eoochs  Gerichts  van  der  Stadt  Colen,  vuit  erachte  van  procoratie  hea 
begeven  by  Mr.  Ilerman  Birckman,  Doctoir  in  de  Medicinen,  en  Wynandt 
Kyver  Licentiat  in  de  Rechten,  eu  Peasionaris  der  vors«  Stat  Colen,  en 
Joufire  Catharina  Birckman  zine  Huissvrouwe,  achtervoigen  den  lustromenta 
darover  gepasseert  voor  Borgermeistre  ende  Raet  der  ssr.  Stadt  Colen  op 
den  vj.  deser  loopender  Mauut  Aprilia  zal  in  dior  qualiteit  inden  naem 
ende  ten  befaoove  van  vorss.  coustituanien  ende  substituant  re$pective  in 
broderlicken  en  süsterllcken  Rechte  indeviss   te  Leene   verheffen  by  doode 


1)  Nach  der  Copie  in  Doctor  Osterman's  StreitBohrift  von  16S7. 


Das  Haue  de«  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 

Mr.  Arnoult  Bircktnan  huaner  oadsten  broder  twee  Huisen  geI«geD  bionea 
der  vorss.  Stadt  Colen,  d'  een  daraff  geheeteo  des  Hertogen  Huysa,  ende 
'd  ander  t'  huyss  ten  Callenberg '),  eertids  gebeten  t'  boys»  ten  Wyer,  by 
-wylen  den  doctoir  Birckman  hunnen  Yader  betymmert,  ende  in  een  bekerrt, 
nu  geheeten  de  Gülden  Croane,  Doende  de  voraa  coniparant  daertoe  mant- 
uchap  met  holde  en  eed  van  trouwen,  aen  baere  vorss.  Iloch'^''^  als 
Hertoghen  van  Brabandt  inb&nden  mynes  Heeren  des  Stathouders  voorgen. 
Betalen  voor  thergeweyde  en  andere  Rechten  ordinaris  xxj.  Lsb.  arth.  Be- 
bondeltck  dat  den  vorss.  Mr.  Gerwinos  Birckman  bierop  eal  blyven  te 
boecke  staea  als  aterffman:  ter  tydt  toe  by  scbeidinge  ende  deilinge  tussen 
hno  te  mercken  beucodea  aal  worden,  wie  het  vorss  Leen  deele  sal  vallen^ 
de  welcke  alsdan  zall  moeten  te  boecke  comen,  ende  bem  darop  doeo 
stellen  als  sterffman,  mita  verniewendc  den  behoirl.  eedt  ende  betaelen  de 
rechten  dartoe  staende  nae  behoiren,  Aldus  gedaen  ende  gepasseert  binnen 
der  itadt  van  Brüssel  ten  daege  moende   jaere   ten   overstaen,    ende    inde 

presentie  als  boven. 

(gez.)  J.  Michiels." 

Bald  aber  cutbranntc  dieser  Besitzung  wegen  ein  sehr  leiden- 
schaftlicher Rechtsstreit  in  der  Bircknian'schen  Familie.  Aufschlüsse 
geben  darüber  besonders  einige  Druckschriften,  wodurch  die  ötfentliche 
Meinung  lebhaft  in  die  Sache  bineingezogen  wurde.  Dieselben  gehören 
jetzt  zu  deo  Seltenheitenj  sie  sind  siimmtlicb  in  Quarto  und  trugen  die 
Titel: 

1.  Beständiger  abgedrungener  Gegenhericht,  Summarische 
Aussfiihrung,  vnnd  Justiticatiou  Dass  Petrus  Osterman  heyder 
Rechten  Doctor  Churfürstlicher  Maintzischer  Hoffrath,  vnd  sein 
Söhnlein  Petrus  Winoldus  Osterman  der  Brabändischer  Lehnhäu- 
ser  zur  guklen-  vnd  silbern  Cronen  genandt,  allhie  am  Hoff  ge- 
legen, eygcnthümblichen  Besitz,  vnd  Erbrecht  erlangt .. .  Gedrückt 
zu  Colin,  Dey  Seruatius  Erffens,  In  Marieugardengassen,  Im  Jahr 
1637.  (16  Blätter.) 

2.  CoQsilium,  sive  Responsum  Juris,  in  causa  D.  Ilenrici  Ket- 
teler,  Jur.  Lincent.  Impetrantis  Contra  et  advorsus  Excellciitiss. 
et  lUustriss.   Dom.  Comitein  Don  Walter   Lopez   Zapata,   Regiae 


1)  Während  schon  in  dem  Lehenbriefe  vom  4.  Juli  1576  das  Haus  „Callcn- 
bergh"  fälfchlich  dem  Hause  zur  goldenen  Krone  einverleibt  wurde,  geht  hier 
die  Tiuschung  noch  vid  weiter  und  identificirt  Callenbergh  mit  dem  Ilause 
Woyer  —  wir  werden  bald  erfahren,  2u  welchem  Zwecke  dies  betrieben  worden. 


148 


Das  Haus  des  Herzogs  von  Bnibaat  za  Köln. 


Catholicae  Maiestatis  ad  pacem  Generalen),  Coloniam  Legatom 
Plenipotentiarium,  Opponentem,  Vti  et  Nobilem  DomiDum  Fiscalem 
Brabaot.  Interuentorem.  Anno  M.  DC.  XXXXI.  (U  Blätter  ohne 
Druckeradresse.) 

3.  Gnomen  sincerae  Veritatis.  Das  ist:  Kurtrer  vnd  wahr- 
hafter, auss  den  wahren  originalen,  vnd  Brabändischen  Souuerain 
Lehnhofl^  Registeren  gezogener  Anzeigh,  welcher  zu  den  hieselbsten 
zu  Collen  an  dem  Hoff  gelegenen  zweyen  Lehn  Hänseren  zur 
Güldenen,  vnnd  Silbernen  Crun  genant,  berechtiget,  vnd  deren 
vngezweiffelter  Rechtmässiger  Besitzer  vnd  Lehn  Erb  sey,  auch 
an  Hochgedacbtem  Souuerain  Lehn  Hoff  Anno  1629.  daruor  ge- 
halten, vnd  damit  belehnet  worden."  (6  Blatter,  ohne  Drucker- 
adresse. Mit  dem  Motto :  Non  concupisces  nee  domum,  nee  agmra 
proxinü  tui.) 

4.  Crimen  falsi,  Commissam  per  Petrum  Osterman  Doctorem, 
Contradictum  per  amplissimum   Magistratum  Liberae   Imperialis 
Civitatis  Colonieusis,  Detectum  per  declarationem  excelmi,  D.  Co- 
mitis  Walther  Don  Lope  Zapata,  Regiae  Maiestatis  Githolicae  Le- 
gati, &c.  Typis  hisce  divulgatum,   vt  sicot   literae  sequentes  sub 
nomine  benememorati  D.  Comitis,  &c  Falso  per  dictum  Osterman 
impressae,  &  per  Imperium  sparsae  fuerunt,  ita  etiam  hoc  crimen 
toti  mundo  vero  innotescat,  dignura,  quod  non  solum  Juris  com- 
munis, quo  Falsum  veneficio  et  homicidio  detestabilius,  uü  com- 
munis doctrina  habet,  sed  et  ipsorum  Recessuum  Imperij,   imo  et 
ordinationis  criminalis  Caroli  V.   Imperatoris  gloriosisslmi  poenis, 
iuxta  immanitatem  suam  et  huius  facti  circumstantias,  in  Authore 
suo,    pro    condiguo   exemplariter    coörceatur.     (4    Blätter,    ohne 
Druckeradresse.    Die    am   Schlüsse    abgedruckte    Erklärung    des 
„Conde  Walther  Don  Lope  Zapata*'  ist  datirt  „in  alma  hac  Agrip- 
pinensi  Colonia,  11.  die  Octobris  1642.") 
Das  zuerst  genannte  Schriftchen  Osterraan's  meldet  unter  Ande- 
rem Folgendes:  Doctor  Theodor  Birckman  und  seine  Gattin  Elisabeth, 
geborene  Angelmecher,   hatten,  nachdem  sie  .,Anno  1574.  den  Grundt 
vnd  verfallene  Bawplatz,   da  anjetzo  die  Golden  und  Silbern  Cronen, 
zum  Schlüssel ,  zum  Stralen ').   vnd  Callenbergh    aufgebawet  stehen, 

1)  ,,Zuin  Schlüssel^  und  »zum  Straten"  bilden  vereinigt  dae  frühere  De 
BteheVhe  Haus  Nr.  24  am  Hof.  Die  Baastellea  lagen  hintereinander,  der  vor« 
dore  Tbeil  war  früher  unbvbauk  Gemäss  dar  Oeterman 'sehen  Schrift  ist  abtt 
auob  die  ebetnaUge  Kuohe  des  Henogshause«  hier  mit  eingeb«at  worden. 


Das  Hbub  dea  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


149 


vor  eine  geringe  Werth  auff  recommendation  schreiben  eines  Ehrs. 
Rahtö  dieser  Statt  Collen  von  den  Scheiftarten  von  Merode  vnd  an- 
dern erkaufft,"  zwei  neue  Häuser  auf  der  Stelle  des  alten  Herzogshau- 
Ncses.  aua  hterb  der  Eltern  und  Arnold's,  des  ältesten  Sohnes  Tode, 
schritten  1626  die  drei  übrigen  Geschwister  Gerwin,  Hermann  und 
Catharina  Bircknian  zur  Theiiuug  der  Erbgüter,  wobei  die  eine  Ab- 
theiluag  des  Neubaues,  das  grosse  Haus  mit  der  Benennung  „die  gül- 
dene Cron"  der  Miterbin  Catharina  für  5000  Thaler  kölnisch  zugetheilt 
wurde.  Dieselbe  war  mit  dem  Liccntiaten  Winold  Kyver,  Syndicus  der 
Stadt  Köln,  verehelicht,  einem  Wittwcr,  der  in  erster  Ehe  mit  Adel- 
heid von  der  Kettea  verheiralhet  gewesen,  von  welcher  letzleren  er 
eine  Tochter  Gertrud  hatte,  die  den  Doctor  Peter  Osterman  zum 
Manne  erhielt;  eine  Tochter  aus  Kyver's  zweiter  Ehe  mit  Catha- 
rina Bircknian  hicss  Margaretha  uod  wurde  die  Frau  des  Liccntiaten 
Heinrich  Ketteier.  Osterman  und  Ketteier,  die  verfeindeten  Veranlasser 
jener  Flugschriften,  waren  also  in  der  Weise  verschwägert,  dass  sie 
Halbschwestern  zur  Ehe  hatten.  Von  Kyver  wird  berichtet,  dass  er 
„wegen  dieser  Häuser  einen  wichtigen  und  kostbarlichen  Process  gegen 
den  Herren  von  Cleermondt,  Erbfolgern  der  Scheiffarten  von  Merode, 
80  den  verkaufften  grund,  vnterem  Vorwandt  der  Minder  Jährigkeit, 
Auch  im  beschehenem  Verkauti"  der  verfürtheilung,  widerumb  zurück- 
forderen wollen,  etliche  viele  Jahr  hero  geführt.  In  welchem  Process 
der  von  Cleermondt  so  starck  auff  die  Birckmänner  zugesetzt,  dass 
sie  sich  erpotten,  gern  die  Häuser  zu  verlassen,  wann  jhnen  nur  die 
daran  verwandten  Bawkosten  erstattet  würden."  Der  Process  sei  in- 
dessen zuletzt  von  Kyver  gewonnen  und  »Anno  1622.  allererst  contra 
Cleermondt  terminirt  worden."  Kyver  ist  gegen  Ende  des  Jahres  1628 
gestorben. 

Während  Kyver  mit  seiner  Gattin  die  eine  Abtheilung  des  Neu- 
baues bewohnte,  gehörte  die  andere  ihrem  Schwager  und  Bruder  Her- 
mann Birckman.  Von  diesem  findet  sich  die  Erklärung :  „Was  aber 
anlangt  deu  Namen  meiner  Behausung,  nachdem  der  Vatter  seeliger 
das  eine  Hauss  die  güldene  Cron  intituliren  lassen,  bin  IchderMey- 
nung,  ad  dilfereutiam  domuuni  kan  man  dass  meinig  die  Silbere  Cron 
nennen."  Der  Lehenhof  von  Brabant  ist  auf  diese  Neuerung  einge- 
gangen, am  Id.  Januar  1629  hat: 

„Heere  Herman  Birckman,  Doctoir  in  de  Medecinen,  ende  Profesaeor 
Ordinaris  van  Yniuereitet  van  Wirtsbarch . . .  vajt  Crachte  ende  in  ga- 
volghe  van  scbeidunghe  ende  daylioghe  toscbeo  betn   ende  ayne  Medecon- 


IfO 


Baus  dn  Henog«  voo  Bnbut  >■  Sah. 


•offtflo  ffioderen  wj]en  Beeren  TbeocJoricns  Btrckman.  n  in  »jmm  leaMB 
ojrck  Doctoir  xade  Medecjnen,  gemaeckt,  ie  Leene  verlie—  an  wpm  Odb. 
Miqni.  ak  Bertoghe  van  Brabandt.  seecker  Hbjm  atettan  toaMMMrtM« 
geataien  ende  gdegcn  btnaen  der  tootm.  Statt  vaa  Cäia,  gOBaeaipt  S» 
Siltiere  Croone,  commende  metter  einder  sydeo  Oisivaerts  aea  aeoABr 
Uujm  geooemt  deo  Slaet«I,  ende  Westwaert«  tegra  wccker  aadar  Boy« 
vao  deae  goeden  geachejden  ende  geapleeten,  geuueait  d*  galda  Qrooac, 
na  toebehoorende  Jooffrouwe  Margrieten  Kjnen  MoiglM  Dochtcre  «aa 
vjleo  Heere  WjTDolt  Kyoer  Licentiaet  in  de  Recbteo.  ende  Syadicaa  dar 
Tom.  Statt  Cölen ,  ende  wegen  Joa&oowen  Catb&iina  Birckman  oiek 
Docbtere  des  voorat.  wyleo  Theodoriou  lyne  Hnjsarroawe  waa,  mie 
welcke  neeckere  Hoysen  t'sammen  by  den  voorss.  wylen  Doctoir  TbeodoHcBi 
BirckmAn  waereo  getimniert  ende  io  een  gekeert  gebeeten  de  gnlde  Kroo— . 
hebbeode  van  te  Toreo  oick  geweeat  tvee  Hoyaea,  de  eeo  genocmpt  SImt- 
togen  Huyes,  ende  d'  ander  Callenberch  oft  t'  Hayaa  ten  Wjer,  ia  aO  dar 
wegen  ende  mannieren  die  toe  gemeenen  behoeoe  en  indiaia  waerfln,  ta 
Leetie  ontfangen  geweert  op  den  29.  Aprilis  1617,  ende  gelyek  die  ««gna. 
Uoyeingbe  de  Silaere  Croone  daerran  by  middol  als«  Toorse.  geaepareart, 
ende  om  der  disiinctien  wille  soo  genoemt . .  .* 

An  demselben  Tage,  wo  Hermann  Birckman  das  Hans  znr  silber- 
nen Krone  beim  Lehenbofe  empfing,  am  19.  Januar  1629,  geschab  aocfa 
die  Belehnnng  mit  dem  Hause  zur  goldenen  Krone  zu  Gunsten  der 
Margaretha  Kyver  auf  Betreiben  ihrer  Vormünder: 

„in  den  Naem  ende  vao  wegen  Heeren  GasparGsill  van  Magistraata 
Ordre,  Gerewinua  Birckman,  Doctoir  inde  Buchten  ende  Scbepen  vaa  hat 
Keorroratelyck  Oppergericbt  yan  Cölen,  ende  Feieren  Ostermao,  oidr  Doe- 
toir  inde  Recht^en,  als  Testamen telyck  Momboire  Tan  Ju£fronwen  Margreth 
K^Tier  Dochter  wylen  Heere  Wynoldt  Kyner,  in  syuem  leeaen  Licentiaet 
inde  Rechten  ende  Syndic«»  der  vorss.  Stadt,  ende  van  wegen  Joaffroawes 
Catherinen  Birckman  Docbtere  wylen  Heeren  Tbeodoricua  Birckman  Doc- 
toir inde  Medicinen  . .  .  beeft  alldaer  in  dyer  Qoaliteyt  ten  behoeoe  derselner 
Margriete  in  gevolghe  ende  vnyt  Crachte  van  scheydinghe  ende  deylingbe 
tuschen  den  voorss  wylen  Wynolt  Kyuer  inden  Naem  deneluer  synar 
Docbtere  ter  eene,  ende  haere  Ooms  ende  Medeconsoirten  ktoderen  dea 
Toorse.  wylen  Doctoirs  Theodorici  Birckman  ter  anderen  syden  gemaeckt, 
te  Leene  verheuen  an  Syne  Coninckl.  Mayest,  als  Hertogbe  van  Brabandt, 
eeeeker  Hayss  metten  toebeboorten,  geetaen  ende  gelegen  binnen  de  voorai. 
Stadt  Cölen,  genoempt  de  galde  Croone,  commende  metter  eender  zyd« 
Westwaerts  an  het  Hnyas  genoempt  den  Falckenstein,   ende  Oostwaerta  an 


Das  Hru8  Aea  Hertogs  von  Brabant  zu  K51n. 


151 


Beecker  ander  Huyss  trd  dese  goeden  gescheiden  ende  gespleten,  genoempt 
de  Siluere  Croone,  toebehoorende  Heeren  Herman  Birckman  oick  Doctoir 
inde  Medicinen,  ende  Profeasear  Ordinaris  vande  Vnluersitet  van  Wirtaburch, 
ende  welcke  twee  Huyaen  t'sammen  by  den  voorss.  wylen  Doctoir  Theo- 
doricus  Birckman  tyde  syn  getinimert  ende  in  een  gekeert,  geheeten  de 
gnlden  Ci'oone,  hebbende  van  te  voren  oick  gewceat  twee  Haysen,  d'een 
genoempt  S'hertogen  Huyfls,  ende  d'ander  Calleuberch,  offl  t'  üuyss  ten 
Wyer,  in  all  der  wegen  ende  manieren  die  lestmael  by  de  voorss.  Hin- 
deren ßirckmana  ten  gemoiaen  behoeue  Indiuia  wneren  te  Leene  entrangen 
geweest  op  den  xxix,  Aprilis  xvj'^.  ende  seuenthien,  ende  gelick  de  voores 
Buyaingbe  de  gülden  Croone  daervan  in  middel  als  Tore  is  gesepareert  met 
behoodinghe  van  ouden  naem  ..." 

XII. 
Nach  Kyver's,  seines  Schwiegervaters,  Tode  ist  Doctor  Ostcrman 
in  dessen  Wohnung  verblieben  und  hat  durch  ebenso  schlaue  als  dreiste 
Handlungen  sich  den  Alleinbesitz  des  brabantischen  Lehens  zu  sichern 
gesucht.  Gerwin  und  Hermann  Birckman  standen  nicht  in  den  besten 
VerinögensverhältDisscn,  und  letzterer  war  nach  einem  entferDten  Orte 
von  Köln  verzogen ;  dagegen  erfreute  sich  Osterraan  eines  bedeutenden 
Vermögens.  Derselbe  trat  mit  grossen  Geldansprüchen  gegen  die  Fa- 
milie Birckman  auf,  indem  er  behauptete,  dass  sein  Schwiegervater 
Kyver  schwere  Summen  Geldes,  welche  in  dessen  erster  Ehe  gewonnen 
worden,  auf  die  Kronenbiiuser  verwendet  habe,  „vber  die  1000.  Reichs- 
thaler sich  erstreckend'*;  auch  soll  derselbe  bei  der  Theilung  der  Birck- 
man'schen  Erbgüter  im  Jahre  1G26  einen  Geldvorschuss  von  800 
[ Reichstbalern  für  vorgefundene  Schulden  geleistet  haben,  und  nochmals 
[BOO  Reichsthaler  forderte  er  für  die  ihm  von  Kyver  zugesagte,  aber 
angeblich  nicht  ausgelieferte  „Ehestewer,  Inhalts  darüber  aus.sgefertigter 
Schrifftlicher  Heyraths  nutulen."  Namens  seiner  Frau,  der  Tochter 
Kyver's  aus  dessen  erster  PJhe,  forderte  er  über  alle  diese  Punkte  Abrech- 
nung und  behauptete,  dass  dieselben  ,,schweigendthypotheckenstatuirn 
vnd  nachfuhren".  Es  war  ihm,  nach  Hermann  Birckman's  Tode,  am 
17.  December  1635  gelungen,  den  Doctor  der  Rechte  und  des  hohen 
weltlichen  Gerichts  zu  Köln  Schöffen,  Gerwin  Birckman,  zu  veranlassen, 
ihm  seine  Rechte  auf  das  Lehenhaus,  sowohl  seine  eigenen,  als  die 
ihm  vom  Tode  seines  1630  verstorbenen  Bruders  Hermann  zustehenden 
ZQ  Übertragen.  Osterman  beeilte  sich  dann,  beim  I^henbofe  in  Brüssel 
sich  als  nunmehrigen  Lehensmann  zu  präsentiren,  indem  er  daselbst  eine 
Täuschung  dadurch  zu  Stande  brachte,  dass  er  sich  als  den  Schwiegersohn 


1&2 


Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabsut  zu  EöId. 


Kyver's  auswies,  jedoch  den  Taufnamen  seiner  Frau  und  den  wichtigoi 
und  entsclieidenden  Umstand  verschwieg,  dass  dieselbe  nicht  aus  Kyver's 
Ehe  mit  Katharina  Birckman  entsprossen  sei,  was  hingegen  beim  Lehen- 
hofe in  gutem  Glauben  unterstellt  wurde.  Auch  hatte  es  in  seinem 
Plane  gelegen,  schon  lange  vorher  sich  der  spanischen  Regierung  über-, 
aus  dienstfertig  zu  zeigen  und  derselben  Gerechtsame  an  dem  Hause 
zuzuerkennen,  die  von  anderer  Seite  in  der  Folge  entschieden  bestritten 
worden  sind.  Namentlich  räumte  er  den  spanischen  Gesandtschaften 
und  Commissarien  unbedingt  das  Recht  ein,  die  wohnliche  Aufnahme 
in  dem  Hause  jederzeit  fordern  zu  können.  Auchgestattete  er  denselben  über 
dem  Thore  daselbst  das  königlich  spanische  Wappen  anzuschlagen.  Beson- 
ders aber  hatte  er  dem  Cardinal  -  Infant  zu  schmeicheln  gewusst,  als 
dieser  1G34  nach  der  Schlacht  bei  Nördlingen  ein  paar  Tage  in  Köln 
verweilte;  er  hatte  dahin  gearbeitet,  dass  derselbe  für  sich  und  den 
vornehmeren  Theil  seiner  Begleitung  das  Gastrecht  nur  fordern  möge, 
als  sei  das  Haus  ein  hispanisches  Offeuhaus;  er,  Osterman,  erkenne, 
als  Lehensträger,  es  als  seine  Pflicht  an,  die  Aufnahme  unweigerlich 
zu  gestatten.  Der  Infant  kehrte  auch  wirklich  bei  Osterman  ein  und 
nahm  dagegen,  vermittels  einer  förmlichen  Urkunde,  den  Doctor  unter 
seine  Schutzbefohlenen  auf.  Aber  bald  trat  in;dem  Licenciaten  Ketteier 
ein  Mann  hervor,  der  den  Schlichen  und  Anmassungen  des  Doctors 
als  Gegner  gewachsen  war.  Auf  seine  Seite  trat  Doctor  Gerwin  Birck- 
man, der  sich  weigerte,  die  Cession  vom  17.  December  16:35  vor  der 
hrabantischen  Lchenkanimer  in  der  ausgedehnten  Bedeutung,  die  ihr 
Osterman  beigelegt,  anzuerkennen.  Doch  es  würde  nur  ermüdend  sein, 
die  in  item  darauf  erfolgten  Rcchtskampfe  voii|beiden  Seiten  vorgebrachten 
Behau [itungen,  Forderungen,  Anseliuldiguogen  und  Beschimpfungen 
hier  im  Einzelnen  zu  beachten.  Ein  Punkt  aber  darf  nicht  übergaogea 
werden,  da  er  Aufklärung  darüber  bringt,  wie  die  Lehenkammer  von 
Brabant  dazu  kommen  konnte,  in  den  vorhin  mitgetheilten  Investitur- 
briefeu  die  Namen  des  Herzogshausea  und  der  Nebenhäuscr,  sogar  mit 
Einschluss  des  Hauses  Weyer  in  der  grossen  Budengasse,  ineineideo- 
tificirende  Verworrenheit  zu  bringen.  In  den  Eröffnungen,  womit  er 
dieses  Geheimniss  lichtet,  wirft  Osterman  einen  hässlichen  Schatten 
auf  die  Ehrenhaftigkeit  der  Birkman'schen  Familie.  Er  sagt  uns,  dass 
die  Familie  Birckman  einige  brabantische  Lehenhäuser  als  freies  Eigen- 
thum,  ,,ohn  einig  ansuchen  oder  vorwissen  des  Lehnherrn  verkaufft, 
vnd  weilen  kein  Widersprecher  zugegen  gewesen,  die  der  Sachen  betten 
nachforschen  kOnueo,   haben  Sie  die  Lebu-Cammer  leichtlich  persua- 


Da«  Haus  des  Herzogt  von  Brabant  ta  Köln. 

diert,  als  wann  die  zwey  vornembste  Häuser  zur  Cronen  vnd  Callen- 
berg,  ia  ein  Hauss  verbawet,  vmd  dass  neben  Hauss,  so  im  1626.sten 
Jahr  vom  grossen  Hauss  durch  eine  Mauwer  vnderschieden,  vnd  die 
silbere  Cron  genannt  worden,  Callenbergh  gewesen  wehre.  Wohero  dann 
etliche  Häuser  von  mehrgemelten  BIrckmäonern  inscio  domini  feudi, 
verkaufft,  etlicher  Häuser  gruudt  gar  allodia!  gemacht,  vnd  von  den 
zeitlichen  Besitzern  davor  wollen  gehalten  werden.  Welches  dann  ein 
vnuerantwortliche  entziehung,  vnd  gentzliche  abschneidung  der  Priui- 
legien  von  einem  Vasallen  gegen  seinen  Lehnherrn,  vnd  solche  began- 
gene feloni  ist,  desswegen  der  Lehnherr  von  den  Lehndragern  den 
nutzlichen  Besitz  als  ipso  iure  verwirckt  ab-  vnd  zu  sich  ziehen,  Vnd 
ex  noua  gratia  andere  damit  belehnen  vnd  begnadigen  kan,  warzu  sich 
raehrgemelter  Doctor  Osterman  hiebevoren  vnd  noch  alle  tags  vnnd 
stundt  mehr  verdienstlich:  der  Birckmannische  Nahm  und  Stamm 
aber,  so  viel  den  obgenieltenLicenciaten  Kettler  vnd  sein  Hausfrauw  betrifft, 
verlustig  vnd  vnvehig  gemacht."  An  derselben  Stelle  erfährt  man  fer- 
ner, dass  die  ehemalige  Küche  des  Herzogshauses  mit  zwei  anderen 
Nebenhäusem  „weilandt  Margaretheu  Mollen"  verkauft  worden  sei,  die 
dann  im  Jahre  1596  das  jetzt  mit  der  Nr.  24  bezeichnete  ehemalige 
De  Beche'sche  Haus  erbaueu  liess,  „vnnd  sich  dadurch  in  verderbliche 
Sclmldenlast  gesezt";  an  dem  Giebel  dieses  Hauses  ist  noch  jetzt  das 
genannte  Erbauungsjahr  durch  Eiseuklammern  angegeben. 

Ketteier,  dessen  Frau  aus  der  Ehe  des  Syndicus  Kyver  mit  Ca- 
tharina  Birckman  stammte,  blieb  Sieger  in  diesem  Kampfe.  Je  mehr 
man  mit  Osterman's  Treiben  bei  den  Spaniern  und  beim  Lehenbofe 
zu  Brüssel,  insbesondere  aber  mit  den  von  ihm  producirten  und  be- 
zogenen Schriftstücken  bekannt  wurde,  um  so  übler  musste  sich  seine 
Sache  gestalten.  Sowohl  hierdurch  als  durch  sein  überdreistes  Auf- 
treten im  Allgemeinen  gorieth  er  auch  mit  dem  Magistrat  der  Stadt 
Köln  in  schlimme  Händel.  Auf  das  empfindlichste  musste  er  sich  ge- 
troffen fühlen,  als  dieser  letztere  die  Anschuhligungsscbrift  „Crimen 
falsi"  (Nr.  4  im  vorigen  Abschnitt)  dem  Drucke  übergeben  liess.  Auch 
in  dem  Schriftchen  „Gnomen  sincerae  Veritatis"  (Nr.  3)  wird  ihm  mit 
scharfen  Hieben  zu  Leibe  gegangen.  Zur  Zeit  als  die  Schrift  des  Ma- 
gistrats erschien,  gegen  Ende  des  Jahres  1642,  war  Osterman  nicht 
mehr  in  Köln.  Einige  Monate  früher  hatte  er  sich  nach  Mainz  bege- 
ben und  an  den  dortigen  Kurfürsten  eine  Bittschrift  gerichtet,  die  er 
mit  folgendem  Titel  auch  in  Druck  erscheinen  liess: 

„Copeylicher  Abdrück  Der  an  Ihre  Churf.  Gn.  zu  Mäyntz  den 


154 


Das  Hniia  des  Herzogs  vod  Brabant  zu  Köln. 


28.  Martii,  Anno  1642.  vnterthänigst  praesentirter  hochgcmüssigten 
Bitt  Schrifft,  Doctoris  Petri  Ostermanni,  seine  aussgestaudene  in 
der  Statt  Colin  Zehen  Jährige  annoch  continuirende  vnverschuldte 
Verfolgung  an  Leib,  Leben,  Ehr  vrid  Gut,  vnd  vbcr  dass  Jahr, 
vnd  17.  Wochen  aussgestandene  harte  Gefängnuss  betreffend, 
sampt  Beylagen,  sab  Numeris  1.2.  3,  4.  5.  6.  7.  8.  9.  10.  &c. 
Gedrukt  im  Jahr  1642.«  (14  Bl&tter  in  4.) 
In  diesem  merkwürdigen  Schriftchen  lodert  der  ganze  Zorn  des 
hitzköpfigen  Juristen  in  hellen  Flammen  auf.  Seine  Klagen  und 
Schmähungen  ergiessen  sich  in  Satzbildungcn,  für  die  er  kein  Ende  za 
finden  weiss,  üeber  das  was  ihm  in  Köln  widerfahren,  wie  man  ihm 
daselbst  aufgespielt,  erzählt  er  unter  Anderem:  „...seyn  E.  Churf. 
Gn,  sattsamb  berichtet,  welcher  massen  ich  von  zehen  Jahren  her, 
tragender  meiner  Ptlichtschuldigster  Trew  eyfferig  gemeynter  gemein- 
nutziger affection,  vnd  dem  H.  Rom.  Reich,  dessen  Seulen,  vnnd  Glie- 
deren, ohne  vppigen  Ruhm  zu  melden,  auffrichtig  geleisteter  erspriess- 
licher  Dienste  halber,  in  der  Statt  Cülla  an  Leib,  Leben,  Ehr,  Gut, 
ja  alle  demjenigen,  was  mir  in  der  Welt  lieb  sejn  möchte,  verfolget, 
beschwert,  betrübt,  bedruckt,  vnd  gleichsamb  einem  Ballon  dadatiro. 
von  einer  Hand  in  die  andre,  hin  vnd  wieder  geschlagen,  an  Leib  vnd 
Gut  ohnwiederbringlich  damnificirt,  auss  der  Königlichen  Hispanischen, 
kaufflich,  solutione  jusli  pretij  praevia,  k  veris  titulatis  possessoribus 
(anderwerter  meines  daran  habenden,  vnd  per  scntentiam  in  Curia 
feudali  Bruxellis  in  Contradictorio  latam,  erlangten  gerechtsamb  zu 
geschweigen)  an  mich  brachter  Erblicher  iinraunitet,  gewaltsarab, 
mit  enthlüstem  Gewehr  vnnd  WaflFen,  durch  mehr  als  zwantzig  darzu 
commandirte  Soldaten  vnd  Personen,  in  nechst  verrücktem  1<>40.  Jahr 
den  19.  Octobris  herauss  gezogen,  inniittelst  eine  hohe  Stiege  herunter 
geworft'en,  vber  die  Gassen  in  männiglichs  Ansehen,  wie  einen  ärgster 
Maleficant,  vor  vnd  nach  zu  zweu  verscheidenen  schmählichen  Thum- 
hafften  Weg  geschleppet,  darin  mit  gewaffneter  Hand  gestecket,  Tag 
vnd  Nacht,  anfangs  mit  einer  ziemlicher  anzahl  Kriegs  Knechten 
bewachet,  dem  Chur-CöUnischen  Graff  vnd  Schöpffen  daselbsten  fol- 
gents  ans  Peinlich  Hals-Gericht  gelieffert,  davon  eingewendter  erheb- 
liclier  Einreden  ratione  incompetentiae  vnd  von  Römischen  Käyser, 
Königen  vnd  ander  vornembsten  Potentaten  der  gantzen  Christenheit, 
benentlich  der  in  GOTT  nunmehr  ruhender  Ertz  Hoch-Fürstl.  Durchl. 
weilandt  Cardinaln  Infantis  Christseligsten  Andenckens,  vnd  E.  Churf. 
Gn,  Selbsten,  vnterthänigst  erlangter  hoch   verpeenter,  protectorialen, 


Db8  Haas  des  Herzog«  tod  Brabant  zn  Köln. 


155 


Schutz,  Schirm,  Pass-Brieff,  mehr  als  zehenmal  ihnen  in  original!  ver- 
küodter  Kays.  VDd  Köuigl.  sub  Numeris,  1.  2.  3.  4.  5.  6.  7.  8.  9.  10. 
vnd  11.  etc.  zu  Endt  annectirter  Cof^nitional  Ends  Bescheider,  vnd  drauff 
gegründter  vnterschiedlicher  Cümmissionen  oho  verhindert,  mit  gewalt- 
[thatiger  Anbetrohung  der  scharffer  peinlicher  Fragen,  auff  den  Wiede- 
Tungs-Fall,  vnnd  zum  fünfften  mahl  vnter  Augenstellung  dess  Nach- 
richters vnd  scißes  Dieners,  mit  den  bey  sich  habenden  tortural  instru- 
menten,  defacto  zur  vnverschuldten  vnd  ohne  vorhergehende  redliche 
vnd  gebührende  communication  einiger  Inz[chteu  widerrechtlichen  in- 
quisition,  mehr  als  zwautzig  mahln  gezogen,  fütiffmahln  durch  jhro 
Richter  Botten  in  enge  Eysen  Handbande,  usque  ad  emissiooem  san- 
guinis, gci^chlagen  vnd  gespannen,  dabeneben  in  ein  weissgekälcktes, 
vngesundes,  zwölflF  Fuss  hoche  vnd  so  weit  in  die  lenge  vnd  breit 
beschaffnes  Gewülb,  vnd  Spränger,  darinn  vor  diesem  offenbare  Zauberer, 
Diebe,  Mörder,  vnnd  andere  Malefitz  Personen  verstrickt  gewesen, 
ohne  Verstattung  einiges  Menschen  Zugangs,  Geistlichen  Trosts,  auch 
Bücher,  naturhcher,  jedermanniglichen,  etiam  diabolo  erkubter  defension, 
auch  darzu  nothwendiger  Feder  vnd  Dienten,  vber  ein  Jahr  vnnd 
siebenzehen  Wochen,  indicta  causa,  exemplo  illecto^  et  inaudito,  zu 
mahln  barbarisch  aufFgehsilten ,  meinem  Weib  gleichfals,  vnib  deren 
den  Weg  zum  Kays.  Thron  vnnd  E.  Churf,  Gn.  Hoffstatt  zu  versperren, 
so  dann  alle  correspondentz  zu  benemmen,  gleicher  massen  mit  Gewalts 
Dienern  vnd  gewuffneten  Soldaten  nachgestellt,  vnd  bey  nachtlicher 
Weil  in  besagte  Hispanische  immunitet,  darinn  ich  dieselbe,  sampt 
meinen  Kindern,  ad  continuendam  posscssionem  auff  vorhergehende 
Genembhaltuag  deas  Hispfinischen  Abgeordneten,  Conte  de  Zapata, 
verlassen,  wie  wol  vergeblich  eingefallen,  mein  zwölfjährigen  aintzigen 
Sohn  mit  Gewalt,  per  plagium  et  furtum  liberi  hominis,  wider  meinen 
vnd  seinen  Willen  auffgefangen,  geraubt,  an  zwen  oder  drey  Orther 
entführt,  am  rechtem  Auge  mit  verlust  seines  Gesichts  verletzt,  den- 
selben mir  vnnd  jhnie  Todfeinden,  vnd  vnserer  rechtmässig  anererbten 
vnd  sousten  acquirirter  Verlassenschafft  bey  vnserer  beeden  Leben 
more  vulturum  nachstrebenden  Vormunderen  vntcrgeben,  von  welchen 
er,  wie  dann  auch  mein  von  Mäyntz  ohnlengst  hienunder  gefertigter 
.Bruder,  ein  Zeitlang,  dieser  mein  Sohn  aber  daselbsten  annoch  in 
Arresto  auffgehalten  wird,  vnd  keineswegs  auss  Colin  aus.sgefolgt 
werden  will,  alle  vnd  jede  meine  vnd  meines  Weibs  zustehende  mobi- 
lien,  bare  Gelter,  vngefehr  8000  Reichsthaler  in  specie,  gantze  Bib- 
liotheck,  darunter,   secundum  affectionera  meam  vnschatzbare  manu- 


166 


Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  EÖln, 


scripta  vnnd  Schrifften,  daran  dem  gemeinen  Wesen  nit  wenig  gelegen, 
gleichfals  durch  jhrc  apparitores  ohne  einige  Vrsach  zu  sich  genommen 
Ynd  annoch  hindcr  sich  gehalten,  theils  zu  dess  CöUnischen  Statt  R&hts 
Renth  Caiiimer  transferirt,  alle  vnd  jede  vbrige  meine  immobiliai 
Rentheo,  Gülten  vnd  Gefälle  dabeneben  in  Zuschlag  gelegt  haben, 
anderer  vnsäglichcr  Enorm iteten  vor  diessmal  geliebter  kürtze  halber 
zu  geschweigen."  Nach  dieser  haarsträubenden  Jeremiade  richtet  er 
dann  ein  ganzes  Heer  von  lateinischen  Schmähwörtern,  welche  von 
den  Gesetzen  bezeichnete  Verbrechen  nennen,  gegen  seine  drei  Schwüger 
„Licentiat  Henrichen  Kettlern,  Diederich  Hensen  vnd  Abraham  Kreyen"; 
die  beiden  letztgenannten  gehörten  dem  Kaufmannstande  an»  und 
Osterman  bittet  den  Kurfürsten,  dass  die  bereits  nach  Lahnstcin 
erlassenen  Befehle  „wegen  leiblichen  Arrests  anlegung  so  wol  zu  Land 
als  Wasser,  nit  allein  dess  Abraham  Kreyen,  sondern  auch  Diedlerich 
Hensen  bey  herziinahcnder  Franckfurter  Fasten  Mes3  renouirt  vnd 
geschärflft  würden."  Die  Bittschrift  ist  aus  „Mäyntz"  datirt.  Einige 
Jahre  später  findet  man  Os-terman  in  Wien.  Hier  gab  er  ein  Werk 
in  4.  heraus:  Petrl  Ostermanni  JC.  Germani  &c.  BIFIDA  CLAVIS  et 
AVIS...  Viennae  Simiptibus  Michaelis  Rieger  1644,  mit  einer  Zueig- 
nuDgsscbrift  an  Papst  Innocenz  X.,  datirt:  Viennae  Austriae,  21.  Octo- 
bris  Anno  M.DC.XLIV.  Unter  den  einleitenden  Schriftstücken  befindet 
sich  eine  an  Kaiser  Ferdinand  HI.  gerichtete :  Humiliima  Relatio  super 
captivitate  sesquiennali,  &  Passione  mei  Doctoris  Petri  Ostermanni, 
in  Colonia,  exantlata,  hinc  niorae  purgatiu,  &  votiva  oblatiü,  vier  und 
einen  halben  Bogen  einnehmend.  Auch  hier  fehlt  es  nicht  an  Aus- 
brüchen brausender  Heftigkeit.  Bevor  wir  von  diesem  Manne  Abschied 
nehmen,  den  wir  an  dieser  Stelle  in  einem  für  ihn  so  schmachvoll 
beendeten  Hader  kennen  lernten,  dürfte  es  die  Gerechtigkeit  erfordern, 
auch  die  vortheilhaftere  Seite  desselben  zur  Sprache  zu  bringen.  Er 
war  ein  namhafter  Jurist  seiner  Zeit,  der  in  dieser  Eigenschaft  sowohl 
vom  Kaiser  als  vom  Kurfürsten  von  Mainz  mit  Auszeichnungen  beehrt 
worden.  Die  kölner  Universität  zog  ihn  als  Lehrer  der  Rechtswissea^ 
Schaft  heran,  und  bei  Hartzheim  (Biblioth,  Colon.  278)  sind  zwei 
Werke  verzeichnet,  welche  er  1631  und  1632  bei  Peter  von  Bracbel 
daselbst  in  Druck  erscheinen  liess.  Hartzheim  führt  ihn  mit  folgenden 
Prädicaten  auf:  juris  utriusque  Doctor,  Coüegii  juridici  Dictator  in 
Universitate  Coloniensi,  sacrae  Caesareae  Majestatis  Imperialis  Aulicus, 
ac  Eminentissimi  Archi-Episcopi  et  Electoris  Moguntini  secretior  Consi- 
liarius.    Zweimal  wurde  sein  Bildniss  in  Kupfer  gestochen.    Das  ältere 


DaB  Hana  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


157 


Blatt  ist  von  Sebastian  Furck  nach  dem  Leben  ausgeführt  und  stellt 
ihn  im  siebenundvierzigsten  AUersjaiire  dar.  Es  ist  der  eben  ange- 
führten, 1644  in  Wien  erschienenen  Schrift  beigegeben.  Das  andere 
findet  man  in  Boissard's  Bibliotheca  Chalcographica  mit  dem  Doppelvers: 
„Si  facies  animi  dütes  ostendlt  in  ullo, 
Virtus  hoc  docta  est  picta  et  in  aere  gravis." 
XI U. 
Die  Ketteler'scbe  Gegenschrift  von  1641  zeichnet  sich  gegen  die 
leidenschaftlichen  und  rabulistisch-frechen  Ausbrüche  Osterman's  durch 
scharfsinnige  Erürteruogen  in  würdiger,  massvoller  Sprache  vorthcilhaft 
aus.  Ihr  eigentlicher  Verfasser  ist  Doctor  Franz  Adam  Herestorfl,  der 
sich  am  Schlüsse  nennt,  und  den  von  ihm  entwickelten  Ansichten  treten 
fünf  andere  namhafte  külner  Juristen  in  besonderen  Erklärungen 
zustimmend  bei,  nämlich  der  Doctor  beider  Rechte  Melchior  von 
Hittorp,  Doctor  Johannes  Hastus,  Johann  Peter  Quentel,  beider  Rechte 
Doctor,  Doctor  Gerwin  Meinertzhagen  und  der  Licentiat  beider  Rechte 
Peter  Maes.  Der  Kampf  mit  Ostennan  tritt  in  dieser  Schrift  in  den 
Hintergrund;  schon  vor  einem  Jahre  war  die  drastische  Scene  vorge- 
fallen, dass  ihn  die  bewaflfnete  Macht  die  Treppe  des  Hauses  hinunter 
geworfen  und  in  einen  der  Stadtthürrae  gebracht  hatte,  wo  er  1041 
noch  in  Gefangenschaft  sass.  In  personlicher  Beziehung  wird  er  kurz- 
weg als  „aedis  maioris  nudus  inquilinus  et  conductor,  de  caetero  quo 
ad  has  aedes  plane  extraneus*'  bezeichnet.  Der  Hauptzweck  des 
Schriftchens  geht  dahin,  die  Ansprüche  der  Spanier,  die  Einräumungen, 
welche  in  schlauer  Absicht  Osterman  denselben  gestattet  hatte,  als 
unberechtigt  nachzuweisen  —  Einräumungen,  wonach  die  Besitzung  ein 
Offenhaus  der  jedesmaligen  Herrseher  über  Brabant,  also  damals  der 
Krone  von  Spanien,  sein  würde.  Zur  Beseitigung  aller  derartigen 
Anforderungen  werden  acht  Fragesätze  aufgestellt,  und  jedem  derselben 
ist  alsdann  eine  gründliche  Resolution  gewidmet.  Wir  wollen  uns 
darauf  beschränken,  einige  historische  Aufschlüsse  daraus  zu  gewinnen. 
Besonders  interessant  ist  die  Mittheilung,  dass  im  Jahre  1357 
Constantin  von  Lyskirchen  und  Johann  von  Rostock  (Roidestock  ist 
die  richtigere  Schreibweise)  die  Leheusträger  oder  Vasallen  des  Herzogs 
von  Brabant  in  Köln  gewesen  seien.  Sie  waren  also  die  Nachfolger 
der  Ritter  Johann  und  Heinrich  Quattermart,  die  wir  bereits  vorhin 
(Abschnitt  VU)  in  gleicher  Eigenschaft  aus  dem  Jahre  1336  kennen 
lernten.  Die  Lyskirchen  und  Rostock  sollen  bei  der  Belehnung  im 
Jahre  1357  ein  ßeversale  aufgestellt  haben,  worin  sie  die  Verpflichtung 


168 


Dm  Haus  des  Herzogs  von  Brab&nt  zu  Köln. 


Übernahmen,  wann  immerhin  die  Herzoge  von  Brabant  oder  ihre 
Gesandten  nach  Küln  kommen  würden,  nicht  nur  dieselben  in  den 
Lehenhäusern  als  Gäste  aufzunehmen,  sondern  auch  allen  nöthigen 
Hausrath  anzuschaffen  und  herzugeben.  Kin  solches  Reversale  scheint 
indessen  nur  der  Tradition  entnommen  gewesen  zu  sein,  niemand  war 
im  Stande,  es  vorzuzeigen;  ,^hoc  supposito,  non  concesso"  sagt  daher 
auch  mit  gehtiriger  Vorsicht  das  Schriftchen,  indem  es  dagegen  an- 
kämpft. Indem  wir  aber  hier  zu  dem  Namen  der  von  Lyskirchen, 
und  zwar  zu  Consta  nun  von  Lyskirchen  aus  dem  Jahre  1357  geführt 
werden,  erhalten  wir  eine  ganz  andere,  erwünschte  Äulklärung.  Dieser 
Constantin,  oder  nach  alter  Schreibweise  Costyn  von  Lyskirchen,  ver- 
heirathet  mit  Elisabeth  von  Cuesyn,  war  Greve  (comes)  von  Overs- 
burg  oder  Airsbach  in  Köln').  Er  bat  als  brabantischer  Lebensraann 
das  Herzogshaus  bewohnt  und  daher  hat  das  Haus  im  Munde  des 
Volkes  noch  lange  nachher  den  Namen  „Costyn' s  Grevenhaus"  behalten, 
mit  welchem  es  noch  1491)  unserem  alten  Chronikschreiber  bekannt 
wurde.  Seine  Wittwe  Elisabeth  ist  im  Jahre  1402  auch  an  die  beiden 
Hufen  Ackerlandes  im  St.  Severinsfelde  zu  Lehen  geschrieben  worden*) 
deren  Uebergang  an  die  Fürsten  von  Luxemburg  und  Brabant  1351 
und  1361  vorhin  (Abschnitt  VIII)  aus  den  Schreinsbüchern  berichtet 
worden  ist  Ausser  diesem  angeblichen  Reversale  von  1357  wurden 
von  spanischer  Seite  ganz  besonders  die  Angaben  der  Koelhof  sehen 
Chronik  als  eine  offenkundige  Anerkennung  des  bestehenden  Gast- 
rechtes hervorgehoben.  Die  Kettcler'sche  Schrift  wird  dadurch  zu 
einem  Urtheilsspruche  über  dieses  berühmte  Buch  veranlasst,  der  jedoch 
keineswegs  vortheilhuft  ausfällt.  Sie  bemerkt,  dass  es  den  mit  der 
Geschichte  ihrer  Vaterstadt  vertrauten  Kölnern  wohl  bekannt  sei,  wie 
diesem  Buche  in  sehr  vielen  Fällen  die  Glaubwürdigkeit  mangele,  wie 
es  mit  Lügen,  Possen,  lächerlichen  und  altweibischen  Erdichtungen 
(„anilia  figmenta")  reichlichst  durchwebt  sei,  und  wie  in  demselben  ja 
auch  das  frivole  Märchen  von  der  Päpstin  Johanna  und  ihrer  Nieder- 
kunft Aufnahme  gefunden  habe;  seiner  Unwahrhaftigkeit  wegen  sei 
das  Buch  nicht  nur  vom  kölnischen  Senate  verboten,  sondern  auch  vom 
römischen  Hofe  zur  öffentlichen  Verbrennung  verurtheilt  worden.  Einen 
grossen  Nachdruck  legt  die  Ketteler'sche  Schrift  ferner  auf  den  Umstand, 
dass  die  Familie  Birckman  die  Neubauten  auf  ihre  eigenen  und  allei- 


1)  Fahne,  Gesch.  d.  Köln.  cto.  Geschlechter,  LS. 263. 

2)  Glasen,  Sohreinspraxis,  S.  64. 


Das  Baus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


169 


nigen  Kosten  habe  ausführen  lassen,  und  will  daraus  folgern,  dass  ein 
Gastrecht,  wenn  es  selbst  für  den  alten,  von  den  Herzogen  als  Lehens- 
herren hergegebenen  Bau  bestanden  hätte,  unter  so  wesentlich  verän- 
derten Verhältnissen  nothwendig  in  Wegfall  kommen  müsse.  Ob  es 
Ketteier  nunmthr  gelungen,  den  Grafen  von  Zapura  aus  dem  Herzogs- 
hause, das  von  demselben  und  den  übrigen  zur  spanischen  Gesandt- 
schaft gehörigen  Personen  schon  seit  fünf  Jahren  bewohnt  wurde,  zu 
verdrängen,  erfahren  wir  aus  den  vorberühi'ten  Streitschriften  nicht. 
Wir  sehen  nur,  dass  der  Licentiat  Heinrich  Ketteier  als  Lehensträger 
anerkannt  worden.  Das  Haupthaus,  die  goldene  Krone,  war  seiner 
Frau,  wie  wir  vorhin  (Abschnitt  XJ)  erfuhren,  auf  Betreiben  ihrer 
damaligen  Vormünder  bereits  im  Jahre  1629  beim  Lehenhofe  zuerkannt 
woi'den;  „am  L  April  105L  hat  Margaretha  Kyvers,  Wittib  weiland 
Henricus  Kettelers,  auf  Tod  Hermanni  Bircknian  auch  das  Haus  zur 
silbern  Kronen  in  Belohnung  bekommen,  zahlend  58  gl.  8  stbr."  So 
lautet  eine  alte  Familiennotiz,  mit  Berufung  auf  die  ßelehnungs- 
urkunde. 

Am  22.  Juni  1678  haben  dann  Anna  Margaretha,  Clara  Maria, 
[aria  Margaretha  uud  Sophia  Cutharina  Kctteler,  als  Kinder  der 
'Eheleute  Heinrich  Ketteier  und  Margaretha  Kyver,  das  Lehen  erlangt; 
sie  hatten  Uü  Gulden  und  4  Stüber  dafür  in  Brüssel  zu  erlegen. 
Sophia  Catharina,  (Jie  jüngste  der  vier  Schwestern,  verheirathete  sich 
mit  Johann  0 verbeck,  dem  sie  drei  Kinder  gebar:  Ferdinand  Anton, 
Maria  Magdalena  und  Margaretha  Christina  Overbeck;  diese  wurden 
am  13.  December  1727  nach  dem  Tode  ihrer  Muhme  Anna  Margaretha 
Ketteier,  der  letzten  der  vier  Lehenfrauen,  „iudivisiin  oder  ungetheilt" 
vom  souverainen  Hufe  iu  Brüssel  belehnt  und  hatten  einen  gleichen 
Kostenbetrag  zu  entrichten.  Die  vorgenannte  „Juffer  Margaretha 
Christina  Overbeck"  starb  als  letzte  Lehenträgerin  aus  ihrer  Familie 
am  21.  Januar  1748.  Sie  sowohl  als  ihi'e  nächsten  Vorgänger  hatten 
die  Instandhaltung  der  Kroueuhäuser  gänzlich  vernachlässigt  und  die- 
selben dem  Verfalle  preisgegeben.  Der  bei  weitem  grössere  Theil  der 
Räumlichkeiten  wurde  als  Standquartier  für  die  kaiserlichen  Werbe- 
Offiziere  benutzt.  Bei  einer  solchen  Bestimmung  kann  es  freilich  kaum 
befremden,  wenn  der  Birckman'sche  Neubau  nach  anderthalb  Jahr- 
hundert schon  wieder  in  einen  ruinenarttgeu  Zustand  geratheo  war. 

XIV. 
Das  Testament   der  Juffer  Overbeck   setzte  zum  Erben   dieser 
Besitzung  einen  geschätzten  und  wohlhabenden  hiesigen  Rechtsgelehrtea 


160 


Du  H»iu  dei  Herzog«  von  Brabant  cn  Köls. 


ein,  deo  aus  Westphalen  sUmroenden  Licentiaten  beider  Rechte  Theodor 
Burghard  Bartroan,  ein  ausgezeichnetes  Mitglied  der  kölner  üDhrenitit 
und  vorzugsweise  gesuchter  Sachwalter  in  Angelegenheiten,  die  vor  die 
Rota  Romana  gehörten.  Am  29.  M-arz  1748  verschftflte  er  sich  die 
Investitur  beim  brabantischen  Lehenhofe  in  HrttaeeL 

In  Bartman's  erstem  Plane  lag  der  Verkauf  der  ererbten  LtegeBf> 
Schaft,  um  so  mehr,  weil  das  Testament  ihn  mit  der  Beatreitag 
mehrerer  Legate  belastet  hatte.  Eine  damals  in  Köln  emStnnmm 
Zeitung:  ^^Eilfertiger  Welt-  und  Staats  Both  Mitwoch  den  7.  Aogustus 
1748.  Nam.  XCV."  hat  auf  der  letzten  Seite  folgende  Anzeige: 
,.NB.  Kund  seye  hiemit,  dass  die  dahier  binnen  Colin  am  Hof  ohn 
weit  der  Hohen  Thum-Kirchen  wohlgelegcne  Weyland  der  Jufferen 
Mariae  Christinae  0 verbeck  SeeL  zuständig  gewesene,  vor  diesen  das 
Herzogen,  u.  Caldenborchs-Hauss,  nun  aber  zur  Silber-  u.  Güldene 
Crone  benennte,  mit  weitwendigen  Gewölbten  Kelleren,  Stein-Weeg, 
Grass-Platz  und  Garten  versehene,  zum  Brabändischen  Lehn-Recht 
gehörige,  im  übrigen  unbeschwerte  Behausnnge  vorm  End  Augusti  des 
laoffenden  1748.  Jahrs  mit  Vorbehalt  des  Lehns-Verthäligonge,  dem 
Melslbietheuden  verkauft  werden  solle.  Die  darzu  Lust  tragende 
können  sich  beym  Hn.  Licentiaten  und  Professoren  Bartman  in  der 
Bürger- Strassen  nahe  beym  Raths-Hauss  anmelden."  Dieser  Verkaufs- 
Versuch  blieb  ohne  Resultat,  und  Bartman  ging  zu  einem  anderen 
Gedanken  über;  er  liess  die  verfallenen  Gebäulichkeiten  niederlegen 
und  beauftragte  den  tüchtigen  kölner  Architekten  Christian  Krakamp ') 
mit  dem  Entwürfe  eines  stattlichen  und  geechmackvoUen  Neubaues 
in  dem  damals  sehr  beliebten  Style  des  Franzosen  Mansard.  1752  war 
die  Ausfuhrung  beendet;  über  dem  Balconfenster  in  der  Mitte  des 
neuen  Bauwerkes  wurde  die  Jahreszahl  „AO.  1752.'*  in  Stein  gehauen. 
Auch  zeigten  sich  an  dem  Giebel  zwei  Schildchen,  welche  die  früheren 
Namen  „Zur  goldenen  Krone"  und  „Zur  silbernen  Krone"  übertrugen; 
die  steinernen  Statuen  zweier  Heiligen,  St  Donatus  und  St.  Agatha, 
waren  ebenfalls  daran  aufgestellt  Rheinwärts  war  der  kleinere  Theil 
des  Gebäudes  zu  einer  besonderen  Wohnung  abgetrennt,  welche  durch 


1)  E reu 8 er  (Dreiköalgeobucb,  S.  93)  Denoi  den  Dombaameister  Kj-akamp, 
der  die  Vomamea  Heinrich  Nioolaas  führte  and  1815  in  seinem  78.  Lebensjahre 
starb  —  also  im  Jahre  1752  erst  15  Jahre  alt  war  —  als  Erbauer.  Der  obige 
Christian  Kr.  fehlt  in  meinen  Nachrichten  von  Kölnischen  Künstlern,  da  ich  erst 
späterhin  genauere  MittheilaDgeo  über  die  vielen  Künstler  aua  dem  Baofaohe, 
welche  die  Krakamp^sche  Familie  anfsuweiaen  hat,  empfangen  hebe. 


Dm  Haus  des  Rerzogn  von  Brabant  ca  Köln. 


161 


die  silberne  Krone  repräsentirt  ward.  Das  Haus  trug  daher  auch 
zwei  NummerD,  und  zwar  in  dem  gedruckten  „Adresse-Kalender"  von 
1797  die  Nrn.  2119  und  2120,  welche  nach  der  neueren  Numerirung 
gegenwärtig  in  20  und  22  umgewandelt  sind.  Der  Bau  war  so  kost- 
spielig geworden,  dass  Bartman  schon  die  Absicht  fahren  lassen  wollte, 
ihn  für  sich  zu  behalten  und  selbst  zu  beziehen.  Wirklich  eröffneten 
sich  ihm,  durch  seine  Verbindungen  in  Rom,  gute  Aussichten,  denselben 
als  Sitz  der  hiesigen  päpstlichen  Nunciatar  mit  Vortheil  verwerthen 
zu  können;  allein  die  Unterhandlungen  zerschlugen  sich,  der  Nuncius 
behielt  seine  Residenz  im  Carnieliter- Kloster  auf  dem  Waidmarktc,  und 
das  neugebaute  Kronenhaus  wurde  Bartman'scber  Familiensitz.  Doctor 
Theodor  Burghard  Hartman')  starb,  als  der  jurirljschen  Facultät 
ältester  Professor  und  Decan,  am  23.  Februar  1786  im  Alter  von 
sechsundsiebenzig  Jahren.  Fir  hinterliess  aus  seiner  Khe  mit  Elisabeth 
Theresia  Veldens  (f  am  25.  September  1788  im  75.  Altersjahre)  drei 
Söhne  und  zwei  Töchter.  Diese  fünf  Kinder  erhielten  am  2.  Mai  1786 
die  letzte  Belehnung  in  Brüssel.  Hier  die  betreffende  Urkunde  nach 
dem  Originale: 

„Op  heden  den  tweeden  Mey  Seventhieu  hondert  Sesentacheotigh  voor 
ende  ten  Overataeu  van  Mher  Amour  Joseph  Taye  Marquis  van  Wemmel 
Grave  van  Mnrquette  ende  van  t'  (leyligh  Ryck  beere  van  Neuwe  Rue 
Witterzee  Assonville  ende  Wayaoul  Erffelycken  Standaert  Draeger  van  t' 
Hertoghdom  van  Brabant  actueleu  Chambellan  van  ayne  Keyserlycke  ende 
Conincklycke  Majesteyt  Lidtmaet  der  Heeren  Staeton  van  Ilrabant  als 
Stadthouder  van  den  Soaverynen  Leenhove  dereelve  Provincie  ende  in  de 
presentid  van  de  Leenmannen  naergenoemt  te  weten  Joannes  Baptista 
Aogustinus  SaeJden  ende  Franciscus  AdriaaiiB  Jacops  Comparerende  den 
Procureur  Engelbertus  Godhia  als  geconstitueerden  door  Maria  Anna  Ger- 
trndis  Bartman,  Theodor  Herman  Joseph  Hartman,  Licentiaet  in  byde  de 
Rechten  ende  Raedt  der  Vry  Stadt  van  Colen,  Maria  Helena  Xaveria 
Bartman,  Franciacua  Josephna  Arnold  Bartman  Schepenen  van  de  hooge 
ende  Criminele  Juaticie  van  ayne  Doorluchtighate  Keurvorstelycke  Hoogheydt 
van  Colen  ende  Everhard  Joaeph  Anton  Bartman  Raedt  der  vry  ende  Key 
aerlycke  Stadt  van  Colen  ingevoJge  hunne  procuratie  gegeven  binnen  de 
voorschreve  Stadt  Colen  den  SeBentwintighsten  Meert  van  desen  jaere 
1700  Seaentachentigh  ende  becragtight  met  htm  caobet  geprint  in  rooden 
Uck,  heeft  in  die  qualiteyt  te  Leene  verbevan    in   den  naem   ende  ten  be- 


1)  Die  FrofeMur  hatte  er  als  Lioentiai  angetreten,  später  erlangte  er  die 
Wfirde  des  Doctorats. 

U 


162 


Das  Haus  des  Herzogs  von  Brabant  zu  KöLa. 


.     118 

n 
n 

0 

11 

16 

17 

B 

14 

5 

n 

18 

1 

n 

12 

1 

n 

10 

hoeve  indivies  van  syne  voorschrove  conetituanten  by  doode  Tsn  d'  beer 
Theodoraa  Burchardas  Hartman  Liceotiaet  in  beyde  de  Rechten  eode  Pro- 
fessor ordinaris  der  antversiteyt  van  Colen,  Die  Baysingea  gelegeo  binnen 
Coleti  voorschreven,  eertydts  genoetnt  S'  Hertogen  Hays  ende  hei  Huya 
Caldenborch,  ende  als  du  die  Silvere  ende  goade  Crooae  met  allei  busno 
toebeboorten  ende  prerogativeo  ten  Brabantschea  Leenreohte,  soo  eada 
gelyck  de  Selve  by  Donatio  van  «ylen  hooghgedachten  Wencesiaas  vnda 
Joanna  Ilertoginne  vaa  Brabant  eyn  uytgegeven,  ende  oock  vereenight 
geweest  ten  Brabantsuben  Rechte  by  wylen  oock  booghgedachten  Antonius 
Hertogh  van  ßrabant  by  Brieven  van  den  negenentwintighsten  October 
viertbien  hondert  acht  dan  sedertby  partagie  van  eenige  besitterB  der  seine 
gpspletcn  in  twee  volle  Leenen,  ßetalende  voor  t'  faergewyde  a  rate  vaa  de 
twee  volle  Leenen  voorschreve,  hondert  eenen  gülden  wisselgeldt  makeode 
courant    

j  voor  do  Majesteyt  . 

I  Stadthouder 

Cameriiricx  Recht  |  Greffier 

1  Leenmannen 

'  Acte      .     . 

Doeade  den  voornoemdea  Comparant  ten  respact  van  dien  in  den  naem 
eode  ten  behoeve  als  vorea  aen  syne  Eeysorlycke  ende  Coniocklycke  Maje- 
steyt als  Hertogh  van  Brubant  in  banden  des  voorschreven  Heere  Stadt- 
houders  halde  manschap  ende  Eedt  van  trouwe  ende  olle  andern  devoiren 
ende  dteusten  in  sulcken  cas  gerequireert  ende  van  oudte  geploghen  Nomt- 
nirende  voor  Sterfraan  d'  beer  Franciscus  Josephua  Bartman  Scbcpene  vaa 
d'  hoogbe  ende  CrimiDele  Josticie  van  syno  doorlugtigate  Keurvoratelycke 
Hoogheyt  van  Coten  oudt  viercndcvtigh  Jaeren  woonende  in  t^  voora:  bnya 
Aldus  Godaen  ende  gepasseert  binnen  de  Stadt  Brüssel  ten  daegbe  maende 
Jaere  ten  overstaen  ende  in  de  presentie  als  Boven. 

(gez.)  J:  J:  R:  van  Coeckelbergh." 
Zwei  der  Söhne,  die  befde  unvereht-licht  geblieben  siod,  haben 
das  elterliche  Haus  genidosam  bis  zu  ihrem  Lebeosende  bewohnt. 
Theodur  Hermann  Joseph,  der  älteste,  ist  auf  seinem  Todtenzettel  als 
„der  vormaligen  Juridischen  Facultät  Licentiat  und  des  Reichsstadt- 
kölnischen Senats  Mitglied  vom  ersten  Range"  genannt  *J;  er  starb, 
siebenuodsiebenzig  Jahre  alt,  am  17.  Februar  1825.  Everhard  Joseph 
Anton,  sein  Hausgenosse,  war  der  jüngste  der  drei  Brüder ;   er  starb 

])  Er  war  Gebrechs-  oder  Gebrauchsberr.  Diese  nannte  man  die  vor- 
nehmen Ratbsherrea ;  sie  wurden  nicht  von  den  Zünften,  sondern  von  den  Zunft- 
Rathsfaerren  sar  Ergänzang  de«  Senats  gew&blt. 


Das  Haas  dea  Herzogs  von  Brabant  zu  Köln. 


168 


am  29.  Januar  1833  im  siebeniindsiebenzigsten  Jahre  seines  Alters  und 
war  Bannerherr  uod  Uathsverwandter  der  ehemaligeD  Ritterzuuft 
Eisennifirkt  gewesen.  Die  beiden  Brilder  hinterliessen  eine  reichhaltige 
und  weithvoUe  Bibliothek,  welche  bald  nach  des  Letztleben<len  Tüde 
in  dem  Sterbchause  unter  Leitung  des  Antiquars  J.  M.  Heberle  der 
öffentlichen  Versteigerung  übergeben  WDrden  ist*).  Der  dritte  der 
Brüder  Hartman,  Franz  Kavier  Josei)h  Arnold,  war  nicht  weniger  ein 
Mann  von  ausgezeichneter  Stellung;  er  ist  SchüfFc  des  ehemaligen 
hohen  Gerichts,  später  Stadtruth,  Schulverwaltungsrath  und  Kirch- 
meister zu  St.  Alban  gewesen,  in  welcher  Pfarre  er  auf  dem  lleu- 
markte  seine  Wohnung  hatte.  Ära  24.  Juni  1833  hat  er,  im  neun- 
undsiebenzigsten  Jahre  seines  Alters,  sein  Leben  beschlossen.  Seine 
Kin<ier  aus  der  Ehe  mit  Maria  Elisabeth  Lyversberg  wuideu  auch  die 
Erben  des  von  den  Oheimen  hinterlassenen  Kronenhauses  am  Hofe; 
dieses  Haus  haben  sie  jedoch  nicht  selbst  beziehen  wollen,  sondern  sie 
gaben  es  längere  Zeit  hindurch  in  Miethe.  In  den  1850er  Jahren  hatten 
die  Wirthe  J.  H.  Haiin  und  Joseph  Kleff  nacheinander  hier  ihre  Eta- 
blissements, für  welche  sie  die  alte  geschichtliche  Erinnerung  mit  dem 
Namen  ,.Hof  von  Brabant"  wieder  herstellten. 

Die  Erben  Hartman  verkauften  im  Jahre  1860  den  Hof  von 
Brabant  an  die  Gebrüder  Marcus  und  Jacob  Kaufmann.  Und  schon 
wiederum  sullte  die  Grundfläche  des  merkwürdigen  Hauses  kahl  gelegt 
werden  l  Die  Gebrüder  Kaufmann  He-sen  gleich  im  Juli  des  genannten 
Jahres  den  vollständigen  Abbruch  vomelimen  und  nach  dem  Plane 
und  unter  der  Leitung  des  Architekten  Isidor  Auerbach  einen  Neubau, 
den  vierten  seit  dem  droizclmtcn  Jahrhundert,  in  graci.sirondem  Style  mit 
geschmackvoller  Ornamentik  errichten,  der,  bei  eiuheitlicher  Aussenseite, 
im  Inneren  zu  zwei  abgetrennten  Wohnungen  eingerichtet  ist,  wovon  jede 
eines  der  strasseiiwärts  befindlichen  beiden  Thore  benutzt.  Gegen 
Ende  des  Jahres  1862  war  dieses  wohlgelungene  Bauwerk  vollendet. 
Die  Bauherren  aber  sowohl  wie  der  Baumeister  sind  seitdem  bereits 
verstorben.  J.  J.  Merlo. 


l)  Das  in  Druck  erschienene  ,,YerzeichDi8s  der  von  den  Herren  Gebrüdern 
Burtman  hiuterlaBsenen  Bibliothek,  enthaltend  mehrere  Pracht-  und  Kupferwerke, 
sowie  viele  seltene  für  die  Geschichte  Kölns  und  der  Rheinproviutcn  besonders 
merkwürdige  Schriften,  welche  Freitag  den  14,  Ootober  1836  und  an  den  fol- 
genden Tagen,  Abends  5  Uhr,  im  Bartman'schen  Hause  am  Hofe  Nr.  22  durch 
den  Antiquar  J.  M.  Heberle  öffentlich  versteigert  werden  sollen"  besteht  aus 
1853  und  302  Nummern.     Die  Versteigerung  währte  aehn  Tage. 


II.  Litteratur. 


1.  Dr.  Heinricli  Schliemann,  Mykenae.  Bericht  über  meine  For- 
Bchungen  und  Entdeckungen  in  Mykenae  und  Tiryns;  mit  einer 
Vorrede   von  W.  E.   Gladstone.      Leipz,    1878. 

In  der  zwanglosen  Form  tagebachartiger  Aofzeichnungeu  tbeilt 
ans  der  bekannte  Yerfasaer  die  Resnltate  seiner  in  Tiryns  und  Mykenae 
unternommenen  Ausgrabungen  mit,  durch  die  er  sich  ohne  Zweifel  nicht 
nar  ein  unvergfingliches  Denkmal  grosser  Opferfreudigkeit  für  das  Ideal 
des  klaesischen  Alterthums  gesetzt ,  sondern  auch  vor  allem  der  com- 
parativen  Archäologie  ein  überaus  schätzbares,  neues  Material  »ugefahrt 
hat.  In  der  Form  des  Baches  liegen  zugleich  seine  Mängel  und  Yor- 
eüge.  Dasselbe  gewinnt  offenbar  an  populärem  Interesse  durch  das 
Hervortreten  der  Persönlichkeit  des  Verfassers,  an  dessen  Freude  und 
Stolz  über  die  unter  seiner  Hand  sich  täglich  häufenden  Funde,  deren 
Geschichte  er  zugleich  mit  lebendigen  Zügen  zu  illustriren  weiss,  man. 
gern  Äntheil  nimmtr  Ohne  Schwierigkeiten  vermag  sich  der  Leser, 
unterstützt  durch  die  zalüreichen  Abbildungen  des  handlichen  Buche«, 
eine  Vorstellung  der  neu  entdeckten  Schätze  zu  machen,  allein  bei  dieser 
Art  der  Darstellungsweise  wird  man  eine  zusaramenfagsende  wisseoscbafl- 
liche  Beurtlieilung  der  Funde  nicht  erwarten  können,  da  fast  jeder  Tag 
dem  Entdecker  neue  Probleme  vorlegte,  abgesehen  davon,  dass  dabei 
auch  zahlreiche  Wiederholungen  nicht  zu  vermeiden  waren.  Doch  wollen 
wir  darum  mit  dem  Verfasser  nicht  rechten.  Die  Wissenschaft  wird 
noch  lange  zu  tbun  haben,  ehe  sie  im  Stande  sein  wird,  die  topogra'* 
phischen,  antiquarischen,  historischen,  wie  kunstgeschichtlichen  Fragen, 
die  das  Schlie man  nasche  Buch  angeregt  hat,  endgültig  zu  beant- 
worten. Manches  Dogma  der  Archäologie  wird  neuer  Kritik  unterstellt, 
manche  Vermatbung  aufgegeben  werden  müssen,  und  wenn  auch  der 
Verfasser  mehrere  seiner  Lieblingshypothesen  wird  fallen  lassen  müssen, 
80  bleibt  ihm  doch  das  Verdienst,  die  Anregung  zu  neuen  Unter- 
suchungen gegeben   zu   haben. 

Eine  nmfiangreichere,  wissenschaftliche  Vergleichung  der  Mykeni' 
sehen  Fundatücke    mit  den    bekannten  Kunstprodnkten    anderer  Länder 


Dr.  Heinrich  SobliemaoD,  Mykenke. 


ist  noch  nicht  vorgenommen;  ich  verweise  als  auf  einen  Anfang  dazu 
auf  die  Besprecbung  der  Schliemann^echen  Ausgrabungen  von  A.  Milch- 
höfe r  im  ersten  Bde.  der  Mittheilungen  des  arch.  Institutes  (S.  308  —  3  28), 
denn  auch  uns  gestattet  der  Raum  nur  einige  daranf  bezügliche  Punkte 
herauszugreifen.  An  Umfang  und  IJedeutuug  werden  die  Funde  von 
Mykenae  wohl  immer  den  Ilaujitraug  unter  ihres  Gleichen  behalten; 
ihnen  gegenüber  erscheinen  selbst  so  interessante  Entdeckungen,  wie 
die  fast  gleichzeitig  in  Spata  in  Attika  gemachten,  nur  von  unter- 
geordneter Bedeutung,  es  sei  denn,  dasa  man  ein  besonderes  Gewicht 
auf  die  dort  gefiindenen  elfenbeitiernen  Sculpturen  legt,  die  in  Mykenai 
in  dieser   Art  so  gut  wie   ganz   fehlen. 

Was  an  den  Mykenischen  Funden  zuniLchst  in  die  Äugen  springt, 
das  ist  ihre  unbestreitbare  Yerwandtsohaft  mit  Euuatprodukten  der 
Gegenden,  die  uns  bis  jetzt  die  meisten  Proben  einer  ältesten  griechi- 
schen Kunst  geliefert  haben,  vor  allem  mit  Etrurien.  Die  sprechendsten 
Analogieen  bieten  hierfür  die  Grabfunde  von  Gometo  and  Palaestrina. 
Auf  die  geometrischen  Ornamente  der  Gold-  oder  Bronzebleche  getrie- 
bener Arbeit,  wie  sich  solche  nicht  nur  in  den  Gr&beru  Etruriena,  son- 
dern auch  Tirols  und  Deutschlands  gefanden  haben,  mag  hierbei  noch 
nicht  das  grösste  Gewicht  gelegt  werden,  da  immerhin  für  diese  primi- 
tive ,,teitil-empästi8che'*  Ornamentationsweise  ein  älterer,  gemeinsamer 
Ursprung  angenommen  werden  mag ;  allein  entwickeltere  Zierformen  und 
Darstellungen  mythologischer  Begriffe  können  natürlich  nur  durch  directe 
Vermittelung  und  Berührung  verpflanzt  worden  sein,  Wenn  uns  die 
Sphinx  mit  dem  Tutulus  (Fig.  277),  der  geflügelte  Greif,  der  Hippokamp 
und  die  symmetrisch  gegen  einander  gekehrten  Thiere  (vergl,  Linden- 
schmidt, Vaterl.  Alterth.  II,  Heft  V.  Taf.  2,  1  und  II,  2,  8)  io 
den  Gräbern  der  Akropolis  von  Mykenai  wie  in  Etrurien  begegnen,  so 
muss  die  Kunstentwicketnng  hier  wie  da  aus  einer  gemeinsamen  Wurzel 
entsprossen  sein  oder  wenigstens  dieselbe  gemeinsame  Anregung  und 
Befruchtung,  die  wohl  nur  von  Asien  ausgegangen  sein  kann,  gefunden 
haben.  So  lassen  sich  z.  B.  auch  die  weiblichen  Figuren  auf  dem  Arm- 
bande  von  Caere  (Mus.  Etr.  I,  Tav.  LXXVI,  2),  was  die  seitwärts  gel 
kehrten  Füsse  oder  den  unteren  Theil  ihrer  Gewandung  betrifft,  sowoh- 
mit  dem  Bilde  der  Aphrodite  mit  der  Taube  (Schlie mann,  Fig.  207  f.) 
wie  dem  einer  sitzenden  Frau  (ebenda  Fig.  273)  aus  Mykenai  ver- 
gleichen. 

Aber  während  die  figürlichen  Darstellungen  im  Ganzen  noch  als 
primitiv  bezeichnet  werden  können,  ztägt  sich  eine  reifere  Entwtckelung 
bereits  bei  einer  grossen  Anzahl  von  Gefftssen.  Die  silberne  einhenke- 
lige Kanne  z.  B.  aus  dem  überhaupt  an  Gefässen  reichen  vierten  Grabe 
von  Mykenai   (Fig.  3  53;   vergl.  Fig.  341)   dai-f  unbedenklich  dea  schöueo 


166 


Dr.  Heiarioh  Scbliemann,  Mykenae. 


BronzegefüBsen  altgriechischen  Cliarakters,  vor  allem  denen  etruriacher 
Herkunft  an  die  Seite  gestellt  werden.  Ihr  reiht  sicli  die  in  ihrer 
Form  nicht  weniger  entwickelte  dreihenkelige  ÄlabasterraBe  (Fig.  366) 
aus  dem  vierten  Grabe  an.  Sehr  interessante  Gesichtspunkte  gew&hrt 
die  Beobachtung  der  in  geradezu  erstaanlicher  Zahl  —  in  einem  Grabe 
bis  zu  340  —  gefundenen  goldenen  Knöpfe,  mit  ihren  meist  ana 
Spiralen,  Kreisen,  Schraffirangen  «nd  symmetrischen  Bandverschlingungen 
gebildeten  eingetriebenen  Ornamenten.  Hier  ist  nicht  mehr  die  Rede 
von  einem  willkürlichen  Bedecken  des  Raumes  mit  allerlei  geometriacbeo 
Figuren,  wie  auf  den  griechischen  Vasen  ältesten  Stils,  sondern  es  seigt 
sich  bei  aller  Mannigfaltigkeit  schon  deutlich  das  Streben,  die  Zeich- 
nung symmetrisch  zu  entwickeln  und  mit  Geschmack  der  Kreisform  ein- 
zufügen. Ganz  deutlich  kann  man  dabei  den  Versuch,  Naturformen  zu 
stilisiren,  beobachten,  wobei  theils  stemförmige  Blumen  (vgl.  die  Figuren 
anf  S.  371),  theils  der  Tintenfisch  eine  Hauptrolle  spielen.  So  scheint 
z.  B.  aus  den  sich  zusammenrollenden  Fühlfäden  des  letzteren  auch  du 
Palmettenornament  (vgl.  Figur  486)  hervorgegangen  zn  sein.  Wenn 
wir  daneben  hin  und  wieder  auch  plumpere  Formen  erblicken,  so  kann 
das  doch  nicht  gegen  die  Annahme  einer  bereits  lange  Zeit  fortgeeetsten 
Kunstübung  sprechen.  Geffisse  von  so  schöner  Form ,  wie  die  ange- 
führten, producirt  nur  ein  Volk,  das  bereits  einen  hohen  Grad  von 
Cultur  und  Wohlstand  erreicht  hat.  Den  letzteren  aber  besonders  be- 
weisen unwiderleglich  die  Massöufuude  verarbeiteten  Goldes,  mit  welchem 
die  Leichen  der  fünf  Grftber  den  Flammen  des  Scheiterhaufens  preia- 
gegeben  worden  sind.  Dieser  Umstand  wirft  ein  helles  Streiflicht  auf  den 
Reichthum  des  Herocnzeit.ilters  an  Gold  und  edlen  Metallen  überhaupt, 
und  zeigt  uns,  dass  ein  solcher  nicht  blos  in  der  Phantasie  des  Homer 
existirt  habe.  Wenn  noch  Schoemann  (üriech.  Alterth.  1  75  f.)  es 
bezweifelte,  dass  die  Vergoldung  der  Höraer  des  Opferthieres,  wie  sie 
der  Sänger  der  Odyssee  (y  425 J  beschreibt,  in  Wirklichkeit  vorge- 
kommen sei,  weil  ein  Goldschmied  zu  diesem  Behufe  sich  unmöglich  in 
Pyloa  habe  auflialten  können,  so  zeigen  uns  jetzt  die  goldenen  Portrait- 
masken  der  Mjkenischen  Leichen,  dass  man  es  verstand,  in  kurzer 
Frist  noch  ganz  andere  Dinge  zu  schaffen.  Denn  dasa  auch  alle  jene 
den  Todtea  beigegehenen  Wehrgehenke,  Schwertgriife  u.  s.  w.  nicht 
dem  praktischen  Gebrauch,  sondern  nur  dem  Leichenprunk  gedient  baben 
können,  liegt  auf  der  Hand  (vgl.  S.  281).  Die  schnelle  Beschaffung 
dieser  goldenen  Beigaben  für  die  Beerdigung  war  aber  um  so  leichter, 
da  das  technische  Verfahren,  in  die  dünnen  Goldplatien  durch  eine 
Stempelprägung  die  Ornamente  einzutreiben,  ziemlich  einfach  war;  dass 
die  Technik  des  Giessena  in  der  That  an  Ort  und  Stelle  gleichsam 
fabrikmässig    betrieben    wurde,    das    beweisen    die    mit  den   Goldsachen 


Dr.  Ueinricb  Schliemann,  Mykcnae 


167 


zugleich  gefundeneQ  Fornisteine  aus  Granit  and  Baaalt  (S.  121  f.), 
trie  solche  ganz  ähnlich  auch  in  Spata  entdeckt  worden  sind.  In  der 
Thai  kann  nur  aus  einer  lange  Zeit  fortgesetzten  Uebung  der  stilistische 
Charakter  der  Mykenischen  Goldornamentation  erklärt  werden.  Aber 
aoch  die  Proben  der  Sculptnr,  welch^  die  Reliefs  der  interessanten 
Grabstelen  darbieten,  lassen  eine  gewisse  Routine  in  der  Bildung  be- 
sonders heftig  bewegter  Thierk<irper  nicht  verkennen ;  man  vergleiche 
2.  B.  die  beiden  Pferde  auf  Fig.  140  und  141,  welche  fast  schema- 
tisch übereinstimmend  gebildet  sind.  Richtig  erscheint  die  Bemerkung 
des  Verfassers  (S.  9  6),  dass  der  plastische  Charakter  in  diesen  Reliefs 
dem  dos  Liiwenthorreliefs  keineswegs  widei-spreche ,  und  in  der  That 
wird  man  eine  gewisse  Flauheit  und  Weichlichkeit,  wie  solche  bereits 
längst  an  diesem  bemerkt  worden  ist,  nurh  hei  den  Grabreliefs  nicht 
verkennen  (vgl,  z.  B.  die  zusammensinkende  Figur  vor  dem  Wagen- 
kimpfer  auf  S.  91).  Ein  eigentlich  plastischer  Charakter  wohnt  diesen 
mehr  graphisch  wirksamen  Reliefs  noch  nicht  inne,  aber  mit  der  ältesten 
griechischen  Kunsteutwickelung  scheinen  sie  mir  ebensowenig  im  Wider- 
spruche zu  stehen,  wie  das  Relief  des  Löwenthores,  das  freilich  noch 
Fried  erichs  ausser  allem  Zusammenhang  mit  der  griechischen  Kunst 
setzen  zu  müssen  meinte.  So  erinnert  die  naive  Art,  den  Raum  mit 
Spiralornamenten  auszufüllen,  auf  das  allerbestimmteste  an  die  Deko- 
rationsweise archaischer  Vasen,  z.  B.  der  bekannten  Melisohen  Thon- 
gefässe,  Ber  in  d^r  linken  oberen  Ecke  des  Reliefs  Fig.  140  dar- 
gestellte Gegenstand,  in  welchem  Schliemann  einen  „lituus"  sieht, 
ist  ofleubar  nichts  anderes,  als  der  Versuch  einer  rein  ornamentalen 
Doppelspirtile,  zu  deren  Vollendung  der  Rücken  des  Kriegers  keinen  Raum 
übrig  Hess.  (Ebenso  vermag  ich  in  dem  vermeintlichen  „Ilakenkreuz"  der 
S.  116  abgebildeten  Topfscherbe  nur  einen  aus  Raamraaugel  verküm- 
merten Mäanderstreifen  —  vgl.  Taf.  XX,  19  7  —  zu  erkennen).  Eine 
ganz  ähnlich  gebildete  Spirale  zeigt  z.  B.  noch  das  Relief  von  Ssmo- 
thrake   hinter  dem    Rücken  des    Talthybios. 

An  Analogieen  mit  archaischen  Vasen  Attika's,  was  die  Darstel- 
lungen, and  mit  denen  von  Eypros,  was  die  Form  betrifft,  fehlt  es 
gleichfalls  nicht  unter  den  Mykenischen  Funden.  Von  einer  wahrhaft 
abschreckenden  Rohheit  und  Ilüsslichkeit  sind  dagegen  die  kleinen 
tbönemen,  meist  weiblichen  Idole,  von  denen  übrigens  vereinzelte  Proben 
aus  Mykenai  bereits  bekannt  waren.  Sie  sind  meist  mit  Zickzacklinien 
primitivster  Art  ornamentirt,  in  welchen  Schliemann  wohl  mit  ün- 
reoht  (S.  8l)  Symbole  des  Blitzes  oder  Feuers  sieht.  Auch  darin 
können  wir  ihm  nicht  beistimmen,  wenn  er  die  Möglichkeit  offen  lässt, 
auf  dem  gemalten  Thonf ragment  Fig.  157  in  den  dahinschreitenden 
Thieren  Pferde  zu  erkennen.      Der  lange,  schmale  Hals  dieser  fast  einem 


168 


Dr.  Heinrich  SohliemaDii,  Mykenac. 


Straaaa  ähnlichen  Thlere  erbebt  sich  ohne  irgend  eine  AnBchweUang 
oder  Yerdünnoug  aus  dem  kurzen  Rücken  und  kann  nur  Vögeln  ange- 
hören. Sehr  interessant  ist  das  archaische  Vasenfragment  Nr.  213  mit 
den  ansziebenden  Kriegern.  Sollte  hier  nicht  Tielleicht  in  dem  hom- 
artigen,  eich  vom  an  dem  Helm  erhebenden  Gegenstände  eine  Anden* 
tung  des  Bügels  zu  erkennen  sein,  welcher  zusammen  mit  den  beiden 
seitlichen,  in  der  Profilstellung  der  Figuren  nicht  darstellbaren  Bägelii 
dem  Helme  jenen,  schon  den  Alten  nicht  mehr  ganz  klaren  Namen  der 
XQi(fä\iiu   \XQV(f:ukeut)  gegeben  hat? 

ZumSchluBS  mag  noch  zweier  antiquarischer  Kleinigkeiten  gedacht  sein. 

Die  radförmig  dorchbrochenen  Bronzescheiben,  oft  mit  einer  Oen 
versehen,  wie  sie  bei  Schliemann  Fig.  120  abgebildet  sind,  kehren 
häufig  unter  den  FundstQcken  germanischer  Gräber  (vgl.  Lindeoschmidt 
a.  a.  0.  n,  Heft  X,  Taf.  3)  wieder,  und  sind  hier  wie  da  offenbar 
niclits  anderes,  als  Gegenstände,  die  zum  Apparat  von  Pferd egebiaaen 
gehören ;  wenn  irgend  etwas,  so  spricht  dafür  das  paarweise  Vorkommen 
derselben  auch  in  Mykenai.  Weiter  ausgebildet  finden  wir  dieselbe  Fom 
unter  den  germanischen  Grabfunden  als  Nadelknopf  (vgl.  Lindenscbmidt 
a.  a.  0.  I,  Heft  IV,  Taf.  4)  oder  als  Zierplatten  unbeetimmier  Ver- 
wendung in  fränkisch-allamannischen  Gräbern  (Lindenschmidt  a.  A.O. 
Heft  I,  Taf.  7).  8.  203  erhalten  wir  zwei  an  Ketten  hängende,  wie 
Schliemann  sich  ausdrückt,  goldene  ,, Baumgrillen"  abgebildet,  welche 
er  für  die  xiTayt<;  der  alten  Athener  erklären  will.  Wäre  dieser  Ge- 
danke zutreffend,  so  würde  die  Behauptung  He Ibig^s  (Commentationea 
philologae  in  honor.  Mommseni  p.  6 1  6  ff.),  dass  in  den  kleinen  Spiral- 
ringen die  altattischen  „Cikaden*"  zu  erkennen  seien,  irrig  sein^  denn 
beide  Geräthe  können  unmöglich  demselben  Zwecke  gedient  haben, 
Spiralringe  von  der  Art  der  Hei  big 'sehen  Cikaden  fanden  sich  auch 
in  Mykenai  (abgebildet  Fig.  529),  wo  sie  Schliemann  geneigt  ist 
für  TauBchmittel  zu  erklären.  Wenn  dies  für  einfach  massive  Ringe, 
an  denen  in  der  That  der  Metallwerth  das  allein  bestimmende  ist,  nicht 
anbedingt  in  Abrede  gestellt  werden  soll,  so  hat  doch  die  Bpiralf<[)nnige 
Drehung  eines  dünnen  -Golddrahtes  offenbar  einen  anderen  Zweck,  als 
den,  den  blosen  Metallwerth  des  Gegenstandes  anzudeuten.  Nun  hat 
aber  Heibig  den  praktischen  Zweck  dieser  Spiralringe  als  Haarhaiter 
wie  uns  scheint  zur  Genüge  dargelegt,  so  dass  man  an  der  B«iteauiaDg 
„Cikade'S  die  er  übrigens  auch  nicht  unerklärt  gelassen  hat,  niolit 
wesentlich  Anstoss  zu  nehmen  braucht.  Dass  die  um|  auch  als  Brust- 
Bcbmuck  gedient  habe,  ist  meines  W^issens  nirgends  überliefert,  aber  die 
Sohliemann'schen  „Cikaden"  lassen  nicht  einmal  erkennen,  in  welcher 
Weise  sie  zum  Festhalten  eines  attischen  Krobylos  gebraucht  sein  sollten. 
Eher    wäre    es  möglich,    diesen  Zweck   in  dem   Fig.   299  abgebildeten 


Oerfith  za  erkennen,  das  durch  die  Biegsamkeit  stiiner  in  Spiralen  aus- 
laufenden Arme  vielleicht  im  Stnade  war,  eine  Haannasse  ordnend  zu- 
Baromenzuhalten.  Offenbar  ist  S  c  b  1  i  c  m  a  n  n  zu  seiner  Annabme  durch 
die  an  der  oberen  und  unteren  Spitze  des  betreffenden  Gegenstandes 
angebrachten  Einkerbungen  gebracht  worden,  die  er  dem  gekerbten 
Leibe  der  Cikaden  ähnlich  gefunden  haben  wird.  Allein  der  Umstand, 
dass  diese  Einkerbungen  sich  eben  nur  an  den  Spitzen  finden,  zeigt  uns 
deutlich,  dass  sie  rein  zufälliger  und  ornameotaler  Natur  sind,  und  mit 
dem  Wesen  der  Sache  nichts  zu  thun  haben.  Demnach  läset  sich  auch 
der  SchluBS,  dass  alle  Gegenstände  gleicher  Form  in  derselben  Weise 
omamentirt  gewesen  sind,   nicht  rechtfertigen,   und  das  wäre  doch  nöthig, 

Nwenn   anders  die  gemeinsame  Benennung  rim'^    dieser   Geräthe   bewiessD 
rerden  sollte. 
Hamburg.  H.   Dütschke. 

\.  Ueber  die  Bedachung  der  Vierungskuppel  am  Münster  zu 
hStrassburg.  Zweiter  Bericht.  Mit  di-ti  aitist.  Beilagen.  Strass- 
burg.  R.  Schultz  &  Cie.,  Berger  Levrault'a  N'achf.  Charles  Winter 
Pbotogr.  Anstalt.  1878. 
Indem  wir  uns  aber  den  Inhalt  des  im  Jahre  1875  erschienenen 
1.  Berichta  auf  unsere  Anzeige  im  LIK  Jahrb.  S.  160  beziehen,  bemerken 
I  wir  nunmehr  aus  dem  vorliegenden  2.  Bericlit ,  dass  Seitens  der  Kaiser- 
lichen Regierung  die  Ausarbeitung  eines  neuen  Projectea  im  rheinischen 
Uebergangsstil  angeordnet  worden  ist,  bei  welchem  einerseits  das  Eio- 
Bchneiden  des  Langhausdaches  in  den  Körper  des  Vierungsthurmee  zu 
vermeiden,  andererseits  aber  anstatt  des  zu  gedrückt  erscheinenden  Bolz- 
modells eine  eutsprechende  Erhöhung  zu  bewirken  sei.  Demgemäaa  arbeitete 
Herr  Dombaumeister  Klotz  einen  neuen  Entwurf  aus,  dessen  .Ausführung 
genehmigt  wurde  und  also  bevorsteht.  Obgleich  damit  die  Sache  eigentlich 
entschieden  ist,  so  hat  die  Dombauverwaltung  dessen  ungeachtet  dankens- 
wertherweise  den  genehmigten  Entwurf  in  gegenwärtigem  2.  Bericht  zu 
öffentlicher  Kenntniss  und  Besprechung  bringen  wollen. 

Der  neue  Entwurf  verdient  insofern  die  Billigung  der  Archäologen, 
als  der  alte  Unterbau  des  Vierungsthurmes  unberührt  und  die  Arkaden- 
gallerie  desselben  an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  bleibt,  freilich  aber  nicht 
mehr  den  Abschluss  des  Ganzen,  sondern  nur  den  eines  Unterbaues  bildet, 
ober  welchem  sich,  auf  der  Innenseite  des  Octogons  ruhend,  der  Neubau 
eines  Thurmes  erhebt,  dessen  Kranzgesims  den  First  des  Langhauses  um 
6  m  überragt  und  mit  seinem  11  m  hoben  Pjrramidaldach  eine  Gesammthöhe 
von  22  m  erreicht  und  fast  mit  der  Plattform  der  Westfafade  gleiche  Uöb^ 


170    Ueber  die  Bedachung  der  Vierangskuppel  am  Münster  xa  SirMsbnr;. 


hat.  Die  Westseite  des  achteckigen  Tbarmes  ist  geachloaaen  and  daa 
LangbauSdach  wird  bis  zur  Tburmwaad  forigeflihrt ;  di(<  sieben  freiea 
Seiten  des  Tbunues  erhalten  je  ein  Paar  weite  and  hohe  gekuppelte  Fettster^ 
im  niedrigen  Spitzbogen,  deren  Wandungen  mit  Säulen  gefällt,  deren  ßögea 
mit  fortlaufender  Scbachbrett^Archivolte  eingefasst  sind.  Ein  breites  Schach» 
brettgesiiDB  trennt  dieses  Haupigoscboss  tou  dem  oberen  Halbgeschosa, 
dessen  Fltlcben  von  einer  randbogigen  Blendarkatur  belebt  sind  and  mit 
einem  Eraazgesims  abschliessend  unter  welchem  sich  wie  bei  dem  alten 
Unterbau  Zahnschnittconsolen  hinziehen.  Die  Walme  des  Pyramidaldackfli 
sind  etwas  steiler  gehalten  als  die  des  (lolzmodella  und  unten  mit  grosse«^ 
reichverzieilen,  steinernen,  oben  mit  kleinen  metallenen  Lucaroea  beeetit. 
Das  Ganze  gewährt  einen  sehr  eleganten  Prospect  mit  reizvollen  Ouich- 
sicbteu  durch  die  grossen  ofienen  Thormfenster. 

Wenn  durch  diese  Anlage  unleugbar  der  vorhandene  Contraat  zwischen 
den  Höhenverhältnissen  des  Langhauses  und  der  Vierung  fast  ausgeglicfaea 
erscheint,  so  tritt  nunmehr  das  Missverh&ltniss  zwischen  der  wieder  io 
ihr  ursprüngliches  Recht  versetzten  Yierung  und  dem  östlichen  AbschlnM 
um  Bo  schärfer  hervor  und  heischt  folgerichtigerweise  der  AbhtUfe.  Wie 
bekannt  entbehrt  das  Münster  eines  besonderen  Altarhauses  and  die  Apsia 
schliesst  sich  unmittelbar  an  die  Vierung;  innerlich  halbrund  ist  dieselbe 
ftosserlich  quadratisch  ummantelt,  und  das  Dachgeaima  dieses  Vorbaaci 
liegt  bedeutend  tiefer  als  das  des  Querschiffes.  Abhälfe  soll  nnn  dadurch 
geschnift  werden,  dass  bei  intact  erhaltener  alten  Gestalt  de«  öatliehen 
Vorbaues  und  unter  Beibehaltung  der  Gehinder  und  Fialen  des  14.,  ond 
der  beiden  schönen  Renaissance-Treppen  des  1  Ck  Jahrhunderts  die  Bedachung 
um  5  m  gehoben  und  der  Steigung  der  Querhansdächer  gleich  gemacht 
wird.  Zu  dem  Ende  soll  die  Ostfront  einen  Giebel  erhalten,  von  gleie 
Höhe  mit  den  Giebeln  des  Querhauses  und  nach  dem  Muster  des  Giebehr^ 
am  nördlichen  Kreu/arm,  woza  noch  der  (Ausbau  der  an  deo  östlichen 
Ecken  bereits  vorgesehenen,  sp&ter  aber  unausgeführt  gebliebenen  beiden  ] 
kleinen  Thürme  kommen  »oll,  die  mit  den  Thürmchen  an  den  Ecken  der 
QuerliHUsfronten   coiTespundiren, 

^Mit  Rei'ht  oder  Unrecht  —  so  lauten  die  Schlnssworte  des  vorlie- 
genden Berichtes  —  hat  diese  Anschauungsweise  der  Sache  Ober  den  Stand^i 
pnnkt  des  einfach  erhaltenden  und  restaurirenden  Archfiologen  den  Sieg 
davon  getragen,"  Alles  •■llte  soll  unverändert  fortbestehen,  und  der  Archi- 
tekt des  19.  Jahrhunderts  will  durch  seine  Binzufögnngen  nur,  aowMt 
dies  überhaupt  möglich  ist,  die  überkommenen  Diahurmuniea  aossngleichea 
Bachen.     Die    muthmasslich   recht    bedeutenden   Kosten    de«   UotemehmeoKl 


MittbeilaDgen  zur  Erforschung  u.  Erhaltung  d.  Kumt-  a   hist.  Denkmale.       171 

scheinen  bei  don  vorhandenen  reichen  Mitteln  der  Münsterfabrik  glücklicher- 
weiae  nicht  eben  in  Beti^acht  zu  kommen. 

Die  drei  Kuaatbeilng&n  veranschaulichen  1)  die  Ansicht  dea  Münsters 
nach  Vollendung  des  projectirten  Mittolthurmes  von  der  SüdostEeite,  2)  den 
Änfrias  der  Ostaeite  mit  dem  neuen  Giebel  und  3)  die  Ansicht  des  ganzen 
Münsters  von  der  Nordweatseite  nach  Ausführung  der  beahaichtigten  Neu- 
bauten, Nr.   1   und  3  in  Photo-,  Nr.  2  in  Lithographie. 

Merseburg.  Dr.  theol.  Heinrich  Otte. 


,9.  MittheiluQgen  der  k.  k.  Central-Commission  zur  Erforschung 
und  Erhaltung  der  Kunst-  und  htstorischen  Denkmale. 
Hernusgegehen  unter  Leitung  des  Präsidenten  dieser  Commission 
Dr.  Jos.  Alex.  Freiherrn  von  üelfert.  Redacteur  Dr.  Carl  Lind. 
Neue  Folge  L  —  III.  Band.  Wien,  Carl  Gerold's  Commission.  1875. 
1876.  1877. 

Dieselben  qualißciron  sich  als  eine  mit  dem  Jahre  1875  beginnende 
Portsetzung  der  früher  unter  der  gleichen  Redaction  herausgegebenen 
„MittheiluDg  der  k.  k.  Central-Commission  zur  Erforschung  und  Erhaltung 
der  Baudenkmale",  von  welchen  bis  zum  .lahre  1875  im  Ganzen  19  Jahr- 
gänge erschienen  waren.  Wie  schon  die  Aenderung  im  Titel  andeutet,  ist 
der  Kreis  der  in  den  , Mittheilungen "  zu  besprechenden  Gegenstände  für 
die  mit  1875  begonnene  „Neue  Folge"  wesentlich  erweitert.  Es  entspricht 
diese  Erweiterung  der  neuen  Gliederung  der  GentraVCommission,  welche  in 
getrennten  Sektionen  die  Denkmale  der  prähistorischen,  der  römischen  Zeit 
und  antiken  Kunst,  sowie  jene  des  Mittelalters  und  der  Renaissftnce  in 
n  Bereich  ihrer  so  erfolgreichen  Obsorge  gezogen  hat,  und  die  jetzt  auch 
den  verschiedenen  schriftlich  überkommenen  historischen  Denkmalen  des 
Kaiserstaates  die  gleiche  Würdigung  wie  allen  übrigen  zu  Thcil  werden  Itlsst. 
Im  Grossen  und  Ganzen  schliessen  eich  die  Hefte  der  „Neuen  Folge" 
dem  alten  Unternehmen,  dessen  Fortsetzung  sie  bilden ,  auch  äusserlich  durch 
Beibehaltung  des  bisherigen  Formates  an.  Der  Preis  (6  Gtilden  ö.  W.)  ist  der 
gleiche  geblieben,  der  Umfang  ist  aber  nicht  unwesentlich  vermindert,  und 
I  zugleich  die  Zahl  der  sorgsam  ausgeführten  Tafeln  und  Holzschnitte  bedeu- 
Bpiend  reducirt  worden,  wie  folgende  Zusammenstellung  ergiebt:  1872  1 3  Tafeln, 
^808  Holzschnitte;  1873  15  T.,  397  H.;  1874  19  T.,  213  H.;  1875  9  T. 
I  47  H.;  1876  in  T.,  113  H.;  1877  15  T.,  132  H.  Dagegen  ist  eine  sehr 
willkommene  Gliederung  des  Textes  in  der  Weise  beliebt,  dass  die  selb- 
Rt&ndigen  grösseren  Aufsätze  in  durchlaufenden  Zeilen,  kleinere  Anfsfitze 
and  Mittheilungen  dagegen  in  zweigespaltenen  Petitzeilen  gedruckt  werden, 


173      MittheUungen  sur  Erforachung  o.  Erhaltung  d.  Kunst'  u.  bist.  Denkmale. 


eine  Einrichtung,  die  aach  früher  achon  bestanden,  aber  für  die  beiden 
letzten  Jahrgänge  (XVIII.  und  XIX.)  der  alten  Folge  aofgegeben  worden 
war.  Im  Nachfolgenden  werden  wir  über  den  Inhalt  der  bis  jetzt  vorlie- 
gendeo  drei  ersten  Jahrgänge  der  ^ Neuen  Folge"  in  tbunlichater  Kürze 
referiren. 

Im  ersten  Jahrgange  (1875)  begegnen  wir  zunächst  einem  äassent 
interessanten  Bericht  des  Freiherm  von  Sacken  «über  einige  neae 
Funde  im  Grabfelde  bei  Hallatatt".  Es  ist  ja  bekannt,  su  welcher 
klassischen  Berühmtheit  das  grossartige  Leichenfeld  bei  Hallatatt  durch  die 
seit  dem  Jahre  1846  ununterbrochen  systematisch  vorgenommenen  Aus- 
grabungen gelangt  ist,  deren  Fundergebnisse  Freiherr  von  Sacken  in 
seinem  grüSBeren  Werke :  „Das  Grabfeld  von  Hallstatt.  Wien,  1868.  Mit 
26  Tafeln'*  ausführlich  beBprochen  hat.  Bis  zum  Jahre  1863  waren  unter 
der  umsichtigen  Leitung  des  Bergmeisters  Georg  Ramsauer  auf  dem  am  Ab« 
hange  des  SiegkogPs  gar  reizend  über  Hallstatt  und  seinem  prächtigen  See 
gelegenen  Leichenfelde  993  Gräber  aufgedeckt  und  in  denselben  6084 
Gegenstände  als  Beigaben  der  Verstorbenen  ausgegiaben  worden,  daronter 
3700  Schmucksachen  aus  Gold,  Bronze,  Bernstein  und  Glas,  1244  Thon- 
und  182  Erzgofässe.  Abgesehen  von  der  calturhistorischen  Bedeutung, 
welche  in  der  durch  die  Fuode  constatirten  Bekanntschaft  der  eingeborenen 
Kelten  und  der  später  das  Land  beherrschenden  Römer  mit  dem  Bergbau 
jener  Gegend  erblickt  irerden  muas,  sind  die  Funde  des  Hallstätter  Leichen- 
feldes auch  sonst  von  der  allergrössten  Bedeutung.  So  finden  sich  dort 
528  Fälle  brandloser  Bcstrittung,  in  13  Fällen  hatte  man  den  einen  Theil 
des  Körpers  (meist  den  Leili,  viermal  den  Kopf)  verbrannt^  den  anderen 
anverbrannt  auf  die  AEchenreste  gelegt  und  in  455  Fällen  hatte  man  nur 
die  Reste  der  an  anderen  Stelleu  verbrannten  Leichen  der  Elrde  übergeben. 
Weiterhin  hat  der  Umstand,  dass  in  den  Gräbern  von  Hallstatt  Bronse  find 
Elisen  promiscue  and  swar  gleiche  Gefassformen  in  beiden  Metallen  und  b 
eigenthümlicher  Oruamentation  vorkommen,  zu  der  Aufstellung  einer  , Hall- 
stätter Epoche"  (epoque  ,halstattienne)  geführt  Referent  hat  gar  sehr 
bedauert,  dass  es  ihm  nicht  vergönnt  war,  bei  einer  im  August  d.  J.  vor- 
genommenen  höchst  genusareichen  Wanderung  durch  das  Salzkammergat  die 
bedeutenderen  Hallstätter  Funde  au  Ort  und  Stelle  aus  Autopsie  kennen 
zu  lernen.  Dieselben  sind  uämlich  theils  nach  Wien  in  das  k.  k.  Miinz- 
and  Antikencabinet,  theils  iu  das  Museum  Francisco-Carolinum  nach  Linz 
gebracht  worden,  auf  deren  Kosten  die  Ausgrnbungen  veranstaltet  worden. 
Nur  die  kleinereu  Fundg^enstinde  sind  im  Kndolfsthurm  (870  m  über 
HaUatatt)  an  einem  immerhin  eebenswerthen  Museum    vereinigL     Aodi  in 


Hittbeilungea  zur  Erforwshnng'  a.  Erhaltung  d.  Kunst-  n.  bist.  Denkmale.       173 


den  letzten  Jahren  wurden  noch  zahlreiche  (weit  über  100)  Gräber  aofge- 
deckt,  uod  einem  der  dabei  gemachten  Funde  gilb  die  höchst  instructive 
durch  zwei  Tafeln  illastrirte  Abhandlang,  mit  der  Frh.  v.  Sacken  den  ersten 
Band  der  „Mittheilungen"  eröffnet.  In  einem  von  Steinen  umlagerten  Grabe 
fand  jnan  das  vollständige  Skelett  eines  Kriegera,  dem  dessen  Eriegsrfistung 
als  Todtengabe  beigefügt  war.  Letztere  bestand  aus  einem  trichterförmigen 
Seiher  aus  Bronzeblech,  beachtenswerth  wegen  der  daran  zu  Tage  tretenden 
Versuche  einer  der  Löthung  ähnlichen  Verstauchung  der  Fuge  mit  Metall, 
ferner  einem  aus  Eisen  getriebenen  Helm  (Beckenhaabe),  einem  Hiebmesser, 
zwei  mit  Mittelrippen  verseheneQ  Speerspitzen  und  einem  65  cm  langen 
Stahlschwcrt  in  höchst  interessanter  Scheide,  die  auf  der  einen  Seite  aus 
Eisen,  auf  der  anderen  aus  Bronzeblech  bestand.  Das  letztere  ist  mit 
äusserst  sorgfaltigen,  nicht  mit  der  Nadel,  sondern  mit  dem  Grabstichel 
hergestellten  Gravirnngen  bedeckt,  welche  in  drei  Abtheilungen  die  Schil- 
derung von  Kampfspielen,  im  mittleren  grösseren  Felde  die  Pompa  bewaflF- 
neter  Jünglinge  zeigen,  and  vom  Frhrn.  v.  S.  mit  durchschlagenden  Granden 
als  etruskischen  Ursprungs  nachgewiesen  werden.  —  In  zwei  weiteren  Ab- 
handlungen (S-  14  f.  und  S.  47  f.)  bespricht  Victor  Makarewicz  »die 
ChorgeBtühla  der  Kathedrale  von  Tarnow"  in  Galizien,  welche 
,  auch  an  sonstigen  Denkmälern  mittelalterltcher  Kunst  sehr  reich  ist.  Die 
ler  Abhandlung  beigegebenen  Illostrationen  lassen  uns  in  dem  Chorgestühl 
eine  äusserst  saubere,  gefällige  Ornamentmotive  aufweisende  Arbeit  aus  dem 
15.  Jahrb.  erkennen,  welche  wohl  verdient,  durch  eine  Wiedergabe  der 
Details,  wie  sie  der  Verfasser  des  Aufsatzes  auf  15  Tafeln  beabsichtigt, 
dem  modernen  KoBsthnndwerk  zugänglich  gemacht  zu  werden. —  J.Falke 
entwickelt  (S.  18  f.)  „Ideen  z.u  einer  Geschichte  d  es  V^Tohnhauaea 
in  Oesterreich"  und  Friedr.  Lippmann  gibt  höchst  interessante 
Besprechungen  „Alter  Wandgemälde  in  OlmQz"  (S.  21  ff.)  und  eines 
„Todtentanz  bei  Metniz^  (S.  56  f.).  Die  ersteren  befinden  sich  in  der 
reataurirten  S.  Hieronymns-Kapelle  des  Olmüzer  Rathhauses  uud  charak> 
terisiren  sich  als  eine  tüchtige  Arbeit  aus  der  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts. 
Der  Todteotanz  findet  sich  auf  den  Aussenmauem  eines  auf  dem  Friedhof 
von  Metniz,  drei  Stunden  von  Friesach  in  Kümthen,  erbauten  octogonen 
Kamera  ans  dem  Anfang  dea  15.  Jahrhunderts.  Die  sehr  handwerks- 
mässige  Malerei  dürfte  gegen  Ende  desselben  Jahrhunderts  entstanden  sein 
und  zeigt  bei  etwas  mehr  genreartiger  Behandlung  der  einzelnen  Darstellungen 
^e  mittelalterliche  Anordnung  der  Todtentanzpaare.  —  Seitens  des  Gustos 
Dr.  Fr.  Kenner  und  Prof,  A.  Häuser  erhalten  wir  eingehenden  Bericht 
über  die  im  Auftrage  der  k.  k.  Ceutral-Gommission  vorgenommenen^  topO' 


174      MitthcilunKen  cur  Erforscfaung^  u.  Erhaltung  d.  Kunst-  o.  bist.  Denkmale. 

graphisch,  geschichtlich  and  archi tectonisch  überaus  wichtigen  „Aasgra- 
bungen  in  Aquileja",  bei  welchen  eine  Strecke  von  flbffl*  100  Klafler 
Länge  bis  zn  einer  Tiefe  von  9  Fase  aufgedeckt  und  zwei  Stmasentheile 
blossgelegt  wurde.  Aufgedeckt  wurde  ein  grosser  Tbeil  der  äusseren  und 
inneren  Stadtmauer,  hus  quaderförmigen  Ziegeki  in  Gusamauerwerk  erbaut 
An  einer  Stelle  erstreckt  sich  diese  Mauer  über  einen  aus  schwarzen  and 
weissen,  desainlos  gruppirten  Steinchen  hergestellten  Mosaikboden,  wor 
mit  Recht  geschlossen  wird,  dass  die  Stadtmauer  nicht  bei  der 
Niederlal^ung  der  Römer  in  Aequileja  (181  a.  Chr.),  sondern  bei  eiiMTl 
späteren  Erweiterung  der  Colonie  gebaut  sein  milsse.  In  einer  noch  spä- 
teren Bauperiode  (wahrscheinlich  238  p,  Chr.,  als  Maximinas  die  Stadij 
belagerte),  wurden  der  Mauor  zu  grösserer  Verstärkung  l'hürme  vorgele 
die  sich  als  sehr  eilfertige  Bauten  erweisen.  Die  Fortaetzung  der  Aus 
bungen  uitd  die  Conservirung  der  gemachten  Funde  an  Ort  und  Stelle  wird 
seitens  der  Berichterstattung  mit  vollem  Recht  angelegeutlichst  empfohlen, 
und  dürften  inzwischen  weitere  Schätze  zu  Tage  gefördert  sein.  —  Eine 
recht  dankenswerthe  Arbeit  hat  J.  Gradt  durch  Aufnahme  und  Beschrei* 
bung  des  zwei  km  nordwestlich  von  Lienz  am  Zusammenflusa  von  Uel  und 
Drau  stolz  und  malerisch  gelegenen  „Hochschlosses  Brück"  geliefert, 
das  auch  in  seinem  jetzigen  Zustande  noch  ein  sprechendes  Zeugniss  für 
die  Macht  und  den  Kunstsinn  der  Grafen  von  Görz  und  Tirol  bildet,  denfl 
es  ehemals  zum  Wohnsitz  und  als  Schutz  der  Landesgrenze  diente.  Alb. 
II g  giebt  (S.  49  ff.)  unter  Beifügung  von  Illustrationen  eine  sehr  inter- 
essante Beschreibung  des  „Wagen  Fri  edrich*8  lY.  im  GraaerZeog- 
hause*,  der  bei  dessen  1452  erfolgter  Krönung  zum  römischen 
gedient  haben  soll  und  jedenfalls  um  diese  Zeit  für  ihn,  den  Proteetor 
Kunstindustrie,  in  künstlerischer  Vollendung  gefertigt  wurde.  —  Der  Conser- 
Tator  Prof.  Älfons  Müllner  berichtet  über  einen  „Urnenfund  bei 
Maria-Rast  in  St  e  ier  mark  "  (S.  59  ff.),  der  im  Sommer  1875  gemachl^ 
wurde  und  sich  durch  die  grosse  Zahl  der  plaumässig  zu  Tage  gefords 
18  —  80  cm  hohen,  aus  freier  Hand  gearbeiteten  Urnen  auszeichnete,! 
man  das  Tod  teuf etd  von  Marin- Rast  als  das  hinsichtlich  der  Thong 
reichste  südlich  der  Donau  bezeichnen  darf.  Ausgehoben  wurden  im  Gb 
270  Krüge,  Vasen  und  Schalen  sowie  90  Gegenstände  aus  Bronze,  2  all 
Eisen.  —  Adalbert  Dangel  bringt  eine  „Untersuchung  über  daa 
römische  Ca  stell  Locus  Vener  is  felicis",  welchem  er  mitKennsi 
und  M  0  m  m  s  e  n  seine  Lage  bei  Mauer  am  EinSuss  der  Url  in  die  I| 
▼indiciri,  wo  sich  dessen  Construction  noch  heute  genau  nachweisen  lässk 
Die  via  praetoria  und  die  via  principalis,  das  praetorium  and  foram 


MiitheiluDgen  zur  EHorBohung  u.  Erhaltung  d.  Knnat-  u.  bist.  Denkmale.       176 

sich  constatirea,  das  Ganze,  am  rechten  Url-Ufer  auf  massig  erhöhtem 
Terrain  gelegen,  hat  eine  Länge  von  115,  eine  Breite  von  80  Klnfter  und 
bot  für  ca.  1500  Mann  Fusavolk  genügend  HauTn.  Die  meisten  der  im 
Caatell  Loc.  V.  fei.  gemachten  Funde  an  Inschriftsteinen,  Ziegclstempela, 
bildlichen  ÜarateUungen  und  Münzen  befinden  sich  im  nahegelegeneo  Stifte 
Seitenstetten.  Das  Caatell  wurde  voa  Kaiser  Vespnsian  (69  —  79)  gegründet 
und  mit  Hülfsvölkern  aus  dem  Orient^  vielleicht,  wie  der  Name  andealeQ 
könnte,  von  der  Insel  Cjpern  belegt.  —  Alb.  Ilg  gibt  die  „  Bescbreibang 
der  Eeckmann^BC  hen  und  Siegenfelder'achen  Grabmäler  bei 
St.  Stephan  in  Wien",  in  welchen  interessante  Denkmale  spätgothiacher 
reap.  frUhrenaissancischer  Scnlptur  auf  uns  gekommen  sind.  —  Aas  den. 
Eahlreich  den  hier  skizzirtcn  Aufsätzen  heigegebenen  kleineren  Mitthei- 
langen  seien  hier  besondere  erwähnt:  die  Besprechung  der  Inachriftsteine 
des  Moaeums  zu  Salona  durch  Prof.  Dr.  Glavinitz;  eine  anregende  Ab- 
handlung des  verdienten  Benedictiners  P.  BedaDudik  in  Brunn  über 
die  vorchristlichen  BegrALaistsplätze  in  Mähren;  ein  Aufsatz  J.  Jenny 's 
Aber  die  öffentlichen  Thermen  Brigantiuma,  worin  die  aufgedeckton  Röroer- 
bauten  auf  dem  Oelrain  hei  Bregenz  näher  bestimmt  werden ;  eine  Beschrei- 
bung der  Denkmale  der  Familie  Kitzinger  durch  Dr.  K.  Lind;  sehr  inter- 
esaante  Berichte  des  Conservators  Petzolt  über  Römerfunde  in  Salzburg, 
namentlich  über  einen  interessanten  Moaaikboden  am  Mozartplatze;  eine 
Aufnahme  und  Besprechung  der  frühromanischen  Propsteikirche  in  Zwettl 
und  des  dabei  befindlichen  massiven  Bundkarners  mit  tiefer  Krypta,  von 
K.  Rosner;  A.  R.  von  Gamesina  bringt  interessante  Beiträge  zur 
Geschichte  des  Wiener  Rathhauses  aus  den  Eammeramtsreohnungen;  Con- 
servator  J.  Schmoranz  berichtet  über  das  in  seiner  alten  Ursprünglich- 
keit erhaltene  grüue  Thor  in  Pardubitz,  welches  Wilhelm  von  Pernstein  1507 
erbauen  liess.  Aus  den  Notizen  seien  einzig  die  Bemerkungen  über  die 
prächtige  S.  Donatuskirche  in  Zara  erwähnt,  die,  ein  frübchriEtlicber 
Rxuidbau  aus  dem  9.  Jahrhundert,  gegenwärtig  stilgerecht  reataurirt  wird. 
Der  zweite  Band  der  „Mittheilungen"  (N,  F.)  wird  eröffnet  durch 
eine  sehr  leaens-  und  beherzigenawerthe  Abhandlung  des  hochverdienten 
Präsidenten  der  k.  k.  Central-Comniiasion,  Freiherrn  J.  A.  von  Belfert. 
Derselbe  unterzieht  die  „staatliche  Fürsorge  für  Denkmale  der 
Kanst  und  des  Alterthums"  einer  eingehenden  Würdigung.  In  der 
Einleitung  wird  jene  EligentbQmlichkeit  der  Halbbildung  scharf  gegeisselt, 
welche  sich  für  altes  begeiatert  was  modern  ist,  frisch  und  blank  ansaieht 
and  in  gerader  Richtung  gebt,  jene  Eigenthümlichkeit,  welche  auf  die  dem 
Sachverständigen  so  werthvolle  Patina,    auf  die  „aerugo  nobilis"   mit  Ver- 


176      Mitiheiluni^n  zur  Erforsohnoi;  xt.  Erhaltung  d.  Kunst*  o.  hitt.  Denkmals. 


achtung  schaut,  dagegen  die  frische  Tünche  hochschStzt.  Er  bezeichnet 
als  eine  Ungerechtigkeit,  dasa  immer  wieder  „der  Zahn  (warum  nicht  die' 
Zfthne?)  der  Zeit"  für  die  Zeratörong  so  manchen  Kanstdenkmals  verant* 
wortlich  gemacht  wird,  wo  doch  der  Vandalismas  der  Menschen  solch«. 
Zerstörung  viel  rascher  and  gründlicher  besorgt.  Nachdem  die  Fürsorg« 
verschiedener  mittelalterlicher  P&pste  für  Erhaltung  der  Konstdenkmale 
erwähnt  worden,  wird  der  Nachweis  erbracht,  wie  es  unserem  Jahrhundert 
vorbehalten  geblieben,  diese  Fürsorge  für  die  Erhaltung  der  Denkmale  nm 
ihrer  selbst  willen  zu  einer  durch  die  Gesetzgebung  geschfitzieo  Pflieht 
gemacht  su  haben.  Dänemark  (1807),  Griechenland  (1834),  Belgien  (1835), 
Frankreich  (1837),  Spanien  (1844),  Oesterreich  (1850),  Preuasen  (1843 
resp.  1853),  Russland  (1859),  Baiern  1835  resp.  1848  und  1868),  Holland 
(1860  resp.  1874)  haben  eigene,  staatlich  dotirte  Commissioneo  zu  diesem 
Zwecke  eingesetzt,  über  deren  Organisation  sehr  interessante  Details  beige- 
bracht werden.  Einfacher  ist  die  Einrichtung  in  Baden,  Württemberg  ood 
Schweden;  für  Italien  ist  die  bezügliche  gesetzlich  festzustellende  Organi- 
•ation  noch  nicht  zum  Äbsohluss  gelangt.  Weiter  verbreitet  aich  die  Ab- 
handlung über  die  in  den  verschiedenen  Staaten  verschiedene  Behandlung  der 
unbeweglichen  und  beweglichen  Denkmale  und  der  Funde,  die  entweder  ganz 
der  Willkür  des  Eigenthümers  überlassen,  oder,  im  Privatbesit«  verbleibend, 
einer  staatlichen  Obsorge  für  deren  Erhaltung  unterstellt  oder  endlich,  wie  in 
der  Türkei  und  Griechenland,  als  „Steiatseigentbum*,  als  „Nationalgat  aller 
Hellenen"  erklärt  werden.  Aehnliche  Bestimmungen  wollte  Correnti  auch  ia 
die  italienische  Gesetzgebung  hineinbringen,  doch  hatte  sich  die  Mehrheit 
der  SenatscommissioQ  gegen  dieselben  ausgesprochen.  Besonders  eingeheod 
werden  dem  gegenüber  die  bewährten  Bestimmungen  der  französiseheo 
Gesetzgebung  besprochen,  welche  das  Eigentbum  des  Privaten  unbesohrftokt 
läset,  und  wo  aber  der  nationale  Stolz  darüber  wacht  und  Sorge  trigt, 
dass  nichts  von  Bedeutung  ins  Ausland  verschleppt  wird,  wogegen  in 
Griechenland,  trotz  der  das  Kigenthum  illusorisch  machenden  Bestimmangeo, 
die  riesigste  Verschleppung  aus  Eigennutz  und  mit  Schlauheit  cultivirt  wird. 
Wie  weit  wir  in  Deutschland  in  Bezug  auf  Erhaltung  unserer  beweg» 
liehen  Kunstdenkm&ler  noch  hinter  den  Franzosen  zurück  sind,  daflir. 
sprechen  wohl  am  besten  die  grossartigen  Ankäufe,  welche  Britiab  MuM 
und  andere  englische  Anstalten  und  Private  alljährlich  bei  uns 
Hoffentlich  wird  diesem  Unfug  durch  die  Errichtung  und  reiche  Dotining 
der  Provinzial-  und  der  National -M  useen  und  durch  Hebung 
Nationalgefühls  dauernd  gesteuert.  —  Freiherr  von  Sacken  »ohildert 
gehend  den  , Pfahlbau  im  Laibacher  Moore"  und  die  dort  gemaehtim 


MittheiluDgen  zur  ErfonchuDg  u.  Erhaltung  d.  Euuet-  n.  bist.  Denkmale.      177 

reicheo  Funde,  unter  denen  Werkzeuge  und  Geräthe   aus  Hirachhom    und 
Knochen  bedeutend  gegen  jene  aus  Stein  überwiegen.     Neben  den  auch   in 
anderen    Pfahlbaufunden     vorkommenden    Gei*äthen    und    Werkzeugen    mit 
bekannter  Bestimmung,  erscheinen  hier   auch   solche    rfithselhafter  Art,  wie 
sie  anderwärts  tioch  uirgenda  gefunden  wurden.    Auch  einige  wenige  Gegen- 
stände ans  Bronze   wurden    unter    denselben  Verhältnissen    wie    diejenigen 
»US  Hirachhoru    und   Stein    gefunden.     Ganz   besondtjrs    zeichnen    sich    die 
ungemein  zahlreiche»  für  Hausbaltungszwecke  bestimmten  Thongefässe  aus, 
welche  ohne  Anwendung  der  damals  wohl  noch  unbekannte»  Töpferscheibe 
Ana  freier  Hand  sehr  zierlich  und  in  den  mannigfaltigsten  Formen  gefertigt 
sind.     Weiter   wurden  ca,    hundert  Kilogramm  Thierknochvn    ausgegraben, 
Ton  denen  annähernd  35  Proc.  auf  Edelhirsche,  1 5  auf  Ziegen  und  Schafe, 
13  auf  Schweine,  8  auf  Rinder,   G  auf  Biber,  je  3  auf  Bären  und  Dachse, 
je  1  Proc.    auf  Rehe   und  Hunde    kommen.     Auch  Fischreste    kommen    in 
grosser  Zahl    vor    und    vou   Pflanzen    ausser    Haselnüssen,    auch  Ilimbeer, 
Wassernuss,    die    zur    Mehlbereitung    verwendet    wurde,    Weissdorn    und 
Kornelkiruche.    Gewebe  wurden  nicht  gefunden.  —  Prof,  A.  Häuser  berichtet 
(S.  35  ß.)  eingehend  unter  Mittheilung  der  sehr  sorgfältig  aufgenommenen 
Hori^ontalachnitte  und  Durchschnitte  übtir  ein  „Kömisclies  Militärbad 
in  Dentsoh-AlteDburg",  dem  Carauatum  der  Römer,  welches  im  Jahre 
1875  auf  Kosten    des  Grafen  Otto   von  Abensperg    und  Trnon,    in    dessen 
Schloss  zu  Petronell  sich  die  „Fuudobjccte  aus  di  esem  Militärbad", 
welche    Dr.  Kenner   (S.  53  ff,)    in    einer    durch  Allbildungen    illuatrirten 
Abhandlung  beschreibt,  za  einer   aebr    sehenswerthen  Sammlung   vereinigt 
finden.  —   Dr.  E.  Freiherr    von    Sacken    veröffentlicht  ,zwei    mittel- 
alterliche Elfenbeinbüchaen  ",  die  sich  gegenwärtig  im  Wiener  Münz- 
nnd  Autiken-Cabinet  befinden.     Die  Relicfdarstellungen  der  einen  sind  mit 
Bildern  aus  dem  heidnischen,  die  der  anderen  mit  solchen   aus  dem  christ- 
lichen Sagenkreise  geschmückt.     Die    ersteren   Darstellui>gen    scheinen    sich 
Auf  Mysterien,  Einweihungsproben  aus  dem  dionysischen  Kreise  zu  beziehen. 
Die  Oarstellungen   auf  der  anderen  sind  im  Anschluss   an    das    apocryphe 
Proto- Evangelium  des  Jacobus  minor  (Cap.   18)  und  die  Historia    de   nati- 
▼itate  Mariae  et   de    infantia  Salvatoris  (Cap,  13)    ausgefährt,    sie    zeigen 
die  thronende  Maria,    links  von  ilir  die  ungläubige  Hebamme  Salome,   wie 
aie  die  an  Mariena  Brust  verbrannte  Hand  zum  Heiland  emporbült,  rechts 
die  anbetenden  Magier    mit    phrygischen  Mützen.     Letztere  Pyxis,    welche 
„in  einer  Stadt  am  Rheine^  fär  das  k.  k.  Antiken- Cabinet  erstanden  wurde, 
wird    wohl    nicht    mit    Unrecht    dem    9,   Jahrhundert    zugewiesen.  —  Von 
Alb.  Ilg  erhalten  wir  eine  kritische  Untersuchung  „Ober  Waohsbossi- 

12 


178      Mittheilungea  zur  Erforachung  u.  Erhaltung  d.  Kunst-  □.  hiat  Deolunaleiij 


rungen  von  Alesa.  Abondio  d.  J.  and  zeiigenÖBaiechen  Meistern 
im  österr.  MuBeum",  w  orin  er  eio  Prachtstück  aus  der  Blütezeit  der  öster- 
reichischeu  Kunst  der  gebührenden  Aofmerksamkeit  emptieblt.  —  Alf.  Wolt« 
mann  beschreibt  ein  ziemlich  unbekannt  gebliebenes  grosses  „Gemälde 
von  P.  P.  Rubens  in  Prag",  das  Martyrium  des  Apostels  Thomas 
und  S.  Augustinus  mit  dem  wasserschüpfenden  Knäblein  darstellend.  Mit 
dem  Wunsche  Woltmann'a,  dass  das  Bild,  welches  Rubens  für  die  Prager 
Thoroaskirche  gemalt ,  von  dort  unter  Wabrang  der  Eigeathumsrecbte 
der  Cralerie  des  Künstlerhanaea  überantwortet  werde,  können  wir  uns  nicht 
einverstanden  erklären.  Ist  die  Beleuchtung  keine  günstige,  so  kann  man 
ja  auf  dem  von  Prof,  W.  angegebenen  Wege  für  bessere  sorgen,  aber  maa 
sollte  derartige  Kunstwerke  nur  in  Fällen  dringender  Noth  ihrer  Ursprung» j 
lieben  Bestimmung  entziehen.  —  Dr.  E.  v.  H  artmann-Franzenschnld 
gibt  eine  sehr  eitigebeude  Bescbreibung  des  für  Costümkundo  und  Heraldik 
gleich  wichtigen,  in  der  Amhraseraammluog befindlichen  Gemäldes  „  Sitzung 
des  schwäbischen  Kreises",  gemalt  1540.  — Ein  höchst  inter- 
essantes Baudenkmal  publicirt  J.  Gradt,  nämlich  „die  Pfarrkirche 
Waldbausen"  im  unteren  Mühlviertel  (Ob.  Oesterr.).  iJieselb«  war  dem 
Fanatismus  der  Hussitenkriege  1428 — J432  zum  Opfer  gefallen.  Ihr  Neubau 
wurde  im  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  begonnen,  1612  beendigt  und  zeigt  dac 
gewiss  nicht  häu£g  vorkommtude,  gut  gelungene  lizperiment ,  dass  in  dtf 
Blüthezeit  der  Renaissance  der  Baumeister  für  Plananlage  und  alle  conatroo- 
tionellen  Theile  auf  die  besten  Torbilder  der  Gothik  zurückgriif  und  nur 
für  den  ornamentalen  Theil  die  Renaissance  zur  Geltung  kommen  liess.  Ein 
prächtiges,  au^  Granit  '20  Fuas  hoch  ausgeführtes  Sacramentshäuachen  ist 
im  Geiste  der  Gothik  concipirt  und  aufgebaut,  aber  streng  renaisaancistiscb 
ornamentirt.  —  Die  „kleinertin  Mittbeilungen"  dieses  zweiten  Bandes  entr 
halten  wieder  tiue  Fülltj  Lochinterefcssater  Berichte,  deren  wichtigste  wir 
leider  nur  kurz  erwähuen  können,  um  nicht  den  unserem  Referate  gegönnten 
Raum  allzuüebr  zu  überschreiten.  Mit  vielem  Interesse  haben  wir  von  dam 
„Bericht  über  die  Thätigkeit  der  k.  k.  Ce titral-Commission  in 
den  Jabren  1874  und  1876"  Kenntnis»  genommen.  Mit  Umsiebt  und, 
einer  von  wahrer  Begeisterung  für  die  grosse  Aufgabe  erzeugten  Entschie- 
denheit sehen  wir  hier  CommiBsionsmitglieder,  Conservatoren  und  Correspon- 
denten  für  die  Erforschung  und  Erlialtung  der  Kunstdenkmale  eintreten. — 
Dr.  C.  Lind  gibt  Beschreibung  eines  St.  Pöltener  Stadtrichtersch wertes; 
A.  v,  Gamesina  führt  seine  Beiträge  zur  Geschichte  des  Wiener  Ratb' ' 
hauses  zum  Schluss;  A.  Wiukler  bringt  eine  Reihe  hoch  interessanter 
Grabdenkmale  aus  Oberüsterreich ;  Freiherr  von  Sacken  gibt  BMchreibnng 


HittheiluDgen  tstir  Erforaobung  u.  Erhbltung  d.  Euaat-  u.  higt.  Denkmale.      179 


neuerer  Römerfaode  bei  S.  Agatha  im  Trannthal;  K.  Rosner  bespricht 
die  vou  ihm  aiifgenomraene  Kirche  zu  Sallapulka,  Dr.  C.  Lind  ein  präch- 
tiges Steinrelief  im  Mariazeller-riof  zu  Wien;  demselben  Autor  verdauken 
wir  einen  schönen  Beitrag  zur  Kunde  älterer  Wandmalereien  in  Tirol 
(11  Scenen  nua  dem  Leben  der  h.  Gatharina)  und  reich  illustnrte  Auf- 
nahmen und  Beschreibungen  raittelalterlicher  Städtebefestigungen  in  Nieder- 
österreich. Auch  die  jedem  Hefte  beigegebenen  „Notizen"  enthalten  viele 
lesenswerthe  Winke  und  Nachrichten  über  Ausgrabungen ,  Kirchenrestau- 
rationeu,  Schlosabautea,  Grabdenkmäler,  Werke  der  Kleinkunst,  Siegel, 
Gemälde  n.  dergl.  mehr. 

Der  dritte   Band    der    pMittheilungen''    wird  eröffnet   darch    eine 
Abhandlung  Albert   Ilg'a  über    „einWienerSculpturwerk   des 
16.   Jahrhunderts    und  eine  Wiederholung   in  Nürnberg", 
welche  grosses  kunatlnstorisches    Interesse  durch   deu   in  ihr    erbraciiten 
Nachweis  beanspruchen   darf,   dasa    ein    vielbewundertea    Renaissancedenk- 
mal   in    der    St.   Jacobskirche    zu   Nürnberg   aus  dem    Jahre    153  2    nach 
I einem   Denkmal  der  Wiener  Elisabethkirche   vom   Jahre    15  24    gefertigt 
worden    ist,    während,     wenn   die  genaue  Datirung   nicht   das   Gegentheil 
lehrte,  jeder  Kuastforscher  unbedenklich  in  dem  Wiener  Denkmal   Nürn- 
berger EiuflüBse  toustatii-en   würde.  —  Durch  Frhrn.   Dr.  E.  v.  Sac  ke  n 
erhalten   wir  Aufnahme   und   Detail-Beschreibung    der  dem  XIIl.    Jahrh. 
angehörenden,     noch    Auklänge    an    den     romanischen  Stil  aufweisenden 
gothiachen   „Kirche  zu  Pyhra  in    Niederös terreich",    1   Stunde 
von    St.   Polten,    sowie    der  in  ihr  enthaltenen   prächtigen    Renaissance- 
denkmäler.   —     Dr.    Carl   Lind    beschreibt    zwei    höchst    interessante 
„Krummstäbe  aus  dem   Domschatee  zu   Görz*',   wohin   dieselben 
nach   Aufhebung   des  Patriarchats   von  Aquileja  gelangt   sind.      Der  ältere 
von   beiden,   ein  verzierungBloBer  Holzstab   m[it  gemshomartiger    Krümme 
wird    dem  h.   HermagoraSt     dem  Schüler    des  h.   Marens  zugeschrieben. 
Archäologisch  beachtenswerth    ist  allein  die  dem  als   Reliquie    verehrten 
Stabe  gegebene  silberne  Fassung,   die  füglich  dem  XL  Jahrh.  entstammen 
könnte.      Wenn    aber  der   kunatgelehrte   Redacteur   der  „Mittheilungen" 
für  diese  Zeitbestimmung   einen  epigraphisclien  Fingerzeig  in  der  Inschrift 
findet,   welche  auf  einem   unter  dem  Nodua  angebrachten  Reifen  zu  lesen 
ist,   80  können   wir   ihm   darin   nicht  beipflichten.      Die   Inschrift  lautet: 
PATRIARCHA   DI   CRA*,    was  nach  Dr.   Lind   etwa    heissen  würde 
„Patriarch   von   Grado"    und  auf  eine  Zeit   hindeutete,    während  welcher 
der  Scliatz    von  Aquileja    sich    in   Grado  befand,    was  nachweislich   für 
einen   Theil  desselben  bis  zum   Jahre  1044   der  Fall  war.     Wir  möchten 
aber  sehr  bezweifeln,    dass  man  ira    11.  Jahrh.   „Patriarch   von  Grado" 
durch  P'Dl    GRA  wiedergegeben  habe,   da  die  Bezeichnung  P  '  GRAD 


MM     MNlMIWKf  «0  Mf  Mi^n^lmag  m. 


LEma^m. 


(iNSII)  tuA^tdingi  «pTMiilicl»   Bdw  \*g.    Wir  Mb«  in  Ol  GRA  «a- 
mvkf    »tr»«  A(«k(irxMn«r    /Qr  OEI   GRATIA,   wa»  gmin   gat  zu  der  -vonj 
f'r>  l<li(«l   I  >^ft  Nrytir,  pMMa  vfird«,  ds«  htat«r  deoa  Krccti 

«In  l)<i<«|iiilnl-  ;  !  r,  Olli  (vf/m  Namen  de«  P«triarcben?)  «ichtbftr  kL 
Iin4»ri»,  «Um  lUtrUrrliirn  T'oppo  (101 9 — 1  04  5)  zag««chriebeoe  Sub  teij 
(ii  )l)tr  KrIIrMfiin  iUn  (iiif  rrltiem  in  roroutücbcün  Motiv  stiii&irteo  Ast 
iiiiilMiii<lt<  ()«i4ii Ititiiiii  lult  dnm  Htauifunkreaze.  —  Präbendat  Fr.  Schneider 
littiohinlbt  dl«  ,,alii*niriitri  i>)>pnon  Taboroakeltbüren  von  See- 
fülil  t  it  'riri)l",  wi'ldho  für  tli«»  (lortigo  Kirche  durch  Erzherzog  Fer- 
diumid  Im  «InlirM  107  0  ku  Mailand  boxtollt  worden  waren.  Auf  den 
•Wtl  •mlmi  'riiCidn  i«t  da«  Intidtfl  Abundinahl  und  die  Scene  des  Brod- 
liriMiIhMiM  «u  Kinitun  <lftrf<iiNtoUt,  auf  der  dritten  das  Sncramentswunder, 
liwl  wnltiliroi  iili«  lV»>volliaftMr  Kiiter,  ()«wuld  MüUer,  8ur  Strafe  fik*  den  frevel* 
llll(\«u  Kiit|ifl»iiir  di>i'  OMtornonimunion  am  AIt«r  in  den  Boden  versank.  Wie 
du  In  )dkii(ot;i'A|di|«cltiiiu  rr««Nrndrtu-k  reprudacirteu  Tafeln  erkennfln 
liMWiiH,  littiidfli  t>«  aluh  liier  um  die  stÜToll  durchgeführte  Arbeit 
lUnhUifiMt  K(Mt«tiiaiuiw4^rk«ni,  tthrr  dessen  Namen  sich  aber  sieberes  akht 
«tvMebwu  l«Nt  "  IVfif.  Alfred  Weltmann  «rBtsttet  im  Aaflrag  der 
k.  k  lVittr«)*OiviumiMl<n)  eohr  «ing^hood  Benekt  aber  «die  Ocmftldt- 
«»UiimImuh  U  der  k«U«rU«li«a  Barg  in  Prag*,  4ia 
4««  l»«l««kl««iMM  i»  Su«|M  (•bOrto,  g«s«i«iitif  ftbar  aaf  o^  ISO 
tkiMlUA»  t»wamii»»ii^«>ibi>h«a  iai;  ^  danb  di*  mniki»ii«iw  6«- 
i»4»b»»  4«rH«Mry  M««li^Nit  mad'wbHiMi  wi^riJA  mmL     Em 

lkwMel^4*  i^^rMW  4m«4  ktrmtmmk  V««k»  virtrrtM.  —  1» 


MittbeiluDgeo  zur  Erforscbaog  n.  Erhaltung  d.  Kunst-  a.  bist.  Denkmale.      161 

fitetur  in  crace  Christtu"  mit  „ne  pereat  mundus  configitar  in  crace 
Christna"  lesen  möchten.  A.  Wink  1er  giebt  eine  Fortsetzung  der  Be- 
schreibung oberöBterreichischer  ürftbdenkmftle.  Conservator  K.  Rosner 
bringt  Aufnahme  und  Beschreibung  der  Kirche  und  Schlossraine  zu  Gars 
oud  der  in  ersterer  beiindlicheu  alten  Glasgemälde.  Dr.  Fr.  Picbler 
beschreibt  einen  zu  Pichelhofcn  in  Obersteier  an  der  Strasse  Noreia- 
ViBcellae  gefundenen  Römerstein  und  giebt  eine  sehr  eingehende  Ab- 
handlung über  das  Teurnia  der  Römer  bei  S^  Peter  im  Holz  in  der 
Nähe  des  Millstädter  See'a.  Hervorgehoben  zu  werden  verdient  auch 
noch  Prof.  Hause r's  Bericht  über  die  bei  Pola  ausgegrabenen  Mauern 
uod  FuBsbuden  eines  römischen  Gebäudes,  das  sich  durch  die  Analogie 
mit  pompejanischen  Anlagen  als  eine  römische  Tuchwalker -Werkstätte 
bestimmen  liess.  Aus  dem  Berichte  des  Conservators  S  chmo ranz  werden 
interessante  Daten  über  die  Burgruine  und  E&tharinenkapelle  der  Burg 
Kunetitz  bei  Fardubitz  in  Böhmen  mitgetheiU.  Dr.  Karl  Lind  giebt  die 
reich  illustrirte  Fortsetzung  seiner  sehr  interessanten  Arbeit  über  „Mittel- 
alterliche Städtebefestignngen".  Dem  Franciscaner  P.  Orgler  in  Hall 
verdanken  wir  beachtenawerthe  archfiologische  Notizen  aus  Südtirol,  dem 
Fabrikbesitzer  Dr.  Jenny  Bericht  über  weitere  Ausgrabungen  in  Bii- 
gantium  (Brcgenz),  dem  Dr.  v.  Bizarro  solchen  über  einen  Mosaik- 
boden  von  Lucluico  am  Isonzo-Ufer  bei  Görz,  der  aber  ausser  sechs- 
eckigem Muster  keine  weiteren  Darstellungen  enthält.  Aus  den  durch 
zwei  Tafeln  und  61  Holzschnitte  illuatrirten ,  reichhaltigen  „Notizen", 
deren  Zahl  sich  auf  neunundneanzig  beläuft,  sei  nur  erwähnt  der  Be- 
richt über  die  Ausgrabungen  zu  Salona,  woselbst  der  älteste  christliche 
Friedhof  mit  einer  in  dessen  Mitte  befindlichen  basilicalen  Märtyrer- 
kirche blosBgelegt  wurde,  ferner  die  Mittheilungen  Grueber's  über 
Wandmalereien  in  der  Eirchc  zu  Libis  bei  Melnik  sowie  ein  Bericht 
A.  Ilg^B  über  die  historische  Ausstellung  der  Academie  der  Künste  in  Wien, 
die  nur  auf  Grund  sehr  mühsamer  Vorarbeiten   zu  ermöglichen  war. 

Aldenkircben. 

Der  Geschichtsfreund.  Mittheilungen  des  historischen  Vereins 
der  fünf  Orte  Luzera  ,  (Jri,8chwyz,  Unterwald  en  und  Zug. 
32.  und  33.  Band.  Mit  2  rC'Sp.  6  artist.  Tafeln.  Einsiedeln, 
C.   und  N.  Benziger.      1877   und    1878. 

Wie  schon  der  Name  erkennen  lässt,  liegt  der  Schwerpunkt  der 
n  G  esch  ichtsfreund '^  niedergelegten  Forschungen  auf  historischem 
Gebiete.  Die  beiden  Bände  3  2  und  33,  welche  für  die  Jahre  1877 
nnd  1876  zur  Vertheilung  an  die  Mitglieder  gelangten,  enthalten  denn 
axtch  wieder  eine  grosse  Zahl  gründlicher  Untersuchungen  zur  schweize- 
rischen Specialgeschichte,    die    aber  auch    in  mehrfacher  Beziehung   für 


182 


Der  Gescbichtsfrcand. 


weitere  Kreise  von  IntercBse  sind.  Indem  wir  ober  die  beiden  B&nde 
hier  kurz  referiren,  beschränken  wir  uns,  dem  Zwecke  unserer  ^ Jahr- 
bücher'' entsprechend,  auf  eine  knappe  Inhaltsangabe  der  betreffenden 
Aufsätze  und  gestatten  uns  nur  dort  ein  näheres  Eingehen,  wo  archäo- 
lo^sche ,  beziehungsweise  kuustgeschichtliche  Fragen  in  denselben  zur 
Erörterung   gelangen. 

Aus  dem  den  3  2.  Band  eröffnenden  Jahresbericht  ersehen  wir, 
dass  der  Verein  seine  Jahresversammlungen  abwechselnd  in  den  Haupt- 
orten des  Vereinsbezirkes  abhält,  dass  die  Vereinsangelegenheiten  durch 
den  Aueschuss,  der  sich  zu  wiederholten  Sitzungen  Tersammelt,  erledigt 
werden,  dass  die  Mitglieder  sich  behufs  Förderung  der  Vereinsinteressen 
in  Sectionen  zusammenfinden,  welche  den  wiederholt  seitens  des  Pri- 
sidiums  unseres  rheinischen  Alterthumsvereins  angeregten  Localve  reinen 
bezüglich  ihrer  Organisation  und  der  Verbindung  mit  dem  Central- 
vereiu  entsprechen,  dass  die  Zahl  der  Mitglieder  ca.  350  beträgt  und 
dass  die  schöne  alte  „Gemeindestube"  im  Zuger  Rathhanse  nach  Be- 
endigung ihrer  stilgerechten  Restauration  zur  Aufnahme  der  antiquari- 
schen Sammlungen  bestimmt  ist.  —  Staatsarchivar  Theo d.  von  Liebeosa 
in  Luzern  schildert  aktenmassig  die  Beziehungen  der  Eidgenossenschaft 
zum  Auslände  in  den  Jahren  1447  bis  145  9  meist  an  der  H&nd  des 
im  Lnzerner  Arcldv  aufbewahrten,  theilweise  sehr  lückenhaften  Materials. 
Trotzdem  gelingt  es  ihm,  ein  lebensvolles  Bild  jener  sehr  bewegten 
Periode  zu  entwerfen,  in  welcher  seitens  der  verschiedensten  Staaten 
Versuche  gemacht  wurden,  mit  der  Schweiz  In  politische  Beziehungen 
zu  treten  resp.  dieselbe  mit  dem  einen  oder  anderen  Nachbarstaate  io 
folgenschweren  Conflikt  zu  bringen.  Wir  erhalten  ausführliche  Angaben 
über  die  Beziehungen  der  Schweiz  zu  Mailand,  über  die  Betheiligung 
von  Schweizer  Soldtruppen  an  den  Kämpfen  der  Nürnberger  gegen  den 
Markgrafen  Albrecht  Achilles  von  Brandenburg,  ferner  über  die  Be- 
ziehungen der  Eidgenossen  zu  Biirgand,  zu  Frankreich  nnd  zn  den  Her- 
zogen von  Oesterreich,  sowie  den  Abdruck  der  wiclitigeten  Original- 
aktenstücke. —  Kanzleidirector  K  ä  1  i  n  in  Scliwyz  giebt  eine  sehr  mühe- 
volle, weil  aus  dem  urkundlichen  Material  zahlloser  Archive  erst  zasam- 
mengelesene  Aufstellung  der  Landammänner  des  Landes  Seh wyz  von  1  275 
bis  zur  Gegenwart.  —  Chorherr  A  e  b  i  in  Münster  schildert  den  Tmch- 
sess  Heinrich  von  Diessenhofen  nach  seinen  Lebensverhältnissen  und  seiner 
schriftstelleriacheii  Thätigkeit  als  Zeitbuchsclireiber  und  Fortaetzer  der 
Kirchongcschichte  des  Ptolemäus  von  Lucca.  Besonderes  Interesse  ver- 
dient der  vom  Verfasser  geführte  Nachweis ,  dass  von  Heinrich  von  Dieseea- 
hofen  nicht  die  Additio  herrüliren  könne,  welche  den  Kaiser  Heinrich  VII. 
1313  durch  Darreichung  einer  vergifteten  Hostie  gemordet  werden  lässt, 
dass   die   Autorschaft   dieses   Märchens   vielmehr  einem  Italiener,    speciell 


Der  GeBchichtsfreond. 


183 


einem  Mailänder,  zuzuschreiben  sei.  • —  J.  Bülsterli  giebt  eine  Ge- 
schichte der  Einführung  und  Reduction  kirchlicher  Feiertage  im  Kanton 
Luzem.  —  Prof.  Brandetetter  liefert  den  wohl  kaum  nocli  anfecht- 
baren Nachweis,  dass  die  älteste  Urkunde  eines  BuadoB  zwischen  Zürich, 
Uri  und  Schwyz  dem  Jahre  1291  und  nicht  1261  entstamme,  wie  viele 
Historiographen  auf  Grund  einer  Fälschniig  der  in  Zürich  befindlichen 
Original-Urkunde  angenommen  haben.  Man  hat  nämlich,  wie  ßii^h  auch 
aus  der  beigegebenen  photographischen  Reproduction  der  Urkunde  erkennen 
läast,  die  üatirung  (in  dem  Jare  do  von  Gottea  Gebui't  waren  zwelf- 
bundert  und  eis  und  nünzigJar)  d/ihin  geändert,  dass  m«n  das  erste  n 
dea   Wortes  nünzig  ausradirte   und  durch  f  ersetzte. 

Im  33.  Bande  (1878)  des  „Geschichtafreund"  liefert  Prof.  Franz 
Rohrer  einen  sehr  schätzenswerthen  Beitrag  zur  Schweizeriechen  Kirchen- 
geschichte durch  die  Abhandlang  über  Reformbestrebungen  der  Estholikoii 
in  der  schweizerischen  Quart  des  Bisthums  Constauz  vod  1492  bis  1531.  — 
P.  Adalb.  Vogel  bringt  die  Fortsetzung  einer  im  7.  und  1 1 .  Bande  bereits 
begonnenen  Arbeit  über  die  HerrschaJ tsrechte  von  Eng«lberg.  —  J.  Ämberg 
verdanken  wir  eine  sorgfältige  Studie  Über  alte  Wandgemälde  im  Hanse 
des  Herrn  d'OrelH-Corragioni  in  Luzern  und  deren  Stifter,  den  Apotheker 
Conrad  Glauser,  der  dieselben  kurz  nach  dem  Jahr  1523  durch  einen 
unbekannten  Meister  anfertigen  liess.  Dass  nicht  Hans  Holbein  d.  J.  die- 
selben gefertigt  haben  könne,  bat  entgegen  anderweiter  Behauptung  ja 
Bohon  Ä.  Weltmann  in  seiner  trefflichen  Holbein-Biographte  dargethan.  Die 
vom  Verfasser  unseres  Aufsatzes  ausgesprochene  Vermathung  dürfte  daa 
Richtige  treffen.  Er  hält  nämlich  die  Malereien  för  das  Werk  eines  Zeit- 
genossen von  H.  Holbein,  der  wie  dieser  den  überall  erwachten  Geist  der 
Renaisnaiice  iu  sich  aufzunehmen  bemüht  war,  aber  aus  Mangel  an  Genia- 
lität weit  hinter  seinem  berühmten  Zeitgenossen  zurückblieb.  —  Ein  unge- 
nanntes Yereins-Mitglied  liefert  eine  sehr  eingebende  und  umfangreiche 
Geschichte  des  reizend  am  Zuger-See  zu  Füssen  der  Ripi-Pyraraide  gelegenen 
SchlösBchens  Buonas,  die  kein  allgemeineres  Interesse  beansprucht.  — 
Job.  Schiff  mann  bringt  den  Versach  einer  Geschichte  des  Schulwesen« 
im  Lande  Uri,  woselbst  bis  in's  14.  Jahrhundert  der  ganze  Unterricht,  den 
die  Jugend  des  Landes  damals  erhielt,  in  der  kirchlichen  Belehrung 
bestanden  zu  haben  scheint,  wenn  auch  einzelne  Landeskinder  durch  die 
Geistlichen  so  weit  vorgebildet  wurden,  dass  sie  sich  dem  Priesterstande 
widmen  oder  das  wichtige  Amt  eines  Landschreibers  bckk-iden  konnten. 
Im  15.  Jahrhundert  bildeten  Lesen,  Rechnen  und  Schi eiben  den  Gegenstand 
des  UnteiTichts  im  Lande  Uri,  woselbst  die  erste  öfiTentliohe  Schule  in 
Altdorf  mit  fiürgler  als  Lehrer  (1472)  bestanden  hat.  Elrgiebiger  sind 
SohiffmaoD'a  Quellen  für  die  Entwicklung  des  Scholwesens  mit  Beginn  de« 


184 


Gencbicbte  der  Pfarre  St.  MaaritiuB  eu  Köln. 


16.  Jahrhunderts  and  gewährt  er  ans  demgemäss  an  der  Haud  des  Quell* 
materi&ls  sehr  iatereasante  Blicke  in  die  damaligen  ZeitverhältnisBe.  —  Dem 
hochverdienten  Präsideuten  des  Vereins  der  5  Orte,  Herrn  Prof.  Dr.  Lütolf 
in  Lazern,  verdanken  wir  Regesten  und  Urkunden  des  FaroilienarchiTs  der 
Rusconi  in  Luzem  sammt  geachichtlicber  Erörterung.  Die  Ruscoui  etamme 
BUS  Gomo,  dem  späteren  Hauptsitz  ihres  Geschlechtes,  von  wo  aus  sie  ah* 
RuBca,  Ruflconi,  Ruschga  in  Italien  und  in  der  Schweiz,  hauptsächlich  in 
Bellenz  (Bellii)zona)  und  Luzern^  als  Krtegshelden,  Staatsmänner,  Gelehrte 
uud  Geistliche  hervorragende  Aemter  bekleideten  und  vom  Jahre  1153  an 
nrkundlich  erwähnt  werden').  Aldenkirchen. 

5.  Geschichte  der  Pfarre  St  Mauritius  zu  Köln.  Von  Adolph 
Thomas,  Definitor  und  Pfarrer  von  St.  Mauritius.  Mit  einer  Ab- 
bildung der  alten  Abtei  St.  Pantaleon  nach  Stengelias.  Köln  1878 
bei   J.    P.    Bachern. 

Der  Verfasser  bietet  in  dieser  Schrift  mehr,  als  der  bescheidene 
Titel  derselben  verspricht.  Wenn  Herr  Pfarrer  Thomas  auch  im  All- 
gemeinen von  der  Pfarre  und  der,  besonders  in  älterer  Zeit,  eng  damit 
verbundenen  Abtei  St.  Pantaleon  ausgeht,  so  weiss  er  doch  so  viele 
geschichtliche  Thatsachea  und  wissenswerthe  Mittheilungen  über  die  alten 
kölner  Adelsfaniilien ,  die  bäurischen  Genossenschaften,  die  Klöster  and 
dergl.  mehr  in  seinen  Text  zu  verweben,  dass  auch  derjenige  Geschicht«- 
und  Alterthumsfreund,  welcher  nicht  durch  das  lokale  Interesse  gewonnen 
wird,  diese  Geschichte  der  Pfarre  St.  Mauritius  mit  Befriedigung  lesen 
wird ;  und  zwar  um  so  mehr,  als  durch  genaue  Angabe  der  Quellen  dem 
Buche  die   wissenschaftliche   Brauchbarkeit  gegeben   ist. 

Besonders  verdienstlich  ist  aber  diese  Schrift  auch  dnrcli  den  Um- 
stand, dass  dieselbe  durch  ihren  immerhin  mehr  lokalen  Charakter  ihren 
Leserkreis  auch  auf  die  Schichten  ausdehnt,  in  welche  sonst  geachicht- 
liche  und  archäologische  Bücher  nicht  leicht  Zugang  finden.  Hierdurch 
wird  der  Sinn  für  das  Alterthum  auch  in  Kreisen  geweckt,  wo  der- 
selbe sonst  zu  den  Seltenheiten  gehört,  und  würden  wir,  wenn  ähnliche 
Special-Werke  häufiger  wären ,  seltener  in  die  Lage  kommen,  da«  Zo- 
gfrnndegehen  ehrwürdiger  Zeugen  der  so  reichen  rheinischen  Vergang 
heit,  seien  es  Urkunden  oder  Gegenstände  des  Kunstgewerbes,  zn  be* 
klagen,  welche  durch  die  Gleichgültigkeit  und  Unkenntniss  der  Be 
theiligten   verloren  gingen. 

Bonn.  van   Vleateo. 


1)  Es  liegt  gewiss  im  Interesse  unserer  Mitglieder,  von  solchen  bedeutenden 
Zeitschriften,  welche  nur  in  beschränkterem  Maasse  bekannt  werden,  Referate  lu.  | 
erhalten.    Herr  Rector  Aldenkirchen  hat  auf  Wunsch  des  Yoratandes  dieaelt 
zu  erstatten  freundlichst  übernommen,    worauf  wir  aufmerksam  sn  machen  o&i' 
erlauben.  Die  Bed. 


HL  Miscellen. 


1.  A.ix  in  FTankreicb.  Bei  Erdarbeiten  in  der  Stadt  ist  man  auf  die 
Substructionen  einer  alten  Stadt  gestossen.  Unter  anderem  bat  man  viele 
Mosaikbdden  nnd  gut  erhaltene 'antike  Wandmalereien  nufgelunden. 

2.  Andernach.  "Vor  Kurzem  erwarb  ich  in  Andernach  ver- 
schiedene kleine  Alterthümer  für  dae  Provinzial-Museum,  von  denen  zwei 
mir  der  Erwähnung   wertb   zu  Bein  scheinen. 

1)  Ein  kleines  schwarzes  Thontrinkgefäss  mit  der  in  weisser  Farbe 
ftofgetrageuen  Inschrift  MI  AS,  welche  mir  bis  jetzt  noch  nicht  bekannt 
geworden. 

2)  Eine  etwa  5  cm  hohe  Maske  in  Thon,  welche  sich  dadurch 
vor  den  andern  ziemlich  häufig  hier  gefundenen  ähnlichen  Gegenständen 
auszeichnet,  daes  sie  an  mehreren  Stellen  Spuren  einer  mehrfarbigen 
Bemalung  zeigt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  sah  ich  in  der  kleinen  Alterthümer-Samra- 
lang  des  Andernacher  Rathhauses  ein  weiteres  Trinkgefäse  ;  dasselbe  ist 
grösser  als  das  vorher  beschriebene,  von  sehr  schöner,  glänzend  schwarzer 
Farbe,  und  hat  neben  andern  Ornamenten  die  mit  dicker  weisser  Farbe 
sehr  sauber  aufgetragene  Inschrift  MERVM.  Diese  Insclirift  fehlt  auch 
in  der  reichen  Sammlung  ähnlicher  Gefäese  in  unserm  Provinzial-Museum 
und  mag  zum  Beweise  dienen,  dass  die  Römer  in  unseren  kälteren  Pro- 
vinzen von  der  heimischen  Sitte,  den  Wein  nur  mit  "Wasser  vermischt 
zu   gemessen,   vielfach   abwichen.  van   Vleuten. 

8.  Bertrich.  Im  vorigen  Herbst  stieas  eiu  hiesiger  Einwohner 
Nicolaas  Stein  auf  der  kleinen  Berghalde,  welche  den  hiengen  Ort  im 
Westen  begrenzt,  in  der  Nähe  der  Stelle,  wo  man  vor  20  Jahren  den 
ganzen  Unterbau  einer  römischen  Villa  blossgestellt  hatte,  auf  ein  Röraer- 
grab.  Dasselbe  lag  so  nahe  an  der  Oberfläche  am  oberen  Rande  des 
abbüngigen  Feldes,  dass  es  beim  Ausgraben  der  Kartoffeln  vom  Rarste 
berührt  wurde.  Es  war  aus  anfrechtstehenden  Ziegelplatten  hergestellt 
und  hatte  im  Inoera  einen  lichten  Raum  von  17  Zoll  nach  jeder  Richtung. 


186 


Miscellea. 


Der  labalt  bestand  aas  einer  Ascbecnrne,  welche  ausser  Asche  auch  noch 
härtere  Ueberreste  der  Gebeine  und  des  Schädels  enthielt,  jedoch  durch 
den  Druck  zerbrochen  war,  einem  gelben,  einhenkligen  16  cm  hoben  Thon- 
krug,  einer  kleinen  irdenen  Lampe  mit  dem  Stempel  FORTIS,  ferner  auB 
einer  kleinen  sitzenden  Statuette  der  Minerva  aus  weissem  Thon,  etwa 
7  Zoll  gross,  und  einer  gläsernen  Schale,  welche  leider  zerbrochen,  da 
dieselbe  sehr  dünn  von  Stoff  war.  Die  Lampe  und  die  Statuette  gelaogtea 
in  das  Bonner  Pro^Hnzial-Moseum. 

4.  Bonn.  Seit  Herausgabe  des  vorletzten  Heftes  unserer  Jahr- 
bücher sind  wieder  mehrere  Töpferstempel  auf  terra  sigillata  Scherben 
in   meine   Hände  gelang^,   deren   Beschreibung   ich   folgen   lasse: 

1.  AI+.     Heft  LX   S.    76.     Schuermans    167.  Fr.    51. 

2.  BOVDVS  FE.    Seh.   867   hat   F  oder  FEC. 

3.  MAR"t".     Seh.  3331.     Es   ist  deutlich  zusehen,  dass  der  Stempel 

nicht   grösser  war. 

4.  MAR+A  FE.    Seh.   3335. 

5.  MARTAL  FE.    Seh.  3339. 

6.  L-a'R'SECV^  LTER-SECV.   Seh.  5023. 

7.  OF   SE.      Seh.    5011. 

8.  SECVNDA     Seh.  5038. 

9.  rVrrO.  Hen-Prof.  Bücheier  liest  diesen  Stempel  TVTTO, 
während  ich  auch  IVSSO  oder  TVSSO  für  möglich  halten  möchte, 
freilich  wäre  bei  letzterer  Lesung  die  Form  des  S  eine  ganz  un- 
gewöhnliche. In  Seh.  findet  sich  weder  TVTTO  noch  IVSSO  oder 
"FVSSO,  dagegen  hat  derselbe  Nr.  2568  lASSO  und  Jahrb.  LUI 
und   LIV   hat  S.    311    lASSVS. 

10.  VRBANVS  F^       Seh.  5920. 

Aller  Wdlirscheinlichkeit  nach  stammen  diese  Stempel  von  der  schon 
im  Jahrb.  LIX  S.  38  und  LX  S.  75  erwähnten  Fundstelle  am  alten 
Exercierplatze .  indem  zur  Zeit  der  Erwerbung  dort  die  früher  ausge- 
worfenen Schuttmassen  theilweise  zum  Ebenen  des  Grundstückes  Ver- 
wendung fanden.  van   Vleaten. 

5.  Düsseldorf.  Zu  unserer  Besprechung  des  Hölzermann'scbea 
Werkes  Jalirh.  LXII,  130  ff.  haben  wir  Einiges  nachzutragen.  S.  134 
haben  wir  die  Strasse  bei  Neuenheerse,  von  welcher  ein  20  Ratheo 
langes  Stück,  and  etwa  1500  Ruthen  weiterhin  ein  anderes,  aufgefunden 
worden,  nicht  als  eine  römische  Heeratrasse  ansehen  können,  da  die  Breite, 
nach  der  Angabe  bei  Hölzermann,  nur  6  Fubs  beträgt.  Nun  schreibt  ans 
Herr  Freiherr  H,'eereman    von  Huydtwyck:    „Ich    bin    selbst    bei  der 


Miscetlen. 


187 


^XJntersuohting  gewesen.  Die  Steinbahn  ist  nicht  6,  sondern  1 6  F,  ungefähr 
^rett.  Im  Druck  ist  Ak  1  vor  der  6  irrthürulich  ausgelassen. "  Dadurch 
Sndert  sich  die  Sache  freilich  sehr;  zwar  ist  big  jetzt  weder  in  der  Rhein- 
provioz  noch  in  Westfalen  eine  RönierstrasBe  aufgefunden  worden,  welche, 
wie  die  beiden  Stücke  bei  Neueiiheeree,  ein  förnilicbea  Steinpflaeter  trägt, 
und  Oberatlieutenant  Schmidt  leugnet  das  Vorkommen  römiBchen  Straesen- 
päasters,  aasserhalb  der  römischen  Ortschaften,  diesseits  der  Alpen  über- 
haupt. Wir  haben  aber  hei  unsern  Unteraucliungen  auf  der  rechten  wie 
auf  der  linken  Rheinseite  gefunden,  daes  die  aus  Erddämmen,  mit  oder 
ohne  SteiDmaterial,  construirten  Bömerstrassen  da»  wo  sie  in  gebirgiges 
Terrain  treten,  insbesondere,  wo  sie  an  steilen  Bergwänden  rampenartig 
hinaufziehen,  nicht  mehr  aus  Dämmen  bestehen,  sondern  ein  zu  ebener  Erde 
gelegenes  Steinpflaster,  aus  grossen  polygonischen  Steinen,  besitzen,  und 
ein  solcher  Fall  acheint  auch  bei  den  Strassenreaten  von  Nouenheerse  vor- 
zuliegen. Wir  können  daher  die  fernere  Unlersuchu&g  dieser  Strasse  dka 
dortigen  Alterthumsforachem  nur  empfehlen,  wobei  man  aber  von  der 
Meinung,  als  hätten  die  Römerstraasen  in  Westfalen  in  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung aus  Steinmaterial  bestanden ,  wird  abgehen  müssen,  wenn  man 
nicht  vergeblich  suchen  will;  vielmehr  wird  man  die  ferneren  Fortsetzungen 
in  den  Resten  der  Erddämme,  aus  welchen  die  Strasse  durchweg  bestand, 
aofsachen  und  erkennen  müssen.  —  Derr  Freiherr  H.  von  Huydtwyck 
schreibt  uns  ferner:  „Für  eine  germanische  Nachahoiung  römischer  Lager 
giebt  es  kein  sicheres  Beispiel,  kein  historisches  Zeugniss,  sondern  bloss 
YermuthuDgen.  Tncitus  sagt  nur  von  den  Chatten  in  der  Germania  (c.  30) 
„vallare  «nctem*,  als  etwas  Besouderes,  aber  von  keinem  anderen  Volke." 
Todeni  wir  dem  vollkommen  beitreten,  fügen  wir  dem  S.  139  Gesagten 
noch  hinzu,  dass  den  Germanen  eine  Nachahmung  römischer  Lager  um  so 
ferner  lag,  als  die  regelmässige  Form  und  innere  Eintheilung  des  römischen 
Lagers  mit  der  gesnmmtpn  Heeresorganisation  umd  namentlich  der  Gh'edc- 
mng  zur  Schlachtordnung  innig  zusammenhing,  während  die  Gliederung 
des  germanischen  Oeeres  weder  mit  der  rechteckigen  Form  noch  dem 
Prätorinm  im  Innern  eine  Beziehung  hatte.  Erst  als  nach  der  Völker- 
wanderung eich  die  Grundsätze  der  römischen  Kriegführung  bei  den  ger- 
manischen Stämmen  weiter  ausgebreitet  hatten,  finden  wir  namentlich  bei 
Franken  und  Sachsen  auch  deutliche  Nachahmungen  der  römischen  Befesti- 
gongsweise.  J.  Schneider. 

6.  Funde  in  der  Eifel.  Kyll-Fluas.  A.  Jünkerath,  Venus- 
tempelchen  bei  Jünkerath.  Im  Thiergarten,  einige  Schritte  hinein  in 
die  Waldeckc    zwischen  dem   Birrenbach  und  der  Eyll,  auf  dem  linken 


188 


Miscellen. 


Ufer  gen.  Bäche,  östlich  von  der  Schloasraine  Jünkerath,  eatnahm  man 
im  Jahre  1854  oder  1856  beim  Anlegen  eines  Holzweges  zum  An- 
schütten Grund  in  dem  ,,am  Ycnustempelchen"  gen,  Districte  and 
traf  in  das  verschöttete  Tempelchen,  dessen  Grund-Inhalt  nun  aasge- 
räumt wurde.  In  Esch  damals  wohnend,  begah  ich  mich  sogleich  zum 
Fundorte  und  fertigte  folgende  Beschreibung  an :  Das  zu  allen  Seiten 
im  Boden  steckende,  1'  8"  rh.  dicke,  Mauerwerk  aus  Hasselsteinen  auf 
dem  Grundriss  eines  im  Lichten  1 5'  Durchmesser  haltenden  Kreises 
nimmt  zu  gleichmässig  mit  dem  ansteigenden  Berge  von  ü"  bis  auf  4V>'. 
Dieses  höchste  Manerstück  ist  eine  vom  Fussboden  aufsteigende  Nische, 
4'  7"  breit,  10'  2"  tief.  Zu  beiden  Seiten  der  Nische  und  an  den 
beiden  Aasgängen  tritt  das  Mauerwerk  etwas  nach  innen  vor  wie  Halb- 
pfeiler. Die  innere  MauerOäche  des  Tempelchens  hat  unten  ein  Band 
von  Basaltkies,  drüber  ein  solches  von  Hütteoschlacken,  jener  wie  diese 
in  den  Mörtel  gedrückt.  Beide  rundumlaufende  Streifen  sind  4''  dick 
und  10"  hoch.  Der  wohlerhaltene  horizontale  Fussboden  ist  gepflastert 
mit  blauen  und  weissen  Quarzsteineben.  die  eine  Blume  darstellen.  In 
jeder  Ecke  der  Nische  steht  auf  dem  Boden  eine  Sänle  von  Stoloktit  in 
rohem  Zustande  und  dazwischen  auf  dem  Boden  ein  Trögelchen  von 
rothem  Sandstein,  lang  iVj',  breit  lO",  tief  2V2".  Auf  dem  Boden  des 
Geb&udchens  fand  ich  Glimmer,  Perlmutter,  Muscheln,  geformte  GypB- 
stuckstücke,  Mürtelstücke  mit  rother  Farbe,  Schieferstücke  u.  s.  w<  Die 
Aussicht  gellt  auf  die  Burg  und  das  Kyllthal  hinauf  bis  Stadtkyll. 
—  Herr  Prof.  Dr.  J.  Schneider  (Das  Kyllthal,  1843,S.  25)  schreibt 
(ohne  Quellenangabe)  „andere  (Steine  des  Denkmals  za  Jünkerath)  wurden 
verbraacht  zum  Aufbau  eines  sogenannten  Veuuatempelchens,  welches  die 
Grafen  von  Manderscheid  an  der  Stelle,  wo  ehemals  ein  römischer  Tempel 
der  Venus  gestanden,  errichten  und  mit  Bildsäulen  ausschmücken  Hessen." 
Der  jetzige  Bau  würde  in  dem  Falle  Interesse  haben,  wenn  »ich  fest- 
stellen  Hesse,  ditss   er  auf  dem    römischen   Unterbau   steht. 

B.  B  a  s  b  e  r  g.  Das  Feld  in  dem  Winkel,  den  Bröhls-  nnd  Krumm- 
bach   machen,   ist  übersät  mit  römischen    Dachziegeln. 

C.  Betteldorf,  Einen  Steinwurf  östlich  vom  Orte  im  Distrikt 
„Hallerkloster"  sah  ich  auf  den  an  den  Wald  stossendea  Feldern 
eine  Masse  rothe,  gelbe  und  weisse  Böden,  Seiten-  und  Randstücke  von 
römischen  Gefässen,  rotho  Mauer-,  Hohl-  und  Flacliziegel  und  rothe  Ziegel 
mit  Schlangenlinien.  Gemäss  Erzählung  eines  Mannes  in  Wetteldorf 
wurde  aufgedeckt  in  gen.  Distrikt  eine  Schüssel,  gefüllt  mit  Asche,  um- 
geben zu  jeder  Seite  mit  einem  3'  l'/i"  hohen  und  langen  Backofen- 
stein  und  gedeckt  mit  einer  Hasselplatte,  ferner  Münzen  und  ein  5  Pfund 
wiegendes  Bleirohr.  Anstossend,  im  Walde,  bemerkte  ich  einen  mit 
Graben    umgebenen    ebenen   Quadratplata,      Hier    soll   die  Klosterkirche 


Miscellen. 


169 


gestandien  haben  mit  QDtorirdischem  Gang  zur  Casselburg.  Es  klingt 
hier  holil.  Der  Graben  iet  noch  5  Schritte  breit,  ausgerlialb  desselben 
ein  Damm.  Der  inuere  Raum  des  Quadrates,  so  hoch  wie  der  Damm, 
misst  nach  jeder  Seite  4  6  Schritte.  Nördlich  von  hier  erhebt  eich  der 
Berg  Döhm  und  nordwestlich  von  diesem  der  Kahlenberg,  an  deren 
südlichem  Fusa  die  Römerstrasse  Hillesheim-Dreis  vorbeizieht. 
D.   Gerolstein. 

a.  Im  Jahre  184  8  oder  184  9  fand  Franz  Erasmi  in  seinem  Garten 
„in  der  Ramm",  Steine  und  Hecken  beseitigend,  eine  Mörtelmauer 
und  neben  ihr  ein  kleines  Krügelchen,  gefertigt  aas  Steingeschirrerde, 
ohne  Handhabe,  S'/a''  Zoll  hoch  mit  2'"  dicken  Wänden,  oben  so  eng, 
dass  man  es  mit  einem  Korkstüpsel  verschliessen  kann,  theilweise  ange- 
füllt von  fetter  grauer  Erde.  Neben  diesem  Krüglein  fand  man  einen 
Antouinian  vun  Gordianas  III.  Av.  jagendlicher  Kopf  mit  Strahlenkrone. 
Rv.  „fides  militum'*.  Die  Münze  gelangte  durch  Bärscli  an  die  Gesell- 
schaft f.   n.    F.   zu   Trier. 

b.  Johann  Udelhoveu  fand  im  Frühjahr  1853  auf  ,,Jod  enpesch" 
auf  einem  frischen  Maulwurfhanfen  eine  Münze  des  r.  Kaisers  Diocle- 
tianus  und  eine  zweite  mit  griechischer  Umschrift  nebat  einem  grossen 
verzierten  Kreuz  auf  der  Rückseite.  Gelangten  durch  Barsch  an  d.  G. 
f.  n.   F.   z.   T. 

c.  Dass  die  auf  dem  Judeakirchhof  und  sonstwo  sich  findenden 
kleinen  Thonfiguren  nicht  wirkliche  Götzenbjlder  waren,  sondern  von 
den  ADbetcrn  der  Götter  diesen  zum  Dank  für  etwa  erlangte  Erhörung 
und  dergl.  geopfert  wurden ,  scheint  mir  sehr  wahrscheinlich ,  indem 
noch   heutzutage  die  Christen  solche   Votivgeschenke   bringen. 

d.  Auf  „Detzenlay"  soll,  nach  Aussage  meines  Oheims  Eis  in 
Niedereich,  der  frühere  hiesige  Förster  Rosier  dem  Christoph  Hansen  von 
hier  erlaubt  haben,  zu  schiffeln,  wo  sich  dann  viele  Dachschiefer  zu- 
sammenliegend  gefunden   haben   sollen. 

e.  Die  Röhren  von  einer  früheren  alten  Wasserleitung,  welche 
mein  Oheim  Eis  von  Niedereich  im  Winter  1854/55  auf  dem  ,,Langen- 
drie&ch*'  oben  „Uressang"  mitten  in  den  Feldern  ausgrub,  von  Stein- 
gut, waren  16  — 17"  lang,  weit  im  Lichten  l*/«"i  «"^d  ^^^  dünnere 
Ende,  zum  Einstecken  in  ein  anderes  Rohr,  hatte  2''  von  der  Mündung 
einen  stark  V«"  erhöhten  Ring.  Die  Röhren  schienen  oline  Verkittuug 
gewesen  zu  sein,  wenigstens  konnte  man  davon  nichts  entdecken.  Auch 
fand  Eis  einige  Röhren  aus  schwarzer  Erde  und  mehrere  von  weisser 
porzellanartiger  Farbe,  welche  aber  alle  faul  und  mürbe  waren.  Alle 
20  Schritte  lag,  anstatt  der  heutigen  Visillrdhre,  ein  viereckiger  Stein 
von  ungleicher  Grösse ,  in  den  au  beiden  Seiten  die  Röhren  hinein- 
gingen,    im  Innern    aber  3 — 4"    von  einander    blieben.      Oben  in  dem 


190 


Miaeellen. 


Steine    war  eine  längliclio   viereckige,    init  einem  Steine  bedeckt«  Oeff* 
nung,   duTcb   welche  mau  an  die  beiden   Rolirenenden  gelangte. 

(Nr.  D  habe  ich  entnommen  aus  den  gesammelten  Notizen  dee 
Maurermeisters  Friedr.   Cremer  in  Gerolstein.) 

E.  Birresborn.  Hier  wurden  aufgedeckt:  rum.  Münzen,  röm. 
Mauerwerk  und  ein  Badatübchen.  —  Bei  Ausräumung  des  Platzes  für's 
jetzige  Pfarrhaus  wurden  gefunden  rothe  Ziegel,  ein  Topf  mit  Kohlen 
und   ein  Krug  mit   Quecksilber. 

(Ausgezogen  aus  dem   Kirchenbuch   zu   Birresborn.) 

F.  Eichelbach  (Eielbacb).  Wo  der  Weiler  d.  N.  steht  hat 
man  Mauerwerk  mit  Lehm  verbunden  gefunden  und  «inen  Ofen  voll 
Ton   sogen.   Buttertöpfen.    (Mündliche  Mittheil,   des  J.  H.  Hofmaun   dort..] 

G.  Kyllburg.  „Einen  interessanten  Fund  habe  ich  in  diesem 
FrÜhjalire  auf  uaserem  Steinbruche  liier  gemacht,  Beim  Abräumen 
wurden  n&mlich  circa  lÜORömerumen  ausgegraben,  da  dieselben  jedoch 
eo  nahe  an  der  Oberfläche,  kaum  1  Fuss  tief,  standen,  waren  die  meisten 
zerbrochen  und  wurden  nur  acht  Stück  ganz  erhalten.  Dieselben  waren 
verschieden  an  Form  und  Grösse,  in  einigen  waren  kupferne  Spangen, 
welche  noch  gut  erhalten  sind,  scheinbar  emaillirt."  —  (Brief  Tom 
29.   Sept.    1875    des   Maurermeisters  P.   Ludwig  in   Kyllburg.) 

H.  Pfalzkyll  (Kyllpfalz).  Zwischen  dem  Hof  und  der  Bur^g- 
ruine  d.  N.  findet  man  im  Boden  grosse  und  kleine  Särge  in  Menge, 
gehauen  aus  einem  Steine,  oder  aus  6  Steinplatten  componirt,  orientirt 
von  Osten  nach  Weateu.  angefüllt  mit  Grund,  worin  sich  die  in  Staub 
verwandelten  Knochen  durch  weisse  Farbe  abzeichnen.  Ein  Sargtrog 
von  8'  Länge  enthielt  nebst  Erde  und  Knochenstaub  an  der  rechten 
Seite  einen  Holzdegen  mit  silberbeschlagenem  Griff.  Einige  solcher 
kleinen  im  Boden  steckenden  Kastengväber  zeigte  mir  der  Hofspächter, 
dem  ich  obiges  Referat  danke  ').  Bei  der  Ruine  sah  ich  im  Graben 
röm.    Flach-    und   Hohlziegel. 

L  Winterbach.  In  dem  Mauerwerk  des  Hofhausee  sah  ich 
viele  röm.  Ziegel  eiugesetzt  und  in  den  letzten  Jahren  hat  der  ge- 
schwollene Winterbach  an  der  ehemaligen  Scheune  röm.  Dachziegel  mit 
Rändern   blosgelegt. 

K.  Hochmark.  Auf  dem  ganzen  Plateau  sind  die  rom,  Dach- 
ziegel yerbroitet.  Der  Bewohner  Bürkel  grub  bei  Anlage  eines  Gartens 
ein  reichhaltiges  röm.  Begräbniss  aus;  so  viel  Geschirr,  sagte  er  mir« 
dass  es  einen  Wagen  gefüllt  hätte.  Auch  schwarze  Dacliziegel  fand  er. 
Einige  Schritte  östlich  vom  Hause  Bürkcl's  bemerkt  man  im  Felde  einen 
Haufen  Steine,  untermischt  mit  röm.   Dachziegeln,   Glasstücken  und  ge- 


l)  Vergl.  Publication  1851  p.  103,  1852  p. 


58. 


191 


»chmoUe—  Glas.  Ich  beritse  Gl«aaMcl»  aad  eiaea  giium  Moauk* 
tUin  aa  GI«s,  die  ich  hier  £u»d.  Im  Boden  fiuid  waa  HtwimtiV. 
Ein  xer  Lorbadi  geoeigter  Distiikt  mit  xieleii  GfauBaldadcai  heiwl 
„Glashelt".  Die  Bewohner  fcrmathen  nicht  ohne  Ywiiilawwiig  hier 
eine  GhLshötte.  Auf  der  HodiehcBe  aisd  svei  Weiher  and  «trei  Dimaea 
auch  im  ScuuBer  reidi  an  Wuaer. 

L.  Bargberg.  Steinring.  Von  vorgen.  Bjkrkel'achea  H«iise 
gelangt  man  recht  beqnem  über  den  ,BinskamB*  kidb  .Barg- 
berg*. Die  SchotxTorkehrangen  sind  folgende,  gerechaet  TOtt  Bia»- 
kMnm  ab:  I.  Stein  wall.  1.  Graben,  IL  Steinwall,  2.  Grabe«.  III,  Steis^ 
wall,  3.  Graln^D,  IV.  Steinwall.  Dieser  zngingltchste  Punkt,  xon  Uoch- 
mark  her,  wahracbeinlic]i  aoch  der  Eingang,  w&r  am  besten  bewehrt. 
Um  den  Kopf  des  ^  Burgberge« "  eind  zwei  concentrische  Sleinringe  ge- 
legt, die  jetzt  einige  Lücken  erlitten.  Der  Scheitel  des  Kopfe*  tat 
geebnet  nnd  hat  innerhalb  des  kleinsten  der  ovalen  Ringe  einen  Längen- 
dnrchme^ser  Ton  190  Schritten.  Auf  der  amkreisten  Ebene  bemerkt 
man  mehrere  Steinhaufen,  solche  auch  aoaserhalb  der  Ringe  am  Pfade 
üher  den  „Binskamm".  „Burgberg"  war  daa  refaginm  der  Bewohner 
Hochmark's. 

M.  Trag.  Bei  dem  Hanse  Engels  (Familienname  Schmitt)  wnrden 
röm.  Gräber  aufgedeckt,  darin  Urnen,  eine  von  der  Grösse  eines  Stnbon- 
ofena.  Hier  wurden  auch  Götzenbilder  (Hällege)  und  eine  HandmUhle 
zu  Tage  gefördert.  In  dem  gen.  Hause  sah  ich  den  wohlerhaltenen 
unteren  Mühlenstein,  hatte  in  der  Mitte  ein  Loch  and  die  Malilseite 
war  convex,  die  andere  anbehanen.  Der  Boden  ist  noch  reich  an  Funden. 
Eine  schöne  Schale  kam   an  den  BOrgermeister  zu  Welschbillig. 

He  ydinger. 

7.  Essen.  Im  Jahre  1875  fand  man  auf  Schacht  Helene  bei 
Altenessen  gelegentlich  der  Ausschachtang  zur  CoaksöfeuaDlage  ein  frän- 
kisches Grab  auf  einem  Terrain,  welches  zwar  keinen  Hühenstrich  bildet, 
jedoch  etwas  erhöht  Hegt.  Für  das  Grab  war  in  einer  Tiefe  von  c  1,-5  m 
and  gleicher  oberer  Breite  eine  halbkugelförmige  Vertiefung  ausgegraben. 
Der  dieselbe  zunächst  umgebende  Lehmboden  war  so  fest  wie  gewachsener 
Boden,  nur  unterschied  sich  derselbe  tod  letzterem  durch  etwas  dunkle 
Färbung.  Vermöge  dieses  FurbenunterschiedeB  war  die  Begrenzung  der 
zur  Vergrabung  der  Urnen  ausgehobenen  Erdmasae  nebst  Profil  deutlich 
zn  erkennen.  Die  Urnen  selbst  waren  anscheinend  mit  derselben  etwas 
dunkel  gefärbten  Erde,  und  ohne  mit  irgend  einem  Gegenstande  besonder« 
zugedeckt  zu  sein,  gefüllt,  nur  kamen  vereinzelt  Spuren  von  Holzkohle  darin 
vor.  (Demnach  wäre  Leichenbraad  anzunehmen,  um  so  mehr,  da  der  Be* 
rieht  keiner  Gebeine  erwähnt.     D.  Red.J 


m 


J6ac«ll6n. 


Die  Fondstüoke  bestellen  aus:  1)  eiaer  mittelgroasen  12  om  bohea 
Ums  mit  weiter  Oeffnung  aus  gelb^rothem  Thon,  versiert  mit  sieben 
punkürten  Ringen ;  2)  einer  deegl.  aus  glattem  schwarzen  Thon,  20  cm 
hoch  mit  verengter  Oeffnung ;  3)  drei  kurzen  eisernen  Schwertern  ron  c, 
SO  cm  Länge;  4)  einem  arspr anglich  kostbaren  90  cm  langen  und  oben 
1 1  cm  breiten  Eisen-Schwert  mit  Parirstange,  welches  an  dieser  and  am 
Knopf  des  GriflFes  Spuren  eingelegter  Goldverzierung  zeigt;  5)  einer  25  cm 
langen  Lanzenspitze  von  Eisen;  ein  Fragment  einer  jener  durchbrochenen 
Zierscheibeo,  welche  die  fräakischea  Gräber  charakterisirt ;  6)  endlich  dem 
Fragment  eines  eisernen  Schildbuckel«.  Der  Fund  gelangte  durch  Schenkung 
des  Herrn  F.  W.  Waldthansen  in  unsere  Sammlung  und  sagen  wir  dem 
freundlichen  Geber  hiermit  unaern  Dank. 


8.  Fränkische  Grabfunde.  Die  grosse  Bedeutung,  welche  die 
fränkischen  Funde  für  unsere  Denkmälerstatistik  haben,  veranlasst  mich 
solche  von  Niedercassel,  unterhalb  Bonn,  Wessalingen,  Merkenich 
and  ßrodenbach  an  der  Mosel  zu  verzeichnen.  Der  Ackerer  Nenhdfer 
fand  zwischen  Niedercassel  und  Rheidt  auf  einem  Felde  am  Rhein  aogefSÜir 
20  Gräber  mit  un verbrannten  Leichen,  Seitlieh  derselben  standen  Gef&ase 
von  gelbem  und  ruthlichem  Thon,  einige  schwarze  Urnen,  ein  kleines  Glas 
(Tümmler),  einige  Ketten  von  bunten  Thooperlen,  Kämme,  4  grosse  eiserne 
Speere,  kurze  Schwerter,  1  Scfaildbuckel  von  Eisen,  Bronze-Fragmente 
u.  dgl.  Eine  Anzahl  der  Fundstücke  kamen  in  das  hiesige  Provinzial- 
museum.  Wenn  die  mir  gemachte  mündliche  Mittheilung  von  dickem 
Mauerwerk  am  Rhein  daselbst  sich  bewahrheitet,  erscheint  sie  der  Lage 
wegen  nicht  unwichtig.  Der  Grabfund  von  ßrodenbach  war  eiu  einzelner 
in  einem  gemauerten  Sarge.  Neben  der  Leiche  stand  ein  schwarzer  Topf 
mit  eingepressten  Verzierungen,  Sterne  und  zu  kleineu  Vierecken  zusammen- 
gestellte Punkte  in  parallelen  Ring^en,  welche  denen  von  Niedercasael  ziem- 
lich gleich  sind.  Die  ferneren  Beigaben  bestanden  aas  einem  Glos,  bunten 
Perlen,  mehreren  Speeren,  einem  kurzen  Schwert  und  einer  kreisrunden 
Fibel  von  Kupfer  mit  aufliegenden  Buckeln.  Die  Fuude  von  Merkenich 
und  Weaselingeo  ergaben  neben  den  unverbrannten  Leichen,  in  Theo 
und  Verzierung  ganz  ähnliche  schwarze  Gefässe,  Eisenwaffen,  wiedernm  einen 
Tümmler  von  Glas,  aber  keine  Perlen  und  Bronze,  sind  also  schlichteren 
Charakters.  Ein  gelber  Thonkrug  von  Merkenich  mit  aus  freier  Uaad 
eingerissenen  Wellenlinien  zeichnet  sich  durch  die  Hinzunahme  der  Farbe 
aus  (vergl.  Miscelle  Id).  Alle  diese  Funde  wurden  durch  den  Umfang  und 
die    Bedeutung    des    von    Seiten    des  Proviuzial-Museums    im    Garten    der 


Miscellen.  193 

Familie  Mirgel   in    Meckenheim    aufgedeckten    Grahfeldes,    dessen    frühere 
Ergebnisse  im  XLVI.  Jahrbuch  dargestellt  sind,  weit  übertroffen. 

E,  aus'm  Weerth. 

9.  Kiel.  Die  Anthropologen- Versammlung  am  12.  bis 
14.  Augast  1878.  Das  Programm  für  die  diesjährige  Versammlung  war 
besonders  reich  ausgefallen,  denn  Hamburg  wollte  die  Anthropologen  schon 
auf  der  Hinreise  zu  derselben,  Lübeck  nach  Schluss  derselben  begrüssen. 
Es  betheiligten  sich  an  derselben  159  Mitglieder. 

In  Hamburg  sammelten  sich  schon  am  10.  Abends  in  den  Ränmen 
des  Vereins  für  Kunst  und  Wissenschaft  die  Theilnehmer  in  grosser  Zahl. 
Am  Sonntag,  Vormittags  9  Uhr,  fand  dann  die  feierliche  BegrUssung  der 
Gäste  in  der  Aula  der  Gewerbeschule  durch  Dr.  Wibel  Statt,  auf  die  der 
Vorsitzende,  Prof.  Schaaffhausen,  antwortete.  Hierauf  wnrde  die  erst 
seit  kurzer  Zeit  aufgestellte  prähistorische  Sammlung  von  Funden  aus  der 
harobarger  Gegend  und  später  das  Museum  Godeffroy  besichtigt.  Um 
2  Uhr  fand  ein  Festessen  im  zoologischen  Garten  und  gegen  5  Uhr  die 
gemeinsamo  Abfahrt  nach  Kiel  Statt,  wo  man  sich  noch  am  späten  Abend 
in  den  Räumen  der  Harmonie  vereinigte. 

Am  Montag  den  12.,  Voi-mittags  9  Uhr,  eröffnete  der  Vorsitzende, 
Prof.  Schaaffhausen,  in  dem  reichg?schmücktt>n  Saale  desselben  Gebäudes 
die  Verhandlungen  mit  einer  Ansprache,  in  der  er  den  lebhaften  Aufschwung 
der  anthropologischen  Forschungen  in  unserer  Zeit  schilderte  und  denselben 
nicht  etwa  auf  irgend  eine  literarische  Leistung,  sondern  auf  die  für  die 
Kenntniss  und  die  Entwicklungsgeschichte  des  Menschen  so  wichtigen  Funde 
snrückführte,  die  zwischen  den  Jahren  1847  und  1867  gemacht  worden 
sind  und  nach  allen  Seiten  hin  neues  liicht  verbreiteten.  Als  Ergebnisse 
dieser  ganz  neuen  Wissenschaft  bezeichnete  er  den  Nachweis,  dass  der 
hente  lebende  Mensch  in  der  ältesten  Zeit  keine  Spur  hinterlassen  habe, 
dan  der  Mensch  aber  schon  mit  jetzt  verschwundenen  Thieren  gelebt  habe 
und  dass  sich  seine  ganze  Entwicklung  nicht  nur  in  seinen  Werkzeugen, 
sondern  auch  in  Sitte,  Sprache,  religiösen  Begriffen  nachw^eisen  lasse  und 
der  Weg  seiner  ältesten  Wanderungen  über  die  Erde  durch  Denkmäler, 
Geräthe,  Schädel  und  Sprachen  bezeichnet  sei.  Die  heutigen  Wilden  sind 
die  prähistorischen  Reste  unseres  Geschlechtes.  Er  nimmt  die  Wissen- 
schaft in  Schatz  gegen  die  Anschuldigung,  dass  sie  den  Menschen  zum  Thier 
herabziehe  und  zeigt,  dass  die  Lehre  von  der  fortschreitenden  Entwicklung, 
weit  entfernt,  eine  materialistische  Anschauung  zu  sein,  vielmehr  eine  durch 
den  Willen  erzeugte  Verbesserung  der  Organe,  also  eine  Vergeistigung  des 
Körpers  voraassetze.     Eine  Reihe  von  Schäden  und  Gebrechen,  die  sich  in 

13 


194 


MiiiceUE>a. 


uiiserm  Henken  wie  in  uuseru  Sitten  noch  erhalteu  haben,  be^ekhnet  w 
als  prfiliiBtorische  Ueberlebael,  von  deneti  wir  uos  fr«  aiachen  sollen.  Zam 
ScliliiESC  liekeont  er,  tlasa  die  aiithropologbche  Wiasenficbaftzwfar  in  Dentaeli- 
Iftnd  begründet  worden  sei  ttad  die  röViralicbsten  LeiEtungen  aiifKUweiseo. 
habe,  das?  wir  tibcr  in  der  Werthichilt^ung  derselben  und  id  deu  Einricb- 
tUQgcn  für  ihr  Stnditim  von  den  rndsteri  andern  Nationt-u  weit  ivberbuit 
wftrden  seien.  Dliernftch  hiess  der  stell veitretende  Bürgermeiatpr  Herr 
lioreuteo  Numeos  der  Stadt  die  GeRdlfcbaft  willkomroen.  Der  Geacbftfts- 
ffihrer  Prof.  Handel  mann  freat  sieb,  muh  langer  Vernachl&^^igong  der 
i(i  der  Stadt  ä« (bewahrten  nrcbftolqgiechen  Fiiade  ntin  das  neu  geordiieto 
und  in  der  alten  Universität  ntifgestellto  Schleswig- holeteinische  Musenm 
vttterliitidischer  Älterthüraer  der  Geeelkehaft.  Yor  Äugen  stellen  «u  können. 
Zngleicb  w'ee  er  »Mf  die  im  Nebenaaale  vom  kieler  anthropobgJBcben  Verein 
Ternnstaltetc  Ausstellutig  so  wie  avif  die  andern  Institut*^  wnd  Sammlungen 
der  Stadt  bin,  auch  auf  das  am  l'l.  Aiiytiat  erüffneie  TJiaalüw-MusetiHi 
alier  Holzachnitzwerke  des  Lande«.  Der  stellvertretende  Generalspcr^tftr 
Prof.  Ranke  erstattet  dann  den  Jahresbericht.  Kr  spricht  über  die  V*r* 
Wendung  der  den  Yereiiien  von  Weissenfels  und  Dürkhciro  bewilligten  Geld*r 
and  über  die  vütu  raönchener  Ver«m  veranatalteten  Höblcnftusgrrabaijge«  rn 
Bnierii ;  er  macht  nnf  Heete  vom  StacbtflschweiQ  und  die  von  ihm  benagten 
Knochen  aufmerltfiatt],  Ditse  menschlichen  Einschnitten  älinlicbe  Nagesparen 
wufdea  schon  von  Lartet  in  Fi^nkroich  beoiiaehtet.  in  dem  roerkwüi^ 
digen  kissinger  unterirdigchen  Gange  wnrtjpn  nur  Topfaclierben  und  vtT' 
brannte  Knochen  gefunden.  Aus  dem  von  Herrn  Weismann  vorgelegten 
Rechenschaftsberichte  sei  nur  mitgetheiit,  dass  die  Gesellscbaft  1951  Mit- 
glieder zählt  und  für  das  nächste  Jahr  über  eine  Summe  von  7396  jfC  verfugt. 
In  der  jetzt  folgenden  Pause  von  1 1  bis  2  Uhr  fand  die  Besichtigung 
des  kieler  Museums  unter  Führung  des  Prof.  Handel  mann  nnd  der 
Custodin  Frl.  J.  Mestorf  Statt.  In  den  untern  Räumen  sind  die  Funde 
der  Stein-  und  Bronzezeit  aufgestellt,  aus  zahlreichen  Hügelgräbern  nnd 
Steinkisten,  darunter  die  Funde  von  Sylt,  beracrkenswerth  ist  ein  Schalen- 
stein aus  dem  Dithmarschen  mit  eingehauenen  Fussspuren  und  dem  Rad 
mit  vier  Speichen,  in  den  Baumsärgen  haben  sich  die  wollenen  Kleiderstoffe 
erhalten.  In  den  obern  Sälen  stehen  die  Moorfunde  und  die  des  Eisen- 
alters, besonders  merkwürdig  sind  die  von  Taschberg  nnd  Nydam  ans  der 
Zeit,  wo  römische  Schiffe  die  Elbe  hinauffuhren,  dort  ist  eine  Mönze  des 
Sevema  (211),  hier  eine  des  jVIacrinus,  217,  die  jüngste.  Einzig  in  seiner 
Art  ist  der  1B59  gemachte  nnd  von  Engclhardt  beschriebene  Fund  des 
nydamer  Botes,  welches  aaf  dem  Bodenräume  des  Museums  mit  einigen   in 


I 


-_'r!kaj 


Miscellen.  195 

dieser  Gegend  lange  gebrauchten  Einbäumen  aufgestellt  ist.  Mit  diesem 
wahrscheinlich  röraisohen  Schiffe  wurde  die  ganze  Ausrüstung  des  Soldaten 
jener  Zeit  in  zahllosen  Waffen,  Schildern,  Ger&then  aller  Art,  darunter  viele 
ans  Holz,  auch  Leder  und  Wollstoffe  nebst  römischen  lyfünzen  gefunden. 
Sehenswerth  ist  auch  die  von  Frl.  Mestorf  angeregte  Sammlung  schleswig- 
holsteinischen Silberschmuckea,  der  wie  in  Skandinavien  hier  volksthümlich 
ist.  Die  von  Prof.  Tausch  geordnete  Ausstellung  des  Anthropologischen 
Vereins  enthielt  eine  ansehnliche  Sammlung  von  Raceschädeln  und  Hirn- 
formen aus  dem  anatomischen  Institut,  fossile  Thierreste  ans  dem  zoolo- 
gischen Mnsenm,  Modelle  ostpreussischer  Fundorte  und  Bronzen  von  der 
Gesellschaft  Prussia  in  Königsberg,  ägyptische  Steingcräthe  des  I)r.  Mook, 
Gerüthe  und  Schmucksachen  von  den  Südsee-Tnseln,  die  Capitän  L.  Strauch 
mitgebracht,  nnd  manches  andere. 

In  der  Nachmittagssitzung  wurde  zuerst  zur  Neuwahl  de.s  Vorstandes 
geschritten  und  zum  ersten  Vorsitzenden  Fr  aas,  zu  dessen  Stellvertretern 
Virchow  und  Schaaffhansen,  zum  Generalsecretär  Ranke  gewählt. 
Der  Schat-zmeister,  Herr  Weissmann,  wurde  wiedergewählt.  Als  Ort  der 
n&chsten  Versammlung  wurde  Strassburg  bestimmt.  Zum  Geschäftsführer 
daselbst  wird  Prof.  Gerland  ernannt.  Sodann  berichtete  Fr  aas  über 
die  prähistorische  Karte  Deutschlands.  Es  wird  rüstig  fortgearbeitet,  er 
nennt  die  im  vergangenen  Jahre  eingegangenen  Beiträge  und  empfiehlt  als 
Muster  die  von  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft  herausgegebene 
Karte.  Gleichzeitig  legt  er  eine  von  Herrn  v.  Tröltsch  als  Probeausge- 
fKhrte  Karte  mit  den  betreffenden  Eintragungen  vor.  Virchow  sprach 
Aber  die  Statistik  der  Schädelformen  in  Deutschland  und  gab  seine  lieber- 
einstimmung  mit  einem  Entwürfe  zu  erkennen,  den  ihm  der  Vorsitzende 
tn  einer  Untersuchung  der  physischen  Beschaffenheit  der  Bevölkerung 
Dentschlands  vorgelegt  hatte.  Es  empfiehlt  sich  nämlich,  ahwei<;hend  von 
dem  ursprünglichen  Plane,  diese  Untersuchung  an  den  Lebenden  vorzu- 
nehmen, weil  ein  hinreichendes  Material  von  Schädeln  sicherer  Abkunft 
nicht  wohl  zu  beschaffen  ist  und  zum  Theil  schon  der  kraniologische 
Katalog  ein  solches  liefert.  Virchow  führt  an,  dass  er  ganz  überein- 
stimmende Indices  durch  Messung  der  Köpfe  Lebender  wie  der  Schädel 
desselben  Volkes  gefunden  habe.  Er  kommt  noch  einmal  auf  die  vielbe- 
sprochene preussische  Race  des  Herrn  Quatrefagcs,  die  dieser  als  eine 
dunkle  finnische  bezeichnet  hatte,  die  in  das  Gebiet  der  bloiiden  Germanen 
eingedmngen  sei.  In  derselben  Zeit,  in  welche  diese  Aensserung  föllt, 
beschloss  die  Gesellschaft  eine  Untersuchung  der  deutschen  Schädelformen, 
die  nach  Eck  er 's  Vorschlag  sich  anch  anf  die  Kürperformen    so   wie    auf 


196 


Miseellen. 


die  Farbe  d«r  Haaro  und  Atigea  auBdebuei»  BoUt«.  Zitdrst  wurdet!  dann 
dio  lefzteren  Erliirbungeu  an  den  Schulkindern  ici  g&nz  Deutscbkod  mit 
Äusnatime  Hamburgs  gemacht.  Eh  gibt  für  die  bloade  Ilace  zwei  Centren, 
Schleswig  nnd  Preuanen,  und  für  die  dunkle  zwei,  Elsjiss  und  Oberbaiem. 
In  Bezug  auf  die  SchAdelform  iin§eier  Vorfabren  hatte  Ecker  einen 
älteren,  uiebr  kurzküpligeri,  in  eiaKelnen  HügelgrSberB  vorktimmeudeß,  und 
eiueti  laDgküpßg(-n  TyjniH  imterschieden,  der  sich  in  den  fränkischen  und 
alleuiaiini^iüheii  Reibc^ugräbetu  fiDdet.  Dftgeg'en  erklärten  Eütimeyer  und 
His  dau  kurzen  Kopf  für  ftllenitviim«ch  u»d  den  langen  für  römisch. 
Vircbow  glaubte  in  Friesland  auf  eine  uritfermaniscbe  BeriilkeroDg  BchUe»s«n 
zu  dürfen  und  fand  hier  die  Machen,  cUamäoephalen  SchiideL  Er  aa^, 
die  Frieien  aind  älter  als  die  Franken  und  ihr  Typua  iat  gao»  »er»cbied«Q 
von  dem  dar  Reihengriiber.  Die  hiiufige  Chamäeephnlie  an  alten  Stihäddn 
der  deutschen  Nordküato  ist  auch  von  anderen  Fortchom  beobachtet,  doch 
gehören  viele  dieser  Sch&del  dem  MilteJalter  an.  In  der  heutigen  Beröl- 
kerang  scheint  or  kaum  mehr  vorbanden.  Es  ist  wabrBcbeinlicher,  dam 
dieae  Sachen  nnd  breitau  Sohitdel  eine  localü»  UrBäche  habeo,  a)a  daaa 
sie  eine  g^rmaniach«  Urform  darstellen,  wie  Virchow  yrilJ.  Die&er  «eigt 
noeh  den  Schädel  eines  Miridtten  aaa  Montenegro  vor,  der  gross  und  Qach 
iet,  und  fragt,  ob  tU«  älteste  indogermanische  Einwanderung  vielleicht  iti 
den  illyrischeo  Gebirgen  aitxpn.  geblieben  sfi.  Stbsaffhausen  legt  «ük 
fertige  ßeiträge  sam  Gesammtkatalog  dnr  antbropologiscben  Säiuuilungda 
Deatschlands  die  gedruckten  Verzeichnisse  von  Bonn,  Göltingen  und  Freibarg 
vor;  druckfertig  sind  die  von  Königsberg,  Frankfurt  a.  M.,  Darmstadt, 
Stuttgart,  Leipzig;  er  verspricht  rasche  Förderung  des  Unternehmens. 
Hiermit  scbloss  die  Sitzung. 

In  der  Sitzung  am  Dinstag  den  13.  machte  der  Vorsitzende  zunächst 
Mittheilung  von  den  zahlreichen  Zusendungen  und  Begrüssungsschreiben, 
die  ihm  für  die  Versammlung  zugegangen  sind.  Sodann  berichtet  er  über 
Verhandlungen,  die  er  im  Interesse  der  anthropologischen  Forschung  mit 
den  Herren  Quatrefages,  Broca  und  Topinard  in  Paris,  den  Mit- 
gliedern der  Commission  für*  die  anthropologische  Ausstellung  daselbst 
angeknüpft  hat. 

Im  Anschluss  an  die  Vorlegung  der  Arbeiten  für  den  Gesammtkatalog 
spricht  dann  Schnaffhauaen  noch  einmal  über  die  Horizontale  des 
Sohädels  nnd  legt  PbotogfapUieen  vor  zum  Beweise  seiner  Ansicht,  dass 
eine  zwischen  zwei  anatomiächen  Puncten  gezogene  Linie  niemals  als  Hori- 
zontale für  alle  Schädel  passe  und  dessbalb  auch  nicht  als  Grundlage  zur 
Selii%dßlmes3ung  angf^nommen  worden  dürfe.    Sodann  glaubt  er  den  Wünschen 


Miscellen.  197 

« 

vieler  der  Anwesenden  entsprochen  zu  haben,  wenn  er  die  in  den  Besitz  des 
rheinischen  Provinzial-Museums  in  Donn  übergegangeneu  neanderthaler 
Menschenreste  vollständig  hier  vorlege.  Kr  hob  an  diesem  merkwürdigsten 
aller  prähistorischen  Funde  noch  einmal  die  charakteristischen  Merkmale 
der  Schädelbildung  hervor  und  verbreitete  sich  dann  über  die  Eigenschaften 
der  übrigen  Skelettheile,  die  er  bereits  1B64  in  Giessen  besprochen  habe. 
Die  Enge  und  andere  Besonderheiten  des  nur  in  einem  Bruchstück  vor- 
handenen Beckens,  die  Achse  des  Oberarm^  und  die  des  Oberschonkelkopfes, 
das  Verhältniss  des  Humerns  zum  Radius  gleich  100:76,6,  das  gekrümmte 
Femur  mit  wenig  entwickelter  ünea  aspera  sind  Zeichen  niederer  Bildung, 
welche  die  Deutung  der  Hirnschale  als  einer  primitiven  Form  auf  das 
entBchiedenste  bestätigen. 

Jetzt  nimmt  Dr.  Mehlis  das  Wort,  um  über  die  Ausgrabungen  in 
Limburg  a.  d.  Hardt  zu  berichten.  In  einem  mehrere  Meter  tiefen  Stollen 
fand  mau  regelmässige  Lager  von  Kohlen,  Thiei*-  und  Meiischenknochen 
und  Gefassscherbeu,  ähnlich  denen  der  gegenüberliegenden  Uingmauer. 
Ein  künstlicher  Schacht  förderte  zahlreiche  grapbitgeschwärzte  Urnen, 
angebrannte  Menschenknochen,  einen  kegelförmigen  Getreidequetscher  aas 
Sandstein  und  den  Reiber  aus  Basalt. 

Ranke  spricht  über  die  Schädelbildung  der  altbaierischen  Bevöl- 
kerung und  zeigt  in  einer  graphischen  Darstellung  an  Curven,  wie  die 
Brachycephalie  mit  einem  Index  über  85,9  gegen  das  Gebirge  bin  zunimmt, 
hier  haben  die  Schädel  auch  die  grösste  Höhe,  während  die  Chamaecepbalie 
verschwindet.  Stieda  schildert  die  Bevölkerung  der  russischen  Ostsee- 
provinzen, die  ungefähr  zwei  Millionen  beträgt,  davon  sind  nur  10  pGt. 
Deutsche,  5  pCt.  Russen,  diu  übrigen  sind  Esthen,  Letten,  Lieven.  Das 
Gebiet  von  Dorpat  ist  nur  von  Esthen  bewohnt,  der  Index  der  Männer 
ist  79,  nnr  ein  Drittel  sind  blond  und  ähnlich  ist  es  bei  den  Finnen.  Die 
lievische  Sprache  wird  nur  noch  von  einer  Person  gesprochen.  Der  Index 
von  sechs  Lettenschädeln  war  80.  Im  Namen  der  moskauer  Gesellschaft 
der  Naturkunde  ladet  Stieda  zu  der  im  Sommer  1879  daselbst  Statt 
findenden  anthropologischen  Ausstellung  ein. 

Virchow  hält  einen  längeren  Vortrag  über  die  slawischen  Funde 
in  Deatschlend.  Slawen  reichen  zu  Bonifacius'  Zeit  bis  ins  l'hal  der  Saale 
und  des  Main,  sie  bilden  kein  grosses  Reich,  sie  leben  in  Stämme  getheilt. 
Die  slawischen  Burgwälle  z.  B.  in  Mecklenburg,  wo  sie  noch  im  12.  und 
13.  Jahrhundert  genannt  werden,  unterscheiden  sich  von  den  germa- 
niachen,  deren  ein  grosser  im  Spreewuld,  durch  das  Fehlen  der  Gefasae 
mit    Uenkel.     Die    Steinwälle    auf   den   basaltischen    Kegeln    der   Lausitz 


ine 


Waoißm, 


etimmen  mit  dtsa  böbmischeu  übereijj,  dta  maii  fiir  cültisoli  liBlt.  Die  PfabJ- 
bautfKD  in  Pümmern  liofer«  dieselben  I'iuge  wie  «iie  akwiscben  Bargwälla 
uad  stehen  oft  in  liäcbatcr  Verbindang  mit  denselben.  Die  WendeiUfirch- 
bdfe  mtl  neakelkrilgon  sind  geriDuniscb.  Im  Oefen  Karopos  kaa»  das 
aacb  Booet  Toi-koiuniende 'WellcuorDBOit^ut  als  skwifioh  gdteo.  üäa&g  sind 
MünslutMlä  äiicbsischer  Kaiser  bo  wie  kuiiscbe  Münzen  der  Araber,  die  tun 
900  den  Ha,iidd  übur  die  Üstsee  bis  England  inne  hntteD,  Pdscbe 
bebaupUt,  auf  Gritüin  geataizt,  daes  die  Suebi  des  TacitUG  Slavi  aetez^. 
die  Kamen  seien  identiacb,  wie  swoboda  s=  slowoda.  Bei  den  Longobarden 
und  Vnndultju  sei  die  Mcni;e  dea  Volkes  alawistb  und  nur  der  Adel  ger- 
tu^ulscb  gewesen.  Er  sieht  in  der  eigentbünilichen  Haartnicbt  der  Suebi 
dsD  stawiscben  Sdiläfenring.  Dngegcn  sagt  Tischler,  die  alte  GrenM 
der  SlawöQ  ael  die  Weicbsel,  Qur  in  den  jöHgeren  Gräbern  Ostpreasseoa 
koiDDicn  gtawiscbe  Fiiude  vor.  Eben  so  urtbeilt  MontüUus,  alle  altea 
Fuudä  tu  d«n  Oütgceprovinzcn  sind  g^tmanisch,  er»t  luü  dei»  5»  Jahrhundert 
nehmen  sie  den  »lawiscbeo  Typus  an.  Virchow  erinnert  daran,  dasa  die 
vtin  Tacitus  «iw&boten  germaniacben  Stämme  später  südlicher  erscbeinen, 
dia  alten  Sitze  der  VnndAkn,  Loogobarden,  SeiujiQüen,  Burgunder  müsae 
man  an  der  Elbe,  io  der  Mark,  In  Soblesien  «Dvhen. 

Am  Mittwoch  den  1 4,  Aog.  wnrde  dem  Schatzmeister  Decharge  ertlivilti 
der  neue  Etat  feätgeätellt  arid  Tdr  Arbeiten  und  Aasgrabungen  an  Geld« 
uuLeistützungun  1300  iJark  bewilligt.  Dei  Yursitzfude  empfiehlt  eineu  Vor* 
schlag  von  Tbeobaldt,  dass  an  jedem  Orte,  wo  Ausgrabangen  Statt 
finden,  bei  der  Behörde  ein  Situationsplan  möge  eingereicht  werden  za 
Jedermanns  Einsicht.  Sodann  werden  als  Mitglieder  der  internationalen 
Commissiou  für  Scbüdelmessung ,  die  Herren  Ecker,  Yircbow  'and 
Schaaffhausen  gewählt.  Die  wissenschafllicbeu  Vorträge  beginnt  Dr. 
Mook  aus  Kairo,  er  legt  Feuersteine  von  Helouan  vor,  wo  sich  drei 
Culturschichten  finden.  Gegen  Lepsius  und  Ebers  vertbeidigt  er  die 
ägyptische  Steinzeit  und  setzt  sie  weiter  zurück  als  Browne,  der  dafür 
das  15.  bis  18.  Jahrhundert  v.  Chr.  annahm.  Bei  den  Pyramiden  hat 
man  keine  Steininstrumente  aber  eiserne  Bohrer  und  eiserne  Nägel  gefunden, 
die  in  die  Fugen  der  Steine  passen.  In  der  Steinzeit  fehlen  die  Topf- 
scherben und  der  Nil  fliesst  in  seinem  alten  Bette.  Virchow  bemerkt, 
dass  schon  R  e  i  1  unzweifelhafte  Bruchstücke  von  Helouan  vorgelegt  habe, 
dass  aber  Schwein furth  noch  Zweifel  gegen  die  in  der  Wüste  verbrei- 
teten Steinmesser  habe.  Mook  erwiedert,  dass  Schweiufurth  seine 
Ansicht  geändert  habe.  Virchow  berichtet  dann  über  die  von  Dr.  Nehring 
in  dem  Gipsbruch  von  Tieda  bei  Wolfenbüttel  gemachten  Funde  and  zeigt 


Miscellen.  199 

ein  künstliches  Feuersteingeräth  aus  28  Fuss  Tiefe,  welches  im  alten 
DilaviuiQ  unter  der  Mammuthschicht  lag.  Nun  berichtet  Schauffhausen 
über  germanische  Alterthümcr  am  Rhein,  wo  dieselben  unter  der  Menge 
römischer  Denkmale  der  Aufmerksamkeit  entgangen  und  selbst  ältere 
Beschreibungen  wenig  bekannt  geworden  seien.  Er  beschreibt  den  von 
Hundt  untersuchten,  aus  Basaltsiiulen  regelmässig  aufgeschichteten  Stein- 
ring auf  dem  Hohenseelbachkopfe  bei  Siegen  und  sagt,  dass  es  in  Nassau 
mehrere  ähnliche  Werke  gebe.  Den  Steinring  auf  dem  Hochthürmcn  nahe 
dem  Ahrthal,  an  dessen  Fuss  sich  noch  ein  viereckiger  Steiuwall  befindet, 
und  das  grossartigste  dieser  Denkmale,  den  Ring  von  Otzenhausen,  hat 
er  kürzlich  selbst  besucht  uud  legt  Bilder  derselben  vor.  Diese  Bauwerke 
sind  unzweifelhaft  germanischen  Ursprungs,  wiewohl  das  Volk  sie  den 
Römern  oder  Hunnen  (!)  zuschreibt.  Er  lenkt  dann  die  Aufmerksamkeit 
auf  die  so  seltenen  Darstellungen  menschlicher  Figuren  aus  der  germa- 
nischen Vorzeit  und  knüpft  Bemerkungen  an  die  bekannten  Steinbilder 
von  Bamberg.  Das  von  ihm  mehrfach  besprochene,  in  versteinertes  Holz 
geschnitzte  Götzenbild  von  Nymwegen,  dessen  Deutung  bisher  nicht  gelaug, 
hat  Aehnlichkeit  mit  den  bronzenen  Götzen  von  Neu-Strelitz,  die  für 
gefälscht  gelten.  Er  legt  noch  die  Photographieeu  der  merkwürdigen 
Steinköpfe  aus  dem  Bleibergwerke  von  Roggendorf  in  der  Eifel  vor  uud 
glaubt,  dass  sie  sich  auf  den  deutschen  Aberglauben  beziehen,  aber  in 
römischer  Zeit  gefertigt  sind.  Schliesslich  zeigt  er  diesen  rohen  Versuchen 
gegenüber  die  älteste  Darstellung  der  Menschenrucen  in  dem  schönen  ägyp- 
tischen Wandgemälde  aus  dem  Werke  Rosselini's,  es  gehört  dem  fünfzehnten 
Jahrhundert  vor  unserer  Zeit  au  und  stellt  den  Siegeszug  Ramses'  HI.  vor. 
Der  Neger-  und  Mongolentypus  sind  unverkennbar.  Fünf  Bilder  sind  helle 
Typen  mit  blauen  Augen,  die  der  Redner  auf  die  der  ältesten  ägyp- 
tischen Geschichte  nicht  fremden  Gallier  oder  Gelten  bezieht.  Zwei  ägyptische 
MumiensShädel  in  Göttingen  hält  er  für  celtisch.  Pösche  führt  die  Beob- 
achtung Asherson's  an,  der  in  Marokko  und  in  den  Oasen  blonde  blau- 
äugige Menschen  gefunden;  Gelten  könnten  von  Spanien  aus  durch  Nord- 
africa  bis  Aegypten  vorgedrungen  sein.  Virchow  theilte  einen  Brief 
Desor's  mit,  der  wichtige  Mittheilungen  Falsan's  in  Betreff  der  Schalensteiue 
enthält.  In  verschiedenen  Departements  Fi'ankrcichs  gräbt  man  noch  jetzt 
in  gewisse  Steine  Schalen  oder  Näpfchen  und  trinkt  den  gewonnenen  Staub, 
welcher  das  Fieber  heilt.  Auch  im  Wallis  werden  Steine  angebohrt  und 
der  Staub  genossen.  Selbst  in  der  Lausitz  ,soll  man  an  Kirchen  Steine 
mit  Näpfchen  und  Rillen  finden.  Jetzt  erhält  Klopf  fleisch  aus  Jena 
das  Wort  und  bei-ichtet  über  die  Eröffnung  von  Grabhügeln  in  Thüringen, 


']] 


Misoellen.  201 

Hflgel  wurden  eröffnet,  woza  die  Vorbereitungen  schon  getroffen  >fvaren. 
Die  Anthropologen  selbst  machten  sich  an  die  Arbeit,,  die  mehrere  Stunden 
in  Anspruch  nahm.  In  dem  einen  fanden  sich  drei  mit  Steinen  belegte 
Grabstellen,  dabei  viele  Feuersteine,  Kohlen,  angebrannte  Knochen,  Scherben 
einfacher  Töpfe  und  Spuren  von  Bronze,  in  den  andern  ein  Steinkreis  und 
im  Tonern  desselben  Steinkisten  mit  Aschenurnen  und  einigen  wohlerhaltenen 
Bronzegeräthen. 

Schon  nach  dem  im  Walde  genommenen  Frühstück  trennten  sich 
Einige  von  der  Gesellschaft ,  die  anderen  feierten  in  Ritzerau  später  das 
Abschiedsmahl  und  es  galt  das  letzte  Glas  einem  frohen  Wiedersehen 
im  Elsass!  Seh. 

10.     Der  Name  der  Lahn.     Im    vorigen  Jahrbuch  Heft  63,  S.  157 
Anmerk.  hat  die  Redaktion  der  Jahrbücher  auf  meine  Veranlassung  einige 
Bemerkungen  hinsichtlich  dieses  Namens   mitgetheilt  unter  Verweisung  auf 
die  von    mir    im    gleichen  Hefte    veröffentlichten    „keltischen    Namen    auf 
rheinischen  Inschriften". 

Hieran  anschliessend  möchte  ich  nun  zwar  ergänzend  beifügen,  dass 
allerdings  die  meisten  Flussnamen  in  Oberdeutschland  als  der  älteste  Theil 
der  Ortsnamen  überhaupt  und  entsprechend  der  ehemaligen  keltischen 
Bevölkerung  dieses  Landes,  keltisch  sind:  dass  dies  aber  bei  den  mittel- 
und  niederdeutschen  Flussnamen  nicht  zutrifft.  Diese,  besonders  die  gegen 
das  Innere  Norddeutechlands  zu,  wo  nie  keltische  Völker  gewohnt  haben, 
sind  vielmehr  germanisch.  So  wird  es  sich  denn  auch  mit  dem  Namen  der 
Lahn  (oder  eigentlich  Lohn)  verhalten,  deren  älteste  Form  Laugan- 
Logan-acha  sich  zwar  auch  aus  dem  Keltischen,  aber  ebenfalls  sehr  wohl 
aus  dem  Germanischen  erklären  lässt. 

Hier  gibt  es  nämlich  ein  altes  Wort  langa  später  louga,  louge,  nieder- 
deutsch löge  (fem.)  —  unser  heutiges  „die'  Lauge"  (lixivium),  dessen 
ursprüngliche  Bedeutung  von  reinigendem  Wasser,  Bad  im  Allgemeinen, 
sich  im  Altnordischen  laug  vorfindet,  wo  auch  lauga  „baden"  als  Zeitwort 
vorkommt.  (Hiermit  hat  nun  aber  das  deutsche  Wort  Lauch  (allium)  gar 
nicht«  zu  thun,  wie  aus  Fick  a.  a.  0.  ersichtlich  ist.)  —  An  jenes 
germanische  langa  (Bad),  wurde  nun  mit  der  bei  deutschen  Substantiven 
gewöhnlichen  alten  Ableitungssilbe  -an,  später  -en  weiter  gebildet  und  daran 
das  altdeutsche  acha,  zusammengezogen  auch  &  „fliessendes  Wasser*^  gehängt, 
das  Später  wieder  ganz  abfiel.  So  entstanden  denn  nach  einander  die 
Formen  Lougan-acba,  Logan-acha,  Logan-ä,  Logen,  endlich  Lohn,  wie  der 
Flnss  beim  Volke  noch  beisst. 


202  Miscellen. 

Dafür  „Lahn"  za  sagen  nud  zu  schreiben  ist  ganz  sprachwidrig,  wie 
bei'cits  an  der  angegebenen  Stelle  der  Jahrbücher  nach  meiner  Mittheilung 
hervorgehoben  wurde. 

Heidelberg.  K.   Christ. 

11.  Mosel.  Römische  Funde.  Bei  dem  Bau  der  Mosel- Eisenbahn 
deckten  die  Arbeiter  zu  Cattenos,  dem  Denkstein  des  Tribunen  Tullios 
Volcatius')  an  der  Teufelslei  zn  Alken  gegenüber  altes  Gemäuer  in  röm. 
Bauweise  auf  und  legten  6  Gräber  blos,  die  tbeils  mit  aufrecht  stehenden 
Steinplatten  umstellt,  mit  Steinplatten  zugedeckt  waren,  theils  in  freier 
Erde  sich  befanden  und  Schenkelknocheu  und  Todtenköpfe  enthielten, 
welche  im  Grabe  durch  einen  Napf  oder  thönerne  Haube  g^eschützt,  wohl 
erhalten  sich  vorfanden.  In  den  Schädeln  zeigte  sich  ein  Bruch  von  1  Zoll 
Länge  über  dem  rechten  Ohre  durch  einen  Schwerthieb,  oder  durch  einen 
durchgeschlagenen  breiten  Nagel  entstanden.  Ein  Todtenkopf  hatte  dazu 
die  besondere  Eigenheit,  dass  sich  in  der  Kinnlade  die  Schneidezähne  alle 
vollzählig,  aber  keine  Backzähne  noch  Lücken  derselben  vorfanden.  Als 
Beigaben  fanden  sich  Krüge,  Schüssel,  Näpfe  von  grauem  Thon  neben 
Schwertern,  Lanzenspitzen  vor,  aber  keine  Münzen. 

Am  6.  September  stiessen  die  Arbeiter  unterhalb  des  Catenesser 
Baches  50  cm  unter  dem  planum  der  Bahn  auf  eine  mit  einer  Schiefer- 
platte gedeckte  dickbauchige  Urne  von  schwarz-grauem  Thon,  welche 
römische  Münzen  enthielt,  die  nach  vorgenommener  Wägung  ein  Gewicht 
von  40  kg  repräsentirten  und  14-  bis  15000  Stück  betragen  mögen.  Die 
Mehrzahl  sind  Kupfermünzen  röm.  as,  einige  Bronze  und  vereinzelte  Silber- 
lijgirtc.  Die  an  Hals  und  Kragen  zertrümmerte  Urne  wurde  mit  den 
Münzen  auf  das  Eisenbahnbureau  nach  Hatzenport  geschafft,  in  einen 
Kasten  ausgeleert  und  das  Abwägen  und  Reinigen  von  etwa  30  Münzen 
vorgenommen,  dann  nach  Berlin  gesandt.  Der  Baumeister  zu  Hatzenport 
hatte  die  Freundlichkeit  mir  den  Fund  zu  zeigen.  Die  mit  Schwefelsäure 
gereinigten  waren  von  scharfer  Präge  und  wenig  vergriffen,  die  Übrigen 
mehr  oder  minder  oxydirt,  doch  noch  ziemlich  leserlich  und  fallen  in  die 
Zeit  von  Augustus  bis  Aurelian.  Es  fanden  sich  unter  den  gereinigten 
Münzen  vor  von  Augustus,  Vespasian,  Valerian,  Gallienus  und  dessen  Ge- 
mahlin Saloninc,  Posthumus,  Tetriciis,  Victorinus,  Claudius  Gothicus,  M. 
Aur.  Quintillus,  auf  den  Kehrseiten  ein  Adler  mit  der  Umschrift  consecretio, 


1)  Nach  „C.  V.  Dtwis  die  Mosel.  1640''  boH  der  Stein  des  Tribunen  T, 
Yülcatius  17-15  von  dem  Felsen  ab  in  dio  Mosel  gerissen  und  später  in  das 
Museum  nach  Mannheim  gekommen  sein. 


Miscellen.  208 

eio  Tiger  m.  d.  U.  libero  cons.  aug.,  ein  Hirach  m.  d.  U.  Dianae  codb.  aug., 
Aescalap  m.  d.  U.  salus,  Victoria,  felicitas,  pietas,  virtus,  spes  publica, 
Salus,  hilnritas,  deren  Richtigkeit  ich  bei  flüchtiger  Aneicht  nicht  unbedingt 
bezeugen  kann.  Indessen  fand  ich  Miisse,  von  den  wenigen  beim  Funde 
verschleuderten  Münzen  sieben  näher  zu  pi*üfen,  deren  Abklatsch  ich  bei- 
füge, nämlich: 

a.  Bronzemünze:  avers  Gallienns  m.  d.  U.  Gnllicnus  aug.  revers. Göttin 
des  Deberflusses  mit  gesenktem  Füllhorn  m.  d.  U.  abutidantia. 

b.  Silberlegirte :  avers :  gekrönter  Kopf  m,  d.  U.  imp.  Postamus  p.  p. 
ang.  revers  ein  Gonsul  m.  d.  U.  p.  m  1  d  d  cons .... 

c.  Bronzemünze :  avers  gekrönter  Kopf  m.  d.  U.  imp Victorinua 

p  p  an.  revers  Friedensgöttia  zur  Seite  2  Sterne  m.  d.  U.  pax  aug. 

d.  Kupfermünze :  avers  gekrönter  Kopf  m.  d.  U.  p  Tetricus  p  p  aug. 
rev.  Göttin  mit  Kranz  in  der  Hand  m.  d.  U.  laetitia  augg. 

e.  .  .  imp  Tetr  cus  p  p  aug  aug  —  revers  laetitia  augg. 

f.  Bronzemünze:  avers  gekrönter  Kopf  von  scharfer  Präge  ra.  d.  U. 
imp  Anreu....  rev.  Consul  in  Rüstung  dem  Mars  die  Siegesgöttin  darreicht 
m.  d.  U militam. 

g.  Bronzemünze :  avers  gekrönter  Kopf  ohne  Bart  m.  d.  U.  CPIVÖSVTF: 
revers  verlöschte  Figur  m.  d.  U.  spes  mi... 

Zu  Lof  zwischen  Catteues  und  ITatzonpoit,  wo  vordem  der  Wepeling 
Gerhard  gehanset,  nach  der  Sage  im  Trinken  die  von  Ehreuburg,  Schöneck 
und  Waldeck  besiegte,  indem  er  Poeale  von  10  Quart  als  Fingerhüte  ver- 
achtend sich  unter  dem  laufenden  Krahnen  eines  Stückfnsses  anbinden  Hess, 
fanden  die  Eisenbahnarbeiter  unterhalb  der  Kirche  einen  Tufsteinsarg  7' 
lang  2"  hoch  mit  einem  abgeschrägten  Walmdnchdcckel  ohne  andern  Inhalt 
als  Reste  von  Todtengebeinen,  mit  dem  flachen  Meisel,  nicht  mit  der  Spitz- 
hacke ausgehauen. 

Zu  Hatzenport  fanden  die  Arbeiter  an  der  obersten  Mühle  beim 
Abtragen  der  Berglehne  ein  Römerdenkmad  von  Jurakalk.  Der  Sockel 
8'  lang,  2'/«'  breit,  2'  hoch  war  mit  Sculpturen  geschmückt  (Taf.  X.  4). 
Auf  der  Vorderseite  ein  hockender  Hase  vor  einer  Traube,  auf  der 
rechten  Breitseite  ein  Faunkopf  mit  einem  Tyrsus  und  einem  Ilirten- 
stabe,  auf  der  linken  Breitseite  der  Kopf  eines  Pan  mit  einem  Hirten- 
stabe. Der  Aufsatz  zeigte  das  Bild  eines  Hirsches  und  eines  Jägers.  Püiiie 
Inschrift  fand  sich  nicht  vor.  Die  Sculpturen  voll  Ausdruck,  eben  so  weit 
entfernt  von  der  klassischen  Zeit  wie  von  der  spätem  Zopfzeit,  mögen  der 
Zeit  des  Dichters  Ausonius  angehören,  wo  neben  dem  Landbau  auch  der 
Weinbau  an  der  Mosel   fleissig  betrieben    uud    wie    heute    noch   die  Jagd 


'jfA  \Izaot\laa. 

nicht  »rut*sT  Acht   sr^iAuen    varde.     Dieser  den  ländlichen    Gottheiten  ge- 
vifixat*.»-.  '■'AMii.  \A\c,ii'i\  i.ch   Is  ö^r  3Illi:e  Ton  Ealkofen    und  soll  an    der 

fiojtpard.  C.  Bendermacher. 

12.  1^14  M«trowiDfir«r-GriberTonNiederembt  resp.  Franke ■ - 
hovfsn.  Na«:h  Tasien  G^r^cbicl'.t'e  der  Teracbiedenen  GeechL  Bothholx 
a.  «.  w-,  IM.  1,  S-  2S3i  befindet  sich  im  Archire  des  Schlosses  Dyck  die 
gerichtliche  Verm^-ar.g  eir.iir  Straase.  —  aas  dem  Jahre  1600  —  die  darin 
.ritra<>.se  aus  WeatphsUn  darcn  das  bergiäche  Land  anf  Düsseldorf  and 
weit/T  in  das  jüiicher  Land**  heiart.  Professor  Schneider  sagte  mir 
von  dieser,  daas  sie  bei  Grimmlir.ghaosen  über  den  Rhein  setze.  An  der 
Nordeeite  geoanriter  Ortücbaft,  wo  »e  noch  recht  deatlich  za  erkennen  ist, 
kennt  nsan  dieselbe  unter  der  Bezeichnacg  .Caster-Strasse"  nnd  es  lassen 
sich  von  hier  aas  die  Spuren  weiter  verfolgen,  nach  Tassen  zwischen  den 
berühmten  alten  Dynastensitzen :  Hoisten.  Neukirchen  Clinks),  Uelchenstön 
and  Hülchrath  ('rechts)  hicdurch  in  den  alten  Dynostensitz  Caster  hinein, 
weiter  über  Ilödingen  bi«  nach  Jülich.  Zwischen  Rödiagen  and  Caster, 
wo  ich  die  Strasse  betreten  habe,  führt  sie  den  Kamen  , Hochstrasse' ; 
hier  liegt  auch  das  Dorf  Niederembt  mit  der  von  den  Geschwistern  Bayer 
bewohnten  Burg  Richartshoven  ;  geht  man  nun  noch  weiter,  dann  betritt 
man  das  diclit  vor  Frankeehoven  gelegene  Grandätück  der  Frau  von  Gal 
(geb.  Bayer  aus  Ehrenfeid ),  das  von  den  Aeckern  der  weiteren  Umgebang 
sehr  leicht  durch  die  sonnige  und  die  Umgegend  beherrschende  Lage  zu 
erkennen  ist.  ^Vährend  diese  Stelle  von  einer  Seite  durch  einen  Bach 
begrenzt  wird,  meint  man  auf  der^elbeo  die  Spuren  einer  Römerstrasse  zu 
erkennen,  welche  mit  d»-r  oben  genannten  einen  "Winkel  bildet.  In  dem 
letzteren  wurden  vor  zwei  Jahren  Mergelstechangen  vorgenommen,  bei 
welchen  Krdurbeiten  man  in  einer  Tiefe  von  '/s  bis  1,70  m  fränkische 
Reihengräber  vorfand,  bestehend  aus  c.  30  Gerippen,  die  in  horizontaler 
lU'ihe  lagen  und  dem  Character  der  Zeit  entsprechend,  Waffen,  Schmack- 
gerätho  und  sonstige  Gegenstände  des  täglichen  Bedarfs  bei  sich  liegen  hatten. 

Die  Waffen  sind  alle  aus  Eiseu.  Kin  zweischneidiges  Schwert  (Spatba) 
von  27  cm  Länge  und  (>  cm  Breite,  dessen  kurze  Angel  oben  kreuzförmig 
aufiladet,  um  die  vielleicht  hölzerne  Umfa.sEung  abzusch Hessen,  gleicht  dem 
von  Sir  John  Lubbock  (in  der  durch  Passow  übersetzten  .Ausgabe  Bd.  I, 
S.  28,  Fig.  28j  abgebildeten,  das  einem  Sacbsengrabc  Englands  entnommen 
ifct :  auch  können  wir  uns  die  Abbildung  eines  solchen,  wenn  auch  ohne 
kreuzförmigen  Griffabüchluss ,  in  der  .Abhandlung  des  Herrn  Geheimrath 
Schaaffhausen  (vergl.  Jahrbuch  Heft  XLIV  und  XLY)  auf  der  Tai.  Y 


Miscellen.  205 

unter  Nr.  1  ansehen.  Ein  Messer  (Scramoaaxas)  von  -50  cm  Länge,  mit 
etwa  4  Linien  starkem  Rücken,  wie  man  hier  gefunden,  habe  ich  bereits 
als  ans  den  fränkischen  Gräbern  von  Kiederberg  stammend  verzeichnet;  bei 
den  in  der  Umgebung  von  Neuss  blossgelegten  Gerüthen  aus  dem  Heere 
Carrs  des  Kühnen  von  ßurgmid  zeigte  sich  auch  ein  solches,  wonach  der 
Gebranch  desselben  bis  in  das  höchste  Mittelalter  hineinreichen  dürfte  (vergl. 
auch  d.  Abbild,  v.  Seh.  Heft  XLIV,  Taf.  V,  Fig.  3).  Die  übrigen  WaflFeu  sind 
xwei  Speerspitzen  und  ein  Beil.  Eine  der  ersteren  nähert  sich  in  der 
gedrungenen  Form  schon  mehr  dem  spät-mittelalterlichen  (vergl.  d.  Abbild. 
in  gen.  Abb.  Taf.  V,  Nr.  4) ;  die  andere  von  54  cm  Länge  (wovon  20  cm 
der  eigentlichen  Schneide,  der  übrige  Theil  der  Tülle  angehört)  hat  eine 
weit  mehr  langgestreckte  Form.  Das  Beil  mit  schmalem  nach  beiden  Seiten 
hin  ausladendem  Blatte  und  halbmondförmiger  Schneide,  ist  verhältniss- 
mfisflig  sehr  schwer  (Seh.  hat  an  gen.  St.  unter  Nr.  29  ein  ähnliches,  wenn 
auch  nur  nach  einer  Seite  hin  ausladendes  und  hier  abgeflachtes  Beil, 
abgebildet). 

Ton  den  Waffen  zu  den  gefundenen  Geräthen  des  täglichen  Bedarfs  über- 
gehend, führe  ich  zunächst  zwei  kleine  eiserne  Messerchen  und  eine  ebenfalls 
nicht  grosse  eiserne  Scheere  an,  wie  ich  ähnliche  aus  der  „Karolinger  Begräb- 
niflsstfttte  von  Neuss"  verzeichnet  habe;  dann  gehören  hierhin  zwei  Kämme 
ans  Bein  mit  doppelter  Zahnreihe  und  in  der  Mitte  durch  eiserne  Stifte 
befestigten  Knochenleiste  (von  denen  sich  in  gen.  Abb.  Fig.  31  eine  Abbild, 
wiederfindet)  und  endlich  ein  Feuersteinspahn.  Zu  den  Geräthen  des 
tlgliohen  Bedarfs  gehören  offenbar  auch  Thongefässe,  deren  sich  in  unseren 
Gräbern  gewöhnlich  eines  auf  der  Brust  des  Todten  vorfand,  die  aber 
leider  ausser  einem  Töpfchen  alle  zerstört  sind.  Dieses  letztere,  von  7  cm 
Höhe  und  37  cm  umfang,  gleicht  in  seiner  eckigen  Grundform  und  über- 
haupt in  dem  sehr  bestimmt  ausgeprägten  Charactor  dem,  welches  ich  in 
meiner  Miscelle  über  „eiuMerovinger-Grab  in  Neuss"  eingehend  besprochen 
habe.  Die  Bruchstücke  der  übrigen,  wenn  auch  in  der  Form  ganz  ver- 
schiedenen Gefässe,  zeigen  denselben  Cbaracter;  die  eines  grossen  Topfes 
e^ben  die  Form  des  Gefösses,  das  Schaaffhausen  (in  gen.  Abb.  Taf.  Y, 
Nr.  1)  schon  abgebildet  hat;  sie  zeigen  auch  dieselben  durch  die  Schnur 
hergestellten  Linien  als  Verzierung.  Die  Verzierungen  der  übrigen  Scherben 
sind  ganz  primitiv  eiugepresste  und  in  Reihen  neben  einander  gestellte 
Quadrate.  Das  Material  dieser  Geiasse  ist  bei  allen  dasselbe:  ein  in  der 
Umgebung  der  Fundstelle  aber  auch  anderwärts  vorkommender  weisser 
Thon,  welcher  fein  geschlemmt  und  fast  so  hart  wie  unser  spät-mittelalter- 
liehes  Steingut  gebrannt  und  endlich  mit  einem  bläulich-schwarzen  Ueber- 


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Miscellen.  207 

eines  der  thätigsten  Mitglieder  des  Vereins,  des  Herrn  Rentner  H.  Möldcrs 
zn  Xanten,  von  den  Ergehnissen  Kenntniss  genommen.  Ich  frene  mich 
mittheilen  zu  können,  dass  die  Ausgrahtingen  aus  und  in  der  Umgehong 
des  Förstenberges  schon  einige  recht  interessante  Resultate  geliefert  haben. 

Zunächst  hat  sich  herausgestellt,  dass  ein  grosser  Theil  der  Fläche 
des  römischen  Lagers  etwa  1  m  unter  dem  Boden  mit  einer  Brandschicht 
(Asche  und  Kohlen)  von  wechselnder  Dicke  überzogen  ist,  in  welcher  viele 
Einzelhruchstücke  mit  einigen  unbedeutenden  Anticaglien  vorkommen.  Eb 
liefert  dies  eine  Bestätigung  für  unsere  bereits  anderwärts  ausgesprochene 
Ansicht,  dass  in  dem  Lager  des  Fürstenberges  die  Truppen  nicht  in  stei- 
nernen Gebäuden,  sondern  nur  in  hölzernen  mit  Ziegeln  gedeckten  Baracken 
untergebracht  waren.  Damit  stimmt  auch  die  grosse  Seltenheit  römischer 
Banreste  innerhalb  des  Lageiberinges,  und  nur  an  der  Stelle,  wo  wahr- 
scheinlich das  Prätorium  gestanden,  hat  man  bis  jetzt  steinernes  Bau- 
material, insbesondere  einige  grosse  Tu£fblöcke,  gefunden.  Es  ist  zn 
wünschen,  dass  die  Ausdehnung  der  Brandschiebt  über  die  Lagerfläche 
durch  Ausgrabungen  an  verschiedenen  Stellen  genau  festgestellt  werde. 

Eine  fernere  interessante  Wahrnehmung,  welche  durch  Aufgrabungen 
-gemacht  wurde,  ist  die,  dass  sich  innerhalb  der  Lagerumschliessung 
hier  und  da  römische  Gräber  gefunden  haben.  Dies  beweist,  dass 
schon  in  römischer  Zeit  das  Lager  seinem  ursprünglichen  Zwecke  entfremdet 
und  verlassen  war.  Es  wird  zweckmässig  sein,  die  Fundstellen  der  Gräber 
in  der  Flurkarte  genau  zu  notiren. 

Mit  der  vorigen  Wahrnehmung  im  Einklänge  steht  der  Lauf  der 
dortigen  Römerstrasse:  dieselbe  geht  zuerst  als  Hohlweg,  neben  welchem 
durch  den  Verein  römische  Gräber  aufgedeckt  wurden,  nach  dem  Hause 
Peters,  und  dann  durch  den  Lagerbezirk,  als  ein  von  Gräbern  begleiteter 
Damm,  der  später  verschwindet.  Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  diese  Damm- 
strasse erst  angelegt  werden  konnte,  als  das  Lager  bereits  nicht  mehr 
bestanden;  die  eigentliche  Lagerstrasse  ist  noch  nicht  aufgefunden. 

Eine  andere  interessante  Aufgrabung  ist  bei  dem  Hause  Erprath 
gemacht  worden.  Hier  geht  nach  Süden  durch  das  sumpfige  Torrain  ein 
in  Stein  gebauter  Weg  unter  der  Erde,  welcher  bei  den  Landleuten,  die 
das  Material  öfters  aus  ihren  Feldern  ausgebrochen,  „die  römische  Mauer" 
heisst.  Hr.  v.  Ilaeften  hat  die  Reste  jedoch  richtig  als  Strasse  erkannt, 
und  mir  das  Material,  welches  erst  vor  Kurzem  an  einer  Stelle  heraus- 
gefördert worden,  vorgezeigt;  dasselbe  bestand  aus  Bruchsteinen,  zwischen 
welchen  sich  starke  Mörtelstücke  befanden.  Nordwärts  vom  Hause  Erprath 
ist  gleichfalls,  und  zwar  in  der  Verlängerung  dos  vorigen,  ein  solcher  Weg 


208 


Miseellen. 


aufgefunden  worden,  worüber  mir  Hr.  Möldera  vor  Kurzem  nShere  Mit- 
theiluiig  gemaclit  hat.  Da  die  Nachgrabungen  voraussicbtlich  weiter  fort- 
gesetzt werden,  so  soll  später  darüber  ausführlicher  berichtet  werden. 

Ausserdem  wurden  germanische  Grabhügel  in  dem  Hochwalde  südlich 
von  Xanten ,  sowie  eine  mit  Wackonsteinen  gepflasterte  Strasse  ansserhalb 
des  Lagers  von  dem  Vereine  aufgegraben.  Sehr  wünschenswerth  ist  auch 
die  weitere  Aufsuchung  der  vor  mehreren  Jahren  in  der  Hees  entdeckten 
Wasserleitung,  wovon  die  thönernen  Leitungsröhren  in  dem  Hanae  des  Herrn 
Gastwirth  Ingenlath  zu  Xanten  aufbewahrt  werden. 

J.  Schneider. 


%5^. 


ruiversitriU-Biiclidruckci'ci  von  Oiirl  Gcorüi  in  Boiui. 


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